Fluchtursache: Klimawandel

Von Emilia Sommer

Spätestens seit dem Beginn von
FridaysForFuture und einer dadurch ausgelösten riesigen
Umweltbewegung sind die Gefahren des Klimawandels in aller Munde.
Während der globale Westen mit Maßnahmen wie Mülltrennung,
Bioprodukten, Plastikvermeidung, der Umstellung des individuellen
Konsums und großen Greenwashing-Kampagnen reagiert, sind die Folgen
der massiven Umweltzerstörung durch Großkonzerne im globalen Süden
schon jetzt spürbar. Durch ausgetrocknete Felder,
(Trink)wasserknappheit und massive Umweltkatastrophen, welche ganze
Landstriche unbewohnbar machten, mussten 2020 schon 26 Millionen
Menschen aufgrund klimatischer Veränderungen flüchten. Bis 2050
sind 200 Millionen Geflüchtete des menschengemachten Klimawandels
prognostiziert. Doch was genau verbindet Flucht, Klima und Rassismus?

Der Kapitalismus ist der Ursprung
dieser Problematiken, denn ein kapitalistisches System handelt
prinzipiell im Interesse der Wirtschaft und des Profits, nicht im
Interesse der Natur oder gar des Menschen. Um den Kapitalismus zu
erhalten, müssen immer mehr Profite generiert werden, um Kapital zu
vermehren, zu investieren und im internationalen Konkurrenzkampf zu
bestehen. Dafür werden nicht nur Arbeiter_Innen, sondern auch die
Natur und deren Ressourcen massiv ausgebeutet. Spätestens seitdem
sich einige kapitalistische Staaten wie unter anderem Deutschland
oder die USA zu imperialistischen Systemen weiterentwickelt haben,
beuten sie nicht nur innerhalb ihrer territorialen Gebiete aus,
sondern weiten dies vor allem auf den globalen Süden aus. Zwar gilt
der Kolonialismus schon seit einiger Zeit offiziell als beendet und
Staaten, die in der Vergangenheit Kolonien waren, sind formal
unabhängig, doch auch heute noch sind sie vor allem wirtschaftlich
extrem abhängig von imperialistischen Staaten, weswegen wir diese
Halbkolonien nennen.

Viele Imperialist_Innen haben ihre
Warenproduktion in Halbkolonien ausgelagert. Dies führt zum einen
dazu, dass die natürlichen Ressourcen wie Wasser und andere
Naturalien ohne Blick auf mögliche Folgen ausgeschöpft werden,
während die dortige Bevölkerung keinerlei Nutzen davonträgt. Zum
anderen werden vor allem diese halbkolonialen Staaten daran
gehindert, eine eigene Produktion und damit einhergehend eine eigene
Wirtschaft zu stemmen, welche sie unabhängig von
„Entwicklungshilfen“ und Co handlungs- und bestandsfähig machen
würde. Ihnen fehlt es schon jetzt an finanziellen Mitteln, um sich
vor Naturkatastrophen zu schützen und die Folgen derer abzufangen.
Betrachtet man nun Konzerne wie Nestlé, welcher nur eines von vielen
Beispielen ist, der durch Privatisierung des Wassers in vielen
Ländern Afrikas zu massiver Trinkwasserknappheit geführt hat, so
wird schnell klar, dass die Ressourcen der Halbkolonien für die
Versorgung imperialistischer Länder drauf gehen, ohne dass diese
Staaten selbstständig in der Lage sind, ausreichend Lebensgrundlage
für die dort lebende Bevölkerung zu schaffen.

Imperialist_Innen ziehen Nutzen aus den
viel günstigeren Produktionsbedingungen, den nicht-vorhandenen oder
liberaleren Umweltschutzgesetzen und der prekären Situationen der
Menschen vor Ort. Diese sind meist auf extrem unterbezahlte Jobs in
miserablen Arbeitsbedingungen angewiesen, wodurch Kapitalist_Innen
günstiger produzieren können, somit günstiger verkaufen bei
weniger Ausgaben (Löhne der Arbeiter_Innen), mehr Gewinne generieren
und damit dem Konkurrenzkampf standhalten und diesen weiter anfeuern.
Nur 63 Unternehmen verursachen 50 Prozent der weltweiten Emissionen.
Wenige zerstören also mit der Ausbeutung von Mensch und Natur die
Lebensgrundlage vieler. Kleinbäuer_Innen können die
ausgetrockneten Felder nicht mehr ausreichend bestellen, das
Trinkwasser reicht nicht aus und Naturkatastrophen machen immer mehr
Gebiete unbewohnbar, sodass ihnen irgendwann nur noch die Flucht als
letzter Ausweg bleibt.

Nachdem die Imperialist_Innen also
zuerst die Lebensgrundlage vieler Menschen durch ihre rassistische
Ausbeutung zerstört haben, reagiert die EU mit einer immer stärkeren
Abschottungspolitik an ihren Außengrenzen und geht für ihren Profit
buchstäblich über Leichen. Bereits in den ersten vier Monaten
dieses Jahres sind schätzungsweise 600 Menschen im Mittelmeer durch
unterlassene Seenotrettung ertrunken. Der Klimawandel und die damit
verbundene Notwendigkeit der Flucht können nicht innerhalb des
kapitalistischen Systems beendet werden, denn der Kapitalismus fußt
auf dem Konzept des freien Marktes, der Profitmaximierung und dem
oben genannte Konkurrenzkampf. Ohne all dies könnte er sich nicht
erhalten. Er muss also überwunden werden, um die Klimakatastrophe
abzuwenden und Fluchtursachen effektiv zu bekämpfen. Deshalb ist es
wichtig, die globalen Kämpfe gegen Umweltzerstörung, Krieg,
Abschiebung, Rassismus und Kapitalismus zu verbinden, denn so
unterschiedlich sie auch scheinen, sie alle haben ihren Ursprung im
kapitalistischen System. Doch dieser wird sich nicht von allein
überwinden, es braucht eine starke antikapitalistische Bewegung der
Arbeiter_Innen und der Jugend mit folgenden Forderungen:

  • Staatliche Investition in
    umweltfreundliche Technologien, Recycling und CO2-Neutralität,
    kontrolliert durch Selbstorganisationen der Arbeiter_Innenklasse wie
    Räte oder Gewerkschaften! Die Ziele des Pariser Klimaabkommens sind
    nicht ausreichend, sollten aber mindestens eingehalten werden!

