Solidarität mit den Studierenden der SOAS London!

von Georg Ismael (REVOLUTION) und Martin Suchanek (ArbeiterInnenmacht),

Die AfD fällt durch ihre rassistische Hetze offenkundig nicht nur in Deutschland auf. Gunnar Beck, AfD-Kandidat zu den Europawahlen, unterrichtet seit Jahren Rechtswissenschaft an der Londoner SOAS (School of Oriental and African Studies) und verbreitet dort reaktionäre, rassistische und geschichtsrevisionistische Positionen.

Hoffentlich nicht mehr lange! Eine Versammlung der Studierenden an der SOAS forderte am 14. Mai, Beck mit sofortiger Wirkung die Lehrbefugnis zu entziehen. Am Freitag, dem 17. Mai soll diesem Beschluss durch eine öffentliche Kundgebung unter dem Titel „Cancel Gunnar Beck: Far-Right out of SOAS“ Nachdruck verliehen werden. Die Universitätsleitung hat sich zwar von Becks politischen Ansichten distanziert, hält aber an seiner Anstellung im Namen der „Freiheit der Wissenschaft“ fest.

Wessen Freiheit?

Diese Freiheit besteht anscheinend darin, dass Beck in seinem Blog endlose geschichtsrevisionistische Litaneien von sich gibt, Kohl und Merkel des „deutschen Selbsthasses“ bezichtigt. Wie so viele seiner „KameradInnen“ will er einen rechten Schlussstrich unter die „ständige Diskussion“ über Deutschlands Vergangenheit ziehen. Wie viele aus dem rechten Lager fantasiert er über die „Einschränkung der Redefreiheit“ von RassistInnen, BestsellerautorInnen und Dauergästen in Talkshows wie Sarrazin, die nur auf die „erschreckend geringe Geburtenrate“ der Deutschen hingewiesen hätten.

Zu Recht hält die Vollversammlung der Studierenden fest, dass Becks  rassistische und rechte Gesinnung sowie die Unterstützung für eine Partei, die mit FaschistInnen und rassistischen SchlägerInnen zusammenarbeitet, nichts mit Meinungsfreiheit zu tun hat. Ihr Beschluss verweist nicht nur auf seine Gesinnung, sondern auch auf wiederholte chauvinistische, sexistische und rassistische Bemerkungen und verbale Übergriffe Becks gegenüber Studierenden, insbesondere solche aus halb-kolonialen Ländern, religiöse, ethnische und nationale Minderheiten. Einzig die bürokratischen Prozeduren der Universität verhinderten, dass sich Beck schon früher verantworten musste.

Es ist höchste Zeit, dass der Rechtspopulist Gunnar Beck Studierende mit seinem reaktionären Mist und rassistischen Pöbeleien nicht länger belästigen darf. Bezeichnenderweise erlangte der „Fall Beck“ jedoch aus einem anderen Grund öffentliche Aufmerksamkeit. Der Rechtswissenschafter nimmt es nämlich, wie die AfD in Sachen Parteienfinanzierung, selbst nicht so genau mit dem Recht, wenn es um die Zwecke des eigenen Ladens geht. Im Wahlkampfmaterial zur Europawahl präsentierte sich Beck als „Professor“ an der SOAS und als „Fachanwalt für Europarecht“. Er ist, wie ein Beitrag des Deutschlandfunks belegt, weder das eine noch das andere. Den Titel „Fachanwalt für Europarecht“ gibt es gar nicht. An der SOAS ist Beck als „Reader in Law“ beschäftigt, was in etwa einem/r DozentIn in Deutschland entspricht.

Natürlich regt sich Beck über die angebliche Hetze auf, die antirassistische Studierende und Beschäftigte an der SOAS gegen ihn veranstalten würden. Dabei hat die AfD noch vor wenigen Monaten zur Denunziation linker und antirassistischer LehrerInnen aufgerufen und Beschwerdeportale online gestellt. Das war für den Nationalisten offenkundig in Ordnung, ging es doch bei den Denunziationsplattformen darum, „vaterlandslose“ LehrerInnen an den Pranger zu stellen. Jetzt inszeniert sich Beck als „Opfer“.

Out!

Dass die Leitung der SOAS angesichts der Forderungen der Studierenden rumeiert und letztlich einen Rassisten entgegen der Interessen der Studierenden, Beschäftigten und des restlichen Lehrpersonals verteidigt, wirft auch ein bezeichnendes Bild auf die bürgerliche Wissenschaft. Während z. B. DozentInnen, LektorInnen und Studierende, die sich für die BDS-Kampagne und das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes einsetzen, mit dem Rausschmiss aus Unis bedroht werden, während Linke, die sich mit Befreiungsbewegungen solidarisieren, als „undemokratisch“ gebrandmarkt werden, müsse rechte Hetze als Bestandteil der „Freiheit“ hingenommen werden. Dieser Doppelstandard verweist nur darauf, welchem Klasseninteresse die bürgerlichen Universitäten, selbst wenn sie sich zur Zeit als „antikolonialistisch“ präsentieren, letztlich verpflichtet sind.

Dies wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass die SOAS aktuell unter dem „Sachzwang“ der zunehmenden Privatisierung und Neoliberalisierung der Bildung massive Kürzungen durchführt, die die Arbeitsplätze etlicher Beschäftigter bedrohen. Diese fallen natürlich nicht unter den Schutz der Meinungsfreiheit, wenn es nach dem Management der Universität geht. Sie sind einfach nur zu teuer.

In Wirklichkeit gibt es kein Recht auf Rassismus im Namen der Meinungsfreiheit oder der Wissenschaft – jedenfalls nicht für alle jene, die gegen Rassismus, Chauvinismus, Nationalismus und Faschismus kämpfen!

Dass die Studierenden die Entlassung von Gunnar Beck fordern, ist also kein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Sie dient vielmehr dem Schutz derer, die an der Universität lehren und lernen. Sie bringt die Solidarität mit den Geflüchteten zum Ausdruck, die im Mittelmeer sterben, mit den SüdeuropäerInnen, die unter den von Deutschland zu verantwortenden Spardiktaten leiden, und mit ArbeiterInnenbewegung, gegen die sich das „Sozial“-Programm der AfD richtet.

Die Umstände an der SOAS und die Erfahrung mit Denunziationskampagnen der AfD zeigen aber ein Weiteres auf. Wer an Schulen und Universitäten lehren kann, wer eingestellt und gefeuert wird, sollte nicht in den Händen des Managements oder des Staates liegen, der sich bei jeder Gelegenheit gegen linke AktivistInnen richtet, aber rechte HetzerInnen schützt. Die Studierenden, Lehrenden, weiteren Beschäftigten und ihre Gewerkschaft(en) sollen entscheiden, ob rassistische BrandstifterInnen an ihrer Uni lehren sollen oder nicht.

Wir solidarisieren uns mit den Studierenden der SOAS und deren antirassistischen Aktionen! Die Studierenden, Studierendenparlamente, Asten und die Gewerkschaften an den Universitäten (v. a. GEW und ver.di) fordern wir auf, den Kampf an der SOAS zu unterstützen und auch an deutschen Lehreinrichtungen eine Gegenoffensive gegen die AfD zu starten




Fridays for Future: Systemwechsel statt Klimawandel!

von Jan Hektik

Hunderttausende SchülerInnen streiken und demonstrieren Freitag für Freitag weltweit gegen die drohenden, katastrophalen Folgen des Klimawandels. Allein am 15. März, dem bislang größten internationalen Aktionstag, beteiligte sich über eine Million Jugendliche in mehr als 100 Ländern. Allein in Deutschland hatten rund 300.000 Besseres zu tun, als in die Schule zu gehen. In zahlreichen anderen europäischen Hauptstädten waren Zehntausende auf den Beinen: 50.000 in Paris, 30.000 in Brüssel, 25.000 in Berlin. Die Dynamik und die Stärken der Bewegung, ihr unglaubliches Potential liegen auf der Hand. Erstens greift sie ein reales Menschheitsproblem auf, eine der großen Überlebensfragenfragen des 21. Jahrhunderts. Zweitens agiert die Bewegung als internationale, grenzübergreifende Kraft.

Entstehung

„Fridays for Future“ entstand um die Aktivistin Greta Thunberg, die sich sehr medienwirksam gegen den Klimawandel ausgesprochen hat und PolitikerInnen regelmäßig zum entschiedenen Handeln auffordert. Ihre Initiative stieß, sicherlich für viele überraschend, weltweit auf Widerhall. Seit Monaten ist sie ständig angewachsen mit einem vorläufigen Höhepunkt am 15. März. Weitere bundesweite und internationale Aktionstage sind geplant, der nächste am 26. April. Außerdem ist für den 27. September ein weltweiter Generalstreik (Earth Strike) gegen Klimawandel im Gespräch.Damit übertrifft sie schon jetzt die Bildungsstreikbewegung vor einigen Jahren, die in Deutschland auf ihrem Höhepunkt 200.000 bis 300.000 SchülerInnen und Studierende mobilisierte. Die großen Proteste sind von einer starken Neugier und einem Willen gekennzeichnet, die Welt mit dem Wissen zu verändern, dass es bald zu spät sein könnte. Damit bietet sie unglaubliche Potentiale, vor allem, weil die führenden bürgerlichen PolitikerInnen in der Zwickmühle stecken. Einerseits sind die Ängste der Fridays-for-Future-Bewegung gut begründet. Nur fanatische und phantastische Rechte wie Trump oder die AfD können sie als „Klimaschwindel” oder Panikmache abtun – und zeigen damit einmal mehr, welches Sicherheitsrisiko diese Leute für die Menschheit darstellen. Der Mainstream der bürgerlichen Politik hingegen hat erkannt, dass die Bewegung breit aufgestellt ist, so dass man sie nicht einfach diffamieren kann. Dabei spielen Kanzlerin Merkel oder Umweltministerin Schulze ein doppeltes Spiel. Einerseits sehen sie sich gezwungen, sich positiv auf die Bewegung zu beziehen, andererseits müssen sie aber auch dafür sorgen, dass sie folgenlos bleibt. Schließlich soll der Klimaschutz die heiligen Profite der deutschen Energie- und Autoindustrie nicht gefährden. Schließlich sollen die Kosten für die Klimakatastrophe und etwaige Reparaturmaßnahmen nicht die Konzerne, sondern die Masse der Bevölkerung zahlen. Nicht die  imperialistischen Mächte, die HauptverursacherInnen der Umweltprobleme, sondern die ArbeiterInnen, BäuerInnen und die Länder der sog. „Dritten Welt” sollen die Hauptlast bürgerlicher „Umweltpolitik” schultern.

Eine Sache für Profis?

So versuchen sich PolitikerInnen wie Angela Merkel oder Lindner in einem Spagat. Sie lösen das Problem wie folgt: Während sie sich für die Ziele der Bewegung aussprechen, kritisieren sie das Fernbleiben von der Schule und versuchen den Protest über die Thematisierung von Nebensachen zu delegitimieren. So FDP-Vorsitzender Lindner: „Von Kindern und Jugendlichen kann man aber nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen, das ist eine Sache für Profis“.Eine Sache für Profis also, Herr Lindner? Was haben diese sogenannten Profis denn bitte in Sachen Klimaschutz in den letzten 50 Jahren erreicht? Nichts! Diese Profis sind entweder nicht fähig oder nicht gewillt, etwas zu ändern und wir haben keine Zeit mehr, darauf zu warten, dass auch VW erkennt, dass man auf einem zerstörten Planeten niemanden findet, der Autos kauft. Wir könnten einen Dreijährigen mit der Lösung dieser Aufgabe beauftragen und er könnte nicht weniger Sinnvolles zum Klimaschutz beitragen als die ExpertInnen und Profis des Herrn Lindner! JedeR RevolutionärIn muss Fridays for Future gegen solche bevormundenden und herabwürgenden Aussagen verteidigen! Alleine der mediale Rummel um das „Schule Schwänzen“ verdeutlicht doch, dass der Schulstreik die richtige Entscheidung war. Was sind ein paar Fehlstunden gegen die drohende Überschwemmung und Verwüstung eines Großteils der Erdoberfläche? Auch ein Lindner müsste das einsehen. Oder geht es ihm am Ende gar nicht darum, sondern um die Frage der wirtschaftlichen Interessen? Betrachten wir seine Aussage noch einmal. Was ist eigentlich dieses „Ökonomisch Machbare“? Ökonomisch machbar wäre es ja, z. B. durch die Besteuerung der Reichen, der Industrie, des Großhandels und des Finanzkapitals – also der HauptverursacherInnen der drohenden Klimakatastrophe – den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und des Fernverkehrs auf Schienen voranzutreiben und deren Benutzung kostenlos zu machen. Würde man alleine die großen Konzerne und die GroßvermögensbesitzerInnen massiv besteuern, wären Milliarden und Abermilliarden verfügbar. Solche Maßnahmen, die sich gegen das Kapital richten, gelten Herrn Lindner als fleißigem Lobbyisten der Besserverdienenden freilich als „ökonomisch nicht machbar”. Er ist nicht schlauer als die SchülerInnen, die jeden Freitag auf die Straße gehen. Er und die gesamte bürgerliche Elite vertreten vielmehr ganz andere Interessen, nämlich die all jener, die von einem Wirtschaftssystem profitieren, das die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen zerstört, den von Menschen verursachten Klimawandel in beängstigendem Tempo voranschreiten lässt.

