Männer beim Frauenstreik?!

Resa Ludivien, Sympathisantin, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

„Frauen*streik 2019“, schon allein der Name dieses Bündnisses hat eine eindeutige politische Aussage. Frauen* legen die Arbeit nieder, nicht nur um ihre Sichtbarkeit zu zeigen, sondern auch um auf Themen aufmerksam zu machen, die allzu oft als niedrigschwellige Probleme abgetan oder belächelt werden. Dazu gehören der alltägliche Sexismus, dem Frauen ausgesetzt sind, aber auch ihre besondere Rolle im Berufsalltag prekärer Jobs, z. B. in der Pflege. Oder eben auch die alltägliche Mehrarbeit, die Frauen in Form unbezahlter Haus-/Reproduktionsarbeit leisten.

Sollten Männer sich also an diesem Ereignis beteiligen oder ist dieser Kampf nur den Frauen vorbehalten?

Diese Frage ist nicht nur im Kontext des anstehenden Streikes, sondern auch darüber hinaus in der antisexistischen bzw. politischen „Frauen“arbeit immer wieder Thema. Eng damit verbunden ist die Frage, was für einen Kampf wir führen wollen und warum. Ebenso umstritten bleibt, ob der Streik, also eines der wirksamsten politischen und ökonomische Druckmittel, das ArbeiterInnen im Kapitalismus haben, der Raum sein sollte, den Frauen sich nehmen, weil er ihnen sonst verwehrt oder von Männern vereinnahmt wird.

Unsere Antwort darauf: Männerbeteiligung ist nicht nur erwünscht, sondern sogar notwendig zum Erreichen unserer Ziele. Zwar sehen wir auch die Probleme einer Beteiligung von Männern wie beispielsweise die Möglichkeit, dass sie sich im Streik an dessen Spitze setzen. Aber unser Ziel ist eben nicht nur die Bekämpfung der Symptome von Frauenunterdrückung, sondern auch ihrer Ursachen. Aus unserer Sicht liegen diese im Vorhandensein kapitalistischer Produktionsverhältnisse, welche davon profitieren und sie deshalb konservieren und fördern. Nur mit einem gemeinsamen Kampf der gesamten ArbeiterInnenklasse können sie überwunden werden. Ein Ausschluss der männlichen Mitglieder der ArbeiterInnenklasse würde lediglich den Streik schwächen und somit den ökonomischen Druck auf die herrschende Klasse stark unterminieren.

Wofür effektiv streiken?

Alle Forderungen, die gegen die Spaltung der Klasse gerichtet sind, sollten wir unterstützen, z. B. offene Grenzen als wichtige Vorbedingung für Antirassismus. Maßnahmen zur Vergesellschaftung der Hausarbeit müssen eingeleitet werden, damit die Arbeit auf alle Hände und Köpfe gleich verteilt werden kann und die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung überwunden wird (z. B. gegen Pflegenotstand, für öffentliche und kostengünstige Kantinen, Wäschereien, Kinderbetreuung). Diese Vorgehensweise liegt auch im historischen Interesse der Männer unserer Klasse ebenso wie die rechtliche und wirtschaftliche Geschlechtergleichstellung (Arbeitszeiten und -bedingungen, Mindestlohn, gleiche Bezahlung für gleiche Tätigkeiten). Von daher ist ein gemeinsamer Streik auch ein wichtiges Mittel gegen den Antifeminismus vieler männlicher ProletarierInnen, die leider nur allzu oft in ihren Kolleginnen v. a. Konkurrentinnen sehen, die sie im Schulterschluss mit den Herrschenden herabsetzen und unterdrücken wollen.

Wie richtig streiken? Kontrolle durch die Basis!

Sie sollten gemeinsam mit ihren Kolleginnen die Gewerkschaftsspitzen auffordern, den Streik auszurufen, sich aber an der Basis organisieren, um die Kontrolle über den Kampf in ihre eigenen Hände zu nehmen, statt den trügerischen Manövern und Verhandlungen der Gewerkschaftsbürokratie zu vertrauen. Diese Organisation kann den Keim einer zukünftigen klassenkämpferischen, antibürokratischen Basisoppositionsbewegung bilden mit dem Ziel, die Gewerkschaften wieder zu Klassenkampfinstrumenten zu machen. Dazu muss der reformistische, Sozialpartnerschaft mit den UnternehmerInnen treibende Apparat entmachtet werden.

Was tun, damit der Frauenstreik seinem Namen gerecht wird?

Ziel sollte es sein, dass nicht nur frauenspezifische Themen im Mittelpunkt stehen, sondern auch die Sichtbarkeit von Frauen gefördert wird. Im Voraus ist es daher notwendig, dass es eigenständige Organisationsstrukturen neben den gemeinsamen Streikkomitees gibt wie die bereits in vielen deutschen Städten existierenden Frauenstreikversammlungen. Diese ermöglichen es den Frauen besser, eigene Forderungen aufzustellen, und verhindern gleichzeitig eine Vereinnahmung durch andere Teile der ArbeiterInnenklasse effektiver.

Wie bereits festgestellt, ist Sexismus fester Bestandteil kapitalistischer Verhältnisse und der Kampf dagegen sollte getreu dem Motto „Keine Frauenbefreiung ohne Sozialismus – kein Sozialismus ohne Frauenbefreiung“ geführt werden. Daher sollten auch Männer diesen Kampf unterstützen, indem sie sich mit dem Frauenstreik solidarisieren, zum Beispiel durch Beteilung an Streikaktionen im Betrieb.




Frauenstreik 2019 – aber richtig!

Anne Moll, ArbeiterInnenmacht, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Am 10. November 2018 fand in Göttingen das erste Vernetzungstreffen zur Planung eines internationalen Frauenstreiks am 8. März 2019 statt. Auf diesem Treffen wurde ein gemeinsamer Aufruf für den 8. März 2019 verabschiedet und eine Planung, wie dessen Umsetzung in Deutschland möglich ist. Mittlerweile existieren zudem lokale Strukturen in zahlreichen Städten.

„Wenn Frau will, steht alles still…“?

Auch wenn es für viele Frauen in der BRD heute kaum vorstellbar ist, ohne Tarifrunde, also für eigene Frauenthemen die Arbeit niederzulegen: Solche Streiks gab es in der Vergangenheit und sie sind international gar keine Seltenheit! Wie wir schon in einer früheren Ausgabe der Neuen Internationale im Artikel „Frauenstreik – ja bitte!“ ausgeführt haben, legten Millionen Frauen seit 1975 in Europa die Arbeit nieder und gingen auf die Straße, um gerechte Bezahlung, bessere Kinderbetreuung, Stopp der Gewalt gegen Frauen oder die Selbstbestimmung über ihre Körper zu fordern – in Deutschland zuletzt 1994 mit knapp einer Million TeilnehmerInnen.

Das Problem ist dabei immer wieder die Frage der Protestform. Die Frauenorganisationen, die aus dem bürgerlichen Spektrum kommen, lehnen den Begriff Streik und damit natürlich auch dessen praktische Ausführung ab. So überstimmten sie die radikalen Frauengruppen z. B. 1975 in Island und eine wirklich große Kampfaktion wurde unter dem so gar nicht kämpferischen Slogan „Frauen-Ruhetag“ angekündigt. Unter gewerkschaftlich organisierten Frauen konnte dann immerhin der Slogan „Frauenprotesttag“ 1994 in Deutschland durchgesetzt werden. Betriebliche Streikaktionen wurden aber abgelehnt mit der Begründung, politische Streiks seien in der BRD illegal. Womit wir bei dem eigentlichen Problem wären: Es ist dringend notwendig, dass sich politisch einiges ändert, sich die Situation von Millionen Frauen hierzulande bzw. weltweit Milliarden verbessert. Es muss sich noch viel ändern, damit das Wort Gleichstellung überhaupt ausgesprochen werden darf. Wesentlich ist aber die Frage: „Wie erreichen wir das?“

Wer wird politisch etwas mehr als schöne Worte und einen Butterkeks für Frauenrechte tun, wenn wir nicht über legale Protestformen hinausgehen? Wenn wir durch konsequente und sehr energische Maßnahmen nicht zeigen: Die Ansage „Wenn wir wollen, steht alles still!“ beinhaltet auch Streikmaßnahmen? Und es ist uns ernst mit der vollständigen Gleichberechtigung, die natürlich auch bedeutet, dass Frauen in dieser Gesellschaft besonderen Schutz benötigen.

Genau darum brauchen wir einen politischen Streik für die durch ihn erreichbaren Forderungen aus dem Göttinger Aufruf. Ein politischer Streik richtet sich im Gegensatz zu wirtschaftlichen Forderungen einzelner Branchen an und gegen den Staat mit der Aufforderung, Maßnahmen zu ergeifen, die im Interesse aller Arbeiterinnen liegen: zur Vergesellschaftung des Reproduktionssektors, der Haus-, Pflege- und Sorgearbeit, gegen Pflegenotstand; zur faktischen Gleichstellung mit den Männern vor dem Gesetz, bei Löhnen und Arbeitsbedingungen; zur Abschaffung der Abtreibungsgesetze; gegen Altersarmut; für gleiche StaatsbürgerInnenrechte aller, die hier leben; für offene Grenzen…Ein politischer Streik bündelt also die Interessen der gesamten ArbeiterInnenklasse. Sie sollte sich auch als Ganze daran beteiligen einschließlich ihrer Männer – vom politischen Massenstreik bis hin zum Generalstreik zur Durchsetzung der Forderungen!

An zwei wesentlichen Punkten mangelt es zum Verständnis, warum es tatsächlich notwendig ist, einen Frauenstreik, der sowohl dem Kampfbegriff als auch der notwendigen Aktion gerecht wird, durchzusetzen:

Erstens am fehlenden Klassenstandpunkt: Viele haben kein Verständnis, für welche Interessen wir denn kämpfen. Da kommt immer schnell das Argument: Wir Frauen haben alle die gleichen Bedingungen und kämpfen gemeinsam für die gleichen Forderungen. Jede Kritik daran wird mit dem Argument „Wir lassen uns nicht spalten!“ abgewürgt.

Und trotzdem ist es eine Tatsache, dass sich bürgerliche Frauen viel von den Forderungen für mehr Gleichstellung kaufen können, sie weit eher in der Lage sind, sich aus gewalttätigen Beziehungen zu befreien, oder eine Abtreibung unabhängig von der Gesetzgebung sicher durchführen lassen können (z. B. im Ausland). Je besser ihre ökonomische Lage, desto mehr Möglichkeiten haben sie, sich ein angenehmes Leben zu organisieren oder den Beruf auszuüben, den sie möchten.

Außerdem kommt dazu, dass sie sich selten mit der ArbeiterInnenklasse solidarisieren, denn ihre bürgerlichen Regierungen werden tatsächlich mit allen Mittel versuchen, unseren Kampf zu stoppen – je konservativer, desto härter! Und dazu gibt es Repression und das könnte durchaus heißen, dass sie ihren Status verlieren oder zumindest angegriffen werden. Nur die Arbeiterinnen, um derentwillen die Forderungen unterstützt werden müssen und für die sie wirklich relevant sind, haben eh nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen: die gezwungen sind, auch den schlechtesten Job zu machen, sich zu prostituieren oder sexuelle Belästigungen durch ihre Vorgesetzten auszuhalten, wenn sie nicht gefeuert werden wollen.

Zweitens geht es leider auch vielen Gewerkschaften darum, die Kontrolle über die Bewegung zu behalten. So wichtig es ist, gewerkschaftlich organisiert zu sein, um diese Anliegen durchzusetzen, so wichtig ist zu erkennen: In welchem Kontext agieren diese Gewerkschaften? Warum unterstützen sie nicht bedingungslos die Forderungen und Proteste der Ärmsten und Unterdrücktesten? Und besonders in der BRD steht unseren Interessen die Kontrolle und Zähmung der DGB-Gewerkschaften durch ihre leitenden FunktionärInnen, zumeist Mitglieder der bürgerlichen ArbeiterInnenpartei SPD, entgegen. Sie unterstützen schon sehr lange alle kapitalistischen Interessen mit dem leider wirksamen Argument der Standortsicherung. Damit wird jeder weitere Einschnitt für die Lohnabhängigen gerechtfertigt, neoliberale Politik mitgetragen. Als alternativlos werden auch immer wieder Krisenkosten auf die ArbeiterInnenklasse abgewälzt.

Umso wichtiger ist es deshalb, dass das Thema (politischer) Streik auf die Tagesordnung kommt und diskutiert wird. Wir unterstützen die Bewegung für einen Frauenstreik international und bringen unsere klassenkämpferische Politik in die Vorbereitungen ein.

Wie könnten die ersten Schritte aussehen, damit die Mobilisierung und die viele Arbeit von 2019 nicht schon im nächsten Jahr verpufft? In Deutschland ist es deshalb schon nicht so einfach, Menschen in den Betrieben während der normalen Lohnrunden zu mobilisieren, weil die Gewerkschaftsbonzen sehr stark Aktionen kontrollieren, ja ausbremsen, wenn sie nicht in den gewerkschaftlichen Schulterschluss mit Sozialdemokratie und UnternehmerInnen passen. Die DGB-Gewerkschaften möchten ihr Image als verlässliche Partnerinnen der Kapitalinteressen nicht gefährden. Deshalb werden sie erst recht nicht oder nur sehr vereinzelt in Ortsgruppen oder Betrieben bereit sein, zum 8. März überhaupt zu mobilisieren.

Die ersten Schritte müssen also von den Beschäftigten ausgehen. Der erste Schritt bestünde darin, dass sich die Streikbereiten organisieren, ihre Führungen auffordern, zum Streik aufzurufen. Nur wenn wir kollektiv Druck auf die Gewerkschaftsführung ausüben, schaffen wir es, sie in Bewegung zu bringen. Ein realistischer Weg dahin, möglichst viele Kolleginnen, aber auch Kollegen für diese Idee zu gewinnen, besteht in der Aufforderung an die Betriebsräte, vor dem 8. März eine Betriebsversammlung in ihrem Betrieb durchzuführen. Und genau diese Versammlung sollte das Thema Frauenstreik diskutieren. Was wollen wir? Wofür müssen wir streiken? Welche Rechte haben wir? Usw., usf.

Als Beispiel sei hier der Frauenstreik 2018 in Spanien genannt. Die offizielle Gewerkschaftsführung wollte nicht zum politischen Frauenstreik aufrufen, aber die gewerkschaftlich organisierten Frauen taten es und organisierten selbstständig die betrieblichen Streiks. In Deutschland kocht seit Monaten das Thema Pflegenotstand. In vielen Städten gibt es Bündnisse für mehr Personal im Krankenhaus. Dies Thema ist ebenso wie höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, wie gute Kinderbetreuung und Selbstbestimmung über unsere Körper ein gutes zur Mobilisierung. Die Gewalt gegen Frauen hat in den letzten Jahren zugenommen. Und sie fängt nicht erst bei Schlägen an, sondern damit sind auch verbale Verletzungen und Abwertungen gemeint, sexistische Anmache, Bevormundung und Isolation. Die Schutzräume für von Gewalt betroffene Frauen werden nur sehr unzureichend vom Staat finanziert. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist ein wichtiges Thema im Kampf um Gleichberechtigung. Ein weiteres ist die unbezahlte Hausarbeit, die überwiegend von Frauen geleistet wird und selten überhaupt Erwähnung findet. Das alles sollten wir bei Streikaktionen, Versammlungen und Demonstrationen am 8. März diskutieren und dafür unseren Widerstand organisieren.

Zusätzlich zu dem Vorschlag, v. a. die weiblichen Gewerkschaftsmitglieder und unorganisierten Beschäftigten in den Branchen mit hohem Frauenanteil (Pflege, Einzelhandel, Gastronomie, Gesundheitswesen, Bildung und Erziehung…) zuvorderst zum Streik aufzurufen, treten wir dafür ein, am 8. März einen Bildungsstreik zu organisieren und alle SchülerInnen und StudentInnen zu mobilisieren, damit sie einen ökonomisch wirksamen Erzwingungsstreik mit ihren stärksten Mitteln unterstützen können. Generell ist es uns wichtig zu betonen: Wir kämpfen für die gesamte ArbeiterInnenklasse und unsere Themen sind auch die der Männer unserer Klasse. Wir sollten gemeinsam gegen die Unterdrückung des Kapitalismus antreten! Politischer Frauenstreik illegal? Scheißegal!

Der Aufruf, der bei dem ersten Vernetzungstreffen in Göttingen verabschiedet wurde, ist unter https://frauenstreik.org zu finden. Wir unterstützen viele seiner Forderungen und werden uns an den Aktionen am 8. März beteiligen.




Sri Lanka und die Lage der Frauen

Jonathan Frühling, REVOLUTION, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Sri Lanka ist eine Insel mit rund 20 Millionen Einwohner_Innen vor der Südostküste Indiens mit einem nominalen Bruttoinlandsprodukt von gut 80 Mrd. US-Dollar. Nur 1,9 % der Bevölkerung lebt in extremer Armut. Sri Lanka gehört angesichts dieser wirtschaftlichen Kennziffern nicht zu den ärmsten Ländern der Welt, gerade wenn man die Lage der Bevölkerung mit Ländern wie Indien, Pakistan oder Bangladesch vergleicht. Problematisch ist allerdings die Jugendarbeitslosigkeit von ca. 20 %. Mit 18,4 % Stadtbevölkerung ist das Land nach wie vor sehr agrarisch geprägt. Sri Lanka ist ein multiethnischer Staat, in dem alle großen Weltreligionen aufeinandertreffen. Der Buddhismus kann mit über 70 % am meisten Gläubige zählen, gefolgt vom Hinduismus (12,6 %), dem Islam (9,7 %) und dem Christentum (7,4 %). Die Lebenserwartung ist in den letzten 68 Jahren von 55 auf 75 Lebensjahre gestiegen.

Regierungskrise in Sri Lanka 2018/19

 Zuletzt war das Land in den Schlagzeilen, weil es eine wochenlange Regierungskrise gab. Der Präsident Sirisena hatte den von USA und Indien unterstützten Premierminister Wickremesinghe von der UNP (United National Party; Vereinte Nationalpartei) entlassen und stattdessen den china-freundlichen und rechten Politiker Rajapaksa von der SLPP (Sri Lanka Podujana Peramuna; Sri-Lankische Volksfront) eingesetzt und das Parlament suspendiert. Diese Regierungskrise machte deshalb die Rivalität, die zwischen China und USA in Bezug auf die Einflussnahme in Sri Lanka herrscht, deutlich. China weitet seinen Einfluss auf Sri Lanka aus. Seit 2007 macht es Rahmen seiner „Neuen Seidenstraße“ zu einem wichtigen Handelsstützpunkt. Z. B. hat es einen großen Hafen auf Sri Lanka finanziert. Später wurde ihm dieser auf 99 Jahre verpachtet, weil Sri Lanka den gewaltigen Kredit nicht abbezahlen konnte.

Die Regierungskrise wurde vorerst gelöst, indem der Präsident den alten Premierminister auf Druck des Parlaments hin wieder eingesetzt hat. Trotz dieser Lösung der Krise wurde verständlicherweise dem Glauben an die Berechtigung des politischen Systems in der Bevölkerung nachhaltig geschadet, z. B. wurde das Amt des Präsidenten diskreditiert. Außerdem wurde die Wirtschaft durch die Krise erschüttert, da die Währung an Wert verlor, die Zinssätze angehoben wurden und der Tourismus zurückging.

Trotz der undemokratischen Absetzung Wickremesinghes, die wir angreifen müssen, darf er von uns nicht politisch unterstützt werden. Er ist ein bürgerlicher Politiker unter dem sich seit seiner Einsetzung als Regierungschef 2015 die wirtschaftliche Lage beispielsweise durch Privatisierungen immer weiter verschlechtert hat. Rajapaksa dagegen stellt eine starke reaktionäre Kraft dar, die sich auch auf bewaffnete faschistische Banden stützt. Übernimmt er die Macht, sind vermehrte Angriffe auf die Arbeiter_Innenklasse, die zum Teil gegen Wickremesinghes Sparmaßnahmen kämpft, sehr wahrscheinlich. Auch die ethnischen und religiösen Minderheiten haben von seiner nationalistischen Politik nichts zu erwarten. Beide repräsentieren Spielarten bürgerlicher Politik, die ein halbkoloniales Land wie Sri Lanka nicht voranbringen kann.

Wirtschaftliche Lage von Frauen

Insgesamt ist der Anteil an Frauen, die keiner bezahlten Beschäftigung nachgehen, mit 69 % recht hoch. Dabei sind 25 % der erwerbstätigen Frauen im formellen, 57 % im informellen Sektor tätig, was zeigt, wie unsicher ihre wirtschaftliche Situation ist. Außerdem verdienen sie meistens sehr viel schlechter und müssen zudem oft deutlich länger arbeiten als ihre männlichen Kollegen, weil ihre Arbeit weniger entlohnt wird. An den Universitäten machen sie etwa die Hälfte der Studierenden aus. Allerdings gehen sie selten in die Politik und müssen ihre Jobs aufgeben, sobald sie Kinder bekommen. Auch müssen sie Missbrauch und Belästigungen ertragen, wenn sie in ihrem Beruf weiter kommen wollen, sehr ähnlich, wie es die #MeToo-Kampagne in der westlichen Welt offenbarte.

Frauen stellen in der Tee-, der Textilproduktion und unter den im Ausland arbeitenden Sri Lanker_Innen die meisten Beschäftigten. Obwohl dies die wichtigsten Wirtschaftszweige sind, sind Bezahlung und Arbeitsbedingungen in allen dreien sehr schlecht. Außerdem sind sie oftmals als Haushälterinnen auf der arabischen Halbinsel besonderer Unterdrückung ausgesetzt. Auf den Teeplantagen gab es sogar 2018 einen Generalstreik für eine 100%ige Lohnerhöhung. Allerdings fokussieren sich die Gewerkschaften leider nicht auf die Branchen mit hohem Frauenanteil.

Gewalt gegen Frauen

Häusliche Gewalt ist seit 2005 (!) verboten und trotzdem kommt es häufig zu physischen Übergriffen von Männern gegen ihre Frauen. Diese Verbrechen werden in der Gesellschaft toleriert bzw. akzeptiert. Die Vergewaltigung in der Ehe ist nicht verboten und wird als „eheliches Recht des Mannes“ verstanden. Der staatliche Schutz ist mangelhaft. Oft sind die Frauen bei einer Anzeige weiteren Belästigungen durch die Polizei ausgesetzt. Mehr noch: Im von 1983 bis 2009 andauernden Bürger_Innenkrieg im Norden des Landes war das Militär oft selbst in Gewaltverbrechen gegen Frauen verwickelt und ist es bis heute, da dort immer noch eine erhöhte militärische Präsenz zu verzeichnen ist. Auch die Prostitution hat in und seit dem Bürger_Innenkrieg dadurch und durch die katastrophale Situation der Bevölkerung zugenommen. Traumatisierung und übermäßiger Alkoholkonsum infolge des Bürger_Innenkriegs hat auch zu einer Zunahme der häuslichen Gewalt beigetragen. Zudem sind Frauen in Haft von Vergewaltigung, Erniedrigung und Missbrauch bedroht. Es sind Fälle belegt, in denen Aktivist_Innen entführt und gefoltert worden sind und erst nach Lösegeldzahlungen wieder freikamen.

Welche Perspektive?

Das alles zeigt uns, dass Gewalt gegen Frauen in Sri Lanka weit verbreitet ist und die Täter fast immer straflos davonkommen. Der Staat ist bei der Aufklärung und Bekämpfung keine Hilfe, sondern durch Militär, Polizei und Gerichte oft selbst in Misshandlung, Menschenhandel, Prostitution und Vergewaltigung verwickelt und deckt sie. Nur wenn die fortschrittliche Bevölkerung sich erhebt und durch Solidarität mit den Betroffenen Druck auf die Regierung ausübt, kann man sie dazu zwingen zu handeln. Das beweist der Fall einer 18-jährigen Schülerin, die vergewaltigt und ermordet wurde. Erst aufgrund großer Proteste wurde ein Prozess gegen die Täter geführt. Eine revolutionäre Politik in Sri Lanka müsste sich die Ausweitung und Durchsetzung der Rechte der Frau auf die Fahne schreiben.

Die Bewegung müsste sich aber auch für die Erhaltung und Ausweitung der beschränkten demokratischen Möglichkeiten einsetzen, wie die letzte Regierungskrise gezeigt hat. Außerdem muss die Macht von Militär und Polizei gebrochen und müssen die ethnischen und religiösen Konflikte überwunden werden. Das kann nur einer sozialistische Arbeiter_Innen- und Bauern-/Bäuerinnenregierung in Kombination mit einer revolutionären Partei tun. Sie muss den Bauern und Bäuerinnen zu Land und den Arbeiter_Innen zur Kontrolle über die und letztlich Aneignung der Produktionsmittel verhelfen. Diese Politik muss aber auch einen internationalistischen und antiimperialistischen Charakter tragen und sich gegen die imperialistische Einflussnahme z. B. Chinas und der USA richten.

https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/asien-pazifik/sri-lanka/sri-lanka-situation-der-frauen.pdf




Frauenvolksbegehren: Ein Weg zur Emanzipation?

von Aventina Holzer, Revolution Österreich, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Das Frauenvolksbegehren wurde in Österreich zur Abstimmung vorgebracht und sammelte letztes Jahr 481.959 Stimmen. Es beinhaltet viele positive Forderungen: von der schrittweisen Einführung einer 30-Stundenwoche über den Ausbau von Kinderbetreuung und Abtreibung mit vollständiger Kostenübernahme durch die Krankenkasse bis zur Anerkennung von frauenspezifischen Fluchtgründen. Wir befürworten daher die Unterstützung dieses Volksbegehrens. Gleichzeitig haben wir auch Kritik an dem Verfahren, denn aktuell sieht es so aus, dass die Initiative im Nichts zu verpuffen droht. Die Frage ist deshalb für Kommunist*innen, wie man sich in diesem Spannungsverhältnis zwischen (großteils) fortschrittlichen Forderungen und gleichzeitig sehr gemäßigter Politik verhalten soll. Kann ein Volksbegehren überhaupt etwas bezwecken? Wir möchten an dieser Stelle eine seiner kontroversen Forderungen und die nötigen Perspektiven zur Frauenbefreiung diskutieren.

Quoten als Lösung?

Gerade Kommunist*innen stehen für die Gleichberechtigung von Frauen ein, aber unsere konkreten Forderungen unterscheiden sich dennoch vom Frauenvolksbegehren. Hier wird gefordert, dass die Hälfte aller Wahllisten und Vertretungsgremien der politischen Interessensvertretungen und der Sozialpartnerschaftsinstitutionen von Frauen besetzt wird. Zusätzlich sollen innerhalb der Kontroll- und Leitungsgremien von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften dieselben Kriterien erfüllt werden. Die Begründung ist, dass Frauen einen großen Teil der Bevölkerung ausmachen, dieser aber wenig in den Institutionen widergespiegelt wird. In einer repräsentativen Demokratie wäre das aber dringend notwendig. Deswegen müssten also Quoten sich dieser Aufgabe der gleichberechtigten Vertretung annehmen.

Es ist in den allermeisten Fällen egal, ob die Person, die uns ausbeutet, ein Mann oder eine Frau ist. Die Frauenbewegung sollte sich nicht an der Verwaltung des Kapitalismus beteiligen. Deshalb fordern wir die Verstaatlichung der Betriebe unter Kontrolle der Arbeiter*innen. Wir wollen nicht „politisch korrekt“ unterdrückt werden, sondern die Unterdrückung ganz abschaffen.

Aber natürlich ist das nicht die alleinige Antwort auf die Forderung nach Quoten. Speziell in den Massenorganisationen der Arbeiter*innenklasse, also Gewerkschaften oder politischen Organisationen, ist Quotierung wichtig. Denn auch die fortschrittlichste Bewegung ist nicht frei von Sexismus und anderen Unterdrückungsmechanismen. Um das tatsächliche Potenzial der Gruppen auszuschöpfen, müssen Frauen (und auch andere unterdrückte Gruppen) gemessen an ihrem Mitgliederanteil in Gremien vertreten sein. Eine Quote, kann dabei ein Mittel sein, um die Repräsentation von Frauen zu erhöhen. Daneben müssen wir aber auch, um die Beteiligung von gesellschaftlich Unterdrückten zu fördern, diese gezielter schulen und fördern, von technischen Aufgaben befreien, ihnen das Recht auf einen selbstbestimmten Schutzraum (Caucus) geben. Zudem müssen auch Menschen, die nicht unterdrückt werden wie Männer, in die Verantwortung gebracht werden, über ihre Sozialisierung zu reflektieren.

Insofern sehen wir den Anspruch des Frauenvolksbegehrens in dieser Frage als berechtigt an, halten aber die Lösung nicht für ideal. Die Frage von Quotierung muss mit einem klaren Klassenstandpunkt verbunden werden. Sonst dient diese im Endeffekt nicht mehr den arbeitenden Frauen, sondern einem (weiblichen besetzten) Teil des Kapitals. Es wird nämlich der tatsächliche Ursprung (oder zumindest Reproduktionsmechanismus) für Ungleichheit verschleiert: das kapitalistische Wirtschaftssystem. Deshalb muss man für tatsächliche Gleichberechtigung auch erstmal eine neue ökonomische Basis schaffen und das jetzige Wirtschaftssystem hinter sich lassen.