  • Bezahlung aller Kosten für diese
    Maßnahmen durch Besteuerung der Kapitalist_Innen und Reichen!
  • Internationale Organisierung des
    Widerstands gegen die Umwelt- und Geflüchtetenpolitik der
    kapitalistischen Regierungen!
  • Fluchtursachen bekämpfen! Schluss
    mit der Ausbeutung von Halbkolonien! Imperialistische Staaten sollen
    für die Schäden bezahlen, die sie verursachen!
  • Offene Grenzen,
    Staatsbürger_Innenrechte für alle und sichere Fluchtrouten
    überall. Flucht ist kein Verbrechen!



Lokführer_Innenstreik: Wer ist schuld, wenn meine Bahn nicht kommt?!

Von Lars Keller

Gründe, warum wir auf
dem Bahnsteig stehen und vergeblich auf unseren Regio oder die S-Bahn
warten, gibt‘s ja viele. Mal sind es die ominösen Verzögerungen
im Betriebsablauf, mal ist der Zug kaputt, dann eine Weiche oder es
fehlt einfach an Personal, also an Lokführer_Innen. Das ist alles
nichts Neues, bei einer Bahn, die als Erstes Gewinn machen soll und
erst als Zweites gut funktionieren soll. Personal ausbilden, Signale
schnell entstören, Züge rechtzeitig reparieren, das alles kostet
und bringt keinen Gewinn. Also schauen wir auf die Anzeigetafel und
ärgern uns: „Heute ca. 15 Minuten später.“ oder gleich „Zug
fällt aus.“. Übrigens gilt für die Deutsche Bahn ein
ausgefallener Zug nicht als verspätet…so kann man sich die eigene
Zuverlässigkeit natürlich auch schön rechnen.

Demnächst kann es
allerdings sein, dass wir auf dem Bahnsteig stehen, der Zug nicht
kommt und der Blick auf die Anzeigetafel uns verrät:
„+++GDL-Streik+++Zug fällt aus+++“. Vielleicht ist dir genau das
auch schon passiert, entweder, weil du beim letzten großen
Lokführer_Innenstreik 2015 auch schon betroffen warst oder weil neue
Streiks stattgefunden haben, seitdem wir die Zeitung gedruckt haben.
Das ärgert dich vielleicht, und du fragst dich:

Warum streiken die denn? Und das auch noch ausgerechnet jetzt!

Die Gewerkschaft
Deutscher Lokomotivführer (GDL) verhandelt mit der Deutschen Bahn
(DB) derzeit um einen neuen Tarifvertrag, also darüber, wie viel
Lokführer_Innen und andere Arbeiter_Innen bei der Bahn demnächst
verdienen sollen, wie viel sie arbeiten müssen und noch vieles mehr.
Bisher wird darüber nur im Hinterzimmer zwischen GDL und DB
verhandelt (öffentlich wäre natürlich besser), aber wenn sich aus
den Bossen der Bahn kein gutes Angebot heraushandeln lässt, kann die
GDL versuchen, durch Streiks mehr Druck zu machen.

Die Forderungen der GDL
solltest du auf jeden Fall unterstützen. Warum? Es geht z.B. um 4,8
% mehr Lohn, was dringend nötig ist, wenn wir uns anschauen, wie
Mieten explodieren oder Lebensmittelpreise steigen. Außerdem soll‘s
eine Coronaprämie von 1300 Euro geben für die, die während der
Krise den Schienenverkehr aufrecht gehalten haben, damit Menschen
ohne Auto auch weiterhin zur Arbeit kommen konnten.

Die Deutsche Bahn wirft
der GDL vor, dass sie mit ihren Forderungen die Verkehrswende
aufhalte. Aber das Gegenteil ist der Fall! Wer einen guten
Schienenverkehr will, braucht auch gut bezahlte Zugbegleiter_Innen
und Lokführer_Innen! Nicht die Lokführer_Innen sind es, die die
Verkehrswende ausbremsen, sondern die Deutsche Bahn AG und der
deutsche Staat sind es. Beweis? In den letzten 25 Jahren wurden in
Deutschland 6000 km Gleise abgebaut und ungefähr genauso viele
Bundesstraßen und Autobahnen gebaut, außerdem wurden Tausende Jobs
gestrichen und die Arbeitsbedingungen der Lokführer_Innen wurden um
einiges schlechter.

Klingt ja, als würden
die alles richtig machen?!

Naja, nein. Die
Forderungen der GDL sind schon richtig, aber das heißt nicht, dass
sie alles richtig machen. Beispielsweise tat die GDL bei vergangenen
Streiks wenig dafür, die Fahrgäste miteinzubeziehen und das, obwohl
es von allen Seiten die widerlichste Hetze hagelte, vor allem aus
jenen dreckigen Fingern der BILD-Zeitungsredaktion. Das wird sicher
wieder passieren.

Die GDL könnte auf die
Fahrgäste zugehen, indem in einer ersten Stufe des Streiks
Lokführer_Innen die Züge zwar weiterfahren, aber angekündigt keine
Ticketkontrollen mehr durchführen (ein indirekter Aufruf zum
kostenlosen ICE fahren). Oder dass der Fokus des Streiks auf den
Güterverkehr gesetzt wird, was bei den deutschen Autoindustrien und
anderen Großindustrien schnell zu derart großen wirtschaftlichen
Problemen führen würde, dass ein großer Druck auf die
Bundesregierung und den Staat als Eigentümer der Deutschen Bahn
daraus hervorgehen würde. Am Ende ist aber natürlich auch ein
Streik im Personenverkehr legitim, gepaart mit einer Kampagne unter
den Fahrgästen. Unserer Ansicht nach sollten die Kolleg_Innen das
selbst durch Streikkomitees demokratisch entscheiden und
kontrollieren, wie sie was bestreiken und es nicht einfach dem
Gewerkschaftsvorstand überlassen.

Denn letztlich verdient
die GDL auch dafür Kritik, dass sie den Vorstoß der Grünen
(richtig, die Partei, die Wälder für Autobahnen fällen lässt)
unterstützt, die Deutsche Bahn zu zerschlagen, also für mehr
Konkurrenz („Wettbewerb“) auf der Schiene zu sorgen.
Erfahrungsgemäß führt das zu einer noch beschisseneren
Betriebsqualität, also mehr „15 Minuten später“ oder „Zug
fällt aus“ oder generell Fahrpläne die gar nicht zusammenpassen.
Der Grund ist einfach der, dass mehr Wettbewerb auch mehr Kosten
einsparen bedeutet, womit wir wieder bei nicht reparierten Zügen und
unterbezahltem Personal wären…

Demgegenüber sollten wir
und alle, die es ernst meinen mit der Verkehrswende und dem
Klimaschutz, dafür eintreten, dass der gesamte Transportsektor
entschädigungslos enteignet und verstaatlicht wird und von
Arbeiter_Innen, Pendler_Innen usw. demokratisch kontrolliert wird.
Denn die Eisenbahn soll keinen Gewinn machen, sondern uns nachhaltig
und sicher von Hier nach Dort bringen!




