Afrin: Was passiert eigentlich gerade in Syrien?

von Jonathan Frühling, REVOLUTION Kassel

Seit dem 20. Januar 2018 rollen Panzer, schwere Artillerie und hunderte Fahrzeuge mit türkischen Soldaten und islamistischen Milizionären über die Grenzen des mehrheitlich kurdisch bewohnten Kantons Afrin. Seitdem wird ein erbitterter Kampf um das ca. 30 x 40 km große Stück Land geführt, den die kurdisch dominierten „Syrian Demokratic Forces“ (SDF) wegen zahlenmäßiger und waffentechnischen Unterlegenheit kaum gewinnen können. Ihr erbitterter Widerstand machen die Kämpfe jedoch deutlich langwieriger und verlustreicher, als der türkische Diktator Erdogan geplant hatte.

Vorgeschichte

2011 entwickeltet sich die syrische Revolution in einen Bürgerkrieg, indem das Assad-Regime schnell die Kontrolle über ein Großteil des Landes verlor. Die kurdischen Siedlungsgebiete im Norden machten sich sowohl vom syrischen Staat als auch von den Zielen der syrischen Revolution unabhängig. Dort wird seit dem ein System aufgebaut, welches demokratisch ist und in dem Frauen Mitbestimmungsrecht genießen. Auch gegen die Angriffe des IS konnte das Kanton Rojava erfolgreich verteidigt werden.

Ein Zusammenschluss mit dem am nord-westlich gelegenen Kanton Afrin gelangte 2017 allerdings nicht, weil von der Türkei gesteuerte Rebellen die Gebiete zwischen den Kantonen vom IS eroberten. Die Türkei sieht in dem Aufstieg der kurdischen Befreiungsbewegung in Syrien eine Bedrohung, auch, weil er Angst hat, dass sie die kurdische Bewegung in der Türkei stärken könnte. In der Türkei selbst hat sich Erdogan 2016 mit einem Krieg und der fast vollständigen Zerschlagung kurdischer Medien und der pro-kurdischen Partei HDP die Gefahr einer mächtigen Autonomiebewegung vorerst vom Hals geschafft. Der Angriff auf Afrin ist nun der Versuch die kurdische Autonomie auch im Nachbarland mit militärischer Gewalt zu unterbinden.

Aktuelle Entwicklung

Die Türkei greift Afrin von nahezu allen Seiten gleichzeitig an. Jeden Tag werden ein paar mehr Hügel und Dörfer erobert, auch wenn die Fortschritte der Offensive glücklicherweise sehr langsam sind. Erdogan schickt jedoch hunderte neue Panzer und Spezialeinheiten, um einen Sieg zu erzwingen. Obwohl hunderte Jugendliche aus ganz Rojava und Afrin in die Reihen der SDF ziehen, wird deshalb eine Niederlage immer wahrscheinlicher.

Die Ereignisse können nicht getrennt vom gesamten Bürgerkrieg gesehen werden. Anfang des Jahres startete das syrische Assad-Regime eine gewaltige Offensive, in dessen Zuge weite Teile Provinz Idlib erobert wurden, welche das Kernland verschiedenster bewaffneter, islamistischer Oppositionsgruppen darstellt. Die Türkei hat, als einer der entschiedensten Gegner Assads, damit begonnen Panzer zu schicken und Militärbasen in Idlib aufzubauen, um ein weiteres Vorstoßen Assads zu erschweren. Im Gegenzug schicken die Rebellen immer wieder hunderte Fußsoldaten, um die türkische Offensive in Afrin zu unterstützen. Nun zeigt sich, wie bitter es sich rächt, dass die Kurd_Innen 2011 nicht für eine Revolution in ganz Syrien eingetreten sind. So konnten sich reaktionären Islamisten als führenden Kräfte im Bürgerkrieg etablieren. Von den revolutionären Deserteuren der syrischen Armee, die nicht mehr auf ihr eigenes Volk schießen wollten, ist nichts mehr übrig. Im Gegenteil: Mit der Schändung der Leiche einer SDF-Kämpferin zeigen die islamistischen Kettenhunde Erdogans, was für reaktionäre Ansichten sie vertreten.

Eine türkischer Sieg in Afrin würde ein Ende des demokratischen und emanzipatorischen Projektes in Afrin und damit eine Niederlage der Linken weltweit bedeuten.

Die Rolle der Imperialisten

Russland stellt einen mächtigen Verbündeten Assads dar. Es lässt die Türkei in Syrien gewähren, indem sie den Luftraum über Afrin für die türkischen Jets freigab. Grund dafür ist vor allem die Wichtigkeit der russichen Öl- und Gasexporten in die Türkei. Assad dagegen ist über die türkische Präsenz in Syrien weniger erfreut und lässt SDF-Konvois von Rojava nach Afrin über sein eigenes Territorium passieren.

Am interessantesten ist jedoch die Rolle der USA. Sie unterstützen den Kampf der Kurd_Innen gegen den IS und schafften es so in Syrien mit zahlreichen Militärbasen oder sogar Militärflughäfen Fuß zu fassen.

Da die USA am allermeisten von der NATO profitiert, ist ihre Angst groß, dass es eine offene Konfrontation mit der Türkei gibt, die die gesamte NATO in Frage stellen könnte. Die Türkei weiß darum und droht deshalb ganz offen auch US-Soldat_Innen abzuschießen, wenn sie ihren Zielen in Syrien im Weg stehen. Das wäre eine Demütigung der USA und würde ihre ohnehin schon massiv angekratzten Stellung als Weltmacht weiter untergraben. Das ist auch der Grund, wieso die USA Afrin fallen gelassen hat. Im östlichen Rojava halten sich jedoch nach wie vor US-Soldaten auf, um ein Angriff der von der Türkei unterstützen Milizen zu verhindern. Welchen faulen Deal es letztlich zwischen den beiden Ländern gegeben wird sich erst zeigen.

Welches Interesse die USA wirklich hat, zeigt sich sehr deutlich im Osten des Landes nahe der Stadt Deir ez-Zor. Dort helfen sie dabei die Angriffe regierungstreuer Milizen auf die SDF abzuwehren. Grund für die Angriffe ist der Versuch die von der SDF kontrollierten Ölfelder zu erobern. Die USA unterstützt die kurdische Bewegung also vor allem aus geostrategischen Gründen und, um Kontrolle über Ölfelder in Syrien zu erhalten. Die NATO ist der USA aber zweifelsohne wichtiger.

Der Widerstand und Repression in Deutschland

Wenn auch nicht in der bürgerlichen Presse, ist der Aufschrei gegen die türkische Aggression in Syrien innerhalb der Linken und der kurdischen Bevölkerung in Deutschland enorm. Laufend finden lokale und überregionale Demonstrationen statt.

Der deutsche Staat reagiert darauf mit Repression: Vor ca. 1,5 Jahren wurde ein Verbot fast aller Fahnen des kurdischen Befreiungskampfes erlassen. Bis Anfang diesen Jahres wurden das Verbot allerdings faktisch nicht durchgesetzt. Anfang des Jahres jedoch wurde eine Großdemo in Köln wegen verbotener Fahnen aufgelöst. Andere Demos wurden gleich ganz Verboten, weil man während Karneval angeblich überfordert sei.

Perspektive

Natürlich gilt unsere Solidarität dem kurdischen Befreiungskampf im Nahen Osten, auch wenn es selbst ohne das Eingreifen der Türkei noch ein langer Weg bis zum Sozialismus wäre. Abstrakte Forderungen die Waffen niederzulegen und Appelle an die UN bringen uns hier nicht weiter. Nur ein militärischer Sieg der SFD-Milizen, einschließlich der Rückeroberung der in den letzten Wochen von der Türkei besetzten Gebiete, können wahren Frieden bringen.

Weiterhin treten wir für den Abzug aller ausländischen Truppen ein, ohne deren Hilfe Syrien heute kein Trümmerhaufen wäre. Obwohl die USA Rojava vor dem Untergang gerettet hat, vertritt sie in Syrien einzig die Interessen der us-amerikanischen Bourgeoisie und ist deshalb kein zuverlässiger Verbündeter.

Die Forderung nach Befreiung und Sozialismus muss, um erfolgreich zu sein, auf alle Völker und Religionen des Nahen Ostens ausgedehnt werden. Die einzigen wahren Verbündeten sind die Bäuerinnen, Bauern und Arbeiter_Innen, die sich endlich gemeinsam gegen ihre Unterdrücker erheben und eine kommunistische Partei aufbauen müssen. Nur eine solche Organisation kann in der Lage sein die vereinzelnden Kämpfe zu einer mächtigen Massenbewegung gegen die Kapitalismus zusammenzuführen.