Kohlekommission und Konzerninteressen

Und um zu verdeutlichen, dass für die deutsche Regierung die Interessen des Großkapitals wichtiger sind als die Frage der Umwelt, werfen wir einen kurzen Blick auf die sog. Kohlekommission. Allein die Bewertungsmaßstäbe machen schon deutlich, woher der Wind weht. Es werden hier folgende Maßstäbe nebeneinander angesetzt: „Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit (Bezahlbarkeit, Wettbewerbsfähigkeit, Energieinfrastruktur, Planungs- und Rechtssicherheit.) Das Ding ist jetzt aber Folgendes: Natürlich hat auch die normale Bevölkerung ein grundsätzliches Interesse an Versorgungssicherheit, Energieinfrastruktur und einer gewissen Planungs- und Rechtssicherheit. Aber de facto sind dies alles Umschreibungen für die Frage der Wirtschaftlichkeit (= Gewinnträchtigkeit, Profitabilität) aus Sicht der Konzerne. Die Stromversorgung der Bevölkerung ist nicht gefährdet, wenn der Stromverbauch der Konzerne verteuert wird, wenn Subventionen gestrichen werden, erst recht nicht durch einen geplanten und gezielten Ausstieg aus umweltschädlicher Energieproduktion (Kohle, Kernkraft). Im Gegenteil, die Wettbewerbsfähigkeit, die zunehmende Konkurrenz und Marktwirtschaft, der Kampf um Profite führen zu größerer Unsicherheit der Versorgung – und zugleich zu größerer Umweltunverträglichkeit. Konkret hat die Kohlekommission den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung für 2 Jahrzehnte „gestreckt”, die Energiekonzerne großzügig entschädigt – und das mit Zustimmung aller Regierungsparteien, aber auch von Grünen, FDP und Naturschutzorganisationen wie NaBu und BUND!

Was wird gebraucht?

All diese Beispiele verdeutlichen, dass die Umweltfrage die nach der Organisation der Wirtschaft aufwirft. Niemand kann leugnen, dass die Rettung der Umwelt international geschehen muss, keine noch so grüne nationale Wirtschaftspolitik kann erfolgreich sein. Weiterhin wirft es die Frage auf, welche Interessen und Bedenken zu berücksichtigen sind. Für die deutsche Regierung sind dies offensichtlich die Profite der Großkonzerne. Dies zeigt vor allem eines: auch wenn die Linke sich immer mehr von Klassenpolitik verabschiedet, die Regierung tut dies nicht! Und eine Bewegung, welche die Klimakatastrophe stoppen will, muss sich deshalb auf Klassenpolitik stützen. Die Verantwortlichen werden auf keine Apelle, Bitten oder Ähnliches reagieren. Klimaschutz muss erkämpft werden – oder er wird nicht stattfinden! Hierfür wäre auch ein gemeinsamer Kampf von Fridays for Future und anderer Umweltbewegungen mit den Gewerkschaften nötig. Um die Macht der Konzerne zu brechen und eine vernünftige, an den Interessen der Masse der Bevölkerung orientierte Politik durchzusetzen, braucht es nicht nur Demonstrationen und befristete Streiks an Schulen und Unis. Wir brauchen politische Massenstreiks, um die entschädigungslose Enteigung der Energiekonzerne, der Großindustrie, des Verkehrswesens und anderer zentraler Teile der Wirtschaft unter ArbeiterInnenkontrolle durchzusetzen. Nur so kann ein nachhaltiger Plan zur Reorganisation der Produktion im Interesse von Mensch und Umwelt durchgesetzt werden. Gleichzeitig kann ein effektiver Klimaschutz nur stattfinden, wenn auch Alternativen geschaffen werden. Ein ausgebauter kostenloser öffentlicher Nahverkehr, die Verlagerung der Produktion nach der Maßgabe, Transportwege zu kürzen, die Offenlegung der Geschäftsgeheimnisse und Patente sind notwendige Maßnahmen, dies zu garantieren. Vor allem in der Frage umweltfreundlicher Produktion ist der Kapitalismus mit seinen Patenten und der Konkurrenz um Technologie, Marktanteile und Profite ein Hemmnis, welches verhindert, dass die weltweite Produktion unter den technisch besten und umweltfreundlichsten Bedingungen stattfinden kann. Zweifellos muss für Reformen, erste Schritte und unmittelbare Maßnahmen bereits im Kapitalismus gekämpft werden – eine endgültige Lösung bietet jedoch nur eine weltweite demokratisch organisierte Planwirtschaft.

Was fordert Fridays for Future?

Wenn es um die Frage des Kapitalismus, der Ursachen der Umweltprobleme geht, zeigen sich jedoch auch die Schwächen von Fridays for Future, die wir überwinden wollen und müssen. Zur Zeit sehen wir wenig davon in der Bewegung. Viele der Aktionen und Demonstrationen beschränken sich auf Appelle an „die PolitikerInnen“, die Parlamente, Regierungen und internationale Institutionen  wie EU, UNO. Politisch betrachtet entspricht das der Politik der Grünen! Die Entscheidungen in Fridays for Future werden überwiegend von Mitgliedern der Grünen, des BUND, des NaBu, von Greenpeace oder anderen NGOs getroffen. Ein Bündnis mit den Gewerkschaften oder überhaupt einen Bezug auf die ArbeiterInnenklasse streben diese Kräfte nicht an und die Führung von Fridays for future versucht mit Flyerverboten und gezieltem Vorziehen der NGO-Mitglieder auf Ortsgruppentreffen die Kontrolle über die Bewegung zu behalten. Diese undemokratische und ausgrenzende Politik stößt auch bei vielen AktivistInnen auf Unmut. Damit dieser nicht verpufft, treten wir für demokratische Strukturen für alle UnterstützerInnen von Fridays for Future, für eine offene politische Diskussion über die Strategie und Zukunft der Bewegung ein. Zur Zeit ist die Bewegung zwar von linksbürgerlichen und kleinbürgerlichen Kräften geführt. Aber das muss nicht so sein. Die Grünen haben in den letzten Jahren immer wieder bewiesen, dass ihre Umweltpolitik vor allem kapitalverträglich sein soll. Heute betrachten sie die Bewegung als Mittel, möglichst viele Stimmen bei den EU-Wahlen abzugreifen und geben sich als UnterstützerInnen der Bewegung. Doch gestern erst haben sie dem Kohlekompromiss zugestimmt. Nach dem Ende der Großen Koalition im Bund bilden sie womöglich mit CDU/CSU die nächste Regierung. Solche Kräfte dürfen nicht bestimmen, wer welche Fahne bei den Demos trägt und welche politische Richtung sie einschlägt. Von einem Kampf gegen den Kapitalismus wollen die Grünen und die NGOs längst nichts mehr wissen. Diese Politik steht letztlich im Widerspruch zu den Interessen von Millionen aktiven Jugendlichen. Daher treten wir für eine klassenkämpferische, antikapitalistische Perspektive ein und tragen diese in die Bewegung. Alle Kräfte, die das auch wollen, sollten sich dazu zusammenschließen, um Fridays for Future zu demokratisieren, Basisstrukturen an den Schulen aufzubauen und aktiv Bündnisse mit den Gewerkschaften zu suchen. In Ländern wie Belgien und Frankreich haben Gewerkschaften zu den Streiks aufgerufen – das brauchen wir auch in Deutschland! Denn wenn wir den Klimawandel wirklich stoppen wollen, dürfen wir nicht nur seine Auswirkungen bekämpfen, wir müssen seine Ursache angehen – und die heißt Kapitalismus!

 

Unsere Forderungen lauten deswegen wie folgt:

  • Systemwechsel statt Klimawandel!
  • Entschädigungslose Enteignung und Verstaatlichung der Energiekonzerne und ihrer Netze unter ArbeiterInnenkontrolle!
  • Organisierter Ausstieg aus der Stromerzeugung mittels hergebrachter atomarer Kernspaltung und Verbrennung von fossilen Energieträgern! Weiterbeschäftigung der Kraftwerksbeschäftigten zu gleichen Löhnen und Bedingungen!
  • Einheitlicher Tarif für alle Beschäftigten in dieser Branche (Kohle, Atom, Windenergie etc.)!
  • ArbeiterInnenkontrolle über Betrieb, Planung und Forschung unter Hinzuziehung von ExpertInnen, die das Vertrauen der Klasse genießen!
  • Offenlegung der Geschäftsgeheimnisse, nicht nur der wirtschaftlichen, sondern auch der technischen (Patente…) und damit Aufhebung der Konkurrenz darum!
  • Weg mit den Rezepten des „grünen“ Kapitalismus und dem EEG-Flickwerk (Zertifikate, Ökosteuer, EEG-Umlage, Stromsteuer)! Finanzierung des Kohleausstiegs durch progressive Steuern auf Einkommen, Vermögen und Gewinne statt indirekter Massensteuern!
  • Energiewende heißt: integrierter Plan, der auch Verkehr, Landwirtschaft und Industrie umfasst, nicht nur den Stromsektor!
  • Für ein Forschungsprogramm, bezahlt aus Unternehmensprofiten zur Lösung der EE-Speicherproblematik!
  • Für einen rationalen Verkehrsplan! Ausbau des ÖPNV statt der Sackgasse Elektro-PKW! Güter und Menschen bevorzugt auf die Schiene!
  • Weltweiter Plan zur Reparatur der Umweltschäden und Angleichung der Lebensverhältnisse!



Europawahl 2019: EU-Krise goes Wahlkabine – 6 Fragen und 6 Antworten

von Alex Metzger

Was ist das eigentlich diese Europawahl und hat das überhaupt irgendeine Bedeutung?

Am 26.Mai wird nach 5 Jahren wieder ein neues EU-Parlament gewählt. Das EU-Parlament ist neben dem Ministerrat und der EU-Kommission eine von mehreren Institutionen der EU, wobei allein das EU-Parlament direkt gewählt wird. Wie bei allen Wahlen im Kapitalismus bleibt uns aber auch hier nicht viel mehr übrig, als alle paar Jahre irgendwo ein Kreuz zu machen und zu hoffen, dass die gewählten Parteien wenigstens ein bisschen weniger Scheiße bauen, als die die vorher an der Regierung waren. Eigene Ideen einbringen und das System grundlegend in Frage stellen? Fehlanzeige! Noch dazu sind die Möglichkeiten der Fraktionen im EU-Parlament, sich politisch durchzusetzen, aufgrund eines komplizierten Gesetzgebungsverfahrens zusätzlich sehr eingeschränkt. Ebenso dürfen sehr viele Menschen, die in EU-Staaten leben, wie zum Beispiel Jugendliche unter 18 Jahren oder Geflüchtete, überhaupt nicht an der Wahl teilnehmen Scheiß egal sind die EU-Wahlen im Mai aber trotzdem nicht, denn wir können daran sehr viel über den aktuellen Status der EU und die bestehenden Kräfteverhältnisse ablesen und uns Gedanken machen, wie wir etwas verändern können.

 

In welcher Situation steckt die EU denn gerade?

Die EU steckt in einer tiefen Krise und es ist unmöglich, dass die kommenden Wahlen sie da rausholen könnten. Das liegt daran, dass die EU-Krise selbst nur eine Folge der globalen Wirtschaftskrise ist, die Profite der internationalen Unternehmen schrumpfen ließ und den Konkurrenzkampf um das, was noch übrig geblieben ist, angefeuert hat. Die EU selbst ist kein eigener Staat sondern nur ein Bündnis zwischen verschiedenen miteinander konkurrierenden Ökonomien, die nach langen Jahren des Wachstums und der Stabilität jetzt in der Krise die Krallen ausfahren.
Dass die EU in der Krise steckt, erkennen wir zum Beispiel daran, dass in fast allen EU-Mitgliedsstaaten europafeindliche Parteien wachsen und mehr Stimmen bekommen. Während in Südeuropa Millionen Menschen in Arbeitslosigkeit und Armut getrieben wurden, haben in Nordeuropa viele kleinere Unternehmen Angst, durch den freien Warenverkehr innerhalb des EU-Binnenmarktes von den großen Unternehmen plattgemacht zu werden und sind enttäuscht, dass mit den EU- Geldern nicht sie gerettet wurden sondern die Banken. Jugendliche und Lohnabhängige haben die Krise durch europaweite Privatisierungen Entlassungswellen und Sozialkürzungen besonders hart zu spüren bekommen. Die EU ist also von vielen Rissen – zwischen Nord und Süd, zwischen binnenmarkt- und exportorientierten Unternehmen und besonders zwischen Arbeiter_innen und Kapital – durchzogen und kann entlang dieser Risse schnell gänzlich auseinanderreißen. Der Brexit hat uns gezeigt, wie präsent diese Gefahr ist und hat die Krise zusätzlich verschlimmert. Hinzu kommt, dass der Druck international beispielsweise durch einen US-Präsidenten Trump, der die EU erstmals in ihrer Geschichte als einen „Feind der USA“ bezeichnet hat, erheblich gewachsen ist.
Die beiden Führungsmächte der EU, Deutschland und Frankreich, haben es nicht gebacken bekommen, sich auf eine einheitliche „Europastrategie“ zur Bewältigung dieser Krise zu einigen. Gemeinsame Projekte
zur Vereinheitlichung der EU wie die EU-Armee, eine koordinierte europäische Finanzpolitik oder auch eine gemeinsame europäische Migrationspolitik wurden in den Sand gesetzt. Das liegt auch daran, dass sich nicht mal ihre eigenen Regierungen im Zuge der Krise auf eine europäische Strategie einigen konnten: Während die Groko im Dauer- Koalitionsstreit steht, ist Macron damit beschäftigt, seine Gelbwesten zu bekämpfen.