Luisa Neubauer, Carola Rackete und das Recht der Kapitalist_Innen

„Wer hat die Macht, Verträge zu brechen?“ – diese Frage stellen Luisa Neubauer und Carola Rackete im Spiegel und beantworten sie auf ihre Weise. Die „Gruppe ArbeiterInnenmacht “ hat ein Kommentar dazu geschrieben, das wir cool finden und an dieser Stelle hier mit euch teilen wollen.

Marx
schreibt im Kapital zum Kampf um die Länge des Arbeitstages: „Zwischen gleichen
Rechten entscheidet die Gewalt“. Sichtbar wurde diese Wahrheit neuerdings im
Dannenröder Wald. Den Besetzer_Innen wurde in Verkennung, ja Umkehrung der
Realität weithin Gewalt (laut Duden die „Macht, Befugnis, das Recht und die
Mittel, über jemanden, etwas zu bestimmen, zu herrschen“) vorgeworfen. In
Wirklichkeit fand diese aber leider von Seiten des bürgerlichen Staates in
Wahrnehmung der Interessen des rechtsausübenden Bauunternehmens statt. Luisa
und Carola stellen fest, dass hier das Pariser Klimaabkommen gegen das Baurecht
von STRABAG steht.

STRABAG
beansprucht, den Bau der A49 durchzuführen, wozu die Firma nicht nur
berechtigt, sondern auch beauftragt ist. STRABAG beruft sich also darauf, ihr
Recht mithilfe der Staatsgewalt durchzusetzen.

Systemfrage?

Die 196
Unterzeichnerstaaten (alle außer dem Vatikanstaat und den USA) bekennen
dagegen, die Erderwärmung auf 1,5 °C begrenzen zu wollen, zumindest aber
auf 2 °C. 196 Staaten haben zwar auch Recht, aber niemand kann dieses so
recht durchsetzen. Aus Recht haben folgt nicht Recht bekommen. Mit diesem
Verweis versetzen die Autorinnen jenen einen verdienten Schlag in die rechte
Magengrube, die das Recht für sich allein beanspruchen. Aber sie beschränken
sich natürlich nicht auf die richtige, wenn auch wenig originelle Erkenntnis,
dass sich hinter dem Recht Beanspruchen immer auch gesellschaftliche Interessen
verbergen. Luisa und Carola versuchen den Brückenschlag zur „Systemfrage“,
womit aber nur die Frage des Rechtssystems gemeint ist:

„Menschen
haben ein juristisches System geschaffen, das uns geradewegs in eine Heißzeit
hinein legalisiert. Nicht zu vergessen, dass diese Gesetze auf einem Planeten
geschrieben wurden, der ökologisch schon nicht mehr vergleichbar ist mit dem,
auf dem wir heute leben.“

Doch worin
besteht eigentlich die Systemfrage für Luisa und Carola:

„Was wir
aber mit Systemwandel meinen, ist erst mal nichts anderes als die banale,
rationale, ja bescheidene Feststellung: So geht es nicht weiter. Wir stehen vor
einem Komplex an Krisen, nicht zuletzt auch an Krisen von Gerechtigkeit und
Mitspracherecht.“

Die
Systemfrage werde durch die Natur selbst gestellt. Die von Menschen geschaffenen
Systeme haben uns – sozusagen unverschuldet – in eine Lage gebracht, in der
Mensch und Natur sich feindlich gegenüberstehen. Nichtstun sei tödlich,
Baumbesetzung insofern legitim. Luisa und Carola erklären die BesetzerInnen zu
bloßen Vollstrecker_Innen der „Radikalität der Wirklichkeit“ – respektable und
moralisch korrekte Kinder ihrer Zeit, ÜberbringerInnen unwillkommener
Wahrheiten, nicht aber Subjekte, die bewusst für politische Veränderungen
kämpfen und sich hierfür auch bewusst für ein Programm, für Ziele und Taktiken
entscheiden müssen.

Die
Interpretation, dass es sich bei den Besetzer_Innen um aufrechte Naivlinge
handelt, die aber zu weit gingen und/oder dass die Grünen ihren politischen
Offenbarungseid leisten würden, dass sie den Status quo bewahren und nicht
infrage stellen, bringen sie zwar ins Spiel. Ihr Bild, das die Grünen als Kraft
präsentiert, die „ein Gleichgewicht zwischen politischem Kompromiss und
physikalischen Tatsachen“ anstreben würden, bleibt letztlich Randnotiz im
Beitrag. Auch, was das politische Ziel der Waldbesetzung ist oder sein soll –
diese Frage wird von den Autorinnen nicht aufgeworfen.

Auch wenn
Luisa und Carola immer wieder auf die „Systemkrise“ verweisen, so bleibt doch
unbestimmt und unklar, was eigentlich unter dem System zu verstehen ist.

Dabei
betrachtet ein großer Teil der BesetzerInnen den Kampf im Danni tatsächlich als
Kristallisationspunkt der Systemfrage – der Infragestellung der
Verfügungsgewalt von klimaschädlichen Unternehmen über ihr Eigentum, wozu die
Produktionsstätten schicker Verbrenner- oder Elektroautos ebenso gehören wie
der Wald, unter dem Kohle lagert oder an dessen Stelle in Zukunft LKWs fahren
sollen.

Luisa und
Carola solidarisieren sich mit diesen Aktionen, in denen sie die Verteidigung
einer zukünftigen, rationalen Lösung gegen die herrschende Unvernunft und
Irrationalität erblicken.