Aber es muss auch klar sein, dass – egal wie sehr wir kämpfen – uns unsere Rechte jederzeit wieder weggenommen werden können. Der Kapitalismus als Ursache der Frauenunterdrückung muss überwunden werden. Und das geht nur als kämpfende Bewegung der Arbeiter*innenklasse. Viele der Punkte im Frauenvolksbegehren müssen essentielle Forderungen einer solchen Bewegung sein, die auf ihre eigene Stärke vertraut statt auf den bürgerlichen Staat. Aber leider bricht der kleinbürgerliche Charakter des Frauenvolksbegehrens doch immer wieder mit den Interessen der Arbeiter*innenklasse. Deshalb müssen wir die Menschen überzeugen, einen Schritt weiterzugehen. Denn echte Frauenbefreiung wird es erst geben, wenn die Dystopie des „freien Marktes“ endlich auf dem Müllhaufen der Geschichte landet.

Was bezwecken Volksbegehren?

Ein erfolgreiches Volksbegehren hat als solches genommen nicht viel mehr Konsequenzen, als dass im Nationalrat darüber diskutiert werden muss. Dies ist auch passiert, mit äußerst geringer Beteiligung und keinem Interesse daran, irgendwelche der Forderungen umzusetzen – nicht verwunderlich, schließlich ist die Regierung blau-schwarz. Der wesentlichere Output kann eben deswegen nur sein, eine gesellschaftliche Diskussion über die Themen zu eröffnen und dadurch eine Bewegung auf der Straße, in den Gewerkschaften und Betrieben anzustoßen, die den gesellschaftlichen Druck erzeugen kann, damit die Forderungen auch wirklich erzwungen werden können. Denn was der Kampf für Gleichberechtigung im letzten Jahrhundert gezeigt hat ist, dass diese nicht einfach vom Himmel fällt, sondern hart erkämpft werden muss.

Deshalb müssen wir auch klar machen, dass dieses Frauenvolksbegehren zu keinen positiven Verbesserungen führt, wenn es sich nicht seiner selbstgesetzten Einschränkungen entledigt. Aktuell ist es rein auf ein formales Mittel der „direkten“ Demokratie im österreichischen Staat ausgelegt. Dabei ist sehr einfach zu durchschauen, dass eine strategische Ausrichtung alleine darauf vollkommen verheerend sein kann. Die vielen Unterstützer*innen, die sich in den letzten Monaten engagiert haben, müssen erkennen, dass ihr Engagement nicht einfach nur für eine gute Medienaktion draufgehen sollte. Vielmehr muss das Frauenvolksbegehren mit realer Mobilisierung auf der Straße verbunden werden sowie eine Auseinandersetzung in den Organisationen der Arbeiter*innenbewegung bewirken. Die Mehrheit im Nationalrat wir nicht im Traum daran denken, die Inhalte des Volksbegehrens durchzusetzen. Wir müssen sie dazu zwingen. Das geht letztlich nur durch eine Bewegung auf der Straße, die ihre Wurzeln in Streikkomittees in Schulen, Universitäten und Betrieben hat!




Österreich: ein Jahr Schwarz-Blau

von Arbeiter*innenstandpunkt, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Vor einem Jahr, am 15. Dezember 2017, wurde die aktuelle ÖVP-FPÖ-Regierung angelobt. Kanzler und Vizekanzler nahmen das und ihre bisherigen Reformen vor kurzem zum Anlass für einträchtiges Eigenlob. Doch Reformen sind nicht immer gut – immer und überall lautet die Frage: „Wem nützt das?“

Dass die schwarz-blaue Politik zugunsten der Reichen und der Kapitalist*innen und auf Kosten der Lohnabhängigen, Arbeitslosen und sozial Schwächeren betrieben wird, haben wir in unseren Analysen zum Regierungsprogramm ausreichend dargelegt (zuletzt in der jüngsten Ausgabe unseres Theoriejournals „Revolutionärer Marxismus“ Nr. 50). So ist das zentrale Vorhaben der Senkung der Abgabenquote in letzter Konsequenz eine große Umverteilung von unten nach oben, wie eines der zentralen Projekte, der Familienbonus, zeigt. Das wird natürlich begleitet von Einsparungen, die vor allem jene treffen, die sich schlechter dagegen wehren können: die Arbeitslosen (AMS-Budgets, Haushalte des Arbeitsmarktservices), die Frauen (Förderungen von Frauenvereinen), die Geflüchteten (Integrationsmaßnahmen, Mindestsicherung), die Lehrlinge (Ausbildungsbeihilfe) etc. Zusätzliche Maßnahmen zur „Stärkung des Wirtschaftsstandorts“ treffen direkt die Kernschichten der Arbeiter*innenklasse, hier besonders die Ausweitung der Höchstarbeitszeit auf täglich 12 (wöchentlich 60) Stunden. Auch muss man festhalten, dass diese Politik unter kontinuierlichen rassistischen Vorstößen gegen Geflüchtete betrieben wird und die Möglichkeiten staatlicher Repression, insbesondere der Überwachung, ausgebaut werden.

„Der rot-weiß-rote Reformzug wird 2019 mit demselben Tempo unterwegs sein“, verkündet Bundeskanzler Sebastian Kurz feierlich. Dabei rückt er natürlich vor allem eines seiner „Prestigeprojekte“ in den Vordergrund – die Steuerreform. Dazu soll es Mitte Jänner eine Regierungsklausur geben. Im April soll ein passender Budgetrahmen geschaffen und im Oktober das entsprechende Doppelbudget beschlossen werden. Diese Steuerreform, geplant für 2020, muss als wesentlicher Teil der Abgabenquotensenkung verstanden werden. Auch wenn Kurz hier die Entlastung für kleinere und mittlere Einkommen ankündigt, sollte man sich keine Illusionen darüber machen, wem diese Reform tatsächlich nützen soll. Vermutlich wird sich innerhalb eines Gesamtpakets die schon angekündigte Halbierung der Körperschaftssteuer (Steuer auf Unternehmensgewinne) auf nicht entnommene Gewinne finden. Nicht unwahrscheinlich wäre auch eine Senkung des Höchststeuersatzes oder eine Reduktion der Steuerprogression.

Auf eine endgültige Umsetzung wartet auch das „Arbeitslosengeld neu“, das die Arbeitslosenversicherung auf ein Hartz-IV-Modell umstellen soll. Dispute zwischen ÖVP und FPÖ über das Ausmaß des Angriffs haben das Projekt bisher verzögert. Wird die Notstandshilfe tatsächlich abgeschafft, um Arbeitslose nach einiger Zeit mit Vermögenszugriff in die Mindestsicherung zu schicken, dann wäre das ein bedeutender Angriff nicht nur auf die Arbeitslosen, sondern auch auf die Arbeiter*innenklasse. Auf sie würde dadurch ein stärkerer Druck zur Hinnahme schlechterer Arbeitsbedingungen ausgeübt.

Es stehen also durchaus noch bedeutende politische Auseinandersetzungen bevor und weitere sind zu erwarten. Immerhin stellt sich die Frage, wie die Regierung ihr Ziel eines anhaltenden Nulldefizits garantieren möchte. Für das Budget 2018/19 war es vor allem die gute Konjunktur, die trotz Einsparungen mehr Einnahmen brachte. Aber die Spielräume für 2020/21 werden sich deutlich verengen. In ihrer gesamtwirtschaftlichen Prognose 2018 hatte die Österreichische Nationalbank schon ein Abflauen des Wachstums von + 3,1 % (2018) auf + 2,1 % (2019) und + 1,7 % (2020) konstatiert. Nun wurde aufgrund einiger Revisionen innerhalb der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung jenes für 2018 auf + 2,8 % korrigiert. Im kommenden Doppelbudget wird die Regierung also wohl auch zu zusätzlichen relevanten Sparmaßnahmen greifen, noch dazu da für Ende 2019 eine Pflegereform zur langfristigen Finanzierung angekündigt wurde – und die wird vermutlich nicht billig. Womöglich wird deshalb, obwohl noch nicht angekündigt, das Pensionssystem zur neuen Zielscheibe erklärt.

Trotz der offen unsozialen, neoliberalen, rassistischen und autoritären Regierungspolitik scheint das politische Kräfteverhältnis in Österreich seit Anfang der Legislaturperiode zwar nicht gänzlich unverändert, aber auf jeden Fall unerschüttert. In den regelmäßigen Wahlumfragen zeigt sich, dass die Stimmenverhältnisse von ÖVP, SPÖ und FPÖ seit den Wahlen ungefähr gleich geblieben sind. Der rechtskonservative Block ist also durchaus in der Lage, einen großen Anteil der österreichischen Bevölkerung ideologisch für seine politische Agenda zu gewinnen. Das bedeutet auch, dass der Widerstand einen langen Atem haben muss. Vor allem braucht er aber ein politisches Programm, mit dessen Hilfe der Charakter dieser Regierung entlarvt werden, das die Spaltungsmechanismen unter den Arbeitenden überwinden kann und eine Alternative zum scheinbar alternativlosen Kapitalismus aufzeigt. Nur durch ein solches entschlossenes Handeln können wir den gesellschaftlichen Rechtsruck an seinen Wurzeln bekämpfen!




Wir werden weiter für unsere Rechte kämpfen! – Interview mit Raquel Silva (Liga Socialista Brasilen)

Rachel Silva ist Gründungsmitglied der „Liga Socialista“ (LS, https://www.ligasocialista.com/), der brasilianischen Sektion der Liga für die Fünfte Internationale, und langjährige Aktivistin der LehrerInnengewerkschaft in Juiz de Fora. Sie beteiligt sich gemeinsam mit den GenossInnen der LS an der Vorbereitung der Demonstration zum 8. März und am Aufbau eines Komitees gegen die sog. „Rentenreform“ der Regierung Bolsonaro.

Frage: Wie hat sich der Putsch gegen Dilma auf die Lage der Frauen und sexuell Unterdrückten ausgewirkt?

Seit dem Staatsstreich 2016 haben die Angriffe auf Frauen und LGBTs zugenommen, als die Anti-PT-Welle zum Sturz von Präsidentin Dilma einsetzte. Dilma Rousseff selbst hat während ihrer Amtszeit viele machistische Angriffe erlitten, von einschlägigen Schmährufen im Maracanã-Stadion zur Eröffnung der FIFA-Weltmeisterschaft 2014 bis hin zu den berüchtigten pornografischen Aufklebern für Autos, die allgemein die Frauenwürde trafen.

Nach dem Putsch nahm die konservative, Anti-PT-Welle (PT: Arbeiterinnenpartei, Ex-Regierungspartei) zu. Der moralische Konservatismus gewann viel an Bedeutung, vor allem, als das Magazin „Veja”, eine der größten Zeitschriften des Landes, Vertreterin der Bourgeoisie und Organisatorin des Putsches, einen Artikel mit der neuen First Lady Marcela Temer (Ehefrau des damaligen Präsidenten Michel Temer) veröffentlichte, in dem die Eigenschaften von „schön, bescheiden und häuslich“ hervorgehoben wurden.

Während seiner Regierung wurde das Nationale Sekretariat für Frauenpolitik in das Ministerium für Menschenrechte übertragen und aus der Gruppe der Regierungsstellen entfernt. Dies war bereits ein Angriff, da es eine Errungenschaft auflöste, die eine Eroberung des Frauenkampfes vor dem Putsch 2016 darstellte.

Frage: Welche Rolle spielen dabei die konservative Rechte und Kirchen? Welche Rolle spielte Sexismus im Wahlkampf und welchen Widerstand gab es?

Diese konservative Welle, die von den evangelikalen Kirchen sehr stark angenommen und verbreitet wurde, gewann während des Wahlkampfes um den Präsidenten der Republik mehr Raum. Die Angriffe richteten sich gegen öffentliche Schulen und LehrerInnen, denen „Ideologentum“, Linkssein und sogar Pädophilie vorgeworfen wurden. Um die PT zu schlagen, wurden gefälschte Nachrichten über ideologische Indoktrination erstellt und verbreitet, wobei der Begriff „Gender-Ideologie“ entstand, und man die Bildungspolitik der PT-Regierung als einen Versuch denunzierte, die Kinder zu lehren, „schwul“ zu sein. Lügen über Schwulenkostüme in Schulen wurden durch soziale Netzwerke und WhatsApp verbreitet. Der Konservatismus hat einen heftigen homophoben Diskurs begonnen.

Im Kampf gegen diesen Angriff, gegen die Kandidatur von Bolsonaro brachte die auf einer Facebook-Seite gestartete Bewegung #elenão („er nicht“) feministische Kämpferinnen, Unabhängige, Hausfrauen, Männer in Brasilien und in der Welt zusammen. Millionen von Menschen sind auf die Straße gegangen, um #elenão zu sagen! Es war die größte Frauenbewegung in der Geschichte Brasiliens. Die Reaktion auf die Bewegung war eine Reihe von neuen Angriffen auf FeministInnen. Gewalttaten gegen Militante, Frauen und Schwule nahmen während der Wahlperiode zu, insbesondere zwischen den Wahlgängen.

Frage: Welche Verschlechterungen, welche Angriffe drohen unter Bolsonaro auf die Frauen und LGBT+-Menschen gegenüber der bisherigen Situation?

 Nach seinem Amtsantritt im Januar 2019 ernannte Jair Bolsonaro in der Mehrheit Männer zu Ministern. Von den 22 Ministerien stehen nur zwei unter der Leitung von Frauen: die Landwirtschaft, angeführt von einer rechtsextremen Vertreterin des Agrobusiness, aus der DEM-Partei (Democratas, Demokratinnen), und das neu gegründete Ministerium für Frauen, Familie und Menschenrechte, dessen evangelikale Ministerin einen fundamentalistischen Diskurs gegen Abtreibung führt und in der politischen Szene mit absurden Aussagen, vor allem gegen Schulen und LehrerInnen, für große Kontroversen sorgt.

Mit einem Diskurs, der an Wahnsinn grenzt, setzt sie reaktionäre und ultra-konservative Ausrufezeichen, akzeptiert keine Geschlechterfragen und will Sara Winter dem Frauensekretariat voranstellen. Sara Winter, die sagt, sie sei ex-feministisch, brach mit dem Feminismus und gründete die Gruppe FEMEN in Brasilien, die von der sonstigen Frauenbewegung abgesondert agierte. Sie führte harte Angriffe auf feministische Bewegungen mit haltlosen Beschuldigungen und verteidigt ultrakonservative Positionen in der Frauenpolitik.

Wir leben in einem Moment der Angriffe an mehreren Fronten. Im Kongress werden wir durch Versuche, Rechte wie die seit 1945 garantierte Abtreibung in Fällen von Anenzephalie, Vergewaltigung und unsicheren Schwangerschaften zu beseitigen, attackiert. Schon früher wurden wir immer wieder in Alarmbereitschaft versetzt wie im Falle eines Gesetzentwurfs des ehemaligen Abgeordneten Eduardo Cunha (PdMDB, Partei der Demokratischen Bewegung Brasiliens).

Anfang Februar dieses Jahres präsentierte der Kongressabgeordnete Marcio Lambre von der PSL (Sozialliberale Partei Bolsonaros) zwei Gesetze, die unsere Rechte direkt angreifen. Ein Gesetzentwurf sieht ein Abtreibungsverbot unter allen Umständen und während der gesamten Schwangerschaft vor, außer wenn ein hohes Risiko für die schwangere Frau besteht, wobei die Bestrafung von ÄrztInnen einschließlich der Aberkennung ihrer Approbation vorgesehen ist. Das andere Projekt sieht das Verbot der Vermarktung und des Vertriebs von Verhütungsmitteln, der Pille am nächsten Tag, der Spirale mit Strafe für AnwenderInnen und Herstellerfirmen vor. Nach harter Kritik zog der Abgeordnete das Verhütungsprojekt zurück und wurde darüber informiert, dass Abtreibung wegen Vergewaltigung, Todesgefahr und Anenzephalie im Strafgesetzbuch durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vorgesehen ist. Er werde den Vorschlag entsprechend ändern, es bliebe aber sein Ziel, das Voranschreiten der Möglichkeiten der Abtreibung in Brasilien zurückzudrehen.

Die Regierung Bolsonaro hat außerdem gerade dem Kongress den Vorschlag zur „Reform der sozialen Sicherheit“ (des Versicherungssystems der Sozialrenten) übermittelt. Dieser Vorschlag ist nicht nur ein harter Angriff auf die Arbeit„nehmer“Innen im Allgemeinen, sondern bedeutet auch größere Verluste für Frauen, insbesondere für Landarbeiterinnen.

Frage: Hat Gewalt gegen Frauen weiter zugenommen?

Die Gewalt gegen Frauen in Brasilien erreicht absurd hohe Zahlen: 606 Überfälle, 135 Vergewaltigungen und 12 Morde pro Tag. Alle 2 Minuten werden in Brasilien 5 Frauen geschlagen. Das sind aktuelle Zahlen, aber sie zeigen nicht die Realität, weil viele Frauen Gewalt nicht anprangern.

In Brasilien, einem Land mit hohem Macho-Anteil, haben wir jetzt einen semifaschistischen Präsidenten, der immer gewalttätige Reden gegen Frauen gehalten, sie als minderwertig eingestuft hat und argumentiert, dass Frauen weniger verdienen sollten als Männer, weil er sagt, „sie werden schwanger“. Bolsonaro wurde verurteilt, um Entschädigung an die Kongressabgeordnete Maria do Rosário Nunes der PT zu zahlen, weil er sie in den Gängen des Repräsentantenhauses verbal angegriffen hat. Er sagte dort, er würde sie nicht vergewaltigen, weil sie es nicht verdient hätte, da sie zu hässlich sei.

Frage: Wie entwickelte sich die Frauenbewegung in den letzten Jahren?

Die Frauenbewegung wuchs während der PT-Regierungen. Kollektive im Zusammenhang mit dem „Weltweiten Marsch der Frauen“, dem Marsch der Margeriten – Bewegung der Bäuerinnen (Landfrauen der Felder, Wälder und Gewässer) –, Kollektive linker Parteien wie PSTU (Vereinigte Sozialistische Arbeiterinnenpartei), PSOL (Partei für Sozialismus und Freiheit), PCB (Brasilianische Kommunistische Partei; moskautreu auch nach 1956).  Dies erweiterte auch die Diskussion und Organisation von Frauen in CUT und PT. Kampagnen zur Verteidigung der Legalisierung von Abtreibungen haben Unterstützung von männlichen Sektoren erhalten. Der Feminismus gewann an Stärke und wuchs auf den Straßen. Mit der Wahl von Trump folgte die feministische Bewegung in Brasilien dem weltweiten Aufruf, der im Marsch gegen Trump gestartet wurde. Gewerkschaftliche Agenden wurden in die 8.-März-Tage aufgenommen. Die Frauenbewegung und -organisation ist zu einem Hindernis für Konservative geworden und belästigt die Macho-Gesellschaft.

Die Frauenbewegung begann mit dem Putsch, der Dilma Rousseff stürzte, unsicherer zu werden. Die Angriffe wuchsen, der Diskurs gegen den Feminismus gewann die sozialen Netzwerke und die evangelikalen Gruppen zusammen mit den Kirchen trugen noch mehr zu diesem Angriff bei.

Frage: Wie kann Widerstand erfolgreich sein? Welche Politik ist dazu nötig?

Was die Kämpfe der Frauen gegen diese Angriffe betrifft, so haben wir seit den Wahlen noch nicht viel Mobilisierung erlebt. Die Erwartung ist, dass nach dem Karneval die Bewegung wächst. Der Internationale Frauenstreik, der hier von mehreren Gruppen gegen die Reform des Sozialversicherungssystems gewendet wurde, wird für den 8. März vorbereitet. Die Mobilisierung in unserer Region ist allerdings schwach. Der 8. März fällt mit der Karnevalswoche zusammen, was es sehr schwierig macht, zu handeln.  Hier in Juiz de Fora kamen die Kollektive zusammen, um die 8M-Kämpfe zu organisieren, aber es gab einen Bruch. PCB, PSOL und PSTU brachen mit den Kollektiven, die mit dem „Weltweiten Marsch der Frauen“ und der PT verbunden waren. Sie machen getrennte Aktionen.

In diesem Moment schwerer Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse, insbesondere auf Frauen, müssen wir uns mit einer antisexistischen und klassenorientierten Agenda organisieren, um die Aktionen gegen die Reform der sozialen Sicherheit zu verstärken und dieser illegitimen und semifaschistischen Regierung zu begegnen.

Wir werden weiterhin für unsere Rechte kämpfen, gegen die Reform der sozialen Sicherheit, für die Entkriminalisierung der Abtreibung, für ein Ende von Gewalt und Frauenmord!




Ni Una Menos –Perspektiven einer Bewegung

Nina Awarie, ArbeiterInnenmacht, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Die lateinamerikanische Frauenbewegung „Ni Una Menos“ (deutsch: nicht eine weniger) stellt derzeit wohl eine der weltweit größten und bekanntesten Bewegungen gegen Frauenunterdrückung dar. Ausgelöst durch eine massive Gewaltwelle und eine unfassbar hohe Mordrate an Frauen, wurden bisher Millionen von Menschen vor allem in Argentinien gegen häusliche Gewalt, Femizide, aber auch strukturelle, staatliche Gewalt gegen Frauen auf die Straßen gebracht.

Ursprung der Bewegung

Femizid, ein Wort, das in Lateinamerika, insbesondere in Argentinien inzwischen fester Bestandteil des öffentlichen Diskurses ist, war ursprünglich Hauptthema der AktivistInnen. Unter Femizid versteht man einen Mord, dessen Hauptmotiv darin besteht, dass das Opfer eine Frau ist. Solche Morde gehören in Argentinien zum traurigen Alltag und wurden in der Vergangenheit in den meisten Fällen von Politik, Justiz und Medien ignoriert und verharmlost. Von „Verbrechen aus Leidenschaft“, aus einem „Zustand gewaltsamer Erregung“ war stattdessen die Rede, sodass die Täter nicht nur mit einer milden Strafe rechnen durften, nein, die Tat wurde mit einer solchen Umschreibung auch in gewisser Weise gerechtfertigt.

Laut „La Casa del Encuentro“ (deutsch: Haus der Begegnung), einer argentinischen NGO und Anlaufstelle für weibliche Gewaltopfer, wird in Argentinien alle 32 Stunden eine Frau rechnerisch Opfer eines Femizides (von Juni 2015–Juni 2016 275, davon 162 von ihrem Freund, Ehemann oder Partner mit oder ohne Vorsilbe „Ex-“; <http://www.taz.de/!5310042/>). In der Dominikanischen Republik, Spitzenreiterin im regionalen Vergleich, erfuhren laut einem Bericht von Ende 2017 30 % der Frauen Gewalt durch ihren (Ex-)Partner, davon 10,7 % sexuelle Gewalt. 2017 gab es hier 102 Femizide. (https://amerika21.de/2018/01/193821/femizide-dominikanische-republik)

In Lateinamerika gibt es täglich mehr als 17 Femizide, die meist durch Partner oder Ex-Partner begangen werden. Von den 25 Ländern mit den höchsten Femizidraten weltweit befinden sich 14 in Lateinamerika und der Karibik. Jährlich sind es über 2000 Frauen, die dort ermordet werden. Und: Die Zahl der Femizide in Lateinamerika hat in den letzten Jahren sogar zugenommen – das ergab eine Studie der Frauenorganisation der Vereinten Nationen UN Women. (https://www.deutschlandfunk.de/lateinamerika-niunamenos-im-kampf-gegen-frauenmorde.1773.de.html?dram:article_id=389206)

Aber nicht nur die entsetzlich hohe Mordrate, auch andere Faktoren wie eine hohe Müttersterblichkeit, ein fast komplettes Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen, der große Einfluss der katholischen Kirche, niedrige Bezahlung für Lohnarbeit und schlechte Arbeitsbedingungen prägen die sehr prekäre Situation der (lohnabhängigen) Frauen in diesem wie auch in anderen lateinamerikanischen Ländern.

Erste Proteste

Aus diesem Grund gab es dort im Juni 2015 den ersten landesweiten Protesttag unter dem besagten Motto „Ni Una Menos“ gegen Femizide, sexualisierte Gewalt und den tatenlos zusehenden Staat. Auslöser war ein Mord eines Jugendlichen an seiner 14-Jährigen, schwangeren Freundin. Eine Gruppe von Journalistinnen hatte damals die Proteste organisiert, an denen in Buenos Aires und 80 anderen argentinischen Städten bis zu 500.000 Menschen teilnahmen. Die Bewegung „Ni Una Menos“ war geboren und verbreitete sich wie ein Lauffeuer in Lateinamerika. So gab es beispielweise auch in Mexiko, Peru oder Uruguay Solidaritätsdemonstrationen, an denen sich zehntausende Menschen beteiligten. Die Forderungen, welche sie auf die Straße trugen, lauteten u. a.: eine wirkliche Anwendung des Gesetzes um Gewalt gegen Frauen vorzubeugen, zu bestrafen und zu beseitigen; kostenlosen Rechtsbeistand während des gesamten Prozesses und die Eröffnung von Frauenhäusern. Aber auch andere Themen wie beispielsweise die ökonomische Benachteiligung von Frauen und vor allem das Recht auf Schwangerschaftsabbruch werden inzwischen vermehrt von den AktivistInnen thematisiert.

Des Weiteren kam es neben den zahlreichen Massendemonstrationen auch zu Streikaktionen. Der erste politische Streik der „Ni Una Menos“-Bewegung wurde im Oktober 2016 durchgeführt. Wieder mal war der Auslöser ein grausamer Mord an einer Jugendlichen. In Buenos Aires gingen daraufhin 200.000 ArbeiterInnen aus ihren Betrieben, Universitäten, Schulen, Krankenhäusern und Fabriken auf die Straße, um symbolisch für eine Stunde ihre Arbeit niederzulegen.

Recht auf körperliche Selbstbestimmung

In Argentinien sowie auch in zahlreichen anderen lateinamerikanischen Ländern herrscht quasi ein komplettes Abtreibungsverbot. Nur in wenigen Ausnahmefällen wie einer Schwangerschaft als Resultat einer Vergewaltigung darf die Frau legal abtreiben lassen. Dieser Umstand hat zur Folge, dass es laut argentinischem Gesundheitsministerium jährlich zu über 350.000 illegalen Schwangerschaftsabbrüchen kommt. Bis zu 50.000 Frauen müssen nach einem solch riskanten Eingriff ins Krankenhaus eingeliefert werden. Amnesty International geht davon aus, dass 23 % aller Todesfälle unter schwangeren Frauen die Folge von illegalisierten Abtreibungen sind – Todesfälle, die durch professionelle medizinische Versorgung verhindert werden könnten. Daher stellen die AktivistInnen von „Ni Una Menos“ auch korrekterweise die Forderung nach legalen, kostenlosen Abtreibungsmöglichkeiten auf und setzen die derzeitige Gesetzeslage in den Kontext eines staatlichen Femizides, der vor allem Frauen aus den ärmeren Schichten betrifft. Diese Frauen können sich nicht mal eben eine Auslandsreise leisten, um ihren Schwangerschaftsabbruch unter professionellen Bedingungen durchführen zu lassen. Auch in naher Zukunft wird der argentinische Staat diese strukturellen Femizide durch unterlassene medizinische Versorgung nicht beenden. Denn obwohl das argentinische Abgeordnetenhaus zwei Monate zuvor einen Gesetzesentwurf für einen legalen Schwangerschsftsabbruch bis zur 14. Woche genehmigte, scheiterte ebendieser nach einer 16-stündigen Sitzung an einer Abstimmung im argentinischen Senat am 13. Juni 2018. Am Tag der Abstimmung fanden in Argentinien ebenfalls Massendemonstrationen für das Recht auf körperliche Selbstbestimmung mit fast 1,5 Millionen TeilnehmerInnen statt. Ungeachtet dessen stimmte der Senat mit 38 zu 31 Stimmen bei zwei Enthaltungen gegen eine Legalisierung. Dieses Ergebnis wurde sicherlich auch durch den Einfluss der katholischen Kirche begünstigt, die im Vorfeld der Abstimmung keine Kosten und Mühen scheute, um eine reaktionäre, frauenfeindliche Gegenkampagne zum Erhalt des patriarchalen Status quo zu organisieren.

