Anakin, Han Solo und der Konsens: Wie in Filmen übergriffiges Verhalten normalisiert wird

Von Jona Everdeen, März 2024

Wer kennt sie nicht, die romantische Szene, in der sich die beiden Hauptfiguren zum ersten Mal küssen? Was in der Regel fehlt: der Konsens. Warum sollte unser Filmheld auch seine Love Interest fragen, bevor er sie an sich zieht und seinen Mund auf ihren drückt? Es war doch eh schon von Anfang an klar, dass sie ihn auch will – oder?

Diese Darstellung von romantischen Beziehungen und körperlicher Intimität ist nicht bloß eine filmische Entscheidung, sondern hat für Zuschauende Vorbildfunktion. Insbesondere Jugendliche werden dazu verleitet, sich an der Popkultur zu orientieren, weil der Sexualkundeunterricht in der Schule dieses Thema kaum behandelt.

Fehlender Konsens im Film trägt dazu bei, dass die Frage nach Konsens auch im echten Leben entweder als überflüssig und ungewohnt wahrgenommen wird, und dass ein „Nein“ für manche Männer so wirkt, als wäre ihnen ein fundamentales Recht entzogen worden.

Wenn wir diesen Ablauf immer wieder präsentiert bekommen und nie eine alternative Möglichkeit gezeigt wird, bleibt irgendwann nur noch eines hängen: „Mein Filmheld küsst seinen Crush bei romantischer Musik einfach auf den Mund; warum sollte ich das bei meinem Crush nicht auch dürfen?“

Anakin mag keinen Konsens

Veranschaulichen lässt sich das Problem an Star Wars, einem der weltweit beliebtesten Film-Franchises. In der Original-Trilogie wird die Romanze zwischen Prinzessin Leia und dem Schmuggler Han Solo erzählt, in den Prequels die zwischen Padmé Amidala und Anakin Skywalker. Diese Beziehungen werden als süß und romantisch porträtiert, obwohl sich beide Filmhelden nicht konsensuell verhalten.

So erzählt Anakin Padmé in Episode II – Angriff der Klonkrieger ausführlich, dass er keinen Sand mag, fragt sie aber nicht, wie sie es findet, dass er mit seiner Hand ihren Rücken streichelt und sie küsst. Zwar erwidert Padmé Anakins Gefühle und wirkt nicht abgeneigt, allerdings konnte Anakin das vorher nicht wissen, da ihr Auftreten ihm gegenüber zuvor rein freundschaftlich wirkte.

Wenn ein Schweigen als Zustimmung gedeutet wird, besteht die Möglichkeit, dass eine Person sich nicht aus freiem Willen an einer Handlung beteiligt, sondern aus Angst oder gesellschaftlichem Druck, oder weil sie überrumpelt wurde und nicht schnell genug reagieren konnte. Deshalb zählt nur ein explizites „Ja“ als Zustimmung, und auch weiteres Nachfragen zwischendurch schadet nie.

Han Solo, der Macker

Während Anakin in Kauf nimmt, Padmés Grenzen zu missachten, handelt es sich bei Han Solos Verhalten um eine eindeutige sexuelle Grenzüberschreitung. In Episode V – Das Imperium schlägt zurück macht Leia Han klar, dass sie kein Interesse an romantischen oder sexuellen Interaktionen mit ihm hat.

Anstatt das zu respektieren, nutzt Han die Situationen aus, in denen er mit ihr allein ist, indem er sie begrabscht, scheinbar versehentlich, in Wahrheit aber ganz bewusst. In der berühmten Kussszene auf dem Millennium Falken können insgesamt 8 verbale und nonverbale Signale von Leias Ablehnung gezählt werden. Daraufhin macht Han sich sogar über ihre Ablehnung lustig und redet ihr ein, dass sie eigentlich das Gegenteil meinen würde.

Han verhält sich kalkuliert übergriffig und sein Bro Chewie macht das, was Typen eben machen, wenn es ihre Homies betrifft: wegschauen. Der Film stellt das nicht als problematisch dar, sondern als süße Romanze. Die Rebellenallianz verpflichtet Han nicht etwa dazu, seine Handlungen zu reflektieren und sein Verhalten zu ändern; stattdessen wird sein übergriffiges Vorgehen als „coole Gangstermanieren“ verklärt.

Wie geht Konsens?

Anstatt über die Beschaffenheit von Sand zu reden, sollte Anakin Padmé fragen: „Ist es okay, wenn ich deinen Rücken streichle?“ und „Darf ich dich küssen?“, und diese Handlungen erst durchführen, wenn sie mit „Ja“ antwortet – so sieht Konsens aus. Das ist natürlich jetzt sehr verkürzt, denn nicht immer heißt ein „Ja“ auch, dass die andere Person es gerade wirklich möchte. Rollenbilder und Unterdrückung sind ein Grund dafür. Daher sollte auch auf den Kontext geachtet werden und auf die Körpersprache.

Es ist aber wichtig, dass solche Zeilen nicht nur als „Formsache“ ins Drehbuch hinzugefügt werden, bevor die intime Szene wie selbstverständlich erfolgt. Stattdessen sollte auch abgebildet werden, wie Figuren klare Grenzen setzen und wie diese vom Gegenüber respektiert werden. Zum Beispiel in Form von: „Nein“, „Ja, aber nur auf diese Körperstelle“ oder „Nur ohne Zunge“. Bestenfalls geht die Kommunikation über Grenzen und Bedürfnisse aber nicht erst dann los, wenn es auch zur Sache kommt. Das kann Druck rausnehmen und sollte daher keineswegs optional sein.

Hinsichtlich der filmischen Gestaltungsmittel sollten diese Szenen nicht als „cringe“ dargestellt werden. Ja, das kann manchmal alles ganz schön unangenehm sein! Noch unangenehmer ist es aber, so eine wichtige Sache wie Konsens auf der Leinwand unauthentisch und karikiert darzustellen. Denn Konsens ist nicht immer sexy, Konsens ist immer notwendig! Falls du mehr darüber erfahren möchtest, als wir in diesem Text abbilden können, empfehlen wir dir, unsere Konsensbroschüre durchzulesen, die viel Anregung und Tipps bereithält.

Außerdem sollten Filmproduzent:innen lernen, andere Wege als Küsse finden, um romantische Gefühle zu signalisieren. So bekommen Jugendliche die Chance zu lernen, dass es keine Pflicht gibt, den sexuellen Wünschen anderer Personen nachzukommen – auch, wenn sie sich in einer romantischen Beziehung befinden.

Ebenfalls muss gezeigt werden, dass die Figuren nach einer Zurückweisung weiterhin in Kontakt stehen können, ohne, dass der Protagonist sich in einen beleidigten Incel verwandeln muss. Übergriffige Macker sollten in Filmen nicht als Helden gefeiert, sondern als die Täter dargestellt werden, die sie sind!

Die Vorbildfunktion von Medien

Weil Leia sich gerade aufgrund von Han Solos Art in ihn verliebt, sendet der Film den Zuschauenden falsche Signale. Er suggeriert Mädchen, dass es okay wäre, wenn Typen sie bedrängen und anfassen, obwohl sie das nicht wollen, und dass diese Typen besonders cool wären.

Jungs hingegen gibt der Film zu verstehen: „Wenn sie dich abweist, kannst du ruhig weitermachen, irgendwann wird sie sich in dich verlieben und erkennen, was für ein cooler Typ du bist!“ Jungs und Männer mit genau dieser Einstellung verschicken dann auf Instagram Dick Pics an fremde Mädchen oder belästigen als „Pick-up-Artists“ Frauen auf der Straße.

Nun könnte man sagen, dass es okay wäre, wenn Filme, die der Unterhaltung dienen sollen, nicht unsere Wunschvorstellung von Sexualität widerspiegeln. Allerdings haben Filme immer auch eine Vorbildfunktion. Dass Medien großen Einfluss auf Kinder und Jugendliche haben, ist kein Geheimnis, wie die FSK/USK-Regelungen beweisen.

Dass Episode V erst ab 12 Jahren freigegeben ist, liegt jedoch nicht an der Grabsch-Szene, sondern an der Folter, der Han Solo im späteren Verlauf der Handlung ausgesetzt ist. Hier zeigt sich, welche Gewalt der Jugendschutz als solche erkannt und welche nicht. Auf eine solche verbietende Instanz können wir also nicht vertrauen, wenn es darum geht, Medienkompetenz zu entwickeln und Jugendliche zu schützen!

Sexualkundeunterricht: Ungenügend

Die Vorbildfunktion von Filmen wird dadurch verstärkt, dass wir nirgendwo anders lernen, wie man sich konsensuell verhält, weshalb Jugendliche häufig auf die Darstellung in Medien zurückgreifen. Schuld daran ist auch unsere Bildung.

Im Sexualkundeunterricht, insofern er überhaupt stattfindet, lernen wir bestenfalls, wie man ein Kondom über eine Gurke zieht und wie Genitalien aufgebaut sind – und selbst da können wir uns nicht darauf verlassen, dass die Klitoris richtig abgebildet wird. Wir erfahren nicht, worauf wir noch achten müssen, wenn wir mit anderen intim werden, der Unterricht bleibt heteronormativ, und wie man konkret Sex hat, bleibt ein Mysterium.

Dass die zentrale Bedeutung von Konsens im Sexualkundeunterricht schlichtweg ignoriert wird, ist grob fahrlässig und sorgt dafür, dass es Jugendlichen meist nicht möglich ist, konsensuelles Handeln zu lernen.

Seit der Anpassung des Sexualstrafrechts im Jahr 2016 ist das „Nein heißt Nein“ Prinzip einigermaßen bekannt. Doch das „Nur Ja heißt Ja“ Prinzip bekommt man nur durch anderweitige Sozialisierung beigebracht, wie progressive Freund:innen oder linke Politgruppen.

Was wir zusätzlich brauchen, ist eine zeitgemäße, tabulose Aufklärung durch Lehrkräfte, denen klar ist, dass sexistische Gewalt für viele von uns Alltag ist! Wir sollten die Möglichkeit bekommen, uns all den Faktoren bewusst zu werden, die uns in unserer freien Entscheidung einschränken, von Amatonormativität bis Slutshaming, damit wir anfangen können, gegen diese vorzugehen.

Zudem sollten wir im Unterricht lernen, Filme nicht nur allein und passiv zu konsumieren, sondern die Darstellungen von Intimität zu hinterfragen, das Gesehene und Gehörte zu reflektieren und darüber mit anderen in Austausch zu gehen.

Das Patriarchat auf der Leinwand

Star Wars ist nur einer von vielen Fällen, in denen fehlender Konsens der Start für eine romantische Beziehung ist. Bei jüngeren Filmproduktionen ist die Aufmerksamkeit für das Thema zwar gestiegen und ein Filmheld wie Han Solo würde vermutlich nicht mehr so krass übergriffig dargestellt werden. Aber echter Konsens ist immer noch kaum zu finden.

Das liegt daran, dass Filme und Serien Produkte sind, die von kapitalistischen Großkonzernen geschaffen werden. Auch, wenn in letzter Zeit oberflächliche linke Positionen Einzug in manche Genres erhalten haben, bleibt die Funktion dieser Medien die Reproduktion bürgerlicher Ideologie. Dazu gehört auch das Patriarchat, denn die Frauenunterdrückung entwickelte sich, um in Klassengesellschaften das Eigentum zu schützen und hat heute u.a. die Funktion, die Reproduktion der Arbeitskraft abzusichern. Die fehlende Selbstbestimmung bei der Sexualität dient im Kapitalismus beispielweise dazu, Frauen in die Rolle des Gebärens und Aufziehens neuer zukünftiger Arbeitskräfte zu drängen.

Von Disney, Warner und Co. Können wir daher sicher keinen tatsächlichen Antisexismus erwarten, sondern höchstens weichgespültes Pseudo-Empowerment, welches den aktuellen Zeitgeist zu Geld macht, aber das Fundament der Unterdrückung nicht ankratzt.

Was es stattdessen braucht

Diese Konzerne müssen wir unter der Kontrolle der Arbeiter:innen enteignen und die Produktion von Filmen und Serien sowie den Jugendschutz mithilfe von Arbeiter:innenkomitees demokratisieren!

Das wäre nicht nur ein erster Schritt, um reaktionäre Ideologien und daraus resultierende Umgangsformen aus der Popkultur zu verbannen – die Demokratisierung der Filmbranche ist zudem notwendig, um den zahlreichen sexualisierten Übergriffen hinter der Kamera ein Ende zu setzen und allen Nachfolgern von Weinstein und Schneider für immer das Handwerk zu legen.

Wir können natürlich nicht einfach darauf hoffen, dass Jugendliche dann durch Zufall die „richtigen“ Filme sehen und sich davon abschauen, wie sie sich ihrem Crush gegenüber korrekt zu verhalten haben. Ein stumpfes Ursache-Wirkung-Verhältnis ist beim Medienkonsum nicht gegeben, denn unsere Sozialisierung setzt sich aus zahlreichen, komplizierten Faktoren zusammen, die miteinander in Wechselwirkung stehen.

Um einen echten Ausweg aus der Rape Culture zu finden, müssen wir das darunterliegende System, den Kapitalismus, restlos zerschlagen und an seine Stelle eine sozialistische Gesellschaftsordnung ohne Ausbeutung setzen, in dem Selbstbestimmung und Gleichberechtigung nicht nur auf dem Papier existieren, sondern Teil des Fundaments sind und täglich gelebt werden.




Legalize it! Und zwar alle Drogen!

von Clay Ikarus, April 2024

Seit Jahren wird auf sie gewartet und ab heute scheint sie endlich da: die Legalisierung von Cannabis. Aber ist das neue Gesetz wirklich die ersehnte Legalisierung und wieso setzen wir uns als Revolutionär:innen überhaupt für die Legalisierung von Drogen ein?

Wieso berauschen wir uns?

Diese Frage dürfte so viele Antworten haben, wie Menschen, die es gibt. Auf die ein oder andere Art und Weise berauschen sich nämlich fast alle Menschen und Rausch gehört letztendlich zum Leben dazu. Es bringt zumindest zeitweise Entlastung, Entspannung, Euphorie und außeralltägliche Erfahrungen und ist auch überhaupt nicht an Substanzen gebunden, auch wenn es in diesem Text vor allem darum gehen wird. Doch in einer unfreien Gesellschaft wie dem Kapitalismus ist letztendlich auch der Rausch unfrei: Sucht droht gerade deswegen, weil viele Menschen kaum wirkliche Erfüllung in ihrem Leben erreichen können und unter Arbeitsdruck, Ausbeutung, Unterdrückung und Diskriminierung leiden. Drogenkonsum kann kurzzeitig für Befriedigung sorgen und dabei helfen, sich aus der Realität zu flüchten. Da der Kapitalismus keinen leichten Zugang zu Hilfe in (psychischen) Notlagen liefert und dadurch eine nachhaltige Lösung unmöglich wird, kann der Drogenkonsum eine notwendige psychische Funktion übernehmen, weil sonst keine Entlastung erfahren werden kann. Doch langfristig verhindert das eine innere Aufarbeitung und bringt noch mehr Probleme mit sich, aber dann stecke viele schon drin in der Sucht nach dem kleinen bisschen Glück. Solange wir also in einer Welt leben, in der Menschen ausgebeutet und unterdrückt werden und sich nicht frei entfalten können, wird es auch Sucht geben. Und solange es überhaupt Menschen gibt, wird es auch den Wunsch nach Rausch und dementsprechend eine Nachfrage nach Rauschmitteln geben, unabhängig von irgendwelchen Verboten. Wir müssen also eine Perspektive im hier und jetzt erkämpfen, Antworten auf die Probleme geben und gleichzeitig aufzeigen, dass wir dieses mörderische System beenden müssen, damit Menschen nicht mehr in die Sucht getrieben werden. Wir stimmen also nicht nur einer Legalisierung von Cannabis zu, sondern setzen uns dafür ein, dass alle Drogen legalisiert werden, denn die Argumente sind nicht an einzelne Substanzen gebunden, sondern an die Drogenpolitik als Ganzes!

Auswirkungen der Illegalisierung

Heute existieren in der Illegalität auf der gesamten Welt milliardenschwere Märkte für illegale Drogen. Daraus ergeben sich vielfältige Probleme. Alle Arbeiter:innen, die irgendwie an diesem Geschäft beteiligt sind, arbeiten außerhalb von jeglichem Arbeitsrecht und haben keine Sozialversicherungen. Das Geschäft wird meistens von gewalttätigen Gangs kontrolliert, die ihre eigenen Mitglieder bedrohen und oftmals im Kampf um Schmuggelruten blutige Feden mit anderen Gangs austragen. Durch das lukrative Drogengeschäft können diese ihre Macht ausweiten, was mit einer Terrorisierung der Zivilbevölkerung einhergeht. Doch auch für die Konsument:innen sieht es nicht besser aus. Da es keine Qualitätskontrollen gibt werden Drogen gestreckt. Dadurch wird der Konsum extrem riskant und es kann (besonders bei Opiaten) zu tödlichen Überdosen kommen. Doch auch Gras wird gestreckt, um das Gewicht zu erhöhen, mit giftigen Substanzen optisch aufgehübscht oder mit gefährlichen synthetischen Cannabinoiden besprüht.

