Warum Rassismus und Polizei nicht voneinander zu trennen sind

Jonathan Frühling

Der Mord an George Floyd erschütterte die Welt und führte zu massiven Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt. International fanden Demonstrationen in Solidarität mit den rassistisch Unterdrückten in den USA statt, jedoch verbanden die Protestierenden ihre Forderungen auch mit lokalen Themen. Den Menschen wird international immer klarer, dass die Arbeit der Polizei maßgeblich für die Reproduktion und Institutionalisierung von Rassismus verantwortlich ist. Mit institutionellem Rassismus ist ein Rassismus gemeint, der strukturell und gemeinschaftlich von Institutionen durch Anordnungen und Praktiken reproduziert wird.

Die Funktion der Polizei wurde in Deutschland mit dem sogenannten
Kreuzbergurteil von 1882 eindeutig als die Aufrechterhaltung der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung definiert. Mit „Ordnung“ ist vor allem der Privatbesitz
an Produktionsmitteln und die Ausbeutung der Arbeiter_Innenklasse und
Unterdrückung der nicht-weißen Bevölkerung gemeint, die unsere heutige
kapitalistische Gesellschaft prägen. Zu Beginn war die Polizei hauptsächlich
für die Niederschlagung von Arbeiter_Innenunruhen, wie z.B. Streiks, oder
Aufständen von anderen Unterdrückten zuständig. Sie hatte also von Anfang an
eine klassenpolitische Ausrichtung.

Polizei und Rassismus

Eine Studie von der Europäischen Grundrechtsagentur aus 2010 besagt, dass in Deutschland fast doppelt so häufig Personen mit türkischem oder ex-jugoslawischen Migrationshintergrund kontrolliert werden wie die durchschnittliche Bevölkerung. Bei solchen Personenkontrollen ist die Polizei auf Oberflächlichkeiten angewiesen und dementsprechend kommt ein rassistisches Bewusstsein hier sehr zu tragen und wird sogar Vorschub geleistet, man bezeichnet dies als „Racial Profiling“ und wird später noch genauer besprochen. Nicht nur bei Kontrollen, sondern allgemein kommt es sehr auf das Bewusstsein der einzelnen Beamt_in an, wie sie/er auf der Straße vorgeht. Damit ist auch gemeint, wie genau Gesetze ausgelegt, bzw. inwiefern sie bewusst überschritten werden, wen sie kontrolliert oder wie sie People of Colour behandelt.

Seit Marx wissen
wir, dass das gesellschaftliche Sein das Bewusstsein eines Menschen prägt. Es
wird also durch die soziale Stellung und die gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen gebildet. Wir müssen uns außerdem anschauen, was die Polizei
praktisch auf der Straße tut, um bestimmen zu können, welches Bewusstsein sie
hat.

In unserer heutigen Gesellschaft herrscht eine rassistische Ideologie vor. Grundlage dafür sind teilweise die Mechanismen des Kapitalismus, dass wer arm ist, arm bleibt und dass oftmals Migrant_innen davon betroffen sind. Teilweise aber auch der Wille des Kapitals, die Bevölkerung anhand von ethnischen, religiösen und nationalen Unterschieden zu spalten, um so ihre eigene Herrschaft zu sichern. Die tatsächliche Teilung der Gesellschaft auf Grundlage von ökonomischen Klassen wird somit verschleiert. Um es knackig zu sagen: Eine entlassene Person wird nicht gegen die Firmenleitung protestieren, wenn sie für die Entlassung „die Ausländer“ verantwortlich macht.

In diesem Sinn sind auch z.B. die Aushebelung des Asylrechts
und die rassistische Hetze durch alle bürgerlichen Parteien zu verstehen. Die
Gesetzesverschärfungen werden mal eben mit der rassistischen Aussage erklärt,
dass man sich damit gegen die Massen an Terrorist_innen unter den Flüchtenden
schütze. Und mit der islamophoben These, dass der Islam das Hauptproblem
Deutschlands sei, lässt sich auch insgesamt von den katastrophalen Auswirkungen
der kapitalistische Politik Deutschlands ablenken und Kriege wie in
Afghanistan, Syrien und Mali rechtfertigen.

Die Polizei hat dabei direkt die Funktion die rassistische Regierungspolitik
in die Tat umzusetzen. Sie schließt die Grenzen, greift „illegale“
Migrant_Innen auf und führt Abschiebungen durch. Sie ist also direkt mit der
Aufgabe betraut, gegen den rassifizierten Feind vorzugehen. Die Polizei ist deshalb
in ihrer Funktion, ihrem Denken und Handeln einer der extremsten Ausdrücke
dieser Politik. Das rassistische Bewusstsein materialisiert sich so bei der
Polizei in einer verschärften Form. Menschen, die damit ein Problem hätten,
werden auch nicht zur Polizei gehen wollen, sodass man vor allem autoritäre und
ohnehin rechte Personen anzieht.  Für
hohe Polizeibeamt_Innen, die mit ihren Handlungen das Bewusstsein des Apparates
durchdringen, gilt dies in besonderem Maße.

Polizei und Rassismus in den USA

Auch bei der Betrachtung der Geschichte der Polizei in den
USA, wird ihre Funktion in der Gesellschaft augenscheinlich. Die Wirtschaft der
Südstaaten basierte bis zur Aufhebung der Sklaverei 1865 auf der Ausbeutung von
Sklavenarbeit. Im 17. und 18. Jahrhundert begannen die Regierungen damit,
sogenannte Sklavenpatrouillen einzurichten. Diese sollten die versklavte
Bevölkerung in Unterdrückung halten und notfalls Aufstände niederschlagen. Ihre
Aufgabe war also schlicht und ergreifend, die Vorherrschaft der weißen
Bevölkerung aufrechtzuhalten. Nach dem Ende des Bürger_Innenkrieges 1865 wurden
diese Milizen in die offiziellen Polizeiorgane überführt. Deren ideologisches
Vermächtnis besteht bis heute in der modernen US-amerikanischen Polizei fort.

Der Mord an Floyd George war deshalb auch kein Einzelfall. Wenn ein Bulle am helllichten Tage und vor laufender Kamera einen Menschen kaltblütig ermordet, dann muss er sich sehr sicher sein, dass Richter und Staatsanwälte ein derartiges Verhalten decken. Tatsächlich landen in den USA nach einer Tötung durch die Polizei nur 4 von 400 Polizist_Innen vor Gericht, nur eine Person davon wird verurteilt.

Das rassistische Polizei- und Justizsystem führt dazu, dass
schwarze Menschen prozentual doppelt so oft wie alle anderen Teile der Gesellschaft
eingesperrt werden. Dadurch erfahren sie zusätzliche gesellschaftliche
Diskriminierung. Zudem verringert sich so die Chance, in Freiheit wieder einen
Job zu bekommen. Es gibt sogar Bundesstaaten in den USA, die ehemaligen
Sträflingen lebenslang das Wahlrecht verwehrt.

In vielen Städten in den USA ist die schwarze Bevölkerung in
Viertel zusammengedrängt, in denen fast ausschließlich schwarze Menschen
wohnen. Die USA ist bis heute ein stark segregiertes Land (Schlagwort:
Redlining). Da die schwarze Bevölkerung ökonomisch benachteiligt ist, sind
diese Viertel verarmt. Drogenabhängigkeit, Kriminalität und andere soziale
Verwerfungen sind Begleiterscheinungen dieser Umstände. In den entsprechenden
Viertel führt sich die Polizei eher wie eine Besatzungsmacht, denn als
„normale“ Polizei auf. Hier muss sie sich für rassistisches Vorgehen besonders
wenig rechtfertigen und nutzt das auch vollständig aus.

Dass es heute in die USA auch Polizist_Innen of colour gibt, ändert nichts an dem Charakter der Polizei. Zudem übernehmen Polizist_Innen of colour rassistische Verhaltensweise und führen nachweislich genauso oft Racial Profiling durch. Die Existenz von Polizist_Innen of colour spiegelt nur die Integration Teile der kleinbürgerlicher schwarzen Community in den bürgerlichen Staat wieder, vor allem vermittelt durch die Demokratische Partei. An dem Rassismus in den USA hat der schwarze Präsident Obama von der Demokratischen Partei übrigens auch rein gar nichts geändert

Racial-Profiling

Mit Racial-Profiling sind staatliche Maßnahmen gemeint, bei denen als Opfer gezielt People of Colour ausgewählt werden. Der Begriff meint sich jedoch nicht nur Kontrollen, sondern bezieht auch rassistische Wahrnehmungs- und Ermittlungsperspektiven mit ein. Richter, Staatsanwälte und die Presse nutzten Racial Profiling ebenfalls, um Rassismus zu institutionalisieren.

Die rechtliche
Grundlage für Racial Profiling auf der Straße ist das Werkzeug der „verdachtsunabhängigen“
Kontrollen. Zwar darf die Hautfarbe offiziell nicht als Grund für eine
Kontrolle angegeben werden, doch wer kontrolliert wird und was letztlich in dem
Polizeibericht steht, entscheidet der/die einzelne Beamt_in (bzw. deren
rassistisches Bewusstsein).

Racial Profiling
nehmen bei der Reproduktion des strukturellen und institutionalisierten
Rassismus eine sehr wichtige Funktion ein. Zum einen setzen sie People of
Colour massiv unter Druck, die sich der Schikane der Kontrolle hingeben müssen
und sich nirgendswo vor der Polizei sicher fühlen können. Zudem ist die Gefahr
z.B. mit einer geringen Menge Cannabis erwischt zu werden, dadurch natürlich
für diese Menschen deutlich höher. Dies kann den Verlust des Führerscheins und
damit des Jobs zur Folge haben. Zudem suggeriert Racial Profiling Passanten,
dass von People of Colour eine höhere Gefahr ausgeht. So reproduziert Racial
Profiling Rassismus in der gesamten Gesellschaft.

Die ständige
Verfolgung, öffentliche Demütigung und Bloßstellung können zudem zu psychischen
Schäden, wie Depressionen und/oder Verfolgungswahn führen. Darüber hinaus
schränkt Racial Profiling die Bewegungsfreiheit von People of Colour und damit
ihre gesellschaftliche Teilhabe ein. Auch die Zeit, die die Kontrollen kosten
und die Termine, die sie dabei möglicherweise verpassen, sind ein starke
Einschränkung für sie.

Gegen Racial
Profiling gerichtlich vorzugehen ist wenig sinnvoll. Polizist_Innen decken sich
dabei immer gegenseitig und die (zumeist weißen) Richter und Staatsanwälte
decken die Polizei. Letztlich sind nämlich alle diese Instanzen Akteure
desselben rassistischen Systems. Deshalb ist ein Vorgehen gegen die Polizei
mittels der Gerichte auch allgemein faktisch unmöglich. Zudem kann es zu
Gegenanzeigen durch die Polizei kommen, weshalb der/die Kläger_In oft selbst
auf der Anklagebank landet und abgeurteilt wird.

Will man etwas gegen
Racial Profiling tun, dann sollte man nach Situationen des Racial Profilings Ausschau
halten und den Vorgang sichtbar beobachten. Dies übt Druck auf die handelnden
Beamten aus, wie einige selbst vor Gericht angaben.  Eine verbale Einmischung, z.B. mit der Frage:
„Wieso wird diese Person kontrolliert?“, kann diesen Druck erhöhen und die
polizeiliche Arbeit behindern. Auch das Filmen oder vermeintliche Filme kann
dabei helfen, der Polizei ihr rassistisches Gebaren unangenehm zu machen.

Polizei, Grenzen und Geflüchtete

Wie bereits erwähnt ist die Polizei das Werkzeug, mit dem der Staat ihre rassistische Abschottungspolitik umsetzt. Nationale Polizeikräfte organisieren sich in der europäischen Grenzschutzorganisation Frontex. Diese setzt mit ihren Maßnahmen das theoretisch geltende Asylrecht fast vollständig außer Kraft. Sie sorgen dafür, dass Menschen, die vor Krieg und Armut fliehen, als feindliche Invasoren gebrandmarkt werden. Legitimiert wird diese Politik mit dem angeblichen Schutz unserer Kultur und dem Kampf gegen Terrorismus. Diese Rechtfertigungen triefen vor offenen rassistischen Lügen.

Doch auch national wird die Polizei für die
Abschottungspolitik eingesetzt. Sie überwacht z.B. die nationalen Grenzen und
kann Menschen willkürlich an der Einreise hindern. Zudem führt sie
Abschiebungen aus und fliegt dabei auch Länder, wie Afghanistan an. Im Inland
setzt sie Residenzpflichten durch, die aus dem rassistischen Asylgesetz
resultieren. 

Forderungen im Kampf gegen die Polizei

Im Kampf gegen das rassistische Repressionsorgan Polizei stellen wir folgende Forderungen auf:

  • Defund the police! Keine
    Finanzierung der Polizei. Das Geld brauchen wir für Sozialleistungen, Bildung
    oder sozialen Wohnungsbau!
  • Keine Militarisierung der
    Polizei. Sofortige Entwaffnung der Polizei, vor allem, was Taser,
    Maschinenpistolen und Handgranaten angeht!
  • Schränkt den Handlungsraum
    der Polizei ein: Keine verdachtsunabhängige Kontrollen, kein Begriffe, wie „drohenden
    Gefahr“, keine Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren!
  • Keine Massenüberwachung
    z.B. durch Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Videoüberwachung!
  • Kein Racial Profiling! Hartes
    Aburteilen von Bullen, die Racial Profiling anwenden!
  • Organisiert militanten Selbstschutz:
    Niemand beschützt uns vor den Angriffen von Sexist_Innen, Rassist_Innen, Faschos
    (und der Polizei), das müssen wir schon selber tun!
  • Für eine Zerschlagung des
    Polizeiapparates und des Gewaltmonopols des bürgerlichen Staates! Für die Ersetzung
    dessen durch bewaffnete Verteidigungsstrukturen der Lohnabhängigen,
    Jugendlichen, Frauen, LGBTIA und Migrant_innen, die demokratisch kontrolliert
    sowie wähl- und abwählbar sind!



Der Konflikt in Venezuela bleibt heiß: Kopfgeld auf Maduro

Alex Metzger

In einer
Pressekonferenz erhob US-Justizminister William Barr schwere Vorwürfe
gegen Venezuelas Präsident Nicolás Maduro. Dabei wird ihm
vorgeworfen, als Chef eines Internationalen Drogenkartells den
Schmuggel von Rauschgift durch Südamerika in die Vereinigten Staaten
zu koordinieren. Nun setzt die US Regierung ein Kopfgeld in Höhe von
15 Millionen $ auf Hinweise aus, die zur Ergreifung von Maduro
führen.

Kurz zur Faktenlage:
Daten der CCDB(einer Datenbank, die den „Kampf gegen die Drogen“
in Amerika dokumentiert) deuten darauf hin, dass 2018 ca. 7 mal mehr
Kokain durch Guatemala(1400 Tonnen) transportiert wurde als durch
Venezuela(210 Tonnen)! Der guatemalische Regierungschef wird jedoch
nicht behelligt.

Woher diese Anschuldigung?