„Während das
Irrationale regiert, werden so diejenigen, die heute im Wald sind und das Ende
der ökologischen Zerstörung einfordern, zu den Vernünftigsten von allen. Sie
haben nicht nur begriffen, dass es so nicht weitergehen kann, sie haben auch
begriffen, dass es so lange so weitergeht, solange sie keinen Widerstand
leisten. Solange niemand interveniert und die Systeme zum Anhalten bringt, so
lange wird die Zerstörung weitergehen.“

Diese
empathische Solidarisierung kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass
unklar bleibt, worin eigentlich die systemische Ursache besteht, dass wir in
einer Gesellschaft leben, in der (rechtliche) Systeme, die „wir“ geschaffen
haben, „gegen uns arbeiten.“

Das K-Wort,
der Bezug auf die kapitalistische Produktionsweise und ihre inneren
Gesetzmäßigkeiten will Luisa und Carola nicht über die Lippen kommen. Der
Kapitalismus findet im Spiegel-Artikel keine Erwähnung. Somit müssen aber auch
der Charakter des Systems und die eigentlichen Ursachen der Krise im Dunklen
bleiben – und das gesellschaftliche Problem erscheint als Gerechtigkeitsfrage,
genauer als Rechtsfrage.

Zu fordern,
dass in Zukunft das Pariser Abkommen in der Rechtsprechung über Bauprojekte zu
berücksichtigen ist, ist nur insofern eine Systemfrage, als dass sie letztlich
im System verhaftet bleibt. Nicht der Zweck der derzeitigen kapitalistischen
Produktions- und Eigentumsverhältnisse (die Anhäufung privaten Reichtums)
geraten bei Luisa und Carola in Konflikt mit den natürlichen Lebensgrundlagen
der Menschheit, sondern der Überbau der kapitalistischen Gesellschaft (konkret
das Rechtssystem) stehe in einem Widerspruch zu einem angeblich
gesamtgesellschaftlichen Ziel, Wohlstand und Wohlergehen nachhaltig zu fördern.
Der Überbau müsse angepasst werden, damit das System wieder funktioniere.

Dabei wäre
gerade Aufklärung über die Beziehung zwischen ökonomischer Basis und
politischem und rechtlichem Überbau der Gesellschaft nötig, um zu verstehen,
welches System, welches Klasseninteresse hinter dem „Irrationalismus“ der
bestehenden Rechtsordnung steckt. Wie derselbe Marx schrieb: „Das Recht kann
nie höher stehen als die ökonomische Gestaltung der Gesellschaft selbst.“

Radikaler Flügel

Die Besetzer_Innenbewegung
im Danni ist ein Sammelpunkt für AktivistInnen, die Klimakämpfe mit radikaleren
Mitteln und einem grundlegenderen Anspruch führen wollen, die wenig Hoffnungen
in einen Green New Deal hegen, die diesen Kampf als Teil eines „großen Ganzen“
sehen, gegen Kapitalismus, Sexismus, Rassismus, gegen globale Ungleichheit und
mehr. Diese Strömung innerhalb der Klimabewegung ist in den vergangenen zwei
Jahren gewachsen.

Aber sie
kann die Hegemonie des rechteren, bürgerlichen, grünlastigen Flügels, für den
auf jeden Fall auch Luisa Neubauer steht, insbesondere bei Fridays for Future
nicht herausfordern, solange sie nicht auch eine bewusste politische
Auseinandersetzung um Methoden und politische Ziele der Bewegung gegen den
bürgerlichen Flügel führt. Dazu braucht der radikalere Flügel freilich auch
eine marxistische Kritik am Kapitalismus und nicht bloß radikalere,
kleinbürgerliche „Visionen“ einer anderen Gesellschaft, die letztlich von der
Systemkritik einer Luisa und Carola nicht so weit entfernt sind.

Utopien
können charmant und motivierend sein, aber am Ende haben uns die Bullen wieder
aus den Träumen gerissen. Wir brauchen jetzt einen Plan, wie es für die
Bewegung weiter geht. Wir müssen uns bewusst werden, worum es in den kommenden
Kämpfen gehen wird, für welche Ziele wir dort kämpfen werden, mit welchen
Methoden und mit welchen Bündnispartner_Innen. Wo geht es Richtung „System
Change“? Was sind die nächsten Schritte? Die Bewegung braucht ein politisches
Programm, das erklärt, wie denn tatsächlich diese eine Demo, dieser eine
Klimastreik oder diese Baumbesetzung ein Schritt zum „System Change“ werden
kann – nicht nur in der Vorstellung der jetzt beteiligten Aktivist_Innen,
sondern auch in den Kämpfen aller anderen, die von der Krisenhaftigkeit des
Systems auf andere Weise betroffen sind. Sonst wird „System Change“ eine
geschmeidige Phrase ohne Inhalt, hinter der sich auch diejenigen verstecken
können, die wenig Systemsprengendes im Sinn haben.

Programm und Klassenfrage

Der
bürgerliche Flügel hat ein Programm – und es beruht auf der Vorstellung, dass
bei allen gesellschaftlichen Klassen in Bezug auf die Klimafrage eine
grundsätzliche Interessengleichheit besteht oder zumindest möglich wäre. Diese
Vorstellung versteckt sich hinter der Floskel, dass die konkrete Umsetzung der
Klima-Kehrtwende nur eine „politische Gestaltungsfrage“ sei, dass es darauf
ankommt, die wissenschaftliche Realität anzuerkennen, dass es jetzt „Leaders“
braucht, die Ernst machen und mutig vorangehen. Solange nicht gesagt wird, welche
„Leaders“ das sein sollen, wie der gesellschaftliche Charakter der notwendigen,
fundamentalen Transformation von klimaschädlichen Produktions- und
Transporttechnologien beschaffen sein soll, kann das nur ein Appell an die
bestehenden „Leaders“ sein, an bürgerliche Parteien und Regierungen.

Die Aufgabe
der Klimabewegung reduziert sich darauf, ein neues „Narrativ“, einen
„gesellschaftlichen Konsens“ zu etablieren, der anerkennt, dass die Zerstörung
unserer Lebensgrundlagen nicht nur unsere Zukunft im Allgemeinen aufs Spiel
setzt, dass sie sozial und auch global höchst ungerecht ist, sondern dass sie
im Speziellen auch die Voraussetzungen für die Kapitalverwertung untergräbt,
also „gesamtgesellschaftlich“ irrational ist. Diese Strategie ist utopisch, weil
sie unterstellt, dass Politik unter kapitalistischen Verhältnissen auch anders,
nämlich „gesamtgesellschaftlich rational“ sein könne. Doch wie rational ist ein
System, wo etwa das Überleben von Millionen von einem Impfstoff abhängt, und
dann wird ein „Wettrennen“ um den Impfstoff ausgerufen, d. h. die
(kollektive) Überlebensfrage muss sich einem gesellschaftlichen Verhältnis
unterordnen, der kapitalistischen Konkurrenz? Wie rational ist es, dass das
pharmazeutische Know-how unter Verschluss bleibt und die Länder des „globalen
Südens“ absehbar nur einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung werden impfen
können?