Die Strafverfolgung selbst stellt ein weiteres großes Problem da. So können Konsument:innen schnell ihren Führerschein verlieren, ohne durch das THC in ihrem Blut fahruntüchtig zu sein. Die Kriminalisierung kann auch weiterhin empfindliche Geldstrafen für den Besitz von Gras nach sich ziehen. Dabei ist auffällig, dass die Verfolgung von Cannabiskonsum und -besitz bis heute eine rassistische Komponente hat: Migrantisierte Menschen sind oft von Armut betroffen oder haben keine Arbeitserlaubnis, weshalb sie gezwungen sind, illegal Geld dazu zu verdienen, sei es durch Schwarzarbeit oder eben kriminalisierte Geschäfte. Menschen, die in Armut leben und so kaum die Chance haben, an der Gesellschaft teilzunehmen, gehören auch verstärkt zum Konsument:innenkreis. Durch Racial Profiling werden überdurchschnittlich viel People of Color in diesem Zusammenhang angezeigt. Sowieso ist die Geschichte der Drogenprohibition eng verknüpft mit rassistischer Unterdrückung.

Besonders international sitzen viele Menschen wegen dem Schmuggel von Cannabis und anderen Drogen im Gefängnis, wodurch ihre Biografien zerstört werden. Insgesamt sind die Kosten für die polizeiliche Strafverfolgung, die Arbeit der Gerichte und zum Teil auch den geschlossenen Vollzug im Zusammenhang mit Cannabis gewaltig. Dieses Geld könnte viel besser in Prävention und Therapie gesteckt werden. Auch eine Ausweitung von Jugendarbeit mit diesen Mitteln könnte den Konsum von Cannabis eher reduzieren als ein Verbot.

Dass ein Verbot den Konsum von Drogen reduzieren würde, ist ein Irrglaube. Studien aus den USA, die den Konsum von Cannabis nach der Legalisierung in den einzelnen Staaten untersucht haben, kamen zu dem Schluss, dass eine Legalisierung wahrscheinlich keine Auswirkung auf das Konsumverhalten hat. Und selbst wenn: Unser Ziel ist nicht, dass sich möglichst niemand berauscht, sondern unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der die Menschen möglichst wenig unter ihrem Konsum leiden! Das heißt: Ein aufgeklärtes, freies, kontrolliertes, aber selbstbestimmtes Verhältnis zum eigenen Konsum.

Inhalt und Schwächen des beschlossenen Gesetzes

Der Gesetzesvorschlag, der am 1. April in Kraft getreten ist, sieht vor, dass jede/r 3 Cannabispflanzen privat zuhause oder im Cannabis-Club mit anderen zusammen anbauen und sharen darf. Der Besitz von 50 g Cannabis ist jetzt legal, von denen 25 g mitgeführt werden dürfen. Für Vielkiffer:innen ist diese Menge allerdings zu gering, um ihren jährlichen Bedarf mit einem Anbau zu decken. Ursprünglich sollte Gras auch verkauft werden, doch dies soll zunächst nur in Modellprojekten erprobt werden, wofür es jedoch noch keinen Gesetzesentwurf gibt. Das ist problematisch, weil so immer noch viele Menschen auf den Schwarzmarkt angewiesen sind.  

In weniger als 100 m Entfernung von Schulen, Kitas und Spielplätzen darf nicht geraucht werden. Wenn man auf Karten anschaut, welche Gegenden gebannt sind, scheint es so, dass gerade in Großstädten in der Öffentlichkeit kiffen verboten bleibt. Für Jugendliche und junge Erwachsene gelten andere Regelungen, trotz der hohen Konsument:innenzahlen. Es soll wie Alkohol erst ab 18 konsumiert werden dürfen und bis 21 Jahre nur 30 Gramm besessen werden können. Der Verkauf an Minderjährige wird nun sogar härter bestraft.

Es soll zudem auch eine große Aufklärungskampagne zu den Risiken von Cannabis geben und die Länder sollen sich auch um Präventions- und Interventionsmaßnahmen kümmern, Extragelder werden hierfür jedoch nicht bereitgestellt. Das ist ein großes Problem, weil gerade hier ein großes Potential liegt, tatsächlich besonders Jugendliche über Risiken, Langzeitfolgen, Safer Use usw. aufzuklären, damit sie einen gesunden Umgang mit dem Graskonsum finden können. Obwohl wir für die Legalisierung eintreten, ist uns nämlich durchaus bewusst, dass der Konsum von Cannabis gefährlich ist und im Idealfall (wenn überhaupt) in einem sehr beschränkten Rahmen stattfinden sollte. Für Süchtige braucht es zudem eine ernsthafte Ausweitung der Suchthilfe, wie z.B. mehr Therapieplätze. Dafür muss Geld in die Hand genommen werden, welches z.B. bei den Strafverfolgungsbehörden eingespart werden kann.

Auch eine Erhöhung der Grenzwerte des THCs im Blut ist bisher nicht beschlossen, weshalb das Gesetz für alle, die ein Fahrzeug führen und mind. einmal die Woche kiffen im Prinzip wertlos ist. Der Grenzwert sollte von 1,5 Nanogram pro Mililiter auf 3,5 Nanogramm erhöht werden. Dies wurde Ende März auch von der vom Verkehrsministerium eingesetzten Arbeitsgruppe vorgeschlagen. Bleibt zu hoffen, dass eine Umsetzung dessen zeitnah erfolgt. Falls nicht, kann man den niedrigen Grenzwert als „Prohibition durch die Hintertür“ bezeichnen!

Perspektive

Auch mit dem neuen Gesetz sollte unser Engagement für eine bessere Drogenpolitik nicht aufhören. Richtigerweise wird es auch nur als eine Teillegalisierung bezeichnet und die Prohibition für alle anderen Substanzen gehen weiter inklusive Schwarzmarkt und staatlicher Verfolgung. Wichtig ist jedoch, dass die Betriebe von Herstellung bis Vertrieb durch Arbeiter:innenhand und nicht privatwirtschaftlich geregelt sind. Durch das Profitstreben des Marktes wären beschissene Arbeitsbedingungen, das Unterlaufen der Qualität und ein Interesse am Süchtigmachen der Konsument:innen nicht gebannt.

Wir fordern deshalb:

– Die Legalisierung aller Drogen, um den Schwarzmarkt und die Verfolgung der Konsument:innen zu beenden!

– Gewerkschaftliche Organisierung der Arbeiter:innen, die bisher auf dem Schwarzmarkt arbeiten. So könnten sie für Arbeitsrechte und auch für eine demokratische Kontrolle des Drogenmarktes gemeinsam mit Wissenschaft und Konsument:innen kämpfen. 

– Verbot von Werbung für Drogen jeglicher Art! Verkauft werden sollen sie nur im speziellen Shops, das inkludiert Tabak und Alkohol, um Menschen nicht so einfach zum Kauf zu verleiten und Support einfacher zu machen!

– Massiven Ausbau von Präventionsmaßnahmen und sinnvoller Aufklärung ohne Verteuflung oder Beschönigung!

– Massiven Ausbau und kostenloser Zugang von Suchthilfen und Therapieplätzen! 

– Gegen racial Profiling! Offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für Alle!

– Für die Freilassung aller Gefangenen! Hilfen und Resozialisierung statt Strafe!

Nachwort von der Autorin:

Ich verstehe die Debatte um Drogen sehr gut und klar am Ende ist ein aktiv süchtiger Mensch auch nur bedingt für den Klassenkampf zu gewinnen, doch die Zahlen zeigen, dass ein Weg aus der Sucht nur mehr Hilfe sein kann und eben die Überwindung dieses Klassensystems, dass uns erst in die Sucht bringt, braucht. Kriminalisierung durch den Staat muss bekämpft werden, nur die organisierte Arbeiter„lnnenbewegung sollte Verbote umsetzen und das auch nur, wo sie nötig sind!

Ich bin selbst süchtig, mein Hauptsuchtmittel ist Cannabis und ich weiß, dass es schädlich für mich und mein Leben ist. Doch ich habe jahrelang konsumiert, weil ich der Welt, meinen Traumatas und Emotionen entfliehen wollte und nie gelernt habe, wie ich das auch ohne Konsummittel hinbekomme, es fällt mir heute noch schwer. Ich habe meine politische Arbeit dadurch weniger gut ausführen können, am Ende ging kaum noch was außer konsumieren, weder Alltag noch Schlaf waren möglich nach meinen Bedürfnissen statt nach den Bedürfnissen der Sucht auszurichten und es hat mich an den Rand meines Lebenswillen geführt. Daher möchte ich hier nochmal klar sagen, dass keine Droge zu unterschätzen ist und es wichtig ist, sich mit sich selbst, seinem Leben und Gefühlen auseinanderzusetzen und bewusst zu konsumieren oder eben garnicht. Ich möchte hier auch jede„n bestärken sich Hilfe zu suchen, wenn auch ihr betroffen von Sucht seid! Es ist natürlich im Kapitalismus keine perfekte Hilfe aber ihr habt zumindest hier in Deutschland die Chance, egal bei welcher Droge, medizinische und psychische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Aus der Sucht kommt man auch schlecht alleine raus, auch das hab ich versucht und nicht geschafft und auch wenn es immer mal Rückschläge geben kann, weiß ich doch, dass ich nur ohne Konsum ich selbst bin, dass ich nur ohne Konsum die Kraft und Energie entwickeln kann mir und anderen zu helfen, dass ich nur ohne Konsum gegen dieses System kämpfen kann. Daher lasse ich euch hier noch ein paar Nummern für Hilfe da:

  • Bundesweite Sucht- und Drogen-Hotline (24 Stunden): 01806 – 31 30 31 (kostenpflichtig, 0,20 € pro Anruf aus dem Festnetz und aus dem Mobilfunknetz), www.sucht-und-drogen-hotline.de
  • Die Telefonseelsorge bietet kostenlose und anonyme Beratung rund um die Uhr und kann an geeignete Beratungsstellen weiter verweisen. Telefonisch zu erreichen unter 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222;  Es gibt zudem auch die Möglichkeit einer Online- bzw. Chatseelsorge. Weitere Infos unter www.telefonseelsorge.de
  • Nummer gegen Kummer: Kinder und Jugendtelefon 116 111, Elterntelefon 0800-111 0 550. Hier kann man sich auch online beraten lassen: www.nummergegenkummer.de/online-beratung
  • Informationstelefon zur Suchtvorbeugung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) unter 0221-89 20 31. (Preis entsprechend der Preisliste Ihres Telefonanbieters für Gespräche in das deutsche Festnetz). Auf Wunsch wird Ihnen hier eine Beratungseinrichtung in Ihrer Nähe genannt.



Aktionsprogramm für trans Jugendliche

von Jaqueline Katherina Singh, März 2024

Weltweit werden trans Menschen unterdrückt.  Ob nun Konservative, die in Talkshows deren Existenz leugnen, Radikalfeminist:innen, die Geschlecht allein an Genitalien ablesen wollen oder CDU-Poliker:innen, die Gendern für das größte Problem unserer Zeit halten, weil sie die Klimakrise nicht ernst nehmen. Es wird deutlich: Die Sichtbarkeit von trans Personen in der Öffentlichkeit hat sich in den letzten Jahren zwar verbessert, doch an der Unterdrückung hat sich wenig geändert. Schließlich ist diese in der gesamten Gesellschaftsstruktur verankert. Das Erstarken der Rechten bringt zudem gesellschaftliche Rollbacks mit sich wie in den USA oder Pakistan, die dafür sorgen, dass Queer- und insbesondere Transfeindlichkeit weiter zunehmen. Das beginnt mit reaktionären Argumentationen bezüglich Dragqueens und angeblicher „woker” Indoktrination in der Schule, kann dann auch zur Rücknahme erkämpfter Rechte und schließlich auch zu einer Zunahme von körperlichen Übergriffen gegen trans Personen führen. Dass diese Stimmung längst auch in Deutschland angekommen ist, können wir daran sehen, dass 2023 die Meldungen von körperlichen Angriffen auf Paraden zum Christopher Street Day (CSDs) die Nachrichten fluteten, während die CSU in Bayern diesen Kulturkampf der US-Amerikaner:innen versuchte zu adaptieren, indem auch sie gegen Auftritte von Dragqueens hetzten.  Im Folgenden wollen wir uns daher die Situation von trans Jugendlichen anschauen, die von vielen Unterdrückungsmechanismen nochmal stärker betroffen sind.

Unterdrückung in der Familie

Probleme mit der Familie sind für viele Jugendliche Alltag. Doch trans zu sein, kann diese noch mal verschärfen. Denn es geht nicht darum, einfach „nur” nicht verstanden zu werden.  Stell dir vor: Du kannst dich nicht so kleiden, wie du willst. Alle sprechen dich mit einem Namen an, der nicht dein eigener ist. Kurzum – man sieht dich nicht so, wie du wirklich bist. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass laut einer Studie des Deutschen Jugendinstituts 69,4 % der trans Jugendlichen befürchten, dass ihre Familie sie nicht akzeptieren wird. Doch was bedeutet das konkret?

Das Coming-out kann eine große Hürde sein, da die finanzielle und juristische Abhängigkeit von der Familie es nahezu unmöglich machen kann, sich frei auszudrücken oder notwendige medizinische Behandlungen wie Hormontherapie zu erhalten. Denn letzten Endes bestimmst nicht du über deinen Körper, sondern deine Erziehungsberechtigten. Das ist der Kern des Problems: Wenn deine Eltern kein Verständnis haben (wollen), dich nicht ernst nehmen – oder einfach nur hilflos sind, dann wird es schwierig. Die juristische, sowie finanzielle Abhängigkeit erschwert es vielen trans Personen massiv, einfach so das Elternhaus zu verlassen und auszuziehen. Ganz zu schweigen von der emotionalen Belastung, die damit einhergeht, wenn die eigenen Eltern/Erziehungsberechtigten einen nicht unterstützen können oder wollen. rans Menschen, v.a. Jugendliche haben eine viel zitierte enorm hohe Rate an Suizidversuchen (je nach Studie um die 40%). Wenn mindestens eine erwachsene Person sie unterstützt, sinkt die Wahrscheinlichkeit um etwa 30% Doch die Beratungsangebote für trans Jugendliche sowie ihre Eltern sind selten – und die wenigen, die es gibt, sind oft überlastet oder gar nicht unvoreingenommen. Deswegen treten wir nicht nur für den Ausbau von Beratungsstellen ein, für Jugendliche braucht es auch die Möglichkeit, bei Bedarf ihr Leben unabhängig vom Elternhaus gestalten zu können!

  • Für die ökonomische Unabhängigkeit von Schüler:innen, Studierenden und Jugendlichen in Ausbildung! Für ein monatliches Mindesteinkommen, angepasst an die Inflation, von 1.100 Euro plus Warmmiete, finanziert durch Besteuerung von Reichtum und Kapital!

  • Für selbstverwaltete Freiräume für Jugendliche, den massiven Ausbau von Jugendzentren und kostenlose Zugang zu einem ausgebauten Freizeit- und Kulturangebot, bezahlt durch die Besteuerung der Reichen!

  • Ausbau von flächendeckenden Beratungsstellen von und für LGBTIA+ und ihre Angehörigen!

  • Für den Ausbau von Schutzhäusern für Kinder und Jugendliche! Niemand soll bei seiner Familie bleiben müssen, wer das nicht möchte! Für die Förderung neuer Formen des Zusammenlebens, beispielsweise durch den Ausbau und die Weiterentwicklung des sozialen Wohnungsbaus! 

Schule und Ausbildung

Doch nicht nur in der Familie, sondern auch an Orten, wo man den Großteil seiner Lebenszeit verbringen muss – also Schule oder Ausbildungsstätte – wird man eingeschränkt. Eine weitere Studie des Bundesverbands Trans* aus dem Jahr 2017 zeigt, dass fast 90 % der trans Schüler:innen in Deutschland in der Schule diskriminiert werden. Dazu gehören u. a. die Verwendung des Deadnames und von falschen Pronomen, Belästigungen, Mobbing und auch physische Übergriffe. Die Studie zeigt auch auf, dass nur ein Bruchteil der betroffenen Schüler:innen sich an Lehrkräfte oder Schulleitungen wendet, da sie Angst haben, dadurch noch stärker stigmatisiert zu werden. Denn die wenigsten Schulen bieten Unterstützung gegen Mobbing und Diskriminierung an, auch wenn sich viele von ihnen das Abzeichen von Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage ans Tor hängen lassen. Aus einer weiteren Studie des Bundesverbandes geht hervor, dass nur 18 % der trans Schüler:innen das Gefühl haben, dass ihre Schule ein sicherer Ort für sie ist. Dies liegt auch daran, dass die Idee des binären Geschlechtersystems in der Gesellschaft vorherrschend ist und ebenso in der Schule reproduziert wird. Sei es durch Unterrichtsinhalte, bei denen Frau Meier den Wocheneinkauf für ihre Familie tätigt als Einleitung für eine Textaufgabe in Mathe, die klassische, heteronormative Sexualkunde im Biologieunterricht, lediglich ausgelegt auf Verhütung und Reproduktion, oder die Abwesenheit von queeren Lebensrealitäten in der Pflichtlektüre, die wir in Deutsch oder Englisch lesen müssen. Das gilt auch für Regelungen, die über den bloßen Unterricht hinausgehen, aber den Schulalltag prägen wie z. B. fehlende geschlechtsneutrale Toiletten oder Umkleideräume sowie die allgemeine Adressierung der Schüler:innenschaft in Rundbriefen. Das Verbot. an Schulen zu gendern, wie es in Sachsen und Sachsen-Anhalt bereits umgesetzt wurde, oder in Berlin durch die CDU-Regierung zumindest diskutiert wird, tut sein Übriges. Auch wenn Gendern nicht automatisch zur Befreiung von trans Personen führt, so ist dennoch die Repräsentation in der Sprache auch ein mögliches Kampffeld.