Im Zuge des
internationalen Rechtsrucks hat es auch in Südamerika
Regierungswechsel und Putsche gegeben, die das Kräfteverhältnis auf
dem Kontinent eindeutig zugunsten der reaktionären Seite verlagern.
Genannt seien hier: Jair Bolsonaro in Brasilien, der Putsch gegen Evo
Morales in Bolivien, die Regierung
Piñera
in Chile.

In Venezuela soll
dies nun auch passieren und es gibt schon länger den Konflikt
zwischen dem venezolanischen Präsidenten Maduro und den USA, die
versuchen, ihn aus dem Amt zu kicken und mit jemanden zu ersetzen,
der sich nicht mehr weigert, den Markt vollends zu öffnen und die
Industrie zu privatisieren. Deswegen versucht die amerikanische
Regierung seit Jahren, der Regierung Venezuelas Verstrickungen ins
internationale Drogenkartell anzuhängen. Dabei ist die Ausschreibung
des Kopfgeldes eine Machtdemonstration Trumps für seinen Einfluss in
Lateinamerika, während er beispielsweise im arabischen Raum(Syrien,
Iran) aber auch im Konflikt mit Nordkorea dem Anspruch des US
Imperialismus als bissige Ordnungsmacht/
Alpha Predator/ Boss der Welt nicht gerecht wird. Die
zunehmende Herausforderung durch den chinesischen Imperialismus immer
im Blick.

Gleichzeitig steht
Trump in den USA relativ kurz vor der Präsidentschaftswahl und
versucht mit der klassischen Anti-Drogen-Law-and-Order-Politik Stärke
zu beweisen und von seiner fatalen Corona-Krisenpolitik abzulenken.

Dass
Handelsbeschränkungen wie Sanktionen auch während der
Corona-Pandemie nicht gelockert werden und diese Politik den Menschen
in Venezuela und sonst wo vor allem schadet, beweist eindeutig, dass
es den amerikanischen Imperialismus selbst in solchen Zeiten einen
feuchten Kehricht schert, welche mörderischen Auswirkungen die
eigene Politik überall auf der Welt hat.

Imperialistische Umtriebe

Seit knapp 3 Jahren
tobt in Venezuela ein Kampf um die Macht, an dem sich verschiedene
imperialistische Staaten aber federführend die USA beteiligen. Auf
einer Seite der geputschte Präsident Nicolás
Maduro, Nachfolger von Hugo Chaves, den wir als linksbonapartistisch
einstufen. Das heißt, dass die Regierung sich dadurch auszeichnet,
dass durch z.B. Öleinnahmen finanzierte Zugeständnisse an die
Bevölkerung gemacht werden, was in ökonomisch guten Zeiten die
Lebenssituation der Bevölkerung verbessern kann. Dies wird dann
populistisch ausgeschlachtet. Gleichzeitig geht sie aber auch hart
gegen linke Oppositionelle, Gewerkschaften und Basisprojekte vor, die
sich beispielsweise gegen die Legalisierung privater Investitionen
aus imperialistischen Ländern und andere Maßnahmen im Sinne des
Kapitals und der Imperialist_Innen zur Wehr setzen. Ein linker
Bonaparte
schafft es dabei, die politische Macht zu zentralisieren, indem er
zwischen den Interessen der Klassen balanciert und die eigene
bürokratische Kaste wie auch das Militär stramm auf Linie hält.
Maduro will sich dabei von den USA weder politisch noch
wirtschaftlich abhängig machen, was auch Teil des eigenen Populismus
ist. Da Trump den US-amerikanischen Einfluss in Südamerika festigen
will, soll Maduro weichen und wenn es durch solche krummen Moves wie
mit dem Vorwurfs des Drogenhandels sein muss.

Auf der anderen
Seite die Person, die ihn ersetzen soll: Juan Guaidó, seines
Zeichens ehemaliger Parlamentspräsident Venezuelas und
wirtschaftsliberaler Politiker. Das bedeutet zum Beispiel, dass er
die Bodenschätze Venezuelas schnellstmöglich für den
imperialistischen Raubbau verfügbar machen möchte. Dabei geht es
vor Ort um Öl, Gold, Silber, seltene Erden… Guaidó ist den USA
treu und erhält wiederum politische und wirtschaftliche
Unterstützung von ihnen. So konnte er sich Ende Januar 2019 zum
Interimspräsidenten erklären und wird dabei international von über
150 Ländern anerkannt (Dabei Weite Teile Südamerikas, außer
Bolivien, und westliche Imperialistische Länder).

Für eine genauere
Einschätzung des Konflikts, checkt einfach unsere Homepage:

Der Weg aus der Krise

Noch ist der Kampf um die Macht in
Venezuela nicht entschieden. Klar ist, dass wir die Errungenschaften
der venezolanischen Revolution gegen jeden imperialistischen Einfluss
verteidigen. Gleichzeitig müssen wir aber auch verstehen, dass
Maduro kein Sozialist, Venezuela kein Sozialismus ist und die
Errungenschaften unzureichend sind.

Die Revolution ist zum Stillstand
gekommen, ohne die Industrie restlos verstaatlicht zu haben. Die
Bourgeoisie darf weiter Profite machen und mit ihren Privilegien
leben. Teile der enteigneten Bourgeoisie wurden sogar großzügig
entschädigt.

Weiterhin fußt Maduros Macht auf der
Unterstützung durch das Heer, welches weder demokratisch organisiert
noch kontrolliert ist. Demokratisch organisierte Milizen sind Teil
eines politischen Programms, welches seine Regierung mit aller Härte
bekämpft.

Diese Milizen wären zentraler
Bestandteil, um die Revolution in Venezuela voranzutreiben und sie zu
einer sozialistischen Revolution zu entwickeln. Dafür muss die
Bourgeoisie entschädigungslos enteignet werden. Die
Arbeiter_Innenklasse muss, gemeinsam mit den Bauern und der Jugend,
die Macht der Bürokratie brechen und eigene, mutige,
basisdemokratische Losungen aufstellen.

Eine solche Revolution könnte als
leuchtendes Beispiel in die gesamte Region strahlen und die
Arbeiter_Innen in Ländern wie Brasilien und Argentinien ermutigen,
den Kampf gegen ihre stockreaktionären Regierungen in eine
sozialistische, internationalistische Richtung zu treiben! Im Zuge
dessen braucht es auch den Kampf für den Aufbau von revolutionären
Parteien der Arbeiter_Innenklasse, die eine solche Richtung überhaupt
weisen können.

  • Nein zum
    erneuten Putschversuch durch den US Imperialismus, entlarven wir die
    haltlosen Anschuldigungen von William Barr!
  • Verteidigen
    wir die Bolivarische Revolution gemeinsam gegen imperialistische
    Aggressionen!

  • Für die
    Permanenz der Bolivarischen Revolution! Nur wenn wir über die
    bisherigen Schritte hinausgehen und die Eigentums- und die
    Herrschaftsfrage gegeüber Kapital und Bürokratie stellen, können
    wir die Revolution zum Erfolg führen.

  • Für internationale Solidarität
    und den gemeinsamen Kampf gegen den Imperialismus sowie seinen
    Unterstützer_Innen in Medien, Staat & Bildungswesen!




Bernie Sanders – Warum ist er so populär?

Jan Hektik

Als linker Kandidat tritt Bernie Sanders in den US-amerikanischen Vorwahlen der Demokrat_Innen an, in denen entschieden wird, wer als demokratischer Präsidentschaftskandidat antreten darf. Dabei ist er nur noch zu zweit im Rennen gegen seinen Kontrahenten Joe Biden. Dieser ist der Kandidat des Establishements (also der bürgerlichen Führungsriege) und hat vor allem aufgrund der Unterstützung des Parteiapparats inklusive einiger Medienhäuser einigermaßen Vorsprung. Sanders kann sich auf diese nicht verlassen. Er wird von der Parteiführung und der Presse gleichermaßen gehasst. Und das aus den selben Gründen, wieso er große Unterstützung vor allem bei jüngeren Menschen genießt: Seine politischen Positionen, welche aktuelle schwerwiegende Probleme in den USA ansprechen. Er bezeichnet sich selbst als democratic Socialist (demokratischer Sozialist), was heißt, dass er sich in seinem Wahlkampf auf Reformen im Interesse der arbeitenden Klasse1 fokussiert und diese gezielt anspricht. Sein Hauptslogan ist „not me, us“ (nicht ich, sondern wir) und unterstreicht damit die aufkommende linke Massenbewegung, die ihn unterstützt und dafür gesorgt hat, dass er die meisten Einzelspenden für eine_N Präsidentschaftskandidat_In in der Geschichte der USA erhalten hat. Er nimmt keine Spenden von Konzernen an und verweigert eine Zusammenarbeit mit ihnen. Er fordert höhere Steuern für Reiche, Investitionen in Bildung, Gesundheit, Infrastruktur und Umweltschutz sowie die Schwächung der Macht der großen Konzerne in den USA. Speziell aber feiern ihn seine Unterstützer_Innen für seinen Plan, ein einheitliches Krankenversicherungssystem zu schaffen, in dem jeder Mensch je nach Einkommen einzahlt und die gleichen (weitreichenden) Leistungen bekommt (Single-Payer-Health-Care-System). Dies würde sogar gegenüber europäische Staaten einen Fortschritt darstellen, da auch hierzulande private Krankenversicherungen bestehen und sich die Reichen von den Kosten der Gesundheitsversorgung der Armen befreien. Für die USA ist es ein umso krasserer Wandel, da es praktisch keine flächendeckende, staatliche Krankenversicherung gibt. Ein bedeutender Teil der US-amerikanischen Bevölkerung ist überhaupt nicht versichert, ein noch größerer Teil ist unterversichert, sodass sie für die meisten Leistungen draufzahlen müssen und das bei massiv höhere Ausgaben für die Gesundheitsversorgung als in Europa. Dieses System ist gut für die Reichen, die sich eine umfassende Gesundheitsversorgung leisten können oder sogar im Gesundheitssektor daran verdienen, und lässt die Armen ohne Möglichkeit zurück, sich um ihre Versorgung anständig zu kümmern, ohne gleichzeitig unter einem Schuldenberg begraben zu werden. Es wird geschätzt, dass mehrere Zehntausende Menschen jedes Jahr sterben, weil sie sich weder die Versicherung noch die Behandlung leisten konnten. Aktuell zeigt sich das Problem der fehlenden Versicherung an der Ausbreitung des Corona-Virus, weil viele Menschen sich weder einen Test, noch die Behandlung leisten können und oftmals wird der Lohn nicht weitergezahlt, wenn man krank daheim bleibt. Deshalb ist insbesondere diese Forderung unfassbar beliebt und zwar in mehr oder weniger allen Wahlgruppen, inklusive der Unterstützer_Innen des Establishments der Demokraten und den Unterstützer_Innen der republikanischen Partei.

Chancen und Schwächen

Neben den offensichtlichen Vorteilen, die eine Umsetzung dieser Politik bedeuten würde, gibt es sogar noch bedeutendere Chancen, die allein schon durch seinen Wahlkampf und Medienpräsenz erreicht werden. Zunächst einmal erleichtert es die Arbeit von Kommunist_Innen extrem, dass er einen vollständig neuen Fokus in der US-amerikanischen Politik setzt und zwar in mehrerer Hinsicht: Erstens wird durch seine Popularität der Begriff „Sozialismus“, der in den USA für gewöhnlich mit „Unfreiheit“ gleichgesetzt wird, neu und dabei deutlich positiver belegt. Zwar ist Sanders politisch eher als linker Sozialdemokrat einzuordnen, jedoch bezeichnet er sich selbst als demokratischer Sozialist und ein großer Teil der Jugend verbindet mit dem Begriff Sozialismus nun soziale Politik wie eine allgemeine Gesundheitsversorgung. Zweitens ist er gezwungen, seinen Wahlkampf weg von identitätspolitischen Schwerpunkten hin zu programmatischen Fragen auszurichten. Als weißer heterosexueller Mann über 70 kann man halt schlecht sagen, dass man deswegen gewählt werden sollte, weil man weiblich (Hillary Clinton), Person of Colour (Barack Obama), jung und/oder LGBTIA ist (Pete Buttigieg). Dieser Fokus auf die Person ist aber absolut üblich in der US-amerikanischen Politik („Wählt mich, denn ich bin toll“ anstatt „Wählt mich, denn ich möchte tolle Politik machen“). Und drittens spricht er die Frage der Klasse an und stellt klar heraus, dass die Interessen der Reichen und die Interessen der arbeitenden Klasse entgegengesetzt sind und dass momentan eine Politik gegen die Interessen der arbeitenden Klassen gemacht wird. Dies sind alles Punkte, die im Programm von Sanders liegen und dafür sorgen, dass sich die Situation in den USA für linke Kräfte massiv verbessert.

Schließlich führt das Establishment der Demokrat_Innen einen schmutzigen Kampf gegen Sanders und versucht mit aller Kraft zu verhindern, dass er Kandidat wird. Verleumdungen, undemokratische Tricksereien beim Wahlvorgang (z.B. Behinderung der Wahlen in Gegenden, wo demographisch viele Sanders-Supporter wohnen) und Hinterzimmerdeals zwischen den restlichen Kontrahent_Innen sind da nur einige der Manöver. Dies macht allen Unterstützer_Innen dieser Politik klar, dass die demokratische Partei eine Partei der herrschenden Klasse ist und ihnen die Interessen der arbeitenden Klasse und der unterdrückten Gruppen scheiß egal sind. Dieser Konflikt wird Sanders zwar aufgezwungen, bietet jedoch die größte Chance einer Arbeiter_Innenpartei in den USA seit Jahrzehnten, da es dadurch immer leichter wird, klar zu machen, auf welcher Seite die Demokrat_Innen wirklich stehen. Viele in der Bewegung radikalisieren sich dadurch zunehmend und verlangen nach einer Politik, die sich nicht nur weg von der Demokratischen Partei sondern auch weg vom bloßen Parlamentarismus hin zu einem Kampf auf der Straße und in den Betrieben wendet.

Genau hier liegen aber auch die Schwächen von Sanders. Seine Politik hat Grenzen und falsche Grundannahmen, indem er zwar durch die Reformen eine massive Verbesserung erkämpfen könnte, diese Veränderungen jedoch nur durch Wahlen und Parlamente bewirkt werden und nicht das kapitalistische System als solches überwunden werden soll. Dazu sind folgende weitere Punkte hierbei relevant. Wie oben bereits angedeutet, scheut er den Kampf mit den Demokrat_Innen. In den USA ist die Vorstellung vorherrschend, dass wer als linker Kandidat unabhängig als Präsidentschaftskandidat_In antritt, den Rechten zum Sieg verhilft, weil die Person die Stimmen spalte. Hauptschuldig ist daran zwar das undemokratische Wahlmenschen-System2, trotzdem werden auch Sanders Spaltungsabsichten vorgeworfen. Leider dreht er diesen Vorwurf nicht um, indem er die Führung der Demokrat_Innen angreift und entlarvt, dass sie undemokratisch handelt und gegen die Interessen der arbeitenden Klasse Politik macht und somit eine Einheit mit diesen Kräften den Interessen unserer Klasse nicht hilft. Stattdessen ordnet er sich diesem Vorwurf unter. 2016 hat er Hillary Clinton nach seiner Niederlage unterstützt und in dem aktuellem Vorwahlkampf sagt er, Biden könne Trump schlagen. Generell stellt er die Einheit der demokratischen Partei hoch und schürt somit auch weiter Illusionen in diese bürgerliche Partei.