Perspektiven

Die zahlreichen Massenmobilisierungen und Streiks haben eines deutlich gezeigt: die Frauen in Lateinamerika haben ihre Unterdrückung satt. Sie sind nicht nur in der Lage, sich basisdemokratisch zu organisieren und für ihre Rechte zu kämpfen, sondern haben es auch geschafft, die Partikularbewegung um Themenfelder wie Sozialabbau, staatliche Repression oder die Rechte der indigenen Bevölkerung zu erweitern. Jedoch zeigen vor allem die Proteste gegen das Abtreibungsverbot in Argentinien deutlich, dass eine auch noch so große Massenbewegung auf der Straße die reaktionären BerufspolitikerInnen in den Parlamenten nicht davon abhält, weiterhin eine patriarchale Politik gegen die Interessen der Mehrheit aller Lohnabhängigen durchzudrücken. Die herrschende Klasse, vor allem vertreten durch die Regierung unter Mauricio Macri, hat kein Interesse daran, die Benachteiligung und Unterdrückung von Frauen aufzuheben. Ganz im Gegenteil: Prekäre Lohnarbeitsverhältnisse und individualisierte Reproduktionsarbeit sichern der Bourgeoisie durch die besondere Ausbeutung von Frauen Extraprofite und liefern gleichzeitig die Strukturen, welche häusliche Gewalt gegen Frauen begünstigen. Auch wenn Macri nach außen die „Ni Una Menos“-Bewegung unterstützt, so ist dies angesichts seiner neoliberalen Kürzungspolitik, die vor allem lohnarbeitende Frauen betrifft, doch mehr als heuchlerisch. Das wird auch daran sichtbar, dass er sich nicht gegen den Senat gestellt hat, als dieser gegen die Legalisierung von Abtreibungen stimmte.

Das ist ein Beispiel, das aufzeigt, dass der Kampf gegen Frauenunterdrückung also nicht mit, sondern nur gegen den bürgerlichen Staat geführt werden kann.

Das heißt nicht, dass es grundsätzlich falsch ist, Forderungen an die Regierung zu stellen. Es muss aber klar sein, dass ohne Druck von der Straße und vor allem ökonomischen Druck in Form von politischen Streiks Frauen keine Zugeständnisse seitens des bürgerlichen Staates zu erwarten haben. Damit ein solcher Streik möglichst effektiv geführt werden kann, müssen alle Schichten der ArbeiterInnenklasse, also auch die lohnabhängigen Männer mobilisiert werden. Außerdem sollte er sich nicht nur auf symbolische Aktionen beschränken, sondern im besten Fall zu einem unbefristeten Generalstreik ausgeweitet werden, bis die Regierung endlich auf die Forderungen der Massen eingeht. Hierfür ist es unbedingt notwendig, dass die Basismitglieder der großen Gewerkschaften Druck auf diese ausüben, damit sie eben auch endlich die Streikaktionen unterstützen. Der Kampf gegen Frauenunterdrückung muss als Teil des Klassenkampfes und des Kampfes gegen den Kapitalismus und für eine sozialistische Perspektive gesehen werden. Das bedeutet ebenfalls, dass es unsere Aufgabe als InternationalistInnen ist, die Kämpfe der Frauen in Lateinamerika aufzugreifen und mit unseren hierzulande zu verbinden und uns zu solidarisieren. Denn nur wenn wir gemeinsam für unsere Rechte einstehen, können wir gewinnen!




Bolsonaro an der Macht

Max Fleischer, REVOLUTION, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung, März 2019

Letztes Jahr hat Brasilien gewählt. Im Januar wurde Jair Bolsonaro als Präsident Brasiliens vereidigt. Damit steht fest, dass Brasilien die nächsten Jahre von Sexismus, Rassismus, Homophobie und Neoliberalismus regiert werden wird. Bolsonaro, seines Zeichens Ex-Militär und vehementer Kämpfer für die Militärdiktatur, steht wie kein Zweiter für Neoliberalismus und Unterdrückung. Darüber hinaus sind seine Reden durchsetzt von widerlichem, hasserfülltem Vokabular. Er hetzt gegen alles, was nicht dem normativen Familienbild entspricht: „Ich hätte lieber, dass mein Sohn bei einem Autounfall stirbt, als dass er sich als homosexuell outet“, sagte er 2011 in einem Interview des brasilianischen „Playboy“. Auch von Gewerkschafter_Innen und linken Aktivist_Innen hat er keine hohe Meinung. So sagte er 2018: „Wenn diese Leute hier bleiben wollen, müssen sie sich unserem Recht beugen. Oder sie verlassen das Land oder gehen ins Gefängnis. Diese roten Typen werden aus unserem Vaterland verbannt.“

Wie konnte das passieren?

Im Zuge der Weltwirtschaftskrise 2007/08 wurden durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) extreme Angriffe auf die Arbeiter_Innenklasse gefahren. Alle Brasilianer_Innen mussten Kürzungen der sozialstaatlichen Mechanismen wie Kranken- und Rentenversicherungen über sich ergehen lassen sowie Erhöhungen von Sozialbeiträgen.

Doch das konnte nicht helfen: Brasilien, ehemals aufstrebende Halbkolonie, ist krisengeschüttelt und hoch verschuldet. Die Politik der Partido dos Trabalhadores (Arbeiter_Innenpartei; im Folgenden: PT) wurde 2006 von der Bevölkerung gewählt in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Diese wurde jedoch enttäuscht. Als regierende Partei schloss sie sich dem neoliberalen Kurs an, der durch den Internationalen Währungsfonds, kapitalgeile Investor_Innen und die Bourgeoisie vorangetrieben wurde. So war sie dafür verantwortlich, dass die Anti-Terror-Gesetze eingeführt wurden, dass mehr und mehr Menschen verarmen und, vor allem in den Favelas (Slums), die Leute ein Gefühl der Unsicherheit verspüren.

Doch das reichte nicht, um Brasilien aus der Krise zu holen. Die brasilianische Bourgeoisie brauchte jemanden, der härtere Maßnahmen gegen die Arbeiter_Innenklasse durchsetzte. Denn diese ließ die Kürzungen nicht unkommentiert stehen. Mit Protesten, massiven Mobilisierungen, Generalstreiks und Besetzungen von beispielsweise Schulen sowie Universitäten versuchten Arbeiter_Innenklasse, Jugendliche und Landlosenbewegung, sich zu wehren. Als Antwort auf die Unfähigkeit der PT-Regierung die Proteste niederzuschlagen, wurde nach einem Korruptionsskandal, der vielmehr Vorwand für einen verfassungsmäßigen Putsch lieferte, Temer als Übergangspräsident eingesetzt. Bei den letzten Wahlen konnte sich dann Bolsonaro durchsetzen, der sich nicht nur positiv auf die Militärdiktatur bezieht, sondern sich auch von Schlägertupps auf den Straßen unterstützen lässt.

Das lag daran, dass in dieser Zeit ein Rechtsruck durch die brasilianische Gesellschaft gegangen ist. So wurden die Mittelschichten durch die andauernd schlechte wirtschaftliche Situation von Bolsonaros populistischer Hetze angezogen, während die PT nicht mit ihrem Spitzenkandidaten Lula antreten konnte und bereits durch ihre vorherige Politik an der Regierung Wähler_Innen aus der Arbeiter_Innenklasse verloren hatte.

Bolsonaros Programm

Auf seiner Agenda für die kommende Zeit stehen zahlreiche arbeiter_Innenfeindliche Punkte und seine Aufgabe besteht darin, die Interessen der brasilianischen Bourgeoisie und ausländischen Investor_Innen durchzusetzen. So hat er als eine seiner ersten Amtshandlungen den Mindestlohn gekürzt und plant, den Regenwald für Agrarflächen freizugeben ohne Rücksicht auf die indigene Bevölkerung oder Umwelt. Neben der Schließung des Kultusministeriums sind zahlreiche Entlassungen in Ministerien geplant, besonders wenn die Angestellten nicht auf seiner politischen Linie stehen. Auch die Stärkung der Befugnisse der Polizei, beispielsweise bis hin zu direkten Exekutionen bei Kriminellen ohne vorheriges Gerichtsverfahren, gehört zu seinen Vorhaben.

Zusätzlich sind seine Pläne für ganz Brasilien durchsetzt von Hass auf alle Andersdenkenden, ein Rückschritt für den Kampf um Gleichberechtigung, eine Katastrophe für die Umwelt und die letzten Indigenen in Brasilien und ein Schlag ins Gesicht für alle emanzipatorischen Kräfte.

Situation von Frauen

Diese Angriffe werden nun alle Arbeiter_Innen zu spüren bekommen. Am stärksten davon betroffen werden jedoch die sozial unterdrückten Gruppen sein. Dabei war die Situation für Frauen in Brasilien schon vor Bolsonaro schwierig. So erhalten nach einer Studie des Bundesarbeitsministeriums von 2006 Frauen 19 % weniger Lohn bei gleicher Arbeit und Qualifizierung. Daneben wird die Erwerbstätigkeit der Frauen immer noch als zweitrangig gegenüber Männern betrachtet. Trotz des gleichen Arbeitsvolumens leisten Frauen im Schnitt zusätzlich 28 Stunden häusliche Arbeit pro Woche im Gegensatz zu nur 10 Stunden bei Männern laut Ipea (Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung). Die geschlechterspezifische Arbeitsteilung ist nach wie vor stark verankert: So müssen Frauen nach wie vor einen Hauptteil in der Kinderbetreuung oder der Pflege von kranken Familienmitgliedern übernehmen. Hinzu kommt, dass Kindergartenplätze Mangelware sind und Ganztagsschulen nur für Reiche existieren.

Diese Problematik wird sich in absehbarer Zeit nicht ändern. Denn hier kommen gerade Bolsonaros Verbündete ins Spiel. Obwohl Brasilien immer als Bastion des Katholizismus galt, ist bald ein Drittel der brasilianischen Gesellschaft evangelikal. Diese Kirche hat eine riesige Geldmenge zur Verfügung, welche sie im eigenen Interesse nutzt. Nicht nur dass sie über ein riesiges Medienimperium herrscht mit einem eigenen Fernsehsender sowie zahlreichen TV-Prediger_Innen, auch unterstützt sie Bolsonaro argumentativ und sitzen ihre Anhänger_Innen im neu gewählten Parlament. So fordern sie beispielsweise rigorose Abtreibungsverbote, selbst bei Vergewaltigungen. Bolsonaro unterstützen die christlichen, evangelikalen Fundamentalist_Innen ebenso wie Trump, da beide die bürgerlich normative Familienvorstellung wieder in den Vordergrund rücken wollen.

Doch das ist nicht alles. Besonders Gewalt gegenüber Frauen ist in Brasilien ein großes Problem. Laut Statistik wird alle 15 Sekunden in Brasilien eine Frau im eigenen Familienkreis misshandelt. Ipea geht davon aus, dass jährlich mehr als 527.000 versuchte Vergewaltigungen geschehen. Die Dunkelziffer dürfte jedoch weitaus höher liegen. So wurde erst 2009 Vergewaltigung als Straftatbestand gesetzlich eingeführt. Davor wurde sie lediglich als eine „Missachtung der Familienehre“ bewertet. Auch die gezielte Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechtes, auch Femizid genannt, ist ein großes Problem. 2013 wurden knapp 13 Frauen am Tag getötet, großteils von Familienangehörigen oder Ex-Partnern. Zwar wurde 2015 dann ein Gesetz zu Femiziden verabschiedet, welches eine starke Erhöhung des Strafmaßes bei häuslicher Gewalt beinhaltet. Es ist aber unter Bolsonaro damit zu rechnen, dass sich die Gewalt gegenüber Frauen verschärft und die bestehenden Reglungen aufgeweicht werden.

Angriffe auf LGBTIAs

Ein großer Dorn im Auge sind dem Staatspräsidenten alle Menschen, die nicht den bürgerlichen, heterosexuellen Idealen entsprechen. LGBTIA-Menschen sind seit einiger Zeit wieder stärker von Aggressionen und Gewalt, verbal sowie körperlich, betroffen. Seit den Wahlen hat sich die Unsicherheit weiter verschärft. Die 2010 gesetzlich verankerte Gleichstellung von homosexuellen Partner_Innenschaften wird aktuell von Bolsonaro und seinen Evangelikal_Innen permanent bombardiert. Daneben läuft eine Hetzkampagne gegen das Adoptionsrecht von Paaren, die eben nicht dem bürgerlich normativen Idealbild entsprechen. Als die Regierung und Rousseff Pläne vorstellten, in denen sexuelle Orientierungen sowie Genderfragen als Teil des Unterrichts eingeführt werden sollten, warf Bolsonaro der Regierung vor, die Gesellschaft „homosexualisieren“ zu wollen. Auf der Agenda der neuen Regierung steht eine Umarbeitung der Lehrpläne. Es sollen jegliche Genderthemen sowie Sexualkunde gestrichen werden, um die Schule vermeintlich als „neutralen Ort des Lernens“ darzustellen. Im vergangenen Jahr wurden laut Schätzungen 300 LGBTIA-Menschen in Brasilien getötet, wobei auch hier eine höhere Dunkelziffer angesetzt werden dürfte. Kurz nach dem ersten Wahlgang wurde die LGBTIA-Kämpferin und brasilienweit bekannte Transgenderkünstlerin Aretha Sadick verbal angegriffen. Nur zwei Tage später, wenige Straßen weiter wurde eine 25-jährige Transfrau brutal ermordet. Augenzeugen berichteten von Männern, die laut schwulenfeindliche Parolen brüllten und „Bolsonaro“ riefen. Die Angst innerhalb der LGBTIA-Community wächst ständig und die Gewalt hat, seitdem Bolsonaro zur Wahl angetreten ist, dramatisch zugenommen. 2017 gab es sogar einen richterlichen Beschluss, welcher Homosexualität als Krankheit darstellt und es Psycholog_Innen erlaubt, Homosexuelle zu therapieren.

Wie gegen Bolsonaro kämpfen?

Nur eine kämpferische Linke kann die Angriffe Bolsonaros und seiner Regierung abwenden. Die fortschrittlichen Teile der Klasse sind jetzt dazu angehalten, sich gemeinsam zu organisieren und dem ekelhaften Bolsonaro einen Riegel vorzuschieben. Dazu brauchen wir eine kämpferische Einheitsfront aller linken Kräfte, die sich auf die Arbeiter_Innenbewegung stützen. Das bedeutet, dass man auch die PT und die CUT (Arbeiter_Inneneinheitskongress), den brasilianischen Dachverband der Gewerkschaften, klar auffordern und zwingen muss, sich zu beteiligen. Denn nur wenn alle linken Kräfte zusammenarbeiten, kann die Arbeiter_Innenklasse die kommende Katastrophe abwenden.

Alle linken Gruppen, Gewerkschaften und Organisationen der Klasse sind dazu angehalten, ihre Kräfte zu bündeln und gemeinsam zu streiken bis hin zum Generalstreik, der die gesamte Wirtschaft des Landes lahmlegt. Dazu braucht es koordinierte Organe, die die Selbstverteidigung organisieren und die Bevölkerung bewaffnen. Das ist die einzige Möglichkeit, um wirklich alle Unterdrückten zu befreien, um Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern herzustellen und das tradierte, auf ekligen Vorstellungen basierende Ausbeutersystem zu stürzen. Darüber hinaus muss klar sein: Der Kampf um Befreiung ist international! Auch bei uns müssen die Leute solidarisch auf die Straßen gehen. Arbeiter_Innen multinationaler Konzerne, die die brasilianische Regierung stützen, müssen ihre Arbeit niederlegen. Der Rechtsruck ist international und kann auch nur so bekämpft werden. Wenn die weltweite Linke das nicht tut, werden bald nicht nur in Brasilien die Anschläge auf LGBTIA-Menschen massiv zunehmen, werden Frauen immer stärker in ihre alte Rolle zurückgedrängt und alle Andersfarbigen widerlicher Hetze ausgesetzt sein. Nur wir können das Erstarken der Rechten verhindern!

Solidarität mit allen Brasilianer_Innen, nieder mit Bolsonaro! Nur eine geeinte Arbeiter_Innenbewegung hat die Macht, sich und die sozial Unterdrückten zu befreien und wahre Gleichberechtigung herzustellen.

 

Beschäftigungssituation:

http://www.arbeitermacht.de/ni/ni171/brasilien.htm




Lage der Frauen seit der großen Wirtschaftskrise

Katharina Wagner, ArbeiterInnenmacht, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Erwerbstätigkeit

1. Die Weltwirtschaftskrise hat den Bereich von Leih- und Zeitarbeit ausgebaut sowie den Beschäftigungsanteil im prekären Sektor. Dies diente dazu, die Kosten, die durch die Finanzkrise entstanden sind, auf die ArbeiterInnenklasse abzuwälzen. Frauen sind davon besonders betroffen. Im Folgenden betrachten wir die Beschäftigungsverhältnisse im globalen Vergleich, um die Stellung von Frauen im Produktionsprozess zu belegen. Diese Betrachtung ist notwendig, um auf etwaige Unterschiede, die die ArbeiterInnenklasse als gesamte spalten, aufmerksam zu machen.

Glaubt man der International Labour Organisation (ILO), so hat sich die weltweite Lage von Frauen in den letzten Jahren leicht verbessert. Noch nie waren so viele weltweit erwerbstätig. Auch die Bildungschancen für Frauen und Mädchen sind gestiegen. Vergleicht man die derzeitige weltweite Erwerbsquote von Frauen von ca. 48,5 % mit dem Anteil von männlichen Lohnabhängigen – dieser betrug 2018 etwa 75 % –, so bleibt weiterhin eine deutliche Differenz bestehen. Dieser Unterschied fällt in Industrieländern wie etwa Deutschland noch relativ gering aus, ist aber in sog. Schwellenländern (entwickelten Halbkolonien wie z. B. Brasilien, Indien) ausgeprägt. In Entwicklungsländern hingegen ist die Differenz in der Erwerbstätigkeitsquote zwischen Männern und Frauen am geringsten. In diesem Fall ist dies aber eher als Indikator für fehlende soziale Absicherung und Armut zu interpretieren – vergleichbar der Situation im Frühkapitalismus in westlichen Ländern. Das heißt konkret, dass der Lohn des Mannes allein nicht ausreicht, um die Familie zu ernähren, und alle, also Frauen und teilweise auch Kinder, gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen wie beispielsweise in Pakistan.

Ein generelles Problem, welches weiterhin besteht, ist die größere Bedrohung durch Arbeitslosigkeit für Frauen. Die globale Arbeitslosenquote für Frauen beträgt laut ILO derzeit etwa 6 % und liegt damit um 0,8 % höher als bei Männern. Allerdings liegen die Arbeitslosenquoten für beide Geschlechter in Entwicklungsländern deutlich unter denen der Industriestaaten. Die Prognosen für sog. Schwellenländer wie etwa die arabischen Staaten oder auch Nordafrika gehen von einer zukünftigen Verschlechterung im Bereich der Frauenerwerbstätigkeit in den nächsten Jahren aus [1].

Ein Blick auf die Quoten der Erwerbstätigkeit reicht aber nicht aus. Vielmehr müssen wir uns genauer die jeweiligen Beschäftigungsverhältnisse ansehen, mit denen Frauen konfrontiert sind.

Seit der Wirtschaftskrise 2008/2009 hat sich der Anteil der Zeitarbeit in Deutschland von 13,7 % im Jahre 2009 wieder auf das Niveau von vor der Krise (14,5 %) eingependelt. In einigen anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder Griechenland ist er dagegen exponentiell angestiegen. Demgegenüber ist der Bereich der Teilzeitbeschäftigung faktisch überall in Europa um 3–5 % angewachsen. In Deutschland beträgt er im Moment rund 29 %. Sind von Zeitarbeit eher die männlichen Lohnabhängigen betroffen, konzentriert sich die Teilzeitarbeit vor allem in Bereichen mit hohem Frauenanteil wie etwa dem Dienstleistungs- oder Pflegesektor.

Zusätzlich sind Frauen weltweit deutlich häufiger unter prekären Bedingungen beschäftigt als Männer. Besonders in Schwellen- und Entwicklungsländern sind sie mit 46 % bzw. 76 % besonders hoch. Zusätzlich findet die prekäre Beschäftigung, vor allem in Entwicklungsländern, im informellen Sektor statt. Diese beinhaltet das komplette Fehlen von Sozialleistungen oder genereller Absicherung bei Krankheit oder Schwangerschaft [1].

Als wäre das nicht schon mehr als genug, findet man auch doppelt so häufig Frauen wie Männer in der Rolle von HilfsarbeiterInnen im eigenen Familienbetrieb, hier meist ohne schriftliche Verträge und teilweise sogar komplett unentgeltlich. Zwar ist der Anteil der Frauen, die als mithelfende Familienangehörige im Eigenbetrieb arbeiten, in Schwellenländern in den letzten zehn Jahren kontinuierlich zurückgegangen. In Entwicklungsländern jedoch macht er noch immer 42 % der Gesamtbeschäftigung von Frauen aus. Im Vergleich dazu beträgt er bei Männern lediglich rund 20 % [2].

2. Migrantische Frauen verdienen in der Regel schlechter. (Anmerkung: Das gilt in der Regel nicht für weiße Frauen aus imperialistischen Ländern aufgrund der Stellung dieser Länder auf dem Weltmarkt.) Sie haben darüber hinaus mit zusätzlichen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu kämpfen. Laut einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) belegt Deutschland einen der vorderen Plätze, wenn es um die Integration von MigrantInnen geht. So hat sich beispielsweise die Beschäftigung von im Ausland geborenen Lohnabhängigen zwischen 2006 und 2017 um 7,9 % erhöht und beträgt demnach nun ca. 67 %. Auch die Erwerbslosigkeit von MigrantInnen hat sich in den letzten 10 Jahren auf 6,9 % halbiert [3]. Dennoch liegt sie deutlich über der durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 5,2 % im Jahre 2018 [4]. Auch die Gefahr, in Armut zu leben, ist für MigrantInnen deutlich höher als für „Einheimische“. Derzeit leben rund 21,7 % von ihnen unter der Armutsgrenze, bei den „Einheimischen“ dagegen nur ca. 16,7 %. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum einen ist die Quote von lohnabhängigen MigrantInnen ohne Berufsabschluss mit 35 % mehr als dreimal so hoch, zum anderen sind rund 40 % für ihren ausgeübten Beruf überqualifiziert und damit deutlich schlechter gestellt als die übrigen Lohnabhängigen. Unter ihnen trifft dies nur bei 20 % zu. Dieser Umstand liegt vor allem an im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen und der mangelnden Anerkennung durch deutsche Behörden. Vor allem Frauen sind davon massiv betroffen, denn bei ihnen ist der „Beschäftigungsabstand“ zur hier geborenen Bevölkerung weit höher als im Durchschnitt aller ZuwanderInnen. Vergleicht man ihre Situation mit in Deutschland geborenen Frauen, wird deutlich, dass sie stärker in Teilzeit und in Bereichen außerhalb ihrer beruflichen Qualifikation angestellt sind [3].

Rolle der Gewerkschaften

3. Weltweit lässt sich feststellen dass es eine Zunahme an Lohnabhängigen gib, sowohl in absoluten Zahlen, als auch im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung. Gerade im asiatischen Raum ist der Anteil der ArbeiterInnen aufgrund der industriellen Entwicklung rasant gewachsen. (Verglichen mit den 1970er und sogar 1980er Jahren kann man z. B. in Pakistan einen deutlichen Rückgang des Organisationsgrads feststellen. Zwar ist die Zahl der insgesamt gewerkschaftlich Organisierten in einigen Sektoren gestiegen, diese muss jedoch in Relation zu einer bedeutend größeren GesamtarbeiterInnenklasse als in den 1960er und 1970er Jahren gesetzt werden. 2007 waren 1,3 Millionen organisiert, nur rund 2 % aller Lohnabhängigen. In bedeutenden Zweigen hingegen ist der Organisationsgrad aufgrund von Privatisierung und Verkleinerung der Belegschaften in solchen Firmen zurückgegangen.) Das heißt, dass die ArbeiterInnenklasse global wächst, aber ihr Organisationsgrad niedrig ist.

So ist auch in Europa der Anteil der gewerkschaftlich Organisierten generell von rund 40 % in den 1990er Jahren auf ca. 20 % gesunken. In Schweden betrug er 2014 nur noch rund 70 % (Ausgangspunkt 80 % in den 80er Jahren). In Großbritannien ging der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder seit den 80er Jahren auf unter 20 % zurück. Auch Österreich hat einen starken Mitgliederschwund auf knapp 30 % zu verzeichnen. Einzig allein Italien konnte diesen Anteil nahezu konstant bei 40 % halten [5].

Diese Zahlen beziehen sich allerdings auf die gesamte Mitgliedschaft, sagen daher wenig über die Lage der Frauen in den Gewerkschaften aus. Tatsächlich ist ihr Anteil seit 2005 zwar nur leicht, dafür aber kontinuierlich gestiegen. Er beträgt aber leider mit 33,7 % (Stand 2017) weiterhin nur rund 1/3 aller Mitglieder. Den höchsten Frauenanteil von fast 72 % finden wir bei der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft). Bei ver.di (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft) ist über die Hälfte der Mitglieder weiblich (52 %) und bei der NGG (Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten) beträgt er immerhin noch 42 %. Demgegenüber gibt es deutlich geringere Frauenanteile in den anderen Gewerkschaften. Den geringsten finden wir bei der IG Metall mit 18 % [6]. Die oben erwähnten Zahlen beziehen sich aber allein auf die Mitgliedschaft. Betrachtet man dagegen die oberen Hierarchieebenen innerhalb der Gewerkschaften, sind dort immer noch sehr wenig Frauen anzutreffen. Sie sind hier zumeist in Dienstleistungs-, Sekretariats- sowie in politischen ReferentInnentätigkeiten beschäftigt. Sollten sie doch einmal in die entscheidenden Organisationsebenen vordringen, dann eher als Repräsentantinnen für Frauen und Jugendliche oder im Bereich Soziales. Bereiche wie beispielsweise Wirtschafts- oder Tarifpolitik ebenso wie die Betriebsratsarbeit oder die Ortsverwaltungsstellen werden nach wie vor meist von Männern dominiert [7]. Was sagen uns diese Fakten? Sie sind ein Zeichen dafür, dass Frauen in Gewerkschaften immer noch stark unterrepräsentiert sind und dementsprechend ihre Interessen zu wenig berücksichtigt werden. Die Gewerkschaften unternehmen leider immer noch viel zu wenig, um diesen Umstand zu verändern. Nach wie vor verweigern sich Gewerkschaften auch der Aufnahme von Flüchtlingen, worunter auch viele Frauen fallen.

Existierende Lohndiskriminierung

Ein weiterer wichtiger Faktor in Bezug auf Frauenunterdrückung ist die weltweit existierende geschlechtsspezifische Lohnlücke und zwar unabhängig vom Entwicklungsstand eines jeweiligen Landes. In Deutschland beträgt diese im Moment rund 21 %. Als Gründe werden häufig zum einen der hohe Beschäftigungsanteil im Niedriglohnsektor, zum anderen aber auch fehlende Tarifverhandlungen und Mindestlöhne genannt. Und Mutterschaft ist nicht nur ein Nachteil in der Karriereplanung, sondern häufig auch ein Argument von Arbeit„geber“Innen für geringere Bezahlung. Als direkte Folge daraus herrschen eine mangelnde Absicherung und die größere Gefahr von Altersarmut für Frauen [8].

Für die Durchsetzung des Zieles „gleiches Entgelt für Männer und Frauen“ trat am 6. Juli 2017 das Entgelttransparenzgesetz in Kraft. Darin ist verankert, dass Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 200 MitarbeiterInnen alle 2 Jahre einen individuellen Auskunftsanspruch zu den geltenden Entgeltstrukturen des jeweiligen Betriebes geltend machen können, erstmals seit 6. Januar 2018. Allerdings muss der Anspruch in Textform erfolgen und gilt nur für Beschäftigte des jeweils anderen Geschlechts, welche eine gleiche/gleichwertige Tätigkeit im Betrieb ausüben. Damit soll insgesamt die Durchsetzung eines Anspruchs auf gleichen Lohn unabhängig vom Geschlecht erleichtert werden [9].

Die Kritik am Gesetz kam prompt. So wurde es beispielsweise von der Direktorin des Instituts für Arbeit und Qualifikation an der Uni Duisburg-Essen, Ute Klammer, als ein „zahnloser Tiger“ bezeichnet. Auch befürchten viele, es verkomme zu einem Bürokratiemonster. Tatsächlich stellt sich aber die Frage, was mit der gewonnenen Transparenz erreicht werden kann. Traut sich „Frau“, gegen einen geringeren Lohn zu protestieren und damit womöglich ihren Job zu riskieren? In einem Interview der Tageszeitung „Neues Deutschland“ bezeichnete die Finanzexpertin Henrike von Platen die Unternehmenskultur als traditionell männlich geprägt. Eine Entgelttransparenz sei von vielen Unternehmungsleitungen schlicht nicht gewollt und werde darum nicht gefördert. In der Tat nahmen bisher recht wenige Beschäftigte dieses Recht in Anspruch. Vor allem Frauen scheuen demnach oft aus Angst vor Nachteilen davor zurück [8].