  • Schluss mit Deadnames auf Klassenarbeiten, Schüler:innenausweisen und Klassenbüchern! 

  • Für die Möglichkeit, den Namen und Geschlechtseintrag in der Schule einfach und unbürokratisch zu ändern! 

  • Wir bestimmen, was wir lernen wollen: Rahmenlehrpläne unter Kontrolle der Lernenden, Lehrenden, Arbeiter:innenbewegung und Vertreter:innen von Diskriminierten! Für angemessenen, verpflichtenden Aufklärungsunterricht vor der Geschlechtsreife und die gleichberechtigte Darstellung aller Formen von Geschlecht, Geschlechtsidentität, Sexualität und des einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs!

  • Kampf der Diskriminierung an der Schule: Für breite Aufklärungskampagnen durch die Gewerkschaften von Lehrkräften und Schüler:innen und für eine von der Schulleitung unabhängige Antidiskriminierungsstelle, kontrolliert von Lernenden, Lehrenden und Organen der Arbeiter:innenklasse, die jederzeit wähl- und abhwähbar sind!

  • Von Schüler:innen selbstorganisierte Freiräume, die in den Pausen für alle frei zugänglich sind, an jeder Schule und den Ausbau von Unisextoiletten sowie Umkleideräumen!

Ähnlich sieht die Situation in der Ausbildung aus. Hier kommt jedoch der ökonomische Druck hinzu, der es vielen erschwert, sich selbst auszuleben oder dies sogar komplett unmöglich macht. Eine Studie – ebenfalls aus dem Jahr 2017 – von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat ergeben, dass trans Personen in der Ausbildung häufiger diskriminiert werden als ihre cis-geschlechtlichen Kolleg:innen. 48 Prozent der befragten trans Personen gaben an, bereits Diskriminierung am Arbeitsplatz erlebt zu haben, während es bei cis Personen nur 24 Prozent waren. 

Die Diskriminierung reichte von Mobbing über das Ausgrenzen aus dem Team bis hin zu sexueller Belästigung. Dabei ist klar: Ob nun Kolleg:innen, die durch mangelndes Wissen mit Stammtischparolen um sich werfen, oder beispielsweise Kund:innen, die eine/n missgendern oder gar offen ausgelebte Transfeindlichkeit: Als Azubi für die eigenen Rechte einzustehen, ist um ein Vielfaches vertrackter. Das liegt aber nicht (nur) am Alter an sich, sondern der Status als Azubi ist hier das entscheidende Moment – Lehrjahre sind schließlich keine Herrenjahre. Dass man als ungleiche Arbeitskraft angesehen wird, die erstmal „richtig ausgebildet” werden muss, bevor man als gleichrangig angesehen wird, wirkt sich auch auf den Umgang miteinander aus. Herablassende Bemerkungen, gar Beleidigungen statt konstruktiver Kritik sind in bestimmten Branchen ganz offen an der Tagesordnung, in anderen existieren sie eher versteckt. Das kann soziale Unterdrückung verstärken und den Rahmen, wie man sich dagegen wehren kann, erheblich einschränken. Wenn wir also in der Ausbildung gegen Transfeindlichkeit kämpfen wollen, dann müssen wir das mit dem Kampf für bessere Ausbildungsrechte verbinden!

  • Tarifliche und rechtliche Gleichstellung aller Auszubildenden! Mindestausbildungsvergütung in Höhe des Mindestlohns und Anhebung dessen auf 15 Euro die Stunde!

  • Gegen alle Versuche und Regelungen wie „Job aktiv“ und „Kombilohn“, die den Billiglohnsektor ausweiten! Übernahme aller befristeten und Leiharbeits- in Normalarbeitsverhältnisse statt Ausdehnung der Flexibilisierung und des Niedriglohnsektors!

  • Probezeit? Nein Danke: Volle wirtschaftliche Rechte – inklusive des auf Streik – für Azubis!

  • Übernahme garantiert: Volle und unbefristete Übernahme aller Jugendlichen nach der Ausbildung – bei Verweigerung der Übernahme Strafzahlung! Für die Abschaffung aller Quoten, die die Übernahme beschränken! 

  • Für das Recht, in Job und Ausbildung den gewählten Namen zu nutzen, auch wenn dieser noch nicht im Ausweis steht!

Um die Situation am Arbeitsplatz nachhaltig zu verbessern, muss sich auch was in den Gewerkschaften ändern. Es ist ein erster Schritt gewesen, dass man auch „divers” im Mitgliedsausweis angeben kann – aber mal ehrlich, ausreichend ist das nicht. Erstmal sollte es nicht verpflichtend sein, das eigene Geschlecht überhaupt angeben zu müssen. Darüber hinaus müssen Gewerkschaften an Betrieben und Berufsschulen präsent sein. Das heißt, zum einen Aufklärungskampagnen gegen Diskriminierung an Betrieben, Schulen und Unis organisieren und zum anderen auch, die Präsenz durch Beratungsstellen an Berufsschulen sowie die Vertrauenskörperstruktur in den Betrieben flächendeckend auszubauen. Zusätzlich ist es ein Problem, dass für Länder wie Deutschland Datenerhebungen fehlen, wenn es darum geht, die Verbindung von Einkommen und Unterdrückung zu erfassen. Zahlen aus den USA belegen, dass dort insbesondere schwarze trans Frauen weniger als der US-Durchschnitt verdienen. Solche Erhebungen wären ein erster Schritt, um auch passende Forderungen aufwerfen zu können und würde zudem klar zeigen, dass Gewerkschaften sich bewusst positionieren.

  • Flächendeckender Ausbau der Vertrauenskörperstrukturen und Antidiskriminierungsstellen!

  • Für das Recht auf gesonderte Treffen in den Organisationen der Arbeiter:innenbewegung, um den Kampf für Gleichberechtigung voranzutreiben und gegen diskriminierendes und chauvinistisches Verhalten vorzugehen!

  • Breite Kampagnen zur gewerkschaftlichen Organisierung von Jugendlichen! Wir wollen uns nicht bevormunden lassen: Gerechte Repräsentanz in den Gremien der Gewerkschaften! 

  • Regelmäßige Erhebungen bzgl. Einkommen und Diskriminierungserfahrungen, kontrolliert durch Gewerkschaften!

Medien, Alltag und Gewalt

Ob Bahnhofstoiletten, Behördengänge, Bekleidungsgeschäfte oder das umfangreiche Sortiment an Waren, die man erwerben kann: Wenn man mal darauf achtet, dann wird deutlich, wie viel in unserer Gesellschaft eigentlich von der binären Geschlechterordnung bestimmt wird. Daraufhin einfach mal abschalten und eine Serie schauen, um den Stress in der Schule oder Familie zu vergessen? Das ist aber nur bedingt möglich. In den letzten Jahren wurden zwar immer mehr trans Charaktere in Serien und Filme integriert. Dennoch: Die Sichtbarkeit ist umkämpft und noch längst nicht ausreichend. Diversität heißt übrigens nicht, so viele unterdrückte Gruppen wie möglich zu zeigen, sondern auch eine Varianz dieser mit einzubeziehen. 

Ansonsten werden immer wieder Stereotype reproduziert. Was bedeutet das in der Praxis? Es ist legitim, sich mit dem Thema Transition auseinanderzusetzen. Aber genauso notwendig ist es, unterschiedliche Erfahrungen mit einzubeziehen: Nicht-binäre trans Personen sind eher unterrepräsentiert und Menschen, die trans sind, aber sich nicht in die jeweilige Geschlechterrolle stecken lassen wollen, werden meistens negativ dargestellt. Die Charaktere, die am positivsten wegkommen, sind jene, die der binären Geschlechterordnung am meisten entsprechen. Das zu zeigen, ist nicht per se falsch, das ausschließlich zu zeigen, allerdings schon. Flache Charakterarchs hin zur Akzeptanz der eigenen Transidentität oder das bloße Darstellen von körperlicher und sozialer Transition oder dem Umgang mit Diskriminierung sind vielleicht für cis Personen interessante Geschichten, aber für trans Menschen ist das einfach unser selbstverständlicher Alltag und damit totlangweilig. Wir wollen trans Held:innen, Bösewichte, Mütter, Nebencharaktere, Kolleg:innen etc. in Serien und Filmen, deren Transidentität sie nicht definiert – aber eben selbstverständlicher Teil ihrer Geschichte und Lebensrealtität ist.

Besser wird es jedoch auf keinen Fall, wenn man die meisten Nachrichtenseiten aufruft. Die vermehrte Repräsentation von trans Personen, die Bevormundung von Jugendlichen, die Krise der bürgerlichen Familie, der allgemeine gesellschaftliche Rechtsruck und der Misserfolg des bürgerlichen Feminismus hinsichtlich der Überwindung von Frauenunterdrückung, haben unter anderem dazu geführt, dass (vermeintliche) Feminist:innen wie Alice Schwarzer vom „Transtrend“ sprechen. In Nachrichten – insbesondere in populistischen Blättern –   werden fiktive Szenarien beleuchtet, in denen angebliche Feminist:innen vor allem trans Frauen unglaubliche Dinge unterstellen, anstatt über die reale Gewalt, die trans Personen angetan wird, zu berichten. Die Kriminalstatistik zeigt jedoch: Zwischen 2018 und 2021 hat sich die Gewalt gegen queere Menschen mehr als verdoppelt. Das führt uns zur eigentlichen Gefahr: Während man in größeren Städten zwar etwas „sicherer” als in ländlicheren Gegenden ist, so ist es nicht gegeben, dass man mal „einfach so” Bahn fahren kann. Komische Blicke, Beleidigungen und die Angst vor Gewalt gehören in der Regel dazu, wenn man nicht so aussieht, wie die klassischen Geschlechterrollen es verlangen.  Das wird verstärkt durch den stetigen Rechtsruck, den wir erleben, und so steigt auch die Gefahr für gezielte Übergriffe. Selbst in vermeintlich „queerfreundlichen” Großstädten wie Berlin kommt es mittlerweile nicht nur zu verbalen, sondern auch körperlichen Angriffen.

  • Enteignet die „kulturschaffende“ Industrie (Gameentwickler, Filmproduktionen, …) und organisiert die Produktion durch Räte aus Arbeiter:innen, Zuschauer:innen und Unterdrückten!

  • Gewalt stoppen: Demokratisch organisierte und gewählte Selbstverteidigungskomitees gegen Übergriffe auf LGBTIA+! Für den Ausbau von Schutzräumen für LGBTIA+ und Unisexorte in der Öffentlichkeit!

Medizinische Versorgung

Arz-/Ärztinttermine sind generell ein rares Gut. Wer versucht hat, einen Beratungstermin beispielsweise beim/bei der Endokrinolog:in zu bekommen, weiß, dass Wartezeiten von über einem halben Jahr keine Seltenheit sind. Deswegen bedeutet der Kampf für Selbstbestimmung auch ein Kampf für die Verbesserung des Gesundheitssystems insgesamt. Das bedeutet:

  • Weg mit Privatisierung der Krankenhäuser! Nein zu deren Schließungen auf dem Land!

  • Für einen höheren Personalschlüssel und Verkürzung der Arbeitszeit für alle Beschäftigten bei  vollem Lohnausgleich!

Finanziert werden sollte das Ganze durch die Abschaffung des DRG-Systems, Abschaffung des Zweiklassen-Gesundheitssystems (also nur gesetzliche Krankenkassen statt privater), Besteuerung der Reichen und Enteignung der Klinik- und Pharmaziekonzerne. So können eine schnellere Terminvergabe sowie qualitativ bessere Betreuung gewährleistet werden. Doch nicht nur Termine sind ein Problem: Arzt-/Ärztinbesuche bei Gynäkolog:innen sowie Urolog:innen sind für viele nicht nur mit emotionalem Stress verbunden sind – sondern können auch mit Ablehnung und Unverständnis seitens Praxismitarbeitenden oder anderen Patient:innen begleitet werden. So hat laut einer Studie der deutschen AIDS-Hilfe und des RKI von 2023 fast jeder fünfte nicht-binäre oder trans Mensch (17 Prozent) bereits aus Angst vor Diskriminierung lieber auf bestimmte medizinische Leistungen verzichtet. Auch in der Apotheke kann es unangenehm werden, wenn die Mitarbeiter:innen beispielsweise einem trans Mann keine Pille danach rausgeben möchten, da in manchen Apotheken die Vorgehensweise üblich ist, dass sie Pille nur an die betroffene Frau verkauft wird. In einer Situation, wo sich viele sowieso schon gedemütigt aufgrund des gesellschaftlichen Stigmas bei Notfallverhütung fühlen, müssen trans Personen nun auch noch ihr Anliegen zusätzlich begründen.

Die Transition an sich ist auch mit vielen Hindernissen verbunden. So müssen sich trans Menschen vor einer Hormonbehandlung oder chirurgischen Eingriffen in zwei unabhängigen Gutachten unangenehmen psychosozialen Befragungen stellen, wo unter anderem intime Details über das Sexualleben und den mentalen Gesundheitszustand abgefragt werden, damit Ärzt:innen bestätigen können, dass die Person für eine solche Behandlung in Frage kommt. Das kann auch dazu führen, dass nicht-binäre trans Personen, welche den Wunsch nach einer Hormonbehandlung hegen, ihre Ärzt:innen anlügen müssen, da sie diese Hormone nur bei einer binären Transgeschlechtlichkeit verschreiben (können). Mit diesem unnötigen und beschämenden Herumstochern im Privatleben muss Schluss sein! Beratungsstellen müssen ausgebaut werden, aber die Beratung sollte sich nicht wie eine Prüfung anfühlen und letztendlich sollte es keine Fremdbestimmung durch das ärztliche Personal geben.

Für trans Jugendliche spielt auch die Frage von Pubertätsblockern eine Rolle, die verhindern sollen, dass sie in die Pubertät kommen und diesem Leidensdruck, der damit einhergeht, ausgesetzt werden, obwohl sie bereits beginnen, ihre Geschlechtsidentität zu hinterfragen. Es zu begrüßen, dass trans Jugendlichen so eine Möglichkeit geboten wird, die Selbstbestimmung über die Entwicklung ihres Körpers erlangen zu können. Statt Panikmache von Alice Schwarzer und Co. und Bevormundung durch die Eltern, braucht es gute Aufklärung über die bestehenden Studien (die existieren, da Hormonblocker schon seit Jahrzehnten in anderen medizinischen Fragen eingesetzt werden) und einfach medizinische Studien für Hormon Replacement Therapie. 

Zudem ist – wie auch woanders – die Medizin von gesellschaftlicher Unterdrückung geprägt. Das wird deutlich daran, dass viele Patient:innenstudien, Symptome und Medikamentenvorgaben auf Basis cis-männlicher Körper stattfinden – was beispielsweise dazu führt, dass Personen mit biologisch weiblichem Körper vermehrt an Herzinfarkten sterben, weil sie andere Symptome aufweisen oder nicht ernst genommen werden, insbesondere wenn sie nicht-weiß sind. Falsche Kategorisierung des Geschlechts der Betroffenen oder die Annahme, es würde sich um einen cis Körper handeln, können auch fatale Folgen hinsichtlich der Beratung bei Verhütungsmethoden sowie der Behandlung von Geschlechtskrankheiten oder der HIV-Prävention haben, da manche Beratungen aufgrund der Vermutung einer Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung nicht durchgeführt werden und auch hier die Präparate unterschiedlich auf die Körper wirken. Nach einer Personenstands- und Namensänderung zahlt die Krankenkasse teilweise „geschlechtsspezifische“ Behandlungen wie HPV Impfungen nicht mehr (bzw. man muss sich ihnen extra erklären und damit rumschlagen). 

Viele Ärzt:innen wissen außerdem schlicht nicht, was eine HRT (Hormone Replacement Therapy) an einem Körper ändern kann und ignorieren z.B. dass bei einer Testosterontherapie das Risiko von Herzerkrankungen auf das eines cis Mannes steigt, andere körperliche Vorgänge eher wie bei cis Frauen funktionieren und wieder andere Dinge mit beidem nur noch wenig zu tun haben. Faktisch führt das dazu, dass trans Menschen oft zu Ärzt:innen gehen und ihnen erstmal ihren Körper erklären müssen. Da an der Stelle aber zu wenig Forschung existiert, es sehr kompliziert werden kann, die Beschäftigung mit dem eigenen Körper mental schwierig sein kann und die Ressourcen begrenzt sind, sind viele trans Menschen dazu verständlicherweise nicht in der Lage. Der erschwerte Zugang führt aber dazu, dass manche trans Personen sich über inoffizielle Wege Hormone besorgen müssen. Ohne medizinische Überwachung der Dosierung und Nebenwirkungen kann das aber auch sehr gefährlich für die Betroffenen enden. Das heißt, wir brauchen Forschung, Lehre und Praxis, die die Auswirkungen gesellschaftlicher Diskriminierung mit einbeziehen, sowie eine Medizin, die eine biologische Bipolarität  der Geschlechter anerkennt! Des Weiteren brauchen wir auch eine Auseinandersetzung mit der Produktion von Medikamenten und Präparaten in der Pharmazie. Die Devise heißt hier Enteignung unter Arbeiter:innenkontrolle und die Aufhebung des Patentrechts, um zu gewährleisten, dass die Produktion von Pubertätsblockern und Hormonpräparaten nicht unter Profitinteresse steht und sie auch in einer Langzeitanwendung so sicher wie möglich sind!