Wir wählen
dieses Beispiel, weil die Pandemie-Politik in Teilen der Klimabewegung als
erfolgreiche Krisenbewältigung gefeiert wird. Wie erfolgreich diese ist, hängt
eben immer noch davon ab, welche Kriterien man gelten lässt, also von einem
gesellschaftlichen Standpunkt. Ebenso die Klimafrage: Sie ist zweifellos eine
„Menschheitsfrage“, aber das heißt nicht, dass alle Menschen gleichermaßen und
unabhängig von ihrem Klassenstandpunkt dazu berufen sind, dafür eine Lösung zu
finden. Es kann keinen echten Klimaschutz geben, der die Profitinteressen der
großen Profiteur_Innen im Energie- und Transportsektor unangetastet lässt. Das
möglichst rasche Erreichen der Klimaneutralität ist nur mit einem massiven
Angriff auf das Eigentumsrecht, d. h. deren Privateigentum, realisierbar,
durch zwangsweise Abschaltung von Verbrennungskraftwerken, erzwungenen Bau
klimafreundlicher Alternativen und Umstellung der industriellen Produktion weg
vom Individualverkehr auf kollektive Reorganisation des Güter- und
Personenverkehrs hin.

Wenn man
sagt, „es gibt keinen grünen Kapitalismus“, dann ist das nicht einfach ein
abstraktes Bekenntnis, sondern es bedeutet auch: unter kapitalistischen
Bedingungen – unter denen wir aktuell kämpfen – gibt es keinen wirklichen
Klimaschutz, der nicht in Konflikt mit Kapitalinteressen gerät. Er kann dem
Kapital abgerungen werden, aber Errungenschaften stehen zur Disposition, wenn
sich das Kräfteverhältnis der Klassen ändert. Die Klimafrage ist eine
Klassenfrage, nicht eine von Moral oder Einsicht. Deshalb ist sie eine
Systemfrage.

Die Systemfrage nicht nur „stellen“, sondern auch
beantworten

Konkret
bedeutet das: Wie können wir die Klimafrage verbinden mit sozialen Kämpfen von
Belegschaften, die ebenfalls, aber anders, von kapitalistischer Krise betroffen
sind, denen die „Klimakrise“ sogar als Rechtfertigung für Angriffe auf ihre
eigenen Rechte präsentiert wird? Wie können wir sie verknüpfen mit sozialen und
demokratischen Bewegungen im „globalen Süden“, wo politische und ökonomische
und zunehmend eben auch klimatische Verhältnisse von den Interessen der
Kapitale in den imperialistischen Zentren bestimmt werden? Und wie können wir
auch politischen Druck entfalten, Wahlkämpfe als politisches Podium nutzen?

Luisa (und
andere) rufen gerne dazu auf, „die Richtigen“ zu wählen, und es muss gar nicht
extra gesagt werden, wer diese sind. Dieses verlegene Ausweichen vor der
politischen Debatte (unter dem Deckmantel der „Überparteilichkeit“) verhindert
aber, dass wir als Bewegung konkrete Kampfziele entwickeln, aus denen sich
Taktiken, Bündnisse und Aktionsformen ableiten lassen würden, die die Ebene des
bloß symbolischen Protests verlassen.

Konkret
müssen wir unter den Belegschaften, die beim Bau der Straße oder beim Betrieb
der Kraftwerke und Kohlegruben auch noch von Unternehmensführungen (und oft
auch reformistischen Gewerkschaftsführer_Innen) als politisches Schild gegen
die Klimabewegung ins Feld geführt werden, für unsere Ziele werben. Wir müssen
die Gewerkschaften auffordern, den Protest zu unterstützen und zu verbinden mit
dem Kampf gegen jede Entlassung – bei RWE, Daimler und anderen Klimazerstörungsprofiteur_Innen.
Wir müssen die Bahnbeschäftigten gewinnen, sich unserem Kampf anzuschließen,
und zugleich für den massiven Ausbau der Infrastruktur, Einstellung von
Personal zu Tariflöhnen und die Verstaatlichung des gesamten Transportsektors
eintreten. Wir müssen unsere Ziele so konkret wie möglich formulieren, um
greifbar zu machen, wo das Problem mit diesem „System“ liegt und wie wir es
ändern können.

Also: Als
Linke in der Klimabewegung müssen wir die Losung „System Change“ mit
politischem Inhalt füllen. Ansonsten wird die „Systemfrage“ wenig mehr sein als
die nur scheinbar radikale Begleitmusik zur bürgerlichen Politik einer Luisa
Neubauer.




Ein paar Gedanken zum „Danni“ – ein Bericht

Zuerst veröffentlicht unter: https://arbeiterinnenmacht.de/2020/12/09/ein-paar-gedanken-zum-danni-ein-bericht/

Lars Keller

Vorbemerkung: Am 08. Dezember fielen mit dem Barrio „Oben“ die
letzten Baumhäuser im „Danni“. Ende November war ich für einige Tage
dort gewesen, als noch 4 – 5 Barrios der Rodung standhielten. Dieser
Bericht erinnert an diese Zeit.

Woodcracker (Fällgreifer, teils mit Greifersäge) schneiden Bäume, als wären es Grashalme, werfen sie gleich einem Mikadospiel zu Boden. Die Kettensägen der Harvester (Holzvollernter) kreischen. Nach 20 Sekunden ist eine eben noch stattliche Tanne entastet, geschält und zerteilt. Hunderte Cops stehen hinter Bauzäunen und NATO-Draht. Sie gewähren den schweren Forstmaschinen Geleit, haben selbst mächtige Wasserwerfer, Räumpanzer und Teleskopbühnen mitgebracht. Keine 10 Meter von fallenden Fichten entfernt, in 20 Metern Höhe, klammern sich die letzten Baumhäuser und mit ihnen einige Aktivist_Innen des Barrios „Morgen“ an Buchen und Eichen fest, die vermutlich älter sind als alle Menschen, die an ihren Wurzeln stehen.