Notwendigkeit
einer unabhängigen Arbeiter_Innenpartei

Das Problem an klassenübergreifenden Bündnissen ist, dass die Arbeiter_Innenklasse und die Unternehmer_Innen entgegengesetzte Interessen haben und deshalb faktisch immer ein Interesse dem anderen untergeordnet wird. Bei der demokratischen Partei handelt es sich nun aber nichtmal um ein solches Bündnis, sondern eine offen bürgerliche Partei, welche durch winzige Reformen, Rhetorik und Alternativlosigkeit auch Unterstützer_Innen in der Arbeiter_Innenklasse hat. Viele Sanders-Unterstützer_Innen glauben, diese Partei reformieren zu können, jedoch wird dies nicht möglich sein. Die komplette Partei ist von Strukturen durchzogen, welche sicherstellen, dass der Einfluss des Kapitals bestehen bleibt und dominiert. Was wir in den USA benötigen, ist eine neue, eine Arbeiter_Innenpartei, welche sich auf die Gewerkschaften und die arbeitende Klasse sowie andere unterdrückte Gruppen stützt und deren Kämpfe zum Zwecke einer Massenbewegung verbindet. So könnten auch die Unruhen, die im Rahmen der Me Too, der Black-Lives- Matter-Bewegungen und dem „March for our lives“ aufkamen, mit den Kämpfen der LehrerInnen und anderer Arbeiter_Innen zu Streiks, Besetzungen und einem Erstarken des Klassenkampfes zusammengeführt werden. Und somit gäbe es die Chance, nicht nur eine Wahl zu gewinnen, sondern eine bleibende Grundlage für eine sozialistische Revolution in den USA zu legen. Hierfür ist die Bewegung um Sanders der beste Ansatz der letzten Jahrzehnte. Durch die Konfrontation mit der Führung der Demokrat_Innen ist dort ein Bewusstsein für die Notwendigkeit des Konfliktes größer als bei Sanders selbst. Die Bewegung hat viel Einfluss in Gewerkschaften, den Communitys der People of Colour und vor allem der Jugend und sieht die Notwendigkeit starker Angriffe auf die herrschende Klasse. Dort fällt die Losung einer Unabhängigen Partei auf fruchtbaren Boden. Umso mehr, je stärker sich der Konflikt mit den Demokrat_Innen zuspitzt. Momentan sieht es zahlenmäßig eher schlecht für Sanders aus, sollte es aber zum Beispiel durch die wirtschaftliche und medizinische Corona-Krise doch zu dem Fall kommen, dass Bernie Sanders zwar eine Mehrheit bei den Vorwahlen erhält, jedoch auf dem Kongress der Demokrat_Innen durch die Stimmen der Superdeligierten3 nicht zum Kandidat bestimmt wird, könnte der Konflikt zwischen Bewegung und Partei auf die Spitze getrieben werden. Dann sind große Proteste zu erwarten und der Unmut wird weiter ansteigen. Deswegen bietet Sanders eine solch große Chance. Deswegen ist es essentiell in der Bewegung um Sanders zu arbeiten. Nicht um Sanders bedingungslos zu unterstützen, sondern um klar zu machen, dass die Vorraussetzung für den Erfolg der Politik, die Sanders äußert, die Politik der arbeitenden Klasse, nur durch eine neue Partei möglich ist, eine Arbeiter_Innenpartei.

1Er
spricht von „working class“, was nicht nur
„Arbeiter_Innenklasse“ im marxistischen Sinne, sondern
auch „Unterschicht“ heißen kann.

2In
jedem Bundesstaat bekommt die Person alle stimmen, die die Mehrheit
errungen hat. Bei einer knappen Mehrheit könnte also fast die
Hälfte der Stimmen wertlos werden.

3Dies
sind Deligierte, die nicht an die Ergebnisse der Vorwahlen gebunden
sind, jedoch bestimmen, wer gewinnt, wenn keine_R eine absolute
Mehrheit erringt. Da diese zum Großteil aus Establishment-treuen
Politiker_Innen bestehen, entscheiden sie sich höchstwahrscheinlich
gegen Sanders.




Defender 2020 abgesagt, aber der Kampf gegen Militarismus geht weiter!

Florian Schwerdtfeger

Ein
Gutes hat die Corona-Pandemie doch: Der größte Truppenübung gegen
Russland seit 25 Jahren musste abgesagt werden. „Defender 2020“
hieß die militärische Giga-Übung der NATO. Gar nichts davon
mitbekommen? Kein Wunder, während die Bundesregierung versucht hat,
keinen großen Wirbel um das Thema aufkommen zu lassen, haben
antimilitaristische Linke und Friedensbewegungen es nicht geschafft,
eine größere gesellschaftliche Protestdynamik um das Thema herum zu
entwickeln. Die Linkspartei hat es zu einem Lippenbekenntnis gebracht
und das Manöver kritisiert. In einigen Städten gab es
Demonstrationen. Aber eine groß angelegte Mobilisierung gegen
Defender gab es nicht. Was die Kriegsgegner_innen nicht geschafft
haben, hat nun ein Virus erledigt: „Defender 2020“ wurde
abgesagt.

Doch
was war eigentlich geplant? Das NATO-Manöver sollte nicht nur die
letzten großen Übungen der NATO übertrumpfen, wie z.B. das
Kampfmanöver in Norwegen 2018, sondern sollte auch das größte seit
dem Kalten Krieg werden. Dabei sollte trainiert werden, wie schnell
Truppen und Material aus den USA in das Baltikum und Polen verlegt
werden können, was zufälligerweise strategisch wichtige Orte in
einem Krieg gegen den traditionellen Erzfeind Russland wären. Auch
wenn Generalleutnant Martin Schelleis erklärte, dass Russland nicht
Anlass der Übung sein solle, ist es mehr als deutlich, dass es sich
um ein Abschreckungs- und Vorbereitungsmanöver handelt.In
Militärkreisen wurde von ungefähr 37.000 Soldat_Innen vorrangig aus
den USA und rund 20.000 Stück an Materialien wie Waffen und
Fahrzeugen gesprochen. 5500 US-amerikanische Streitkräfte sind
aufgrund der Absage der Militärübung letztlich nur gekommen und
sollen nun wieder rückgeführt werden.

Auch die deutsche Verteidigungsministerin AKK hatte sich schon darauf gefreut, kräftig mitzumischen. Neben der Beteiligung einiger tausend Bundeswehrsoldat_Innen wollte Deutschland seine geostrategische Position vor allem zur zentralen Verkehrsdrehschreibe und zum militärischen Logistikzentrum ausbauen. Dieses Vorgehen beruht ganz auf der neuen Doktrin, die in den letzten Jahren von Bundespräsident und Verteidigungsministerium ausgegeben wurden: Schluss mit der „Kultur der militärischen Zurückhaltung“, Deutschland müsse „mehr Verantwortung auf der Weltbühne übernehmen“. Nach der letzten Wirtschaftskrise hat sich der Kampf unter den führenden imperialistischen Mächten um das größte Stück eines kleiner werdenden Kuchens verschärft. Der Ton ist rauer geworden, multilaterale Abkommen wurden aufgekündigt. Zwischen den USA und China entbrennt ein Handelskrieg, der auch die EU in die Auseinandersetzung hineingezogen hat. Im syrischen Bürger_Innenkrieg, schon lange ein Stellvertreter_Innenkrieg, kommt es zu direkten militärischen Konfrontationen zwischen Russland und der NATO-Partnerin Türkei. Auch das deutsche Kapital bangt nun um seinen Platz an der Sonne und greift zu zunehmend aggressiveren Methoden.

Über
2,5 Millionen Euro hat die Bundesregierung allein für die deutsche
Beteiligung klar gemacht. Wie viele Corona-Test-Kits, Beatmungsgeräte
oder Lohnerhöhungen für schwer arbeitende Pflegekräfte auf den
Intensivstationen hätte man damit wohl finanzieren können? Der
Bundesregierung scheint die militärische Absicherung deutscher
Profitinteressen wohl wichtiger zu sein als die Rettung von
Menschenleben. Mal abgesehen von der massiven Klimabelastung, die
entsteht, wenn zehntausende Soldat_Innen und tausende Tonnen von
Panzern und Kriegsgerät über den halben Erdball transportiert
werden. Wie viele Steuergelder werden allgemein verbrannt, zuerst um
überhaupt ein Militär auf die Beine zu stellen, es zu unterhalten
und dann auch noch um die Infrastruktur der Länder wieder Instand zu
setzen, weil die Transporte die Straßen und Schienen, mehr belasten
als der übliche Verkehr?

Als
kommunistische Jugendorganisation treten wir für die Entwaffnung und
Abschaffung aller Armeen und Heere von kapitalistischen Staaten ein.
Ihre Funktion ist es, die wirtschaftlichen und geostrategischen
Interessen von kapitalistischen Nationalstaaten auf brutale und
mörderische Art und Weise zu verteidigen. Diese Interessen sind
nicht die unseren, da nicht Volk und Vaterland, sondern allein die
internationale Solidarität der Unterdrückten und Ausgebeuteten uns
befreien kann. Die Arbeiter_Innenklasse und besonders die Jugend sind
die ersten, die im Kriegsfall hungern müssen und die an die Front
zum Sterben geschickt werden. Dadurch liegt es aber auch in ihrer
Macht den Krieg zu beenden, so wie es die Kieler Matrosen im 1.
Weltkrieg getan haben.

Obwohl
die NATO-Manöver eine Aggression gegenüber Russland darstellen,
dürfen wir nicht in die Falle tappen, in Putin den großen
antiimperialistischen Helden zu sehen. Stalinistische Organisationen
wie die SDAJ oder DKP vertreten eine solche Position. Für uns stellt
das Russland von heute jedoch eine ebenso imperialistische Macht dar,
wie es die USA, Deutschland oder Großbritannien sind. Wir vertreten
in Kriegen eine Position, welche darauf abzielt, jene Handlungen zu
unterstützen und zu fordern, welche die Welt näher an das Ziel der
sozialistischen Revolution bringen. Das heißt, dass wir im Falle
eines Krieges zwischen NATO und Russland für die Niederlage beider
imperialistischer Mächte (bzw. Militärbündnisse) eintreten, um den
Kampf der Nationen in einen Kampf der Klassen umzuformen. Dies tun
wir, weil bei einer Niederlage die Klassenwidersprüche in der
entsprechenden Nation zugespitzt werden und die Illusion der
nationalen Einheit von Unternehmer_Innen und Arbeiter_Innen
zerbricht. Denn keine imperialistische Macht soll Siegerin über die
andere sein, sondern die unterdrückten Massen müssen die Schwäche
der Kapitalist_Innen im Kriegsfall ausnutzen, um sich von der
Unterdrückung zu befreien und eine sozialistische Rätedemokratie
aufzubauen.

Praktisch
heißt das für uns, jegliche Militarisierung in Deutschland immer
und überall zu bekämpfen. Das kann heißen, Großdemos zu
organisieren, wenn ein neuer Militäretat anstelle eines Ausbaus der
Krankenhäuser beschlossen wird. Das muss aber auch heißen, dort wo
wir uns tagtäglich bewegen, also in unseren Schulen, Unis und
Betrieben, für Antimilitarismus einzutreten. Wenn der
Geschichtslehrer mal wieder von der einstigen Stärke der deutschen
Wehrmacht schwärmt, sollten wir unseren Mund aufmachen und Kontra
geben! Kommt das nächste Mal ein Bundeswehroffizier in den
Ethikunterricht, um fürs Sterben zu werben, könnten wir
Blockadeaktionen oder Flashmobs organisieren. Antimilitarismus hat
viele Gesichter aber ein Motto: Nie wieder Krieg!




Crash, Kürzung und Corona

Christian Mayer & Felix Ruga

Nachdem die
Kursverläufe an der Börse in den letzten Jahren vergleichsweise
stabil verlaufen sind, brechen sie seit ca. einem Monat weltweit
rapide ein. Und spätestens mit der Ausbreitung des Corona-Virus‘ zur
Pandemie wird die globale Krise immer greifbarer. Doch betrachtet man
zentrale Wirtschaftszweige in Deutschland wie Autos oder Chemie, war
es nur eine Frage der Zeit, denn der Niedergang war dort schon in
vollem Gange.

Was zuvor geschah:
Die deutsche Industrie baut auch ohne Virus ab.

In den letzten sechs
Monaten wurden von verschiedenen mittelgroßen bis großen
Unternehmen Stellenabbau und Sparprogramme angekündigt, nachdem
ständig das Wirtschaftswachstum nach unten korrigiert wurde und sich
überall die Sorge um eine kränkelnde Industrie breit machte.
Hauptsächlich kündigten die großen Autobauer diese Sparprogramme
an, die sehr harte Einschnitte bei der Belegschaft darstellen. Egal
ob nun VW, Daimler, Audi oder auch Zulieferer wie Bosch, Continental,
Mahle, Brose; ja sogar der Chemiekonzern BASF hat Personalabbau von
insgesamt mehreren 10.000 Beschäftigten angekündigt.

Die offiziellen
Begründungen seitens der Kapitalist_Innen waren damals zumindest in
der Automobilindustrie immer dieselben: Neben den Altlasten des
„Abgasskandals“ müsse man auf die aktuellen Entwicklungen des
Weltmarktes reagieren, bzw. Geld für die bevorstehende
„Transformation“ beiseitelegen. Mit „Transformation“ ist hier
die Umstellung auf E-Mobilität gemeint, wie auch die Einführung von
Industrie 4.0 im Zuge einer weiter voranschreitenden Digitalisierung
der Produktionsprozesse. Laut Studien werden mehrere 100.000
Arbeitsplätze allein durch die Einführung vollständig
automatisierter Fertigungsprozesse überflüssig, die ohne
menschliches Zutun auf Basis der Nutzung von künstlicher Intelligenz
ablaufen und bei der die Maschinen mittels Datennetzen miteinander
kommunizieren. Nichts anderes bedeutet die Einführung von Industrie
4.0: Es wird ein riesiges Heer an Arbeitskräften freigesetzt, die
alle auf den Arbeitsmarkt drängen und nach Ersatzbeschäftigungen
suchen. Diese kann aber das bestehende System nicht anbieten, da
mögliche Umschulungsprogramme aus Kostengründen abgelehnt werden.

In den letzten 10
Jahren, also seit der letzten großen Finanzkrise, hat sich die
Weltwirtschaft sehr unterschiedlich entwickelt.
Zwar konnten sich große Binnenwirtschaften wie die der USA
wieder erholen und Länder wie China verzeichnen seit Jahren ein
permanent hohes Wirtschaftswachstum. Allerdings konnten andere
Wirtschaftsräume wie die EU kaum bis gar kein Wachstum erzielen, die
gegenteilige Entwicklung ist der Fall. Auch Lateinamerika, das eine
Zeit lang der Hoffnungsträger für die positive Entwicklung der
Weltwirtschaft war, steckt seit Jahren in einer zunehmenden Krise
fest. Allein Staaten wie Venezuela oder auch Argentinien stehen am
Rande des Staatsbankrotts mit noch nicht absehbaren Folgen für die
lokale wie auch die Weltwirtschaft und das trotz eines
Freihandelsabkommens zwischen den Staaten des Mercosur-Raumes und der
EU. Dies wurde noch mit einem beschleunigenden Niedergang an den
Rohstoffmärkten verstärkt. Vor allem der Ölpreis fiel schon seit
letztem September im Zuge fehlgeschlagener Verhandlungen zwischen den
ölfördernden Ländern rapide und man sprach schon von einer neuen
Ölkrise. Dies stellt eine existentielle Bedrohung für die Länder
dar, die von dessen Förderung abhängig sind. Hinzu kommen auch die
nach wie vor unklaren Auswirkungen des Brexits, bei dem die
Feinarbeiten an der Entflechtung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen
den EU-Staaten und Großbritannien erst begonnen haben.