  • Für Selbstbestimmung über den eigenen Körper: Für das Recht auf kostenfreien und unbürokratischen Zugang zu medizinischer Geschlechtsangleichung!

  • Schluss mit Diskriminierung: Rahmenlehrpläne in der medizinischen Ausbildung unter Kontrolle von Ärzt:innen, Arbeiter:innen und Vertreter:innen von Unterdrückten! Für breite Sensibilisierungskampagnen gegen Diskriminierung im Gesundheitssystem und den Ausbau von Gesundheitszentren speziell für Frauen und LGBTIA+! 

  • Intersex vollständig legalisieren: Verbot medizinisch nicht notwendiger, kosmetischer
    Genitaloperationen an Kindern!

  • Rekommunalisierung und Verstaatlichung aller privatisierten Kliniken unter Kontrolle der Beschäftigten und Patient:innen, die ein Interesse an guten Arbeitsbedingungen und guter Gesundheitsversorgung haben!

  • Freier und kostenloser Zugang zu Verhütungsmitteln! Massiver Ausbau der Beratung und Forschung in diesem Bereich!

Staatliche Diskriminierung

Seit August 2023 ist das TSG (Transsexuellengesetz) Geschichte und wurde durchs sogenannte „Selbstbestimmungsgesetz” ersetzt. Erst einmal das Positive: Das Selbstbestimmungsgesetz ermöglicht es trans, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen, ihren Namen und Geschlechtseintrag auf Antrag beim Standesamt zu ändern. Während man früher vor Gericht gehen musste sowie zwei psychologische Gutachten brauchte , nur um die Personenstandsänderung durchzusetzen, kann man ab Herbst 2024 Namen und Geschlecht angleichen, indem man sich 3 Monate vor der sogenannten „Erklärung mit Eigenversicherung“ beim Standesamt anmeldet. Doch für Minderjährige ist der Prozess der „Selbstbestimmung“ weitaus weniger frei und eigenständig möglich. Personen ab 14 Jahren haben zwar das Recht, ihren Antrag auf Geschlechtsänderung selbst einzureichen. Seine Wirksamkeit hängt jedoch von der Zustimmung der sorgeberechtigten Person oder des Familiengerichts ab. 

Alle jüngeren Personen dürfen nicht mal den Antrag selber einreichen und haben wenig mitzureden, welches Geschlecht oder welcher Name angegeben wird. Ausgeschlossen werden ebenso Personen, deren Visum bald abläuft – um zu verhindern, dass sie sich vor der Abschiebung „drücken” können. Auch im „Spannungs- und Verteidigungsfall“ kann die Angleichung auch „ausgesetzt” werden, um Menschen in den Wehrdienst einzuziehen. Besonders fatal ist, dass mit dem Selbstbestimmungsgesetz eine Liste erstellt wird. Das heißt: Alle trans Personen (mit ihren Deadnames und Adressen) sind den staatlichen Strukturen wie BKA, Polizei und Geheimdienst bekannt. Man benötigt keine Datenschutzexpertise, um zu wissen, dass das überhaupt nicht nötig ist, sondern vielmehr eine Gefährdung darstellt .

  • Für Selbstbestimmung über die eigene Geschlechtsidentität: Für Recht auf kostenfreien und unbürokratischen Zugang zur offiziellen Namens- und Personenstandsänderung! Gegen den Zwang, das Geschlecht in amtlichen Dokumenten anzugeben!

  • Keine Weitergabe dieser Informationen an Bundeskriminalamt (BKA), die Landeskriminalämter, die Bundespolizei, das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Militärischen Abschirmdienst!

  • Volle rechtliche Gleichstellung von LGBTIA+! Gleichstellung aller Partnerschaften und Lebensgemeinschaften mit der Familie! Für die automatische Eintragung queerer Eltern auf die Geburtsurkunden ihrer Kinder: mit ihren gewünschten Namen und Geschlecht!

Ursprung der Unterdrückung

Die Beispiele zeigen: Die Unterdrückung von trans Menschen ist überall zu finden. Doch wenn wir sie nicht nur oberflächlich bekämpfen wollen, müssen wir uns fragen: Woher kommt sie eigentlich?  Für uns als Marxist:innen ist die Diskriminierung von trans und anderen queeren Personen eng mit der Frauenunterdrückung verbunden. Letztere wird in der kapitalistischen Gesellschaft durch die Auslagerung von Reproduktionsarbeit (beispielsweise Kindererziehung, Pflege, Kochen, Waschen etc.) ins Private manifestiert. Kollektive Küchen, Waschhäuser oder auch Pflege könnte man gesamtgesellschaftlich organisieren und dadurch massiv Zeit einsparen (und so auch die Qualität verbessern). Doch um Kosten zu sparen, wird diese Arbeit in das Privatleben von Individuen gedrängt. Frauen tragen dabei oftmals die Hauptlast der reproduktiven Arbeit aufgrund der geschlechtlichen Arbeitsteilung, die vorherrscht. Der Stereotyp der bürgerlichen Familie macht das besonders deutlich: 

Hier hat „alles seine Ordnung” und die Rollen sind klar verteilt: Der Mann ernährt als Hauptverdiener die Familie, während die Frau bestenfalls noch etwas dazuverdienen darf, sich aber hauptsächlich um den Haushalt und die Kindererziehung kümmert. Wer sich jetzt denkt, dass die 1960er Jahre angerufen haben und ihre verstaubte Lebensrealität zurückhaben wollen, hat recht. Jedoch wird diese Aufteilung nach wie vor vielerorts reproduziert: Sei es in Medien, durch Religionen, konservative Politiker:innen oder durch Gesetze, die Hetero-Zweierbeziehungen bevorzugen. Kurzum: Die bürgerliche Familie nimmt im Kapitalismus einen ideologischen Stellenwert ein, der geschützt wird. Dies geschieht nicht rein zufällig, sondern ist einfach eine Ideologie und Praxis, die für den Kapitalismus besonders profitabel ist. So werden durch das Idealbild der Familie die Erbschaftsverhältnisse der Herrschenden geregelt, während die ganze Reproduktionsarbeit der Arbeiter:innenklasse unentgeltlich im Privaten stattfindet. Menschen, die nun nicht in dieses cis- und heteronormative Gesellschaftsbild hineinpassen, sind der bürgerlichen Gesellschaft natürlich ein Dorn im Auge. Denn mit ihrer bloßen Existenz stellen sie eine Gesellschaftsordnung in Frage, in der es „natürlich„ scheint, dass Männer arbeiten, Frauen Hausarbeit verrichten, und es normal ist, dass nur heterosexuelle Paare Kinder bekommen. Das erklärt auch, warum insbesondere Rechte und andere Reaktionär:innen so vehement gegen Queers eintreten.  Gleichgeschlechtliche Partner:innen lieben, mehr als eine/n Partner:in haben oder eben das eigene Geschlecht angleichen lassen – all das greift die geschlechtliche Arbeitsteilung an. Diese ist jedoch notwendig, um die Familie und somit die Auslagerung der Reproduktionsarbeit ins Private aufrechtzuerhalten und somit auch der Ursprung der Unterdrückung von LGBTIA+.

  • Kampf für Reduzierung der Arbeitszeit für die gesamte Arbeiter:innenklasse, damit die
    Reproduktionsarbeit auf alle  verteilt werden kann und den Frauen die Teilnahme am politischen und gesellschaftlichen Leben erleichtert wird!

  • Kampf den Geschlechterrollen: Schluss mit geschlechtlicher Arbeitsteilung: Für die Vergesellschaftung der Haus- und Reproduktionsarbeit; gleichmäßige Aufteilung der übrigbleibenden privaten Tätigkeiten!

Was tun?

All diese Forderungen zu erkämpfen, wäre ein wichtiger Schritt in der Verbesserung der Situation von trans Personen. Unser Ziel muss jedoch sein, der Unterdrückung die materielle Grundlage zu entziehen. Deswegen ist für uns der Kampf für die Befreiung von LGBTIA+ verbunden mit der Notwendigkeit, die Reproduktionsarbeit zu vergesellschaften und die kapitalistische Gesellschaft zu zerschlagen!

In der Praxis setzen wir uns für einen gemeinsamen Kampf von Frauen-, LGBTIA+- und Arbeiter:innenbewegung ein. Zum einen, weil Erstere genauso Teil der Arbeiter:innenklasse sind und das Bild des „Arbeiters im Blaumann” als diese vollständig repräsentierendes veraltet ist. Zum anderen nimmt die Arbeiter:innenklasse eine Schlüsselposition ein, wenn es darum geht, Forderungen durchzusetzen. Durch ihre Stellung im Produktionsprozess kann sie durch Streiks ökonomischen Druck aufbauen und so sichern, dass Reformen durchgesetzt werden können. Sie ist auch zentral, wenn es darum geht, den Kapitalismus zu zerschlagen. Deswegen ist es unsere Aufgabe, revolutionäres Bewusstsein in die Klasse zu tragen und den gemeinsamen Kampf zu führen, um gegen existierende Vorurteile sowie Diskriminierung zu kämpfen und letzten Endes die Grundlage von LGBTIA+-Unterdrückung zu beseitigen. Um das zu ermöglichen, glauben wir, dass es notwendig ist, dass in den Organisationen der Arbeiter:innenklasse – ob nun Gewerkschaft, revolutionärer Organisation oder Partei – das Recht für gesellschaftlich Unterdrückte besteht, einen Caucus zu bilden, d. h. einen Ort, an dem sie sich unter ihresgleichen treffen können, um sich über erlebte Unterdrückung auszutauschen, ob nun innerhalb oder außerhalb der Strukturen. Dafür benötigen wir auch ein revolutionäres Programm, welches alle Forderungen, die sich auf die unterschiedlichen Ausgebeuteten und Unterdrückten beziehen, zu einem gemeinsamen Kampf verbindet.




Gegen Diskriminierung kämpfen heisst Gegenmacht aufbauen!

von Dilara Lorin, März 2023

Als Jugendliche sind wir gezwungen, uns tagein tagaus in der Schule aufzuhalten. Doch obwohl wir einen Großteil unserer aktuellen Lebenszeit dort verbringen und zahlenmäßig die größte Gruppe sind, die sich dort aufhält, haben wir kaum Rechte zu bestimmen, wie unsere Schule aussieht und was dort passiert. Lerninhalte, Pausenzeiten, Essen, die Gestaltung des Schulgebäudes … – alles wird jenseits unserer Kontrolle von anderen bestimmt. Dass das eine große Scheiße ist, merken wir gerade jetzt, wo der gesellschaftliche Rechtsruck und die Krise des Kapitalismus dafür sorgen, dass sich unsere Lernbedingungen durch Sozialkürzungen, Krieg, Sexismus und Rassismus stetig weiter verschlechtern. Doch wir werden den transfeindlichen Spruch eines Lehrers nicht widerstandslos hinnehmen und auch nicht schweigend zusehen, wenn unsere Mitschüler:innen aufgrund von Rassismus gezwungen werden, ihre Kuffiyas nicht mehr zu tragen. Unsere individuelle Empörung braucht einen Ort, an dem sie gebündelt und in einen kollektiven Kampf dagegen übersetzt werden kann. Lasst uns deshalb gemeinsam Antidiskriminierungsstellen in den Schulen erkämpfen – eine selbstverwaltete Stelle, in der Schüler:innen und Schulbeschäftigte anonym über diskriminierendes Verhalten und Situationen berichten und gemeinsam dagegen vorgehen können.

Was bedeutet Gegenmacht?

Gegenmacht bedeutet im Allgemeinen, eine demokratische und kollektive Macht durch Organisationen und Strukturen aufzubauen, die parallel zur autoritären und herrschenden Macht von Staaten und Regierungen existiert. Dabei ist die von Revolutionär:innen aufgebaute Gegenmacht jene, die von der Arbeiter:innenklasse, der Bauernschaft und den Unterdrückten gebildet wird. Ihr Ziel ist es, die Macht der Herrschenden für ihren Sturz herauszufordern und im Kern schon die Perspektive für eine demokratischere und freiere Gesellschaft darzustellen. Das bedeutet, dass die Organe der Gegenmacht politische Fragen gemeinsam entscheiden und verfolgen müssen. Sie müssen eine Einheit der Interessen der Arbeiter:innen und Unterdrückten wiederspiegeln und der vereinzelnden Macht der Herrschenden ihre kollektive Stärke entgegensetzen. Solche Gegenmachtorgane haben aber auch im Kleinen die Aufgabe, eine Alternative zu bestehenden Strukturen und Herrschaftsformen darzustellen.

Das Prinzips des Aufbaus von Gegenmacht stammt historisch von den Räten oder Sowjets. Ein bekanntes Beispiel sind die russischen Sowjets von 1905-1917, welche die Keimzellen der sozialistischen Oktoberrevolution waren. Die Bolschewiki betrachteten den Sowjet als den besten und direktesten organisatorischen Ausdruck der Macht des Proletariats und seiner Verbündeten. Der Sowjet war ein Rat, der alle ausgebeuteten und unterdrückten Gruppen repräsentierte und auf dem Prinzip der direkten Wahl, ständiger Abwählbarkeit und Abschaffung bürokratischer Privilegien beruhte. Er bildete die bestmögliche Grundlage für die Diktatur des Proletariats – für den demokratischen Rätestaat. Im Kampf um die Macht ist der Rat das Werkzeug, um alle gegen den Kapitalismus kämpfenden Kräfte zu vereinen und dem parlamentarischen System der bürgerlichen Klassenherrschaft die proletarische Macht der demokratischen Räte entgegenzustellen. Die Räte zeichnet ebenfalls aus, dass sie Wirtschaft und Politik nicht künstlich trennen, wie es im kapitalistischen politischen System der Fall ist. Hier werden im Parlament nur politische Reglungen und Gesetze festgelegt und wird die Masse der Menschen der Anarchie des Marktes unterworfen. Die Räte dagegen vereinen politischen und ökonomischen Kampf, denn nur durch das Mittel des Streiks kann die Arbeiter:innenklasse sich ihrer eigenen Stärke bewusst werden. Auch in Deutschland gab es im Zuge der Novemberrevolution 1919 eine starke Rätebewegung und sogar kurzzeitig eine Räterepublik, welche jedoch durch den Verrat der SPD gemeinsam mit kaisertreuen Kräften zum Erhalt der kapitalistischen Ordnung blutig gestürzt wurde. Die Beispiele der russischen Sowjets oder deutschen Räte zeigen auch, dass bürgerliche Macht und proletarische Gegenmacht in sogenannten „Doppelmachtsituationen“ nie beide über einen längeren Zeitraum parallel existieren können, sondern sich das herrschende Kräfteverhältnis immer zu Gunsten des Einen oder des Anderen auflösen muss.

Wichtig ist dabei zu verstehen, dass der Aufbau von Gegenmacht kein Selbstzweck ist. Er ist eingebettet in den Kampf für die Zerschlagung des Kapitalismus und den Aufbau einer befreiten Gesellschaft. Dafür braucht es ein revolutionäres Programm, für das auch in den Räten gekämpft werden muss. Denn nur weil diese demokratischer sind als das bürgerliche Parlament bedeutet das nicht, dass sie automatisch die richtigen Entscheidungen treffen. So haben die Bolschewiki vorerst eine Minderheit in den Sowjets dargestellt, sodass viele Sowjets lange auch eine nicht-revolutionäre Linie vertreten haben. Erst durch ihr unermüdliches Eintreten für ihr revolutionäres Programm ist es ihnen gelungen, die Sowjets in eine siegreiche sozialistische Revolution zu führen.

Was hat das mit Antidiskriminierungsstellen zu tun?

Das Prinzip des Aufbaus von Gegenmacht wurde in der Geschichte der Arbeiter:innenbewegung nicht nur den in revolutionären Räten angewendet, sondern auch auf kleineren Ebenen: in den Schulen, Unis und Betrieben. Für uns bedeutet das, den Kampf um Antidiskriminierungsstellen als Kampf um Gegenmacht in den Schulen zu verstehen. Deshalb ist es wichtig zu betonen, dass solche Stellen unabhängig von Staat, Schulaufsicht und Schulleitung sein müssen, denn diese sind es, die in Zeiten von Druck und Krisen jede erkämpfte Chance wieder zurücknehmen würden. Fortschrittliche Reformen, die in Schulen umgesetzt werden, können vom Staat also auch wieder zurückgenommen werden, wenn sich Regierungen und damit zusammenhängend auch Kräfteverhältnisse ändern. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist das Genderverbot in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern und Schleswig-Holstein, das zwischen Juli 2023 und März 2024 in den Schulen eingeführt wurde. Lehrpersonen ist es damit untersagt ihre Sprache zu gendern. Vorsichtige Versuche ein kleines bisschen Antisexismus in der Schule zu etablieren, will der Staat rigide zerschlagen. Im Kampf gegen Diskriminierung können wir uns also nicht auf den Staat und seine Institutionen verlassen. Wenn fortschrittliche Reformen erkämpft werden, dürfen diese also nicht aus der Hand gegeben werden, sondern wir müssen auch um ihre Kontrolle kämpfen. Der Kampf um die Kontrolle geht einher mit dem Kampf um die Durchsetzungsfähigkeit. Unser Kampf für Antidiskriminierungsstellen muss also mit den Forderungen nach Unabhängigkeit von der Schulleitung und den nötigen Mitteln, um beschlossene Maßnahmen auch im Schulalltag umsetzen zu können, verbunden werden.