„Stoppt alle bevorstehenden Abschiebungen!“ Ein Interview mit einem geflüchteten Antira-Aktivisten in Israel

Die israelische Regierung hat ein neues Gesetz beschlossen, das die systematische Abschiebung von 40 000 Migrant_innen aus Afrika (mehrheitlich aus Eritrea und dem Sudan) bewirken soll. Von den insgesamt 60 000 nach Israel geflüchteten Menschen wurden bereits 20 000 abgeschoben. Nun will die Regierung auch die verbliebenen 40 000 des Landes verweisen. Begleitet wird der Beschluss durch eine rassistische Kampagne, in der die Geflüchteten von Mitgliedern der Regierung öffentlich als „afrikanische Eindringlinge“ diffamiert werden. Das neue Gesetz stellt sie vor die Wahl: Entweder sie reisen „freiwillig“ aus, stimmen also ihrer Abschiebung gegen eine Geldprämie zu oder sie werden in eigens dafür errichteten Gefängnissen interniert.
Dieser schmutzige Deal geht jedoch nicht ohne den Widerstand der Geflüchteten vonstatten. Seit Wochen protestieren in Tel Aviv und Jerusalem tausende Geflüchtete zusammen mit Aktivist_innen sowie solidarischen Arbeiter_innen und Student_innen gegen die Abschiebungspläne der Regierung. Vor 2 Tagen waren erneut über 20 000 Menschen auf den Straßen. Im Internierungslager Holot sind zudem seit ein paar Tagen mehrere hundert gefangene Geflüchtete in den Hungerstreik getreten. Unsere Solidarität gilt der Bewegung und ihrem Kampf gegen die Netanjahu-Regierung. Uns interessieren vor allem die Motive, Ziele und Organisationsformen der Protestierenden. Eine Freundin von uns traf sich deshalb mit einem der zentralen Aktivisten der Bewegung und hat ihm für euch ein paar Fragen gestellt:

 

Hi Mutasim Ali, könntest du erst einmal erzählen, wie die Situation von Geflüchteten in Israel aktuell aussieht?

Es ist sehr schwer die Situation heute zu beschreiben. Was ich sagen kann ist, dass Geflüchtete und Asylsuchende in einer sehr verzweifelten Situation stecken. Sie fürchten sich vor ihrem unsicheren Schicksal angesichts der neuen Abschiebungspolitik. Im Rahmen dieser Politik drohen tausenden von asylsuchenden Menschen Abschiebungen oder unbestimmte Haftstrafen. Wir hoffen immer noch auf ein Wunder, dass diese katastrophale Politik plötzlich stoppen wird.

Hat sich in letzter Zeit etwas verändert?

Ehrlich gesagt, neben einigen rechtlichen Änderungen im sogenannten „Eindringlingsgesetz“ wurde die Politik gegenüber uns immer schlimmer. Anfangs waren wir noch aktiv und gut organisiert, doch auch das hat sich mittlerweile verändert, da die Leute den Glauben verloren haben. Das ist genau das, was die Regierung erreichen will.

Was ist das größte Problem?

Das größte Problem ist die fehlende Bereitschaft der Regierung Geflüchtete schützen zu wollen. Viele von uns haben deshalb die Hoffnung bereits aufgegeben, dass unter Netanjahus Regierung noch irgendetwas zu verändern wäre.

Was fordert ihr auf den Demonstrationen?

– eine menschliche Behandlung!
– Stopp aller bevorstehenden Abschiebungen!
– ein individuelles und transparentes Asylverfahren für jeden und jede von uns!
– Stellt uns angemessene Dokumente zur Verfügung, mit denen wir in Würde leben können!

Was erwartet ihr von der israelischen Bevölkerung?

Es ist schwer zu sagen, was man genau erwarten kann. Ich glaube aber, was immer sie tun, um diese offensive Politik aufzuhalten, wird von uns hoch geschätzt. Die „No-Deportation-Kampagne“ ist sehr beeindruckend und sollte so weitergehen!




Pakistan: Freiheit für Ahmad Azad! Freiheit für alle festgenommen belutschischen und paschtunischen Studierenden!

 

Am 23. Januar wurden mindestens 200, nach einigen Berichten sogar 400, belutschische und paschtunische Studierende von der Polizei des Punjab verhaftet, darunter der Generalsekretär der „Nationalen Studierendenföderation“ (NSF), Ahmad Azad. Die Massenfestnahmen und Übergriffe auf StudentInnenwohnheime fanden statt, nachdem sie von Anhängern der rechten Islamisten aus der Organisation Islami Jamiat -e- Talaba (IJT) an der Punjab-Universität von Lahore eingeschüchtert und angegriffen worden waren. Stundenlang umzingelte die Polizei zusammen mit den Islamisten die Wohnheime der BelutschInnen und PaschtunInnen!

Wir verurteilen aufs Schärfste diesen unentschuldbaren Akt der Einschüchterung und Terrorisierung von StudentInnen nationaler Minderheiten, aus Belutschistan, dem südlichen Punjab und von der KPK. Es zeigt einmal mehr, dass sich alle demokratischen, sozialistischen und MenschenrechtsaktivistInnen zusammenschließen und ihre Stimme erheben müssen, um der zunehmenden Gewalt seitens der ultra-reaktionären islamistischen Kräfte gegen StudentInnen zu widerstehen. Wir verurteilen auch die Passivität und Duldung dieser Angriffe durch die Universitätsverwaltung. Wir verurteilen ferner die Passivität und Unterstützung, die die Polizei des Punjab den Islamisten gewährt, indem sie sich auf die Seite derjenigen stellt, die Studenten nationaler und religiöser Minderheiten einschüchtern, bedrohen, verletzen oder sogar töten.

Wir fordern die sofortige Freilassung von Ahmad Azad und allen anderen StudentInnen! Wir solidarisieren uns mit allen BelutschInnen, PaschtunInnen und anderen StudentInnen, die ihre demokratischen Rechte gegen Angriffe und Drohungen von Islamisten oder anderen reaktionären Kräften ausüben wollen.

Wir rufen alle Organisationen der ArbeiterInnenklasse, Gewerkschaften und Parteien, alle sozialistischen und demokratischen Jugend- und StudentInnenorganisationen, demokratischen und MenschenrechtsaktivistInnen auf, gegen diese Festnahmen zu protestieren und ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen! Gemeinsam können und werden wir die Kräfte der islamistischen Reaktion und der staatlichen Repression besiegen! Gemeinsam können wir eine Welt gewinnen, die frei von Belästigung, Einschüchterung, Unterdrückung und Ausbeutung ist!

Liga für die Fünfte Internationale

REVOLUTION, Internationale Kommunistische Jugendorganisation




Die Neue Seidenstraße – Chinas Weg zur führenden imperialistischen Weltmacht

VON JONATHAN FRÜHLING

Im Mai 2017 lud China zum Gipfeltreffen des „Belt and Road Forums“ ein und die Welt kam: Über 100 Staaten, teilweise sogar vertreten durch ihre Regierungschefs, nahmen an dem Treffen teil. Alle wollen mitprofitieren an der „Neuen Seidenstraße“, dem größten Investitionsprogramm seit dem Marshallplan (Wiederaufbau Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg), welches von China 2013 ausgerufen wurde. Die Bezeichnung „Seidenstraße“ ist eine propagandistische Anlehnung an die berühmte historische Seidenstraße, die in der Antike und dem frühen Mittelalter Ostasien mit Europa verband. China betont damit auch den wirtschaftlichen Charakter des Projektes.

Um die Intention Chinas zu verstehen müssen wir zunächst auf Chinas eigene Wirtschaft schauen. Seit einigen Jahren versucht China unabhängiger von der Weltwirtschaft und damit krisensicherer zu werden. Deshalb hat es die Infrastruktur des eigenen Landes massiv ausgebaut und die entlegenen Regionen im Westen des Landes entwickelt und mit dem bevölkerungsreichen Osten verbunden. Dieses Entwicklungsmodell, welches China ein stabiles Wachstum von zuletzt immerhin knapp 7% beschert hat, ist nun im eigenen Land an seine Grenzen gestoßen. Momentan kann das Wirtschaftswachstum nur mit einer massiven Staatsverschuldung aufrecht erhalten werden.

Die neue Seidenstraße ist der Versuch ähnliche Projekte in ca. 65 Ländern der Erde zu verwirklichen. Geplant sind Bahntrassen, Häfen, Straßen, Pipelines, Güterumschlagsplätze und Stromleitungen. Geographisch wird in die Richtungen Südostasien, Pakistan, vor allem aber dem zentralasiatischen Raum mit Perspektive in den Nahen Osten und nach Europa geplant. Auch Afrika hat für China als Rohstofflieferant und Absatzmarkt Relevanz und ist deshalb mit eingeschlossen. Dies alles wird als „on Road“ bezeichnet, während geplante Häfen für den Ausbau der Seewege entlang der Routen Europa, Afrika → Asien als „on Belt“ bezeichnet werden.