 Weitere Beispiele für Frauenunterdrückung

4. Der internationale Rechtsruck weltweit bringt einen gesellschaftlichen Rollback mit sich, der die Rechte von Frauen und LGBTIAs angreift. Dieser Rechtsruck ist ebenfalls Resultat der Wirtschaftskrise 2008/2009. Sie hat den Konkurrenzdruck zwischen den imperialistischen Staaten sowie die Konzentration und Zentralisation des Kapitals verschärft. Anders gesagt: Kriegerische Auseinandersetzungen wie in Syrien oder der Ukraine nehmen zu ebenso wie größere Fusionen von Monopolkonzernen. Das hat zur Folge, dass ein Teil der herrschenden Klasse im Wettbewerb untergeht oder zumindest Abstiegsängste hat. Dieser Teil, der sich nicht mehr im internationalen Wettbewerb messen kann, fängt an, eine nationalprotektionistische Politik zu fahren mit dem Interesse, dass der bürgerliche Staat seine Stellung verteidigt. Er will also das Rad der Zeit zurückdrehen und internationalen Produktionsketten nationale Abschottung entgegensetzen. Um dies ideologisch zu rechtfertigen, greift er zur rassistischen, populistischen Hetze. Gleichzeitig ist die nationalprotektionistische Politik auch Ursache für den Rollback, denn die Fokussierung auf den Nationalstaat bedeutet gleichzeitig, dass das Ideal der bürgerlichen Familie stärker wiederbelebt werden muss. Diese dient allgemein im Kapitalismus für die ArbeiterInnkenklasse als Ort ihrer Reproduktion, der größtenteils von Frauen getragen wird. Da die Rechten den Sozialstaat abbauen, muss diese gestärkt werden und mit ihr die geschlechtliche/n Arbeitsteilung und Stereotype. Das hat weitreichende Folgen: Mit dem Erstarken der Rechten steigt auch die Gewalt an Frauen, die Zahl der Angriffe auf das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper. Das liegt daran, dass die Abstiegsängste nicht nur die KapitalistInnen, sondern auch Teile der ArbeiterInnenklasse treffen. Wie oben schon erwähnt, werden, um Unternehmen Kosten der Krise zu ersparen, auch die Arbeitsbedingungen schlechter sowie die Erwerbslosigkeitszahl größer. Das verschärft die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Wenn die Rechten dann mit ihrer Hetze erfolgreich sind, werden ihre reaktionären Vorstellungen populärer, die zur Spaltung der ArbeiterInnenklasse führen und Frauen oder auch MigrantInnen im Produktionsprozess abwerten. Dabei sehen die Zahlen schon jetzt nicht gut aus:

Nach wie vor ist Gewalt gegen Frauen an der Tagesordnung, sei es im häuslichen, beruflichen oder privaten Umfeld. Laut einer repräsentativen Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Thema „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“ aus dem Jahre 2004 haben 40 % der Frauen in Deutschland seit ihrem 16. Lebensjahr bereits körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt. Unterschiedliche Formen der sexuellen Belästigung erlebten sogar 58 % der befragten Frauen. Psychische Gewalt in Form von Einschüchterung, Drohungen, Demütigungen oder gar Psychoterror erlitten 42 %. Die Gewalt gegen Frauen wird dabei überwiegend durch (Ex-)Partner der Frauen im häuslichen Umfeld ausgeübt. Vor allem Trennungs- und Scheidungssituationen sind demnach besonders riskant. Besonders gefährdet in Bezug auf Gewalterfahrungen sind laut der Studie Prostituierte, Frauen in Haft, geflüchtete Frauen sowie Migrantinnen, die deutlich häufiger Opfer von körperlicher/sexueller Gewalt werden [10].

Ein Blick auf die Welt offenbart, dass dies ein globales Problem ist. Die WHO hat 2005 eine Studie veröffentlicht, nach der 40–70 % der Morde an Frauen durch deren männliche Partner verübt wurden. Zusätzlich sind Frauen in einigen Regionen von sogenannten Ehren- oder auch Mitgiftmorden bedroht. Schätzungen der UNO gehen davon aus, dass jährlich circa 5.000 Frauen in 14 Ländern zu Opfern werden [11]. Eine weitere Gewaltform gegen Frauen oder in diesem Fall jungen Mädchen stellt die weibliche Genitalverstümmelung dar. Diese betrifft weltweit ca. 130 Mio. Mädchen/junge Frauen. Schätzungen für das Jahr 2017 gingen in Deutschland von rund 58.000 betroffenen und 13.000 bedrohten Mädchen aus [12].

Ein weiterer Bereich der Frauenunterdrückung und der Einschränkung des Rechts auf körperliche Selbstbestimmung stellt die Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch dar. Dieses Recht erfährt immer stärkere Angriffe vor allem aufgrund des stärker werdenden Rechtsrucks und des Erstarkens rechtspopulistischer/nationalistischer Parteien wie der AfD in Deutschland oder der PiS (rechtskonservative Partei) in Polen. In ihnen gibt es eine starke Rückbesinnung auf die Rolle der Frau als treusorgende Mutter und Hausfrau, die auch lieber zugunsten der Reproduktionsarbeit die Erwerbstätigkeit aufgibt. Die logische Konsequenz dieser Politik liegt in der immer stärkeren Einschränkung von nationalen Abtreibungsgesetzen und dem erschwerten Zugang zu Abtreibungen. Nicht nur Spanien hat im Jahre 2013 das Abtreibungsgesetz verschärft. Auch in Polen laufen seit langem Versuche, das schon jetzt sehr strikte Abtreibungsgesetz nochmals zu verschärfen und Frauen damit die Möglichkeit zu nehmen, auf legalem Wege eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Bisher scheiterte dies aber an massenhaften Protesten. Aber auch in Deutschland hat die Debatte um Abtreibungsgesetze neuen Aufwind bekommen, nicht zuletzt durch den prominenten Fall der Gießener Ärztin Kristina Hänel und die Diskussion über den § 219a. Sie bemängelt vor allem den schwindenden Zugang zu Abtreibungskliniken oder entsprechenden ÄrztInnen, aber auch die fehlende Möglichkeit, Betroffene im Vorfeld ausführlich aufzuklären. Denn der obige Paragraph verbietet doch die „Werbung“ für Abtreibungen durch behandelnde ÄrztInnen.

Zum Schluss sei noch kurz auf die Doppelbelastung von Frauen eingegangen, die neben der Erwerbstätigkeit oft die komplette Hausarbeit und Kinderbetreuung übernehmen und sich häufig, quasi nebenbei, um kranke und pflegebedürftige Familienangehörige kümmern. Dies erschwert ihnen oftmals auch die politische und organisatorische Teilhabe. Ganz besonders Alleinerziehende kämpfen oft mit fehlenden und teilweise sehr teuren Betreuungsangeboten und unflexiblen Arbeitszeiten.

Kampf für Frauenbefreiung

Wir sehen also, dass Frauen weltweit in vielfältiger Weise diskriminiert, benachteiligt und unterdrückt werden – und dass die kapitalistische Krise, die globale Konkurrenz und der Aufstieg rechter und rassistischer Kräfte dies weiter verschärfen. Aber wie dagegen vorgehen und eine Reproduktion der bestehenden Verhältnisse verhindern? Aus marxistischer Sicht ist die Frauenunterdrückung eng mit dem Patriarchat und dem Bestehen einer kapitalistischen Produktionsweise verknüpft. Genauer gesagt fördert die kapitalistische Entwicklung Frauenunterdrückung und Patriarchat. Daher kann eine vollständige Frauenbefreiung nur in einer sozialistischen Gesellschaft, also nach dem Sturz des Kapitalismus, erreicht werden. Die Frauenbefreiung muss daher mit dem Klassenkampf gebündelt werden. Ein erfolgreicher Kampf gegen den Kapitalismus kann aber nur mit der Gesamtheit der ArbeiterInnenklasse geführt werden, damit ein möglichst hoher ökonomischer und politischer Druck aufgebaut werden kann. Daher ist es wichtig, auch die Männer für den Kampf zur vollständigen Frauenbefreiung zu gewinnen.

Dabei ist es unerlässlich, den Frauen das Bewusstsein zu vermitteln, dass sie einer spezifischen Unterdrückung unterliegen und das Recht auf eigenständige Strukturen und Treffen in Organisationen, Parteien, aber auch Gewerkschaften haben. Zum einen ermöglicht dies ihnen, eigenständig ihre Interessen vorzubringen und entsprechende Forderungen zu stellen. Zum anderen wird dadurch eine Vereinnahmung durch andere Teile der ArbeiterInnenklasse verhindert. Denn auch die fortschrittlichsten Teile der Lohnabhängigen und Gewerkschaftsmitglieder unterliegen doch dem Einfluss einer sexistischen, kapitalistischen Gesellschaft. Gesonderte Treffen ermöglichen es zusätzlich, offen über bestehende Diskriminierungen oder aktuelle Probleme zu sprechen und Lösungen gemeinsam zu erarbeiten. Frauen sollten neben eigenen Organisationsstrukturen auch eigene Propaganda und Agitation betreiben, mit dem Ziel weitere Mitstreiterinnen für einen gemeinsamen internationalen Kampf gegen den Kapitalismus und für die vollständige Frauenbefreiung zu gewinnen!

Wir als MarxistInnen treten daher für eine internationale multi-ethnische, proletarische Frauenbewegung ein mit dem Recht auf gesonderte Treffen in ArbeiterInnenorganisationen und Gewerkschaften.

Dieser Kampf muss sich auch auf ein Aktionsprogramm stützen, um die laufenden Angriffe abzuwehren und eine internationale Bewegung aufzubauen. An dieser Stelle können wir nur einige Aspekte skizzieren und zur Diskussion stellen:

 

  • Gleiche Rechte für alle! Die formale rechtliche Gleichheit wurde zwar in vielen Ländern erkämpft, längst jedoch nicht in allen. Weltweit wird MigrantInnen und Flüchtlingen diese verwehrt, was Frauen und LGBTIA-Menschen besonders hart trifft. Wir fordern die Abschaffung aller diskriminierenden Gesetze, die volle rechtliche Gleichstellung der Frauen und LGBTIA-Menschen!
  • Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Mindestlohn für alle Frauen, um ein Mindesteinkommen zu sichern, das die Reproduktionskosten deckt und ein Leben ohne Abhängigkeit vom (männlichen) Partner erlaubt. Die Höhe soll von der ArbeiterInnenbewegung festgelegt und automatisch der Erhöhung der Lebenshaltungskosten angepasst werden. 
  • Kostenloser Zugang zu Gesundheitsversorgung, Pflegeeinrichtungen, Krankenvorsorge und gesicherte Renten für alle Frauen! Wir fordern kostenlose und bedarfsorientierte Kinderbetreuung, öffentliche Kantinen und Wäschereien – um eine gesellschaftliche Gleichverteilung der Reproduktionsarbeiten auf alle Geschlechter sicherzustellen. 
  • Recht auf Scheidung auf Wunsch! Ausbau und Sicherstellung von Schutzräumen für Frauen (wie z. B. Frauenhäuser). Des Weiteren stellen wir die Forderungen nach Abschaffung aller Abtreibungsgesetze auf sowie für kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln und das vollständige Recht auf körperliche Selbstbestimmung. 
  • Kostenlose, kollektive Selbstverteidigungsstrukturen, um es Frauen zu ermöglichen, sich selbst vor Übergriffen zu schützen.
  • Um Frauen aufgrund ihrer Doppelbelastung durch Erwerbstätigkeit und Reproduktionsarbeit eine politische Teilnahme zu erleichtern, treten wir zudem für eine Vergesellschaftung sämtlicher Haushalts-, Sorge- und Reproduktionsarbeiten ein.

 

Quellen:

 

[1] https://www.ilo.org/berlin/presseinformationen/WCMS_619785/lang–de/index.htm

[2]   https://www.ilo.org/berlin/arbeitsfelder/frauen-in-der-arbeitswelt/WCMS_619734/lang–de/index.htm

[3]   Tageszeitung Neues Deutschland, Ausgabe 17. Januar 2019

[4]   https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1224/umfrage/

        arbeitslosenquote-in-deutschland-seit-1995/

[5]   https://www.zeit.de/karriere/2014-10/gewerkschaften-mitglieder-weltweit

[6]   https://www.boeckler.de/107622.htm

[7]   http://agf.blogsport.de/images/MaterialFraueninGewerkschaften.pdf

[8]   Tageszeitung Neues Deutschland, Ausgabe 19./20. Januar 2019

[9]   https://www.haufe.de/personal/arbeitsrecht/lohngleichheit-neues-zum-entgelttransparenzgesetz_76_398490.html

[10] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/lebenssituation–sicherheit-und-gesundheit-von-frauen-in-deutschland/80596

[11] http://www.bpb.de/izpb/8344/situation-der-frauen-und-kinder?p=all

[12] https://www.sueddeutsche.de/muenchen/weibliche-beschneidung-genitalverstuemmelung-muenchen-hilfe-1.4188021




The road to REVOLUTION (Programm)

Programm der internationalen kommunistischen Jugendorganisation REVOLUTION, 2018

Es herrscht Krise!

International befinden wir uns in einer Periode stetiger Unsicherheit. Stetig sind wir der Gefahr neuer Einbrüche des Wirtschaftssystems und drohenden neuen Kriegen ausgesetzt, verbunden mit immer folgenschwereren Angriffen auf uns Jugendliche, Arbeiter_innen und Unterdrückte. Die Finanzkrise von 2007/08 hält bis heute an. Vielerorts werden von unterschiedlichen kapitalistischen Staaten Rettungspläne gebastelt, die zu einem Ende dieser Krise führen sollen. So erleben wir eine langjährige Niedrigzinspolitik1 der US-Notenbank und der Europäischen Zentralbank, staatliche Konjunkturprogramme des chinesischen Staates2 und das Anwachsen von neuen Spekulationsblasen. Hierbei handelt es sich um das künstliche Hinauszögern weiterer Kriseneinbrüche.

Relevante Möglichkeiten zur Abwälzung der Krisenlast auf einzelne Nationalstaaten waren in den vergangenen Jahren der zunehmende soziale Kahlschlag in wirtschaftlich schwachen, unterdrückten Nationen. Wie beispielsweise in Griechenland, wo an Kredite unmittelbare Sanktionen zur Drückung des allgemeinen Lebensstandards gebunden sind. Aber auch Angriffe auf die eigene lohnabhängige Bevölkerung in wirtschaftlich führenden Nationen, wie in Frankreich, können wir beobachten. Dort wird seit Jahren das Arbeitsrecht massiv angegriffen, um eine effizientere Ausbeutung der Arbeiter_innen und Jugend zu ermöglichen.

Zu guter Letzt erleben wir eine zunehmende Konkurrenz zwischen einzelnen imperialistischen Nationen und Blöcken, die versuchen die Einflussgebiete der anderen Staaten einzugrenzen. Ob im Kampf um Syrien und der Ukraine militärisch oder beim Landgrabbing3 und dem Ankauf von Firmenanteilen wirtschaftlich – die Auseinandersetzungen nehmen zu. Auch Konflikte um Währungen und Wirtschaftssanktionen finden sich wieder häufiger auf der Tagesordnung. Wir erleben einen zunehmenden Kampf um die Neuaufteilung der Welt. Dabei herrscht die Krise nicht nur, sie ist es auch, die diese Entwicklung antreibt. Was wir erleben, ist keine rein konjunkturelle Krise, die in einzelnen Bereichen der Wirtschaft stattfindet. Nein, diese Krise umfasst die ganze Welt und alle Wirtschaftsbranchen! Oberflächlich drückt sie sich aus in einem Einbruch von Konsum, Investition und einem geringen Wachstum. Konkret haben wir es jedoch mit einer sogenannten Überakkumulationskrise4 zu tun. Das bedeutet einerseits die Abnahme des Anteils menschlicher Arbeit am einzelnen Produkt im Zuge des ständigen Zwangs zu Modernisierungen. Andererseits die Zunahme der Überproduktion an Waren, aufgrund der gesteigerten internationalen Produktivität. Daraus entsteht eine zunehmende Überproduktion. Diese wird jedoch im Zuge der dabei ausbleibenden Gewinnerwartungen ebenfalls zum Problem. Das investierte Kapital kann nicht produktiv verwertet werden. Auswirkungen sind massive Arbeitslosigkeit, brach liegende Geldmengen, Kauf von Land und Wohnraum und Zunahme von Spekulation. Dieser Prozess führt zu zunehmender globaler Spannung. Im Rahmen des Kapitalismus kann dieses Problem nur durch die massive Vernichtung von Kapital und Produktionsstätten zeitweise verbessert werden5. Die bestehenden Krisenbewältigungsmaßnahmen (Konjunkturprogramme, Niedrigzinspolitik, etc.) sind verzögernde, aber nicht beendende Antworten auf die Krise.

Diese Auseinandersetzungen finden zwar über unsere Köpfe hinweg statt, doch sie stoßen bei den Ausgebeuteten und Unterdrückten auf Widerstand. So brachte diese Reihe gigantischer historischer Angriffe auch die größten Formen des Widerstands auf die Straßen unserer Welt. Im September 2016 traten 180 Millionen indische Arbeiter_Innen in den Generalstreik, um die Erhöhung des Mindestlohns zu fordern. Gegen die Amtseinführung von Donald Trump demonstrierten Millionen – vor allem Frauen.

Der wohl deutlichste massenhafte Widerstand spiegelte sich aber im arabischen Frühling im Jahr 2011 wider. Die Revolutionen im arabischen Raum brachen aus, weil die zunehmend miserablen Lebensbedingungen der Armen und Arbeiter_innen zu Empörung und Unzufriedenheit führten. Während die Herrschenden zu weiteren Angriffen gezwungen waren , gab es über 40 Hungerrevolten in diesem Zeitraum. Es kam zum Sturz der alten Regime und die Frage der Staatsmacht lag auf der Straße. Dies offenbart, dass diese Gesellschaft auf Sand gebaut ist und dass auch die autoritärsten Regime unter dem Druck sozialer Widersprüche zerfallen können. Hierbei konnten die Kämpfer_innen und ihre Organisationen allerdings kaum über demokratische Forderungen hinauszukommen, nach Rechten auf freie Wahlen oder auch bessere Lebensbedingungen. Diese Forderungen hatten einen klassenübergreifenden Charakter und orientierten sich in erster Linie an den grundlegenden Fragen des Alltags. Sie vermochten es aber nicht, der Bewegung ein Programm zu geben, welches die Frage der Macht im Staat und über die Produktion aufwarf und damit das System als ganzes in Frage stellte. Es hätte eine Organisation gebraucht, die das spontane Bewusstsein der Massen mit einem klaren Programm hin zur Zerschlagung der herrschenden, kapitalistischen Ordnung entwickelt.

Der arabische Frühling blieb auf halber Strecke stehen und gab der herrschenden Klasse und rückschrittlichen Kräften dadurch die Möglichkeit sich neu zu ordnen und zum Gegenschlag auszuholen. Der Imperialismus konnte sich, wie durch el-Sisi in Ägypten, neue Marionettenregime aufbauen. Das fand auf blutige Art und Weise statt und zwingt heute hunderttausende Menschen in die Flucht. Die finale Niederschlagung des arabischen Frühlings erlebten wir im Fall Aleppos in Syrien im Dezember 2016. Insgesamt erleben wir auf internationaler Ebene eine Veränderung innerhalb des Klassenkampfes aus der revolutionären Phase, eingeleitet durch den arabischen Frühling bis zur Kapitulation von SYRIZA im OXI-Referendum im Sommer 2015, hinein in eine konterrevolutionäre Phase von Putschen und dem Aufstieg rechtspopulistischer Parteien bei gleichzeitiger Desorientierung der Arbeiter_innenbewegung international. Wir befinden uns in einer Periode der Krise, in der sich das Bewusstsein aktuell zunehmend nach rechts entwickelt und Revolutionär_innen vermehrt gezwungen sind gegen den Strom zu schwimmen.

Doch wie kommt es überhaupt dazu? Der Kapitalismus ist eine Gesellschaft von Ungleichheit, in der einige Wenige den größten Teil des Vermögens besitzen. Den Arbeiter_Innen, die durch ihre Arbeit tagtäglich neue Werte schaffen, wird nur so viel bezahlt , wie sie sich durch gemeinsame Organisierung und gewerkschaftlichen Kampf herausschlägt. Dort wo die Arbeiter_innen kaum oder gar nicht gewerkschaftlich organisiert sind, hat der Kapitalismus die Tendenz ihren Lohn auf die unmittelbare Erhaltung ihres Lebens oder gar darunter zu drücken. Eine solche Gesellschaft, deren Ziel die schier unendliche Anhäufung von Kapital ist, kann weder die Bedürfnisse aller Teile der Welt befriedigen, noch ist sie in der Lage, friedlich zu existieren. Denn Kapitalismus bedeutet Krieg, Krise und Ausbeutung. Nur durch die bewusste und organisierte Erhebung der Arbeiter_innen und Unterdrückten international kann die Unterdrückung ein für alle mal aufgehoben werden. Der Kapitalismus muss zerschlagen und durch eine sozialistische Gesellschaft ersetzt werden!

Die Revolution & die Arbeiter_Innenklasse

Im Kapitalismus gibt es zwei Hauptklassen. Die Arbeiter_innenklasse (oder Proletariat) und die Kapitalist_innenklasse (oder Bourgeoisie). Die Bourgeoisie ist die herrschende Klasse in dieser Gesellschaft, sie besitzt die Produktionsmittel (Fabriken, Maschinen, etc.). Die Arbeiter_innenklasse ist im Wesentlichen eine Klasse, die keinen Besitz an Produktionsmitteln hat. Sie ist gezwungen ihre Arbeitskraft an die Kapitalist_innen zu verkaufen, die sich daraus den Mehrwert aneignet und somit die Arbeiter_innenklasse ausbeutet. Zwischen diesen beiden Klassen kann es keinen dauerhaften Ausgleich geben. Neben den beiden Hauptklassen gibt es noch andere Klassen und Schichten, wie das Kleinbürger_innentum6 oder die lohnabhängigen Mittelschichten7. Über die Gesellschaft erhebt sich scheinbar unabhängig von den Klassen der Staat. Doch dieser handelt im Interesse der herrschenden Klasse und hat ein Interesse an der Aufrechterhaltung des bestehenden Gesellschaftssystems, aus dem er entspringt.

Als Jugendorganisation ist es unsere Aufgabe Jugendliche zu organisieren. Doch für uns alleine ist es nicht möglich den Kapitalismus zu stürzen, vielmehr fällt diese Aufgabe dem Proletariat zu. Die letzten Jahrzehnte haben wesentliche Veränderung in der Situation der Arbeiter_innenklasse gebracht, die Mehrheit des Proletariats befindet sich heute nicht mehr in Europa und Nordamerika sondern in Asien, Afrika und Südamerika. Staaten wie China haben eine hunderte Millionen starke Arbeiter_innenklasse. In Europa und Nordamerika hat sich die Arbeiter_innenklasse ausdifferenziert und ist nicht mehr in erster Linie in der klassischen Schwerindustrie beschäftigt. Doch all das ändert nichts an der historischen Aufgabe der Arbeiter_innenklasse: Dem Sturz des Kapitalismus.

Natürlich ist zum aktuellen Zeitpunkt die Mehrheit der Arbeiter_innenklasse nicht revolutionär gesinnt und hegt sehr oft auch dazu noch rassistische, nationalistische, sexistische, homophobe oder ähnliche Vorurteile – die letztlich essentiell zur Aufrechterhaltung der Klassenherrschaft der Kapitalist_innen sind, weil sie die Einheit der Arbeiter_innenklasse untergräbt. Doch die Orientierung von Kommunist_innen auf die Arbeiter_innenklasse als die Klasse, die die revolutionäre Umwälzung durchführen muss, ist nicht aufgebaut auf das aktuell vorherrschende Bewusstsein. Dieses ist in einer Klassengesellschaft nämlich immer mehr oder weniger Ausdruck der Interessen der herrschenden Klasse. Deshalb muss der Kampf um das Bewusstsein immer mit dem Klassenkampf selbst verbunden sein. Die relevante Frage ist demnach vielmehr, wer im heutigen Gesellschaftssystem die Möglichkeit auf der einen Seite und ein objektives Interesse auf der anderen Seite hat um dieses System zu stürzen.

Die Arbeiter_innenklasse hat durch ihre Stellung in der Produktion die Möglichkeit den Kapitalismus in seinem Herzen zu treffen – in der Erwirtschaftung von Profit. Durch Streiks, Fabrikbesetzungen und ähnlichem ist es für die Arbeiter_innenklasse möglich die Reproduktion des Kapitals anzuhalten und den reibungslosen Ablauf der Wirtschaft zu behindern. Dadurch lassen sich zwar wichtige Reformen gegen die Kapitalist_innen erkämpfen, aber der Streik – insbesondere ein Generalstreik – können potentiell eine wichtige Rolle für eine soziale Revolution und die Eroberung der Macht spielen. Die Arbeiter_innenklasse produziert für die Kapitalist_innen. Diese schöpfen dann den dabei produzierten Mehrwert ab und verdienen dadurch an dem unbezahlten Teil der Arbeit, nämlich dem Wert, der mehr ist als das, was die Arbeiter_innen bezahlt bekommen. Die Arbeiter_innenklasse hat deshalb ein objektives Interesse daran, dieses Ausbeutungsverhältnis zu beenden. Die rechtliche Gleichstellung von Lohnarbeiter_in und Kapitalist_in in unserer Gesellschaft verschleiert dieses Verhältnis und deshalb ist diese Ausbeutung „normal“ für nahezu alle Menschen. Die Aufgabe von Kommunist_innen ist es, dieses Verhältnis offen zu legen und die Arbeiter_innenklasse für einen revolutionären Umsturz dieser Verhältnisse zu gewinnen. Diese Aufgabe fällt der revolutionären Partei zu, deren strategisches Ziel der Umsturz dieser Gesellschaft durch eine sozialistische Revolution ist und die die Avantgarde8 der Arbeiter_innenklasse hinter einem revolutionären Programm des wissenschaftlichen Sozialismus vereinigt. Für uns ist deshalb das Proletariat das revolutionäre Subjekt und wir kämpfen für seine bewusste Organisierung als Klasse. Auch als Jugendorganisation vertreten wir deshalb einen proletarischen Klassenstandpunkt und versuchen in erster Linie die Jugend der Arbeiter_innenklasse zu organisieren.

Imperialismus – der Kapitalismus in seinem höchsten Stadium

Die Welt, in der wir leben, ist von einigen wenigen mächtigen Nationen und einem Weltmarkt dominiert, den wenige große Konzerne kontrollieren. Der Kapitalismus ist in seinem höchsten Stadium, dem Imperialismus, angekommen. Der Imperialismus selbst ist ein Produkt des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Er beschreibt die zunehmende Zentralisation der Produktion9, deren Ergebnis z.B. die Entstehung sogenannter multinationaler Konzerne ist. Diese Konzerne haben ihren Ursprung meist in Europa, den USA, China und Japan, produzieren jedoch in halbkolonialen Ländern, um niedrigere Produktionskosten zu haben. Die Welt ist dabei nahezu vollkommen einem einheitlichen Wirtschaftssystem unterworfen, welches allen Regionen seinen Stempel aufdrückt. Im Zuge dessen entwickelt sich auch zunehmend eine internationale Arbeitsteilung. Hierbei nimmt der Export von Kapital im Verhältnis zum Warenexport eine neue Qualität an. Das führt zur Entwicklung finanzkapitalistischer Unternehmen, also der Fusion von produzierenden Firmen mit Banken unter Dominanz des Kapitals. Dabei bilden sich international agierende Kapitalverbände heraus.

Die vollkommene Aufteilung der Welt unter einzelne Kapitalverbände ist abgeschlossen. Es gibt keinen Rohstoff mehr ohne Besitzer_in und kaum einen Fleck auf der Erde, der nicht einer Nation zugeordnet ist. Dies erhöht das Potential grenzüberschreitender Kämpfe. Das Kolonialsystem wurde im Verlauf des 20. Jahrhunderts durch ein System aus internationalen Abhängigkeiten und indirekter Dominanz ersetzt. Die ehemaligen Kolonien sind heute zumeist formal-politisch unabhängig, aber weiter wirtschaftlich abhängig von den imperialistischen Nationen. Wir nennen diese Länder deshalb Halbkolonien. So lässt beispielsweise das europäische Unternehmen H&M seine Kleidung in Südostasien produzieren, zu extrem niedrigen Kosten, um das Produkt dann auf der ganzen Welt günstig verkaufen zu können. Diejenigen, die die Kleidung produzieren, zum Beispiel in Bangladesh, haben jedoch weder genug Lohn um sich dieses Produkt selbst leisten zu können, noch die politische Macht, um an ihren Arbeitsverhältnissen etwas zu verändern. Der Imperialismus ist somit die Vorherrschaft der Großindustrie gegenüber der kleinen und mittleren Industrie auf dem Weltmarkt. Im Verlauf des internationalen Wettbewerbs nimmt dabei die Zahl der konkurrierenden Großkonzerne stetig ab, einige wenige Konzerne dominieren den Weltmarkt. Diese Zentralisierung schafft aber auch die objektive Voraussetzung für die Arbeiter_innenkontrolle der Produktion und die Infrastruktur für ein sozialistisches Weltsystem. Doch der Imperialismus bringt auch die Gefahren einer neuen Qualität historischer Krisen, Zerstörung der Natur und Weltkriege mit sich. Um diese internationale Arbeitsteilung bewusst aufrecht zu halten, müssen die meisten Nationen dieser Erde künstlich unterentwickelt gehalten werden. Das Kolonialsystem der direkten Gewaltherrschaft musste aufgrund der sinkenden Profitabilität der Kolonien und des Drucks der nationalen Befreiungsbewegungen durch ein System der indirekten Abhängigkeiten und Ausbeutungsmechanismen ersetzt werden. Die Entwicklung in den Halbkolonien wird von den imperialistischen Nationen z.B. mit wirtschaftlicher Erpressung bewusst verhindert. Grund dafür ist, dass diese Länder als abhängige Rohstofflieferanten und Billiglohnstandorte nützlicher sind, als wenn sie sich zu konkurrierenden Nationalstaaten entwickeln. Bestenfalls kommt es zu einer abhängigen, einseitigen Industrialisierung. So ist zum Beispiel Nigeria einer der größten Rohölförderer der Welt, besitzt jedoch nur vier eigene Ölraffinerien und kann das Öl nicht für die eigene Wirtschaft nutzen, sondern ist zum Export gezwungen. Dadurch ist Nigeria weiterhin stark abhängig, Benzin und Diesel zu kaufen.