Die
Corona-Pandemie ist also letztlich nur ein Auslöser aber nicht die
Ursache der Wirtschaftskrise. Diese liegt weitaus tiefer in der
kapitalistischen Produktionsweise selber. 2007/2008 ist sie in eine
tiefe Absatzkrise geraten, sodass die Produktivität und die
Investitionen massiv gesunken sind. Diese Krisenursachen wurden
jedoch nicht behoben, sondern nur durch Niedrigzinspolitik und
riesige Bankenrettungspakete abgefedert und das hat bis heute
destabilisierende Auswirkungen auf die Wirtschaft, indem sich zum
Beispiel durch Spekulation in einigen Sektoren große Blasen bilden.

Und dann auch noch
Corona

In diese Schwächelage
hat nun Anfang diesen Jahres ein weiterer Faktor die Karten neu
gemischt: das Corona-Virus. Die Auswirkungen und dabei vor allem die
notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung sorgen seitdem
dafür, dass die so empfindliche globalisierte Marktwirtschaft
vollends crasht. Wir sollten
uns jedoch nichts vormachen: Die Quarantänemaßnahmen, die in vielen
kapitalistischen Staaten beschlossen wurde, sind nicht aus
Menschenliebe passiert. Vielmehr drücken sie Kalkulationen des
Kapitals aus, dass eine ungehemmte Ausbreitung der Pandemie die
Wirtschaft mehr kosten würde, als es aktuellen Schutzmaßnahmen tun.
Das ewige Hinundher und das lange Zögern der bürgerlichen
Regierungen widerspiegeln diesen Abwägungsprozess, der darüber
hinaus auch schnell zu anderen Resultaten kommen kann.

Die Rezession hat sich
jedoch schon vor der Pandemie abgezeichnet: China als Lokomotive des
Weltmarktes wurde als erstes in der Millionenstadt Wuhan getroffen
und hat Ende Januar begonnen, riesige Gebiete vom Verkehr abzuriegeln
und mit Essen und medizinisch zu versorgen, was sowohl Kapital als
auch Arbeitskraft band. Das öffentliche Leben vor Ort kam durch
Ausgangssperren zum erliegen und in ganz China wurden
Wirtschaftsabläufe gestört und teilweise heruntergefahren, wenn
deren Produktion mit den abgeriegelten Gebieten zusammenhing. Dadurch
sank zunächst der Ausstoß und bald auch die Nachfrage des
chinesischen Marktes und damit kamen auch weltweite Produktions- und
Lieferketten zum Erliegen. Ironischer Weise kann etwa das
Organisieren von Nachschub für Atemschutzmasken schwieriger sein, da
diese überwiegend in China produziert werden. Auch Apple spürte die
ersten Auswirkungen schon damals, da z.B. der Elektronik-Riese
Foxconn ebenfalls überwiegend in China produzieren lässt und Apple
mit massenhaft Teilen beliefert. Daher wurde auch der
Produktionsbeginn für ein neues Smartphone um Monate verschoben.
Gerade anhand der Ausfälle in der Produktion kann man sehr gut
sehen, wie stark die Abhängigkeit von China als Produktionsstandort
weltweit geworden ist.

Diese Belastung wurde
selbstverständlich ungleich verstärkt, indem sich Covid-19 von
einer lokalen Massenerkrankung zur Pandemie entwickelt hat und nun
vor allem Europa und die USA betrifft. Dadurch bricht nun Panik aus,
jedes Land fährt einen nationalen Alleingang und die Grenzen werden
dicht gemacht. Dies blockiert nun auch hier die Produktions- und
Lieferketten. Dazu werden wie auch in China heftige und sehr
autoritäre Einschränkungen des öffentlichen Lebens wie
Ausgangssperren und Zwangsschließungen öffentlicher Treffpunkte
verordnet. Zwar werden die meisten Industriestandorte nicht
zwangsgeschlossen, doch aus Gewinneinbrüchen fahren Stück für
Stück alle großen Betriebe runter: Zunächst die Flug- und
Reiseunternehmen, nun auch die Autoindustrie, Zulieferer,
Chemieunternehmen und weite Teile der restlichen Industrie. Wenige
schaffen es, dann doch noch mit der Krise ihre Profite zu machen:
Trigema macht jetzt Atemschutzmasken, BASF Desinfektionsmittel,
Maschinenbauunternehmen wechseln zu Beatmungsgeräten.
Selbstverständlich ist das bloß ein Tropfen auf den heißen Stein,
die deutsche Industrie hat momentan nichts zu lachen und die Börsen
befinden sich auch im freien Fall. Wie tief der Fall wird, kann
natürlich niemand voraussehen.

Wie
die Staaten reagieren und was wir machen müssen!

Die staatlichen Hilfsmaßnahmen für das nationale Kapital sind dabei weitestgehend ausgereizt: Der Leitzins kann nicht mehr gedrückt, die Steuern für’s Kapital kaum noch herabgesenkt werden. Klar ist, dass die Unternehmen versuchen werden, die Kosten der Krise auf die Arbeiter_Innenklasse abzuladen. Wenn wir keinen Widerstand organisieren, warten also massive Entlassungswellen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Sozialkürzungen und der weitere Abbau öffentlicher Dienstleistungen auf uns.

Ebenso
werden die kapitalistischen Staaten, die zur Eindämmung der Pandemie
dringend nötigen Einschränkungen von Produktion und öffentlichem
Leben nicht solange aufrechterhalten können, wie es aus
medizinischer Sicht notwendig wäre. Kein kapitalistischer Staat kann
über mehrere Monate oder gar Jahre hinweg mit einem so niedrigen
Produktionsniveau überleben. Da im Kapitalismus Profite mehr als
Menschenleben zählen, werden die Infektionsschutzmaßnahmen
spätestens dann zurückgefahren, wenn sie für die Kapitale zu teuer
werden. Und, wenn ein Staat beginnt die Wirtschaft wieder
hochzufahren, müssen die anderen nachziehen, da ein derartiger
Konkurrenznachteil ihr volkswirtschaftliches Todesurteil bedeuten
könnte. Es warten also nicht nur massive soziale Angriffe, sondern
auch ein tausendfaches Sterben auf uns.

Eine
internationale sozialistische Planwirtschaft könnte dagegen über
längere Zeit hinweg mit dem rein gesellschaftserhaltenden
Produktionsniveau überleben, da es in ihr ja keinen
konkurrenzbedingten Zwang zur Profitmaximierung gibt. Ebenso wäre
sie weitaus schneller und effektiver in der Lage, die Produktion auf
die dringend notwendigen Güter wie Beatmungsgeräte,
Desinfektionsmittel, Atemschutzmasken etc. umzustellen. Es gäbe
genug Intensivbetten für alle, da das Gesundheitssystem als
gesellschaftliche Aufgabe verstanden wird, in der Sparmaßnahmen,
Privatisierungen, Pflegemangel oder Fallpauschalen keinen Sinn
ergeben. Auch die ökonomische Existenz eines jeden Menschen wäre
gesichert, da niemand um seinen_ihren Arbeitsplatz oder seine_ihre
Miete fürchten müsste. Da es auch keine nationale Abschottung und
Konkurrenz um das Patent für Impfstoffe gäbe, wäre auch (im
Gegensatz zu den aktuellen nationalen Alleingängen) ein
koordiniertes internationales Vorgehen gegen die Pandemie möglich.

Der Kampf für ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem beginnt damit, dass wir uns den geplanten Angriffen auf unsere Klasse entgegenstellen. Die Gewerkschaften und Arbeiter_Innenparteien sind dagegen aktuell eher auf nationalistischen Kuschelkurs mit dem Kapital aus. Aus den Reihen der Linkspartei wurde geäußert, dass es aktuell „nicht die Zeit für Oppositionspolitik“ sei. Wir Arbeiter_innen, Jugendliche und Migrant_innen müssen unsere Interessenvertretungen durch eigene Forderungen unter Druck setzen und selber die Initiative ergreifen, wenn wir das Schlimmste verhindern wollen. Wir fordern:

  • Keine Entlassungen während der Pandemie! Volle Lohnfortzahlung aus den Profiten der Kapitalist_Innen!
  • In Berufen, die die gesellschaftliche Grundversorgung garantieren, müssen die Arbeiter_Innen ausreichenden Arbeitsschutz, Arbeitszeitverkürzungen und massive Lohnerhöhungen erhalten!
  • In allen Berufen 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn und Personalausgleich!
  • Kostenlose Test-Kits, Atemschutzmasken, Desinfektionsmittel, Seife und Handschuhe für alle! Die dafür notwendigen Fabriken müssen sofort entschädigungslos enteignet und unter Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden, um die Produktion auf die notwendigen Güter umzustellen. Für Beatmungsgeräte statt SUVs!
  • Verstaatlichung aller Kliniken, Pharmakonzerne, Forschungsinstitute und Labore!
  • Für offene Grenzen, um auch Menschen aus anderen Ländern vor Corona retten zu können!
  • Corona war nur Auslöser der Krise, nicht die Ursache! Das Problem liegt im kapitalistischen System!



Corona-Pandemie: 4 Fragen und 4 revolutionäre Antworten!

Kein Thema hat in letzter Zeit unsere Gespräche, Gedanken und Social Media Feeds so geprägt wie das neuartige Coronavirus / Sars-CoV-2, kurz: Corona. Weltweit ist bereits eine Viertelmillion Menschen an dem Virus erkrankt, wovon bisher etwas fast 12.000 (Stand 21.3.) Menschen sterben mussten. Europa ist, nachdem in China die Zahl von Neuinfektionen wieder leicht rückgängig ist, zum neuen Zentrum der Pandemie geworden. Nachdem die Zahl von Infizierten in Italien blitzartig in die Höhe schoss, ist ein ähnlich steiler Anstieg auch in Deutschland zu beobachten. Vor einigen Tagen meldete sich nun auch Kanzlerin Angela Merkel in einer Fernsehansprache zu Wort: Die Rede war vor allem vom Zusammenhalten, von Vertrauen und von Geduld. Man könnte sie auch so verstehen, dass wir alle schön die Klappe halten und machen sollen, was man uns sagt. Das würde nämlich bedeuten, dass wir stillschweigend hinnehmen, wie deutsche Banken und Unternehmen durch Milliardenkredite gerettet werden, während wir durch Entlassungen, Kurzarbeiter_Innengeld und Grundrechtseinschränkungen die Kosten dessen tragen sollen. Aber ist in der aktuellen Krisensituation der richtige Zeitpunkt für Widerstand? Diese und andere Fragen wollen wir hier beantworten.

Sollten wir nicht gerade jetzt in der Krise zusammenhalten und Kritik hinten anstellen?

Zusammenhalten sollten wir auf jeden
Fall, denn die aktuell stattfindenden Einschränkungen im
öffentlichen Leben und die permanente Angst, sich anzustecken, sind
für uns alle nicht leicht. Positiv sind in diesem Zusammenhang die
an vielen Orten entstehenden Nachbarschaftsinitiativen zur
Lebensmittelversorgung. Hierbei muss aber klar angeprangert werden,
dass diese vor allem deshalb notwendig werden, weil der Staat in
dieser Versorgungsaufgabe versagt.

Die Frage ist für uns, mit wem wir
zusammenhalten. Sicherlich nicht mit den Bossen, die unsere Löhne
kürzen, uns entlassen oder uns auf der Arbeit mit schlechten
Schutzmaßnahmen einem erhöhten Infektionsrisiko aussetzen.
Bestimmte Beschäftigungsverhältnisse wie Scheinselbstständigkeit,
Stunden- oder Projektverträge und Angestellte im Gastro- und
Kulturbetrieb sind aktuell besonders hart betroffen. Während wir uns
also fragen, wie wir unsere Miete bezahlen sollen, versuchen die
Unternehmer_Innen ihre getätigten Investitionen noch irgendwie ins
Trockene zu bringen und uns die Kosten dafür zahlen zu lassen. Für
sich können sie auch nur im kleinsten Verdachtsfall auf ein weiches
Intensivbett in einer Privatklinik mit ausgewiesenem Fachpersonal
vertrauen, während wir und insbesondere ältere Menschen und
Menschen mit Vorerkrankungen das Hauptrisiko tragen.

Die Bundesregierung setzt in ihren
Krisenmaßnahmen vor allem die Interessen der Kapitalist_innen um.
Während Schulen, Unis, Kindergärten, Theater, Clubs, Bars, Museen
und Schwimmbäder geschlossen bleiben, müssen vor allem die Leute
(trotz Infektionsrisiko) an den zentralen Wirtschaftsstandorten
weiterarbeiten. Dass in der Autoindustrie kaum noch mehr gearbeitet
wird, ist viel mehr Folge des Absatzeinbruchs als von
Gesundheitsmaßnahmen.

Ebenso auch Beschäftigte im öffentlichen Dienst, die die Grundversorgung einer Gesellschaft durch Pflege, Erziehung, Infrastruktur und Lebensmittelhandel sicherstellen. Für sie hat Merkel ganz viel Danke und Applaus übrig, doch davon kann sich niemand etwas kaufen. Während Gesundheitsminister Jens Spahn uns lange erzählt hat, dass das deutsche Gesundheitssystem bestens auf eine Corona-Pandemie vorbereitet sei, sehen wir nun, wie überfordert es ist. Kein Wunder, denn jahrelang wurden die Krankenhäuser kaputtgespart und privatisiert. Der erzeugte Personalmangel in der Pflege wurde zusätzlich befeuert durch Unterbezahlung, Ausbeutung und Auslagerung von Beschäftigtengruppen an Dienstleistungsunternehmen, um Tarifverträge zu umgehen. Und zwar nicht nur in Deutschland, auch in Südeuropa waren deutsche Politiker_Innen im Zuge der Euro-Krise ganz vorne mit dabei, durch erzwungene Sparmaßnahmen die lokalen Gesundheitssysteme zu zerstören. Dafür verantwortliche Politiker_Innen und die Bildzeitung versuchen nun, der Öffentlichkeit die Schuld zuzuschieben, um die eigene Verantwortung an dieser katastrophalen Situation unter den Teppich zu kehren. Zusammenhalten müssen also vor allem wir Jugendliche, Lohnabhängige und Migrant_Innen, und zwar über Nationalstaatsgrenzen hinweg. Unsere Kritik dürfen wir dabei nicht verschweigen, sondern müssen sie gerade jetzt durch eigene Forderungen und Maßnahmen zum Ausdruck bringen. Wenn wir keinen eigenen gesamtgesellschaftlichen Notfallplan aufstellen, wird es von der Bundesregierung nur einen Notfallplan zur Rettung der Konzerne geben.