Was verbirgt sich nun alles hinter der Politik einer neuen Seidenstraße? Zum einen verfolgt China damit auch innenpolitische Interessen. Chinas gewaltige Provinz im Westen des Landes (Xinjiang) ist von einer Reihe ethnischer Minderheiten bewohnt, die teilweise bis heute die Unabhängigkeit fordern. Durch eine handelsbedingte Entwicklung der Region erhofft sich China eine Stabilisierung. Tatsächlich hat sich die Hauptstadt Ürümqi schon zu einem Flugdrehkreuz und dem wichtigsten Handelszentrum Zentralasiens entwickelt.
Im Fokus stehen jedoch vor allem wirtschaftlichen Interessen. China möchte seine Handelswege auf dem Land ausbauen, um notfalls etwas unabhängiger vom leicht angreifbaren Seeweg zu werden. Vor allem aber würden so Importe und Exporte schneller werden. Dies und der Ausbau der Seewege sollen die Versorgung Chinas mit Rohstoffen sichergestellen. Natürlich will China die Projekte vor allem von chinesischen Firmen umsetzen lassen. So holt China das investierte Geld ins eigene Land und kann seine gewaltigen Überkapazitäten im Stahl- und Baugewerbe abbauen.
Sehr wichtig ist aber auch die außenpolitische Komponente des „On Belt, On Road“-Programms. China möchte die betreffenden Staaten stabilisieren, an sich binden und somit zu Verbündeten in der Auseinandersetzung mit den USA machen. Die Seidenstraße soll deshalb auch zu bilateralen Handelsabkommen führen. Es geht also auch darum international an Einfluss zu gewinnen.

International gibt es geteilte Meinungen zu dem Projekt, je nachdem, wie nützlich oder schädlich die Staaten das Projekt für sich einschätzen. Die Staaten, in die die Investitionen fließen sollen, erhoffen sich natürlich einen Aufbau ihrer Infrastruktur (Zentralasien, Südostasien, Afrika, Pakistan). Russland ist einer der stärksten Befürworter, da Russland unabhängiger vom Westen werden will und auf Investitionen aus China erhofft. Von diesen ist jedoch bisher wenig angekommen. Außerdem ist die neue Seidenstraße ein Stück weit auch ein Konkurrenzprojekt zu Russlands „Eurasischer Wirtschaftsunion“ (Freihandelsabkommen zwischen Russland und den meisten zentralasiatischen Staaten). Die europäischen Staaten, allen voran Deutschland, fordern, sich ebenfalls an den Bauvorhaben beteiligen zu können. Dies wurde von China jedoch selbstbewusst abgelehnt, was Deutschland verärgerte.
Die USA sind mit Japan die entschiedensten Gegner des Projektes, da sie eine Stärkung ihres größten Konkurrenten befürchten. Die USA hat mit TTIP (Freihandelsabkommen für Europa und Nordamerika) und TTP (Freihandelsabkommen für Nordamerika und die Pazifikregion) versucht China auszuschließen, fahren aber unter Trump zunehmend einen protektionistischen Kurs. Auch Indien steht dem Projekt skeptisch gegenüber. Erstens sollen keine Investitionen nach Indien fließen, zweitens werden Straßen, Bahnstrecken und Häfen in dem mit Indien verfeindeten Pakistan vorangetrieben. Diese sollen sogar teilweise durch die Region Kaschmir führen, die von Indien beansprucht wird. Die chinesisch-indischen Beziehungen haben sich zuletzt auch wegen Grenzstreitigkeiten im Himalaja verschlechtert. Da Indien ein bevölkerungsreiches und aufstrebendes Land ist, ist es sehr relevant, ob es sich zukünftig auf die Seite der USA oder auf die Chinas schlagen wird. Bisher hat es diese Entscheidung noch nicht getroffen.

Allerdings gibt es bei Chinas großen Ambitionen auch einige Haken. Gewaltige Infrastrukturprojekte beanspruchen auch einen gewaltigen zeitlichen Aufwand. Es wird wohl noch 10 Jahre dauern, bis die Arbeiten an der neuen Seidenstraße richtig in Gang kommen. Auch die bisher sehr wage Planung muss bis dahin konkretisiert werden.
Weiter ist die Finanzierung bei weitem nicht gesichert. Zwar will China den Wert von bis zu 1 Billionen investieren, nötig sind nach Schätzungen aber zwischen 4,5 und 26 Billionen. Einen Teil soll auch die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIB) leisten. Sie ist das chinesische Konkurrenzprojekt zum IWF und der Weltbank, die beide von den USA dominiert werden. China ist jedoch zweifellos auf die Unterstützung anderer Staaten angewiesen. Es bleibt außerdem abzuwarten, ob China in der Lage sein wird, die verschiedenen Einzelinteressen der teilhabenden Staaten zu befriedigen. Diese werden nämlich nur mitmachen, wenn sie selbst einen Zugewinn davon haben, was China gebetsmühlenartig versichert. Desweiteren könnte die Instabilität einiger Staaten, wie z.B. Afghanistans, aber auch einiger Staaten Zentralasiens, das Projekt bedrohen. Dabei zeigte sich 2010 in Kirgisistan, dass China bisher unfähig war, auf entsprechende Krisen militärisch in seinem Interesse zu reagieren.
Nebenbei regt sich auch Widerstand in der Bevölkerung gegen Chinas rücksichtslose Politik, die Vertreibungen und schwere Umweltschäden mit einschließt. Umweltaktivisten und die lokale Bevölkerung protestieren, in Pakistan gab es sogar einen Anschläge von Islamist_Innen auf eine Hafenbaustelle am indischen Ozean.

Die Seidenstraßevisionen Chinas zeigen, dass Chinas Kooperationen mit den zentralasiatischen Staaten als Erfolg gewertet werden und es sich auch deshalb weiter in diese Richtung orientieren will. Außerdem beweisen sie, dass China mittlerweile selbstbewusst genug ist, offen mit Weltmachtambitionen aufzutreten und hofft, sich mittelfristig als führende Imperialistische Macht etablieren zu können. Die USA dagegen würde zweifelsohne weiter an Boden verlieren, wenn China seine Ziele verwirklichen kann. Wie erfolgreich das gesamte Projekt wird und welche Staaten sich in einen zukünftigen chinesischen Block einreihen werden, wird sich allerdings erst in einigen Jahren zeigen.




Überall ist Afrin, Überall ist Widerstand

Ausdrucksstarke Demo für Afrin trotz massiver Schikane durch Polizei

Vorhin haben sich in Fulda um die 500 Menschen an der Demonstration in Solidarität mit den Kämpfer_Innen in Afrin beteiligt – für die kleine, konservative Barockstadt ein großer Erfolg. Die Demo war von der ersten bis zu letzten Sekunde, von der ersten bis zur letzten Reihe laut und kämpferisch. Das ist vor allem den vielen Jugendlichen zu verdanken, die einen auffällig großen Teil der Teilnehmer_Innen ausmachten. In Sprechchören forderte die Menge ein Ende des PKK Verbots, ein Ende der Waffenlieferungen an die Türkei und ein Abzug aller Besatzer_Innen von den Gebieten Kurdistans. Mit einer Vielzahl von Plakaten, Transparenten und Fahnen solidarisierte sich die Demo mit dem bewaffneten Widerstandskampf der Kurd_Innen und mit den fortschrittlichen politischen Ansätzen des demokratischen Projekts in Rojava.

War die Demo doch auch ein Ausdruck gegen die Kriminalisierung und Unterdrückung der Kurd_Innen, wurde sie selber von der Polizei mit lächerlichen Auflagen und Personalien-Kontrollen schikaniert. Fahnenstangen über 1,5m durften nicht mitgeführt, sondern mussten durchgebrochen oder dagelassen werden. Menschen die Transparente oder besonders große Fahnen trugen, mussten wahllos ihre Personalien abgeben. Eine endlos lange Liste von verbotenen Fahnen wurde vorgelesen. Auch der Leiter der Veranstaltung von Fulda-stellt-sich-quer verhielt sich nicht gerade rühmlich. Statt die Polizei für ihr Agieren zu kritisieren, setzte er die Teilnehmer_Innen selber unter Druck: Jeder, der den Anweisungen der Polizei nicht widerstandlos folge leiste, würde von der Demo verwiesen. In einem Akt des Protests gegen diese Kriminalisierung und Schikane zeigte ein Genosse von uns am Ende der Abschlusskundgebung die Fahne der YPJ, die mit der YPG in Afrin für das Überleben der Kurd_Innen heldenhaft kämpft. Sofort wurde ihm die Fahne entrissen, er wurde abgeführt, fotografiert und hat nun eine Anzeige am Hals. Menschen in der Nähe der Situation wurden abgedrängt. Die Polizei trat in einer autoritären und aggressiven Art und Weise auf, die wir so in Fulda noch nicht erlebt haben. Das hielt den Leiter der Veranstaltung von Fulda-stellt-sich-quer nicht davon ab, der Polizei am Schluss dafür zu danken, dass sie es uns ermöglicht habe unser Recht auf Protest wahrzunehmen.