Der Imperialismus schafft massive Anhäufungen von Geld und Reichtum in extrem wenigen Händen. Dort wo die Forderungen unseres Programms Geld erfordern treten wir für die Finanzierung dessen durch die massive Besteuerung von Reichtum und Kapital ein.

3.1 Kampf um die Neuaufteilung der Welt

Wenn wir uns heute die Herrschenden ansehen, so sehen wir zunehmende Konkurrenz und Uneinigkeit. Keine Kraft will der anderen das Feld überlassen. Neben dem Nahen Osten ist der Pazifik einer der neuen Brandherde der Neuaufteilung der Welt. Dort kommt es aktuell zu einem rasantes Wettrüsten zwischen China und den USA um die Seehoheit, insbesondere um das Südchinesische Meer als internationales Haupthandelsgewässer. Hier können sich die kleinsten Vorkommnisse extrem schnell hochschaukeln. Der Konflikt um die Spratly-Inseln10, der seit 2015 anhält, ist hierfür nur ein Beispiel. Wer diese zum eigenen Hoheitsgebiet zählen kann, kontrolliert den Seeweg. Aktuell konkurrieren hier Vietnam, Taiwan, China, die Philippinen, Malaysia und Brunei um die unterschiedlichsten Inseln. Die USA planen um ihre weltpolitische Vormachtstellung zu sichern bis 2020 mehr als 50% der eigenen Flotte in der Region zu stationieren.

Doch wer wird in die Kriege der Herrschenden eingezogen? Wir Jugendlichen sind im Kriegsfall die ersten die zum Dienst an der Waffe gezwungen werden. Für Soldat_innen fordern wir hierbei volle demokratische Rechte, wie auf Selbstorganisierung und Befehlsverweigerung. In der Klasse streben wir eine breite Antikriegsbewegung an, die sich nicht im bürgerlichen Pazifismus verfängt. Für uns ist die oberste Aufgabe im Falle eines Kriegs zwischen imperialistischen Ländern die Position des revolutionären Defätismus. Der revolutionäre Defätismus stellt nämlich die Niederlage der „eigenen“ Bourgeoisen und ihren Sturz durch die Umwandlung des Krieges in einen Bürger_innenkrieg auf die Tagesordnung. Nur so können wir einen Kampf gegen die Politik der nationalen Einheit, wie sie so oft von reformistischen und kleinbürgerlichen Kräften unter dem Vorwand des kleineren Übels, abwehren. In militärischen Auseinandersetzungen zwischen unterdrückten und unterdrückenden Nationen stehen wir auf Seite der unterdrückten und fordern die Niederlage des Imperialismus.

Die aktuelle Krise verstärkt die Kämpfe um wirtschaftliche Einflussgebiete und die Vorherrschaft in bestimmten Regionen der Erde. Sie sind logische Konsequenz des Gegensatzes der stetigen Überakkumulation von Kapital bei gleichzeitig begrenztem Territorium. Der Zwang zur stetigen Kapitalanhäufung ist ein grundlegendes Merkmal des Kapitalismus. Stoßen die imperialistischen Blöcke an ihre Grenzen setzt über kurz oder lang der Kampf um die Neuaufteilung der Welt ein, ob durch Handelskriege, gezielte Blockbildung oder militärische Auseinandersetzungen. Kriege wie in Syrien und der Ukraine, aber auch die zunehmende Bedrohung einer imperialistischen Intervention gegen Nordkorea zeigen, wie notwendig der Aufbau einer Antikriegsbewegung unter der Losung “Der Hauptfeind steht im eignen Land” ist. Dabei ist es die Aufgabe von RevolutionärInnen in den imperialistischen Ländern gegen ihre Bourgeoisie anzukämpfen und das Herz der Bestie zu zerstören.

  • Für die Zerschlagung aller imperialistischen Militär- und Wirtschaftsbündnisse! Für die Niederlage des Imperialismus – sofortiger Abzug aller imperialistischen Truppen und ihrer Handlanger.
  • Keinen Menschen, keinen Cent, keinen Fußbreit dem Militarismus! Für die Zerschlagung von Polizei und Militärapparat und aller privaten „Sicherheits“agenturen. Für demokratisch legitimierte Arbeiter_innenmilizen unter Kontrolle von Räten!
  • Internationalismus muss praktisch werden! Kampf der eigenen Bourgeoisie und ihrem Staat: für die Niederlage des „eigenen“ imperialistischen Landes!
  • Zerschlagt die Rüstungsindustrie! Verstaatlicht ihre Kriegsprofite und ersetzt die fehlenden Jobs durch neue im öffentlichen Interesse.
  • Eure Krise zahlen wir nicht! Nehmt das Geld von den Profiten der Banken und Konzerne. Verstaatlichung aller Unternehmen unter Arbeiter_innenkontrolle, die das nicht umsetzen wollen!

3.2 Freihandel und Protektionismus

In der aktuellen Krise haben wir auch eine zunehmende Spaltung innerhalb der herrschenden Klasse, die sich oberflächlich betrachtet in der Frage Freihandel gegen Protektionismus ausdrückt. Dies geschieht sowohl auf internationaler Ebene, als auch innerhalb der führenden imperialistischen Nationen. Zwei der relevantesten Beispiele hierfür sind der Brexit und die unterschiedlichsten Freihandelsabkommen, wie TTIP, CETA und Co. Dabei ordnen sich weite Teile der Arbeiter_innenbewegung einzelnen Fraktionen der Kapitalist_innen im Sinne einer Politik des kleineren Übels unter. Hier zeigen sich die Grenzen des imperialistische Weltsystem. Dieses versucht zum einen, die fortschrittliche Tendenz der Vereinheitlichung der Produktion international umzusetzen, was ebenfalls eine wesentliche Bedingung der internationalen Kontrolle der Produktion durch die Arbeiter_innenklasse wäre. Jedoch stößt dies gleichzeitig an die Interessen einzelner Gruppen von Kapitalist_innen und steht deren Existenzgrundlage entgegen. Zum anderen unterhöhlt diese Vereinheitlichung stets die Kampfbedingungen und elementare Lebensgrundlagen der Arbeiter_innenklasse. Wir beantworten die Vereinheitlichung der Produktion nicht mit dem Schrei nach nationaler Abschirmung. Denn die internationale Solidarität von Arbeiter_innen und Jugendlichen ist notwendige Voraussetzung der erfolgreichen sozialistischen Revolution international. Allerdings dient der Freihandel immer den Kapitalist_innen auch als Ausrede um schwächere Länder zu unterwerfen und erkämpfte Rechte der Arbeiter_innenbewegung zu untergraben. Wir fordern den unabhängigen Kampf der Arbeiter_innenbewegung gegen beide Ausdrücke kapitalistischer Einzelinteressen in der Krise. So stellt sich dies auch bei der Frage der Zukunft der EU. Für uns ist die rückschrittliche Rückkehr zum scheinbar unabhängigen Nationalstaat fehlerhaft, schürt dies doch den Chauvinismus und erschwert den notwendigen Kampf auf europäischer Ebene. Wir setzen beiden Szenarien kapitalistischer Herrschaft die Losung der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa entgegen. Somit kämpfen wir für die Zerschlagung der bestehenden EU und die fortschrittliche Ersetzung durch einen Zusammenschluss von Arbeiter_innenstaaten.

  • Zerschlagt das neoliberale, militaristische und undemokratische Projekt der EU. Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!
  • Für die Auflösung von Welthandelsorganisation, UNO Sicherheitsrat und allen imperialistischen Agenturen! Für die Erlassung aller Schulden, sowie Reparationszahlungen an die halbkoloniale Welt!
  • Für internationale Produktions- und Lebensmittelstandards festgelegt und kontrolliert durch Organe der Arbeiter_innenbewegung.
  • Gegen ihre Monopole hilft nur die Arbeiter_innenkontrolle der Produktion international, gestützt auf die globale Rätemacht!

3.3 Nationale Selbstbestimmung

Mit dem Aufkommen des Kapitalismus wurde ein nationaler Binnenmarkt notwendig. Deshalb entstanden die ersten Nationen mit dem Kapitalismus und werden letztlich auch mit ihm unter gehen. Doch durch die ungleichzeitige und kombinierte Entwicklung des Kapitalismus und dem Vorsprung mancher Länder gegenüber anderen bildete sich auch ein Weltmarkt heraus, auf dem eine handvoll mächtiger, imperialistischer Nationen das Schicksal der großen Mehrheit der Ländern bestimmt und für sich nützt. Als konsequente Antiimperialist_innen kämpfen wir gegen nationale und koloniale Unterdrückung wie zum Beispiel in Kurdistan und Palästina. Nationale Unterdrückung ist ähnlich wie Frauen- oder Jugendunterdrückung ein Instrument der Verschleierung der wahren Widersprüche in der kapitalistischen Gesellschaft. Nationale Unterdrückung äußert sich auf viele verschiedenen Weisen, so zum Beispiel in der Unterdrückung der Sprache oder der Kultur. Daraus folgt für uns, dass wir das Recht auf nationale Unabhängigkeit dort unterstützen, wo soziale Bewegungen es aufwerfen. Dieser Unterstützung gehen einige Grundkriterien zuvor. So darf das Ziel des Aufbaus der Nation, nicht die Unterwerfung ethnischer oder nationaler Minderheiten zum Ziel haben. Außerdem muss die Forderung von weiten Teilen der Unterdrückten aufgeworfen werden. Kurz gesagt: Dort wo eine nationale Bewegung im Bewusstsein und einer bestimmten Region vorhanden ist, erkennen wir eben jenes Recht an. Das tun wir weil gleiches Recht für alle gelten sollte und die unterdrückten Massen die Frage selber aufwerfen. Nicht, weil wir glauben würden, dass ein neuer Nationalstaat alle Probleme der Arbeiter_innenklasse in Halbkolonien lösen würde. In solchen Gebieten stehen oftmals Teile der lokalen Bourgeoisie zusammen mit der Klasse der Arbeiter_innen, der Bäuer_innen und Jugend in Bewegung gegen die Auswirkungen des Imperialismus und führen diese oftmals an. Doch ist einmal das Ziel der nationalen Selbstbestimmung erreicht, wird die Bourgeoisie ihre Macht auch gegen das Proletariat mit aller Macht verteidigen, auch wenn diese zuvor Seite an Seite gegen die nationale Unterdrückung kämpften. Die Revolutionär_innen, welche sich vor Ort zumeist in der Unterzahl befinden, dürfen die Aufnahme kommunistischer, massenhafter Methoden (im Gegensatz zu den meist vorherrschenden individuellen Aktionen kleiner Teile der Bevölkerung) nicht zur Bedingung der Berechtigung eines Widerstandes erheben. Die Aufgabe ist es den berechtigten Widerstand praktisch und politisch zu unterstützen und gleichzeitig die Notwendigkeit der proletarischen Revolution und somit auch von der herrschenden Klasse unabhängigen Führung aufzuzeigen. Ein Mittel dazu ist die antiimperialitische Einheitsfront. Diese zielt darauf ab, den Imperialismus als den Grund der nationalen Unterdrückung zu entlarven und gleichzeitig reaktionäre Führungen von der fortschrittlichen Bewegung zu trennen. Das Beispiel Palästinas zeigt, dass sich führende Kräfte wie die Hamas auf das reaktionäre Konzept islamischer Theokratie stützen und für repressive Gesetze kämpfen. Mehr als das, sie blockieren eine fortschrittliche und radikale Lösung, da ihre reaktionären Ideen, von Antisemitismus bis Sexismus nicht zeigen, wie die unterdrückten Teile der palästinensischen Bevölkerung und die israelische Arbeiter_innenklasse einen gemeinsamen Kampf für ihre Befreiung führen können. Auch wenn wir die politische Führung ablehnen, so ist der Widerstand ein berechtigter und bei Angriffen im Interesse des Imperialismus, kämpfen wir Seite an Seite mit der Führung des palästinensischen Widerstands bei Aufrechterhaltung unserer Kritik und organisatorischen Unabhängigkeit. Dabei lehnen wir das Mittel der Volksfront, also eine Unterordnung des revolutionären Kommunismus unter den einen oder anderen Flügel der Bourgeoisie ab. Genauso lehnen wir die Fetischisierung der Guerilla- aktik11 ab. Wir kämpfen konsequent um die politische Führung der Arbeiter_innenklasse und überlassen diese nicht der Bourgeoisie. Dies bedeutet, dass der Kampf um nationale Selbstbestimmung nur im konsequenten Kampf gegen das imperialistische Weltsystem auf internationaler Ebene gewonnen werden kann. Unsere Perspektive kann sich dem entsprechend niemals der Bewegung und ihrem Bewusstseinsstand unterordnen. Ebenso muss sie aufzeigen , dass keine angebliche demokratische, kapitalistische Etappe zur Entwicklung eines eigenständigen bürgerlichen Staates möglich oder notwendig ist. Vielmehr muss die bürgerliche Etappe, d.h. die Verteilung des Großgrundbesitzes an die armen Bäuer_innen, schon von einer Arbeiter_innenregierung angeleitet werden und nahtlos in die sozialistische Etappe, also eine Enteignung des Privatbesitzes an Produktionsmitteln, übergehen.

  • Für das Recht auf nationale Selbstbestimmung. Für bindende Abstimmungen über Fragen der nationalen Selbstbestimmung und Autonomie in der betreffenden Region kontrolliert durch Organe der Arbeiter_innen, Bäuer_innen und Armen.
  • Enteignet die nationalen und internationalen Kapitalist_innen! Verjagt die Großgrundbesitzer_innen, besetzt das Land und kollektiviert es für die, die es brauchen. Für den Aufbau einer Regierung der Arbeiter_innen, Bäuer_innen und Armen.
  • Für internationale Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf und Selbstbestimmungsrecht für die Kurd_innen in der Türkei, Irak, Iran und Syrien. Für die Niederlage der Besatzungsarmeen. Ein echtes Ende der Unterdrückung kann es nur durch die sozialistische Revolution geben.
  • Freiheit für die durch das israelische Militär besetzten Gebiete! Schluss mit der zionistischen Unterdrückung und für den Aufbau eines vereinigten, säkularen und sozialistischen Palästinas, indem Angehörige verschiedener Religionen und Atheist_innen gleichberechtigt leben können. Für eine vereinigte, sozialistische Föderation im gesamten Nahen Osten!

Kapitalismus: Totengräber unserer Lebensgrundlage

Die katastrophalen Auswirkungen des globalen Kapitalismus lassen sich nicht nur auf sozialer Ebene erkennen, sondern verstärkt auch auf ökologischer Ebene. Während führende bürgerliche Politiker_innen den menschlich verursachten Klimawandel leugnen, zeigen sich die Auswirkungen in vielen Ländern und Teilen der Erde jedes Jahr mit steigender Heftigkeit. Doch die Gefahr der weltweiten Umweltzerstörung beschränkt sich nicht nur auf den Klimawandel. Die Versauerung der Meere infolge hoher CO2-Konzentration in der Atmosphäre, die weltweite Umweltverschmutzung (insbesondere durch Plastik), das weltweite Artensterben oder die Störung des Stickstoff- und Phosphorkreislaufes v.a. durch die Landwirtschaft sind alles Bedrohungen der Umwelt, welche existenzielle Gefahren für menschliche Zivilisationen bedeuten. Die Folgen der Veränderung von Ökosystemen durch den Menschen sind zwar noch nicht abschließend bekannt, dennoch sind schon heute Millionen Menschen von der Zerstörung ihrer Lebensgrundlage bedroht. Obwohl ein Großteil der Umweltzerstörung auf das Konto der imperialistischen Nationen geht, sind es vor allem die Menschen in Halbkolonien, die darunter massiv zu leiden haben.

Die Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 hat uns nur einmal wieder dramatisch vor Augen geführt, was für zerstörerische Kräfte der Kapitalismus entfalten kann. 2017 waren laut Angaben der UNO wieder 20 Millionen Menschen allein in vier Ländern (Nigeria, Somalia, Jemen und Südsudan) vom Hungertod bedroht. Insbesondere in der Sahelzone droht der Klimawandel die Hungerkrisen zu verschärfen. Alleine in Bangladesch werden bis 2050 15 Millionen Klimaflüchtlinge erwartet, ganze Inselstaaten sind von der Auslöschung bedroht. Diese punktuellen Beispiele stehen repräsentativ für eine globale Entwicklung, die sich in den nächsten Jahren noch massiv verschärfen wird.

Der Kapitalismus als solches ist bestrebt Profite zu erwirtschaften – alles andere ist diesem heiligen Ziel untergeordnet. Das bedeutet aber auch, dass unter gewissen Umständen Teile der herrschenden Klasse Profit aus ökologisch sinnvollen Wirtschaftsaktivitäten ziehen können. Doch auch diese Bereiche sind im Kapitalismus dem Zwang zur Anhäufung von Kapital unterworfen und führen somit im Endeffekt zu insgesamt größerem Gesamtressourcenverbrauch trotz höherer Einzeleffizienz. Der Kapitalismus ist grundsätzlich auf die Erwirtschaftung schneller Profite ausgelegt, denn so kann man am besten seine Konkurrenz im Wettbewerb ausstechen. Langfristige Planung und eine Ausrichtung auf ökologische Nachhaltigkeit sind dem Kapitalismus fremd. Auf globaler Ebene ist kein grüner Kapitalismus möglich.

Die aktuelle Ökologiebewegung ist größtenteils von bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kräften dominiert, die wahlweise für grüne Technologien im Kapitalismus eintreten (z.B. die Grünen) oder für die Ablehnung von Technologien und eine Rückbesinnung auf kleine, weil angeblich „ökologischere“, Produktion. Nur eine demokratische und weltweite Planwirtschaft ist dazu im Stande, eine umfassende Analyse der ökologischen Probleme in die Planung der Produktion und die Weiterentwicklung von Technologien einzubeziehen. Unsere Aufgabe ist es die legitimen Kämpfe gegen Umweltzerstörung und Klimawandel mit dem Kampf gegen den Kapitalismus zu verbinden. Nur so können wir ein Wirtschaftssystem schaffen, das gestützt auf eine global geplante Organisation der Produktion, die wirtschaftlichen Notwendigkeiten mit ökologischen Zielen in Einklang bringen kann. Die individualistische Herangehensweise der Konsumkritik und des fairen Handels können sich viele Menschen nicht leisten. Zudem sind sie einerseits dem gravierenden Ausmaß der Situation vollkommen unangemessen, noch ein funktionierender Weg zu einer ökologischen Gesellschaft.

Wir gehen weder davon aus, dass die ökologische Krise im Kapitalismus gelöst werden kann, noch gehen wir davon aus, dass in der industriellen Produktionsweise selbst die Ursache der Krise zu finden ist. Vielmehr geht es darum, die existierenden Produktionsweisen innerhalb ökologischer Grenzen zum Nutzen der Menschheit einzusetzen, statt für die Maximierung von Profit. Das Bedeutet hinsichtlich des Ressourcenverbrauchs und der Schadstoffemissionen eine Konzentration und Reduktion auf gesellschaftlich sinnvolle Produktion, die nur durch eine Planwirtschaft zu realisieren ist. Wir fordern deshalb:

  • Massive staatliche Investitionen in die Entwicklung neuer umweltfreundlicher und CO2-neutraler Technologien.
  • Begrenzte Rohstoffe dürfen nicht als (Sonder)Müll enden! Für die Offenlegung der Müllentsorgung der Industrie. Für ein konsequentes, gesellschaftliches Recyclingsystem auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand.
  • Schnellstmögliche Schließung von Kohle- und Atomkraftwerken sowie Frackinganlagen! Aufbau eines Energienetzes mit erneuerbaren Energien. Entschädigungslose Verstaatlichung unter Arbeiter_innenkontrolle aller Unternehmen, die sich weigern auf umweltschonende Technologie umzusteigen.
  • Globale Klimagerechtigkeit! Die imperialistischen Staaten sollen für die von ihnen verursachten Schäden bezahlen! Gegen Patente auf Nahrungsmittel und Technologien!
  • Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und kostenlose Nutzung durch alle! Verstaatlichung aller Transport- und Energieunternehmen unter Arbeiter_innenkontrolle!
  • Sinnhafte, massenhafte, direkte Aktionen gegen Fracking, Pipelines, Kohle- und Atomkraftwerke nach Möglichkeit gemeinsam mit den Belegschaften!

Wer ist eigentlich diese Jugend?

Die Jugend im Kapitalismus ist eine spezifische Phase in der Entwicklung des Menschen zwischen der Kindheit, ein Stadium in denen die Grundvoraussetzungen zur gesellschaftlichen Teilhabe anerzogen werden (wie Sprache oder zwischenmenschlichem Umgang) und dem vollwertigen Eintritt in die „Arbeitswelt“. Im Proletariat ist die Jugend ein reproduktiver Lebensabschnitt, der zur Herstellung der Anforderung an den Arbeitsprozess dient. Die Jugend anderer Klassen hingegen wird auf die Anforderungen ihrer jeweiligen Zukunft in ihrer Klasse ausgebildet.

Dabei ist die Jugend als verallgemeinertes Phänomen, also als klassenübergreifendes, erstmals im entwickelten Kapitalismus entstanden. Dies liegt an den stetig zunehmenden Anforderungen an die Arbeitskraft im Zuge der regelmäßigen technischen Erneuerungen in der Produktion. Der Prozess der Ausbildung findet zumeist außerhalb eines konkreten Berufes statt und produziert deshalb keinen Mehrwert für die Kapitalist_innen. Das macht es für einzelne Unternehmen sehr teuer und aufwändig, die gesamte Ausbildung (abgesehen von einer spezifischen Spezialisierung) zu übernehmen da sie ansonsten im Wettbewerb gegenüber anderen Unternehmen unterliegen würden, die das nicht machen, weil die Arbeiter_innen auch einfach zu neuen Kapitalist_innen wechseln könnten. Deshalb ist der Staat, der im allgemeinen das gemeinsame Interesse der Kapitalist_innen vertritt, gezwungen diese Ausbildung vorzunehmen, während die Unternehmen lediglich spezialisiertes Wissen vermitteln. Dies führt zu zwei Sichtweisen auf die Jugend. Zum einen wird es als Phase der individuellen Bereicherung an Wissen betrachtet um anderen als unproduktiv, somit gering wertgeschätzt und deshalb auch nicht entlohnt. Die Individualisierung der Ausbildung wird vom Staat dafür genutzt sich aus der Verantwortung für den Aufwand der Ausbildung heraus zu ziehen (Lebenslanges Lernen, Weiterbildung, etc.). Bei der Jugend handelt es sich um die Reproduktion der Klassengesellschaft und des herrschenden Bewusstseins. Dies wird der bürgerlichen Kleinfamilie12 aufgetragen, von der Jugendliche finanziell abhängig sind. Um die Phase der Entwicklung den kapitalistischen Ansprüchen anzupassen, sind Jugendliche auch rechtlich stark eingeschränkt. So dürfen wir nicht wählen, über unseren eigenen Körper nicht vollkommen selbst entscheiden, haben kein Recht auf die Verfügung über unser Eigentum und unterliegen hierbei der Bevormundung von Familie, Ausbildungsstätte und Staat.

Die Länge der Jugend ist hierbei jedoch nicht immer und überall gleich. So können wir in vielen halbkolonialen Nationen im Zuge der Krise nicht von einer Verlängerung der Jugend sprechen. Dort ist die Familie viel mehr noch eine Einheit, die teilstaatliche Aufgaben übernimmt, wie Kranken- und Altenpflege, oder größere Teile der Kindererziehung. Aufgrund dessen ist eine Finanzierung der unbezahlten Ausbildung nur in den wohlhabenderen Schichten der Arbeiter_innenklasse, des Kleinbürger_innentums oder der Bourgeoisie möglich. Das führt dazu, dass große Teile der Jugend schon früh arbeiten gehen müssen. In vielen halbkolonialen Ländern kann deshalb nicht von Jugend als einer allgemeinen Gegebenheit gesprochen werden. Jugend gibt es im imperialistischen Weltsystem, welches die Lebensgrundlagen der überausgebeuteten Arbeiter_innen systematisch unterhöhlt, nicht überall.

In imperialistischen Nationen erleben wir eine teilweise Verlängerung der Jugend. Begriffe wie „Generation Praktikum“ sprechen für einen schleichenden, verlängerten Übergang in die Arbeiter_innenklasse in weitgehend unbezahlter Weise – im Schnitt beträgt der Lohn für ein Praktikum weitaus weniger als die Mindestlöhne. Aber auch junge Arbeiter_innen werden vermehrt als Lohndrücker_innen eingesetzt über Leih- und Zeitverträge, Werkverträge oder auch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Im Gegensatz zu anderen Unterdrückungsformen im Kapitalismus endet die Jugendunterdrückung mit dem Erwachsenwerden, aber nicht abrupt mit der Volljährigkeit, sondern erstreckt sich meist über mehrere Jahre. So findet eine rechtliche und strafmündige Gleichstellung auf der einen Seite, eine wirtschaftliche Eigenständigkeit auf der anderen Seite meist ungleichzeitig statt. Auf der dritten Seite wird den Jugendlichen oftmals aufgrund eines fehlenden Erfahrungsschatzes die eigenständige Entscheidungsfähigkeit abgesprochen. Unser Ziel ist hierbei die Abschaffung der Jugend als eine Unterdrückungsform – nicht jedoch ihrer positiven Errungenschaften. Wir kämpfen somit gegen rechtliche Benachteiligung, wie dem Ausschluss vom flächendeckenden Mindestlohn. Auch die Isolierung der Jugend innerhalb ihrer Ausbildung muss abgeschafft werden, um die Notwendigkeit und das gesamtgesellschaftliche Interesse für die einen zu verdeutlichen, während die anderen ihren Lernprozess besser mit konkreten und produktiven Anforderungen verbinden können.

Kampf der Jugendunterdrückung!

Als Jugendliche sind wir in der Schule, am Arbeitsplatz, im Rechtssystem und in der Familie Unterdrückung unterworfen. Wenn wir überhaupt das Glück haben, in einem Land geboren zu werden in dem es öffentlich zugängliche Schulbildung gibt, werden wir von Lehrer_innen bevormundet sowie durch Leistungsdruck und Konkurrenz auf „den Arbeitsmarkt vorbereitet“. Wenn wir schon in jungen Jahren arbeiten müssen, dann bekommen wir deutlich weniger Lohn und müssen oft unter schwierigsten Bedingungen arbeiten. Das ist auch einer der Gründe dafür, warum Jugendliche sich so oft gegen den Kapitalismus und seine Auswirkungen zur Wehr setzen. Jugendunterdrückung heute ist eng mit dem Kapitalismus verknüpft und kann nur durch dessen Überwindung abgeschafft werden. Als Spaltungslinie innerhalb der Gesellschaft ist sie äußerst nützlich für das herrschende System zusätzlich zur strukturellen Überausbeutung (die ein „normales“ Maß überschreitet) von großen Teilen der arbeitenden Jugend.

6.1 Gleiche Rechte und Möglichkeiten

Jugendliche sind in unterschiedlichsten Ländern unterschiedlichsten Formen der rechtlichen Unterdrückung unterworfen. Wir dürfen nicht über unseren eigenen Körper entscheiden – unsere Eltern oder Erziehungsberechtigten „übernehmen“ das für uns. Zusätzlich dürfen sie bis zur Volljährigkeit über unser Eigentum entscheiden – wenn wir überhaupt das Recht darauf haben. In fast allen Ländern liegt das Alter der Strafmündigkeit deutlich unter dem Alter der Volljährigkeit. Die meiste Zeit unserer Jugend verbringen wir rechtlich entmündigt, ohne Wahlrecht, ohne die Möglichkeit auf ein selbstbestimmtes Leben. Grund genug dagegen anzukämpfen.

Die Frage wann Menschen unserer Meinung nach volle rechtliche Gleichstellung, also die Volljährigkeit erreicht haben sollten, lässt sich nicht unabhängig von sozialen und wirtschaftlichen Umständen pauschal für alle Länder beantworten. In fast allen Ländern dieser Erde ist sie aber deutlich zu hoch angesetzt und wir kämpfen dafür, dass Jugendliche früher zu ihren vollen Rechten kommen können.