Was wären denn sinnvolle Maßnahmen, die umgesetzt werden sollten?

Unsere Forderungen sollten sich
einerseits gegen die sozialen Angriffe richten und andererseits
wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorschlagen.
Zuallererst müssen wir für ein sofortiges Entlassungsverbot
eintreten. Ebenso fordern wir statt Kurzarbeiter_Innengeld (also eine
Weiterzahlung von 60 % des letzten Nettolohns durch Steuergelder)
Lohnfortzahlungen, finanziert aus den Profiten der Unternehmen.
Überall, wo es möglich ist, müssen die Leute ohne Konsequenzen von
der Arbeit freigestellt werden,
damit die Eindämmung durch soziale Distanzierung wirklich
funktioniert. In Berufen, die die gesellschaftliche
Grundversorgung garantieren, müssen die Arbeiter_Innen ausreichenden
Arbeitsschutz, Arbeitszeitverkürzungen und massive Lohnerhöhungen
erhalten. Welche Berufe für die gesamtgesellschaftliche
Grundversorgung wichtig sind, entscheiden demokratisch gewählte
Komitees aus Schulen, Unis und Betrieben und nicht die
kapitalistischen Politiker_Innen. Auch unter den erschwerten
Bedingungen können wir solche demokratischen Prozesse online möglich
machen, um eine soziale Antwort auf diese Krise zu finden!

Auch müssen wir entscheiden können,
welche Grundrechtseinschränkungen uns auferlegt werden. Die Gefahr
ist ganz real, dass sie zwar zum Zwecke der Eindämmung beschlossen
werden, aber nur teilweise zurückgenommen werden und generell das,
was „ok“ ist, verschoben wird. So wurde beispielsweise könnte
in Bayern bald der Notstand ausgerufen werden und damit wäre der
Einsatz der Bundeswehr im Inneren legalisiert. Dagegen zu
demonstrieren ginge natürlich nicht, weil das Versammlungsrecht
praktisch abgeschafft wurde. Obwohl es in der aktuellen Situation
nicht sinnvoll wäre, große Massendemonstrationen abzuhalten, sollte
die Regierung uns dieses Recht nicht einfach nehmen dürfen!
Einschränkende Maßnahmen im öffentlichen Raum zur Eindämmung der
Neuinfektionen können natürlich richtig sein, die Frage ist aber,
wer diese festlegt und vor allem wer diese wieder abschafft. Wenn
diese Verantwortung Seehofer und Co. zufällt, die schon vor Corona
versucht haben, autoritäre Polizeistaatsmaßnahmen durchzusetzen,
warum sollte man dann die Teile der Einschränkungen, die man eh
schon vorhatte, nicht einfach beibehalten? Das wäre nicht das erste
Mal in der Geschichte, dass die „Verteidigung gegen einen äußeren
Feind“ dazu benutzt wurde, die Grundrechte der eigenen Bevölkerung
dauerhaft einzuschränken. Beispiel hierfür ist der „Kampf gegen
den Terror“, der schon für Kriege, Einschränkung des Asylrechts
und der Spionage der eigenen Bevölkerung herhalten musste. Der beste
Schutz dagegen ist es, dass wir uns als Betroffene gemeinsam mit
Wissenschaftler_Innen organisieren und selbst die Menschen
delegieren, die in demokratischen Krisenkomitees verbindliche
Maßnahmen festlegen.

Um eine Ausbreitung des Virus‘ zu verhindern, benötigen wir sofort einen kostenlosen und freien Zugang zu Gesundheitsversorgung für alle. Ebenso müssen Test-Kits, Atemschutzmasken, Desinfektionsmittel, Seife und Handschuhe für alle kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Die dafür notwendigen Fabriken müssen sofort entschädigungslos enteignet und unter Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden, um die Produktion auf die notwendigen Güter umzustellen. Statt SUVs brauchen wir halt gerade nun mal Beatmungsgeräte. Das klingt nach einem krassen Schritt, aber beispielsweise waren die kapitalistischen Regierungen mit solchen Maßnahmen während der zwei Weltkriege überhaupt nicht zimperlich, indem sie der Industrie vorgeschrieben haben, dass sie nun Munition, Waffen und Feldversorgung herstellen müssen. Neben massiven Investitionen in Forschung und Versorgung, was auch eine schnellstmögliche Anlernung und gute Bezahlung von Pflegekräfte bedeutet, müssen ebenso alle Kliniken, Pharmakonzerne, Forschungsinstitute und Labore verstaatlicht werden. Es ist sehr problematisch, dass momentan einige Forscher_Innen-Teams nebeneinander her an ähnlichen Projekt arbeiten, aber wegen des Geschäftsgeheimnisses keine vollständige Zusammenarbeit stattfindet, vor allem unter privaten Unternehmen. Die Jagd ist wild, denn wer den Impfstoff oder Schnelltest findet, wird dabei sicherlich Milliarden verdienen. Jetzt kommt es aber auf die Rettung von Menschenleben an und nicht auf Profite!

Wären diese ganzen Maßnahmen aber nicht insgesamt sehr schlecht für die Wirtschaft?

Die Corona-Krise ist nur ein
weiteres Beispiel dafür, wie die freie Marktwirtschaft nicht dazu in
der Lage ist, die dringendsten Bedürfnisse der Menschheit zu
befriedigen und dafür, wie viel effizienter und
bedürfnisorientierter eine demokratische Planwirtschaft agieren
könnte. Das Chaos des Marktes führt zur Anfälligkeit für
Zusammenbruch und Krise, so auch nun mit dem Ausbruch von Corona: Der
DAX fällt täglich ins Bodenlose, die Ölpreise sinken und die für
die deutsche Exportwirtschaft so wichtige just-in-time-Produktion
gerät durch Grenzschließungen immer weiter ins Stocken. Corona ist
dabei jedoch nur der Auslöser und nicht die Ursache der Krise. Diese
liegt weitaus tiefer in der kapitalistischen Produktionsweise selber.
2007/2008 ist sie in eine tiefe Absatzkrise geraten, sodass die
Produktivität und die Investitionen massiv gesunken sind. Diese
Krisenursachen wurden jedoch nicht behoben, sondern nur durch
Niedrigzinspolitik und riesige Bankenrettungspakete abgefedert. Das
Coronavirus ist nun die Nadel, die die riesige Blase gerade zum
Platzen bringt. Weitere Fabrikschließungen, Massenentlassungen und
Sparmaßnahmen werden bald auf der Tagesordnung stehen.

Zugleich verschärfen sich bereits aktuell die Spannungen unter den imperialistischen Ländern und Regionalmächten. Der Wettlauf um einen Corona-Impfstoff ist bereits ein Ausdruck davon. Die Volkswirtschaft, die sich am schnellsten von den Coronafolgen erholt, wird einen gewaltigen Vorteil auf dem Weltmarkt haben und für Verschiebungen im innerimperialistischen Kräfteverhältnis sorgen. Momentan scheinen die Zeichen ganz auf China zu stehen, aber auch andere Ländern setzen in diesem Kampf auf das Konzept „Herdenimmunität“, also das absichtliche Krankwerdenlassen der Bevölkerung bei gleichzeitiger Überlastung des Gesundheitssystems, sodass unzählige Menschen sterben könnten. In Europa hängen prominent die Niederlande und bis vor kurzem noch Großbritannien dieser Taktik an. Die Maßnahmen, die nun doch ergriffen werden, kommen zu spät.

Ist es aber nicht gerade wichtig, die Grenzen zu schließen, um eine weitere Ausbreitung der Infektionen zu verhindern?

In der aktuellen Abschottungspolitik
der kapitalistischen Staaten zeigt sich deutlich, dass ihr ganzes
Gerede von Solidarität nur eine leere Worthülse ist. Wer nur
national beschränkte medizinische Krisenmaßnahmen ergreift, aber
sich nicht für 20.000 von Corona bedrohte, auf der griechischen
Insel Lesbos eingeschlossene und unter schlimmsten hygienischen
Bedingungen lebende Geflüchtete interessiert, braucht uns nichts von
Solidarität zu erzählen. Da eine Pandemie
auch so nicht vor Nationalstaatsgrenzen halt macht, bedeutet
nationale Abschottung darüber hinaus auch immer eine Behinderung von
wirksamen internationalen Schutzmaßnahmen oder der Entwicklung eines
Impfstoffes. Und nicht nur das, nationale Abschottung bedeutet auch,
dass die reichen imperialistischen Länder die ärmeren Ländern mit
ihren schlechter ausgestatteten Gesundheitssystemen alleine lassen
und somit eine weitere Ausbreitung der Infektionen in Kauf nehmen,
solange es nicht auf dem eigenen Staatsgebiet passiert. Dabei wirkt
es so, als wären die imperialistischen Länder nicht dafür
verantwortlich, dass die Gesundheitssysteme in den ärmeren Ländern
so schlecht ausgebaut sind. Durch Kolonialismus, Ausbeutung und
erzwungene Sparmaßnahmen haben die imperialistischen Länder dem
Rest der Welt jedoch die Möglichkeiten für einen adäquaten
medizinischen Kampf gegen das Coronavirus genommen. Zuletzt stärkt
nationale Abschottungspolitik auch immer ausgrenzende,
nationalistische und rassistische Tendenzen, die ja bekanntermaßen
schon vor Corona stark an Fahrtwind dazugewonnen haben.

Wir fordern stattdessen keine
Abschottung und Grenzschließungen sondern Grenzöffnungen, um auch
Menschen aus anderen Ländern vor Corona retten zu können.
Geflüchtete sollen wie alle anderen Einreisenden medizinisch
getestet und, im Fall einer Infektion, medizinisch und sozial
versorgt werden. Die Lager auf den griechischen Inseln müssen sofort
aufgelöst und eine Weiterreise aufs europäische Festland
gewährleistet werden. Das gilt auch für die türkisch-griechische
Grenze am Fluss Evros. Wir fordern legale Fluchtwege und
Einreisemöglichkeiten ebenso wie volle Staatsbürger_Innenrechte für
alle!




Femizide – Frauenmorde international, Widerstand international

Jonathan Frühling, Revolution Deutschland, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 8, März 2020

Femizide

Der Begriff des Femizids (engl. femicide) wird
seit Beginn des 19. Jahrhunderts benutzt in Abgrenzung zum englischen Begriff
„homicide“ (Mord, Totschlag). Die feministische Soziologin Diana Russell
definiert den Femizid als einen Mord an einer weiblichen Person durch einen
Mann aufgrund der Tatsache, dass sie weiblich ist. Diese Definition schließt
die Tötung von Kindern mit ein. Außerdem wird damit die geschlechterspezifische
Motivation der Morde verdeutlicht, die Frauen durch Männer widerfährt. Der
Femizid stellt noch vor der Vergewaltigung die höchste Manifestation der
Unterdrückung der Frau dar.

2017 wurden laut UNO 87.000 Frauen Opfer von Mord,
50.000 wurden dabei durch eigene Familienmitglieder oder den Partner getötet,
wobei 38 % dieser Morde auf den eigenen (Ex-)Partner entfallen.

Die meisten Femizide werden nicht bestraft, was an
dem limitierten Zugang von Frauen zu Gerichtsbarkeit und der benachteiligten
Stellung in polizeilicher Ermittlungsarbeit liegt. Allgemein ist die
statistische Lage zu Femiziden allerdings sehr schlecht, da in Mordstatistiken
meist nicht einmal das Geschlecht, geschweige denn der Tötungsgrund erfasst
werden.

Gründe für Femizide

Der allgemeinste, auch in der bürgerlichen
Gesellschaft anerkannte Grund für Femizide ist der Wille der Männer das Leben,
den Körper und die Sexualität der Frauen zu kontrollieren. Versuchen sich
Frauen, dem zu widersetzen, nehmen die Männer auch die Tötung der Frau in Kauf,
um ihre Vormachtstellung zu erzwingen.

Die Morde an homosexuellen Frauen werden ebenfalls
als Femizide bezeichnet. Eine weitere Form der Femizide sind die sogenannten
Ehrenmorde. Dabei werden Frauen ermordet, weil sie z. B. vor der Ehe Sex
hatten oder vergewaltigt wurden und somit aus der Sicht der Sexisten die „Ehre“
der Familie verletzt haben.

Femizide passieren aber auch, weil Frauen der
Hexerei bezichtigt werden, was besonders im Südpazifikraum ein Problem
darstellt. Vor allem in Südasien werden Frauen wiederum in Zusammenhang mit
einer als zu gering angesehenen Mitgift getötet. Obwohl Mitgiften eigentlich
allgemein z. B. in Indien verboten sind, ist es in vielen Ländern immer
noch üblich, dass die Frau, um eine Ehe schließen zu können, teure Geschenke an
die Familie des Mannes machen muss. Allein in Indien wurden zwischen 2007 und
2009 8.200 Mitgiftmorde registriert.

Zudem sterben Frauen an erzwungener Abtreibung,
erzwungener Mutterschaft, Genitalverstümmelung oder Sexsklaverei. Diese
Tötungen müssen laut Diana Russell ebenfalls als Femizide bezeichnet werden.

Ein dem Femizid ähnliches Phänomen ist die
gezielte Abtreibung von Mädchen, welche vor allem in Südchina und Indien
Anwendung findet. Es wird dabei weiblichen Menschen grundsätzlich das Recht auf
Leben verwehrt. Da die pränatale Geschlechtsbestimmung für viele arme Familien
nicht zugänglich ist, werden viele weibliche Säuglinge direkt nach der Geburt
ermordet. In diesem Fall kann ganz klar von einem Femizid gesprochen werden.

Situation in
Lateinamerika

Unter den 25 Ländern mit der höchsten Femizidrate
befinden sich 14 lateinamerikanische. Jeden Tag werden dort 12 Frauen Opfer von
Femiziden. Besonders schlimm ist die Lage in Mittelamerika. Die Folge davon war
nach öffentlichem Druck die Einführung der rechtlichen Kategorie des Mordes mit
geschlechterspezifischen Gründen.

Sieben Länder mit der höchsten Femizidrate
befinden sich in Europa, drei in Asien und nur eins in Afrika. Das beweist,
dass Frauenmorde auch in der sogenannten westlichen Welt ein weitverbreitetes
Problem darstellen. In Europa wird jedes Jahr jede 250.000 Frau Opfer eines
Femizids.

Situation in Deutschland
und Österreich

Deutschland hat die Definition von Femiziden der
WHO nicht übernommen und kennt den Femizid als Straftatbestand nicht. In
Deutschland gab es von 2012–2017 laut polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) 849
Morde von Frauen in (Ex-)Partnerschaften und 1212 versuchte Tötungen. Die
Statistiken über Gewalt gegen Frauen sind allerdings unzureichend. Ob es sich
dabei wirklich um Femizide handelt, ist z. B. unbekannt, da die Tatmotive
nicht erfasst werden. Deutschland hat bisher auch die Istanbul-Konvention (Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt
gegen Frauen und häuslicher Gewalt),
die Staaten europaweit zum Kampf gegen Gewalt gegen Frauen verpflichtet, nicht
unterzeichnet, sondern 2017 lediglich ratifiziert. Diese Konvention forderte
unter anderem, eine Kommission einzurichten, die Daten zur Gewalt gegen Frauen
zu erfassen, zu bewerten und zu verbreiten.