Der Mensch, der in meiner Hörweite die Parents for Future durch den Wald führt, erklärt: „Laut Gesetz muss bei Baumfällungen die doppelte Baumlänge als Sicherheitsabstand eingehalten werden.“ Es ist offensichtlich, dass Bullen und Baumfäller_Innen darauf scheißen. Ein_E Aktivist_In wird über mir ins Baumhaus geholt Sie hatte sich außerhalb des Fensters über dem Abgrund festgeklammert, dem SEK den Einsatz schwerer machen wollen. Immerhin: Hier, wo die „Zivilgesellschaft“ sie beobachtet, benehmen sich die Cops einigermaßen. Ich denke an die Geschichten von brutal Weggeschleppten, von getretenen Aktivist_Innen, von im Baumhaus Zusammengeschlagenen und an voreilig oder vorsätzlich zerschnittene Seile, an denen Menschenleben hingen.

Inhalt im Wald

Vom „Morgen“ aus laufe ich tiefer in den Dannenröder Wald, kraxle durch eine in junge Buchen geschlagene Lichtung, bin bald in „Oben“ angekommen. Hier hatte vor 15 Monaten die Besetzung begonnen, hier wird sie enden. Auf der Suche nach den Inhalten einer heterogenen, anarchistisch dominierten Bewegung stolpere ich durch die Barrios, lese die aufgehängten Transparente. „Carpitalismus“ lese ich irgendwo, mit Anarchie-A – eine Anspielung auf die Macht der kapitalistischen Autoindustrie. Ansonsten finde ich vieles gegen Cops, Kapitalismus, Autobahn und Nazis; Flüche gegen die Grünen, ihren hessischen Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, Al-Wazir, und Bundesverkehrsminister Scheuer gibt‘s auch. Feminismus, das Leben einer Utopie, die Schönheit des Waldes werden gepriesen.

In „Unterwex“ entdecke ich die auf Stoff gebannte Solidarität mit der kurdischen Bewegung. Sehr selten ist die konkretisierte Form einer Verkehrswende auf den Stofffetzen in den Bäumen zu lesen, lediglich zweimal so was wie „Nahverkehr zum Nulltarif.“ Die Ideen von Enteignung der Verkehrsindustrie, Arbeiter_Innenkontrolle oder demokratisch geplantem Verkehr existieren allenfalls als schwacher, kaum sichtbarer Schimmer in dieser kleiner werdenden Parallelwelt, die sich befreit gibt und an deren Unfreiheit sie der behelmte, knüppelnde bürgerliche Staat doch täglich erinnert.

Dann habe ich den Wald durchquert. 300 m waren es vielleicht noch,
die die beiden sich aufeinander zu bewegenden Schneisen voneinander
trennen. Ein paar Cops stehen wie verloren in der überwältigend breiten
Rodungsstrecke. Hier wird heute nicht geräumt. Ich denke an die gestrige
Kundgebung, vor allem zwei sinngemäße Aussagen des Redners der
Deutschen Umwelthilfe wechseln sich mit meinen Gedanken ab:

  • „Autobahnen sind nicht mehr zeitgemäß“. Waren sie es denn mal?
    Oder gibt es sie viel eher, weil der Individual- und Schwerlastverkehr
    dem deutschen Kapital mehr Profite brachte und bringt, als es ein
    öffentlich organisierter Verkehr je könnte?

Ich denke über diesen Begriff nach: „Zeitgemäß“. Von Fridays for Future bis hierher – das Wort ist populär, obwohl es doch so inhaltsleer ist.

Autobahnen sind gesamtgesellschaftlich irrational. Es bräuchte sie nicht, gäbe es den gut ausgebauten, flächendeckenden Schienenverkehr, gäbe es die nach Bedürfnissen ausgerichtete Produktionsweise und nicht jene nach Profiten zwanghaft lechzende.

Zu sagen, Autobahnen seien „nicht mehr zeitgemäß“, suggeriert doch, dass sie irgendwann mal rational und richtig waren. Damals wie heute machen sie aber nur für den fortwährend beschleunigenden Kapitalismus Sinn, nicht aber für die Menschheit als Ganze.

  • „Die Grünen an der Landesregierung haben uns enttäuscht!“ Tjoa. Enttäuscht ist ja nur, wer anderes erwartet hatte.

Durch meine Fantasie läuft der Paradezug der grünen Partei auf einer frisch asphaltierten Autobahn, angeführt von Habeck und Al-Wazir in einem übergewichtigen E-Auto, angetrieben von Illusionen und falschen Hoffnungen tausender Wähler_Innen auf eine konsequente Klimapolitik. Der folgende Aufzug präsentiert protzig Bilder: Kosovo, Afghanistan, Agenda 2010, Stuttgart 21, Hambi holzen. Am Schluss des Zuges folgt eine nie endende Schlange Ruß kotzender Lkws, mit dem Holz des Danni beladen. Reste von Baumhäusern hängen an den Stämmen.

Die Grünen sind eine bürgerliche Partei. Schon längst haben sie die Bewegung hinter sich gelassen, auf deren Rücken sie emporstiegen. Sie machen Politik von und fürs Bürger_Innentum. Nicht für den Danni. Nicht für‘s Klima. Nein. Sie hoffen auf eine Koalition mit der CDU im Bundestag. Sie machen Politik zuallererst für die bürgerliche Klasse, heißt für deren Eigentum, heißt für deren geheiligte Autoindustrie und streichen sie blassgrün an. All dies heißt: Die A49 wird gebaut (und im Gekreisch der Kettensägen hört man leis‘: „Aber wir, die Grünen, haben das nie gewollt … wir können bloß nicht anders.“

Zurück im Wald. Eine Rodungskante wie ein Abgrund. Mittlerweile liegt Schnee. Es ist der nächste Tag. Auf Plattformen, Konstruktionen und Baumhäusern harren Aktivist_Innen der Kälte. Die Gesichter sind bemalt, Hände zerschnitten, mit Sekundenkleber und Glitzerkonfetti unkenntlich gemacht. Für manche hat es auch was von Abenteuer: Das SEK holt dich vom Baum. Benimmst du dich, benimmt es sich hoffentlich auch. Die Bereitschaftscops bringen dich aus dem Wald, durchsuchen dich. Platzverweis, Verstoß gegen das Waldschutzgesetz (welch Ironie). Identität? Verweigert. Sind genug Aktivist_Innen beisammen, fährt ein Bus in die Gefangenensammelstelle (Gesa). Frankfurt. Kassel. Oder woandershin. Kripos durchsuchen dich, versuchen, irgendwas zu deiner Identität rauszukriegen. Fotos. Missglückte Fingerabdrücke … das Glitzerzeug dürfen sie nicht abschrubben. Nach wenigen Stunden: Freilassung. Dann zurück in den Wald. Aber nicht vergessen: Die Ordnungsmacht kann auch anders.