Klar ist aber auch, dass es unter den Jugendlichen und Lehrer:innen unterschiedliche Ansichten darüber gibt, wie Diskriminierung definiert wird, welche Konsequenzen diskriminierendes Verhalten haben sollte und wie damit umgegangen wird. Deshalb muss es auch hier offene Debatten darüber geben. Historisch hat schon die Oktoberrevolution gezeigt, dass Räte allein nicht ausreichen, weil auch superdemokratische Räte falsche Entscheidungen treffen können. Darum ist es die Aufgabe von Revolutionär:innen innerhalb von Gegenmachtstrukturen, egal ob in der Schule oder im Betrieb, auch für ein revolutionäres Programm zu kämpfen. Dies bedeutet in diesem Fall konkret die Unabhängigkeit der Antidiskriminierungsstelle zu verteidigen und für eine materialistische Analyse von Diskriminierung einzutreten. Dem Definitionsmachtansatz setzt diese das doppelte-Beweislastausgleichverfahren entgegen.

Wie kann die Praxis von Antidiskriminierungsstellen aussehen?

Ein Beispiel für diskriminierendes Verhalten brauchen wir hier wahrscheinlich nicht zu nennen, denn jedem:jeder von uns fällt nach kurzem Nachdenken sicher eines ein und niemand wird behaupten können: „Meine Schule ist frei von Sexismus/Rassismus/Querfeindlichkeit etc“. Denn auch die Schule befindet sich nicht im luftleeren Raum, sondern ist Teil des kapitalistischen Systems, das die Wurzel aller Unterdrückungsformen darstellt. Somit ist es eine Frage des Willens aller von uns, unseren Alltag in der Schule selbst in die Hand zu nehmen und sich diesen nicht bestimmen zu lassen.

Im Idealfall gibt es an deiner Schule ein Schulkomitee oder eine linke und antirassistische Schulgruppe, die die miserablen und diskriminierenden Zustände an der Schule erkennt und handeln will. Wenn nicht, lässt sich diese mit ein paar Gleichsinnten schnell etablieren. Diese Struktur ruft eine Vollversammlung an deiner Schule ein und organisiert sie. Vollversammlungen sind schulrechtlich abgesicherte Versammlungen aller Schüler:innen der Schule und können prinzipiell an jeder Schule stattfinden. Von wem und in welchen Abständen ist jedoch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Bei diesen Vollversammlungen kommt die ganze Schule zusammen, was die Möglichkeit bietet, mit allen über Formen der Diskriminierung zu diskutieren und aufzuklären. Wenn entschieden wird, dass man dies nicht mehr einfach so hinnehmen möchte, sollte es die Möglichkeit geben, auf einberufenen Vollversammlungen als Schüler:innen und Lehrer:innen für eine Antidiskriminierungsstelle zu kandidieren. Alle potenziell von Diskriminierung Betroffenen sollten sich zur Wahl aufstellen und abstimmen können: Das heißt mit Ausnahme der Schulleitung alle Schüler:innen, Lehrer:innen und anderen Schulbeschäftigten (Hausmeister, Mensapersonal, Reinigungskräfte, Sekretariar etc.). Gemeinsam können wir entscheiden, wen wir mit welchen Ansichten für die Arbeit in der Antidiskriminierungsstelle für geeignet halten. Wichtig ist jedoch, dass die gewählten Personen rechenschaftspflichtig und jederzeit auch abwählbar sind und der Schule in einem bestimmten Zeitraum Bericht erstatten müssen. Dadurch kann die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle kontrolliert werden und es besteht die Möglichkeit, sie neu zu wählen und zu besetzen, wenn sie Fehleinschätzungen oder falsche Entscheidungen trifft. Es ist wichtig, dass sie Entscheidungen über Fälle trifft und auch klare Konsequenzen für die Täter:innen bestimmt, damit sie nicht zu einem reinen Kummerkasten verkommt. Aus der Antidiskriminierungsstelle können dabei auch Entscheidungen getroffen werden, die einen Großteil der Schüler:innen und Lehrer:innen betreffen kann, ein Beispiel können Präventionsworkshops sein.

Wir sehen, die Antidiskriminierungsstelle kann sich zu einem festen Bestandteil im Schulalltag formieren, in welchem durch die Frage des Kampfes gegen Diskriminierung und die Frage der Kontrolle darüber auch die Macht von Schulleitung und Staat, alles bestimmen zu können, herausgefordert wird. Isoliert kann der Kampf um demokratische Gegenmacht in der Schule jedoch nicht allein durch Antidiskriminierungsstellen gewonnen werden. Er muss eingebettet werden in den Kampf um eine demokratische Kontrolle der Lehrpläne durch Schüler:innen und Lehrer:innen sowie die Verwaltung des Schulgebäudes. Dafür braucht es Schul(streik)komitees, welche einen Pol bilden für Aktivist:innen in der Schule, um für sämtliche ihrer Interessen und politischen Fragen im Schulalltag zu kämpfen. Die Rolle der Schulstreikkomitees ist dabei anleitend und intervenierend. Der Pol an linken, antikapitalistischen Aktivsit:innen muss seine Aufgabe darin sehen, mit einer materialistischen Analyse in die Debatten der Antidiskriminierungsstelle einzuwirken, ihre Unabhängigkeit zu verteidigen und diese auf weitere Felder wie die Kontrolle über die Lehrpläne oder das Schulgebäude auszudehnen. Lasst uns gemeinsam der Fremdbestimmung ein Ende bereiten und Gegenmacht aufbauen!




Von Problemvierteln und Brennpunktschulen: Gegen bürgerliche Klischees!

von Jona Everdeen, März 2024

„Das ist aber eine ganz üble Gegend, in der du wohnst!“ oder „Von der Schule hört man auch nur Schlechtes!“ So wird immer wieder über bestimmte Stadtteile oder Schulen gesprochen. Und zwar nicht über die Parallelgesellschaften der Superreichen, sondern über die Viertel, in denen wir leben.

Doch woher kommt der Mythos vom „Brennpunkt“, über den es regelmäßig BILD-Schlagzeilen gibt? Und welche Rolle spielt die Stigmatisierung von Stadtteilen und ihren Bewohner:innen für die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft?

„Ghetto“ als Stigma

Als Ghetto, Problemviertel oder Brennpunkt werden in der Regel Orte benannt, die unterdurchschnittliche Sozialindexwerte aufweisen, z.B. ein geringes Durchschnittsgehalt oder eine hohe Arbeitslosigkeit. Allerdings muss das Stigma nicht an reale Gegebenheiten gekoppelt sein, bzw. ist keine unmittelbare Folge davon. Es gibt Orte mit niedrigen Werten, die nicht als „Problemviertel“ bekannt sind, sowie unauffällige Viertel, die den Ruf eines „Brennpunkts“ haben.

Entscheidend dafür sind in erster Linie Medienberichte, von Dokumentationen bis Reality-TV, über eine vermeintlich hohe Kriminalität sowie andere „katastrophale Zustände“, wie Müll auf der Straße. Dabei werden Ursache und Wirkung vertauscht: Wenn im „Ghetto“ Müll auf der Straße liegt, während es im Reichenviertel sauber ist, dann liegt das in der Regel an der unterfinanzierten Stadtreinigung, die im Zweifelsfall die Viertel der Armen zuerst vernachlässigt.

Wenn an Schulen Mülltonnen umgetreten, Wände beschmiert und Scheiben eingeworfen werden, dann ist das auch keine jugendliche Willkür, sondern ein fehlgeleiteter Akt des Protests, gerichtet gegen die Orte, die sowieso schon dreckig und abgenutzt sind und für die keine bessere Zukunft vorstellbar scheint.

Häufig werden arme Stadtteile als „riskant“ oder „gefährlich“ dargestellt, weil es dort mehr Kriminalität geben soll. Doch diese Statistiken werden durch ungleich verteilte Polizeiüberwachung sowie auch Fahrkartenkontrollen verzerrt. In ärmeren Stadtteilen, in denen die Menschen dicht an dicht leben und kaum Rückzugsmöglichkeiten haben, ist Kriminalität einfacher zu entdecken. Doch auch in den reichen Stadtteilen wird mit Drogen gehandelt – nur dass die Bonzen sich dafür ins Private zurückziehen können, während arme Menschen dafür keinen anderen Ort haben als das Gebüsch im Park.

Auch hinter den Zäunen der Stadtvillen schlagen und vergewaltigen Männer ihre Frauen – nur dass bürgerliche Frauen eher als proletarische Frauen die finanziellen Mittel haben, um der Situation zu entfliehen. Und ganz generell findet im bürgerlichen Verständnis Kriminalität ja sowieso nur dort statt, wo im Supermarkt geklaut wird, und nicht dort, wo Steuerhinterziehung und Kunstraub auf der Tagesordnung stehen.

Die realen Gefahren der ärmeren Stadtteile werden in den Brennpunkt-Darstellungen hingegen einfach ignoriert, zum Beispiel, dass Kinder aus armen Familien sehr viel häufiger Opfer von Verkehrsunfällen werden, weil sie häufiger an großen Straßen mit viel Verkehr leben.

Doch wenn die Faktenlage so dürftig ist, warum schreiben dann Zeitungen wie die BILD andauernd über angebliche Problemviertel, und welchen Zweck verfolgen sie damit?

Sozialchauvinismus und Klassenspaltung

Stadtteile, die den Ruf haben, „Elendsviertel“ zu sein, gibt es schon, seit das Verhältnis zwischen Lohnarbeit und Kapital zum dominanten Widerspruch der Gesellschaft geworden ist. Bereits damals hatten diese Viertel und ihre Bewohner:innen einen üblen Ruf.

Bessergestellte Arbeiter:innen bildeten sich etwas darauf ein, nicht ganz so weit unten zu stehen. Lieber zahlten sie für ähnliche Lebensbedingungen mehr Miete, wenn es bedeutete, dort nicht leben zu müssen. Hier haben wir die ideologische Funktion des Geredes vom Brennpunkt: Es soll die Klasse spalten.

So wird die Grenze gezogen zwischen den „normalen“ Stadtteilen und den „Problemvierteln“, welche negativ aus der Norm herausstechen. Die bürgerliche Klasse versucht, den bessergestellten Teil des Proletariats auf ihre Seite zu ziehen, als Teil eines „Volkes“ oder eben der „Normalen“. So sollen sie dazu gebracht werden, ihre Faust nicht nach oben zu richten, wo ihre Unterdrücker:innen und Ausbeuter:innen in ihren Villen sitzen. Ihre Wut soll sich stattdessen gegen diejenigen richten, die in schimmligen Altbauten und sanierungsbedürftigen Platten noch etwas schlechter dastehen als sie selbst. Diese werden als „Asoziale“ stigmatisiert, die nicht dazu bereit oder in der Lage wären, sich in die Gesellschaft einzugliedern, sondern in einer nach bürgerlicher Moral verachtenswerten Parallelgesellschaft leben würden.

Die Wahrheit ist eine andere. Es ist die bürgerliche Klasse, die freiwillig und beabsichtigt in Parallelgesellschaften lebt, in Villenvierteln wie Blankenese oder Grunewald, abgetrennt von der gesellschaftlichen Mehrheit der Arbeiter:innen, Armen und Mittelständler:innen.

Gegen diese reichen Ausbeuter:innen gilt es, alle Arbeiter:innen und Armen, ganz gleich ob sie aus Charlottenburg, Pankow, Neukölln oder von sonst wo kommen, zu vereinen. Der zentrale Klassenwiderspruch zwischen Produktionsmittelbesitzenden und Lohnabhängigen muss aufgelöst werden, indem das Privateigentum an Produktionsmitteln abgeschafft und diese unter Kontrolle der Arbeiter:innen vergesellschaftet werden!

Standortbezogener Rassismus

Auch früher schon war das Stigma des „Elendsviertels“, das genutzt wurde um Arbeiter:innen in prekarisierte und bessergestellte zu spalten, mit Rassismus aufgeladen. Ein Beispiel dafür ist die Ansiedlung von jüdischen Geflüchteten, die in Lübeck kein Aufenthaltsrecht bekamen, in Moisling. Antisemitische Arbeitsverbote und Gewalt ließen die Gemeinde vor den Stadttoren der Hansestadt zu einem Zwangsghetto verarmen, das einen extrem schlechten Ruf hatte.

Heute wird gerade in der Debatte um Kriminalität das Klischee von kriminellen Ausländer*innen bedient, die sich in „Ghettos“ aktiv von der Mehrheitsgesellschaft abgrenzen und die „Integration“ verweigern würden.

Viel seltener wird darauf hingewiesen, dass gerade Geflüchtete häufig gar nicht arbeiten dürfen, und dass Jugendliche in der Perspektivlosigkeit versinken, weil sie aufgrund der andauernden kapitalistischen Krise wenig Aussichten darauf haben, ihre miesen Lebensbedingungen zu verbessern.

Es wird nicht davon gesprochen, dass die Mieten in den Städten so teuer sind, dass Menschen mit Migrationsgeschichte, die in mies bezahlte Jobs gedrängt werden, sich gar keine andere Wohnung leisten können als die in den heruntergekommenen und günstigeren Vierteln. Denn dann müsste man ja zugeben, dass Rassismus und das kapitalistische System, das ihn hervorgebracht hat, Schuld an den Missständen sind.

Deutschen Arbeiter:innen soll suggeriert werden, dass sie mehr mit ihrem deutschen Boss vereint, als mit ihrem türkischen Kollegen aus Wilhelmsburg. Die Klassenspaltung des Rassismus bekommt eine räumliche Komponente.

Bildungskrise: Sind die „Assis“ Schuld?

Auch das Gerede von „Brennpunktschulen“ reiht sich in die Stigmatisierung und Spaltung ein. Zusätzlich soll von der neoliberalen Sparpolitik abgelenkt werden, die zu Kürzungen in der Bildung sowie sämtlichen sozialen Bereichen führt. Diese werden demnächst wohl noch verstärkt werden, denn während die Doktrin der „Schwarzen Null“ weiter Bestand hat, wird eine Menge zusätzliches Geld für die Aufrüstung der Bundeswehr „benötigt“.

Aber warum sollte man sich ernsthaft Gedanken machen, wie man die Bildungskrise mit Investitionen in Lehrmaterial und Mensaessen bekämpfen kann, wenn man die Schuld auch einfach den Jugendlichen geben kann?

In Springerblättern liest man durchgehend, dass die Jugendlichen aus den „Assivierteln“ sich einfach nicht benehmen können. Mobbing unter Schüler:innen wird als Naturzustand dargestellt, nicht als Folge von Konkurrenz- und Leistungsdruck, Zukunftsangst und verinnerlichter Unterdrückung.

Wenn das mit einer rassistischen Komponente gepaart wird, kann man leicht dem Glauben verfallen, dass das Problem nicht Lehrkräftemangel und marode Gebäude wären, sondern respektlose und faule Jugendliche, die sich nicht bilden wollen. Daraus wird der Schluss gezogen, dass es einfach mehr Disziplinierung und Drill bräuchte, um den „Ghettokids“ Manieren beizubringen.

Anstatt materielle Armut beim Namen zu nennen, wird immer weiter von „bildungsfernen“ oder „sozial schwachen“ Milieus gesprochen. Es wird als Tatsache dargestellt, dass als „Ghettoschulen“ gebrandmarkte Bildungseinrichtungen dreckig sind, weil das eben dem „asozialen“ Charakter der Schüler:innen entspräche – irgendetwas an den Lernbedingungen in Billstedt verbessern zu wollen, wäre also völlig sinnlos.

Der Begriff „asozial“ ist dabei kein lustiges Klischee, sondern steht eng in Verbindung mit dem Hitlerfaschismus und der sogenannten „Aktion Arbeitsscheu Reich“, bei der 20.000 Menschen, darunter z.B. Süchtige, Bettler*innen und Prostituierte unter dem „Schwarzen Winkel“ in Konzentrationslager deportiert wurden. Die Vorstellung, dass das Elend einiger Menschen „genetisch programmiert“ wäre, ist keine neue, dafür aber eine sehr gefährliche.

Für solidarische und selbstorganisierte Stadtteile!

So wie die Arbeiter:innen, die sich gemeinsam gegen ihre Bosse organisieren müssen, müssen auch wir zusammenstehen, gegen den Versuch der bürgerlichen Propaganda, uns bereits in der Jugend zu spalten. Wir müssen als Jugendliche vereint stehen und die Hetze gegen bestimmte Schulen und ihre Schüler:innen energisch zurückweisen. Stattdessen müssen wir uns schul- und stadtteilübergreifend organisieren. Wir müssen für gerechte Bildung für alle kämpfen, anstelle von Investitionen in die Kriegstüchtigkeit der imperialistischen BRD. Für die Kontrolle der Schüler:innen und Lehrer:innen über die Lehrpläne!

Um dafür zu sorgen, dass es keine benachteiligten Stadtteile mehr gibt und dass wir als Arbeiter:innen und Jugendliche gut in unseren Vierteln leben können, ist es nötig, dass wir die Infrastruktur unter unsere Kontrolle bringen. Wir müssen die Immobilienhaie und Großkonzerne enteignen und unsere Wohnungen unter Kontrolle von Mieter:innenkomitees stellen. Es ist nötig, dass städtischen Dienstleistungen, wie Stadtreinigung, ÖPNV, Verwaltung etc. unter die Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden, damit wir uns auch für abgelegene und isolierte Stadtteile eine zuverlässige Anbindung an U- und S-Bahn erkämpfen können.

Des Weiteren sollten wir auch Stadtteilkomitees einberufen, die selbst demokratisch entscheiden und planen, wie ihr Viertel aussehen soll. Teil dieser Komitees sollten auch Ausschüsse gesellschaftlich Unterdrückter sein, z.B. Queers und Migrant:innen, die ihre Bedürfnisse und Interessen einbringen können, um die Reproduktion bürgerlicher Unterdrückungsverhältnisse zu verhindern.