Trotz alledem hat uns die geballte Kraft der Demo heute neue Motivation gegeben weiter zu machen und uns nicht einschüchtern zu lassen. Der Kampf wird in die nächste Runde gehen. Überall ist Afrin – überall ist Widerstand!




Proteste im Iran – Wo geht’s hin?

von Peter Böttcher

Seit dem 28. Dezember 2017 erschüttern Massenproteste im Iran das dort herrschende Regime. Ursprünglich gingen die Proteste von der zweitgrößten Stadt des Landes, der eher konservativ geprägten Stadt Maschhad, aus und wuchsen innerhalb kürzester Zeit zu einer landesweiten Bewegung heran. Die Demonstrationen entstehen spontan und selbstorganisiert, überwiegend aus den Arbeiter_Innen- und Armenvierteln, den sogenannten „Haschyeneshin“ heraus. Im Mittelpunkt der Forderungen der Protestierenden stehen die Auszahlung der teils seit Monaten zurückgehaltenen Löhne, eine grundlegende Verbesserung der Lebensbedingungen, die Bekämpfung von Korruption innerhalb der iranischen Eliten sowie der Sturz des herrschenden islamischen Regimes und der Mullahs.

Eine Rebellion aus dem Nichts?

Große Teile der iranischen Bevölkerung verloren im Zuge der seit Jahren anhaltenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten ihre Ersparnisse und verarmten. Die neoliberale Politik des iranischen Regimes, dessen Korruption und die internationale Isolation trieben die Inflation und somit auch die Preise für Waren des alltäglichen Bedarfs in die Höhe. Die Arbeitslosigkeit ist infolge der Wirtschaftskrise dramatisch angestiegen, vor allem unter den Jugendlichen ist diese besonders hoch und liegt bei 28,3 Prozent. Nicht nur die verarmten Teile der Jugend, sondern auch gut ausgebildete Studierende mit Diplom sind hiervon betroffen. Neben der sozialen Frage wird auch die Frauenunterdrückung thematisch aufgegriffen, so beteiligen sich auch viele Frauen an den Demonstrationen, um gegen die patriarchale und religiöse Unterdrückung und für Gleichberechtigung zu protestieren.

Die derzeitige soziale Bewegung im Iran wirft einige bedeutende Unterschiede zu den Massenprotesten von 2009 auf: Damals fanden vordergründig Proteste gegen den Wahlablauf statt. Es waren vor allem Kleinbürgerliche aus den Metropolen, die die zentrale Kraft der Proteste waren. Teilen der verschiedenen Fraktionen der herrschenden Klasse gelang es, die Aufstände für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und somit das soziale Programm der Bewegung in den Hintergrund zu drängen.

Zurzeit sieht es genau andersherum aus: Große Teile der herrschenden Klasse distanzierten sich von den Protesten. Sowohl die Revolutionsgarde als auch einheimische und exilierte Reformist_Innen sehen die derzeitig stattfindende Rebellion als Gefährdung des instabilen Kompromisses zwischen den Hardlinern und den moderaten Reformer_Innen.

Außerdem hat die aktuelle Bewegung einen deutlicheren sozialen Charakter, als die sich hauptsächlich auf Unstimmigkeiten im politischen Wahlzirkus beschränkte „Grüne Bewegung“ von 2009. Die soziale Frage wird unmittelbar mit der Frage des Sturzes der Herrschaft der Mullahs verknüpft. Dies zeigt sich unter anderem an den Parolen wie „Brot, Arbeit, Freiheit“ („Nan, Kar, Azadi“), „Tod dem Diktator“ und „Freiheit für die politischen Gefangenen„. 2009 haben die im Iran unterdrückten Völker kaum eine Rolle gespielt, in den aktuellen Aufständen sind Balutschen, Kurd_Innen, Araber_Innen, Aserbaidschaner_Innen und Luren jedoch deutlich präsenter.

Fundamtentalist, Reformist, es ist alles vorbei!“ – dieser Slogan, der von den Studierenden in Teheran aufgeworfen wurde, steht sinnbildlich für den zentralen Unterschied zur damaligen Bewegung: Die Massen wenden sich von ihrer bisherigen politischen Führung – ob islamistisch oder moderat – ab und fordern das ganze Regime heraus.

Reaktion des Iranischen Regimes:

Die Herrschenden im Iran entschlossen sich dazu, der Bewegung offensiv entgegenzutreten und überzogen diese mit massiver Repression. So wurden allein in der ersten Woche über 1000 Menschen verhaftet und 20 Protestierende nach offiziellen Angaben getötet. Es werden vor allem jene Aktivist_Innen eingeschüchtert und eingeknastet, die diese Bewegung maßgeblich von unten mit aufbauen. Insbesondere die linken Studierenden und Dozent_Innen an den Universitäten werden vom islamischen Regime als politische Gefangene genommen. 90 Prozent der Verhafteten sind unter 25 Jahre alt.

Khamenei, der oberste Religionsführer des Irans, erklärte die Protestierenden wie 2009 auch schon zu „Feinden des Landes“. Rohani hingegen, der als moderater Reformer geltende, derzeitige Präsident, heuchelte anfangs Verständnis für die Bewegung und sah darin wohl eine Chance, in der Auseinandersetzung mit den Hardlinern des Regimes Rückenwind zu bekommen. Gleichzeitig mobilisierte die Regierung ihre eigenen Anhänger_Innen auf die Straße und erklärte, die soziale Bewegung sei eine vom US-Imperialismus gesteuerte Aktion, um einen Regime-Change herbeizuführen.

Dennoch, trotz des Vorhabens der herrschenden Klasse, die Situation auszusitzen und trotz der massiven Polizeigewalt, gingen die Proteste weiter und die Jugend, obwohl diese von der Repression am härtesten betroffen ist, stand dabei in den Kämpfen an der vordersten Front. Es fanden auch zögerliche Versuche der Arbeiter_Innen statt, sich zu organisieren und dem Regime durch Arbeitsniederlegungen entgegenzutreten. Dies gestaltet sich jedoch unter den Bedingungen der Illegalität und durch die Repression vonseiten des Staates als äußerst schwierig. Dennoch gab es erste positive Ansätze, so wurde zum Beispiel vor kurzem in Haft Tappeh die größte Zuckerfabrik des Landes bestreikt und durch Arbeiter_Innen die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen und ein Ende der Verhaftungen gefordert.

Wie geht‘s weiter?

Die derzeitig stattfindenden Aufstände lassen sich als Rebellion gegen die Herrschaft der Mullahs bezeichnen, sie stellen jedoch noch keine Revolution dar. Die Bewegung zeichnet sich durch einen schwachen Organisierungsgrad aus und hat bisher keine Führung hervorgebracht. Die Demonstrationen finden größtenteils sehr spontan und ohne eine größere Mobilisierung statt. Die Arbeiter_Innenbewegung im Iran ist aufgrund der jahrzehntelangen massiven Repressionschlichtweg noch zu schwach und unorganisiert, um mit Streiks, Besetzungen und dem Aufbau von Räten das Regime ernsthaft herauszufordern und die Rebellion auf eine höhere Stufe zu heben. Der Aufstand wurde von der iranischen Linken sowie von den liberalen Kräften nicht erwartet und überfordert diese.

Sollten die Proteste weiterhin andauern und nicht zum Erliegen kommen, dann kann es passieren, dass die paramilitärischen reaktionären „Revolutionsgardisten“ zum Einsatz kommen und die Sicherheitsbehörden und das Militär massiv aufgerüstet werden, um die Proteste zu ersticken. Rohani könnte auch durch einen Putsch vonseiten des Militärs ersetzt werden. Dies würde jedoch das angeschlagene Image des theokratischen Regimes noch weiter ankratzen und die ohnehin fragile Herrschaft der Mullahs langfristig gefährden.

Denn das Ergebnis einer Intervention der Revolutionsgarde wären tausende Tote, eine enorme Erhöhung der Verhaftungen, Folter und Vertreibungen, was die Einsicht in die Notwendigkeit des Sturzes dieses Regimes unter den Ausgebeuteten und Unterdrückten nur weiter bestärken würde.

Eine weitere Möglichkeit wäre eine Erschöpfung der Massen durch blinden Aktivismus, die anhaltende Verhaftung von Aktivist_Innen und durch die Gewalt vonseiten der Bullen. Der Bewegung fehlt ein gemeinsames Aktionsprogramm, in denen ihre Forderungen, Taktiken und eine langfristige Strategie zum Sturz des iranischen Regimes demokratisch festgelegt werden. Die Selbstorganisierung beschränkt sich bisher hauptsächlich auf Initiativen von Studierenden, deren aktivsten Köpfe nicht ohne Grund mit als erstes eingeknastet wurden. Die Streiks müssten gezielt ausgeweitet werden, vor allem auf die Ölindustrie, und dürfen nicht lokale Ausnahmen bleiben. Nur durch die massenhafte Aktion der Unterdrückten, durch einen unbegrenzten Generalstreik, kann der Sturz des iranischen Regimes erfolgreich sein.