Wer hat denn in der letzten Periode das EU-Parlament regiert?

Die letzten 5 Jahre hatten die „EVP: Europäische Volkspartei“ (da steckt die CDU drin) und die „Progressive Allianz“ (da steckt die SPD drin) mit 54 Prozent die ehrheit im EU-Parlament. Die EVP steht in ihrer Zusammensetzung sogar noch weiter rechts als die CDU und treibt die neoliberale Sparpolitik federführend mit an. Sie steht für Privatisierungen, Deregulierung, Festung Europa und einem freien innereuropäischen Markt. Nach den jüngsten Debatte wurde der Ausschluss der ultra-rassistischen ungarischen Fidesz unter Victor Orban erst einmal nur auf Zeit beschlossen und brachte der EVP in den Umfragen weitere Stimmeinbußen durch ihre rechten Wähler_innen ein. Sie wird wohl als Verliererin aus der kommenden Wahl hervorgehen. Doch auch die Sozialdemokrat_innen haben sich mit allem anderen als mit Ruhm bekleckert. In ganz Europa haben sie die neoliberale Politik mitgetragen und somit dafür gesorgt, dass ihre lohnabhängigen Stammwähler_innen ihnen nicht mehr vertrauen. Auch sie haben die „EU-Schuldenbremse“ unterstützt und
Südeuropa in Abhängigkeit und Armut gestürzt. Auch sie haben Privatisierung und Sozialkürzungen selbst mit durchgesetzt. Auch sie haben der Industrie geholfen, unbefristete Arbeitsverträge und gute Jobs gegen Arbeit im Niedriglohnsektor und gegen befristete Arbeitsverhältnisse einzutauschen.Anstatt sich in der Wirtschaftskrise und der zunehmenden Migration in die EU klar links zu positionieren, Antirassismus mit Sozialpolitik zu verbinden und auf die Nöte der Menschen mit ordentlichen Konzepten zur sozialen Absicherung und einer Politik der offenen Grenzen zu antworten, haben sie nur politische Zugeständnisse an die Industrie, die Banken und die Rechten springen lassen. Dass nun die noch rechteren Parteien im Aufwind sind, ist das direkte Resultat dieser Politik. Perspektivlosigkeit und Abstiegsängste führen in ganz Europa dazu,
dass Leute diesen in die offenen Arme laufen. Doch anstatt die Wurzel des Problems anzugreifen, haben die „Volksparteien“ versucht, ihre Wähler_innen bei sich zu halten, indem sie selber weiter nach rechts gerutscht sind. Dabei sind die Abschottung der EU, die Kriminalisierung von Seenotrettungen, Deals mit Diktaturen und der massive Ausbau der europäischen Grenzschutzagentur Frontex nur Facetten dieser Entwicklung. Gewaltsame Übergriffe auf Geflüchtete, Muslim_innen, Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma und Frauen haben überall massiv zugenommen. Auch mit der Etablierung autoritärer Polizeistaaten unter dem Vorzeichen des „Kampfes gegen den Terrorismus“ wurde bereits begonnen. Brutalere Polizeigesetze und autoritärere Justizreformen richten sich nicht nur gegen „Minderheiten“ sondern auch unmittelbar gegen die demokratischen Rechte der Aktivist_Innen, die gegen die Politik der EU und ihrer einzelnen
Mitgliedsstaaten auf die Straße gehen.

Und was ist nach den kommenden Wahlen zu erwarten?

Da die internationale Konkurrenz tendenziell nicht abnimmt sondern stärker wird, werden sich diese Trends verstärken. Ebenso ist zu erwarten, dass die Außenpolitik der Union deutlich an Aggressivität zunehmen wird. Auch wenn das Projekt einer EU-Armee erst einmal auf die Auswechselbank gesetzt wurde, wird die EU früher oder später auf die immer aggressiver werdende Politik von Trumps US-Imperialismus mit einer eigenen aktiven Außenpolitik antworten müssen. Die Aufstockung der Militärausgaben auf 2% des BiP(Nato Vorgabe) sind ein erster Schritt dahin.
Angefeuert werden Militarismus, Rassismus, Abschottung und Sozialkürzungen durch den Rechtsruck. Die europäischen „Volksparteien“ werden zwar für ihre verfehlte Politik mit massiven Stimmverlusten bestraft werden, doch gewinnen werden die Rechten. In Italien liegt Salvinis rassistische „Lega“ in Umfragen derzeit mit 32,4 Prozent als stärkste Einzelpartei des Landes vorn. Ähnlich ist das Bild in Frankreich, wo Le Pens ultra-rechte „Ressemblement National“ aktuell mit 22 Prozent knapp vor Macrons liberaler „En Marche“ an erster Stelle liegt. InPolen kann die regierende nationalkonservative PiS mit 40 Prozent rechnen. Selbst in Schweden würden die rechtsnationalen „Schweden Demokraten“ aktuell mit knapp 20 Prozent zweitstärkste Partei. Die AfD schaffe es laut Umfragen auf 12 Prozent der Stimmen. Momentan wird die rechte Fraktion im EU-Parlament (ERK) von der englischen Conservative Party(Tories) und der polnischen PiS angeführt. Beide verfügen jeweils über ca. 40 Prozent der Sitze in der Fraktion. Eine komplette Neuaufstellung der EKR als gesamte Fraktion ist nach den Wahlen zu erwarten. Vor allem auch aufgrund der ideologischen Nähe zu anderen rechten Fraktionen im Europaparlament, insbesondere der ENF (Europa der Nationen und Freiheit). In der ENF finden sich nämlich neben Marine Le Pens RN(Ressemblement National)auch die italienische „Lega Nord“ und Österreichs rechte Regierungspartei FPÖ. Insgesamt wird für die europäische Rechte(EKR) ein Wahlergebnis von ca. 12,5 % erwartet, die ENF klettert auf knapp 11 Prozent(Stand 07.04). Die Stimmen würden für eine Koalition aus Liberalen, Konservativen und Rechten locker reichen.

Gibt es denn keine Linken, die den Rechten ein bisschen die Stirn bieten könnten?

Tatsächlich hat die Krise auch linken Bewegungen einen kleinen Aufschwung gegebenen. Podemos erreichte bei Parlamentswahlen in Spanien über 20 Prozent der Stimmen und auch Melenchons „La France Insoumnise“ erreichen in Wahlen mindestens 18 Prozent. Diese linkspopulistischen Bewegungen haben sich von der „Europäischen Linken“ abgespalten und treten dieses Jahr erstmals unter dem Namen „Maintenant le Peuple“ zur Europawahl an. Neben Forderungen nach höheren Löhnen und staatlichen Investitionen wollen sie den Kampf des Volkes gegen die bösen „internationalen Eliten“ führen – also Volkspolitik statt Klassenpolitik machen. Dass das ein großes Problem ist, sehen wir unter anderem daran, wenn Melenchon im EU-Parlament erzählt „Jedes Mal, wenn ein eingewanderter Arbeiter ankommt, stiehlt er das Brot der dort beheimateten Lohnabhängigen“. Statt internationaler Klassensolidarität fördern die Linkspopulist_innen ein nationales und teilweise sogar rassistisches Bewusstsein und passen sich damit an den Rechtsruck an. Doch auch die „Europäische Linke“ hat beispielsweise mit der griechischen Partei „Syriza“, die an der Regierung das Streikrecht eingeschränkt, EU-Spardiktate umgesetzt und die Renten gekürzt hat, so einige Leichen im Keller. Die dritte linke Partei, die den zu den diesjährigen Europawahlen antritt, nennt sich „DiEM25“ und wird vom früheren griechischen Finanzminister Gianis Varoufakis angeführt. Sie vertritt ein eher linksliberales Programm und fordert hier und da ein wenig mehr Demokratie auf EU-Ebene ohne jedoch für tiefgreifende soziale Reformen einzutreten.
Alle 3 Parteien sind sich jedoch einig, dass man die Probleme der EU, der Lohnabhängigen, der Schuldenkrise und der Geflüchteten mit Reformen lösen könne. Die einen sehen die EU als beste Plattform für diese Reformen, die anderen den Nationalstaat. Auf die Idee, den Kapitalismus als Ursache all dieser Probleme abzuschaffen, ist leider kein_e von ihnen gekommen.

Also lieber gar nicht wählen?

Das Wahlrecht ist eine große Errungenschaft, die sich die Arbeiter_innenbewegung blutig erkämpfen musste. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung und selbst wenn unsere Stimmen kaum etwas ändern werden,
wäre es Schwachsinn, diese Errungenschaft wegzuwerfen. Wir dürfen nur nicht beim Kreuzchenmachen stehen bleiben! Gewerkschaften, linke Parteien, soziale Organisationen und wir Jugendlichen aus ganz Europa müssen uns zusammenschließen und den Angriffen kollektiv die Stirn bieten! Gegen den europaweiten Rechtsruck, die zunehmende Konkurrenz, den Sozialabbau und die Abrieglung der Außengrenzen brauchen wir auch einen europaweiten Abwehrkampf und kein Zurück zum Nationalstaat. Die EU als Institution bleibt trotzdem undemokratisch, militaristisch, rassistisch, neoliberal und scheiße. Wir wollen deshalb keine kapitalistische EU und auch keinen kapitalistischen Nationalstaaten sondern die „Vereinigten sozialistischen Staaten von Europa“! Da dieses Modell gerade nicht zur Debatte steht rufen wir euch auf, am 26.5. „die Linke“ zu wählen. Nicht weil wir die toll finden, sondern weil sie von den fortschrittlichsten Teilen der Arbeiter_innen-, Antira- und Ökologiebewegungen unterstützt wird und wir sie in die Verantwortung bringen wollen, ihre Forderungen auch in der Praxis umsetzen zu müssen.



Gegen die europäische Urheberrechtsreform!

Von REVOLUTION Austria

Die geplante Reform des europäischen Urheberrechts hat, wie kaum ein anderes Thema auf europäischer Ebene zuvor, ungemein polarisiert. Am Samstag gingen europaweit Menschen auf die Straße um gegen die Reform zu protestieren. Allein in Deutschland waren über 160.000 Menschen auf der Straße und auch in Österreich waren es mehrere Tausend, die ihre Wut auf den Straßen Ausdruck verliehen. Die Situation spitzt sich aber weiter zu, denn am Dienstag soll die finale Abstimmung im europäischen Parlament stattfinden, die wegweisend sein wird für die Entwicklung des Internets. Doch worum geht es in der Urheberrechtsreform und vor allem wieso stellt sie einen großen Angriff auf das Internet dar?

Der Protest richtet sich vor allem gegen Artikel 11 und Artikel 13 der europäischen Urheberrechtsreform. Artikel 11 bzw. das Leistungsschutzrecht für Presseverleger*innen sieht vor, dass jegliche Nutzung und Verbreitung von Bild- und Pressematerial nur mit Lizenz der jeweiligen Presseverleger*innen möglich sein soll. Selbst kleinere Textausschnitte wie die Vorschautexte, die bei Links angezeigt werden, wären laut dem aktuellen Entwurf nicht mehr ohne Lizenz nutzbar. Während die Idee dahinter ist, dass News-Aggregatoren wie bspw. Google News stärker zur Kassa gebeten werden, unterscheidet der Entwurf nicht ob es sich um eine kommerzielle Nutzung und Verbreitung handelt oder nicht. Selbst kleinere Seiten und Privatpersonen dürften dann nicht mehr auf sozialen Netzwerden wie Facebook, Twitter und dergleichen zu Presseartikel verlinken, zumal diese ja wiederum Vorschautexte enthalten und damit eine Verletzung des Urheberrechts darstellen. Nicht nur zeigen ähnliche Gesetze, wie es sie schon in Deutschland und Spanien gibt, dass lediglich größere Verlage  davon profitieren während gleichzeitig kleinere Verlage durch die geringere Sichtbarkeit systematisch verdrängt werden, würde es auch letztlich zu einer Konzentrierung von Informationen auf große Konzerne wie Google bedeuten, da diese zu den wenigen gehören, die die finanziellen und technischen Ressourcen haben um den Anforderungen von Artikel 11 zu entsprechen. Vor allem stellt das aber auch einen immensen Angriff auf die Informations- und Meinungsfreiheit im Netz dar, der klar abzulehnen ist.