Lassen wir uns nicht spalten – Kämpfen wir dafür, dass unsere Viertel und Städte uns gehören!




Nein zum Gender-Verbot an Schulen!

von Erik Likedeeler, REVOLUTION, Fight! März 2024 (aufgrund der Gesetzesänderung in Bayern leicht angepasst am 21. März 2024 im Vergleich zur Print-Ausgabe )

Es klingt absurd, ist aber wahr: der bayerische Ministerrat und Sachsens Kultusministerium haben sich dazu entschieden, eine geschlechtergerechte Sprache in Form von Sternchen, Doppelpunkt und Binnen-I an Schulen, in Unis und an Behörden (Bayern) sowie an Schulen und deren Behörden (Sachsen) zu verbieten. Der thüringische Landtag hat beschlossen, dass Landesregierung, Ministerien, Schulen, Universitäten und der öffentliche Rundfunk nicht mehr „gendern“ dürfen. Auch in Niederösterreich haben ÖVP und FPÖ durchgesetzt, dass die Nutzung von Sternchen und Binnen-I in den Landesbehörden untersagt wird. Ein FPÖ-Sprecher betonte, es gehe darum, den „Wahnsinn des Genderns“ zu beenden. Diese Gender-Verbote stellen eine weitere Folge des gesamtgesellschaftlichen Rechtsrucks in unseren Schulen dar. Sie sind eingebettet in einen internationalen Rollback gegen die Rechte von Frauen und queeren Personen, wie die Angriffe auf das Recht auf Abtreibung in den USA oder Italien oder gesetzliche Verbote für geschlechtsangleichende Maßnahmen oder Verbote von gleichgeschlechtlichen Ehen/Partnerschaften in osteuropäischen Staaten. So haben Rechtspopulist:innen auf der ganzen Welt die sogenannte „Trans- und Gender-Lobby“ zu einem ihrer Hauptfeinde erklärt. Auch unsere Schulen werden zur Zielscheibe ihrer Angriffe. Die zunehmenden Verwerfungen der kapitalistischen Krisen machen Teile des Kleinbürgertums und deklassierter Arbeiter:innen anfällig für diese Ideologie. So sorgen Inflation, zunehmende Konkurrenz, drohender Arbeitsplatzverlust und Sozialabbau dafür, dass viele Cis-Männer ihre zugewiesene Rolle des heldenhaften und starken Ernährers nicht mehr erfüllen können. Die Angst vor dem männlichen Macht- und Identitätsverlust wird zu einem rechten Kulturkampf umgeformt. Die Rückkehr zu konservativen Wertvorstellungen, zu einer Welt, in der doch alles noch besser war, wird ihnen dabei als Lösung verkauft. Der Wirbel um den angeblichen „Wahnsinn des Genderns“ dient als Ablenkung vom eigentlichen sozialen Elend. Doch auch die klassenlose Individualisierung des Kampfes um symbolische Repräsentation soll uns davon abhalten, die eigenen Klassenunterdrückungen zu erkennen. 

Den Rechtspopulist:innen geht es also nicht um eine vermeintlich „richtige“ oder „einfachere“ Sprache. Es geht ihnen darum, Frauen und Queers unsichtbarer zu machen und zurückzudrängen. Dabei greifen sie tief in die Mottenkiste der homophoben und sexistischen Vorurteile, indem sie ihre Gender-Verbote damit begründen, dass es angeblich die Kinder verwirre oder in ihrer Entwicklung beeinträchtige. Unter dem Schlagwort „Frühsexualisierung“ wird nicht nur Jagd auf Gender-Sternchen, sondern auch auf die gleichberechtigte Darstellung gleichgeschlechtlicher Beziehungsmodelle im Unterricht gemacht. Die angeblichen Interessen der Schüler:innen werden hier argumentativ ins Feld geführt, ohne dass überhaupt die Schüler:innen gefragt wurden. Für den Kampf in der Schule bedeutet dies, dass wir uns nicht auf die Bildungsministerien verlassen können. Jede Errungenschaft kann scheinbar mit einem Regierungswechsel wieder zunichte gemacht werden. Schüler:innen müssen also selbst die Frage der Kontrolle über Lehrpläne und Verhaltensregeln in den Schulen stellen, um das Vordringen rechter und queerfeindlicher Ideologie in unsere Schulen zu stoppen. Was wir für eine gerechte und inklusive Bildung wirklich brauchen, sind Lehrpläne unter demokratischer Kontrolle von Organisationen der Arbeiter:innenklasse sowie Lehrer:innen und Schüler:innen. Selbige müssen selbstverwaltete Antidiskriminierungsstellen an den Schulen erkämpfen, um den Schutz von Mädchen, Frauen und queeren Personen an den Schulen zu garantieren. Es ist nicht das Gendern, was Schüler:innen Probleme bereitet, sondern es ist ein kaputtgespartes Bildungssystem, Lehrer:innenmangel und steigender Leistungsdruck. Doch die bayerische Regierung, das sächsische Bildungsministerium oder die FPÖ denken nicht einmal im Traum daran, an dieser Bildungsmisere etwas zu verändern. Dieser Umstand entlarvt nur noch mehr, dass es ihnen lediglich um den Kampf um ideologische Vorherrschaft und das Zurückdrängen von Frauen und LGBTIA geht. Doch auch Sachsens Lehrerverband (nicht jedoch die Gewerkschaft GEW!) sieht positiv, dass das Gender-Verbot „Klarheit“ und „Barrierefreiheit“ bringen würde. Der Sprecher der FPÖ führte sogar die „Integration“ von Migrant:innen als Grund dafür an, wieso die Partei es bei „einfachen und verständlichen“ Sprachregeln belassen will.

In sprachwissenschaftlichen Studien konnte das Argument jedoch widerlegt werden, dass Gendern für das Gehirn mühsam wäre oder zusätzlichen Aufwand bedeuten würde. Anders als häufig angenommen führen geschlechtergerechte Formulierungen nicht zu langsamerer Verarbeitung, schwächerer Erinnerungsleistung oder schlechterer Lesbarkeit. Das Maskulinum hingegen führt durchaus zu Zögern bei der Verarbeitung und langsamer Reaktion, sobald es geschlechtsübergreifend gemeint ist.

Gleichzeitig sollten wir auch als Linke nicht der Illusion verfallen, dass ein bloßes Ändern unserer Sprache automatisch zu einer tatsächlichen Überwindung gesellschaftlicher Unterdrückungsverhältnisse führt. Selbst, wenn nun mehr Leute geschlechtergerechte Sprache benutzen, ändert dies leider wenig am Gender-Pay-Gap oder an der Tatsache, dass Frauen immer noch einen Großteil der Haus- und Care-Arbeit leisten.

Anstatt jedoch wie manche Linke den “Kampf um eine inklusive Sprache” abzulehnen, sollten wir diesen viel eher in den Klassenkampf einbinden. Denn in Begriffen stecken implizite Sichtweisen und Wertungen, die beeinflussen können, wie wir bestimmte Gruppen und Ereignisse betrachten. Im besten Fall kann das Verwenden einer bestimmten Sprache unsere Sichtweisen einer breiteren Masse leichter zugänglich machen. Zudem vermittelt inklusive Sprache zusätzlich diskriminierten Personen, dass wir ihre Unterdrückung anerkennen und unsere Befreiungsbewegungen zusammendenken. In diesem Sinne dürfen wir uns keinesfalls der rechten Verbotskultur beugen, sondern müssen dem Gender-Verbot den Kampf ansagen! Denn das, was der bürgerliche Staat als Vertreter des Kapitals am meisten zu fürchten hat, ist eine Arbeiter:innenklasse und Jugend, die sich ihrer gemeinsamen Interessen bewusst ist und gegen die wahren Ursachen ihres Elends ankämpft.

Seid ihr an eurer Schule davon betroffen? Organisiert euch gegen das Verbot und werdet an eurer Schule aktiv! Wir unterstützen euch gerne, auch bei allen anderen politischen Fragen an der Schule!




Bundeswehr raus aus der Schule – Katastrophenschutz sieht anders aus!

von Leonie Schmidt, März 2024

Die deutsche Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) macht aktuell auf sich aufmerksam, indem sie sich für mehr „Zivilschutzübungen“ an Schulen einsetzt. In Zeiten von Kriegen, Umweltkatastrophen und Pandemien ist das auf den ersten Blick ein nachvollziehbares Anliegen. Doch was zunächst vielleicht harmlos erscheint, soll ganz andere Ausmaße annehmen. Stark-Watzinger möchte nämlich, dass auch die Bundeswehr sich an die Schulen begibt und diese ein „unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr“ entwickeln müssten. Die Bedrohung der Freiheit solle so uns Jugendlichen nähergebracht werden. Aber hey, wenn wir dann weniger Mathe-Aufgaben lösen müssen, ist das doch voll entspannt, oder nicht?! Wir finden, die Bundeswehr hat an der Schule nichts verloren. Warum, wieso und weshalb, lest ihr hier in diesem Artikel.

Jugend im Krieg – voll normal und niemand kann was dafür?

Die Forderungen von Stark-Watzinger reihen sich ein in eine Vielzahl von Stimmen, die mit aller Kraft uns Jugendliche für eine Tätigkeit bei der Bundeswehr rekrutieren wollen. Minister:innen, die über die Wiedereinführung der Wehrpflicht plaudern, eine KIKA-Show, die Panzer über deutsche Waffenlieferungen in die Ukraine reden lässt,  oder auch die Bundeswehr selber, die auf Gaming-Messen Stände unterhält und das Ermorden von „menschlichen Zielen“ dort als Spielspaß für Nerds darstellt (schließlich ist der asymmetrische Krieg durch Drohnen jetzt voll digital). Selbst bei den Kleinsten unserer Gesellschaft wird schon angesetzt: zum Tag der Bundeswehr gibt es immer ein familienfreundliches Programm in den Kasernen mit Hüpfburgen, Kinderschminken und natürlich Panzerbesichtigungen, damit auch Generation Alpha schon den Traum entwickeln kann, später einmal das deutsche Kapital zu beschützen. Denn die Bundeswehr hat Personalmangel und wer könnte besser deutsche Interessen verteidigen, als Jugendliche, die nicht wirklich wissen, was sie später beruflich einmal machen wollen? Das ist natürlich problematisch, denn so werden wir jungen Menschen mit absurden Versprechungen und viel Geld an die Front gelockt. Wir dürfen mit 17 Jahren noch nicht mal wählen, aber uns für eine Ausbildung bei der Bundeswehr verpflichten und mit Schusswaffen üben geht klar. Mit 17 dürfen wir zwar noch nicht in den Einsatz geschickt werden, sobald wir 18 sind, ist das aber im „Spannungs- oder Verteidigungsfall“ durchaus schon möglich. All das bedeutet in Folge meist Posttraumatische Belastungsstörung, Mobbing und sexualisierte Gewalt inklusive, wenn wir nicht vorher schon für unser Heimatland verreckt sind.

Aufrüstung soweit das Auge reicht

Die Bundeswehr muss wieder kriegstüchtig werden, so ist sich zumindest die herrschende Klasse einig. In den letzten Wochen wurde sogar über eine deutsche bzw. europäische atomare Aufrüstung debattiert. Aus der Sicht der Imperialist:innen völlig nachvollziehbar, denn die Blockbildung und die Konflikte im Kampf um die Neuaufteilung der Welt nehmen jährlich zu, wie wir es unter anderem in der Ukraine beobachten können, aber auch z.B. in Taiwan oder Palästina. Als Neuaufteilung der Welt bezeichnen wir die Bestrebungen der imperialistischen Mächte, wie z.B. der USA, China und der EU, die Welt und somit ihre Einflusssphären neu aufzuteilen. Sie tun dies, da das Zeitalter der Globalisierung vorbei ist und es keine neuen Märkte mehr zu erschließen gibt, was aber für anhaltende Profite, aufgrund der fallenden Tendenz der Profitrate, von Nöten wäre. Die EU, unter anderem also auch Deutschland, steht da aktuell eher schlecht da, da sie in den letzten Jahren deutlich an Einfluss verloren hat. Aufgrund der ideologischen Verschleierungen rund um den Ukraine Krieg scheint es, als ob sich der Krieg nicht um die verschiedenen internationalen Einflusssphären, Kapitalinteressen und deren Verteidigung drehe, sondern dass es sich hier um einen Kampf zwischen Demokratie und Autokratie handeln würde. Für viele Teile der Bevölkerung, ist dieser Gedanke scheinbar unterstützenswert und sie sind der Ansicht, dass eine Demokratie auch wehrhaft sein müsste. Das liegt in großen Teilen an der ideologischen Aufladung des Ukraine-Krieges, der in den bürgerlichen Medien vielerorts den Stempel eines „Neuen Kalten Kriegs“ bekommen hat. Bei einer repräsentativen Befragung von Menschen ab 16 Jahren in Deutschland befürworteten 57 % weitere Erhöhung des Verteidigungsetats sowie der Zahl der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr (ZMSbw 2023). Nur 8% forderten eine Abrüstung (ebenda). Des Weiteren standen 9 von 10 Befragten der Bundeswehr positiv gegenüber (ebenda). Kein Wunder also, dass die Stimmen der Kriegsminister:innen aktuell wenig Gegenwind erfahren. So mischt zum Beispiel auch die Gewerkschaft IG Metall munter mit, in dem sie sich zu Beginn des Jahres den Aufrüstungsvorhaben der Bundeswehr anschloss und so die Interessen von Arbeiter:innen und uns Jugendlichen verriet. Damit stellt sie sich nicht nur auf die Seite der Regierung, sondern auch auf die der sogenannten Arbeitgeber:innen: so befindet sich der Rüstungskonzern Rheinmetall nun kurz vor der Verzehnfachung ihrer Artillerieproduktion.  Die Ampel selber konnte schließlich auch 100 Milliarden für die Aufrüstung aus dem Ärmel schütteln, während in den meisten sozialen Bereichen massiv gekürzt wurde. Kürzungen betreffen die Hilfen für Kinder und Jugendliche aus ärmlichen Verhältnissen, Frauenhäuser, das Gesundheitssystem aber auch den Umwelt- und Katastrophenschutz. Nebenbei bedeutet der massive Reallohnverlust für viele Arbeiter:innen und ihre Kinder, dass sie sich Alltägliches nicht mehr leisten können und überall sparen müssen. Aber Hauptsache, niemand geht der Freiheit und der demokratischen Grundordnung an den Kragen! Dieses ideologische Einstimmen auf die Militarisierung soll nun an unseren Schulen zur Realität werden. Doch die Kriege nützen nur der herrschenden Klasse. Auch aus einer ökonomischen Perspektive macht Kriegsführung für sie Sinn, denn so können sie in Krisenzeiten, in denen die Absatzmärkte einbrechen, überflüssiges Kapital vernichten, indem sie dieses z.B. in Aufrüstung stecken und dann im Falle eines erfolgreichen Kriegs auch noch ihre Einflusssphäre ausweiten. Doch im Interesse von uns Jugendlichen und der Arbeiter:innenklasse ist das alles nicht: Es ist nicht die herrschende Klasse, die im Waffen- und Bombenfeuer sterben wird oder die aufgrund von Ressourcenknappheit hungern muss, sondern wir sind es! Daher sagen wir ganz klar: Kein Cent, kein Mensch dem Militarismus.

Die Bundeswehr könnte in Fällen von Aufständen und Unruhen im Landesinneren natürlich ebenso gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden, auch wenn das niemand gerne zugibt. Gerade in Zeiten von Krisen sollten wir jedoch vor dieser Möglichkeit nicht die Augen verschließen. Zwar ist die Bundeswehr hauptsächlich für die Verteidigung nach Außen eingesetzt, jedoch ist ihre Aufgabe der Schutz des Landes und der demokratischen Grundordnung. Ein Generalstreik umzingelt von Leopard-Panzern? Nicht so der Vibe!

Da in Deutschland bald Wahlen anstehen, werfen wir hierauf noch einen kurzen Blick: Die AfD fordert besonders aktiv die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Da mit dem Rechtsruck Abschottungspolitik und Nationalismus noch mehr in den Fokus rücken, als es jetzt ohnehin schon der Fall ist, muss uns klar sein, dass wir uns nicht nur gegen die Militarisierung, sondern auch gegen den Rechtsruck im Allgemein organisieren müssen.

Katastrophenschutz? Der Kapitalismus ist die Katastrophe!

Bevor wir zu unserer Perspektive kommen, wollen wir hier noch kurz auf die Doppelmoral des Katastrophenschutzes schauen. Erstmal ist es natürlich nicht grundsätzlich abzulehnen, dass die Bevölkerung in der Lage versetzt werden soll, sich zu schützen, und dies auch schon in der Schule thematisiert werden soll. Ironischerweise wird gerade das jedoch immer wieder skandalisiert, wenn auf die Geschichte der degenerierten Arbeiter:innenstaaten, wie der DDR oder der UdSSR geblickt wird, in denen solche Übungen gängige Unterrichtsinhalte waren. Doch selbst, wenn wir den Krieg mal ausblenden, so sind auch die anderen möglichen Katastrophen solche, die uns der Kapitalismus und die herrschende Klasse bescheren. Insbesondere bei der Umweltkrise leuchtet das schnell ein. Natürlich ist es für die Bourgeoisie bequemer, uns darauf zu drillen uns im Falle einer Umweltkatastrophe so oder so zu verhalten, anstatt die Ursachen für diese Katastrophen und das Leid selber aufzuheben. Es ist jedoch nicht nur bequemer, sondern es wäre auch gar nicht in ihrem Interesse, denn den Katastrophen kann letztlich nur ein Systemwechsel ein Ende setzen, was für die Kapitalist:innen bedeuten würde, ihre Privilegien und ihren Besitz an Produktionsmitteln aufgeben zu müssen.