Die auf den repressiven und klerikalen Apparaten beruhende Macht der Mullahs ist nicht fähig, den sozialen und demokratischen Forderungen der verarmten Massen nachzukommen, und somit wäre es nur eine Frage der Zeit, bis die Proteste von Neuem aufflammen, falls sie zum erliegen kommen sollten. Außerdem könnten die derzeitig stattfindenden Aufstände, wie 2009 auch schon, ein Funke sein, der erneut zu Massenbewegungen im ganzen Nahen Osten gegen die dortigen reaktionären Regimes führt.

Gefahr der imperialistischen Intervention

Der Iran ringt mit anderen reaktionären Staaten wie Israel, Türkei und Saudi-Arabien um die regionale Vormachtstellung im Nahen Osten. Die gesamte Region steht im Zentrum des Kampfes um die Neuaufteilung der Welt zwischen den USA, Russland und anderen imperialistischen Großmächten. Trump, Netanyahu und die Saudische Monarchie sehen in der derzeitigen sozialen Bewegung im Iran sicherlich eine Chance für einen Regime-Change und werden ihrerseits versuchen, auf diese Einfluss zu nehmen. Weiterhin ist die Bewegung selbst sehr vielseitig. Es protestieren nicht nur Linke, sondern auch Monarchisten, Liberale, die Volksmodschahedin und sogar religiöse Fundamentalist_Innen.

Selbstverständlich kann es passieren, dass die Bewegung von den imperialistischen Großmächten oder durch verfeindete Regionalmächte für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert wird oder Reaktionäre Kräfte die Führung übernehmen. Dies ist allerdings kein Grund für uns, den gegen das islamische Regime, für Grundrechte und eine Verbesserung der Lebensbedingungen protestierenden Menschen die Solidarität zu verweigern. Wir werden nicht passiv abwarten, bis die Bewegung eingeknickt ist oder eine hoffentlich progressive Führung hervorbringt.Stattdessen müssen wir Druck aufbauen und auf die Repression aufmerksam machen, die sozialen Forderungen und den Kampf gegen das Regime unterstützen, um sicherzustellen, dass diese Bewegung zu einer revolutionären Kraft gegen die islamistische Diktatur und den Kapitalismus wird.

Was tun?

In der Situation, in der sich der Iran gerade zwischen regionalen Stellvertreter_innenkriegen, internationaler Isolation und den Versuchen der imperialistischen Einflussnahme befindet, können die Forderungen der aktuellen Massenproteste nur noch erfolgreich umgesetzt werden, wenn sie eine sozialistische Perspektive annehmen: Wenn die Kontrolle über die Wirtschaft nicht länger in den Händen der korrupten Herrschenden und den wenigen Besitzenden liegt, sondern gesamtgesellschaftlich für die Bedürfnisse der Menschen geplant wird. Ohne die Enteignung der Herrschenden können keine höheren Löhne und politische Freiheiten erkämpft werden. Gegen die Gefahr der imperialistischen Intervention und der Herrschaft der Mullahs werfen wir die Losung der internationalen proletarischen Revolution auf: DieArbeiter_Innenklasse muss sich selbst in Räten organisieren, das islamische Regime stürzen und Forderungen nach der Kontrolle und Verwaltung der Betriebe und Fabriken aufwerfen. Hierzu gibt es im Iran bspw. auch die historische Erfahrung der Organisierung in sogenannten Schoas, also Räten, die in der Revolution gegen den Schah 1978 entstanden und die Selbstverwaltung der Betriebe eigenhändig durchsetzten.Jeder Versuch, ein solches Vorhaben umzusetzen, wäre zweifellos zum scheitern verurteilt, solange 1. keine revolutionär-marxistische Partei mit einer festen Verankerung in der Arbeiter_Innenklasse existiert und 2. eine etwaige sozialistische Revolution auf den Iran beschränkt bliebe und damit isoliert werden würde. Letztlich kann nur der Aufbau einer solchen internationalen revolutionären Organisation im Iran und überall auf der Welt zum Erfolg der Revolution führen. Darum sollten alle linken, sozialistischen und revolutionären Gruppen im Iran sich in diesem Prozess am Aufbau einer revolutionär-sozialistischen Arbeiter_Innenpartei beteiligen.

Internationale Solidarität

Für uns als revolutionäre Marxist_Innen ist also klar, dass wir weltweit an der Seite der Ausgebeuteten und Unterdrückten stehen müssen und uns mit ihren Kämpfen auseinanderzusetzen haben. Für uns, die hier im Herzen des europäischen Imperialismus leben, bedeutet praktische internationale Solidarität vor allem, die regen Geschäfte von Teilen der Herrschenden hierzulande mit der iranischen Regierung aufzuzeigen und sich der Unterstützung dieser sowie der imperialistischen Einflussnahme Deutschlands und der EU entgegenzustellen. Gleichzeitig müssen wir auch Komplotte des deutschen Kapitals mit den USA, Saudi-Arabien und Israel bekämpfen, die im Iran lediglich ihre eigenen imperialistischen und regionalen Interessen verfolgen, sich aber sonst nicht um die iranischen Jugendlichen und Werktätigen scheren. In Berlin haben wir hierzu die Kundgebung der iranischen Community in Solidarität mit den Protesten gegen die reaktionäre iranische Regierung unterstützt; In Dresden waren wir maßgeblich an der Organisierung einer ersten Soli-Kundgebung beteiligt, wodurch erstmals eine Vernetzung stattfinden konnte – auf einer von uns durchgeführten Soliveranstaltung haben wir gemeinsam mit Menschen aus der iranischen Community und linken Einzelpersonen die Gründung eines Solidaritäts-Komitees beschlossen, um weitere Gruppen und Menschen in die Soliarbeit mit einzubinden. Unser nächster Schritt ist die Organisierung einer Demonstration am 30.01.18: an diesem Tag wird ein weltweiter Aktionstag in Solidarität mit der iranischen Rebellion stattfinden.

 

Darum fordern wir:

  • Die Einstellung jeglicher Rüstungsexporte an alle reaktionären Regimes
  • Die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen im Iran
  • Die Abschaffung der Todesstrafe und Beendigung von Folter und Mord an Aktivist_Innen
  • Die sofortige Auszahlung aller zurückgehaltenen Gehälter
  • Ein umfassendes Investitions- und Sozialprogramm, um die Arbeitslosigkeit und die Armut zu bekämpfen – finanziert durch die massenhafte Enteignung der Besitzenden im Iran
  • Die Vergesellschaftung des Großgrundbesitzes, der Fabriken und Betriebe unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die Werktätigen
  • Und den Sturz des iranischen Regimes mit dem Ziel der Errichtung einer Regierung der Arbeiter_Innen, Bauern und Bäuerinnen, der städtischen Armut und der Jugend
  • Nieder mit dem iranischen Regime! Für eine Sozialistische, säkulare Räteföderation Nahost! Hoch die internationale Solidarität!



Sklaverei in Libyen

VON LEONIE SCHMIDT

Seit kurzem ist das, was schon länger spekuliert wurde, klar: in Libyen werden Geflüchtete als Sklaven verkauft. Kürzlich aufgetauchte Videos bestätigen nun, dass in Libyen junge afrikanische Männer für 400 Dollar pro Kopf verkauft werden. In Interviews erzählen Migrant_Innen vom schlechten Umgang den sie in Libyen erleiden mussten und viele auch immer noch müssen: Misshandlungen, Mord, Vergewaltigung und Hunger. Viele berichten auch davon, dass vor allem die Frauen als Sexsklavinnen gehalten werden.

Aber warum gibt es überhaupt noch Sklaverei im Weltsystem Kapitalismus?

Kapitalismus hat’s nicht schon immer gegeben. In der Vergangenheit gab’s die Sklavenhaltergesellschaft und den Feudalismus. Diese Zeitalter sind von bestimmten Abhängigkeitsverhältnissen zur jeweiligen herrschenden Klasse geprägt. Deswegen ist die Aussage, dass Arbeiter_Innen auch nur Sklaven seien marxistisch nicht 100% richtig. Richtig ist, dass weder Sklave noch Arbeiter zur besitzenden Klasse gehören und beide von der besitzenden Klasse ausgebeutet werden. Mehr noch, sie stehen im Gegensatz zur herrschenden und besitzenden Klasse.