Österreich hat europaweit die höchste Rate von
Femiziden (41 in 2018). Ein Grund dafür könnte in der massiven Bagatellisierung
der Gewalt gegen Frauen durch die Justiz liegen. Einschüchterung, Misshandlung,
Bedrohung und sexuelle Gewalt gehen dem Femizid meistens voraus. Die Täter
planen zumeist ihre Tat und sprechen Morddrohungen aus. Wird dies nicht ernst
und werden die potentiellen Täter nicht in Untersuchungshaft genommen, sondern
z. B. nach einer Trennung auf freien Fuß gesetzt, besteht für Frauen eine
enorme Gefahr. Wie schlimm die Lage ist, zeigt sich auch daran, dass nur
10 % der gewalttätigen Männer nach der Anzeige durch eine Frau verurteilt
werden.

Die Bewegung „Ni Una
Menos“

Als Reaktion auf einen Femizid in Argentinien
wurde 2015 das Kollektiv „Ni Una Menos“ (Nicht eine weniger), bestehend aus
Journalistinnen, Künstlerinnen und Aktivist_Innen, gegründet. Unter dieser
Parole sind am 3. Juni 2015 Hunderttausende gegen Femizide auf die Straße
gegangen. Die Bewegung wurde in der Folgezeit in einer Vielzahl von Ländern
adoptiert, vor allem in Lateinamerika (z. B. Chile, Peru, Mexiko), aber
auch in Spanien oder Italien. Wie mächtig diese Bewegung ist, zeigt z. B.,
dass die „Ni Una Menos“-Demonstration in Peru am 13. August 2016 die größte in
der Geschichte dieses Landes war. Am 19. Oktober 2016 gab es den ersten
massenhaften Frauenstreik, der 8 Länder Lateinamerikas umfasste. Die Bewegung
sprengt schaffte es also, nationale Grenzen zu sprengen.

Am 20. Dezember 2019 beteiligten sich in 200
Städten über die ganze Welt verteilt vor allem Frauen an Flashmobs und
Demonstrationen gegen Frauenmorde und sogenannte „Rapeculture“.1
Besonders brisant ist dabei, dass die Proteste maßgeblich von Chile ausgehen,
wo die Frauenkampfbewegung im Rahmen mächtiger Proteste gegen die neoliberale
Regierung stattfindet. Es kann dort eindrucksvoll beobachtet werden, wie sich
verschiedene Bewegungen z. B. gegen Sexismus, Umweltzerstörung und
Neoliberalismus zu einer Bewegung für eine bessere Gesellschaft vereinen.

Perspektive im Kampf
gegen Femizide

Wie die mächtigen Frauenkampfbewegungen in Spanien
und Lateinamerika gezeigt haben, ist es möglich, Fortschritte zu erkämpfen. So
hat z. B. Spanien 2010 damit begonnen, Statistiken zu Femiziden zu führen,
was das Bewusstsein für das Problem gesteigert hat. In 16 lateinamerikanischen
Ländern wurde der Femizid als Straftatbestand oder als strafverschärfendes
Merkmal aufgenommen, was auch zu einer Erfassung der Aburteilungsquote führte.

Prävention und direkte Hilfe müssen natürlich
massiv ausgebaut werden. Eine feministische Bewegung muss gegen den eklatanten
Mangel an Frauenhausplätzen ankämpfen. In Deutschland müssten laut der
Istanbuler-Konvention 21.400 Betten in Frauenhäusern verfügbar sein. Momentan
gibt es nur 6.800, weswegen Frauen oft wieder zu ihren gewalttätigen Partnern
geschickt werden. Auch eine ordentliche gesundheitliche und psychische
Betreuung, Vermittlung in Jobs, ein höheres Arbeitslosengeld oder die
konsequentere Eintreibung von Unterhaltszahlungen sind wichtige Forderungen.
Sie können Frauen helfen und motivieren sich von einem gewalttätigen Partner zu
trennen.

Dies kann natürlich im Kampf gegen Femizide nur
der Anfang sein. Letztlich müssen vor allem die Macho-Kultur und das Patriarchat
angegriffen werden, um der Unterdrückung der Frauen als Ganzes zu begegnen. Die
„Ni Una Menos“-Bewegung in Lateinamerika oder der heroische Kampf der
argentinischen Frauen für bessere Abtreibungsrechte können als glänzende
Beispiele dienen. Diese Bewegungen müssen verstetigt und ausgeweitet werden,
wenn sie dauerhaft eine Wirkung haben wollen. Entscheidend ist aber auch, dass
sie sich mit den Bewegungen der landlosen Bauern und Bäuerinnen oder der
Arbeiter_Innenklasse verbinden. Was wir brauchen, ist eine vereinte Bewegung
gegen den Kapitalismus. Die bürgerliche Gesellschaft basiert nämlich auf der
Familie und diese wiederum auf der Ausbeutung und Unterdrückung der Frau. Nur
wenn der bürgerlichen Familie ihre kapitalistische Grundlage entzogen wird, kann
eine Bewegung gegen Femizide erfolgreich sein.

Für Marxist_Innen stellen Femizide nur die Spitze
des Eisbergs der Frauenunterdrückung dar. Der „Wille“ der Frauenmörder und
–vergewaltiger basiert also auf den Jahrtausende alten gesellschaftlichen Mechanismen,
die wir an anderer Stelle in dieser Zeitung charakterisiert haben. Nur der
Umsturz der Klassengesellschaft und die Errichtung einer klassenlosen können
den Rahmen für das Ausrotten dieser Umtriebe bilden.

Ein Programm dafür kann sich nicht auf bürgerliche
Polizei, Justiz und Staat verlassen. Die Familie muss in einer höheren Form des
sozialen reproduktiven Zusammenlebens aufgehoben werden. Deshalb fordern wir
die Sozialisierung der Reproduktionssphäre, beginnend mit der unbezahlten Haus-
und Sorgearbeit. Dafür brauchen wir eine neue revolutionäre 5.
ArbeiterInneninternationale und eine kommunistische als Bestandteil einer
allgemeinen proletarischen Frauenbewegung. Die Bewegung in Lateinamerika wirft
diese Frage auf, stellt ein ideales Terrain dar, auf dem dieses Programm
fruchtbar werden kann. Eine reine Vernetzung, ein Zusammentreffen mit anderen
sozialen Bewegungen löst sie aber nicht von allein, solange die Unterdrückten
noch von einem nichtkommunistischen Bewusstsein geprägt bleiben.

In der Logik der Sozialisierung der Hausarbeit
liegen Forderungen wie nach Unterhaltszahlungen durch den Staat statt durch die
Expartner, die oft genug eine andere Familie unterhalten müssen, was für
Lohnabhängige unmöglich macht, auch noch ihre ehemalige finanziell zu
versorgen. Diese müssen mit einer Progressivsteuer auf Besitz, Vermögen und
Erbschaften verknüpft werden, die die Reichen zur Kasse für die Finanzierung
dieser gesellschaftlichen statt familiär-privaten Aufgabe – wie im Kapitalismus
– bittet. Das Gleiche trifft auf Frauenhäuser zu. Diese sollten zudem unter
Kontrolle der Nutzerinnen und der Arbeiter_Innenbewegung gestellt werden. Zum
Schutz gegen gewalttätige Übergriffe muss letztere sich für staatlich
finanzierte Selbstverteidigungskurse für Frauen einsetzen.

In diese Übergangslogik, die die Hand auf den
Reichtum der Herrschenden legt und die Klasse zur Kontrolle des sozialen
Geschehens und zur Selbstverteidigung auffordert, können solche Teilforderungen
eingereiht zum Sprungbrett für den Kampf um Sozialismus und Arbeiter_Innenmacht
geraten und kann damit der Anfang vom Ende des männlichen Chauvinismus
eingeleitet werden.

1 Mit dem Begriffe „Rapeculture“ wird kritisch
darauf hingewiesen, dass Vergewaltigungen faktisch überall auf der Welt
grausame Normalität sind (und fast immer straffrei bleiben).

https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/040/1904059.pdf

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/100/1910062.pdf

http://www.oas.org/es/mesecvi/docs/DeclaracionFemicidio-EN.pdf

https://www.ohchr.org/Documents/Issues/Women/WRGS/OnePagers/Gender_motivated_killings.pdf

https://www.tagesschau.de/inland/frauenhaeuser-103.html

https://www.aljazeera.com/news/2019/12/chile-rapist-path-chant-hits-200-cities-map-191220200017666.html




Evangelikales Christentum – Die Stoßtruppen der Rechten

Kayla Molodoy , Workers Power USA , Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 8, März 2020

Jahrzehntelang hat die christliche Rechte in den USA den
Widerstand gegen die Abtreibung in den Mittelpunkt ihrer politischen Mission
gestellt, indem sie sexuelle und reproduktive Fragen zur Mobilisierung einer
breiten Anhängerschaft zur Waffe gemacht hat. Seit ihrer kollektiven Hinwendung
zu politischem Aktivismus während Reagans triumphalem Präsidentschaftswahlkampf
1980 ist der Evangelikalismus das Rückgrat der Republikanischen Partei in den
USA und wird in Lateinamerika, insbesondere im Brasilien von Bolsonaro,
zunehmend politisiert.

Während die unheilige Allianz zwischen religiösen
ExtremistInnen und imperialistischen ProfitmacherInnen ihre Kontrolle über den
Staat festigt, laufen die Frauenrechte Gefahr, zum Opferlamm auf dem Altar des
anhaltenden Wahlerfolgs der Rechten zu werden.

Das Wachstum des politischen Evangelikalismus in den USA

Der Evangelikalismus nahm in Amerika erstmals im 18.
Jahrhundert erkennbare Gestalt an und entwickelte sich bis Mitte des 19.
Jahrhunderts zum „Evangelikalen Reich“, einer einflussreichen Bewegung, die
sich zunächst mit liberalen Themen wie der Abschaffung der Sklaverei und der
Strafrechtsreform beschäftigte, bevor sie sich über Darwins Evolutionstheorie
und eine fundamentalistische Bibelauslegung zersplitterte.

Der moderne Evangelikalismus geht auf das Ende des Zweiten
Weltkriegs zurück, als die aufeinander folgenden amerikanischen Regierungen
daran arbeiteten, das Christentum mit „amerikanischen Werten“ gleichzusetzen
und die christliche Gemeinschaft als Verteidigungslinie im Kalten Krieg zu
mobilisieren. Der Widerstand gegen die Aufhebung der Rassentrennung, die
Gegenkulturbewegungen der späten 1960er Jahre und die Entscheidung des Obersten
Gerichtshofs, Abtreibung zu einem verfassungsmäßig geschützten Recht zu machen,
im Urteil Roe gegen Wade von 1973, waren Katalysatoren für den Aufstieg der
Christlichen Rechten, der in den späten 1960er Jahren begann und bis heute
anhält.

Die republikanische Kandidatur Ronald Reagans im Jahr 1980
markierte einen Wendepunkt in der Politisierung der evangelikalen Gemeinschaft.
Im Vorfeld der Wahl begann die zuvor tolerantere und überparteiliche Haltung
der amerikanischen evangelikalen ChristInnen ihren Wandel hin zu starrer
Intoleranz, die stark durch das allgegenwärtige christliche Medienimperium
beeinflusst wurde, das vor allem von Jerry Falwell Sr. geschaffen wurde.

Falwell stand an der Spitze der christlich rechten
politischen Organisation, der Moralischen Mehrheit, und spielte eine wichtige
Rolle bei der gegenseitigen Umwerbung zwischen der Republikanischen Partei und
den Evangelikalen. Unter diesem Einfluss billigte der Republikanische
Nationalkonvent die sozial konservativste Plattform der RepublikanerInnen,
(GOP, Grand Old Party; Große Alte Partei) die es je gab, und kehrte damit seine
historische Unterstützung für die Gleichberechtigungsänderung um, wobei er als
Antwort auf den Fall Roe gegen Wade den Schutz der Rechte der Zygoten, d. h.
der befruchteten Eier, über die Rechte der Frauen stellte:

„Wir bekräftigen unsere Unterstützung für eine
Verfassungsänderung zur Wiederherstellung des Schutzes des Rechts auf Leben für
ungeborene Kinder. Wir unterstützen auch die Bemühungen des Kongresses, die
Verwendung von Steuergeldern für die Abtreibung einzuschränken.“

Erfolgreicher Aktivismus an der Basis und ein
außergewöhnliches Maß an Einsatz zur Förderung bevorzugter Themen führten zu
einer hohen Wahlbeteiligung, die Reagan mit zwei Dritteln der evangelikalen
Stimmen belohnte und bei seiner Wiederwahl auf 78 % stieg. Dieser Pakt
schuf eine für beide Seiten vorteilhafte Symbiose zwischen der politischen
Rechten und den Evangelikalen und hing fast ausschließlich von der Zustimmung
der Partei zur Übernahme der evangelikalen Linie in sozialen Fragen,
einschließlich der Abtreibung, ab.

Das Bündnis zwischen den Evangelikalen und der
Republikanischen Partei besteht bis heute, wobei es für die KandidatInnen
erforderlich ist, mit der christlichen Rechten in ihrem Sozialprogramm  übereinzustimmen, um ihre Stimmen zu ernten
und eine glühende Bekehrung zur Unterstützung des amerikanischen Imperialismus
zu garantieren.

Lateinamerika

Für Evangelikale in den USA wird nun erwartet, sich hinter
PolitikerInnen wie Trump zu versammeln – dessen persönliche Eigenschaften ihn
zu einem völlig unglaubwürdigen Vehikel für evangelikale Bestrebungen machen –,
und dies ist fast eine Selbstverständlichkeit. Aber das Wachstum der
evangelikalen Bewegung in Lateinamerika und die Verbindungen zwischen dem
brasilianischen und amerikanischen Evangelikalismus verleihen der Christlichen
Rechten eine neue internationale Dynamik.

Die ersten protestantischen Evangelikalen landeten im 19.
Jahrhundert in Brasilien, eine zweite Welle kam in den 1940er Jahren mit dem
Aufkommen der Foursquare Church (International Church of the Foursquare Gospel)
aus Kalifornien, komplett mit zirkusähnlichen Zelt„erweckungen“ à la Billy
Graham, die eine große Anziehungskraft hatten. Eine dritte Welle in den 1970er
Jahren brachte eine „neupfingstliche“ Bewegung, die von der brasilianischen
Universalkirche des Königreichs Gottes (UCKG) angeführt wurde. Gegründet von
Edir Macedo, einem gegen Schwarze heftig hetzenden  und möglicherweise reichsten religiösen Führer
der Welt, ist ihr Einfluss auf die brasilianische Politik extrem geworden,
wobei er über eine enorme institutionelle Vertretung verfügt.

Die Wahl von Jair Bolsonaro wurde mit Hilfe des
evangelikalen Establishments Brasiliens , dominiert von der UCKG, erreicht.
Bolsonaro ist, wie Trump, ein frauenfeindlicher, rassistischer homophober
Politiker, der eine aktive rechtsextreme Unterstützungsbasis antreibt. Er
sympathisiert auch mit der Militärdiktatur, die von 1964 bis 1985 in Brasilien
an der Macht war, wobei seine einzige Kritik darin besteht, dass „die Situation
des Landes heute besser wäre, wenn die Diktatur mehr Menschen getötet hätte“.