Artikel 13 wiederum sieht vor, dass größere Netzwerke wie bspw. YouTube haftbar gemacht werden, sobald auf ihren Plattformen Urheberrechtsverletzungen stattfinden. Dementsprechend müssen sie bereits vor dem Upload von Bildern, Musik, Videos etc. kontrollieren ob es sich bei diesen um Urheberrechtsverletzungen handelt. Mit anderen Worten heißt das nichts anderes als die Implementierung von Upload-Filtern. Zwar wurde der Begriff Upload-Filter nach Protesten aus dem Entwurf entfernt, aber eine andere technische Möglichkeit gibt es aktuell nicht, die riesigen Mengen an Daten im Voraus auf Urheberrechtsverletzungen zu kontrollieren. Zudem können Upload-Filtern kaum unterscheiden in welchem Kontext urheberrechtlich geschütztes Material genutzt wird – Journalistische Aufarbeitung, Reviews, Satire etc. (die laut dem Entwurf zwar weiterhin erlaubt sein sollen) wären auch betroffen, da aktuelle künstliche Intelligenzen wohl kaum unterscheiden können wie das Material genutzt wird. Einfacher gesagt: Wie soll ein Computer zwischen Humor und Satire unterscheiden, wenn schon Menschen im Internet übliche Memes nicht immer verstehen. Die Kritik ist eine ähnliche wie bei Artikel 11. Auch wenn Großkonzerne wie YouTube sicherlich großen Schaden davonnehmen, weil sie weitaus weniger Content anbieten können, wird Artikel 13 zu einer stärkeren Monopolisierung führen. Kleinere Plattformen, die die technischen Mittel nicht besitzen, wären auf Technologien von Großkonzernen angewiesen und auch kleinere Medienschaffende selbst hätten letztlich weitaus weniger Mittel um kreative Inhalte zu produzieren. Junge Menschen, die wenig finanzielle Mittel haben um überhaupt an Lizenzen heranzukommen, werden damit auch fast komplett ausgeschlossen.  Auch wenn oft mit kleinen Kunstschaffenden, deren Inhalte auch geschützt werden sollte, argumentiert wird, ist klar, dass Großkonzerne und ohnehin schon berühmte und stinkreiche Stars am meisten von einem strengeren Urheberrecht profitieren.

Seitdem die EU-Kommission den Entwurf zur Urheberrechtsreform vorgestellt hat, hagelt es an Kritik. Die europaweit größte Petition überhaupt mit über 5 Millionen Unterschriften zur Abschaffung von Artikel 11 und 13 zeigen dies mehr als deutlich. Selbst das deutschsprachige Wikipedia hat für einen Tag seinen Dienst eingestellt um auf die Kritik an der Urheberrechtsreform zu verweisen. Die Reaktion der EU-Politiker*innen zeigen aber auch deutlich wie fern sie der Lebensrealität der meisten Menschen stehen und wie wenig demokratisch dieser ganze Prozess ist.  Politiker*innen wie der federführende Axel Voss (CDU), die in Interviews ständig zur Schau stellen, wie wenig Ahnung sie vom Internet haben, entscheiden fern jeglicher demokratischer Kontrolle – Profitinteressen und Lobbyarbeit stehen dabei mehr als deutlich im Vordergrund. Die Kritik wird reduziert auf angebliche Bots, die die Petition unterschrieben hätten, genauso wie junge Menschen, die größtenteils den Protest tragen, abgesprochen wird eine eigene politische Meinung zu haben und kaum ernst genommen werden.

Als Kommunist*innen lehnen wir das Urheberrecht bzw. den Besitz an geistigem Eigentum, ähnlich wie den privaten Besitz an Produktionsmittel, ab. Informationen, Ideen, Kunst, Musik, Videos etc. müssen frei von Besitzansprüchen der breiten Masse zugänglich sein. Anstatt zu argumentieren, dass Künstler*innen und Medienschaffende ihr geistiges Eigentum schützen müssen um zu überleben bzw. auch weiterhin ihrer Arbeit nachgehen zu können, müssen alle Menschen den Zugang haben, Kunst und Medien unabhängig von finanziellen Sorgen frei schaffen zu können. Dies ist aber nicht möglich ohne die Eigentumsverhältnisse und die allgemeine Wirtschaftsweise, sprich den Kapitalismus in Frage zu stellen. Künstlerische und kreative Freiheit kann erst dann komplett erblühen, wenn sie sich von den Fesseln der kapitalistischen Produktionsweise entledigt. Daher ist für uns klar, dass der Kampf dafür mit dem Kampf gegen den Kapitalismus einhergehen muss.




Frauenvolksbegehren: Ein Weg zur Emanzipation?

von Aventina Holzer, Revolution Österreich, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Das Frauenvolksbegehren wurde in Österreich zur Abstimmung vorgebracht und sammelte letztes Jahr 481.959 Stimmen. Es beinhaltet viele positive Forderungen: von der schrittweisen Einführung einer 30-Stundenwoche über den Ausbau von Kinderbetreuung und Abtreibung mit vollständiger Kostenübernahme durch die Krankenkasse bis zur Anerkennung von frauenspezifischen Fluchtgründen. Wir befürworten daher die Unterstützung dieses Volksbegehrens. Gleichzeitig haben wir auch Kritik an dem Verfahren, denn aktuell sieht es so aus, dass die Initiative im Nichts zu verpuffen droht. Die Frage ist deshalb für Kommunist*innen, wie man sich in diesem Spannungsverhältnis zwischen (großteils) fortschrittlichen Forderungen und gleichzeitig sehr gemäßigter Politik verhalten soll. Kann ein Volksbegehren überhaupt etwas bezwecken? Wir möchten an dieser Stelle eine seiner kontroversen Forderungen und die nötigen Perspektiven zur Frauenbefreiung diskutieren.

Quoten als Lösung?

Gerade Kommunist*innen stehen für die Gleichberechtigung von Frauen ein, aber unsere konkreten Forderungen unterscheiden sich dennoch vom Frauenvolksbegehren. Hier wird gefordert, dass die Hälfte aller Wahllisten und Vertretungsgremien der politischen Interessensvertretungen und der Sozialpartnerschaftsinstitutionen von Frauen besetzt wird. Zusätzlich sollen innerhalb der Kontroll- und Leitungsgremien von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften dieselben Kriterien erfüllt werden. Die Begründung ist, dass Frauen einen großen Teil der Bevölkerung ausmachen, dieser aber wenig in den Institutionen widergespiegelt wird. In einer repräsentativen Demokratie wäre das aber dringend notwendig. Deswegen müssten also Quoten sich dieser Aufgabe der gleichberechtigten Vertretung annehmen.

Es ist in den allermeisten Fällen egal, ob die Person, die uns ausbeutet, ein Mann oder eine Frau ist. Die Frauenbewegung sollte sich nicht an der Verwaltung des Kapitalismus beteiligen. Deshalb fordern wir die Verstaatlichung der Betriebe unter Kontrolle der Arbeiter*innen. Wir wollen nicht „politisch korrekt“ unterdrückt werden, sondern die Unterdrückung ganz abschaffen.

Aber natürlich ist das nicht die alleinige Antwort auf die Forderung nach Quoten. Speziell in den Massenorganisationen der Arbeiter*innenklasse, also Gewerkschaften oder politischen Organisationen, ist Quotierung wichtig. Denn auch die fortschrittlichste Bewegung ist nicht frei von Sexismus und anderen Unterdrückungsmechanismen. Um das tatsächliche Potenzial der Gruppen auszuschöpfen, müssen Frauen (und auch andere unterdrückte Gruppen) gemessen an ihrem Mitgliederanteil in Gremien vertreten sein. Eine Quote, kann dabei ein Mittel sein, um die Repräsentation von Frauen zu erhöhen. Daneben müssen wir aber auch, um die Beteiligung von gesellschaftlich Unterdrückten zu fördern, diese gezielter schulen und fördern, von technischen Aufgaben befreien, ihnen das Recht auf einen selbstbestimmten Schutzraum (Caucus) geben. Zudem müssen auch Menschen, die nicht unterdrückt werden wie Männer, in die Verantwortung gebracht werden, über ihre Sozialisierung zu reflektieren.

Insofern sehen wir den Anspruch des Frauenvolksbegehrens in dieser Frage als berechtigt an, halten aber die Lösung nicht für ideal. Die Frage von Quotierung muss mit einem klaren Klassenstandpunkt verbunden werden. Sonst dient diese im Endeffekt nicht mehr den arbeitenden Frauen, sondern einem (weiblichen besetzten) Teil des Kapitals. Es wird nämlich der tatsächliche Ursprung (oder zumindest Reproduktionsmechanismus) für Ungleichheit verschleiert: das kapitalistische Wirtschaftssystem. Deshalb muss man für tatsächliche Gleichberechtigung auch erstmal eine neue ökonomische Basis schaffen und das jetzige Wirtschaftssystem hinter sich lassen.

Aber es muss auch klar sein, dass – egal wie sehr wir kämpfen – uns unsere Rechte jederzeit wieder weggenommen werden können. Der Kapitalismus als Ursache der Frauenunterdrückung muss überwunden werden. Und das geht nur als kämpfende Bewegung der Arbeiter*innenklasse. Viele der Punkte im Frauenvolksbegehren müssen essentielle Forderungen einer solchen Bewegung sein, die auf ihre eigene Stärke vertraut statt auf den bürgerlichen Staat. Aber leider bricht der kleinbürgerliche Charakter des Frauenvolksbegehrens doch immer wieder mit den Interessen der Arbeiter*innenklasse. Deshalb müssen wir die Menschen überzeugen, einen Schritt weiterzugehen. Denn echte Frauenbefreiung wird es erst geben, wenn die Dystopie des „freien Marktes“ endlich auf dem Müllhaufen der Geschichte landet.

Was bezwecken Volksbegehren?

Ein erfolgreiches Volksbegehren hat als solches genommen nicht viel mehr Konsequenzen, als dass im Nationalrat darüber diskutiert werden muss. Dies ist auch passiert, mit äußerst geringer Beteiligung und keinem Interesse daran, irgendwelche der Forderungen umzusetzen – nicht verwunderlich, schließlich ist die Regierung blau-schwarz. Der wesentlichere Output kann eben deswegen nur sein, eine gesellschaftliche Diskussion über die Themen zu eröffnen und dadurch eine Bewegung auf der Straße, in den Gewerkschaften und Betrieben anzustoßen, die den gesellschaftlichen Druck erzeugen kann, damit die Forderungen auch wirklich erzwungen werden können. Denn was der Kampf für Gleichberechtigung im letzten Jahrhundert gezeigt hat ist, dass diese nicht einfach vom Himmel fällt, sondern hart erkämpft werden muss.

Deshalb müssen wir auch klar machen, dass dieses Frauenvolksbegehren zu keinen positiven Verbesserungen führt, wenn es sich nicht seiner selbstgesetzten Einschränkungen entledigt. Aktuell ist es rein auf ein formales Mittel der „direkten“ Demokratie im österreichischen Staat ausgelegt. Dabei ist sehr einfach zu durchschauen, dass eine strategische Ausrichtung alleine darauf vollkommen verheerend sein kann. Die vielen Unterstützer*innen, die sich in den letzten Monaten engagiert haben, müssen erkennen, dass ihr Engagement nicht einfach nur für eine gute Medienaktion draufgehen sollte. Vielmehr muss das Frauenvolksbegehren mit realer Mobilisierung auf der Straße verbunden werden sowie eine Auseinandersetzung in den Organisationen der Arbeiter*innenbewegung bewirken. Die Mehrheit im Nationalrat wir nicht im Traum daran denken, die Inhalte des Volksbegehrens durchzusetzen. Wir müssen sie dazu zwingen. Das geht letztlich nur durch eine Bewegung auf der Straße, die ihre Wurzeln in Streikkomittees in Schulen, Universitäten und Betrieben hat!