Der Unterschied, indem die (Mehr)Arbeit aus der besitzlosen Klasse gepresst wird, liegt lediglich in der Form: ein Sklave gehört dem Sklavenhalter, er bekommt kein Geld für seine Arbeit, sondern Essen, Kleidung, einen Schlafplatz. Alles auf einem Niveau, sodass er gerade so überleben kann. Da der Sklave dem Sklavenhalter gehört, kann dieser ihn auch beispielsweise verkaufen, zur Arbeit zwingen, misshandeln usw.

Ein Arbeiter hingegen, gehört nicht dem Bourgeois, er verkauft seine Arbeitskraft an ihn. Das führt zu einem ungerechten Tausch, denn dabei bekommt der Proletarier weniger als ihm zusteht – sonst könnte der Kapitalist nicht überleben und müsste selber arbeiten gehen. Von dem Geld, welches der Arbeiter bekommt, kann er sich nun alles gerade so kaufen, was er zum Überleben braucht. Anders als beim Sklaven ist aber kein direkt physischer Zwang zur Arbeit nötig, der Zwang seine Arbeitskraft zu verkaufen besteht darin, „dass die Bedingungen der Produktion fremdes Eigentum sind…“ (K. Marx, Grundrisse der politischen Ökonomie, 484.) mit anderen Worten: die Produktionsmittel gehören den Kapitalisten, der Arbeiter braucht Tauschwert um Dinge zu kaufen die überlebensnotwendig sind und muss deshalb seine Arbeitskraft verkaufen.

Die Lohnarbeit ist eine raffinierte Ausbeutung. Während der Arbeitstag der Sklav_Innen wirkt, als würden sie zu 100% für den Sklavenhalter arbeiten. So wirkt der Arbeitstag der Arbeiter_Innen so, als würde er zu 100% entlohnt werden. Somit ist es also gut verdeckt.

Nun aber zurück zur eigentlichen Frage: warum gibt es heutzutage noch „echte“ Sklaven?

Eigentlich ist der Kapitalismus von Lohnarbeit geprägt. Doch der Kapitalismus funktioniert nicht so einwandfrei wie die herrschende Klasse es sich wünschen würde. Nur wenn sich der Kapitalismus ständig weiter entwickelt und die Produktivkräfte sich ständig verbessern und für Wettbewerbsvorteile sorgen, kann daraus gut Profit geschlagen werden. Das Problem aber ist, dass das nicht mehr passiert. Die Industrie entwickelt sich nicht mehr weiter, die Effizienz kann nicht durch neue Maschinen ins unermesslich gesteigert werden. Denn Profit entsteht dadurch, dass die Arbeiter_Innen , weniger bekommt als ihnen zusteht. Selbst Leo Trotzki hat es schon im 20. Jahrhundert erkannt: „Der menschliche Fortschritt steckt in einer Sackgasse. Trotz der letzten Triumphe der Technik wachsen die natürlichen Produktivkräfte nicht an.“ Trotzki spricht hier hauptsächlich von der Arbeiterklasse und ihrer Entwicklung als „Produktivkräfte“. Somit ist auch die Frage zu beantworten: der Kapitalismus muss sich veralteten Formen der Arbeit bedienen um weiter existieren zu können, da die Widersprüche zwischen Produktionsverhältnissen (wem gehören die Produktionsmittel) und den Produktivkräften (wie effektiv sind die Arbeitenden) zu groß geworden sind. Eigentlich müsste an dieser Stelle eine Revolution kommen um diese Widersprüche zu beseitigen und eine gerechte, befreite Gesellschaft zu schaffen, jedoch liegt es natürlich an der Organisierung und am Bewusstseinsgrad der Arbeiter_Innen , ob diese auch zu Stande kommt.

Was hat die EU mit dem Sklavenhandel in Libyen zu tun?

Zurück zu Libyen: die Sklaven_Innen werden nicht an Europäer_Innen verkauft, sondern an Wohlhabende Libyer_Innen, Ghanaer_Innen und Nigerianer_Innen. Trotzdem hat auch die EU Schuld am Sklavenhandel vor Ort. Ein Zitat vom Präsidenten der afrikanischen Union, Alpha Conde, unterstreicht das sehr gut: „Was in Libyen passierte, ist schockierend, skandalös, aber wir müssen die Verantwortlichkeiten einwandfrei feststellen. In Libyen gibt es keine Regierung, so kann sich die Europäische Union nicht ein Entwicklungsland aussuchen und es bitten, die Flüchtlinge festzuhalten (…), wenn es nicht die Mittel dazu hat. Die Flüchtlinge sind in einem fürchterlichen Zustand … also lagen unsere europäischen Freunde nicht richtig, als sie Libyen darum baten, die Migranten zu behalten. Die Europäische Union ist verantwortlich.“

In Libyen gibt es 3 Regierungen, die den Namen beanspruchen, aber nur eine, die Einheitsregierung Libyens, wird international anerkannt. Das entspricht jedoch nicht den Machtverhältnissen vor Ort und durch bewaffnete Milizen und Warlords werden ständig neue gesetzesfreie Räume in Libyen geschaffen. Eine Folgerung daraus ist, dass keine der drei Regierungen in Libyen ausreichend territoriale Kontrolle über das Land hat, um menschenwürdige Bedingungen und Sicherheit für Migranten zu garantieren, wie es die EU fordert. Aber das ist natürlich noch nicht alles. Gerade Italien arbeitet gerne mit libyschen Milizen zusammen, um Geflüchtete davon abzuhalten, europäisches Festland zu betreten. Milizen in Libyen arbeiteten früher viel mit Schleusern zusammen, dank eines Abkommens und Geldern von der italienischen Regierung ist das jetzt nicht mehr so, die Geflüchteten werden abgefangen, in Camps festgehalten und eben auch weiter verkauft. Der allgemeine Kurs der europäischen Union in der Flüchtlingsfrage ist besser mit den Ländern zusammen zu arbeiten und Geflüchtete vor Ort abfangen zu lassen.

Was tun?

Offensichtlich geht dieser Plan der EU nach hinten los. Es liegt nicht im Interesse der EU die Geflüchteten zu unterstützen, sondern sich von ihnen abzuschotten, ja nichts abzugeben oder sich weiter mit den Problemen und Fluchtursachen zu befassen. Das ist höchst unmenschlich und widerwärtig, wie mit diesen Menschen umgegangen wird.

Klar ist: Wir müssen uns dagegen stellen! Rassismus und Nationalismus sind Spaltungsversuche der Bourgeoisie gegenüber der Arbeiter_Innenklasse und Fluchtursachen liegen hauptsächlich im imperialistischen Krieg. Deswegen müssen wir dem kapitalistisch – imperialistischem Weltsystem eine sozialistische Perspektive ohne Nations – und Staatskonstrukte gegenüberstellen!

Dennoch fordern wir auch innerhalb des Kapitalismus Dinge ein, die die Lage von Geflüchteten zumindest ansatzweise verbessern könnten! Die revolutionäre Linke muss der kapitalistischen Weltordnung mit einem gemeinsamen Kampf für mehr demokratische und soziale Rechte entgegentreten und zu europaweiten Aktionen gegen Spardiktate, imperialistische Ausbeutung und Kriege, gegen alle Abschiebungen und für die Rücknahme aller Verschärfungen der Asylgesetze europaweit eintreten. Für offene Grenzen und gleiche Staatsbürger_Innenrechte für alle Geflüchteten! Weg mit der Festung Europa, für sichere Fluchtwege!

 




Stoppt den aggressiven Vorstoß der USA im Nahost-Konflikt!

Im Alleingang hat US-Präsident Trump heute Jerusalem als die Hauptstadt Israels anerkannt und verkündet, die US-Botschaft somit von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen zu wollen. Während der israelische Staat den palästinensischen Teil Jerusalems bereits seit Jahrzehnten faktisch annektiert hat, folgt nun quasi das diplomatische „OK“ der US-Regierung.

Damit machen die USA ein weiteres Mal deutlich, dass der von ihnen initiierte „Friedensprozess“ mit Jerusalem als geteilter Hauptstadt zweier Staaten (die sogenannte „Zwei-Staaten-Lösung“) vollends gegen die Wand gefahren ist. Während Israels Ministerpräsident den Vorstoß der USA begrüßte, rückt das faule Versprechen an die Palästinenser_Innen, die Besatzung zu beenden und einen eigenen souveränen Staat zu bekommen, in noch weitere Ferne. Trump demonstriert dabei, dass er entschieden und konsequent an der Seite Israels steht. Wir vermuten, dass dieser Vorstoß ein Zeichen dafür ist, dass die Partnerschaft mit Israel in Zukunft eine noch größere Bedeutung im Rahmen der US-Militärstrategie im „Nahen Osten“ spielen wird. Und das könnte ziemlich gefährlich werden: Erst vor Kurzem hat der zweitwichtigste US-Partner in der Region – Saudi Arabien – dem Libanon mit Krieg gedroht und auch Israel hat bereits mehrere Militärübungen dicht an der libanesischen Grenze durchführt.