Das wichtigste politische Handicap, mit dem sich die rechten
Parteien in Lateinamerika konfrontiert sehen, ist die anhaltende Wahlschwäche
aufgrund ihrer fehlenden Verbindungen zu Nicht-Eliten. Bolsonaro und
seinesgleichen bieten bereitwillig Verbindungen zur obersten Spitze an und
bringen eine Vielzahl evangelikaler WählerInnen ein, vor allem aber die untere
Mittelschicht.

Dies ist wichtig, weil sich der Anteil der evangelikalen
ChristInnen in Brasilien von 9 Prozent im Jahr 1990 auf 22 Prozent mehr als
verdoppelt hat und derzeit auf 31 Prozent geschätzt wird. Es wird erwartet,
dass sie bis 2032 die Zahl der KatholikInnen übertreffen werden – und die
Rechte will ihr Wahlbündnis mit ihnen festigen.

Wir sehen eine ähnliche Dynamik bei den jüngsten Ereignissen
in Bolivien mit der Amtsenthebung von Evo Morales durch Luis Fernando Camacho,
einen fundamentalistischen und evangelikalen christlichen Multimillionär, der
geschworen hat, den linkspopulistischen Einfluss der von Morales vertretenen
und beschützten indigenen Mehrheitsbevölkerung zu beseitigen.

Die bolivianische Übergangspräsidentin Jeanine Áñez erklärte
am Tag des Staatsstreichs: „Die Bibel ist in den Palast zurückgekehrt“. Obwohl
die bolivianischen Evangelikalen einen weitaus geringeren Anteil der
Bevölkerung als in Brasilien ausmachen, ist ihre Basis in der weißen Führungs-
und Mittelschicht wegen deren angeblichen Heidentums, das durch die Anerkennung
der Erdgottheit Pachamama symbolisiert wird, in einen Rausch gegen die indigene
Mehrheit geraten.

Ein Demonstrant gegen den Putsch hat diese „Befreiung“
ironisch bedauerlich auf den Punkt gebracht : „Es ist dasselbe wie vor 500
Jahren, als die Spanier kamen und das erste, was sie den Einheimischen zeigten,
die Bibel war.“

Der wirtschaftliche Druck auf das KleinbürgerInnentum der
USA und Brasiliens und erst gar ihre Deklassierung hat sie empfänglicher für
die reaktionären Ideologien und die populistische Rhetorik von Politikern wie
Trump und Bolsonaro gemacht.

In Bolivien und Brasilien ist es ihnen gelungen, die
Unterstützung wichtiger Teile der herrschenden Klasse zu gewinnen. Diese
fürchten sich vor den milden Reformen sozialdemokratischer oder
linkspopulistischer Regierungen und ihren Versuchen, Lateinamerika aus der
Abhängigkeit vom US-Imperialismus (durch die es sich, historisch gesehen, sehr
gut geschlagen hat) herauszuholen. Der Evangelikalismus ist aufgrund seiner
historischen Wurzeln in den US-Kirchen und ihres wirtschaftlichen und
politischen Gewichts in der Bewegung ideal für diesen Zweck. Kurz gesagt, er
ist ein Werkzeug des US-Imperialismus.

Die Kulturkriege

Die evangelikale Bewegung manipuliert gekonnt angebliche
Bedrohungen der Religion, um angesichts dessen, was sie als das Schwinden des
Rangs Amerikas als „christliche Nation“ wahrnimmt, Einheit und Enthusiasmus
anzuregen.

In den USA behaupten große Nachrichtenorganisationen wie Fox
News und christliche Radio- und Fernsehstationen mit Massenpublikum regelmäßig,
dass die Fähigkeit der ChristInnen, ihre Religion auszuüben, bedroht ist. Die
Verwendung schlagwortartiger Propaganda-Phrasen wie „Krieg gegen Weihnachten“
und „Angriff auf die Werte der Familie“ verstärkt diesen Verfolgungskomplex
unter den hingebungsvollen AnhängerInnen des fundamentalen Christentums.

Doch während sie den bevorstehenden Untergang des
Christentums und die Unterdrückung der wahren Gläubigen beklagen, behalten die
Evangelikalen in Wirklichkeit einen übergroßen Einfluss auf Politik und
Regieren. Dieser „Verfolgungskomplex“als Reaktion, der das Ende des
christlichen Glaubens und einer „gottlosen Gesellschaft“ katastrophenartig
vorhersagt, ist das Kraftwerk für die Verbreitung des Evangelikalismus und das
seit Jahrzehnten.

In dieser Hinsicht ist der Aufstieg des christlichen
Zionismus innerhalb der evangelikalen Bewegung interessant. Er verbindet
unmittelbar die „Opferrolle“ des protestantischen Christentums mit dem realen
Holocaust des jüdischen Volkes und verleiht der Unterstützung Amerikas für den
Staat Israel einen religiösen Eifer.

Bei der Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem sagten zwei
evangelikale Pastoren aus Texas, die zum offiziellen Staatsbesuch der USA
mitgebracht wurden, dass die Gründung Israels „die Prophezeiungen der Propheten
von vor Tausenden von Jahren erfüllt hat“ und dass „der Messias [nach
Jerusalem] kommen und ein Königreich errichten wird, das niemals enden wird“.

Diese „Wir-gegen-die-Mentalität“ passt perfekt zu dem für
die evangelikale Botschaft so wichtigen Thema der Opferschaft und des Leidens.
Entfremdung und Not, die durch den Kapitalismus erneuert und als
(vermeintliche) religiöse Verfolgung getarnt wurden, wurden zu einem mächtigen
Instrument, mit dem eine große Zahl von Menschen angezogen wurde, und wurden zu
einem integralen Bestandteil der evangelikalen Identität. Wahrgenommene
Bedrohungen wie Feminismus, legalisierte Abtreibung, gleichgeschlechtliche
Heirat und die Rechte von Schwulen und Transgendern haben zu einer Botschaft
des ressentimentgeladenen Untergangs-Populismus geführt und jede Art von
Klassenbewusstsein verhindert.

Die konservativen FührerInnen aller Richtungen haben ihre
Lektion gut gelernt: Wiederhole die und identifiziere Dich mit der Gefahr des
Opferns von ChristInnen,  versprich,
ihren Glauben zu schützen, und Du wirst gewinnen! Mit den Worten von Donald
Trump, der die Stimmen von über 80 Prozent der Evangelikalen erhielt, die etwa
ein Drittel der WählerInnenschaft ausmachen: „Wir werden das Christentum in den
Vereinigten Staaten schützen.“

In Brasilien mobilisierten evangelikale FührerInnen zur
Unterstützung von Bolsenaro und seinen „traditionellen Familien“-Werten gegen
eine PT (ArbeiterInnenpartei)-Regierung, die während ihrer 13-jährigen
Regierungszeit einige Rechte für Minderheiten eingeführt, eine Debatte über die
Entkriminalisierung der Abtreibung in das Unterhaus gebracht hatte und Pläne
erwog, die Geschlechtervielfalt in den Unterrichtsplan aufzunehmen.

Innerhalb von 40 Jahren hat sich die brasilianische
Bevölkerung von neunzig Prozent KatholikInnen auf ein Drittel Evangelikale
verschoben. Die evangelikalen Kirchen betreiben heute über 600 Fernseh- und
Radiokanäle, darunter auch die zweitgrößte Fernsehgesellschaft des Landes, Rede
Record, die dem UCKG-Gründer Edir Macedo gehört.

Bolsonaro lehnte Fernsehdebatten mit anderen KandidatInnen
ab, gab Rede Record jedoch ein exklusives sowie sein erstes Interview nach dem
Gewinn des Präsidentenamtes. In diesem Interview beschrieb er die „ethische und
moralische Krise“ Brasiliens und drohte, die AnhängerInnen der PT ins Exil zu
schicken.

Politischer Evangelikalismus und seine Auswirkungen auf
Frauen

Im letzten halben Jahrhundert hat die Ehe zwischen rechter
Politik und dieser unterdrückenden christlichen Sekte die Ungerechtigkeit unter
den Armen und Minderheiten der Welt – insbesondere den Frauen – eskaliert,
indem sie die biblische Rechtfertigung der Überlegenheit des Mannes über die
Frauen benutzt hat, um das kapitalistische Patriarchat aufrechtzuerhalten.
Religionsgemeinschaften bringen die Stimme der Hälfte der Bevölkerung zum
Schweigen und lenken den berechtigten Zorn auf Verarmung und Ungleichheit
(finanziell wie sozial) in Gehorsam gegenüber der staatlichen Autorität um.

Diese Überzeugungen werden 
zur Waffe für die Unterordnung von Frauen gemacht und setzen strenge
Geschlechterrollen durch, wodurch Frauen als „andere“ entmenschlicht werden und
die Notwendigkeit männlicher Autorität in einer typisch rechtspopulistischen Strategie
geschaffen wird. Die starre biblische Machthierarchie des Autoritarismus
schafft und fordert bedingungslosen Gehorsam.

Die Beziehungen zwischen den Geschlechtern sind nach diesen
Prinzipien geordnet: Ehefrauen unterwerfen sich den Ehemännern, Kinder den
Eltern, Gemeinden der Kirchenleitung, BürgerInnen dem Staat und alle Gott –
wobei Gott in der Regel der Kirchenleitung gleichgestellt wird.
Gleichberechtigung – und Klassen – gibt es in dieser Struktur nicht.

Mit Frauen am unteren Ende der Gesellschaft ist ihr geringes
Selbstwertgefühl garantiert. Da sie aufgrund ihrer angeborenen Unwürdigkeit
ständig auf Errettung angewiesen sind, lauert immer Scham und Schande.
Unverheiratet zu sein; kein Kind empfangen zu können; Sex außerhalb der Ehe zu
haben; eine Schwangerschaft abzubrechen; vergewaltigt zu werden; nicht so klug,
so fähig, so fleißig wie ein Mann zu sein, basiert auf dem Gefühl der Scham,
einer Schande, die durch den Willen Gottes erzwungen wird.

Sogar die Mehrheit der nicht-evangelikalen Frauen, die sich
nicht schämen, eine Abtreibung vornehmen zu lassen, wissen, dass Stigma und
Geheimhaltung sie bedecken; sie wissen nie, wem sie es sicher sagen können. Das
ist der Einfluss, den diese Bewegung auf Teile der Gesellschaft ausübt und der
uns alle zu beherrschen versucht und bedroht.

Schlussfolgerungen

Der Aufstieg des christlichen politischen Evangelikalismus
ist im Grunde eine reaktionäre Bewegung in allen Definitionen des Wortes. Er
ist eine Reaktion der KapitalistInnenklasse auf den zunehmenden Kampf gegen die
immer strengeren Sparmaßnahmen, die notwendig sind, um das System am Laufen und
profitabel zu halten.

Für Teile der ArbeiterInnenklasse ist es eine Reaktion auf
die anhaltende Stagnation des senilen Kapitalismus, der die nicht zur herrschenden
Klasse gehörenden Menschen, vor allem die Frauen, wirtschaftlich, politisch und
sozial an Boden verlieren lässt. Das Fehlen einer revolutionären
sozialistischen Alternative zur Verbesserung dieser realen Bedingungen macht
die Religion noch attraktiver.

Sie spielt mit der Angst vor dem Tod und dem Mangel an
Lebenschancen. Wenn man nämlich keine Möglichkeit sieht, seine Stellung in
diesem Leben zu verbessern, kann man genauso gut auf das Leben nach dem Tod
setzen. Gleichzeitig bietet sie eine wirkungsvolle Alternative zur
einschmeichelnden geistigen Nahrung des Katholizismus und des
Mainstream-Protestantismus, die beide weder wirkliche Möglichkeiten zur
Veränderung des heutigen Status noch die emotionale Befriedigung eines
glühenden Glaubens an ein Paradies jenseits des Todes bieten.

Und obwohl alle Teile der ArbeiterInnenklasse für dieses
kapitalistische Gift bezahlen werden, sogar die Evangelikalen, werden die
Frauen am meisten blechen. Rechte werden beschnitten, der politische Einfluss
in der Gesellschaft wird eingeschränkt, das Selbstwertgefühl wird zerstört, und
die Vorbilder für Frauen werden auf Schmarotzerinnen wie JeanineÁñez, die
derzeitige Interimspräsidentin Boliviens, reduziert.

Viele der schlimmsten Gräueltaten der Geschichte wurden unter
dem Einfluss der Religion begangen. Eine bessere Welt ist möglich, aber sie
wird für Frauen und Männer nicht unter dem Deckmantel von Religion jeglicher
Art gefunden werden.

Das bedeutet nicht, dass wir als KommunistInnen die
Unterdrückung der Religion fordern; im Gegenteil, wir fordern die Freiheit der
Religionsausübung für alle – solange eine solche Praxis nicht die Freiheit der
anderen beeinträchtigt, weder innerhalb noch außerhalb der Sekte. Man braucht
nur die verzweifelte Notlage der UigurInnen in China oder der Minderheiten in
islamistischen Regimen zu betrachten, um zu sehen, dass religiöse Verfolgung
tatsächlich existiert – und in beide Richtungen zuschlägt.

Aber während die Religion auch
unterm Kapitalismus notwendiges Opium bleibt und einen Zufluchtsort für
Milliarden in einer feindlichen und grausamen Welt bietet, predigt sie die
Unterwerfung unter die bestehende Ordnung und lenkt die Sehnsucht nach einer
besseren Welt in ihr Gegenteil, die Unterstützung von Ausbeutung und
Unterdrückung, um. Wann und wo immer religiöse Institutionen in die irdische
Welt eingreifen, widersetzen wir uns mit Händen und Füßen.

Wir brauchen eine weltweite Einheit des Kampfes auf der
Grundlage der ArbeiterInnenklasse, um diese wachsende Bedrohung auf der ganzen
Welt zu bekämpfen, mit Frauen an der Frontlinie im Kampf gegen die besondere
Unterdrückung, der sie durch die evangelikale christliche Reaktion ausgesetzt sind
und sein werden.




Rezession, Angriffe, Revolutionen: Warum wir eine Jugendinternationale brauchen!

Lars Keller

Wenn wir die aktuellen
Geschehnisse in der Welt betrachten, wird eines sofort klar: nichts
ist sicher, nichts bleibt wie es ist. In Lateinamerika finden
fortschrittlich sowie rückschrittlich geprägte Proteste statt, in
Chile kam es zu einer Revolution, welche das gesamte Volk umfasst. In
den USA leiten die Demokraten ein Amtsenthebungsverfahren gegen
Donald Trump ein.

Die EU befindet sich
weiter in einer schweren Krise: der Brexit ist nach wie vor
Dauerthema, die Allianz Berlin – Paris bröckelt, die Festung
Europa lässt Tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken. In
Frankreich findet seit Anfang Dezember ein Generalstreik gegen
Macrons Rentenreform statt. Nicht zu vergessen ist Europa das Zentrum
der globalen Klimabewegung geworden, mehrere Klimastreiks
mobilisierten Millionen von Menschen.