Für die einen hat es was von einem Spiel, für andere bedeutet die Räumung den Verlust von ein bisschen Zuhause. Die Besetzung ist vieles: Eine scheinbar gelebte anarchistische Utopie, die völlig abhängig ist von der kapitalistischen Außenwelt und der – im Verhältnis zur Masse der Lohnabhängigen – auch relativ privilegierten Stellung eines Teils der Aktivist_Innen. Enthusiastisch sprechen sie, da ist der Danni noch nicht mal gefallen, von Besetzungen in anderen bedrohten Wäldern.

Auch ist das Ganze ein kreativer Protest, der mit bewundernswertem
Durchhaltevermögen und Geschick versucht, die Übermacht des Staates zu
stoppen. Und klar, über allem schwebt der gegen die bestehende
Verkehrspolitik. Aber welche konkrete bräuchte es stattdessen? Und wer
soll sie liefern? Diese Antwort scheint großteils anderen überlassen.
Ich komme noch darauf zurück.

Und jetzt?

Ich konnte nur ein paar Tage im Wald bleiben. Viele andere waren eine
gefühlte Ewigkeit auf den Bäumen oder im Camp am Dorfrand Dannenrods.
Seit 40 Jahren kämpft ein Teil der Menschen hier gegen die A49. Ohne
deren aufrichtige Unterstützung wäre die Protestform der dauerhaften
Besetzung unmöglich – vor beiden Lagern habe ich allein schon fürs
Durchhalten großen Respekt. Ihre drohende Niederlage tut mir leid.

Verkürzt wäre es zudem, die Bewegung auf die Bürger_Inneninitiativen und die Besetzung zu reduzieren. Kinderdemos, Fridays for Future, Ende Gelände, Demos in Berlin, Frankfurt und anderswo sowie Soli-Baumhäuser und (wenig sinnhafte) individualistische Autobahnblockaden in der ganzen Republik rahmen die Proteste gegen Autobahnbau und Verkehrspolitik ein.

Trotzdem fielen tausende Bäume für eine Autobahn. Ist denn ein Sieg
unmöglich? Ich glaube nicht. Vielmehr fehlt der Bewegung Entscheidendes,
etwas, das nicht durch Kreativität und Durchhalten ersetzt werden kann.
Es braucht eine konkrete Perspektive, anstatt auf Instagram zu jammern,
dass der Wald so schön sei und nun kaputt gemacht wird.

Was heißt das?

Einerseits die Bewegung lokal vertiefend zu verankern, nicht nur in Form von Bürger_Inneninitiativen, sondern auch in Betrieben wie Ferrero Stadtallendorf oder MHI-Steine Nieder-Ofleiden (Stadtteil von Homberg im mittelhessischen Vogelsbergkreis), wo der Schotter für die A49 herkommt. Die hier Arbeitenden könnten bspw. für „Gleise statt Autobahn“ gewonnen werden, ebenso wie jene von STRABAG. Ein politischer Streik mit Besetzung der Baustelle durch diese Belegschaften wäre vielfach effektiver als Sitzblockaden vor den Werkstoren.

Andererseits muss die bundesweite Umweltbewegung ebenso auf die Arbeiter_Innenklasse zugehen. Tausende Jobstreichungen, Gehaltsverluste und Abwälzen der Krisenkosten auf die Beschäftigten stehen hier an. Warum das nicht nutzen und aus der Umweltbewegung den Startpunkt einer Antikrisenbewegung machen?

Warum nicht sagen: „Die Reichen, die Konzerne und Industrien sollen für die Krise zahlen!“? Keine Entlassung wegen Wirtschaftskrise oder Verkehrswende! Stattdessen: Massive Besteuerung der Gewinne von klimaschädlichen Produktionen, kostenloser Nah- und Berufsverkehr für alle, Umstellung der Produktion auf medizinische Ausrüstung und klimaneutrale Verkehrskonzepte, demokratisch kontrolliert durch die Arbeiter_Innenklasse selbst! Für politische Massenstreiks bis hin zum Generalstreik, um dies durchzusetzen!

Natürlich wäre die Entwicklung einer solchen Perspektive etwas in der
Bewegung heiß Diskutiertes. Gut so! Nicht zu diskutieren, heißt, die
Verkehrspolitik in den Händen von Regierung und Staat zu belassen.

Mich des Erlebten im Danni erinnernd, blicke ich auf dem Heimweg aus dem Fenster der Regionalbahn. Anstatt an die Utopie einer in Bäume gezimmerten Parallelwelt zu glauben, tagträume ich von flächendeckendem kostenlosem Nahverkehr und gut ausgebauten Schienennetzen: Stadtallendorfer Pralinen werden wesentlich mit Güterzügen transportiert, Verkehrswege und Wohnraum werden reorganisiert, entflochten.

Die Verkehrsindustrie und Transportunternehmen sind enteignet, Arbeiter_Innen haben die Kontrolle übernommen, setzen eine demokratisch von ihnen selbst geplante ökologisch sinnvolle Notumstellung der Produktion um. Die Arbeitszeit ist bei vollem Lohn auf 30 Stunden in der Woche reduziert, die gesellschaftlich notwendige Arbeit wird auf alle verteilt. Scheuer, Al-Wazir und die Bosse von DEGES, VW und Co. wurden aus ihren Ämtern gejagt. Ihr Staat existiert nicht mehr. Nun forsten sie die Schneise eines Waldes auf eigene Kosten und mit eigener Arbeitskraft wieder auf. Minibagger und Gießkanne statt Dienstwagen und Krawatte heißt das Programm …

Eine Zugbegleiterin weckt mich, fragt nach meinem Ticket. 10 Minuten später habe ich ein Schwarzfahrerticket, 60 Euro, mein Fahrschein sei ungültig. Ein Anruf beim Kundendienst des Verkehrsverbundes beweist mir, dass dessen Angestellte selbst keine Ahnung von den Tarifbestimmungen haben. Sauer lege ich auf. Höchste Eisenbahn, diese antikapitalistische Verkehrswende!




FFF: Was war los beim ÖPNV-Streik und was will dieser Jakob im Bundestag?

4
Fragen und 4 Antworten zu FFF, den ÖPNV-Streiks und was
Antikapitalist_Innen jetzt tun müssen

Was
ist beim Nahverkehrsstreik gelaufen?