Aggressive außenpolitische Interventionen zu starten, wenn einem der eigene Laden um die Ohren fliegt, ist ein altbekannter Schachzug verschiedenster US-Regierungen. Auch das gerade währende Manöver in Südkorea mit mehr als 12 000 US-amerikanischen Soldat_Innen unmittelbar vor der nordkoreanischen Grenze unterstreicht das umso mehr. Auch, dass der UN-Sicherheitsrat extra zwei Sondersitzungen in den letzten zwei Wochen, eben wegen dieser Politik Trumps, einberufen hat, beschreibt die zugespitzte Situation und den Beef unter den imperialistischen Staaten. Der verzweifelte Versuch der wirtschaftlich angeschlagenen (ehemals uneingeschränkten) Ordnungsmacht USA, über aggressive Außenpolitik Stabilität zu suggerieren und die eigene Stellung gegenüber den anderen imperialistischen Staaten zu wahren, wird unabsehbare Folgen für die internationale Arbeiter_Innenklasse haben.

In den palästinensischen Gebieten hat Trumps Ankündigung, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verschieben, bereits an verschiedensten Orten für Proteste, Demonstrationen und Widerstand gesorgt. Ein Generalstreik legte zudem viele öffentliche Institutionen und Geschäfte lahm. Israel reagierte darauf bereits mit harter Repression. Derweil werden weitere Truppen in die palästinensischen Gebiete verlegt, um kommende Aufstände niederschlagen zu können.

Unsere Solidarität gebührt dem palästinensischen Widerstand gegen die US-Aggression!

Schluss mit der israelischen Besatzung und den Unterstützungszahlungen seiner imperialistischen Verbündeten!

Für ein Ende jeglicher imperialistischer Interventionen im „Nahen Osten“!

Internationale Solidarität kann dabei nur aus der weltweiten Arbeiter_Innenklasse kommen. Denn die Tatsache, dass zum Beispiel die Türkei oder Russland Trumps Vorstoß kritisiert haben, liegt nicht daran, dass sie Schicksal der Palästinenser_Innen interessiert. Sie verfolgen lediglich eine andere Strategie in der Region. Nur die palästinensischen Massen selber werden im Schulterschluss mit der gesamten Arbeiter_Innenklasse im „Nahen Osten“ ein sozialistisches und säkulares Palästina mit Jerusalem als Hauptstadt erkämpfen können, in dem jeder Mensch, unabhängig von Hautfarbe oder Religion in Frieden leben können wird.




NGOs gegen COP23 – ein NoGO? Oder: Mit Unterschriftenlisten die Klimakatastrophe verhindern?

Leonie Schmid und Marvin Schutt

Es gibt auch andere Gruppen, neben uns, die dem COP 23 kritisch gegenüberstehen. Das sind vor allem NGOs, die sich dem Umweltschutz verschrieben haben, wie beispielsweise Greenpeace, NABU, der BUND oder auch attac. NGOs – das steht für Non-Govermental Organisations, also auf deutsch Nichtregierungsorganisationen.

Sie scheinen dadurch unabhängiger zu sein als beispielsweise die „Grüne Jugend“, die sich zwar auch für Umweltthemen einzusetzen scheint, aber faktisch mit den Grünen zusammenhängt. Manche NGOs machen Aktionen oder führen wissenschaftliche Studien durch, um Menschen aufzuklären und Druck auf Regierungen auszuüben. Andere sammeln Geldspenden oder Unterschriften für Projekte. Und wieder andere führen die Projekte selber komplett durch, fliegen zum Beispiel als Freiwillige um die halbe Welt, und versuchen vor Ort etwas aufzubauen.

Auch, wenn wir das Engagement und den Mut vieler NGO-Aktivist_Innen sehr schätzen, müssen wir ihnen auch ehrlich sagen, dass sie auf diese Weise die drohende Klimakatastrophe nicht verhindern werden können. Sie erzählen uns, dass wir mit einer kleinen Spende, hier einer Unterschrift und da dem Verzicht auf ein böses klimaschädigendes Produkt einen großen Beitrag zum Umweltschutz leisten könnten. Dabei verschleiern sie, dass der Kampf gegen Umweltzerstörung keine individuelle Frage ist, die wir vom Schreibtisch aus erledigen können. Konsumboykott oder Spenden sind eine nette Idee. Das Problem dabei ist, dass diese im Kapitalismus keine gesamtgesellschaftliche Perspektive aufwerfen. Nur weil man sein eigenes Leben ändert, gibt es Millionen Anderer, die es sich beispielsweise nicht leisten können, keine Zeit haben oder denen es an Bewusstsein mangelt, darauf zu achten, welche Produkte sie boykottieren sollen. Im Prinzip verheimlichen die NGOs, dass Umweltzerstörung untrennbar mit der Profitlogik des Kapitalismus verbunden ist, und tun so, als könne man das Klima retten ohne den Kapitalismus als Ganzes in Frage zu stellen.

Ein anderes Problem der NGOs ist ihre Intransparenz und ihr Umgang mit Geldspenden. Wer garantiert den Menschen, die etwas gespendet haben, dass ihr Geld auch da ankommt, wofür sie es gegeben haben? Kommt nicht die vollständige Summe, die für ein Projekt benötigt wird, zusammen, wandert das Geld dann auch gerne mal in die Taschen der NGO-Chefs. Ebenso sind die Umwelt-NGOs überhaupt nicht demokratisch legitimiert. Während sich die Regierungen der wirtschaftlich stärksten Länder nicht von den Ökos in ihre Wirtschaftspolitik spucken lassen, wird in Asien, Afrika oder Südamerika gerne mal eine gewählte Regierung im Namen von Umwelt-NGOs entmachtet und bekommt Auflagen aufgezwungen, die ihre wirtschaftliche Rückständigkeit gegenüber den starken Nationen weiter zementieren. So wurden beispielsweise allein in Afrika 14 Millionen Menschen entschädigungslos vertrieben, um Naturreservate zu errichten. Der Kapitalismus hat also die einst rebellischen Ziele der NGO-Aktivist_Innen bereits vollständig seinem System des Profits und der globalen Ungleichheit unterworfen.

Am meisten Unterstützung erhalten die Umwelt-NGOs deshalb vor allem von Menschen, denen die Umwelt schon am Herzen liegt, denen es aber auch ökonomisch ziemlich gut in diesem System geht, sodass sie es nicht als Ganzes hinterfragen wollen. So kann man das schlechte Öko-Gewissen für den neugekauften BMW mit einer Spende an Greenpeace oder den WWF schnell wieder gut machen. Man kann sich mit der Kritik der NGOs an einzelnen Persönlichkeiten (wie z.B. Trump) anfreunden, ohne die kapitalistische Klassengesellschaft hinterfragen zu müssen.

Auch für viele Jugendliche sind die Umwelt-NGOs attraktiv. Wir profitieren zwar nicht vom Kapitalismus sondern werden sogar stark unterdrückt! Viele von uns akzeptieren aber unsere Unterdrückung und Bevormundung oft als natürlich und glauben nicht an eine Gesellschaft, in der dies anders sein könnte. Auch die Tatsache, dass man sich in NGOs unverbindlich und flexibel organisieren kann (indem man sich spontan in die Einkaufspassage stellt und ein paar Unterschriften für die Robben in Grönland sammelt) passt in den von Turbo-Abi, Hausaufgabebergen und Nebenjobs geprägten Alltag vieler Jugendlicher.
Zumal es diesbezüglich zwischen attac, NABU, WWF, BUND oder Greenpeace auch erhebliche Unterschiede gibt, ist ihnen allen gleich, dass sie das Märchen vom „grünen Kapitalismus“ propagieren.

Grüner Kapitalismus – gibt es so etwas?

Wir, als revolutionäre Jugend, gehen davon aus, dass es keinen grünen Kapitalismus geben kann. Warum? Weil ein System, das auf Profit ausgerichtet ist, dazu gezwungen ist, die Umwelt schonungslos auszubeuten. Auch wenn es vielleicht Staatsoberhäupter oder Konzerne gibt, die sich umweltbewusst geben, ist es viel einfacher und kostengünstiger, umweltverschmutzend zu produzieren. Selbst wenn es staatliche Regulierungen in unserem aktuellen System gäbe, die profitorientierten Kapitalinteressenten würden einen Weg finden, sie zu umgehen und ihre Abwasser weiter in Flüsse zu leiten oder weiter ihre Öltanker ungesichert in See stechen lassen und die nächste Ölkatastrophe für die Weltmeere produzieren. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass die die GLOBALE Umweltverschmutzung auch nur GLOBAL und international gelöst werden kann. Auch das ist nicht im Interesse der egoistischen Kapitalfraktionen, denn eine gleichberechtigte Zusammenarbeit, die nicht mal im Sinne ihres Profites steht, würden sie nicht wagen. Auch die Überproduktion und Verschwendung natürlicher, überlebenswichtiger und endlicher Ressourcen aufgrund der Konkurrenz, zeigt, dass Akkumulation von Kapital wichtiger als die Verbesserung des Umweltschutzes ist. Diese beiden Dinge stehen im ständigen Widerspruch und müssen sich zwangsläufig auflösen, um eine echte Veränderung durchzuführen und die Lebensgrundlage, für Mensch, Tier und Natur zu sichern.