Als Jugendliche haben wir oft noch viel weniger finanzielle Möglichkeiten als der Großteil der Arbeiter_innenklasse und sind deshalb oft dazu genötigt, unsere Freizeit im öffentlichen Raum ohne eine sinnvolle Infrastruktur zu verbringen. Jugendzentren sind oft genug Mangelware, auch sonstige Angebote sind spärlich und zumeist von oben nach unter angeleitet, eine Selbstorganisierung ist oft kaum möglich. Dies verwehrt uns die Möglichkeit uns besser zu bilden und auf eigene Art zu lernen, sondern auch die Möglichkeit uns sozial zu organisieren.

  • Frühere rechtliche Gleichstellung von Jugendlichen, angepasst an die Situation der jeweiligen Länder!
  • Wer arbeiten darf, soll auch wählen dürfen! Für das Wahlrecht ab dem Zeitpunkt des legalen Berufseintrittsalters.
  • Für das Recht auf Eigentum und die eigenständige Verfügung darüber! Für die Selbstbestimmung über den eigenen Körper!
  • Für Selbstverwaltete Freiräume für Jugendliche, den massiven Ausbau von Jugendzentren und kostenlose Zugang zu einem ausgebauten Freizeit- und Kulturangebot für Jugendliche bezahlt durch die Besteuerung der Reichen
  • Kostenloser Zugang zu außerschulischen Kursen und Aktivitäten
  • Für die ökonomische Unabhängigkeit von Schüler_innen, Studierenden und Jugendlichen in Ausbildung! Für ein Mindesteinkommen, angepasst an die Lebenssituation im jeweiligen Land durch die Besteuerung von Reichtum und Kapital.

6.2 Erziehung und Ausbildung

Im Kapitalismus gilt die Familie als „Grundeinheit der Gesellschaft“, diese Sicht findet sich sogar in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wieder. Die klassische bürgerliche Kleinfamilie mit einem Mann als „Familienoberhaupt“ und danach der Frau und den Kindern ist das Ideal nach dem zu streben sei. Für uns Jugendliche bietet die Familie in erster Linie Bevormundung und Abhängigkeit, auch wenn sie oft der einzige emotionale Rückhalt ist, den wir haben – gerade das macht dieses System so tückisch. Für ihre Eltern müssen die Kinder, vor allem in Halbkolonien, kostenlose (Haus)Arbeit verrichten. Weibliche Jugendliche werden schon früh in der Familie in ihre Rolle im Haushalt gedrängt und erfahren oft noch einen größeren Entzug von Rechten und Unabhängigkeit. Wir wollen die bürgerliche Familie als Norm durch andere Formen des Zusammenlebens ersetzen, wo Hausarbeit und Kindererziehung gesamtgesellschaftlich verteilt sind. Das passiert nicht auf Knopfdruck, sondern ist ein langer Prozess, auch nach einer Revolution, den wir bewusst voran treiben wollen. Wir wollen möglichst viele Aspekte der Erziehung und Bildung unter die Kontrolle der Gesellschaft stellen und an die Stelle von Tradition und Willkür sollen Planung und Wissenschaftlichkeit treten. Die technisch-industrielle Entwicklung hat es im Kapitalismus notwendig gemacht, dass die zukünftigen Arbeiter_innen eine gewisse Bildung bekommen. Ein System, das auf Profit ausgerichtet ist, wird uns jedoch immer nur so viel Bildung zur Verfügung stellen, wie es unbedingt für das System nötig ist. Eine umfassende, an unseren Interessen ausgerichtete und allgemeine Bildung für alle ist im Kapitalismus also nicht möglich. Um Kosten einzusparen und die soziale Ungleichheit aufrechtzuerhalten wird stattdessen ausgesiebt wo es nur geht, schließlich braucht die herrschende Klasse zwar ein paar kluge Köpfe in den Chefetagen, aber vor allem eine große Menge an preisgünstigen Arbeitskräften. In Zeiten der Krise bleibt dann für Bildung noch weniger Geld übrig, sodass die Kosten dafür vermehrt ins Private, also in unsere Familien und unsere eigenen Geldbeutel ausgelagert werden. Das hat zur Folge, dass klassenbedingte Bildungsungleichheiten noch stärker zementiert werden. In Halbkolonien sieht die Lage noch schlechter aus, sodass sogar häufig nur Kinder aus Familien der herrschenden Klasse Zugang zu Bildung haben. Auch hier besteht ein Zusammenhang zwischen dem Entwicklungsgrad der Wirtschaft und dem Maß an Bildung, das Jugendliche erhalten. In Ländern wie Japan oder Südkorea hingegen ist der Leistungsdruck so hoch und das Klima in der Schule so schlecht (z.B. durch Mobbing), dass das zu extrem hohen Selbstmordraten unter Jugendlichen führt.

  • Für kostenlose, flächendeckende Kinderbetreuung rund um die Uhr.
  • Für massive Investitionen in Bildungseinrichtungen & kostenlose Schul- und Universitätsbildung sowie deren Ausfinanzierung durch den Staat.
  • Schulpflicht bzw. Ausbildungspflicht bis zur gesetzlichen Volljährigkeit. Schluss mit Selektion! Für eine gemeinsame Schule für alle, ohne soziale Auslese im Kindesalter!
  • Für den Aufbau von Schüler_innen- und Studierendengewerkschaften, dort wo keine existieren! Auch wir müssen uns zu Wehr setzten gegen Kürzungen, Sparmaßnahmen und Unterdrückung an den Schulen und Universitäten!
  • Schluss mit reinem Frontalunterricht! Für eine Modernisierung des Bildungssystem durch Miteinbeziehung in die Produktion und Förderung des selbstständigen Lernens! Für die Kontrolle des Lehrplans durch die Arbeiter_innenbewegung sowie durch uns Jugendliche.
  • Für eine völlige Trennung von Staat und Kirche – Verbot aller religiösen Schulen! Für die Verstaatlichung aller Privatschulen! Bildung muss gesellschaftlich kontrolliert werden!
  • Für den Ausbau von Schutzräume für Kinder und Jugendliche! Niemand soll bei seiner Familie bleiben müssen, wer das nicht möchte!
  • Für die Förderungen neuer Formen des Zusammenlebens beispielsweise durch den Ausbau und die Weiterentwicklung des sozialen Wohnungsbaus!

6.3 Wirtschaft und Arbeit

Jugendliche sind zu einem viel höheren Anteil als die Durchschnittsbevölkerung von Arbeitslosigkeit betroffen. Oft bietet uns auch die beste Ausbildung keine Garantie für eine glückliche und erfüllte Zukunft. In Ländern wie Griechenland ist jede_r zweite Jugendliche aufgrund der Wirtschaftskrise und der erbarmungslosen Sparpolitik auf der Suche nach Arbeit. Zum ersten Mal seit dem zweiten Weltkrieg hat eine ganze Generation in Europa keine Aussicht auf ein besseres Leben als ihre Eltern. Wenn wir Jugendliche einen Job finden, bekommen wir oft genug auch nur einen Bruchteil dessen bezahlt was unsere älteren Kolleg_innen bekommen. Oft genug gibt es für Praktika und ähnlichem überhaupt keine Entlohnung oder wir müssen uns an Zeitarbeitsfirmen und andere Halunken verkaufen. In den existierenden Gewerkschaften sind Jugendliche meist stark unterrepräsentiert und ihre Anliegen finden nur wenig Gehör. Hier müssen wir uns unsere Stellung erkämpfen und mehr Jugendliche in Gewerkschaften organisieren um keine zusätzliche Spaltung der Arbeiter_innenklasse zu ermöglichen und als Lohndrücker_innen missbraucht zu werden. In vielen Ländern der Welt zählt Kinderarbeit noch immer zur traurigen Realität. Es dürften insgesamt etwa eine Viertelmilliarde Kinder sein. Weltweit sind Millionen von Jugendlichen von Armut und Hunger betroffen und müssen in Slums oder auf der Straße um ihr Überleben kämpfen. All das obwohl wir noch nie dagewesen technische und produktive Möglichkeiten haben um zum Beispiel alle Menschen auf der Welt zu ernähren. Das aktuelle System bietet uns keine Perspektive. Für eine sinnvolle Zukunft müssen wir es bekämpfen und besiegen.

  • Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit – international!
  • Arbeitszeitverkürzung und Aufteilung der Arbeit auf alle Hände bei vollem Lohnausgleich!
  • Mindestlohn für Jugendliche und junge Arbeiter_Innen, auch für solche, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben!
  • Für volle und unbefristete Übernahme aller Jugendlichen nach der Ausbildung – bei Verweigerung der Übernahme Strafzahlung! Für die Abschaffung aller Quoten, die die Übernahme beschränken.
  • Volle wirtschaftliche Rechte – inklusive des Rechts auf Arbeitsniederlegung – für Jugendliche!
  • Breite Kampagnen zur gewerkschaftlichen Organisierung von Jugendlichen. Gerechte Repräsentanz in den Gremien der Gewerkschaften. Wir wollen uns nicht bevormunden lassen.
  • Verbot und Bekämpfung von Kinderarbeit – auch durch bessere Bezahlung für erwachsene Lohnabhängige!
  • Massive staatliche Investitionen in Bildung, Soziales, Umwelt und Gesundheit durch Besteuerung des Kapitals. Für ein staatliches Beschäftigungsprogramm – kontrolliert durch die Arbeiter_innenbewegung!

6.4 Kapitalismus macht krank

Der tagtägliche Leistungsterror macht uns krank! Wir Jugendlichen sind besonders dem gegenüber anfällig. Mittlerweile sind knapp ein Fünftel aller Jugendlichen besonders anfällig für psychische Erkrankungen. Dies nimmt vor allem im Laufe der Krise zu. Denn wir sind es die von verstärkter Unsicherheit, Lohndrückung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes im Interesse des Kapitals besonders betroffen sind. Die kapitalistische Ideologie erzählt uns, dass alle alles schaffen können, wenn man sich nur richtig anstrenge. Stattdessen sind unsere Chancen meistens durch unseren Klassenhintergrund und anderen Unterdrückungsmechanismen vorbestimmt. Viele von uns denken aber, dass nicht die Gesellschaft, sondern sie selber daran schuld sind, weshalb viele Jugendliche unter geringem Selbstbewusstsein und selbstauferlegtem Leistungsterror leiden. Aber nicht nur das, durch die strikte Trennung von Arbeit und Bildung in der Schule wissen wenige von uns was in dieser Gesellschaft werden wollen und sind dadurch besonders anfällig für Erkrankungen. Andere zerbrechen unter dem Druck gesellschaftlicher Schönheitsideale oder Sexualnormen. Wiederum andere werden zu Kranken gemacht, durch den Stempel der Behinderung, das kann bereits bei Verhaltensauffälligkeiten passieren. Dabei ist es ein gesellschaftliches Problem, das auch durch bewusste gesellschaftliche Integration und volle Ausfinanzierung von Behandlungsangeboten gegen psychische und physische Behinderungen, gezielter Weiterentwicklung dieser, eine Förderung der Forschung und durch gemeinschaftliche Ausbildungsangebote ausgeglichen werden kann. Denn es ist die Gesellschaft die uns krank macht!

  • Massive Investitionen in das Bildungs- und Gesundheitswesens unter Besteuerung der Reichen – für die bedarfsgerechte Personaldeckung!
  • Weg mit der religiösen oder sonstigen Brandmarkung von Behinderungen. Für eine Gesellschaft, die sich an den Bedürfnissen Aller orientiert und nicht die Menschen mit besonderen Bedürfnissen als „Behinderte“ abstempelt und isoliert!
  • Stoppt die Diskriminierung von Menschen mit „Behinderung“ und nieder mit den physischen und sozialen Barrieren im öffentlichen Raum!
  • Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen! Psychische Probleme als legitimen Krankheitsgrund anerkennen. Für breite Aufklärungskampagnen und besseren Umgang mit Betroffenen in Schulen, Unis und Betrieben!
  • Für die volle Bezahlung von Menschen, die nach ihren Möglichkeiten einen gesellschaftlichen Beitrag leisten.

Wofür eine revolutionäre Jugendorganisation?

Unsere Aufgabe als Revolutionär_innen ist es, einen klaren Antikapitalismus in die bestehenden Kämpfe einzubringen und die Halbherzigkeit und Unzulänglichkeit der bestehenden Führungen offen zu legen. Für den Kampf gegen den Kapitalismus braucht es eine revolutionäre Organisation mit einer klaren Politik und einem gemeinsamen Verständnis dieser. In unseren Reihen begrüßen wir alle, die sich diesem Ziel offen und ehrlich verschreiben und ihren Beitrag leisten wollen.

Jugendliche erfahren in dieser Gesellschaft eine besondere Unterdrückung. Wir werden in den unterschiedlichsten Bereichen dieser Gesellschaft unterdrückt, das zieht sich sogar bis in die Arbeiter_innenbewegung und die Linke hinein, die natürlich nicht abgeschottet von der restlichen Gesellschaft existiert. Dabei merken vor allem wir Jugendlichen in den unterschiedlichsten Kämpfen oftmals den Ausverkauf einer Bewegung im Interesse einzelner Teile der Bewegung. Wir müssen deshalb auch hier darum kämpfen gehört zu werden und organisieren uns deshalb als Jugendliche gesondert von Parteien und Gewerkschaften um ohne Bevormundung und Unterdrückung für unsere Anliegen kämpfen zu können. REVOLUTION versucht ein Sprachrohr für Jugendliche zu sein, die in solchen Bewegungen oft, obwohl sie die meisten Aktivist_innen auf er Straße sind, in den Verhandlungen nicht vertreten werden. Das bedeutet auch basisdemokratischen Strukturen, dort zu fordern und aufzubauen, wo sich die Kämpfenden bewegen, ob in der Schule, im (Ausbildungs-)Betrieb oder der Hochschule.

Jugendliche sind oftmals militanter, haben wegen ihrer schlechten Lage und Perspektive weniger Niederlagen erfahren müssen und haben weniger zu verlieren. Es ist die Aufgabe der unabhängigen Jugendorganisation den Kampf der Jugendlichen mit dem der Arbeiter_innenklasse zu verbinden. Es ist die Arbeiter_innenklasse, durch deren schöpferische Kraft dieses System geschaffen wird und die Klasse, die den Kapitalismus beenden kann. Die Jugendlichen müssen jedoch ihren eigenen Weg zu sozialistischen Ideen finden, wie sonst sollen neue und mutige Aktivist_innen sich entwickeln, wenn nicht an eigenen Erfahrungen?

Kampf der Frauenunterdrückung!

Systematische Frauenunterdrückung ist, zusammen mit der Jugendunterdrückung, die älteste Form sozialer Unterdrückung in menschlichen Gesellschaften. Zusammen mit der Entwicklung von Klassen wurde auch die gesellschaftliche Unterdrückung von Frauen verfestigt. Der Kapitalismus hat diese Unterdrückung also nicht erfunden, sondern aus alten Klassengesellschaften übernommen, aber auch eigene Aspekte dazu entwickelt. Da Frauenunterdrückung unmittelbar mit der Existenz von Klassengesellschaften verbunden ist, dürfen wir uns nicht der Illusion hingeben, sie ohne eine generelle Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse abschaffen zu können.

Aber nur weil Frauenunterdrückung unmittelbar mit dem Kapitalismus verbunden ist, bedeutet das nicht, dass sie überall, wo der Kapitalismus existiert (und das ist nahezu auf der ganzen Welt der Fall) die selbe Form und die selbe Schärfe annehmen würde. In vielen Ländern der sogenannten „Dritten Welt“ erleben wir ganz andere Formen der Frauenunterdrückung als in den imperialistischen Zentren. Frauen in Saudi Arabien stehen unter der unmittelbaren Vormundschaft von Vätern, Brüdern oder Ehemännern und dürfen beispielsweise ohne deren Zustimmung das Land nicht verlassen. Das restriktive Abtreibungsrecht in Brasilien zwingt jährlich Millionen Frauen, illegale Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Diese kosten Schätzungen zufolge jährlich 200.000 Frauen das Leben (2014). Auch Frauenmorde sind keine Seltenheit: Ob nun die Femizide in Lateinamerika, Ehrenmorde durch männliche Verwandte oder die „Hexen“verbrennungen in Indien. Ein Problem, das speziell in Halbkolonien vorkommt, ist die weibliche Genitalverstümmelung, die jährlich bis zu 3 Millionen Frauen und Mädchen betrifft (2016) und nicht nur das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper, sondern auch die eigene Sexualität vollkommen ignoriert und zu lebenslangen Schmerzen und sogar dem Tod führen kann.

In den sogenannten „westlichen“ Ländern verdienen Frauen für die gleiche Arbeit signifikant weniger, sind sexistischen Rollenbildern unterworfen und müssen immer noch den Großteil der Hausarbeit und Kindererziehung erledigen. Auch dort erfahren sie aber immer noch Belästigungen oder sexualisierte Gewalt, auch wenn in rechtlicher Sicht weitgehende Gleichstellung erreicht ist. Die Frauenunterdrückung drückt sich jedoch nicht nur rechtlich aus. Sie ist auch sozial verankert. Beispielsweise im Idealbild der bürgerlichen Kleinfamilie, weshalb eine rechtlich-faktische Gleichstellung nicht zur Aufhebung der gesellschaftlichen Unterdrückung führen kann. Einer der wichtigsten Aspekte hierbei ist die immer noch stark existierende ökonomische Abhängigkeit von vielen Frauen speziell in der bürgerlichen Familienkonstellation. Das heißt: Wenn wir Frauenunterdrückung effektiv bekämpfen wollen, dann müssen wir die Hausarbeit vergesellschaften und mit geschlechtlicher Arbeitsteilung brechen. Zwar haben es manche Frauen geschafft, führende Positionen auf Seiten der herrschende Klasse einzunehmen, aber Angela Merkel und Co. zeigen uns, dass nicht „alle Frauen“ die selben Interessen haben. Vielmehr müssen unterdrückte und proletarische Frauen gemeinsam mit ihren Klassengeschwistern kämpfen.

Es zeigt uns aber auch, dass eine rein rechtliche Gleichstellung bei weitem noch keine reale Gleichstellung bedeutet, aber vor allem können wir daraus lernen, dass wir durchaus auch begrenzte Verbesserungen in diesem System erreichen können (auch wenn wir uns niemals auf eine dauerhafte Verbesserung durch Reformen verlassen sollten). Die Frauenrechte, die in vielen Ländern erreicht wurden, waren aber immer ein Produkt eines gesellschaftlichen Kampfes, niemals haben uns die Herrschenden etwas geschenkt. Die Arbeiter_innenbewegung erkämpfte Anfang des 20. Jahrhunderts das Frauenwahlrecht, die Frauenbewegung in den 70er Jahren vollendete dann weitgehend die rechtliche Gleichstellung. All diese Errungenschaften mussten erkämpft werden.

Aktuell können wir im Zuge der Krise und der reaktionären Entwicklungen in vielen Ländern auch erneute Angriffe auf Frauenrechte wahrnehmen. In Polen sollte 2016 das ohnehin schon rückschrittliche Abtreibungsrecht weiter verschärft werden, doch durch massenhaften Protest und Frauenstreiks konnte diese rückschrittliche Verschärfung abgewehrt werden. Das zeigt uns, dass Protest auch in Zeiten des verschärften Klassenkampfes von oben noch funktionieren kann. Wir müssen in allen fortschrittlichen Kämpfen für eine Verbindung dieser Kämpfe und die Perspektive einer weltweiten sozialistischen Revolution eintreten, denn nur so können wir die Frauenunterdrückung ein für alle mal beenden.

  • Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, kontrolliert durch Ausschüsse der arbeitenden Frauen. Gewerkschaften müssen verstärkt auf die Organisierung von Frauen hinarbeiten und Kampagnen für diese Forderung durchführen.
  • Für die volle rechtliche Gleichstellung von Männern und Frauen in allen Bereichen.
  • Für die Möglichkeit auf einfache und rasche Scheidungen, für gleiche Rechte von Ehepartner_innen.
  • Organisierte Selbstverteidigung von Frauen gegen sexistische und sexualisierte Übergriffe auch gemeinsam mit anderen Unterdrückten Gruppen und der Arbeiter_innenbewegung. Keine Frau darf der Gefahr von Vergewaltigung und Missbrauch ausgeliefert werden.
  • Schutzräume und Beratungszentren für Betroffene häuslicher und sexistischer Gewalt und familiärer Unterdrückung, auch für geflüchtete Frauen.
  • Für die Vergesellschaftung der Hausarbeit – kostenlose und flächendeckende Kinderbetreuung, Wäschereien in Wohnblocks und Kantinen in Betrieben, Stadtteilen und Dörfern.
  • Kostenloser und freier Zugang zu Abtreibungen. Kostenloser Zugang zu Hygieneprodukten und Verhütungsmitteln.
  • Für den vollen rechtlichen und körperlichen Schutz von schwangeren Frauen in der Arbeitswelt und der Ausbildung, sowie der Möglichkeit, Kinder außerhalb der eigenen Familie zu erziehen!
  • Gegen alle kulturellen oder religiösen Praktiken, die das körperliche Selbstbestimmungsrecht von Frauen angreifen.
  • Sexarbeit ist Arbeit! Gegen die Zuhälterei! Gegen die Stigmatisierung von Sexarbeiter_innen! Für ihre gewerkschaftliche Organisierung! Gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution helfen offene Grenzen für alle und die Kontrolle der Sexindustrie durch die Sexarbeiter_innen selbst!
  • Für die Durchbrechung jeglicher sexistischer Rollenbilder und Klischees auf gesellschaftlicher und kultureller Ebene.
  • Hoch die internationale Solidarität: Für eine proletarische, multiethnische Frauenbewegung, die alle Unterdrückungsformen miteinbezieht und die Probleme international thematisiert und zusammen kämpft!

Kapitalismus führt zu Flucht und Rassismus

Rassismus ist eine systematische Unterdrückung aufgrund verallgemeinerter Zuschreibungen gegenüber nationalen, ethnischen oder religiösen Bevölkerungsgruppen. Diese werden zumeist anhand äußerer Merkmale – vor allem in Bezug auf die Hautfarbe – eingeteilt. Dabei dient der Rassismus meist der Unterteilung in angebliche über- und unterlegene Menschen.

Jedoch handelt es beim Rassismus nicht nur um den offenen Menschenhass von Rechtsradikalen und Faschist_innen. Er ist nicht die reine Form des Fremdenhasses, wie er in den unterschiedlichsten Klassengesellschaften existiert hat. Vielmehr hat er seine Wurzeln in der Entstehung des kapitalistischer Nationalstaates. Denn in vorkapitalistischen Gesellschaften war es durch Annahme der herrschenden Religion oftmals möglich sich der Unterdrückung diesbezüglich weitgehend zu entziehen. Das ist im Kapitalismus nicht so einfach möglich. Heute erleben wir im Nationalstaat die für spezielle Gruppen unüberwindbare Unterteilung in Staatsbürger_innen und nicht-Staatsbürger_innen, mitsamt der rechtlichen und sozialen Unterscheidung in Bezug auf Lohnhöhen, Wahlrecht, Sicherung des Aufenthaltsstatus usw. Außerdem wandelt sich die Ausprägung des Rassismus ständig. Während sich im Zuge des Rückgangs von Vollbeschäftigung in den imperialistischen Nationen des europäischen Kontinents die rassistische Hetze auf die angeblichen “Gastarbeiter_innen” stützte, so erleben wir spätestens seit dem 11. September 2001 und dem „Krieg gegen den Terror“ einen Wandel hin zum antimuslimischen Rassismus – oder gegenüber jenen die als Muslim_innen gesehen werden, unabhängig davon, ob diese Personen es auch tatsächlich sind.

Im imperialistischen Weltsystem rechtfertigt der Rassismus die Überausbeutung großer Teile der Menschheit zumeist in den halbkolonialen Ländern und dient der Entsolidarisierung weiter Teile der Arbeiter_innenklasse in den imperialistischen Nationen. Der Imperialismus ist hier ein verstärkender Aspekt, weil die ungleiche Entwicklung imperialistischer und halbkolonialer Staaten zu einer systematischen Entwertung von Arbeitskraft führt. Das heißt die Löhne in vielen Ländern sind sehr gering und werden durch gegenseitig Konkurrenz weiter gedrückt. In Kriegszeiten dient der Rassismus oftmals – aber vor allem der Chauvinismus13 im Sinne der “Einheit der Nation” – also dazu die Besatzung anderer Länder zu legitimieren. Als Revolutionär_innen unterstützen wir alle Kämpfe, die die Solidarität innerhalb der unterdrückten Klassen fördern und zwischen die herrschende und unterdrückte Klasse einen Keil treiben. Somit muss unser Kampf für die Gleichberechtigung aller Unterdrückten von einem globalen, internationalistischen Standpunkt aus geführt werden.

Aktuell ist die „Black Lives Matter“-Bewegung die größte antirassistische Bewegung in den USA seit Jahrzehnten. Sie vereint die unterdrückte schwarze Bevölkerung mit fortschrittlichen Aktivist_innen. Trotz enormer Fortschritte und großen Demonstrationen war es bist jetzt nicht möglich, diese Kämpfe ausreichend mit denen der Arbeiter_innenbewegung zu verbinden. Hier treten wir als Kommunist_innen für gegenseitige Solidarität und eine revolutionär-sozialistische Perspektive ein. Wie auch die Frauenunterdrückung ist auch der Rassismus eng mit dem Kapitalismus verbunden und kann erst mit dessen Überwindung endgültig abgeschafft werden bis dahin treten wir ein für:

  • Schluss mit der Spaltung! – Volle Staatsbürger_innenrechte für alle dort, wo sie gerade leben! Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit!
  • Für das Recht auf Selbstverteidigung gegen rechten und polizeilichen Terror! Für die Organisierung von Selbstverteidigungsstrukturen der Unterdrückten gemeinsam mit den Organisationen der Arbeiter_innenklasse, der Jugend und anderer unterdrückter Gruppen.
  • Im Kampf gegen staatlichen Rassismus und die faschistischen Banden auf der Straße hilft nur eine multiethnische Arbeiter_innenbewegung.

9.2 Flucht

Im Jahr 2016 befanden sich mehr als 65 Millionen Menschen auf der Flucht. Dies ist die bisher höchste gemessene Zahl an Geflüchteten. Die Fluchtursachen sind hierbei vielfältig, sie reichen von Krieg und Vertreibung, über Diskriminierung bis hin zu Flucht aufgrund von Klimawandel und Umweltzerstörung. Hinter all diesen Gründen steckt die systematische Zerstörung des Planeten (durch Industrie und Krieg) und die Spaltung der Menschheit durch den Kapitalismus, die durch die Krise seit 2007/08 noch mehr verstärkt wurde. Die flüchtenden Menschen sind also ein Ergebnis von Überausbeutung und Barbarei des Imperialismus.

2015 erreichten 1,3 Millionen Geflüchtete Europa . Im Zuge dessen schafften sie es Löcher in die Festung Europa zu reißen. Hunderttausende solidarisierten sich mit den Geflüchteten. Die Grenzen der EU-Staaten waren zeitweise geöffnet. Die unterschiedlichen Lager der herrschenden Klasse waren sich uneinig ob man sich lieber national abschotten sollte, oder ob doch lieber die Grenzen für den freien Warenverkehr offen bleiben sollten.

Die Refugee-Solidaritätsbewegung scheiterte schließlich. Sie war nicht international koordiniert und schaffte es nicht die vielen solidarischen Menschen hinter einem Programm, mit einer klaren antikapitalistischen Kampfperspektive zu vereinen. Da die Bewegung zumeist nicht politisch für die Geflüchteten eintrat, überließ sie das politische Feld den Rechten. Deshalb mündete diese Polarisierung schließlich auch in einem gesellschaftlichen Rechtsruck. Was folgte waren stetige neue rassistische Asylpakete, zunehmende rassistische Hetze über “muslimischen Terror”, Aufrüstung des europäischen Grenzregimes, Pakte mit unterdrückerischen Regimen (wie der EU-Türkei-Deal) und eine rassistische Massenbewegung auf der Straße, mitsamt einer massiven Steigerung der rassistischen Gewalttaten bis hin zu Mord und Brandanschlägen.

Gegenüber einer solchen Offensive können wir uns nicht auf den bürgerlichen Klassenstaat verlassen. Revolutionär_innen müssen zu jeder Zeit die Notwendigkeit der Selbstverteidigung durch Aktionsstrukturen aus Arbeiter_innen, Geflüchteten und Jugendlichen betonen. Um die gesellschaftlich gezielte Isolation von Geflüchteten zu überwinden braucht es die Aufnahme von Geflüchteten in die Gewerkschaften und die volle Integration in die sozialen und ökonomischen Kämpfe. Geflüchtete sind ein Ausdruck dafür, dass dieses Gesellschaftssystem nicht in der Lage ist die Bedürfnisse aller Menschen zu befriedigen.