Im Nahen und Mittleren
Osten erheben sich ebenfalls die Volksmassen: der Libanon, der Iran
und der Irak werden von Massenprotesten erschüttert. Auch in Ägypten
gehen wieder Menschen gegen das diktatorische al-Sisi Regime auf die
Straße. Vor einigen Monaten konnten wir eine erfolglose Revolution
im Sudan sehen. Gleichzeitig sind fortschrittliche Errungenschaften
des arabischen Frühlings bedroht: Die Türkei startete vor einigen
Wochen einen militärischen Angriff auf das fortschrittliche Projekt
Rojava.

Reisen wir weiter
Richtung Asien, so kommen wir an vielen Pulverfässern vorbei:
Afghanistan und der Irak befinden sich seit über 15 Jahren im
Kriegszustand. Dem Iran droht weiterhin ein militärischer Überfall
durch die USA. Zwischen Pakistan und Indien gibt es einen
fortwährenden Konflikt um die Region Kashmir und Jammu. Und dann
bleibt noch Hongkong als Ort, wo Menschen seit Monaten auf die Straße
gehen um sich gegen die Unterdrückung durch die chinatreue Regierung
zu wehren.

Krise

Im Hintergrund all
dieser Kämpfe und Krisen steht, dass die globale Wirtschaft in eine
Rezession * rutscht und auf die nächste große Krise zusteuert.
Diese Krise ist eine Verschärfung der tieferen Krise im
Kapitalismus, welche 2008 zuletzt heftig ausbrach und die
Weltwirtschaft an den Rande des Abgrunds brachte. Die
Kapitalist_Innen stehen vor dem Problem, dass sie kaum noch
Möglichkeiten haben, ihr Kapital so zu investieren, dass ein
ausreichend großer Profit erzeugt wird. Daher geht es den
mächtigsten Ländern und Staatsverbünden um eine Neuaufteilung
dieser Welt. Sie streiten sich darum, wer Platz machen muss, damit
die anderen kapitalistischen Mächte weitermachen können, mit der
Jagd nach Profit und ewigem Wachstum. Wir nennen diese starken Mächte
imperialistisch – sie sind in der Lage bei allen möglichen
Weltfragen mitzureden und üben im gesamten Weltgeschehen Einfluss
aus. Zu diesen Ländern zählen wir hauptsächlich die USA, China,
Russland, Japan, Kanada, Australien sowie viele Staaten Europas,
allen voran Deutschland, Frankreich und Großbritannien, aber auch
Länder wie Italien oder Spanien, als schwächere Mächte.

Bei diesem Kampf um
Einflusssphären, Rohstoffe, Produktionsstandorte und Märkte wollen
dann auch Regierungen mit regionalem Einfluss mitspielen, die aber in
globalen Fragen weniger zu melden haben. Für den arabischen Raum
sind das Saudi-Arabien, die Türkei, der Iran und Israel. Sie
lavieren teilweise zwischen Großmächten und sind auf deren
Unterstützung angewiesen, während die Großmächte gleichzeitig um
diese Regionalmächte kämpfen.

Soziale Angriffe und Revolution

Die kapitalistische
Krise ist aber nicht nur mit dem Aufteilungskampf um die Welt
verbunden. Für die Kapitalisten ist klar: die Kosten der Krise
sollen einerseits ihre Konkurrenten, aber vor allem die
Lohnabhängigen, die breite Masse der Bevölkerung tragen. Daher
folgen schwere Angriffe auf soziale und demokratische
Errungenschaften. Sie bereiten einerseits die Grundlage für
Aufstände und Revolutionen, die sich gegen Regierungen und Kapitale
zur Wehr setzen, andererseits kann sich auf der Grundlage von
sozialem Abstieg auch der Rechtspopulismus bis hin zum Faschismus
breit machen.

In der ersten Reihe von
fortschrittlichen politischen Kämpfen stehen oft Jugendliche. Sie
sind weniger demoralisiert von Niederlagen und haben noch einen
längeren Lebenszeitraum vor sich, für den es zu kämpfen gilt.
Außerdem spielt immer auch der Kampf gegen Jugendunterdrückung –
sei es durch Familie oder den Staat – eine Rolle. Die Jugend ist
dabei allerdings keine eigenständige Klasse. Sie kommt aus der
Arbeiter_Innenklasse, Mittelschichten, Kleinbürger_Innentum oder
eben der Kapitalist_Innenklasse, ökonomisch ist sie meist abhängig
vom Elternhaus und zusätzlich oft auf besonders prekäre Jobs
angewiesen.

Ob ein
fortschrittlicher Aufstand oder eine Revolution erfolgreich ist,
misst sich daran, welche Kräfte die Situation zu nutzen wissen, um
dem Großteil der Bevölkerung einen Ausweg aus der Misere zu weisen
– wir würden sagen hin zu einem sozialistischen Umsturz und dem
Aufbau einer Rätedemokratie mit demokratischer Planwirtschaft. Wenn
dieses Ziel erreicht werden soll, braucht es wen des es vorschlägt
und taktische Schwachstellen des Gegners ausnutzen kann. Es braucht
also eine politische Führung für den Kampf. Dafür schlagen wir
allen militanten und fortschrittlichen Jugendlichen den Aufbau einer
Jugendinternationale vor!

Was ist das und wieso
brauchen wir das? Wie oben bereits beschrieben sind wir einem
international agierendem Gegner ausgesetzt. Die Bosse und Herrscher
sind trotz aller Konkurrenz gut gegenüber der Arbeiter_Innenklasse
organisiert und verfügen mit Geheimdiensten, Militär und
Institutionen wie Weltbank oder internationalem Währungsfonds über
mächtige Mittel Volksaufstände zu unterdrücken. Daher müssen auch
wir uns international aufstellen und organisieren. Doch wir als
Jugend können alleine nicht gewinnen. Wir besitzen nicht die Macht
die Produktion zu stoppen oder diese gar selbst zu übernehmen, auch
wenn viele von uns für wenig Geld arbeiten gehen. Daher muss eine
Jugendinternationale die Verbindung zur Arbeiter_Innenklasse suchen.
Diese braucht aus denselben Gründen wie die Jugend eine
internationale Organisation – eine Weltpartei, eine neue, fünfte
Internationale. Diese muss Kämpfe international zusammenführen und
in den jeweiligen Ländern in Aufstände intervenieren um ihnen eine
sozialistische Perspektive zu weisen.

Wir wollen das anhand
des Beispiels der chilenischen Revolution veranschaulichen.

Das Beispiel Chile

Seit Oktober befindet
sich Chile in Aufruhr. Die Proteste entzündeten sich an der
Ticketpreiserhöhung von U-Bahnen und entwickelten sich rapide weiter
bis zu den Forderungen nach einem Sturz der rechten Regierung von
Sebastian Pinera, einer Verfassungsänderung durch eine
konstituierenden Versammlung sowie umfangreichen Reformen in
Sozialversorgungssystem wie Renten und Gesundheitsversorgung.

Teile der Opposition
haben sich durch einen faulen Kompromiss mit der Regierung Mitte
November kaufen lassen: Eine Verfassungsreform soll kommen, aber erst
im April 2020. Die verfassungsgebende Versammlung soll zur Hälfte
aus Delegierten der Bevölkerung und zur anderen Hälfte aus
Parlamentsmitgliedern bestehen und mit einer 2/3 Mehrheit in einem
Volksentscheid angenommen oder abgelehnt werden. Zu Recht kritisiert
der Vorsitzende der Chilenischen Kommunistischen Partei (PC),
Guillermo Teillier, dass dieser Schlüssel den Rechten Kräften ein
Veto über die Verfassung ermöglicht.

Die breite Masse ließ
sich durch den verräterischen Kompromiss nicht blenden und geht nach
wie vor auf die Straße. Zwar haben Gewerkschaften, PC und Frente
Ampilo (linke Sammelbewegung „Breite Front“) dem Kompromiss nicht
zugestimmt – von dessen Verhandlungen sie ohnedies ausgeschlossen
waren – dennoch machen sie politische Fehler und bremsen den Kampf
aus. Sie beschränken sich letztlich auf umfassende politische und
soziale Reformen und richten sich nicht auf eine Revolution der
Arbeiter_Innenklasse aus.

Was sollte stattdessen
eine kommunistische Jugendorganisation und Partei tun? Die Lage in
Chile stellt die Machtfrage: Behalten die chilenischen
Kapitalist_Innen, Militärs und damit verbunden das Finanzkapital
imperialistischer Staaten wie den USA die Macht wie bisher, oder
übernimmt die Arbeiter_Innenklasse die Macht? Dazwischen gibt es
nichts. Solange das Kapital über die ökonomischen Mittel der
Gesellschaft bestimmen kann und den nicht wählbaren Teil des Staates
(Militär, Polizei, Geheimdienst, Justiz) kontrolliert, wird die
Bevölkerung früher oder später niedergeworfen, werden die Reformen
angegriffen. Derzeit versucht sich Pinera noch auf dem Wege fauler
Kompromisse zu halten, doch wenn der Protest seine Energie verlieren
sollte, kann schnell der entscheidende Schlag gegen ihn erfolgen.

Daher müssten sich
Kommunist_Innen auf die Mobilisierung der Arbeiter_Innenklasse
fokussieren und folgendes Programm vorschlagen:

Für
einen unbefristeten Generalstreik, der die Regierung stürzt, durch
eine Arbeiter_Innenregierung ersetzt und sich auf Räte und Milizen
der Arbeiter_Innen, einfachen Soldat_Innen und armen Bäuer_Innen
selbst stützt!

Enteignung
des Großgrundbesitzes, der Schlüsselindustrien, Banken, Bergwerke
und ausländischen Kapitale unter ArbeiterInnenkontrolle!

Für
einen massiven Ausbau von Sozialem und Infrastruktur: Kostenloser
ÖPNV, massive Erhöhung von Löhnen und Renten und der Aufbau einer
staatlichen Gesundheitsversorgung sind nur Teile dessen! – Für einen
demokratischen Plan gesellschaftlich notwendiger Arbeiten!

Für
eine verfassungsgebende Versammlung, die unter Kontrolle der
Arbeiter_Innenklasse steht! Nein zu jedem Kompromiss mit bürgerlichen
Kräften!

Zerschlagung
des bürgerlichen Staatsapparates und Ersetzung durch einen Staat,
der die Macht der Arbeiter_Innen sichert!

Sollten diese
Forderungen von der breiten Masse aufgegriffen und umgesetzt werden,
wären natürlich sofort internationale Angriffe auf die chilenische
Revolution zu erwarten. Hier kommt die Jugendinternationale und eine
kommunistische Internationale der Arbeiter_Innenklasse ins Spiel:
Ihre chilenische Sektion müsste die oben aufgeführten Punkte
aufwerfen, doch letztlich ginge es darum die Perspektive in alle
Länder, insbesondere Lateinamerikas zu tragen und die Angriffe auf
Chile in ihren eigenen Ländern mit Generalstreiks und
Massenprotesten bis hin zu weiteren sozialistischen Revolutionen zu
beantworten. Daher lautet unser Gesamtslogan für Lateinamerika:

Für die vereinigten
sozialistischen Staaten Lateinamerikas!

*Einfach gesagt ist
eine Rezession ein wirtschaftlicher „Abschwung“. Während dieser
Phase stagniert, oder schrumpft die Wirtschaftsleistung eines
Landes/Kontinents o.ä. Damit einher geht der Anstieg der
Arbeitslosenquote. Die Nachfrage (vornehmlich in der Industrie)
sinkt….




A la juventud revolucionaria de Chile!

Desde
hace varias semanas, ustedes están luchando decididamente contra la
desigualdad social y la política neoliberal del gobierno de Piñera.
Comenzando con las protestas de los estudiantes contra los aumentos
de las tarifas del metro, su oposición se ha extendido por todo el
país a un levantamiento masivo de la clase obrera y jóvenes contra
el gobierno. Vuestros llamamientos a la reversión de las reformas
neoliberales de los últimos años, al fin de la austeridad y al
derrocamiento del gobierno no sólo están justificados, sino que son
un paso necesario en el camino hacia una sociedad liberada.

El
gobierno respondió imponiendo un estado de emergencia y desplegando
las fuerzas armadas. Hemos oído que decenas de personas ya han sido
asesinadas o secuestradas, cientos han resultado heridas y miles han
sido detenidas. A pesar de esta brutal represión por parte del
Estado, vuestra resistencia es ininterrumpida, lo admiramos
profundamente. Los jóvenes siguen estando a la vanguardia de este
movimiento. Ustedes no han retrocedido ni un centímetro, y esto ya
ha dado sus frutos: Piñera se vio obligado a levantar el estado de
emergencia y anunciar reformas sociales. Incluso si no se puede
confiar en estos anuncios, demuestran que se siente acorralado.
Esperamos que puedan sacar un nuevo valor de esto para continuar la
lucha con mayor determinación.

Los
ataques neoliberales y la pobreza que
en consecuencia se agudiza
han sido una tradición en Chile desde los
años setenta.
Se les impone una política de austeridad severa,
sin tener
en cuenta las
pérdidas.
Las actuales medidas de austeridad están relacionadas con la crisis
económica mundial de 2008, cuando los capitalistas trataron de
externalizar los costos de la crisis, pero no pudieron resolver el
problema real y ahora están tratando de escapar de una amenazante
recesión
global. Una vez más, tratando de trasladar la carga a las espaldas
de la clase obrera y la juventud. Los intentos de otros países
latinoamericanos, como Venezuela, de resolver la crisis mediante una
intervención estatal más fuerte en lugar de reformas neoliberales,
se construyeron sobre arena, ya que representan un intento de
reconciliar a las clases dentro del capitalismo en
vez de
organizar a la clase obrera y a la juventud para aplastarlo.

Pero
su lucha, como nuestro movimiento climático en Alemania, es parte de
una nueva ola de luchas de clases y levantamientos de
masas
en América
Latina y en todo el mundo. Ya sea Chile, Ecuador, Cataluña, Hong
Kong, Irak o Líbano. En todas partes la clase obrera se levanta
contra los gobiernos neoliberales y de derecha. Oponemos
resistencia internacional contra las consecuencias de la crisis y los
planes de los capitalistas de hacer pagar
nuestra clase por la crisis.

Así
como el capitalismo está en crisis a nivel mundial, también lo
están los oprimidos en todo el mundo. Incluso si todavía es
demasiado pronto para las clasificaciones generales, las luchas
actuales representan un punto de inflexión y la posibilidad de un
vuelco del equilibrio de poder, contra el avance de los gobiernos de
derecha y neoliberales.

No
sólo en Chile, sino también en todos los demás países, los
jóvenes están a la vanguardia de estas luchas y están más
decididos a promover un futuro mejor. Consideramos que es una tarea
central reunir las luchas de los jóvenes y obreras y obreros en todo
el mundo. Por lo tanto, como organización juvenil, estamos
comprometidos con el desarrollo de un internacional juvenil. Aunque
los jóvenes por sí solos no puedan aplastar el capitalismo, es
importante que se organicen de forma independiente. Los jóvenes
necesitan una organización independiente, su propio programa
político y deben poder tener su propia experiencia. Junto con
ustedes y los jóvenes de todo el mundo, queremos construir una
organización juvenil revolucionaria internacional.

El
futuro pertenece a los jóvenes. Juntos
podemos ganar un mundo. ¡Alta
solidaridad internacional! ¡Por la revolución mundial y el
comunismo!