Was tun?

Sicher, das Problem liegt darin, dass es im Kapitalismus keinen Platz und kein Interesse von den Herrschenden für Umweltschutz gibt. Diese Herrschenden müssen also entmachtet und durch die Herrschaft Aller in einer Rätedemokratie ersetzt werden. Statt der sinnlosen Überproduktion und Konkurrenz brauchen wir eine demokratische Planwirtschaft, die nicht für den Profit produziert, sondern auf nachhaltige Weise die Bedürfnisse aller Menschen auf der Welt befriedigen kann. Nicht zu verwechseln mit der DDR-Planwirtschaft, die nicht demokratisch kontrolliert wurde, sondern von einzelnen Partei-Bonzen und Bürokrat_Innen.

Damit wir dorthin kommen, müssen wir uns als Kommunist_Innen schonungslos für die Umwelt einsetzen und dieses Thema mit einer antikapitalistischen Perspektive verbinden! Deswegen werden auch wir gegen COP23 protestieren und unsere Forderungen lautstark auf die Straße tragen!

Wir fordern:

  • Für strikte Kontrollen und hohe Strafgelder für umweltverschmutzende Firmen.
    Stoppt den Handel mit Treibhausgasen, der verhindert, dass sich die armen Länder entwickeln können! Die imperialistischen Staaten sollen für die von ihnen verursachten Schäden bezahlen!
  • Alle imperialistischen Nationen müssen ihre Treibhausgase um mindestens 30 % bis 2020 verringern
  • Große Investitionen in alternative Energien und kostenlose öffentliche Verkehrsmittel – Weg von einer Wirtschaft, die auf fossilen Brennstoffen beruht. Nehmt das Geld der Ölindustrie und Energiekonzerne, um in Wind, Wasser und Solarenergie zu investieren
  • Verstaatlichung aller Transport- und Energieunternehmen unter Arbeiter_Innenkontrolle!



Die Uhr tickt: Retten wir, was noch zu retten ist!

Christian Mayer

Vom 06. bis 17.11.2017 findet in Bonn der Klimakonferenz COP 23 statt. Die Abkürzung steht für Conference of the Parties und tagt nun zum 23. Mal.
Im Fokus dieser Konferenzen steht der Klimawandel. Dort sollen Beschlüsse gefasst werden, um dessen Folgen für die Menschheit abzumildern. Hört sich jetzt gar nicht so verkehrt an, also warum dagegen auf die Straße gehen?

Viel Gerede, keine Erfolge oder: Wie man unsere Erde tot redete

Seit den 1990er-Jahren wird über den Klimawandel geredet. Davor wollten die Herrschenden nämlich nicht wahrhaben, dass das Überleben der Menschheit akut gefährdet sind. Es brauchte erst das Atomunglück von Tschernobyl 1986, den gesunkenen Öltanker „Exxon Valdez“ im Jahr 1989, der für eine der größten Ölkatastrophen der Geschichte verantwortlich ist und viele, große Proteste, damit die Herrschenden gezwungen wurden, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

So fand 1997 im japanischen Kyoto eine große Klimakonferenz statt, auf der erstmals verbindliche Beschlüsse gegen den Klimawandel gefasst wurden. Unter Anderem sollten bis zum Jahre 2008 die Treibhausgase wie CO2 um 5,2 % gegenüber den Werten von 1990 gesenkt werden. Doch längst nicht alle Länder haben diesem Ziel zugestimmt. Die USA haben diese Vereinbarung bis heute abgelehnt und auch Kanada ist im Jahre 2011 aus diesem Protokoll wieder ausgestiegen. In den Jahren danach wurde dann versucht, ein weiteres Abkommen zu schließen, dass tatsächlich alle Länder verbindlich dazu verpflichten würde, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Im Jahre 2015 wurde nach zähen, oft ergebnislosen Verhandlungen dann tatsächlich ein Abkommen beschlossen, in dem sich alle Staaten dazu verpflichteten, etwas wirklich wirksames gegen den Klimawandel und weitere Umweltprobleme zu tun. Soweit jedenfalls die Theorie. In der Praxis sieht das dann schon ein bisschen anders aus. Da hat Donald Trump, seines Zeichens amtierender US-Präsident und überzeugter Gegner des Klima- und Umweltschutzes, kurzerhand den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen verkündet. (Mehr dazu in unserem Artikel „Macht Trump die Erde kaputt?„.)

Kurz zusammengefasst: Jeder ernsthafte Versuch, ein solches Abkommen zustande zu bringen, scheiterte am Widerstand der USA, Chinas, Indiens und anderer Staaten, deren herrschende Klasse lieber auf Wirtschaftswachstum zu Lasten der Umwelt setzten statt auf Umweltschutz.
Die Folgen: Allein die Verschmutzung des Wassers in Indien ist so stark, dass jährlich 2 000 000 (in Worten zwei Millionen!) Menschen daran sterben.

Und was soll Bonn verändern?

Gute Frage. So genau ist sich die Konferenz da auch nicht sicher. Übrigens: die Klimakonferenz sollte dieses Jahr auf den Fidschi-Inseln im Pazifik stattfinden. Diese sind aber zu klein um eine solche Konferenz abzuhalten, deswegen wurde sich auf Bonn geeinigt. Praktisch für Deutschland: Einmal mehr kann man sich als das „grüne Vorzeigeland“ präsentieren und der Welt demonstrieren, was denn schon alles im Kampf gegen den Klimawandel bisher erreicht, sowie umgesetzt wurde. Ein bisschen zynisch, wenn man an den immer weiter ausufernden Diesel-Skandal der deutschen Autoindustrie denkt, an die Tonnen an Schadstoffen, die durch die Braunkohleverbrennung in die Luft gejagt werden, oder daran, dass wir – seit über 6 Jahren – zwar vom Atomausstieg reden, das aber erst 2022 möglich sein wird und selbst das noch nicht mal heißt, dass die Atomkraftwerke endgültig abgeschaltet werden.

Aktiv werden statt labern!

Die Ausgangslage ist also beschissen. Unsere Lebensgrundlage wird systematisch zerstört und die Politiker_Innen reden nur leere Worte, die großen Unternehmen denken nur an ihren Profit. Was können wir also tun? Wir müssen aktiv werden und unsere Zukunft in unsere Hand nehmen! Im November gehen wir in Bonn auf die Straße, um gegen leere Versprechungen und lose Absprachen zu demonstrieren. Wenn wir noch ein bisschen länger auf diesem Planeten leben wollen, müssen wir jetzt sofort etwas ändern.

Deswegen fordern wir:

  • Umstellung des Verkehrssystems vom Individualverkehr zu einem integrierten öffentlichen Verkehrssystem – her mit einem kostenlosen Nahverkehrsnetz, sowie der Entwicklung eines nachhaltigen Warentransportsystems!
  • Umstellung der Nahrungsmittelproduktion auf ein System ökologischer Nachhaltigkeit, das sich an den Interessen der Arbeitenden auf dem Land und in der Lebensmittelproduktion sowie den Konsument_Innen orientiert.
  • Planmäßiger globaler Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger, dazu massiver Ausbau erneuerbarer Energien auf Kosten der Energiekonzerne. Ausbau der Forschung zur emissionsneutralen Produktion und Energieversorgung.

Das alleine reicht uns aber nicht. Um den Klimawandel zu stoppen, müssen wir seine Ursache an der Wurzel packen. Das sind nicht, wie oftmals dargestellt, die Konsument_Innen. Es ist unsere Art und Weise zu produzieren. Statt um die Bedürfnissen der Menschheit geht es um mehr, mehr und nochmals mehr Profite. Weder NGOs, noch 10 weitere Klimakonferenzen werden das ändern. Auch nicht die „freie“ Wahl jedes einzelnen, den Müll zu trennen oder Strom zu sparen. Deswegen müssen wir uns gut organisieren. Als REVOLUTION denken wir, dass es notwendig ist, die großen Konzerne zu enteignen und unter Arbeiter_Innenkontrolle zu stellen, damit endlich nach den Bedürfnissen Aller und nicht für die Profite von Wenigen produziert wird. Das können wir aber nicht alleine schaffen. Also, wenn auch du genug von der Umweltzerstörung und dem endlosen Gelaber von Klimagipfeln hast, auf denen nix Vernünftiges rauskommen kann, dann schließ‘ dich uns an und komm mit uns zu den Gegenaktionen zur Klimakonferenz im November in Bonn. Unsere Zukunft liegt in unseren Händen, also lasst uns retten, was noch zu retten ist!