Österreich: ein Jahr Schwarz-Blau

von Arbeiter*innenstandpunkt, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Vor einem Jahr, am 15. Dezember 2017, wurde die aktuelle ÖVP-FPÖ-Regierung angelobt. Kanzler und Vizekanzler nahmen das und ihre bisherigen Reformen vor kurzem zum Anlass für einträchtiges Eigenlob. Doch Reformen sind nicht immer gut – immer und überall lautet die Frage: „Wem nützt das?“

Dass die schwarz-blaue Politik zugunsten der Reichen und der Kapitalist*innen und auf Kosten der Lohnabhängigen, Arbeitslosen und sozial Schwächeren betrieben wird, haben wir in unseren Analysen zum Regierungsprogramm ausreichend dargelegt (zuletzt in der jüngsten Ausgabe unseres Theoriejournals „Revolutionärer Marxismus“ Nr. 50). So ist das zentrale Vorhaben der Senkung der Abgabenquote in letzter Konsequenz eine große Umverteilung von unten nach oben, wie eines der zentralen Projekte, der Familienbonus, zeigt. Das wird natürlich begleitet von Einsparungen, die vor allem jene treffen, die sich schlechter dagegen wehren können: die Arbeitslosen (AMS-Budgets, Haushalte des Arbeitsmarktservices), die Frauen (Förderungen von Frauenvereinen), die Geflüchteten (Integrationsmaßnahmen, Mindestsicherung), die Lehrlinge (Ausbildungsbeihilfe) etc. Zusätzliche Maßnahmen zur „Stärkung des Wirtschaftsstandorts“ treffen direkt die Kernschichten der Arbeiter*innenklasse, hier besonders die Ausweitung der Höchstarbeitszeit auf täglich 12 (wöchentlich 60) Stunden. Auch muss man festhalten, dass diese Politik unter kontinuierlichen rassistischen Vorstößen gegen Geflüchtete betrieben wird und die Möglichkeiten staatlicher Repression, insbesondere der Überwachung, ausgebaut werden.

„Der rot-weiß-rote Reformzug wird 2019 mit demselben Tempo unterwegs sein“, verkündet Bundeskanzler Sebastian Kurz feierlich. Dabei rückt er natürlich vor allem eines seiner „Prestigeprojekte“ in den Vordergrund – die Steuerreform. Dazu soll es Mitte Jänner eine Regierungsklausur geben. Im April soll ein passender Budgetrahmen geschaffen und im Oktober das entsprechende Doppelbudget beschlossen werden. Diese Steuerreform, geplant für 2020, muss als wesentlicher Teil der Abgabenquotensenkung verstanden werden. Auch wenn Kurz hier die Entlastung für kleinere und mittlere Einkommen ankündigt, sollte man sich keine Illusionen darüber machen, wem diese Reform tatsächlich nützen soll. Vermutlich wird sich innerhalb eines Gesamtpakets die schon angekündigte Halbierung der Körperschaftssteuer (Steuer auf Unternehmensgewinne) auf nicht entnommene Gewinne finden. Nicht unwahrscheinlich wäre auch eine Senkung des Höchststeuersatzes oder eine Reduktion der Steuerprogression.

Auf eine endgültige Umsetzung wartet auch das „Arbeitslosengeld neu“, das die Arbeitslosenversicherung auf ein Hartz-IV-Modell umstellen soll. Dispute zwischen ÖVP und FPÖ über das Ausmaß des Angriffs haben das Projekt bisher verzögert. Wird die Notstandshilfe tatsächlich abgeschafft, um Arbeitslose nach einiger Zeit mit Vermögenszugriff in die Mindestsicherung zu schicken, dann wäre das ein bedeutender Angriff nicht nur auf die Arbeitslosen, sondern auch auf die Arbeiter*innenklasse. Auf sie würde dadurch ein stärkerer Druck zur Hinnahme schlechterer Arbeitsbedingungen ausgeübt.

Es stehen also durchaus noch bedeutende politische Auseinandersetzungen bevor und weitere sind zu erwarten. Immerhin stellt sich die Frage, wie die Regierung ihr Ziel eines anhaltenden Nulldefizits garantieren möchte. Für das Budget 2018/19 war es vor allem die gute Konjunktur, die trotz Einsparungen mehr Einnahmen brachte. Aber die Spielräume für 2020/21 werden sich deutlich verengen. In ihrer gesamtwirtschaftlichen Prognose 2018 hatte die Österreichische Nationalbank schon ein Abflauen des Wachstums von + 3,1 % (2018) auf + 2,1 % (2019) und + 1,7 % (2020) konstatiert. Nun wurde aufgrund einiger Revisionen innerhalb der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung jenes für 2018 auf + 2,8 % korrigiert. Im kommenden Doppelbudget wird die Regierung also wohl auch zu zusätzlichen relevanten Sparmaßnahmen greifen, noch dazu da für Ende 2019 eine Pflegereform zur langfristigen Finanzierung angekündigt wurde – und die wird vermutlich nicht billig. Womöglich wird deshalb, obwohl noch nicht angekündigt, das Pensionssystem zur neuen Zielscheibe erklärt.

Trotz der offen unsozialen, neoliberalen, rassistischen und autoritären Regierungspolitik scheint das politische Kräfteverhältnis in Österreich seit Anfang der Legislaturperiode zwar nicht gänzlich unverändert, aber auf jeden Fall unerschüttert. In den regelmäßigen Wahlumfragen zeigt sich, dass die Stimmenverhältnisse von ÖVP, SPÖ und FPÖ seit den Wahlen ungefähr gleich geblieben sind. Der rechtskonservative Block ist also durchaus in der Lage, einen großen Anteil der österreichischen Bevölkerung ideologisch für seine politische Agenda zu gewinnen. Das bedeutet auch, dass der Widerstand einen langen Atem haben muss. Vor allem braucht er aber ein politisches Programm, mit dessen Hilfe der Charakter dieser Regierung entlarvt werden, das die Spaltungsmechanismen unter den Arbeitenden überwinden kann und eine Alternative zum scheinbar alternativlosen Kapitalismus aufzeigt. Nur durch ein solches entschlossenes Handeln können wir den gesellschaftlichen Rechtsruck an seinen Wurzeln bekämpfen!




„Gelbwestenbewegung“ in Frankreich: Ein Vorbild?

von Peter Böttcher

Zum Ende des letzten Jahres erschütterten massive Proteste die politische Landschaft in Frankreich. Konkreter: Sie erschütterten die liberalen Reformpläne des immer unbeliebter werdenden französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Der Anlass war eine geplante „Ökosteuer“ auf Erdöl, die Proteste mit sich brachte, die ganz Frankreich erbeben ließen und Macron soweit in die Enge trieben, dass er Anfang Dezember die geplante Ökosteuer aussetzte und den Mindestlohn erhöhte.

Wer geht auf die Straße?

Im November gingen an zwei Aktionstagen mehr als 500.000 Menschen auf die Straße. Das ist eine ganze Menge dazu noch heterogen und deswegen nicht über einen Kamm geschert werden sollte. Die Bewegung hat in ihrer sozialen Zusammensetzung sowie in den Forderungen einen klassenübergreifenden Charakter.  Anfangs wollten die Initiator_Innen bewusst auf die Teilnahme von Gewerkschaften und politischen Parteien an den Protesten verzichten. Nicht angebliche Ideologien sondern Forderungen sollten im Vordergrund stehen und man wolle sich nicht von Organisationen vereinnahmen lassen. Diese scheinbare Unabhängigkeit ist eine kleinbürgerliche Positionierung. Gleichzeitig hatten die ursprünglichen Initiator_Innen nichts dagegen, dass sich der Rassemblement National, einer rechten Sammlungsbewegung unter der Führung von Marie LePen, die aus dem rechtsnationalistischen Front National hervorging, offen an diesen Protesten teilnehmen. Teilweise konnten sich die Rechten auf diese Weise mit nationalistischen und rassistischen Inhalten sogar an die Spitze der Bewegung stellen. Statt für einen proletarischen Internationalismus, für offene Grenzen und gegen die Außenpolitik der imperialistischen EU zu demonstrieren, wurden nationalistische Gefühle geschürt. Dem Kurs in der Außenpolitik wurde sich angeschlossen, die Forderung nach offenen Grenzen verworfen.

Aber das ist nur eine Seite des Protestes. Denn auch wenn die Linke die Proteste nicht wie z.B. beim Loi Travail initiiert hat, so beteiligten sich unterschiedliche linke Kräfte daran. Manche, wie der kämpferische  Gewerkschaftsbund CGT, liefen den Protesten nach, als diese volle Fahrt aufgenommen hatten. Das finden wir richtig: Der Protest gegen die Ökosteuer ist berechtigt, denn anstatt z.B. den französischen Mineralölgiganten Total zur Kasse zu bitten, wird unter dem Vorwand des Umweltschutzes die Arbeiter_Innenklasse ausgenommen, die im ländlichen Bereich wegen unzureichenden öffentlichen Verkehrsmitteln oft zur Nutzung des PKW gezwungen ist.

Hintergrund

Wichtig ist, dass wir verstehen, dass es sich bei dem Protest in Frankreich nicht nur einen Protest gegen die „Ökosteuer“ handelt. Vielmehr ist er Ausdruck einer gesamten Situation: Die hohen Lebensunterhaltungskosten, Kürzungen der Sozialleistungen und die letzten Angriffe, die das Lòi Travail mit sich brachten, sorgten dafür, dass es weiten Teilen der Bevölkerung schlecht geht. Gleichzeitig bewegt sich die französische herrschende Klasse in einem Spannungsfeld. Um ihre Stellung im Weltmarkt und der EU weiter zu behaupten, müssen sie bestimmte Rechte und Errungenschaften der Arbeiter_Innenklasse und auch das Kleinbürger_Innentum angreifen. Tun sie das nicht, verlieren sie ihren Einfluss aka ihre „Wettbewerbsfähigkeit“. Doch anders als beispielsweise in Deutschland hat die französische Arbeiter_Innenklasse ein größeres Bewusstsein dafür, dass es sich lohnt, auf die Straße zu gehen. Die Erfolge der Vergangenheit mobilisieren nun auch kleinbürgerliche Schichten, sich nicht einfach der Politik des sozialen Kahlschlages zu fügen. Da das Kleinbürger_Innentum jedoch nicht in der Lage ist, eine eigenständige Politik zu entwickeln, die nur dieser Zwischenschicht selbst nutzt, ist der politische Inhalt entsprechend heterogen und schwankt zwischen proletarisch-fortschrittlichen sowie bürgerlich-reaktionären  Forderungen. Dass die Organisationen des Proletariats vorwiegend reformistisch sind und die Proteste nicht anführen, verstärkt den diffusen Inhalt.

Was tun?

Die Proteste in Frankreich sollten uns motivieren. Sie zeigen: Gesellschaftliche Veränderung ist möglich und als Revolutionär_Innen ist es unsere Aufgabe, dort zu intervenieren und aufzuzeigen, was es braucht, um solche Proteste nicht nur in der Luft verschallen zu lassen, sondern damit nachhaltig Etwas zu verändern. Zuerst einmal bedarf es demokratischer Strukturen: An Schulen, Unis, Betrieben sollen sich Streikkomitees bilden, an den Orten, an denen sich Menschen bewegen. Daneben muss klar sein, dass die Angriffe nicht aufhören werden, solange Macron an der Regierung ist. Das heißt, Ziel muss es sein, die Proteste auszuweiten. Es bedarf eines landesweiten, unbegrenzten Generalstreik, der den Sturz der Regierung fordert. Doch uns muss auch klar sein: Die elende Lage der Arbeiter_Innenklasse wird sich nicht verbessern, nur weil Macron die Bühne verlässt.

Wenn ein Generalstreik zum Rücktritt Macrons führt, so stellt der Streik damit die Machtfrage: Ist es die Arbeiter_Innenklasse oder die Bourgeoisie, die der Gesellschaft ihren Stempel aufdrückt? Um diese Frage im Sinne der Arbeiter_Innenklasse zu beantworten, braucht es den Aufbau von Räten und Selbstverteidigungsstrukturen gegen die Angriffe des Staats und zur Selbstorganisierung. Diese Struktur kann nicht nur Macron verjagen, sondern den imperialistischen Staat angreifen und stürzen und ihn durch eine proletarische Herrschaft ersetzen. Doch damit kann an Grenzen nicht gehalten werden. Die Arbeiter_Innen ganz Europas müssen sich mit den französischen Arbeiter_Innen solidarisieren und die Forderung nach den Vereinigten sozialistischen Staaten von Europa erheben. Nationalismus und Rassismus sind Gift in diesem Kampf. Sie vereinen die Klassen unter der Tricolore und spaltet die Arbeiter_Innenklasse entlang ethnischer Grenzen. Deswegen zwingend erforderlich für die Gewerkschaften und Arbeiter_Innenparteien auf den Demos die Rechten entschieden zu bekämpfen und zu vertreiben und anstelle der Nationalfahne die rote Fahne der Arbeiter_Innen dieser Welt zu schwingen.

 




SAV und Linksjugend [`solid] – Sind Revolution und Reformismus unvereinbar?