Okay – und jetzt?

Wir finden, die Bundeswehr sollte sich nicht vor unsere Schulklassen stellen und das Morden in aller Welt im Interesse des deutschen Kapitals als etwas Erstrebenswertes verkaufen. Falls ihr also hört, dass die Bundeswehr in eurer Schule vorbeischauen will, sagt uns und eueren Mitschüler:innen Bescheid, damit die Veranstaltung blockiert werden kann. Dafür kann man sich erstmal in der Schule treffen, Flyern, einen Bannerdrop planen oder auch eine Vollversammlung ausrufen. Damit das klappt, ist es auch sinnvoll, eine antikapitalistische, linke Schulgruppe aufzubauen. Sagt uns gerne Bescheid, wenn ihr Hilfe braucht! Als kommunistische Jugendorganisation haben wir damit schon viel Erfahrung sammeln können.

Doch nur an der Schule können wir die Militarisierung nicht aufhalten. Wir müssen uns in allen Teilen unseres Lebens organisieren, als Jugend und zusammen mit der Arbeiter:innenklasse. Wir müssen daher auch eine neue Jugendinternationale und eine neue revolutionäre Partei aufbauen. Außerdem braucht es eine massenhafte Anti-Militarisierungsbewegung, an der auch die Gewerkschaften und die reformistischen Arbeiter:innenparteien teilnehmen, auch wenn sie uns gerade massiv in den Rücken fallen. Die Gewerkschaften müssen durch Basisoppositionen zurückerobert werden. Nur mit ihnen und der Arbeiter:innenklasse lässt sich das Morden beispielsweise durch Blockaden von Waffenlieferungen beenden und letztlich der Kapitalismus durch eine revolutionäre Systemüberwindung zerschlagen. Denn: wahren Frieden kann es in der Klassengesellschaft nicht geben, erst der Sozialismus kann diesen uns und allen Menschen auf der Welt ermöglichen. Lassen wir nicht zu, dass wir, unsere Freund:innen, unsere Mitschüler:innen, unsere Bekannten, unsere Familien und unsere Nachbar:innen zu Kanonenfutter werden. Konkret setzen wir uns für die folgenden Forderungen ein:

  • Für eine revolutionäre Jugendinternationale! Die Jugend braucht eine unabhängige und internationale Vertretung. Für den Aufbau einer Schüler:innengewerkschaft, die unsere Interessen gemeinsam mit der Arbeiter:innenklasse vertritt und durchsetzt!
  • Nein zur Wehrpflicht! Wir wollen kein Kanonenfutter sein!
  • 100 Milliarden für Soziales, Bildung und die Jugend und nicht für die Bundeswehr! Gegen jede Aufrüstung aller imperialistischen Nationen, ob Russland oder Deutschland!
  • Für eine Antikriegsbewegung international! Nur die Arbeiter:innen können den Konflikt lösen.



Von Athen bis Berlin: Gerechte Bildung muss erkämpft werden!

Von Jona Everdeen, Februar 2024

Seit mehreren Wochen sind jetzt über 100 Universitäten in ganz Griechenland besetzt. Jeden Donnerstag demonstrieren zehntausende Studierende gegen ein neues Gesetz der rechtskonservativ-neoliberalen Regierung Mitsotakis, das vorsieht, künftig private Universitäten einzuführen und somit die öffentliche Bildung massiv zu untergraben. Wir solidarisieren uns mit diesen Protesten und rufen auf, eine europaweite Bewegung für gerechte Bildung und gegen die Folgen der neoliberalen Politik der EU aufzubauen!

Privatisierung als Folge neoliberaler Politik

Die Privatisierung der Bildung muss als weiterer Teil der massiven Privatisierungswelle betrachtet werden, die Griechenland in den letzten Jahren erlebte. So wurden u.a. schon Eisenbahn, Energieversorgung und Immobilien privatisiert. Diese radikale neoliberale Politik wurde Griechenland in Folge der Staatsschuldenkrise aufgezwungen. Mit Maßnahmen, die als Wirtschaftskrieg bezeichnet werden können, zwang die vom kürzlich verstorbenen Wolfgang Schäuble angeführte Troika die linksreformistische SYRIZA-Regierung dazu, eine brutale Austeritätspolitik zu akzeptieren. Hier taten die Reformist:innen wieder einmal, was sie am besten können: Die Arbeiter:innenklasse und Jugend verraten, indem sie entgegen der Referendumsentscheidung der Griech:innen vor dem Troika-Terror kapitulierten. Mit 61,31 % war die aufgezwungene Sparpolitik eigentlich abgelehnt worden, doch SYRIZA versprach viel, täuschte die griechische Bevölkerung sogar hinsichtlich des desaströsen Zustandes des Staates und machte letztendlich wenig. Die Folgen für Griechenland waren fatal und prägen das Land noch immer massiv: Proletarische und kleinbürgerliche Massen verarmten, da Lohnkürzungen und der Abbau von Arbeitsrechten erzwungen wurden. Die heutige rechte Regierung der Nea Dimokratia hingegen privatisiert ganz von alleine munter vor sich hin, so wie es eben jede bürgerlich-konservative Regierung tut. Für die griechischen Arbeiter:innen und Jugendlichen sorgte die Austeritätspolitik für eine massive Verschlechterung der Lebensbedingungen. Löhne sanken und Preise für Strom, Miete und Lebensmittel stiegen. Die massive Krise des bürgerlichen Staates soll also auf dem Rücken der Armen ausgetragen werden. Auch für das katastrophale Zugunglück von Tembi 2023, bei dem 57 Menschen starben, ist die neoliberale Privatisierungspolitik verantwortlich, da sie dafür sorgte, dass das Bahnsystem marode wurde. Die Ermöglichung von Privatisierung im Bildungssektor ist nun der nächste Schritt in dieser Reihe. Die Folgen für Jugendliche wären dabei katastrophal. So würden Investitionen in öffentliche Bildungseinrichtungen noch weiter zurückgehen und es würde eine riesige Kluft entstehen zwischen denen, die sich die Privatuni leisten können und denen, die mangels Geld gezwungen wären, weiter eine öffentliche Uni zu besuchen. Langfristig öffnet das Gesetz sogar die Möglichkeit dafür, dass höhere Bildung komplett privatisiert wird und sich nur noch Leute mit viel Geld leisten könnten, überhaupt zu studieren.

Das Problem ist ein internationales!

Griechenland ist durch die Eurokrise eines der Länder, das besonders stark von neoliberaler Austeritätspolitik, diktiert durch die EU, betroffen ist. Das liegt auch daran, dass es aufgrund der massiven wirtschaftlichen Abhängigkeit in einem halbkolonialen Verhältnis zu Deutschland und Frankreich steht. Doch alleine ist Griechenland mit dem Problem nicht. Im Gegenteil, ganz Europa und große Teile der Welt sind mehr oder weniger stark betroffen! Ob Deutschland oder Italien, Griechenland oder Österreich: In quasi jedem europäischen Land hat es, von der EU massiv befördert, zahlreiche Privatisierungen gegeben. Von Gebäuden über Infrastruktur, öffentliche Dienstleistungen wie das Gesundheitssystem bis hin zur Bildung. Die Angriffe auf Schüler:innen und Studierende nehmen dabei immer weiter zu, sei es auf die direkte und spürbarste Art durch die Privatisierung, oder aber auch etwas indirekter durch Unterfinanzierung, die zu maroden Schulgebäuden und viel zu wenig Personal führt. Auch Preissteigerungen für Mensaessen oder Lernmaterialien machen gute Bildung immer weiter zu einem Privileg der wenigen bessergestellten Schichten der Arbeiter:innenklasse und des Kleinbürger:innentums und der Reichen selbst. Dazu kann man zunehmende Repressionen gegen linkspolitische Meinungen und Aktivitäten an den Schulen und Universitäten beobachten, wie z. B. bei der Unterdrückung jeglicher Palästina-Solidarität in Deutschland oder Italien. Die strukturelle Krise des Kapitalismus zwingt die Staaten dazu, einerseits an der Bildung zu sparen, andererseits aber auch die Schüler:innen und Studierenden auf die verschärfte Ausbeutung am zukünftigen Arbeitsplatz vorzubereiten und dabei die Linie des Staates ideologisch zu festigen. Das ist zwar auch ein grundsätzliches Merkmal von Bildung im Kapitalismus, da so die vorherrschenden Ideen reproduziert werden, jedoch ist es in Krisenzeiten noch einmal massiver vonnöten, um jeglichen Widerstand zu brechen. Uns ist dabei bewusst, dass Bildung im Kapitalismus eben nie das Ziel hat, uns wirklich zu bilden und in unseren Stärken zu fördern, sondern nur gehörige Arbeiter:innen zu schaffen, welche sich ohne Aufschrei ausbeuten lassen sollen. Dass eine gerechte Bildung mit neoliberaler Politik also nicht vereinbar ist, sollte allen klar sein.

Doch was braucht es stattdessen?

Neben einer kompletten Verstaatlichung der Bildung, also dem sofortigen Stopp aller Bildungsprivatisierung und der Verstaatlichung aller bereits existierender Privatschulen und Unis sowie der Streichung jeglicher Gebühren für Bildung, braucht es deshalb auch ein komplett neues Bildungssystem. Eins, das von Lehrenden und Lernenden sowie Organen der Arbeiter:innenklasse demokratisch geplant und verwaltet wird, anstatt dass ein Bildungsministerium oder ein autoritärer Unisenat entscheidet, was und wie wir zu lernen haben! Dazu braucht es auch ein Ende des Konkurrenzsystems unter den Lernenden, das sich vor allem in der Benotung ausdrückt. Kostenloses Mensaessen, Unterrichtsmaterialien und Nachhilfe sind darüber hinaus nötig, damit wirklich niemand in Schule oder Uni aufgrund fehlender finanzieller Mittel benachteiligt wird und die Verdrängung ins Private nicht weiter patriarchale Strukturen fördert, welche Mütter durch unentlohnte Hilfe bei den anfallenden Hausaufgaben und das Schmieren von Pausenbroten zusätzlich ausbeuten! Zusammenfassend lässt sich sagen: Wir wollen und brauchen eine Bildung, die uns nicht für den Konkurrenzkampf des Kapitalismus und die harte Realität der Lohnarbeit im Kapitalismus formt, sondern uns ermöglicht, nach unseren Interessen und Fähigkeiten entsprechend weiterzubilden!

Für eine internationale Jugendbewegung in Kampfeinheit mit den Arbeiter:innen!

Die Angriffe auf unsere Bildung und somit direkt auf uns als Jugendliche, als Schüler:innen und Studierende, sind Ergebnis der kapitalistischen Krise und des Neoliberalismus. Diese Spielart des kapitalistischen Regierens ist international vorherrschend und wird durch die EU und BRD befeuert, wenn nicht gleich ihren Mitgliedern aufgezwungen. Er greift dabei nicht nur uns an, sondern auch und ganz besonders die Arbeiter:innen, deren Lebensbedingungen in Folge von Privatisierungen und anderen Spaßmaßnahmen immer schlechter werden. Um die Krise zu überwinden, die neoliberalen Angriffe zurückzuschlagen und eine gerechte Bildung zu erkämpfen, müssen wir darum eine Bewegung aufbauen, die sich neben uns als Schüler:innen, Auszubildende und Studierende auch und gerade auf die Arbeiter:innen und ihre Organisationen, die Gewerkschaften, stützt. Dafür müssen wir in den Gewerkschaften gegen die Taktik der Sozialpartnerschaft, des faulen Kompromisses mit Bossen und Regierung kämpfen. Wir müssen die reformistischen Parteien, die ihre Basis in der Arbeiter:innenbewegung haben, wie z. B. die Linkspartei in Deutschland oder SYRIZA in Griechenland, dazu auffordern, sich einer Einheitsfront gegen die neoliberalen Angriffe anzuschließen. Im gemeinsamen Kampf müssen wir dann aufzeigen, dass die reformistischen Führungen sie nicht von den Auswirkungen neoliberaler Politik und der tagtäglichen Hölle des Kapitalismus befreien werden können. Es reicht nicht, wenn dies nur in einem Land geschieht, besonders nicht innerhalb der EU. Denn es war die EU, angeführt von Deutschland, die SYRIZA 2014 zur Kapitulation und Annahme der Troika-Diktate zwang. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht nur in Griechenland, sondern auch in Deutschland Generalstreiks stattgefunden hätten, die Schäuble aus dem Amt gejagt und seine Austeritätspolitik auch in Deutschland beendet hätten! Um in Zukunft siegen zu können, Privatisierungen, Austerität und Kapitalismus zu beenden und eine gerechte Bildung sowie ein besseres Leben für uns alle zu erreichen, braucht es eine internationale Jugend- und Arbeiter:innenbewegung im engem Bündnis, welche geeint dem Kampf gegen „unsere“ jeweiligen Staaten und die EU führen! Hier in Deutschland als führende Macht in der EU gilt es sich besonders mit allen von deutscher Politik Betroffenen zu solidarisieren und sich gegen die „eigenen“ Imperialisten zu stellen. Nur eine europaweite Massenbewegung mit revolutionärer Führung kann die Basis dafür sein, das kapitalistisch-neoliberale Europa zu Fall zu bringen und durch die vereinigten sozialistischen Staaten von Europa zu ersetzen!




Jugend gegen Abschiebungen! Für einen bundesweiten Schulstreik!

AfD raus aus unseren Schulen kicken!

Seit mehreren Wochen gehen Millionen von Leuten auf die Straße. Sie demonstrieren gegen die AfD, gegen die rassistischen Pläne der AfD. Warum müssen auch wir als Jugendliche uns an diesen Protesten beteiligen? Die Pläne, die die AfD hat, sind auch für uns besonders scheiße, denn den Ort, wo wir täglich hingezwungen werden, will sie uns zur Hölle machen.

Insgesamt wollen sie eine Schule erschaffen, die kein Raum für Schüler:innen ist, sondern die das Ziel hat, Arbeitskraft zu produzieren, egal wie sehr wir darunter leiden. Es liegt also im Interesse jedes:r Schüler:in, gegen die AfD aufzustehen. Der extreme Leistungsdruck, unter dem schon jetzt viele Schüler:innen zerbrechen, soll noch weiter verschärft werden. Zudem wollen sie Aufklärung verhindern, indem sie den ohnehin schon cis-heteronormativen und unzureichenden Sexualkundeunterricht weiter beschneiden wollen. Nicht zuletzt sollen wir in der Schule noch weniger über die deutschen Verbrechen zur Kolonialzeit und im Faschismus aufgeklärt werden. Und die AfD setzt sich dafür ein, dass unsere Freund:innen auf andere Schulen müssen, wenn sie kein perfektes Deutsch können oder Föderbedarf haben. Doch wir wollen nicht von unseren Freund:innen getrennt lernen. Wir wollen lieber eine Schule, die es schafft, sich um alle Schüler:innen zu kümmern.

Viele unserer Mitschüler:innen will die AfD aber nicht nur auf andere Schulen schicken, sondern am liebsten gleich ganz aus Deutschland raus. Laut der AfD ist der Islam kein Teil unserer Gesellschaft und hat hier auch keinen Platz. Dies hat sich mit dem Ausbruch des Gazakrieges zusätzlich verschärft. Dabei werden Muslim:innen als angebliche Terrorunterstützer:innen unter den Generalverdacht des Antisemitismus gestellt. So stellte die Berliner AfD einen Antrag im Senat, dass Berlin keine palästinensischen Geflüchteten aufnehmen solle, da diese den Antisemitismus in Deutschland stärken würden. Dass Gewalt und Hetze gegen Jüdinnen und Juden in Wirklichkeit vor allem ein Problem ihrer eigenen Wähler:innen ist, kehrt sie damit genüsslich unter den Tisch. Wir sehen also, wie unter heuchlerischen Vorwänden unsere migrantischen Freund:innen einfach abgeschoben werden sollen oder gar nicht erst nach Deutschland kommen dürfen. Gegen diese Ungerechtigkeiten müssen wir aktiv werden!

Für eine selbstverwaltete Antidiskriminierungsstelle an unseren Schulen!

Wenn Abschiebungen, Vorurteile gegen Muslim:innen und Gewalt gegen Queers zum Normalzustand werden, heißt das, dass die gesamte Gesellschaft nach rechts rückt. Davon sind leider auch unsere Schulen nicht ausgenommen. Entgegen der Ideologie, dass Schulen angeblich ein „neutraler Raum“ innerhalb der Gesellschaft seien, ist alles, was hier passiert politisch: Mitschüler:innen werden innerhalb einer Woche zu Hause abgeholt und abgeschoben. Mädchen wird abgesprochen, dass sie gut in Physik oder Informatik sein können. Die Schule missachtet unsere sexuelle Identität und nutzt unsere Deadnames. Das Tragen von Kufiyas wird verboten. Mitschüler:innen droppen Nazisprüche oder das N-Wort. Auf unsere Depressionen, Angststörungen oder neurodivergenten Bedürfnisse wird keine Rücksicht genommen. Diese ganzen Diskriminierungserfahrungen tragen dazu bei, dass wir nicht richtig lernen können oder sogar von der Teilhabe am schulischen Alltag ausgeschlossen werden. Häufig bleiben unsere Hilferufe ungehört und es gibt neben ein paar Pseudo-Vertrauenslehrer:innen kaum jemanden, an den wir uns wenden können. Wenn uns dieser traurige Normalzustand ankotzt, wird es also Zeit, dass wir selber aktiv werden.