  • Weg mit allen rassistischen Asyl-Gesetzpaketen! Weg mit allen Sonderdeals zur Abwehr sogenannter “Flüchtlingsströme“, ob EU-Türkei-Deal oder die Übereinkünfte mit der libyschen Küstenwache im Mittelmeer. Für offene Grenzen und sichere Fluchtrouten!
  • Zerschlagt die Festung Europa! Weg mit Frontex14 und allen nationalen Grenzschutzeinheiten! Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.
  • Weg mit allen Sonderdeals zur Abwehr sogenannter “Flüchtlingsströme“, ob der EU-Türkei-Deal oder die Übereinkünfte mit der libyschen Küstenwacheim Mittelmeer.
  • Gegen unmenschliche Geflüchtetenheime! Für dezentrale Unterbringung! Enteignung leerstehender Wohnung und massiven Ausbau des sozialen Wohnbaus als Unterkunft für flüchtende Menschen.
  • Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit. Schluss mit dem Arbeitsverbot für Geflüchtete.
  • Für den gemeinsamen Kampf von legalen und illegalisierten Arbeiter_innen! Für eine massive Kampagne zur Organisierung von Geflüchteten durch die Gewerkschaften.

Die Rechten auf dem Vormarsch

Das Erwachen neuer und alter rechter Kräfte dürfte niemandem entgangen sein. Die wirtschaftliche – und die daraus entstehende politische Krise war Öl ins Feuer der Rechten. Ob Donald Trump in den USA, der sogenannte Rechtspopulismus in Europa, die neoliberalen Rechtskonservativen in Südamerika oder aber auch Kräfte wie Duterte auf den Philippinen, Erdogan in der Türkei oder Modi in Indien,wir sehen klar, dass es sich dabei um ein globales Phänomen handelt. Umso wichtiger ist es, diese Kräfte zu verstehen um sie bekämpfen zu können.In der aktuellen Konjunktur bedienen sich viele rückschrittliche Kräfte, die mit der aktuellen neoliberalen Fraktion der herrschenden Klasse unzufrieden sind, gewisser sozialer Floskeln auf der einen und Rassismus auf der anderen Seite. So mobilisieren sie vorallem unzufriedene Schichten des Kleinbürger_innentums, der Mittelschichten oder auch rückständigere Teile der Arbeiter_innenklasse für sich zu Oft stellen sie sich als Außenseiter_innen gegen das Establishment dar, obwohl sie selbst Teil der Elite sind und eine Fraktion der herrschenden Klasse vertreten. Einmal an der Regierung betreiben sie aber zumeist eine Politik der sozialen Angriffe auf die große Mehrheit der Bevölkerung. Eindrucksvoll hat diese Politik Trump in den USA dazu befähigt als kompletter Außenseiter die Wahlen gegen Hillary Clinton zu gewinnen. Dabei gelingt es diesen Kräften manchmal sogar in die Kernschichten der Arbeiter_innenklasse vorzudringen. Von der jahrelangen, neoliberalen Politik der Sozialdemokratie angeekelt suchen Teile der Arbeiter_innenklasse den Ausweg über diese reaktionären Kräfte. Das ist die Konsequenz des Fehlens einer glaubhaften Linken, die Politik gegen Sozialabbau, Ausbeutung und Rassismus in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellt.

Einhergehend mit diesem Trend lässt sich auch eine immer autoritärere Entwicklung in vielen Staaten erkennen. Das sieht man an verstärkter Überwachung, dem Ausbau der Befugnisse der Polizei bis hin zum Einsatz des Militärs im Inneren und der Inkraftsetzung von Ausnahmezustandsregelungen. Zwar ist diese Tendenz nicht ausschließlich auf klassische rechte Kräfte an der Macht beschränkt, wie Hollande und Macron in Frankreich zeigen, doch zumeist stehen sie klar für einen weiteren Ausbau dieser undemokratischen Tendenz. Oft konzentriert sich dabei die Macht auf weniger und weniger Personen. Manchmal scheint sogar eine einzelne Person (wie z.B. Erdogan oder Duterte) – gestützt auf Militär und Polizei – herrschend über der Gesellschaft zu stehen. Solche Regime nennen wir Bonapartismus. Große Teile der kapitalistischen Klasse werden hierbei sogar von der direkten Beteiligung an der Macht ausgeschlossen, obwohl es sich bei diesen bonapartistischen Kräften klar um Verteidiger der herrschenden Ordnung, des Kapitalismus, handelt.

Sehr oft werden diese Kräfte von Linken als faschistisch bezeichnet, einige sind vom Faschismus auch gar nicht mehr so weit entfernt. Doch für uns ist Faschismus keine politische Beleidigung für Reaktionäre. Vielmehr ist Faschismus der radikalste und letzte Ausweg für die Kapitalist_innen zur Rettung ihres Systems und auch oft, um die Nation geeint in den Krieg zu führen und jegliche Opposition auszuschalten. Gestützt auf eine reaktionäre Massenbewegung aus Kleinbürger_innen, Mittelschichten und reaktionären Teilen der Arbeiter_innenklasse ist ihr Ziel die Zerschlagung der organisierten Arbeiter_innenbewegung und die vollkommene Aufspaltung der Arbeiter_innenklasse. Dafür ist es notwendig, die bürgerliche Demokratie hinter sich zu lassen und die Macht im Staat zu übernehmen. Faschistische Kräfte bedienen sich dabei in erster Linie dem Mittel der Gewalt auf der Straße und des Terrors und nicht der legalen Mitteln des bürgerlichen Parlamentarismus. Die Gewalt der Faschist_innen richtet sich nicht nur gegen die organisierte Linke und Arbeiter_innenbewegung, sondern auch gegen gesellschaftlich unterdrückte Minderheiten. Wir stellen dem die organisierte Selbstverteidigung der Betroffenen im Bündnis mit der Arbeiter_innenbewegung entgegen – ohne Vertrauen auf den bürgerlichen Staat. Für die Bekämpfung dieser vielfältigen reaktionären Strömugen ist eine Einheitsfront15 der unterschiedlichen Organisationen der Arbeiter_innenklasse, sowie der Kampf gegen die Verelendung der Bevölkerung unter der kapitalistischen Sparpolitik notwendig.

All diese verschiedenen reaktionären Phänomene haben ihre sozialen Wurzeln im herrschenden Gesellschaftssystem. Sie sind der brutalste Ausdruck von Unterdrückung, Ausbeutung und Krieg. Solange der Kapitalismus existiert, ist die Gefahr des Faschismus niemals gebannt. Deshalb muss unser Antifaschismus auch immer antikapitalistisch sein – wir bekämpfen den Faschismus nicht mit Mitteln der bürgerlichen Demokratie, sondern mit revolutionärem Antifaschismus. Nur die soziale Revolution und der Aufbau einer globalen, klassenlosen Gesellschaft bieten die Möglichkeit die Gefahr des Faschismus ein für alle Mal auf dem Müllhaufen der Geschichte verschwinden zu lassen.

  • Verteidigt alle demokratischen Rechte! Für allgemeines Wahlrecht, Recht auf Organisierung und Versammlung, Recht auf freie Meinungsäußerung.
  • Kampf gegen Ausbeutung, Sparpolitik und Unterdrückung, um den Faschist_innen das Wasser abzugraben und die Arbeiter_innenklasse zu vereinigen.
  • Kein Vertrauen in den kapitalistischen Staat beim Kampf gegen den Faschismus!Organisierte Selbstverteidigung gegen Faschist_innen, Rassist_innen und den reaktionären bürgerlichen Staat.
  • Keine Plattform für Faschist_innen, für direkte Aktionen gegen ihre Aufmärsche und Kundgebungen – massenhaft, militant und organisiert!
  • Verbote der Faschist_innen werden nur zu oft gegen Linke und Revolutionär_innen verwendet! Wir selbst müssen für die Zerschlagung faschistischer Strukturen sorgen!
  • Für eine Einheitsfront aller Organisationen der Arbeiter_innenbewegung gegen den Faschismus und andere Rechte.

Kampf der Reaktion, Kampf für Religionsfreiheit!

Religion ist ein wichtiges Thema für viele Menschen. In einer Welt, in der Elend und Ungerechtigkeit tagtägliche Realität sind, ist der Glaube an eine Kraft der Gerechtigkeit und des Guten, die über der chaotischen Welt der Menschen steht, weit verbreitet. Religionen sind Lebensrealität für die Mehrheit der Menschen und auch für die Mehrheit der Arbeiter_innenklasse und Jugend. Das wird sie auch bleiben, solange wir in einer Gesellschaft leben, in der Hunger, Krieg und Not nicht abgeschafft sind.

Für uns ist keine Religion schlechter als eine andere. Vielmehr ist es eine Frage der gesellschaftlichen und politischen Umstände, wie stark religiöse Vorstellung zur Ideologie rückschrittlicher Bewegungen werden. Die Funktion von etablierten Religionen ist allerdings immer auf die Versöhnung der Klassengegensätze gerichtet.

Wir sind für die volle Religionsfreiheit, aber auch für das Recht, keiner Religion zu folgen – Religion sollte Privatsache sein. Das bedeutet für uns, dass Religion im Privaten frei ausgelebt werden darf, solange damit keine Unterdrückung einher geht. Die Unterdrückung, die wir in der kapitalistischen Gesellschaft erfahren, besteht auch in religiösen Gemeinschaften fort, denn religiöse Überzeugungen können die realen Umstände nicht verändern. Religiöse Institutionen werden nicht zufällig im Kapitalismus oft als große, kapitalistische Unternehmen im Interesse einiger weniger geführt. Sie verfestigen die Unterdrückung und haben meist klare Verbindungen zum Staat und zur bürgerlichen Klasse. In Krisenzeiten beispielsweise vertraut der Staat vermehrt auf religiöse Institutionen, um fortschrittliche Bewegungen zu unterdrücken, oder setzt reaktionäre Forderungen um, wie Abtreibungsverbote.

Wir treten für die strikte Trennung von Staat und religiösen Institutionen ein: keine religiös inspirierten Gesetze, keine Finanzierung von religiösen Schulen, kein verpflichtender Religionsunterricht, keine Zurschaustellung religiöser Symbole durch öffentliche Einrichtungen (wie zum Beispiel Kreuze in Schulen) und die Offenlegung aller Finanzquellen von religiösen Institutionen.

Trotz freier Religionsausübung darf niemand in seinen demokratischen Rechten eingeschränkt werden. Wir verteidigen jede Person, die auf Grund ihrer Religion diskriminiert wird und stellen uns gegen jede Diskriminierung, die mit religiöser Überzeugung gerechtfertigt wird. Atheismus ist für uns kein Mitgliedskriterium, solange man konsequente Kämpfer_in gegen Unterdrückung und Kapitalismus ist ist es egal ob oder welchem Glauben man anhängt.

  • Nein zu allen religiösen Gesetzen oder Gesetzen, die auf religiösen Bräuchen beruhen. Für den Sturz aller religiösen Regime! Für die volle Religionsfreiheit – aber für die Abschaffung aller religiösen Schulen, Gerichte und staatlichen Institutionen.
  • Für die freie Wahl über Ausübung oder nicht Ausübung von Religion nur mit aktiver Zustimmung der Beteiligten! Für das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper und das Recht auf freie Partner_innenwahl.
  • Für das Ende jeglicher religiöser Diskriminierung – für das Recht religiöse Symbole zu tragen oder nicht zu tragen.
  • Enteignet und verstaatlicht die riesigen Besitztümer, Ländereien und Unternehmen der religiösen Organisationen – die Gläubigen dürfen ihre Glaubensstätten aber weiter unentgeltlich nutzen.

Unser Körper, unser Sex – unser Recht!

Als Jugendliche sehen wir uns in vielen Bereichen unseres Lebens eingeschränkt, ein wichtiger davon ist die Sexualität. An vielen Orten ist Sex vor der Ehe immer noch verpönt oder sogar harten Strafen unterworfen. Doch diese gesellschaftliche Brandmarkung oder auch Kriminalisierung halten Menschen nicht davon ab Sex zu haben. Vielmehr führen sie dazu, dass eine angemessene Aufklärung nicht stattfindet oder vollkommen unzureichend ist. Deshalb ist in vielen Teilen der Erde mit sexueller Aktivität nicht nur eine gesellschaftliche Demütigung, sondern auch eine gesundheitliche Gefahr verbunden. In Afrika infizieren sich jährlich 1,5 Millionen Menschen (2016) mit HIV und viele hunderttausend sterben daran. Die katholische Kirche mit ihrer Ablehnung von Verhütungsmitteln hat wesentliche Schuld an diesen Zahlen.

12.1 Sexuelle Selbstbestimmung

Die Ausweitung von allgemein zugänglichen Verhütungsmitteln in Europa und Nordamerika führte nach dem 2. Weltkrieg zu einer Lockerung der Last auf vielen Frauen, insbesondere die Pille hatte dabei positive Auswirkungen. Wir treten deshalb für eine Ausweitung der Forschung in medizinisch gut verträgliche und sichere Verhütungsmittel ein, sowie den freien Zugang zu diesen – insbesondere für Jugendliche, weil junge Menschen sich diese oft nicht leisten können. Weltweit gibt es in Schulen meist überhaupt keinen Aufklärungsunterricht und wenn es diesen gibt, dann spiegelt sich in ihm die bürgerliche Sexualmoral wieder. Nicht-heterosexuelle und nicht-monogame Sexualität wird kaum bis gar nicht behandelt und wenn mit verstaubten moralischen Kategorien bedacht.

In vielen Ländern ist die reaktionäre Praktik von Zwangsverheiratungen immer noch eine wichtige Frage. Jährlich werden mehr als 11 Millionen (2016) Mädchen gezwungen vor dem 18. Lebensjahr zu heiraten. Wir kämpfen dafür, dass sich Jugendliche frei ihre Sexual- und Ehepartner_innen aussuchen können und bekämpfen dabei alle rückschrittlichen Formen der Zwangs- und arrangierten Heirat. Jugendlichen wird in fast allen Ländern der Welt Geschlechtsverkehr rechtlich verboten oder eingeschränkt. Wir stellen uns gegen diese Einschränkung, solange es sich dabei um mündige Menschen handelt – und das ist nicht mithilfe eines Schutzalters sichergestellt.

Gleichzeitig muss auch gesehen werden, dass ein tatsächliches Bekämpfen von sexualisierten Übergriffen auch nur möglich ist, wenn den Betroffenen Gehör geschenkt wird. Nein heißt Nein und das muss auch so anerkannt werden. Darüber hinaus streben wir es an vor jedem sexuellen Kontakt nachzufragen ob er stattfinden darf. Dabei kann allerdings auch ein erfragtes Ja in einem gewissen Machtgefüge (ökonomische oder altersbedingte Abhängigkeit, soziale Konstellation, mentaler Zustand u.ä.) nicht dem entsprechen, was die Person eigentlich will.

  • Freier und kostenloser Zugang zu Verhütungsmitteln, für den Ausbau der Forschung an nicht-hormonellen Verhütungsmitteln!
  • Für angemessenen, verpflichtenden Aufklärungsunterricht vor der Geschlechtsreife und die gleichberechtigte Darstellung aller Formen von Sexualität und des einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs.
  • Kampf aller Formen der Zwangsheirat, für die freie Wahl der Partner_innen.
  • Für die Abschaffung aller Gesetze, die einvernehmlichen Sex zwischen mündigen Menschen untersagen, keine Altersbeschränkungen auf einvernehmlichen Sex!
  • Für sexuellen Konsens! Sexuelle Handlungen nur mit aktiver und gleichberechtigter Zustimmung aller Beteiligten!

12.2 LGBTIA-Rechte16

Die bürgerliche Sexualmoral – tief verankert im Konzept der bürgerlichen Kleinfamilie und der damit verbundenen Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Normen – stellt oft die Sexualität von Jugendlichen und Frauen als passiv und minderwertig dar. Frauen wird überhaupt oft abgesprochen so etwas wie eine eigenständige Sexualität zu haben. Vielmehr sollten sie als passives Sexualobjekt für den männlichen Teil der Gesellschaft dienen. Auch werden immer noch Abweichungen von der herrschenden geschlechtlichen und sexuellen Norm als krank und verwerflich angesehen. Solche Ansichten sind rückschrittlich und unwissenschaftlich.

Zusätzlich zur Unterdrückung der freien Ausübung ihrer Sexualität von Jugendlichen und Frauen, verfolgt die bürgerliche Klassengesellschaft auch alle Formen der Sexualität, die nicht in das herrschende Bild der monogamen Ehe zwischen einem Mann und einer Frau passen. Homosexualität ist immer noch zutiefst geächtet und wird in manchen Ländern mit dem Tode bestraft. Auch Personen, deren soziales Geschlecht nicht mit ihrem biologischen Geschlecht übereinstimmt, Inter- oder Transmenschen werden in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz benachteiligt und unterdrückt. Dabei wird oft das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper eingeschränkt, ähnlich wie das Verbot der Abtreibung für Frauen.

Gepaart mit anderen sozialen Unterdrückungsformen drückt sich das in heftiger gesellschaftlicher Unterdrückung aus, so haben zum Beispiel nichtweiße Transfrauen in den USA eine Lebenserwartung von 35 Jahren (gegenüber einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 79 Jahren). Angriffe gegen homosexuelle und transsexuelle Menschen werden häufig von Faschist_innen unter dem wohlwollenden Schutz durch die staatlichen Organe zugelassen – wenn nicht überhaupt von diesen ausgeführt. In Osteuropa zum Beispiel verbündet sich die orthodoxe Kirche mit Ultranationalist_innen und Neonazis gegen die dort statt findenden Regenbogenparaden.

Im Endeffekt handelt es sich bei der Spaltung anhand von Sexualität und sexueller Identität um Spaltungen innerhalb der Arbeiter_innenklasse und Jugend, die wir bekämpfen müssen um die Arbeiter_innenklasse und Jugend im Kampf gegen den Kapitalismus zu einen. Deshalb bekämpfen wir auch die (klein)bürgerlichen Ideologien, die im Endeffekt eine unrealistische Erreichung der Gleichstellung im Kapitalismus erkämpfen wollen, oder gar einen Kampf innerhalb der herrschenden Klasse (ähnlich dem bürgerlichen Feminismus) darstellen. Die Abschaffung von dieser Formen der Unterdrückung kann nur mit der Überwindung dieses Systems vollzogen werden.

  • Für rechtliche und sonstige Gleichstellung, sowie Freiheit der Ausübung aller Formen der Sexualität. Verbot der Diskriminierung aufgrund von Geschlecht oder sexueller Orientierung!
  • Für das Recht auf medizinische Geschlechtsangleichung an die soziale Geschlechtsidentität – kostenfrei und ohne unnötigen bürokratischen Akt!
  • Intersex17 ist eine Identität!. Medizinische, kosmetische Eingriffe z.B. zur Geschlechtsangleichung nur mit Zustimmung der betroffenen Person.
  • Gegen eine erzwungene Einteilung von Mann und Frau. Es gibt Menschen, die können oder wollen sich nicht klar einem der beiden Geschlechter zuordnen.
  • Gegen die Pflicht das eigene Geschlecht in offiziellen Dokumenten anzugeben! Für den Ausbau an Unisex-Orten im öffentlichen Raum, wie Toiletten oder Umkleiden!
  • Zurückdrängung aller Formen der Rollenklischees, Diskriminierung und Ausgrenzung in der Jugend und Arbeiter_innenklasse!

Recht auf Rausch?

Der weltweite „Krieg gegen Drogen“ hat unvorstellbares Leid und Elend über weite Teile der Welt gebracht. Allein in Mexiko forderte er in den letzten 10 Jahren (2007-2017) Schätzungen zufolge vermutlich mehr als 100.000 Todesopfer. Unter diesen Todesopfern dürfte sich eine große Zahl an Jugendlichen befinden, die sich entweder wegen Perspektivlosigkeit und Armut Kartellen anschließen oder zwischen die Fronten geraten. Die imperialistischen Nationen, allen voran die USA, führen ihren scheinheiligen Krieg nun schon seit Jahrzehnten, wirkliche Erfolge sind nicht jedoch in Sicht. Stattdessen treibt die Illegalisierung von Drogen die Preise dieser nur noch weiter in die Höhe und verschafft den Kartellen, die nichts anderes als illegale kapitalistische Unternehmen sind, riesige Profite. Die Arbeiter_innen in der Drogenindustrie sind hierbei aufgrund der Kriminalisierung massiver Willkür und gefährlichsten Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Oft werden Drogen auch gezielt von kapitalistischen Geheimdiensten eingesetzt um fortschrittliche Bewegungen zu kriminalisieren oder deren Kampfkraft zu schwächen, wie das beispielsweise bei den Black Panthers18 in der USA der Fall war.

Etwa einer Viertelmilliarde Menschen (2015) weltweit konsumieren illegale Drogen. Die Mehrheit davon in halbkolonialen Ländern. Drogenkonsum ist ein direktes Ergebnis aus dem Leben in einer Welt von Unterdrückung, Elend und Perspektivlosigkeit – dem Kapitalismus. Doch die Illegalisierung von Drogen führt in keinster Weise zu einer Lösung dieses Problems. Vielmehr drängt sie Drogenabhängige – viele von ihnen Jugendliche – an den Rand der Gesellschaft und auf die Straße. Die Kriminalisierung von Drogenkonsument_innen und kleinen Dealer_innen dient oft als Vorwand für eine Kriminalisierung rassistisch unterdrückter Gruppen. In den USA nimmt die Gefängnisindustrie mittlerweile riesige Ausmaße an und ihre Profite betragen viele Millionen Dollar. Wir treten für die sofortige Legalisierung und Entkriminalisierung aller Drogen unter strikter Kontrolle des Staates ein, somit kann die Qualität garantiert werden und Süchtige vermeiden die Gefahr von vielen Risiken – wie der Ansteckung mit HIV. Gleichzeitig fordern wir Aufklärungskampagnen um ein breites Wissen über Drogen und deren Auswirkungen zu schaffen.

  • Schluss mit dem imperialistischen „Krieg gegen Drogen“.
  • Breite und ehrliche Aufklärungskampagnen über die Gefahren und Nutzung von Drogen. Für legalen Zugang zu Drogen nach einem durchlaufenen Aufklärungsprogramm, das kostenlos und zugänglich für alle ist. Baut das Gesundheitssystem, Entzugskliniken und Hilfsstellen aus!
  • Für die Legalisierung aller Drogen – Produktion und Verkauf unter staatlichem Monopol, kontrolliert von Produzent_innen und Konsument_innen.
  • Stoppt die Gefängnisindustrie – Resozialisierung und nicht Haftstrafen sollten im Mittelpunkt stehen!

Warum wir ein Programm brauchen

Das Programm ist das Kampfmittel mit dem unsere Mitgliedschaft in die inhaltlichen und praktischen Auseinandersetzungen zieht. Es ist die zusammengefasste Erfahrung der Organisation in Verbindung mit den historischen Erkenntnissen der internationalen Bewegung von Arbeiter_innen und Jugendlichen. Doch womit beginnt das Programm? Der Kapitalismus durchdringt nahezu alle Ecken und Winkel dieser Erde und drückt ihnen seinen Stempel auf. Krisen und Kriege sind längst keine lokalen Phänomene mehr, sondern Ausdruck der internationalen Arbeitsteilung, unsere Schlüsse müssen somit immer aus der internationalen Entwicklung erfolgen. Kurzum, das Programm leitet aus den gesellschaftlichen Verhältnissen die Aufgaben für die Revolutionär_innen ab – es ist eine Anleitung zum Handeln. Für uns gibt es zwei elementare Bestandteile dieses Programms. Die absolute Unabhängigkeit von unseren Unterdrücker_innen, den Kapitalist_innen,weil diese von diesem System profitieren und keinerlei Interesse daran haben, es zu beenden. Der andere zentrale Punkt ist die Übergangsprogrammatik.

Die ersten marxistischen Parteien, die Sozialdemokratie Ende des 19. Jahrhunderts, hatten ihr Programm traditionell in zwei Teile geteilt.Auf der einen Seite gab es die sogenannten Minimalforderungen wie den 8-Stunden Tag, die Trennung von Staat und Kirche oder das allgemeine Wahlrecht. Auf der anderen Seite standen Forderungen, die erst im Sozialismus selbst und nicht, wie die Minimalforderungen, schon im Kapitalismus umsetzbar sind. Im Programm war nicht weiter ausgeführt, wie man von den Minimal- zu den Maximalforderungen übergehen sollte, beziehungsweise was die Brücke dazwischen sei. Indirekt war klar, dass das die sozialistische Revolution sein müsse. Doch Anfang des 20. Jahrhunderts passten sich diese Parteien immer mehr dem Kapitalismus an und die Maximalforderungen waren bald nur mehr etwas für die Sonntagsreden. Diese Trennung des Programms begünstigte daher den Reformismus und Opportunismus der Sozialdemokratie. Wir stellen dieser Trennung von Minimal- und Maximalforderungen sogenannte Übergangsforderungen entgegen. Dabei wird versucht an das aktuelle Bewusstsein der Arbeiter_innenklasse und Jugend anzuknüpfen – ohne sich daran anzupassen – und es mit dem Ziel der sozialistischen Revolution zu verknüpfen. Die Umsetzung von Übergangsforderungen – wie die Aufteilung der Arbeit auf alle Hände – ist auf Dauer unvereinbar mit dem Funktionieren der kapitalistischen Klassengesellschaft in der wir gerade leben. Die Perspektive der sozialistischen Revolution soll damit nicht irgendwo in weiter Zukunft einmal umsetzbar sein, sondern den fortgeschrittensten Teilen der Jugend und der Arbeiter_innenklasse muss klar werden, dass sie schon heute eine Notwendigkeit ist.

Doch das Programm ist wertlos, wenn es von der Mitgliedschaft der kommunistischen Organisation unberücksichtigt bleibt. Für uns ist es mehr als eine Glaubensbekundung. Deswegen haben wir demokratische Rechte und Pflichten, die eine freie Diskussion um politische Fragen in unseren eigenen Reihen erst möglich machen. REVOLUTION ist eine demokratisch zentralistische Organisation, das bedeutet eine maximal freie Debatte nach Innen und das geschlossene Auftreten nach Außen. Dafür braucht es aber eine Gruppe von Aktivist_innen, die die gemeinsamen Entscheidungen nach außen verteidigen. Dies ist notwendig, da wir innerhalb der Arbeiter_innenbewegung eine Schwäche der Revolutionär_innen sehen, diese sind nicht ausreichend in der Lage sich in der Jugend und Klasse zu verankern, welche ideologisch von reformistischen und offen bürgerlichen Kräften angeführt wird. Das geschlossene Auftreten nach außen kann jedoch auch bei zunehmenden inneren Konflikten zum Zerbrechen der Gruppe führen Hierfür braucht es eine Reihe demokratischer Möglichkeiten, zwei davon sind das Fraktions- und Tendenzrecht19. Ein weiteres demokratisches Recht ist das Recht von gesellschaftlich unterdrückten Teilen auf gesonderte Treffen. Dort soll etwaige Unterdrückung innerhalb der Organisation und der Kampf der Organisation gegen diese Unterdrückung – vor allem auch in der Gesellschaft – diskutiert werden. Die Ergebnisse haben einen wichtigen Stellenwert für revolutionäre Organisationen.

In der aktuellen Situation sind wir oft mit Abwehrkämpfen beschäftigt, doch auch hier muss klar gezeigt werden, dass die Lösung der Probleme der heutigen Gesellschaft nur durch den Sturz der herrschenden Ordnung möglich ist. Mut und Ehrlichkeit sind hier essentiell um das Vertrauen der fortschrittlichsten Aktivst_innen und schließlich der Massen zu gewinnen – zu sagen was ist, bleibt die revolutionärste Tat!

Reformismus & Linkspopulismus

Wir sind nicht die einzigen, die sich den Kampf für eine bessere Welt auf die Fahnen geschrieben haben. Die Arbeiter_innenbewegung hat eine ganze Reihe von unterschiedlichen Organisationen hervorgebracht, die auf die eine oder andere Weise dieses System beenden oder zumindest gerecht umgestalten wollen. Die größten davon versuchen meist sich diesem Ziel mit dem Mittel der Reform zu nähern. Die großen sozialdemokratischen Parteien wurden vor mehr als 100 Jahren zumeist auf marxistischer Basis gegründet. Sie entfernten sich aber über kurz oder lang von dieser Tradition und mutierten zu zentralen Stützen dieses Systems. Wie wir in vorhergegangenen Kapiteln festgestellt haben, ist diese Welt schon lange reif für eine neue Gesellschaft, doch der Kapitalismus hält sich verbissen am Leben. Ein zentrales Element dafür sind reformistische Organisationen, die versuchen einen strategischen Kompromiss zwischen der Arbeiter_innenklasse und der Bourgeoisie umzusetzen. Dabei landen sie notwendigerweise im Lager der herrschenden Klasse, denn im Kapitalismus ist es unmöglich die Interessen des Proletariats und der Bourgeoisie zu vereinen. „Neutralität“ führt einem immer ins Lager des Stärkeren, das der Kapitalist_innen!

In Zeiten wirtschaftlichen Aufschwunges schaffen es solche Organisationen – zumeist eng verknüpft mit den großen Gewerkschaften – positive Reformen gegen das Kapital durchzusetzen. Dabei greifen sie mal mehr und mal weniger auch zu radikalen Aktionsformen wie Streiks oder Demonstrationen, obwohl sie dabei immer versucht diese bürokratisch von oben herab zu kontrollieren. In Zeiten der Krise – vor allem aber auch in Zeiten des zugespitzten Klassenkampfes – spielen sie aber zumeist eine reaktionäre Rolle. Sie verteidigen das bürgerliche System gegen die Arbeiter_innenklasse. Als 1918/19 das deutsche Proletariat gewillt war eine sozialistische Revolution durchzuführen, gelang es der Sozialdemokratie sich an die Spitze dieser Bewegung zu setzen und sie in die Niederlage zu führen, während gleichzeitig revolutionäre Kräfte erbittert bekämpft wurden.