Vom 13. bis 15. April findet in Erfurt der XI. Bundeskongress der linksjugend [’solid] statt. Doch anstatt sich darauf zu verständigen, wie sich die sozialistische Jugend dem Rechtsruck, den Angriffen auf die Arbeiter_Innenbewegung sowie der drohenden ökologischen Katastrophe und Kriegsgefahr entgegenstellen kann, wird vermutlich eine andere Frage im Vordergrund stehen. Es handelt sich um den Satzungsantrag S4. Dieser fordert die Übernahme folgenden Satzes in die Satzung der Organisation: „Eine Mitgliedschaft in der linksjugend [’solid] ist mit einer Mitgliedschaft in der Sozialistischen Alternative (SAV) nicht vereinbar.“
Eine Reihe von Landessprecher_Innen, zwei Bundessprecherinnen sowie der brandenburgische und thüringische Landessprecher_Innenrat stellen diesen Antrag. Dem kurzen Text ist eine lange Begründung beigefügt. [1] Dass sich den Erstunterzeichner_Innen auch Vertreter_ Innen des „ linken Flügels “ wie Nadine Bendahou angeschlossen haben, zeigt sicher die Prinzipienlosigkeit von Auseinandersetzungen im Verband auf.
Es ändert jedoch an dem grundlegenden Charakter des Antrags nichts. Er ist in erster Linie das Machwerk des rechten Flügels, der offen für kapitalistische Regierungsbeteiligungen der LINKEN eintritt und keinen Hehl daraus macht, antirevolutionär und reformistisch zu sein. Jedes ehrliche Mitglied der Linksjugend sollte sich deutlich gegen diesen Angriff von rechts positionieren. Alle Delegierten des Bundeskongresses, die sich als Sozialist_Innen verstehen, sollten klar und entschieden mit „Nein“ gegen den Antrag stimmen.
Die Begründung zeichnet sich durch eine Reihe von organisatorischen Halbwahrheiten und Lügen aus, die durch die Gegendarstellung der SAV plausibel widerlegt werden. Charakteristisch ist allerdings vor allem, wie unpolitisch die Begründung ist. Man findet in dem gesamten dreiseitigen Text kein einziges programmatisches Argument gegen den Bundesarbeitskreis Revolutionäre Linke (BAK RL) oder die Sozialistische Alternative. Es gelingt den Autoren nicht an einer einzigen Stelle zu belegen, wo die SAV gegen das Programm oder die Statuten von [’solid] verstoßen hat. Stattdessen werden reihenweise Vorurteile des bürgerlichen Individualismus bedient, die sich nicht nur gegen die SAV, sondern gegen einfache Organisationsprinzipien jeder einigermaßen kämpferischen Arbeiter_Innenbewegung richten. So würden in der SAV Genoss_Innen „ausgebeutet“, weil ihre Mitgliedschaft mit Pflichten (Beitragszahlung, Übernahme von Aufgaben, Zeitungsverkauf, Eintreten für die Position der Organisation) verbunden sei. Solche Vorwürfe sind nicht nur albern – zu Ende gedacht, bedeuten sie die Ablehnung und Denunziation jeder vom Staat und den Reichen unabhängigen Organisationsform der Lohnabhängigen und sozial Unterdrückten.
Wer es mit dem Kampf gegen das kapitalistische System ernst meint, kommt um eine verbindliche Organisationsform und um Disziplin, demokratische, aber auch zentralisierte Kampfstrukturen nicht herum. Wie auch immer die innere Verfasstheit der SAV real aussehen mag, so ist es eine Organisation, der sich Menschen freiwillig anschließen und aus der sie ggf. auch jederzeit austreten können. Dass die Mitgliedschaft auch mit einer gewissen Unterordnung unter gemeinsame Beschlüsse einhergeht ist, nichts SAV-Spezifisches, sondern findet sich letztlich in jeder Arbeiter_Innenorganisation, so auch in jeder Gewerkschaft, in jedem Arbeitskampf wieder. Wer das grundsätzlich als Einschränkung der Freiheit ablehnt, erweist dem Kampf um Befreiung einen Bärendienst, ja macht ihn letztlich unmöglich. Er oder sie fetischisiert vielmehr die Freiheit des Individuums, während diese an den Erfordernissen des Klassenkampfes eine Grenze findet, ja finden muss, wenn das Ziel der „Befreiung“ nicht bloß Gerede sein soll.
Keine Frage: Die SAV und die RL verdienen die Solidarität jeder linken Organisation gegen den Angriff von rechts. Es geht hier um einen offenkundigen Säuberungsversuch gegenüber missliebigen linken Opponent_Innen in [’solid]. Nachdem die SAV nicht politisch, also für ihr Programm und ihre Taten angegriffen wird, nachdem die Antragsteller_Innen auch auf jeden konkreten Beleg eines Bruchs des Statuts verzichten, bleibt nur noch eins: Schon die Existenz der SAV ist das eigentliche „Verbrechen“ der Organisation, das mit der Mitgliedschaft in [’solid]unvereinbar wäre. Gerade weil die Antragsteller_Innen einer politischen Konfrontation ausweichen, greifen sie zum Mittel der Denunziation gegen die SAV, werfen ihr vor, was kleinbürgerliche Individualist_Innen an so ziemlicher jeder organisierten Kraft der „radikalen Linken“ stört, nämlich ein oft durchaus recht beschränktes Mindestmaß an programmatischer und politischer Geschlossenheit und Verbindlichkeit, an Disziplin und Loyalität zur eigenen Gruppierung. Die Vorwürfe offenbaren den kleinbürgerlichen und individualistischen Charakter der Antragsteller_Innen, egal aus welchem „Spektrum“ sie auch kommen mögen.

Antwort der SAV

So weit, so gut. Mit der Antwort der SAV beginnt jedoch auch das eigentliche Problem. Sie weicht nämlich auch einer politischen Konfrontation mit den Antragsteller_Innen aus. Sie stellt nicht die politischen Differenzen und ein unterschiedliches Organisationsverständnis ins Zentrum, sondern bemüht sich ihrerseits um eine letztlich fiktive „Einheit“ eines Verbandes, der gleichermaßen „revolutionär“ und „reformistisch“, „internationalistisch“ und „antideutsch“ sein will, eines Verbandes, dessen verschiedene Strömungen letztlich gegensätzliche Klassenstandpunkte zum Ausdruck bringen (oder bringen wollen). Das Programm der Linksjugend [’solid] ist kein revolutionäres, kein sozialistisches. Es ist ein klassisch sozialdemokratisches Programm. [2] Natürlich verspricht auch das [’solid]-Programm den Sozialismus. Weder das Wort Arbeiter_Innenklasse noch das Wort Revolution werden auch nur einmal in dem Programm erwähnt. Der Sozialismusbegriff verkommt zu einer Utopie. Die Utopie verkommt zu einer Beruhigungspille, zum Trostpflaster angesichts der Trostlosigkeit der bürgerlichen Regierungspolitik der LINKEN.
Anstatt den Angriff der Rechten für eine programmatische Offensive zu nutzen, verliert sich die SAV in Nebensächlichkeiten. Sie erkennt zwar ebenfalls, dass der Angriff von rechts kommt. Sie erkennt auch, dass der Angriff sich gegen ihre Opposition zu kapitalistischen Regierungsbeteiligungen richtet und ihre kleinen, aber vorhandenen Erfolge im Aufbau der RL. Aber anstatt zu erkennen, dass der bürokratische Angriff von rechts der Ausdruck tatsächlicher programmatischer Unvereinbarkeit ist, wünscht sie sich diese utopische Vereinbarkeit. Sie ruft alle auf, sich auf Programm und Statuten der Linksjugend zu besinnen. Sie fordert alle auf, sich auf den Pluralismus der guten Zeiten zu berufen.
Natürlich können sich für begrenzte Zeit Strömungen mit gegensätzlichen politischen Programmen und Standpunkten in einer Partei finden. Revolutionär_Innen können eine solche Situation auszunutzen versuchen, um Menschen von einer reformistischen Führung und einer solchen Politik wegzubrechen – aber das kann nur eine zeitlich begrenzte, kurzfristige Gelegenheit sein. Letztlich sind eine Konfrontation und ein Bruch unvermeidlich. Dass die Rechten in [’solid] die SAV und die RL angreifen werden, war daher unvermeidlich (selbst wenn SAV und RL selbst gar kein revolutionäres Programm als Alternative zum reformistischen des Verbandes verwenden). Diese führen diesen Kampf durchaus entschlossen, wollen aber die politische Auseinandersetzung meiden, zumal das auch die „Einheit“ der Antragsteller_Innen gefährden könnte. Sie werfen daher der SAV und der RL vor, das in Besitz nehmen zu wollen, was die Rechten schon kontrollieren. Der Apparat, Presse und Finanzen von Partei und Jugendorganisation befinden sich nämlich in den Händen der Reformist_Innen, sicher nicht in jenen von SAV, RL oder anderen linken Strömungen. In Zeiten der wirtschaftlichen Krise und der Zuspitzung des Klassenkampfes treten die eigentlichen Widersprüche zwischen Reform und Revolution jedoch unüberbrückbar zu Tage. Eine also ohnehin schon vorhandene Feindschaft zwischen dem rechten und dem linken Flügel muss also früher oder später zu offenen Konflikten führen. Wenn die Führung dann in den Händen der Reformist_Innen und Karrierist_Innen liegt und das Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten ausfällt, sind unverholene Angriffe auf Revolutionäre die logische Konsequenz. Deshalb darf die Frage der Leitung nicht dem Zufall oder dem rechten Flügel überlassen werden. Stattdessen ist es die drängende Aufgabe von Sozialist_Innen, konsequent für ein revolutionäres Programm und eine
entsprechende Führung zu kämpfen.

Unvereinbarkeit zwischen wem?

Die Wut, mit der die Rechten der SAV vorwerfen, gerade diese heiligen Sphären anzutasten, die vermeintlich ihnen – natürlich ganz plural – gehören, drückt dies deutlich aus. Die Rechten wissen, dass es die politische Einheit zwischen Revolutionär_Innen (oder solchen, die diesen Anspruch erheben) und Reformist_Innen nicht gibt und auch nicht geben kann. Sie wollen dies aber nicht politisch artikulieren. Dies würde gerade gefährden, die Schlaftablette namens Programm, das vieles verspricht, aber nichts wirklich erklärt und erst recht keine Verpflichtung zum Handeln darstellt, in Frage zu stellen. Eine inhaltliche Diskussion würde schnell verraten, dass die Rechten weit rechts vom Programm stehen. Gerade dies verpflichtet aber Sozialist_Innen dazu, die programmatische Diskussion in den Vordergrund zu rücken. Anstatt zu versprechen, sich dem aktuellen Programm, den aktuellen Verhältnissen zu unterwerfen, weiterhin immer kompromissbereit zu sein, bräuchte es eine klare Offensive. Stattdessen führt die SAV eine Kritik von uns an, wo wir ihr nachweisen, „nicht leninistisch zu sein“ [3] und verwendet sie als Beleg für „Pluralismus“. Ironischerweise bezog sich unsere Kritik gerade auf die schwache Opposition gegenüber dem rechten Flügel. Tatsächlich fällt die SAV mit ihrer Stellungnahme sogar hinter die Gründungserklärung des BAK RL zurück, in der diese festhielt, dass „Karrierismus, sog. ‚antideutsche’ Positionen und mangelnder Bezug zu gesellschaftlichen Kämpfen in vielen Bundesländern zu beobachten [sind]. Auf bundesweiter Ebene ist der Verband zunehmend polarisiert. Vielerorts wird auf grundlegende Fragen eines antikapitalistischen Programms und seiner Praxis kein Bezug genommen. In einigen Fragen, etwa der Haltung zu Auslandseinsätzen, Antirassismus und Feminismus oder der Einschätzung von SPD und Grünen, werden sozialistische Positionen nicht vertreten bzw. massiv angegriffen.“ [4]
Dieses Vorgehen ist nicht, was aktuell gebraucht wird. Aber die Erklärung dazu zeigt, dass die SAV nicht revolutionär, sondern ausweichend auf den Angriff reagiert. Sie folgt dem Zentrismus, schwankt selbst zwischen Reform und Revolution. SAV und RL fürchten, ein zu klares programmatisches Auftreten könnte Unentschlossene in die Arme der Rechten treiben. Sie fürchten, eine zu klare Ablehnung des reformistischen Programms würde sie in der aktuellen Situation isolieren.
Letztere Einschätzung ist wahrscheinlich korrekt. Aber das würde nur zeigen, dass ein revolutionäres Programm, revolutionäre Kräfte tatsächlich eine verschwindende Minderheit sind. Es würde nur das tatsächliche Kräfteverhältnis zum Ausdruck bringen. Es würde zeigen, dass der rechte Flügel die Organisation in ihrer Gesamtheit kontrolliert. Es würde außerdem zeigen, dass es eine „Mitte“ gibt, die inhaltlich heterogene Positionen vertritt – darunter auch viele Genoss_ Innen, die auf ehrliche Art und Weise für Reformen kämpfen wollen. Aber es würde auch deutlich machen, dass eine tatsächliche sozialistische Politik in [’solid] nur eine Minderheit erreicht und überzeugt.
Wir möchten an dieser Stelle nicht die alte taktische Frage aufwärmen, inwiefern es in der Vergangenheit sinnvoll war, in der [’solid] Entrismus zu betreiben. Die Kernfrage war seit jeher ohnedies, mit welcher Politik Sozialistinnen wo auftraten. [5] Die aktuelle Auseinandersetzung zeigt wieder einmal, dass sozialistische Politik und reformistische Politik unvereinbar sind. Es gibt nun folgende Optionen. Entweder die SAV und der BAK RL können sich auf dem Bundeskongress durchsetzen. Das würde aber eben nicht nur bedeuten, den Antrag der Rechten zu Fall zu bringen, sondern auch die Organisation anhand der Prinzipien der Gründungserklärung BAK RL – die ohne Frage ebenfalls Schwächen hat – programmatisch neu aufzustellen, [’solid] von einem pluralistischen Debattierclub in eine wirkliche Kampforganisation der revolutionären Jugend zu verwandeln. Wir halten das für unwahrscheinlich – auch weil SAV und BAK RL selbst nicht in diese Richtung agieren. Das wäre aber die aktuell notwendige Politik. Gerade diese Mangel war der zentrale Grund, weswegen wir eine Arbeit in der BAK RL aufgaben. Die zweite Möglichkeit bedeutet, dass der rechte Flügel sich mit seinem Antrag durchsetzt. Das wäre eine organisatorische Niederlage für junge Sozialist_Innen, die natürlich auch eine Schwächung linker Positionen bedeuten würde. Es würde aber auch die Möglichkeit beinhalten, dass sich die Genoss_Innen der BAK RL neu orientieren müssen, dass der Aufbau einer eigenständigen revolutionären Organisation nicht nur ein Versprechen bleibt, sondern eine unmittelbare Aufgabe wird, dass die Entwicklung eines eigenen Programms nicht mehr damit vertagt werden kann, dass [’solid] bereits ein Programm habe. Die schlechteste von allen Varianten aber, und dies zeichnet sich aktuell ab, ist die, dass die SAV die Abstimmung über den Antrag zwar gewinnt, dies aber auf Kosten der eigenen inhaltlich nötigen Positionen tut. Eine solche Politik mag zu kurzfristigen organisatorischen Erfolgen führen. Sie untergräbt aber den Aufbau jeder revolutionären Organisation auf Dauer.