Wir fordern deshalb die Bildung einer Beschwerdestelle gegen Diskriminierung an jeder Schule. Diese muss unabhängig von der Schulleitung sein und gemeinsam von wähl- und abwählbaren Schüler:innen und Lehrkräften kontrolliert werden. Dafür brauchen wir an jeder Schule eine Art Antidiskriminierungs-Awarenessteam, das jederzeit ansprechbar ist und in dem auch von Diskriminierung betroffene Menschen selbst dabei sind. Es muss möglich sein, dort auch anonym eine Beschwerde über diskriminierendes Verhalten an der Schule einzureichen. Bei Appellen an die Schulleitung darf es nicht bleiben, sondern die Antidiskriminierungsstelle braucht auch eigene Befugnisse, um auch selbst gegen die Diskriminierung aktiv werden zu können. Die Antidiskriminierungsstelle ist also keine „Schule-ohne-Rassismus-AG“, sondern ein Organ der kollektiven Selbstverwaltung, das die autoritäre Herrschaftspraxis von Regierung und Schulleitung aktiv in Frage stellt. Um das zu erreichen, müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, die wir an der Schule haben. Bewerbt ein erstes offenes Treffen, an dem ihr euch über Vorfälle in der Vergangenheit austauscht und diskutiert, wie die Antidiskriminierungsstelle genau aussehen soll. Stellt Anträge an die Schüler:innenvertretung (SV) und beruft eine Vollversammlung ein, das steht euch laut Schulrecht zu. Denkt auch darüber nach, Plakate in der Schule aufzuhängen und eine Kundgebung oder Kreativaktion zu starten, um auf euer Projekt aufmerksam zu machen. Wenn ihr genügend Mitschüler:innen hinter eurem Ziel gesammelt habt, kann das Thema Diskriminierung nicht mehr länger ignoriert werden. Kontaktiert uns, wenn ihr Unterstützung dabei braucht!

Dabei muss jedoch auch klar sein, dass eine solche Antidiskriminierungsstelle nicht ausreicht, um den Rassismus in der Gesellschaft und der Schule alleine zu bekämpfen. Diese Forderung muss eingebettet sein in ein Aktionsprogramm gegen die AfD, welches zum einen Antirassismus stark macht, zum anderen aber auch soziale Forderungen aufwirft, welche die Ursachen des aktuellen Rechtsrucks adressieren. Wir fordern deshalb:

  • Keine Abschiebungen aus unseren Schulen! Außerdem gut ausfinanzierte Inklusion statt rassistische Segregation in „Willkommens“-klassen!
  • Diskriminierungssensible Themen gehören in den Lehrplan: Ob nicht-heteronormative Beziehungsmodelle, Religionsfreiheit oder Kolonialismus! Für demokratische Kontrolle über einen diskriminierungssensiblen Lehrplan durch Schüler:innen und Lehrer:innen!
  • 100 Milliarden in Bildung und Soziales, statt für die Bundeswehr! Wir brauchen kleinere Klassen, mehr Personal gegen den Lehrer:innenmangel und renovierte Schulgebäude!

Jugend gegen Abschiebungen! Lasst uns einen bundesweiten Schulstreik gegen die AfD organisieren

Als Jugendliche müssen wir auf den Massenprotesten gegen die AfD präsent sein. Aber wir müssen dort auch deutlich machen, dass wir zwar klar die AfD ablehnen, jedoch auch die Ampelkoalition und ihre rassistische Abschiebungspolitik. Die perversen „Remigrations“-Pläne der AfD stellen eine Gefahr dar, doch gefährlich ist bereits unser rassistischer Alltag, in dem täglich Menschen abgeschoben oder auf der Straße bepöbelt oder angegriffen werden. Die AfD hetzt, aber die Ampel macht die passenden Gesetze dazu. Mit ihrer Zustimmung zur GEAS-Reform der Festung Europa haben die Grünen, die SPD und die FDP dafür gesorgt, dass das Asylrecht in der EU faktisch abgeschafft wird. Eine Forderung, wie sie die AfD schon lange aufgeworfen hat. So sollen Geflüchtete künftig an den europäischen Außengrenzen besser abgefangen und in Gefängnissen außerhalb der EU untergebracht werden. Ferner wird die Liste vermeintlich „sicherer Herkunftsstaaten“ erweitert, sodass das Ziel des Bundeskanzlers Olaf Scholz „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“ (2023) schnell eine schreckliche Realität werden wird. Und das ist sie schon heute, denn die Zahl der Abschiebungen aus Deutschland hat sich im Jahr 2023 verdoppelt. Die rassistische Abschiebepolitik der Bundesregierung ist umso zynischer, wenn man sich vor Augen führt, dass Deutschland sowie andere EU-Staaten daran schuld sind, dass Millionen Menschen fliehen müssen: durch Kolonialismus, Ausbeutung, Militärinterventionen, die Unterstützung von Diktatoren, Waffenexporte und Umweltzerstörung.

Wir können nicht zulassen, dass vielen Jugendlichen das Recht zur Schule zu gehen verwehrt wird oder sie aus unseren Klassen abgeschoben werden. Zehntausende Jugendliche in Deutschland haben keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis, sondern sind lediglich „geduldet“. Duldung heißt „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“. Und wer soll sich eigentlich auf Mathe konzentrieren, wenn total unklar ist, ob die Duldung nächste Woche noch verlängert wird? Gemeinsam mit euch wollen wir deshalb einen bundesweiten Schulstreik gegen Abschiebungen und AfD organisieren. Die Schule bestreiken bedeutet, den Unterricht zu boykottieren und stattdessen gemeinsam für ein politisches Ziel auf die Straße zu gehen. Ein Schulstreik legt zwar nicht wie andere Streiks die Produktion oder das öffentliche Leben lahm, aber er ist ein Akt des politischen Massenprotests und stört den „normalen“ Schulbetrieb. Und das ist auch wichtig und richtig, denn dieser Alltag aus Diskriminierung, kaputtgespartem Schulsystem und Abschiebungen ist nicht normal! Ein Schulstreik gibt uns eine Stimme, indem wir uns klar und deutlich gegen Abschiebungen und AfD positionieren, ohne viel Angst haben zu müssen, von der Schule zu fliegen. Es gibt zwar kein Recht auf Schulstreik, aber er ist auch nicht konkret verboten. Und so haben schon viele große Schulstreiks in der Vergangenheit, ob 2008 gegen die Bildungskürzungen, ob 2016 gegen Rassismus, oder ab 2019 in Fridays for Future gezeigt, dass wir durch unsere Streiks etwas erreichen können.

Klickt hier, um in unsere Telegram Gruppe zu kommen und werdet Teil der bundesweiten Vernetzung für einen antirassistischen bundesweiten Schulstreik!

Wir fordern alle Einzelpersonen, Organisationen, Bündnisse und Gewerkschaften, die die AfD und die Abschiebungspolitik der Ampel ablehnen dazu auf, sich daran zu beteiligen.

Wenn wir genug Leute sind, werden wir eine Aktionskonferenz einberufen, um dort die nächsten Schritte für den Schulstreik zu planen. Bis dahin: organisiert Aktionstreffen, stellt Anträge an die SV, beruft Vollversammlungen ein und schweigt nicht zu Rassismus und Abschiebungen an unseren Schulen!




Für kostenloses Schulessen und Schüli-Kontrolle über Speisepläne!

von Oskar Oi, Februar 2024

Schüler:innen aus Braunschweig hatten vor einigen Wochen ihr schlechtes Mensa-Essen endgültig satt. Deswegen haben sie sich kurzerhand dazu entschlossen, die Mensa zu bestreiken. Wir Schüler:innen kennen das leidige Thema: Wir müssen in kürzerer Zeit und dafür länger in den Nachmittag hinein möglichst viel Unterrichtsstoff lernen und oft in der Schule essen. Nicht nur mit dem Leistungsdruck dürfen wir uns herumschlagen: Auch haben wir während der Zeit, die wir in der Schule verbringen, häufig Essen, das uns nicht zufriedenstellt und ungesund ist. Die Braunschweiger Schüler:innen gehen mit Beispiel voran und hatten mit ihrem Streik auch noch erfolgt! Es brauch: Schüler:innenkontrolle über die Speisepläne und darüber hinaus dieses Essen auch umsonst! Doch was macht die deutsche Staat wegen dem schlechten Schulessen?

Als Gegenmaßnahme des Problems hat die Bundesregierung eine neue Strategie für unser Schulessen beschlossen: Weniger Fleisch, Zucker, Fett und Salz – dafür mehr Gemüse und Obst sollen auf den neuen Speiseplänen stehen. Das Landwirtschaftsministerium feiert sich jetzt zwar selbst auf der Website, allerdings ernten sie viel Kritik von der bürgerlichen Presse. So schreibt beispielsweise „Foodwatch“: „Für dieses wohlklingende, aber weitgehend folgenlose Papier hat die Ampel-Koalition also die Hälfte ihrer Legislaturperiode gebraucht?“ Die Strategie wird auch von der AOK oder dem WWF kritisiert, da keine Umsetzung zu erwarten ist bzw. nicht dargelegt wird, wie die Ideen konkret umgesetzt werden sollen. Auch wir teilen diese Kritik, sehen die Problemfelder aber noch weitreichender und schätzen es auch nicht als realistisch ein, dass tatsächliche Verbesserungen für uns alle dadurch erreicht werden. Die Ernährungsstrategie ändert nichts an den herrschenden Verhältnissen der Unterfinanzierung von Schulen. Sie soll zwar verbindlich sein, aber de Facto wird nicht ersichtlich, wie das durchgesetzt werden soll. Somit wird wohl kaum eine Schule oder ein Unternehmen diese doch eher als Vorschlag zu betrachtende Strategie umsetzen.

An Schulen ist das Essen häufig so schlecht, dass viele Schüler:innen auf ungesundes Fastfood oder das gute, alte Pausenbrot zurückgreifen. Oft können die Kosten für das Schulessen die Schülerschaft spalten, da Arbeiter:innenfamilien häufig nicht das Geld für die tägliche Versorgung mit einer warmen Mahlzeit in der Schule aufbringen können, aber in Vollzeit arbeiten müssen. Die Tendenz geht in Richtung immer längerem Unterricht, weil sich viele Eltern nicht mehr leisten können, nur halbtags arbeiten zu gehen, um beim Lernen zu helfen, und der Schulstoff, der zunehmend komplexer wird und in kürzerer Zeit durchgedrückt werden muss. Dennoch haben viele Schulen das Essen den jetzigen Verhältnissen nicht angepasst. So assoziieren viele Schüler:innen ihr Mensaessen mit ungesunden, sich häufig wiederholenden Speisen.

Auch Schulen unterliegen bei dem Thema der Logik des Marktes und müssen einen günstigen Anbieter für das Essen auswählen, was häufig der Auslöser für das schlecht schmeckende, teils ungesunde Essen ist. Als eine weitere Maßnahme, um die Kosten gering zu halten, haben einige Schulen sog. „Mensamütter“, also Arbeiter:innen (meistens Frauen), die in der Kantine arbeiten, aber nicht kochen. Damit wird die Rolle der Mutter in der bürgerlichen Familie auch noch außerhalb des Privaten institutionalisiert. Wenn diese Frauen Bezahlung erhalten, dann ist diese sehr gering, sodass sie abhängig von ihren Ehemännern bleiben. Allein schon durch den Namen wird den Frauen (Müttern) ihre Rolle in der Care-Arbeit zugeschrieben.

Kollektive Küchen rein in Schule, Uni und Fabrik

Grundsätzlich ist das Konzept Mensa eine sehr gute Idee, die Menschen mittags zu versorgen. Man kann zusammen mit den Freund:innen essen, es ist günstig und es muss nicht selbst gekocht werden. Wir als Marxist:innen befürworten diese Idee also und wollen einen Ausbau solcher Institutionen, da so vor allem Frauen entlastet werden, die häufig für das Kochen zuständig sind – es muss nicht mehr jeder sein eigenes Süppchen kochen und wird so entlastet. Auch fällt es leichter, sich vollwertig zu ernähren, da es häufig schwer ist, zwischen Job, Haushalt, Lernstress und dem, was sonst in der kapitalistischen Gesellschaft anfällt, Zeit für gesunde Ernährung zu finden und die hohen Lebensmittelpreise in Zeiten von Inflation diese ebenfalls erschweren.

In vielen der genannten Bereiche gibt es schon eine Kantine oder Mensa. Allerdings sollten diese nicht nur Mittagessen, sondern auch alle weiteren Mahlzeiten anbieten, so dass die Menschen aus ihrer häuslichen Sphäre herauskommen und mit ihren Freund:innen, Verwandten usw. in Kontakt treten können. Das dämmt die durch den Kapitalismus erzeugte, zunehmende Vereinsamung ein. Leute können beim Essen neue Kontakte knüpfen, was häufig in den eingefahrenen Konzepten in Schulen nicht möglich ist. Schüler:innen, die nicht ins Bild passen, müssen sich oft die Schmach geben, alleine zu essen. Dabei sollte auch das ja eigentlich nicht schlimm sein. Es gibt Menschen, die Ruhe beim Essen brauchen. Auch das sollte in die Konzepte der Kollektiven Kantinen mit eingebracht werden und es sollte Bereiche geben, in denen es ruhiger zugeht.

Kostenloses Schulessen – Wer soll das bitte bezahlen?

Die Ampelregierung hat aufgrund des Haushaltslochs immer weitere Sparmaßnahmen angekündigt. In Zeiten von allgegenwärtiger Armut sind die Folgen verheerend. Wir fordern, dass unser Essen in Schule und Betrieb künftig kostenlos ist. Auch die Mitarbeitenden in der Küche müssen fair bezahlt werden. Dabei kommt von Neoliberalen immer wieder die Frage nach der Finanzierbarkeit auf – natürlich nur wenn es um soziale Absicherungen oder Hilfen geht. Das Essen ließe sich durch stärkere Besteuerung der Reichen bezahlen. Diese reformistische Forderung lässt sich auch im bürgerlichen Staat umsetzen, wie bspw. Frankreich zeigt. Cateringservices, die Schulen, Kitas und Unternehmen beliefern, sollen enteignet und unter Arbeiter:innenhand gestellt werden, um sie so der Profitlogik zu entziehen. Keine Profite mit unserem Essen!

Die Strategie, die die Ampelregierung vorgestellt hat, wird wohl kaum umgesetzt werden, auch wenn es grundsätzlich gute Verbesserungen wären, die tatsächlich zu gesünderer Ernährung und mehr Nachhaltigkeit beitragen würden, wenn sie umgesetzt werden. Aus dem Strategiepapier geht allerdings nicht hervor, wie das bezahlt werden soll, was dann darin münden wird, dass sich keiner für die Finanzierung verantwortlich fühlen wird. Auch wirft die Strategie nicht die soziale Frage auf. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir fordert, dass gutes Essen nicht vom Geldbeutel abhängig sein darf. Das sagt er zwar, dennoch gibt das Papier keine Perspektive, wie das umgesetzt werden soll. Weil keine Taten folgen, scheinen es leere Worte zu sein. Dementsprechend ist nicht zu erkennen, wem dieses Strategiepapier überhaupt nützen soll. Das Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung kann sich jetzt zwar auf die Schulter klopfen, da sie das Papier vor dem Bundestag durchbekommen haben und dieser dafür abgestimmt hat, allerdings ist nicht absehbar, dass darauf auch Taten folgen und das Essen dann auch tatsächlich besser und nachhaltiger wird.

Für Schüler:innenkontrolle der Speisepläne!

Im Prozess, wie das Papier erstellt wurde, gab es ein Bürgerforum, bei dem einige Menschen ihre Ideen einbringen konnten. Mit sozialistischen Räten hat das natürlich nichts zu tun und soll es auch nicht. Die Bürger werden lediglich angehört, die Entscheidungsmacht liegt nicht bei ihnen. Dieser Umstand ist kritikwürdig. Auch gibt es an manchen Schulen einen „Essensausschuss“, der aus Schüler:innen besteht und von den Schüler:innen der Schule gewählt wird. Grundsätzlich klingt das erstmal positiv. Allerdings kann der Ausschuss nur Vorschläge einbringen und vertritt die Anliegen bezüglich des Essens der Schüler:innenschaft. Die hier eingebrachten Ideen sind nicht verbindlich und oft wird überhaupt nichts davon umgesetzt. Es scheint, als werde beispielsweise die Forderung nach mehr Auswahl von vegetarischem oder veganem Essen seit Jahren ignoriert. Der Staat wird uns auch in der Ernährungsfrage nicht helfen. Es gilt, Schüler:innenkomitees aufzubauen und so eine Opposition zur Schulleitung zu bilden, um auch die Forderungen, die das Essen betreffen, demokratisch durchzusetzen.

Deshalb fordern wir:

  • Our food, our choice! Für die demokratische Entscheidung über den Speiseplan
  • Kostenloses Schulessen, finanziert durch Besteuerung der Reichen
  • Die Vergesellschaftung der Hausarbeit! Gemeinschaftliches, gesundes und günstiges Essen für jeden aus kollektiven Großküchen in allen Stadtteilen, in Unis, Schulen und Betrieben!