Das alles zeigt, dass wir uns nicht einfach nur uneinig über die Mittel zur Umsetzung des Ziels sind. Nein, die Unterschiede liegen tiefer. Die soziale Stütze des Reformismus liegt in der imperialistischen Überausbeutung der halbkolonialen Welt. Mit dieser Überausbeutung und der sich daraus ergebenden Extraprofiten20 ist es in den imperialistischen und manchen reicheren halbkolonialen Ländern möglich einen gewissen Teil der Arbeiter_innenklasse besser zu bezahlen. Auf diese Schicht stützt sich der Reformismus und seine Bürokratie. Sowohl die Gewerkschaftsbürokratie als auch die Spitzen der reformistischen Parteien haben somit immer ein Interesse daran, die imperialistische Überausbeutung und den Kapitalismus aufrecht zu halten. Trotz dieser gravierenden Unterschiede stellen diese Kräfte in vielen fortschrittlichen Kämpfen und Bewegungen die Führung dar und wir können sie nicht einfach ignorieren. Vielmehr müssen wir eine Zusammenarbeit mit ihnen anstreben ohne uns ihrer Führung unterzuordnen. Nur in der Aktion ist es möglich unsere Politik auch ihrer Massenmitgliedschaft ernstzunehmend näher bringen zu können. Nur in Zusammenarbeit mit diesen Organisationen wird es uns gelingen ihre falsche Politik zu entlarven und ihre Mitgliedschaft für den revolutionären Weg zu gewinnen. Dieses Vorgehen nennen wir Einheitsfronttaktik.

Neben den klassisch sozialdemokratisch-reformistischen Parteien und Jugendorganisationen haben sich auch in der Zeit Krise neue Parteien und Organisationen stärken können beziehungsweise sind neu entstanden. SYRIZA in Griechenland hat mit dem Verrat an der griechischen Jugend und Arbeiter_innenklasse eindrucksvoll bewiesen, dass auch der reformistische Eurokommunismus21 – wenn auch eine linker – keinen anderen Charakter als der „klassische“ (sozialdemokratische) Reformismus hat. Wir können auch sehen, dass linkspopulistische Kräfte an Einfluss gewinnen. Das klassische Beispiel hierfür ist die spanische Partei Podemos, gegründet von linken Intellektuellen rund um den Uniprofessor Pablo Iglesias. Podemos schaffte es in Zeiten der Krise sich vielen fortschrittlichen Jugendlichen und Arbeiter_innen als Alternative anzubieten, doch hat kein grundlegend besseres Konzept zur Überwindung des Elends als andere linksreformistische Kräfte. Beim Linkspopulismus handelt es sich aber um keine Strömung der organisierten Arbeiter_innenklasse, sondern um eine klassenübergreifende Bewegung. Organisationen wie Podemos, die sich auf eine kritische Masse aus dem Internet stützen, versuchen durch ihre Aktionsformen nicht einmal die Arbeiter_innenklasse in Formen von Streiks und Massenversammlungen als Orte des Kampfes und politischen Austausches zu organisieren.

In allen Bewegungen treten wir gegen jegliche bürokratische Dominierung durch die etablierten Kräfte ein. Wir kämpfen für gemeinsame demokratische Organe der Bewegungen, in denen Freiheit der Kritik und direkte Demokratie eine schlagkräftige Organisierung der Bewegung ermöglicht. In Gewerkschaften kämpfen wir gegen die bürokratische Herrschaft durch die etablierten Gewerkschaftsführer_innen und für die Kontrolle durch die Basis. Nur durch eine direkt kontrollierte, demokratisch gewählte Führung und eine aktive Basis können auch Gewerkschaften zu Instrumenten der Arbeiter_innenklasse und Jugend zu ihrer Befreiung werden.

Stalinismus ist kein Sozialismus!

1917 wurde zum ersten Mal in einem Land von den Arbeiter_innen und den Bäuer_innen die Macht erobert. Die russische Oktoberrevolution brachte zum ersten Mal die Massen dazu die Gesellschaft direkt zu bestimmen und zu lenken. In den Fabriken bestimmten Ausschüsse der Arbeiter_innen was und wie produziert wird, auf dem Land wurde der Großgrundbesitz enteignet und an die arme Landbevölkerung verteilt. Die rechtliche Gleichstellung der Frau wurde umgesetzt und die Vergesellschaftung der Hausarbeit begonnen, die alten zaristischen Gesetze gegen Homosexualität wurden abgeschafft. Diese Revolution war der größte bisher vollzogene Schritt in Richtung einer befreiten Gesellschaft.

In weiten Teilen Europas (Deutschland, Österreich, Ungarn, Finnland, Italien,…) kam es zur selben Zeit zu ähnlichen Bewegungen der Arbeiter_innenklasse, die jedoch durch den Verrat der Sozialdemokratie größtenteils verhindert werden konnten. In Russland entbrannte währenddessen ein blutiger Bürger_innenkrieg, der bis 1922 andauern sollte und in dem gut ein dutzend anderer Staaten gegen die revolutionäre Rätemacht militärisch eingriffen. Die Revolution blieb nur auf Russland beschränkt, welches nach dem Welt- und Bürgerkrieg wirtschaftlich total am Ende war. Die Held_innen der Oktoberrevolution waren im Bürgerkrieg gefallen. Auch das Bündnis zwischen Bäuer_innen und Arbeiter_innenklasse war gebrochen, da die Landbevölkerung im Bürger_innenkrieg mit Gewalt dazu gezwungen werden musste, die Städte mit Nahrung zu versorgen. Dies alles sorgte dafür, dass die Arbeiter_innenklasse sehr geschwächt war, was den Aufstieg einer bürokratischen Schicht ermöglichte, die im Gegensatz zu den Arbeiter_innen und der Entwicklung zum Kommunismus stand. Ihr höchster Repräsentant war Stalin.

Die Macht wurde nicht mehr von den in Räten organisierten Massen ausgeübt, sondern von einer kleinen privilegierten Schicht von Funktionär_innen der Partei und des Staates. Die revolutionären Teile der Partei wurden ausgeschlossen, verfolgt und ermordet. Die Sowjetunion verkam in eine Karikatur des Sozialismus. Wir lehnen klar die Entwicklungen in der ehemaligen Sowjetunion, sowie aller nach ihrem Vorbild aufgebauten Regime (China, Vietnam, Osteuropa, Kuba, Nordkorea) ab. Gleichzeitig wurde in der Sowjetunion die Arbeiter_innenklasse politisch unterdrückt, aber die gesellschaftliche Produktion beruhte auf verstaatlichtem Eigentum und Planwirtschaft. Deshalb nennen wir solche Staaten degenerierte Arbeiter_innenstaaten, die wir gegen den Imperialismus und kapitalistische Eingriffe verteidigen. Die Verteidigung der geschichtlich fortschrittlichen Eigentumsverhältnisse (der Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln) hätte im Endeffekt nur mit einer erfolgreichen politischen Revolution (die im Gegensatz zu einer sozialen Revolution nicht die Eigentumsverhältnisse ändern muss) gegen die herrschende Kaste durchgesetzt werden können. Stattdessen sahen wir, wie die Unzufriedenheit mit den diktatorischen Regimes stieg. Die Massen richteten sich schließlich gegen die herrschende Bürokratie, es kam allerdings unter anderem wegen einem Fehlen kommunistischer Perspektive, nicht zur politischen Revolution. Stattdessen wurde der Kapitalismus wiederhergestellt. Die Lehren, die wir aus der Vergangenheit ziehen können, sind, dass wir gegen jegliche Privilegien für Partei- oder Staatsbedienstete eintreten müssen. Alle Funktionär_innen dürfen nicht mehr als das Durchschnittsgehalt von Facharbeiter_innen bekommen. Die Beamt_innenschaft darf nicht institutionalisiert werden, sondern muss stetigem personellen Wechsel unterworfen sein. Alle Funktionär_innen müssen der Transparenz verpflichtet und jederzeit wähl- und abwählbar sein. Die Struktur der Rätedemokratie hätte im Kampf mit der alten Bürokratie neu aufgebaut werden müssen. Auch die Wirtschaftsplanung, im Stalinismus von einer abgehobenen Technokrat_innenschicht22 übernommen, hätte unter die demokratische Kontrolle durch Produzent_innen und Konsument_innen gestellt werden müssen.

Im Endeffekt bewies die Sowjetunion eindrucksvoll, dass die Revolution, wenn sie auf einzelne Länder beschränkt bleibt, niemals erfolgreich sein kann. Ohne Weltrevolution ist sie dazu verurteilt in einem Land zu scheitern. Die stalinistische These vom „Sozialismus in einem Land“ diente im Endeffekt nur dazu, die Interessen des Weltproletariats den Interessen der Sowjetbürokratie unterzuordnen. Das wurde spätestens im spanischen Bürgerkrieg eindrucksvoll bewiesen, als die Stalinist_innen sich an vorderster Front gegen die revolutionär-sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft stellten.

In manchen Ländern, wie Vietnam oder China, haben wir in den letzten Jahrzehnten eine massive Umgestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse sehen können. Obwohl die herrschenden „kommunistischen“ Parteien noch an der Macht sind, wurde langsam der Kapitalismus wieder eingeführt. Die von Stalinist_innen gern erzählte Behauptung, dass deshalb die herrschenden „kommunistischen“ Parteien die beste Garantie gegen die Wiedereinführung des Kapitalismus wären, ist somit als das entlarvt was sie ist – eine Lüge zur Rechtfertigung von Vorrechten und Bürokratie. Doch auch dort wo der Stalinismus (teilweise auch auftretend als Maoismus) in aktuellen Bewegungen eine führende Rolle einnimmt wenden wir die selbe Taktik der Einheitsfront wie gegenüber den reformistischen Organisationen an, denn der Stalinismus ist zumeist nichts viel anderes als das.

Anarchismus

Ähnlich wie wir streben Anarchist_innen oft eine klassen-, staats- und herrschaftsfreie Gesellschaft an. Viele von ihnen sprechen sich auch für eine Revolution gegen den Kapitalismus aus und manche beziehen sich dabei auch auf die Arbeiter_innenklasse. Doch in entscheidenden Punkten teilen wir die strategische Ausrichtung von Anarchist_innen nicht. Allen Anarchist_innen ist gemein, dass sie jegliche Form von Staat ablehnen. Wir gehen davon aus, dass nach der erfolgreichen Revolution die alte Gesellschaft nicht einfach von selbst aufgeben wird, sondern danach streben wird die Revolution rückgängig zu machen. Das zeigt die Geschichte aller bisherigen Revolutionen. Nach der Revolution wollen wir einen proletarischen Halbstaat schaffen, organisiert in Räten und gestützt auf eine Arbeiter_innenmiliz zur bewaffneten Verteidigung gegen die Konterrevolution. Dieser Halbstaat verteidigt die Klassenherrschaft des Proletariats und repräsentiert die Interessen der Mehrheit der Menschen. Da er als einziger Staat die Möglichkeit zum Absterben in sich trägt, bezeichnen wir ihn als Halbstaat.

Außerdem lehnen Anarchist_innen jegliche Parteien ab. Sie sind der Meinung, dass Parteien an sich autoritär seien und ein Instrument wären um die Herrschaft einer kleinen Minderheit über die gesamte Klasse zu manifestieren. Einmal abgesehen davon, dass es auch in der Vergangenheit anarchistische Organisationen gab, die sich nur dem Namen nach von Parteien unterschieden (wie die FAI in Spanien23), gehen wir davon aus, dass zur Eroberung der Macht die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter_innenklasse in einer Partei organisiert sein müssen, um das gesamte Proletariat für den Kommunismus zu gewinnen. Ein spontanes Entstehen von kommunistischem Bewusstsein ist in einer Gesellschaft, die ideologisch von der Bourgeoisie beherrscht wird, nicht möglich.

Viele Anarchist_innen haben außerdem eine Überbetonung von isolierten „radikalen“ Aktionen, um das Bewusstsein der Mehrheit mitzureißen. Diese „Propaganda der Tat“ ersetzt das Handeln der Massen durch die Aktionen von einer schon dafür gewonnenen Minderheit. Anstatt zu versuchen, die Mehrheit für die eigene Politik zu gewinnen, wird versucht diese durch besonders radikale Aktionen „aufzurütteln“. Wir lehnen zwar direkte Aktionen und Gewalt nicht prinzipiell ab, versuchen aber bei allen Aktionen, die wir durchführen oder an denen wir uns beteiligen, diese einer möglichst großen Masse zugänglich zu machen. Nur durch selbstständige Beteiligung lernt die Arbeiter_innenklasse und die Jugend den aktiven Kampf gegen das kapitalistische System. Denn der Sturz des Kapitalismus kann nur ein bewusster Akt sein oder er wird nicht erfolgreich sein. Oft gibt es bei Anarchist_innen eine absolute Ablehnung jeglicher Form von Autorität und Führung. Dabei werden anstelle von demokratisch gewählten und rechenschaftspflichtigen Führungen lieber undemokratische und intransparente Cliquen, die die Politik anleiten, zugelassen. Diese Ablehnung von Demokratie führt auch dazu, dass die lautesten, selbstbewusstesten, sowie die Aktivist_innen mit der meisten Zeit am meisten Kontrolle über die Bewegung haben.

Nichtsdestotrotz arbeiten wir, wenn es sinnvoll ist, mit Anarchist_innen zusammen und versuchen auch ihnen gegenüber unsere Überzeugungen und unser Programm in der Praxis zu beweisen. Innerhalb des Anarchismus – der eine Vielzahl von Strömungen umfasst – gibt es Strömungen, die uns politisch näher stehen, wie den Anarchosyndikalismus, der revolutionär-anarchistische Gewerkschaften aufbauen will. Sie beziehen sich aktiv und bewusst auf die Arbeiter_innenklasse und die kämpfende Jugend. Doch auch diese Strömung des Anarchismus hat geschichtlich ihren Bankrott im spanischen Bürger_innenkrieg gezeigt und stellt für uns daher bestenfalls eine Annäherung an den revolutionären Kommunismus dar, aber in keinster Weise eine damit gleich zu setzende Strömung, dar.

Der revolutionäre Übergang in eine andere Gesellschaft

Über die längste Zeit der menschlichen Geschichte gab es keine Klassen. Erst mit der Sesshaftwerdung, der Entwicklung einer gewissen materiellen Sicherheit und Wohlstands und dem Beginn der Arbeitsteilung wurde auch die Grundlage von Ungleichheit und Klassenherrschaft gelegt. Seitdem lief jede gesellschaftliche Veränderung gegen den brutalsten Widerstand der zuvor privilegierten Klassen. Dies wird auch für den Sturz des Kapitalismus stimmen. Der Kapitalismus hat die Widersprüche zwischen den Hauptklassen, sowie den Zerfall der Gesellschaft in diese beiden Klassen so klar wie nie zuvor hervor gebracht. Das Proletariat und die Kapitalist_innen stehen einander unvereinbar gegenüber, der Klassenwiderspruch hat seine höchste Stufe erreicht. Ein verschwindend kleiner Bruchteil der Menschen kontrolliert riesige Teile des Reichtums auf der Welt.

Im Gegensatz zu allen vorherigen Gesellschaftsformationen ist das Ziel des Kommunismus, die Spaltung in Klassen aufzuheben, mitsamt aller gesellschaftlichen Unterdrückung. Hierfür ist als wichtigster Schritt die Enteignung des Privatbesitzes an Produktionsmitteln unausweichlich. Wir betrachten die Revolution als bewussten Schritt der Arbeiter_innen, Jugendlichen und Unterdrückten zur Beendigung jeglicher Form von Unterdrückung und Ausbeutung. Im Kapitalismus liegt die wirkliche Macht nicht in den Händen gewählter Parlamente, vielmehr ist sie in den Händen von ungewählten Bürokrat_innen, Bank- und Konzernbossen, sowie den Spitzen von Polizei und Militär. Dies hat einige Folgen. So ist Gewalt zwar in vielen Situationen ein notwendiges Mittel, jedoch muss es sich am Bewusstsein der Klasse orientieren. Die Fetischisierung von Gewalt, ebenso wie ihren kategorische Ausschluss, lehnen wir ab – weil sie ein gesellschaftliches Verhältnis ist, das systematisch gegen die unterdrückten Klassen angewandt wird. Wir vertreten die Position soviel Gewalt wie nötig, so wenig wie möglich. Die Aufgabe von Revolutionär_innen ist es, in den unterschiedlichen Kämpfen die Frage der Selbstverteidigung und -ermächtigung der Klasse durch demokratisch legitimierte Organe (Streik- und Aktionskomitees, Selbstverteidigungsstrukturen und ähnlichem) zu sichern. Sie müssen die militante Zuspitzung der Kämpfe gegen die herrschenden Verhältnisse erreichen. Der höchste Ausdruck dessen findet sich in sogenannten Räten. Räte sind direkte Organe, die in Stadtteilen, Dörfern oder Betrieben entstehen und die die direkte Verwaltung der Gesellschaft anstelle des bürgerlichen Staatsapparates übernehmen können. Die dort in lokalen Versammlungen gewählten Vertreter_innen sind ihrer Basis direkt rechenschaftspflichtig und können jederzeit abgewählt werden. Sie treffen sich in regionalen und nationalen Versammlungen und bestimmen dort die Politik.

Wir lehnen das Gewaltmonopol des bürgerlichen Staates ab. So kämpfen wir bei Bedrohungen durch Faschist_Innen gegenüber Geflüchtetenunterkünften für organisierte Selbstverteidigungsstrukturen, ebenso wie wir Streikposten aufbauen, die die Stilllegung der Produktion für den gesamten Zeitraum des Streiks, notfalls mit Gewalt, durchsetzen. Ebenso lehnen wir das Verbot von reaktionären Organisationen durch den bürgerlichen Staat ab, schürt dies doch Vertrauen in eben jenen und berührt nicht die Wurzel dieser Gruppen. Gleichzeitig können staatliche Verbote auch linke Organisationen treffen, deshalb sollte dem bürgerlichen Staat hier möglichst wenig Spielraum gegeben werden.

Die Räte sollen dabei Orte der offensten Arbeiter_innendemokratie sein, hier soll die freiste Diskussion bei kollektiver Aktion gelten. Hier muss der Kampf um ein revolutionäres Programm Gradmesser der Entwicklung des Bewusstseins in der Klasse sein. Für uns stellt dieses Rätesystem die Keimform des Arbeiter_innenstaates dar, die Herrschaft der absoluten Mehrheit der Weltgesellschaft über die Minderheit jener die aktuell an der Spitze dieses Systems stehen. Ihnen haben wir keine neuen Verbesserungen zu bieten, dem absoluten Großteil der Welt schon.

Der rätedemokratische Halbstaat muss also die Herrschaft der Mehrheit gegen die Interessen der bürgerlichen Minderheit sein, auch Diktatur des Proletariats genannt. Er muss die konterrevolutionären Kräfte, wenn notwendig auch mit Gewalt, nieder halten. Ziel dieses Staates muss aber auch immer das Absterben seiner selbst sein, im Übergang zu einer befreiten Gesellschaft von Gleichen, in der jeder Mensch nach den jeweiligen Fähigkeiten und Bedürfnissen leben kann. Dafür müssen wir aufs schärfste die Entstehung einer neuen privilegierten Kaste, einer Bürokratie, bekämpfen. Deshalb setzen wir uns bereits im Hier und Jetzt für die Wähl- und Abwählbarkeit der Delegierten, den Arbeiter_innendurchschnittslohn für sie, volle Rechenschaftspflicht und ein verpflichtendes Rotationsprinzip ein. Die momentane Revolutionierung der Medientechnik, wie durch das Internet, ist für eine solche Arbeiter_innendemokratie ein riesiges Hilfsmittel, kann aber demokratische Diskussionen und Massenversammlungen nie vollständig ersetzen. Solange nicht global das kapitalistische System gestürzt ist, können die materiellen Voraussetzungen für das Absterben des Staates nicht vollkommen vollzogen werden. Die Ablösung des proletarischen Halbstaates durch den Sozialismus (die Übergangsgesellschaft zum Kommunismus) kann deshalb nur im internationalen Rahmen vollzogen werden.

Die Jugendinternationale und die 5. Internationale

REVOLUTION tritt für eine internationale Organisierung der Jugend ein. Dies ergibt sich aus der besonderen Unterdrückung der Jugend und dem internationalen Charakter des Kapitalismus. Wir sind die, die besondere Entrechtung und geringe Entlohnung erleiden oder als erstes zu Kanonenfutter in den Kriegen dieser Welt gemacht werden. Unsere Selbstorganisierung ist notwendig, nur so können wir garantieren, dass die revolutionäre Jugend ein Sprachrohr in den kommenden sozialen Kämpfen erlangt. Gleichzeitig wollen wir Jugendliche für den revolutionären Kampf für eine befreite Gesellschaft gewinnen. Diesen Kampf kann die Jugend nicht allein schlagen. Hierfür braucht es die organisierte Arbeiter_innenklasse unter Führung einer revolutionären, internationalen Partei.

Wir sind eine unabhängige Jugendorganisation, das bedeutet, dass wir finanziell und organisatorisch eigenständig sind, unsere eigenen Erfahrungen und Fehler machen um damit unseren Weg zu revolutionärer Politik zu finden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir passiv in der Frage des Aufbaus einer neuen Internationalen sind. Aktuell haben wir deshalb eine politisch-solidarische Kampfpartner_innenschaft mit der Liga für die Fünfte Internationale (LFI)24. Diese beruht auf programmatischen und methodischen Gemeinsamkeiten. Aufgrund der internationalen Führungskrise der Arbeiter_innenklasse muss unsere Unterstützung für eben jenen Parteiaufbau eine programmatische sein.

Die Erfolge, aber auch das Scheitern der ersten vier Internationalen25 geben uns dabei Einblick in wichtige Aspekte revolutionärer Politik. Die wesentlichsten davon sind: der Fokus auf die Arbeiter_innenklasse als revolutionäres Subjekt und deren führende, kämpfende Elemente; die Notwendigkeit der Zerschlagung des bürgerlichen Staates und die Ersetzung durch einen sozialistischen Arbeiter_innenstaat getragen durch Massenaktionen der Arbeiter_innenklasse; die internationale Organisierung unter einem internationalen demokratischen Zentralismus und Internationalismus als Methode zur Erklärung lokaler Ereignisse aus der Dynamik des internationalen Klassenkampfes; die Erkenntnis, dass eine parteiförmige Organisation aus Aktivist_innen bestehen muss, die revolutionär-proletarische Politik in alle Bereiche ihres Lebens tragen; die Theorie der permanenten Revolution26 erfolgend aus der Analyse des imperialistischen Weltsystems und die Tatsache, dass der Sozialismus in einem Land nicht verwirklichbar ist.

Der Kampf um die Führung der Klasse muss konsequent geführt werden, hierzu bedarf es der Entwicklung eines revolutionären Programms. Mit einem solchen Programm gewappnet braucht es eine Reihe von Taktiken zum Organisationsaufbau. Denn REVOLUTION sieht sich nicht als linear anwachsende Keimzelle einer neuen Jugendinternationalen, wir suchen Partner_innen für eben jenen Aufbau und schlagen unser Programm als Diskussionsgrundlage hierzu vor. Die Sozialistische Jugendinternationale und ihre Kriegsnummern27 im Zuge des ersten Weltkrieges zeigten, dass in Zeiten der Rechtsentwicklung des Reformismus die Losung der Jugendinternationale zu einer wahrhaften Massentaktik werden kann. Diesen Worten folgend, lasst sich nur noch sagen: Wir haben nichts zu verlieren, aber eine Welt zu gewinnen – für die sozialistische Weltrevolution!

1Niedrig-Zinspolitik beschreibt die Politik von Zentralbanken, die Zinssätze für Kredite künstlich niedrig hält mit dem Ziel Investitionen zu befördern.

2Alleine bei bei dem Konjunkturprogramm 2008 wurden ungefähr 500 Milliarden Euro locker gemacht.

3Land-Grabbing beschreibt die (illegale) Aneignung von Land durch internationale Investor_innen

4Überakkumulation beschreibt den Zustand wenn zu viel Kapitel angehäuft (= akkumuliert) wurde um es noch profitabel anlegen zu können.

5So wurde die Wirtschaftskrise der 30er Jahre nur durch die massive Kapitalvernichtung des 2. Weltkriegs und die anschließenden Möglichkeiten des Wiederaufbaus überwunden.

6Klasse zwischen Kapitalist_innen und Arbeiter_innen, die zwar Produktionsmittel besitzt aber keine (oder nur sehr wenige) Arbeiter_innen ausbeutet (z.B. Bäuer_innen mit Landbesitz oder Besitzer_innen eines eigenen Friseurladens).

7Schichten der Bevölkerung, die zwar lohnabhängig, aber nicht teil des Proletariats sind (z.B. beamtete Lehrer_innen, unteres Management, etc.).

8Vorhut

9Zentralisation der Produktion beschreibt den Prozess des Ansammelns von immer mehr Kapital in immer weniger Händen (Übernahme kleiner Unternehmen, Fusionen, etc.)

10Die Spratly-Inseln sind eine Vielzahl an umstrittenen kleinen Inseln und Korallenriffen im Südchinesischen Meer.

11Militärische Taktik, in der die Truppen in kleinen, selbstständigen Einheiten agieren, die schnell angreifen und sich sofort wieder zurückziehen, um einer (meist überlegenen) Armee kein Angriffsziel zu bieten.

12Bürgerliche Familie: Siehe Abschnitte 6.2 Erziehung und Ausbildung

13Aggressiver Glaube an die Überlegenheit des eigenen Landes

14Frontex (kurz für „Außengrenzen“) sie ist eine EU-Agentur für den „Schutz“ der gemeinsamen Außengrenzen.

15Einheitsfront: Siehe Kapitel 15: Reformismus und Linkspopulismus

16Das ist die englische Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexuall, trans*, Inter- und Asexuell

17Menschen, die nicht mit eindeutig zuordenbaren Geschlechtsorganen geboren werden.

18Die Black Panthers waren eine Gruppe in den USA der 60er und 70er Jahre, die sich zum Ziel setzen die schwarze Bevölkerung vor Polizeigewalt zu schützen und eine sozialistische Ausrichtung hatte.

19Fraktionen und Tendenzen beschreiben Zusammenschlüsse innerhalb der Organisationen, die die Politik der Organisationen grundlegend (Fraktionen) oder in einzelnen Punkten (Tendenzen) ändern wollen.

20Profite, die das „normale“ Maß an Ausbeutung übersteigen und aus einer Überausbeutung entstehen.

21Der Eurokommunismus beschreibt eine Strömung (beginnend in den 1970er Jahren) in diversen westlichen kommunistischen Parteien, die sich vom Stalinismus abwendete um sich mehr den bürgerlichen Demokratien zuzuwenden.

22Technokratie beschreibt die Herrschaft von „Expert_innen“ aus Wissenschaft und Technik.

23Die Iberische Anarchistische Föderation (FAI) war eine anarchistische Organisation des Spaniens der 1920er und 30er Jahre, die die Führung der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT inne hatte.

24Die Sektion der LFI ist in Deutschland die Gruppe ArbeiterInnenmacht, in Österreich der Arbeiter*innenstandpunkt.

25Der erste internationale Zusammenschluss von Organisationen der Arbeiter_innenbewegung war die Internationale Arbeiter-Assoziation, in der Karl Marx eine wichtige Rolle spielte, sie wurde 1876 aufgelöst. Die zweite (oder Sozialistische) Internationale wurde 1889 von den sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien gegründet, zerfiel aber mit Beginn des 1. Weltkriegs. Die dritte (oder Kommunistische) Internationale wurde im Zuge der Oktoberrevolution in Russland im Jahr 1919 gegründet, degenerierte in den 20er Jahren stalinistisch und wurde schließlich 1943 von Stalin aufgelöst. Die Vierte Internationale wurde 1938 unter führender Teilnahme Leo Trotzkis gegründet, degenerierte und zerfiel in den 1950er Jahren.

26Die Theorie der permanenten Revolution von Leo Trotzki sagt ua. aus, dass in Ländern, die bis heute keine vollständige bürgerliche Entwicklung (demokratische Rechte, nationale Unabhängigkeit, Aufteilung des Landes etc.) durchgemacht haben, diese nicht mehr von der Kapitalist_Innenklasse verwirklicht wird. Erst eine proletarische Revolution wird diese notwendigen Entwicklungsschritte am Anfang der sozialistischen Umgestaltung umsetzt.

271907 wurde die Sozialistische Jugendinternationale als Zusammenschluss von sozialistischen Jugendorganisationen gegründet, während des 1. Weltkriegs blieb sie ihrem Antimilitarismus treu und gab eine illegale Zeitung, die „Jugendnternationale“, heraus.