Aktuelle Lage

Jede Taktik muss immer in Bezug auf die sich entwickelnden Klassenkämpfe beurteilt werden. Im September erschütterten die Wahlergebnisse breite Teile der deutschen Gesellschaft. Der Aufstieg der rechts-nationalistischen Alternative für Deutschland schockierte viele. Gleichzeitig führten dieses Schockerlebnis und der massive Verlust der deutschen Sozialdemokratie zu Spannungen innerhalb der SPD. Erste Koalitionsverhandlungen zwischen Schwarz-Gelb-Grün scheiterten, die jetzige Große Koalition kam nur
unter einer gewaltigen Kampagne der deutschen Medienhäuser und der Bourgeoisie im Bündnis mit den Sozial-Chauvinist_Innen der SPD-Führung zustande.
International und hierzulande erleben wir einen Rechtsruck vor dem Hintergrund einer kapitalistischen Krise, deren Ursachen nicht beseitigt sind. Im Gegenteil: Wir leben in einer Periode des beginnenden Kampfes um die Neuaufteilung der Welt unter den größeren und kleineren imperialistischen Mächten. Dabei möchte der deutsche Imperialismus mitspielen. Daher werden die Zeiten hier härter, die Lage gerät immer prekärer. Daher brauchen wir eine Jugendorganisation und eine Arbeiter_Innenpartei mit einem klaren, revolutionären Übergangsprogramm zum revolutionären Sturz des Kapitalismus, zur Errichtung der Herrschaft der Arbeiter_Innenklasse.
Der Kampf für ein solches Programm muss jedoch offen geführt werden. Die Vorstellung des politischen „Pluralismus“ in [’solid] meint aber, das Unvereinbare vereinbaren zu können. Revolutionärer Sozialismus, der Kampf für die Errichtung der Räteherrschaft auf Basis der Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates und der Enteignung des Kapitals kann nicht beliebig mit einer parlamentarischen Strategie einer friedlichen, schrittweisen „Transformation“ der Gesellschaft kombiniert werden. Der „Pluralismus“, der dabei rauskommt, hilft niemandem, kann nur verwirren und desorientieren. Darüber hinaus spielen alle Zugeständnisse von Sozialist_Innen in diese Richtung nur den Reformist_Innen in die Hände, weil so getan wird, als wären revolutionärer Marxismus und Reformismus vereinbar.

Schlussfolgerungen

Genoss_Innen, anstatt Euch darauf zu konzentrieren, die rechten Reformist_Innen zu überzeugen, dass die Revolutionär_Innen keine Gefahr sind, greift lieber die Reformist_Innen dafür an, dass sie mit ihrer Politik nie eine Gefahr für das Kapital sein werden! Öffnet Euch für die Debatte über den Wiederaufbau einer revolutionären Partei in Deutschland mit all den Kräften, die dies auch tatsächlich als ihr Ziel ansehen, anstatt Euch in bürokratischen Kämpfen mit jenen zu verausgaben, die dies erklärterweise nicht als ihr Ziel ausgeben! Dann gibt es auch wirklich Hoffnung darauf, die jetzige Situation zu unseren Gunsten zu wenden.

Endnoten

[1] Auf der Seite der Sozialistischen Alternative können sowohl ihre Antwort auf den Antrag als auch Antrag und Begründung selbst eingesehen werden https://www.sozialismus.info/2018/03/linksjugend-solid-gegen-den-ausschluss-von-sav-mitgliedern
[2] Für eine genauere Auseinandersetzung empfehlen wir unsere Broschüre „[’solid] – if everything goes right, go left! Oder welche Einheit brauchen wir“. Zu der Frage des Programms siehe ab Seite 15 in der Broschüre von Lukas Müller unter dem Kapitel „[’solid] ist eine reformistische Jugendorganisation“ http://onesolutionrevolution.de/wp-content/uploads/2011/04/Solid-Polemik_Lukas_M%C3%BCller_2014.pdf
[3] „Dass die RL ohne Programm und Statut innerhalb [’solid] nicht fraktionsfähig sein kann, sah man dann während wie auch nach dem BuKo. Während ein Genosse, den man getrost als Linken in der RL bezeichnen kann, von „gemischten Gefühlen“ spricht, tobt auf Facebook ein Kampf zwischen der SAV und dem Funken, wie man sich zu Sexarbeit verhält. Von Diskussion nach innen, Geschlossenheit nach außen, wie es für leninistische Organisationen üblich ist, sah man nichts.“ Der gesamte Artikel ist unter http://onesolutionrevolution.de/austritt-aus-der-revolutionaeren-linken-in-solid-aber-warum/ nachzulesen.
[4] Gründungserklärung des BAK RL unter: https://revolutionaerelinke.files.wordpress.com/2015/10/bak-rl_programm.pdf
[5] Wir haben damals sehr deutlich Stellung dazu bezogen, dass der Entrismus zuerst eine taktische Frage ist, die vor allem durch die politische Linie und das offene Auftreten der Sozialist_Innen für ihr Programm und den Aufbaus einer unversöhnlichen revolutionären Fraktion geprägt sein muss. Die SAV tut aber niemandem einen Gefallen, wenn sie die Utopie einer sozialistischen Massenpartei zeichnet, die im Grunde genommen durch Kompromisse und ohne Kämpfe und gar Spaltungen existieren kann. Siehe auch den Artikel von Lukas Müller und Georg Ismael: http://www.arbeitermacht.de/infomail/833/solid.htm




Österreich: Regierung gegen die Unterdrückten

Heidi Specht, Arbeiter*innenstandpunkt, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung No. 6

Kurz vor Weihnachten trat in Österreich eine neue Regierung ihren Dienst an – gebildet aus der konservativen Unternehmer*innenpartei ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ.

ÖVP

Die ÖVP schaffte es erstmals seit dem Jahr 2002 bundesweit auf den ersten Platz. Das verdankt sie insbesondere ihrer Galionsfigur Sebastian Kurz, der neuen Wind versprach und seine Ernsthaftigkeit unter anderem durch Änderung der Parteifarbe von Schwarz zu Türkis unter Beweis stellte. Er schaffte es, bei vielen Wähler*innen durch sein Alter und seine Versprechen Illusionen zu wecken, die darüber hinwegtäuschten, dass er als längstdienendes Regierungsmitglied bereits jahrelang die Politik mitgestaltet hatte. Viele Menschen haben in ihrem Wunsch nach Veränderungen übersehen, in welche Richtung diese gehen sollen: Angriffe auf die Armen und Unterdrückten zugunsten der Reichen und Unternehmen.

FPÖ

Die FPÖ befand sich bereits seit längerem im Aufwind. Sie hätte wohl noch stärker gewonnen, wäre die ÖVP unter Kurz nicht so stark nach rechts gegangen. In ihrer rechtspopulistischen Rhetorik ging es darum, sich für den kleinen, österreichischen Mann einzusetzen und die österreichische Frau vor Zuwanderer*innen zu beschützen. Außer Frage steht, dass sie ihr bestes tun werden, um ihre rassistischen Pläne umzusetzen und in Kurz darin auch einen guten Verbündeten haben. Dass durch rassistische Einsparungen nicht unbedingt mehr Geld für arme Österreicher*innen bleibt, wird wohl manche ihrer Wähler*innen enttäuschen.

Diese Regierung steht also für Reiche und Unternehmen, gegen die Unterdrückten und damit die Mehrheit der Bevölkerung. Sie plant in ihrem Programm nicht nur Angriffe gegen Errungenschaften der Arbeiter*innenbewegung, sondern auch gegen Frauen, Jugendliche, Arbeitslose und Migrant*innen.

Familienbonus Plus

Bereits durch den Ministerrat beschlossen wurde der sogenannte Familienbonus Plus, der laut Plänen der Regierung Anfang 2019 in Kraft treten soll. Dabei sollen pro Kind unter 18 Jahren um bis zu 1.500 Euro weniger Steuern gezahlt werden müssen. Was auf den ersten Blick gar nicht so schlecht wirkt, birgt doch einige Probleme. Um in den vollen Genuss dieser Leistung zu kommen, muss erst einmal genug verdient werden. Erst ab einem Bruttomonatseinkommen von 1.700 Euro bekommt man mit einem Kind den Vorzug der vollen Leistung, bei zwei Kindern benötigt man dazu mindestens 2.300 Euro. Viele Menschen in Österreich würden also sogar zu wenig verdienen, um bei nur einem Kind den vollen Betrag zu erhalten, und mit jedem zusätzlichen Kind muss mehr verdient werden, um zu profitieren. Diese Maßnahme ist damit klar eine zugunsten der Besserverdiener*innen. Im Ausgleich sollen zwei Leistungen abgeschafft werden, nämlich der Kinderfreibetrag und die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten für Kinder unter 10 Jahren. Wenn Bundeskanzler Kurz jetzt verspricht, niemand solle weniger bekommen als vorher, scheint das bereits fragwürdig. Konzepte wie die Erhöhung des Alleinverdiener*innen- bzw. Alleinerzieher*innenabsetzbetrages, von der unter anderem jene 60.000 Alleinerzieher*innen profitieren sollen, die so wenig verdienen, dass sie überhaupt keine Lohnsteuer zahlen und damit durch den Familienbonus Plus genau null Euro bekommen würden, sind noch höchst unausgegoren und auch nur eine Reaktion auf massive Kritik. Ungeachtet dessen bleibt die Tatsache bestehen, dass durch das Wegfallen der Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten für Familien die Option, dass ein Elternteil (üblicherweise die Frau) zuhause bleibt, weil das billiger ist als Kinderbetreuung, wieder stärker an Relevanz gewinnt.

Und um den Rassismus auch wirklich überall unterzubringen, betont FPÖ-Chef Strache, dass damit „österreichische Familien“ entlastet werden sollen, es aber „kein Förderprogramm für Groß-Zuwanderer*innenfamilien“ gäbe.

Familienbeihilfe

Eine weitere Idee, die derzeit auch innerhalb der EU heiß diskutiert wird, ist die Anpassung der Familienbeihilfe an die Lebenserhaltungskosten des Landes, in dem das Kind, für das die Beihilfe bezogen wird, wohnt. Das betrifft besonders Frauen aus Osteuropa, die in Österreich (häufig in der Pflege) arbeiten, um ihren Familien Geld nach Hause schicken zu können.

Um den Schein der Fairness zu wahren, soll für Kinder, die in Ländern leben, in denen die Lebenserhaltungskosten höher sind als in Österreich (z. B. die Schweiz oder skandinavische Länder), die Familienbeihilfe erhöht werden. Dass es dabei um sehr viel weniger Geld geht und außerdem um Personen, die tendenziell sowieso bereits besser verdienen, ist „natürlich reiner Zufall“.

Frauen als Mütter

Generell kann festgestellt werden, dass die Regierung das Thema Frauen fast ausschließlich in ihrer Rolle als Mütter thematisiert. Die Unterdrückung von Frauen, die über die Doppelbelastung von arbeitenden Müttern hinausgeht, wird wenig thematisiert. Zwar ist die Erleichterung der Berufstätigkeit für Mütter ohne Frage ein wichtiges Thema, doch auch hier scheint es sich eher um ein Lippenbekenntnis zu handeln, denn dazu tatsächlich notwendige Schritte wie der Ausbau kostenloser Kinderbetreuung werden nicht vorangetrieben. Im Gegenteil, unter Schwarz-Blau in Oberösterreich gab es in diesem Bereich sogar massive Verschlechterungen. Auch Pläne wie die Einführung von 12 Stunden täglicher Höchstarbeitszeit oder die Erhöhung der zumutbaren Entfernung des Arbeitsplatzes vom Wohnort erreichen das genaue Gegenteil.

„Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ steht zwar im Regierungsprogramm, wie das erreicht werden soll oder welche Konsequenzen Unternehmen erwarten die sich nicht daran halten, wird aber kaum bis gar nicht thematisiert. Damit fällt es schwer, das als ernsthaftes Ziel wahrzunehmen. Dafür werden Kürzungen im Sozialbereich Frauen wie immer härter treffen als Männer, und zwar nicht nur jene, die Familien betreffen. Frauen verdienen nach wie vor deutlich weniger als Männer, sind wesentlich häufiger von Altersarmut betroffen und damit zentraler auf Leistungen wie zum Beispiel Notstandshilfe oder Mindestsicherung angewiesen, bei denen eingespart werden soll.

Sexismus, Rassismus und Konservativismus

Generell kann festgestellt werden, dass dieses Regierungsprogramm Frauenförderung gleichsetzt mit Mütterförderung. Es versucht, seinen Rassismus mit angeblichem Antisexismus zu rechtfertigen. So suggeriert es, dass ein Unverständnis für die Gleichwertigkeit der Geschlechter in erster Linie bei Asylwerber*innen herrscht. Und es legt viel Wert auf die Feststellung, dass es nur zwei Geschlechter gibt und eine Familie eine Mutter und einen Vater braucht.

Noch gar nicht erwähnt sind die widerlichen Angriffe auf Asylwerber*innen, angefangen damit, ihnen Geld und Handys wegzunehmen, über Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht, Massenunterkünfte und noch weitere Erschwernisse beim Zugang zu Bildung.

Gegen das Regierungsprogramm mobilisieren

Die Opfer dieses Programms sind alle von Lohnarbeit Abhängigen und Unterdrückten. Um diese Maßnahmen abzuwehren, bedarf es einer ArbeiterInneneinheitsfront, also eines Bündnisses der Arbeiter*innenbewegung gemeinsam mit Geflüchteten, Arbeitslosen und anderen Unterdrückten, die gemeinsam mobilisieren und streiken. An so einem Bündnis werden wir uns nicht nur beteiligen, sondern legen Wert darauf, die Forderung nach Bildung einer Abwehrfront an diese Massen und ihre Führungen, besonders die SPÖ, KPÖ und die Gewerkschaftsvorstände zu richten. Daneben kämpfen der Arbeiter*innenstandpunkt und REVOLUTION Österreich im Rahmen so eines Bündnisses dafür, sich nicht nur gegen die geplanten Angriffe zu wehren, sondern auch eigene Forderungen wie die nach offenen Grenzen oder Arbeitszeitverkürzung aufzuwerfen. Ein erster Schritt, eine kampfstarke Bewegung ins Leben zu rufen, sind Versammlungen in Arbeiter*innen- und Migrant*innenvierteln, Betrieben, an Schulen, Unis, in Gewerkschaften und Sozialverbänden, um über praktische Kampfmaßnahmen und -strukturen zu diskutieren, zu entscheiden und Organe der Einheitsfront des Widerstands zu wählen, deren Leitungen ihrer Basis rechenschaftspflichtig sind und jederzeit an- und abwählbar sein müssen.




Sklaverei in Libyen

VON LEONIE SCHMIDT

Seit kurzem ist das, was schon länger spekuliert wurde, klar: in Libyen werden Geflüchtete als Sklaven verkauft. Kürzlich aufgetauchte Videos bestätigen nun, dass in Libyen junge afrikanische Männer für 400 Dollar pro Kopf verkauft werden. In Interviews erzählen Migrant_Innen vom schlechten Umgang den sie in Libyen erleiden mussten und viele auch immer noch müssen: Misshandlungen, Mord, Vergewaltigung und Hunger. Viele berichten auch davon, dass vor allem die Frauen als Sexsklavinnen gehalten werden.

Aber warum gibt es überhaupt noch Sklaverei im Weltsystem Kapitalismus?

Kapitalismus hat’s nicht schon immer gegeben. In der Vergangenheit gab’s die Sklavenhaltergesellschaft und den Feudalismus. Diese Zeitalter sind von bestimmten Abhängigkeitsverhältnissen zur jeweiligen herrschenden Klasse geprägt. Deswegen ist die Aussage, dass Arbeiter_Innen auch nur Sklaven seien marxistisch nicht 100% richtig. Richtig ist, dass weder Sklave noch Arbeiter zur besitzenden Klasse gehören und beide von der besitzenden Klasse ausgebeutet werden. Mehr noch, sie stehen im Gegensatz zur herrschenden und besitzenden Klasse.

Der Unterschied, indem die (Mehr)Arbeit aus der besitzlosen Klasse gepresst wird, liegt lediglich in der Form: ein Sklave gehört dem Sklavenhalter, er bekommt kein Geld für seine Arbeit, sondern Essen, Kleidung, einen Schlafplatz. Alles auf einem Niveau, sodass er gerade so überleben kann. Da der Sklave dem Sklavenhalter gehört, kann dieser ihn auch beispielsweise verkaufen, zur Arbeit zwingen, misshandeln usw.

Ein Arbeiter hingegen, gehört nicht dem Bourgeois, er verkauft seine Arbeitskraft an ihn. Das führt zu einem ungerechten Tausch, denn dabei bekommt der Proletarier weniger als ihm zusteht – sonst könnte der Kapitalist nicht überleben und müsste selber arbeiten gehen. Von dem Geld, welches der Arbeiter bekommt, kann er sich nun alles gerade so kaufen, was er zum Überleben braucht. Anders als beim Sklaven ist aber kein direkt physischer Zwang zur Arbeit nötig, der Zwang seine Arbeitskraft zu verkaufen besteht darin, „dass die Bedingungen der Produktion fremdes Eigentum sind…“ (K. Marx, Grundrisse der politischen Ökonomie, 484.) mit anderen Worten: die Produktionsmittel gehören den Kapitalisten, der Arbeiter braucht Tauschwert um Dinge zu kaufen die überlebensnotwendig sind und muss deshalb seine Arbeitskraft verkaufen.

Die Lohnarbeit ist eine raffinierte Ausbeutung. Während der Arbeitstag der Sklav_Innen wirkt, als würden sie zu 100% für den Sklavenhalter arbeiten. So wirkt der Arbeitstag der Arbeiter_Innen so, als würde er zu 100% entlohnt werden. Somit ist es also gut verdeckt.

Nun aber zurück zur eigentlichen Frage: warum gibt es heutzutage noch „echte“ Sklaven?

Eigentlich ist der Kapitalismus von Lohnarbeit geprägt. Doch der Kapitalismus funktioniert nicht so einwandfrei wie die herrschende Klasse es sich wünschen würde. Nur wenn sich der Kapitalismus ständig weiter entwickelt und die Produktivkräfte sich ständig verbessern und für Wettbewerbsvorteile sorgen, kann daraus gut Profit geschlagen werden. Das Problem aber ist, dass das nicht mehr passiert. Die Industrie entwickelt sich nicht mehr weiter, die Effizienz kann nicht durch neue Maschinen ins unermesslich gesteigert werden. Denn Profit entsteht dadurch, dass die Arbeiter_Innen , weniger bekommt als ihnen zusteht. Selbst Leo Trotzki hat es schon im 20. Jahrhundert erkannt: „Der menschliche Fortschritt steckt in einer Sackgasse. Trotz der letzten Triumphe der Technik wachsen die natürlichen Produktivkräfte nicht an.“ Trotzki spricht hier hauptsächlich von der Arbeiterklasse und ihrer Entwicklung als „Produktivkräfte“. Somit ist auch die Frage zu beantworten: der Kapitalismus muss sich veralteten Formen der Arbeit bedienen um weiter existieren zu können, da die Widersprüche zwischen Produktionsverhältnissen (wem gehören die Produktionsmittel) und den Produktivkräften (wie effektiv sind die Arbeitenden) zu groß geworden sind. Eigentlich müsste an dieser Stelle eine Revolution kommen um diese Widersprüche zu beseitigen und eine gerechte, befreite Gesellschaft zu schaffen, jedoch liegt es natürlich an der Organisierung und am Bewusstseinsgrad der Arbeiter_Innen , ob diese auch zu Stande kommt.

Was hat die EU mit dem Sklavenhandel in Libyen zu tun?

Zurück zu Libyen: die Sklaven_Innen werden nicht an Europäer_Innen verkauft, sondern an Wohlhabende Libyer_Innen, Ghanaer_Innen und Nigerianer_Innen. Trotzdem hat auch die EU Schuld am Sklavenhandel vor Ort. Ein Zitat vom Präsidenten der afrikanischen Union, Alpha Conde, unterstreicht das sehr gut: „Was in Libyen passierte, ist schockierend, skandalös, aber wir müssen die Verantwortlichkeiten einwandfrei feststellen. In Libyen gibt es keine Regierung, so kann sich die Europäische Union nicht ein Entwicklungsland aussuchen und es bitten, die Flüchtlinge festzuhalten (…), wenn es nicht die Mittel dazu hat. Die Flüchtlinge sind in einem fürchterlichen Zustand … also lagen unsere europäischen Freunde nicht richtig, als sie Libyen darum baten, die Migranten zu behalten. Die Europäische Union ist verantwortlich.“

In Libyen gibt es 3 Regierungen, die den Namen beanspruchen, aber nur eine, die Einheitsregierung Libyens, wird international anerkannt. Das entspricht jedoch nicht den Machtverhältnissen vor Ort und durch bewaffnete Milizen und Warlords werden ständig neue gesetzesfreie Räume in Libyen geschaffen. Eine Folgerung daraus ist, dass keine der drei Regierungen in Libyen ausreichend territoriale Kontrolle über das Land hat, um menschenwürdige Bedingungen und Sicherheit für Migranten zu garantieren, wie es die EU fordert. Aber das ist natürlich noch nicht alles. Gerade Italien arbeitet gerne mit libyschen Milizen zusammen, um Geflüchtete davon abzuhalten, europäisches Festland zu betreten. Milizen in Libyen arbeiteten früher viel mit Schleusern zusammen, dank eines Abkommens und Geldern von der italienischen Regierung ist das jetzt nicht mehr so, die Geflüchteten werden abgefangen, in Camps festgehalten und eben auch weiter verkauft. Der allgemeine Kurs der europäischen Union in der Flüchtlingsfrage ist besser mit den Ländern zusammen zu arbeiten und Geflüchtete vor Ort abfangen zu lassen.

Was tun?

Offensichtlich geht dieser Plan der EU nach hinten los. Es liegt nicht im Interesse der EU die Geflüchteten zu unterstützen, sondern sich von ihnen abzuschotten, ja nichts abzugeben oder sich weiter mit den Problemen und Fluchtursachen zu befassen. Das ist höchst unmenschlich und widerwärtig, wie mit diesen Menschen umgegangen wird.

Klar ist: Wir müssen uns dagegen stellen! Rassismus und Nationalismus sind Spaltungsversuche der Bourgeoisie gegenüber der Arbeiter_Innenklasse und Fluchtursachen liegen hauptsächlich im imperialistischen Krieg. Deswegen müssen wir dem kapitalistisch – imperialistischem Weltsystem eine sozialistische Perspektive ohne Nations – und Staatskonstrukte gegenüberstellen!

Dennoch fordern wir auch innerhalb des Kapitalismus Dinge ein, die die Lage von Geflüchteten zumindest ansatzweise verbessern könnten! Die revolutionäre Linke muss der kapitalistischen Weltordnung mit einem gemeinsamen Kampf für mehr demokratische und soziale Rechte entgegentreten und zu europaweiten Aktionen gegen Spardiktate, imperialistische Ausbeutung und Kriege, gegen alle Abschiebungen und für die Rücknahme aller Verschärfungen der Asylgesetze europaweit eintreten. Für offene Grenzen und gleiche Staatsbürger_Innenrechte für alle Geflüchteten! Weg mit der Festung Europa, für sichere Fluchtwege!