Vielleicht
hast Du in den letzten Wochen mal vergebens an der Bushaltestelle
gestanden oder durch die Nachrichten erfahren, dass in den in
unterschiedlichen Städten und Gemeinden die Arbeiter_Innen im
Nahverkehr gestreikt haben, sie die Busse und Bahnen stehen ließen.
Vielleicht hast Du‘s aber auch nicht mitbekommen…und das liegt
nicht an Dir. Gestreikt wurde höchstens Mal ein Tag, oft aber nur
ein paar Stunden. Ziel des Streiks war eine bessere Bezahlung und
bessere Arbeitsbedingungen für die Menschen, die uns täglich zur
Schule, Ausbildung oder Uni fahren und die gerade in der Corona-Zeit
zu jenen gehören, die unsere Gesellschaft noch am Laufen halten.

In
einigen Bundesländern sind die Streiks jetzt schon ganz vorüber,
denn die Gewerkschaft ver.di und die Arbeit“geber“_Innenverbände
haben sich auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt. Zuletzt ist das in
Nordrhein-Westfalen passiert und für die Beschäftigten ist das
Ergebnis ein ziemlicher Schlag ins Gesicht. Am 1. April 2021 gibt‘s
1,4 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 50 Euro, am 1. April 2022
1,8 Prozent mehr und für‘s Weiterfahren während Corona das Land
zum Stillstand zwang gibt‘s einmalig 600 Euro. Faktisch heißt das,
dass sich die Verkehrsarbeiter_Innen mittelfristig weniger als heute
leisten können, sie ärmer werden. In den anderen Bundesländern ist
Ähnliches zu erwarten.

Was
können wir daraus lernen?

1.)
die Gewerkschaftsführungen wollen in der Krise keinen Konflikt mit
den Bossen. Bloß ein bisschen Streiken, eine Niederlage
unterzeichnen und sie dann als notwendiges Opfer in Zeiten der Krise
den Mitgliedern der Gewerkschaft verkaufen. Die Gewerkschaftsbosse
haben dabei gut reden, verdienen sie doch so viel in den
Aufsichtsräten der Konzerne, dass sie die Krise locker überstehen
werden…vorausgesetzt sie halten die Arbeiter_Innen schön ruhig.

2.)
die Arbeiter_Innenklasse soll die Krise bezahlen. Schon als ver.di
einen lächerlichen Tarifvertrag im öffentlichen Dienst unterschrieb
war klar, dass der Kampf im Nahverkehr auch zum Abschuss freigegeben
ist. Andernorts sieht‘s nicht besser aus. Der Staat muss angesichts
seiner riesigen Corona-Schulden sparen und zu Geld kommen. Aber als
die Linkspartei neulich eine kleine Vermögensabgabe für Reiche
forderte war der Aufschrei im Bundestag und den Zeitungen groß. Wenn
umgekehrt bei der Bahn Milliardeneinsparungen beim Personal gefordert
werden, erzählen einem die konservativen Medien was von „jeder
muss doch ein Opfer bringen“.

3.)
die Lösung der Klimakrise fällt im Angesicht der Wirtschaftskrise
hinten runter. Anstatt die Verkehrswende anzugehen, den Nahverkehr
auch als Arbeitsplatz attraktiver zu machen und gut zu bezahlen, um
die tausenden fehlenden Beschäftigten bundesweit einzustellen, heißt
es für den Nahverkehr jetzt weiter sparen, sparen, sparen. Achso,
natürlich nicht überall, nein, nein, die Lufthansa wird mit
Milliarden gerettet, zahlt auch weiterhin keine Kerosinsteuer und
kaufst du dir ein neues E-Auto gibt dir der Staat dafür auch noch
einen Riesenbatzen Geld.

Was
hat FFF damit zu tun?

Dass
Verkehrspolitik auch immer Klimapolitik ist und dass der Streik im
Nahverkehr deshalb auch unmittelbar die Ziele und Forderungen von FFF
betrifft, ist nichts Neues. Als Revo haben wir in den einzelnen
Städten, in den FFF-AGs und auf dem Nordkongress Anfang des Jahres
immer dafür gekämpft, dass FFF aktiv auf die Gewerkschaften zugehen
muss, um die Arbeiter_Innenklasse für gemeinsame Kämpfe zu
gewinnen. Damals haben Luisa Neubauer und die undemokratische Führung
von FFF noch versucht, unsere Beschlüsse bürokratisch zu umgehen.
Heute machen sie Selfies mit den Spitzenfunktionären von Verdi.

Als
wir FFF zum Schulterschluss mit den Gewerkschaften aufgerufen haben,
meinten wir damit keine runden Tische in Besprechungsräumen oder
Selfie-Aktionen. Was wir wollen ist eine aktive Mobilisierung an der
Basis! Wir sind dafür eingetreten, dass es Vollversammlungen an den
Schulen gibt, zu denen Beschäftigte aus dem ÖPNV kommen, über ihre
Arbeitsbedingungen berichten und gemeinsam mit uns Schüler_innen
über eine ökologische Verkehrswende diskutieren. Wir sind dafür
eingetreten, dass FFF die Streikposten der streikenden Beschäftigten
im ÖPNV unterstützt und so ein aktives Zeichen der Solidarität
setzt, auf dem kommende Kämpfe aufbauen können. Der Streik ist das
effektivste Mittel der Arbeiter_Innenklasse eine Awareness für das
Thema zu erwecken und echten Druck auf die Verantwortlichen
auszuüben.

Die Führung von verdi hat sich jedoch dagegen gesperrt, zu wirklichen Streiks aufzurufen und ihren Mitgliedern stattdessen empfohlen, einen ihrer wenigen Urlaubstage zu nutzen, wenn sie zu FFF gehen wollen. Indem sie nicht offen zum Streik aufgerufen haben, haben sie ihren Mitgliedern verwehrt im Rahmen einer politischen Kampagne daran teilzunehmen. In diesem Punkt sind sich der Verdi-Vorstand und die FFF-Führung ziemlich ähnlich: beide verhindern aktiv eine Radikalisierung ihrer Basis. Damit wollen sie ihren Führungsanspruch aufrecht erhalten und auf jeden Fall verhindern, dass eine Bewegung „von unten“ entsteht, die keine Luisas und Frank Wernekes (Verdi-Vorstand) mehr braucht.

Was
hat FFF falsch gemacht?

Aus
dem Schulterschluss zwischen FFF und Gewerkschaften ist bis auf ein
paar nette Selfies wohl nichts geworden. Noch deutlicher wird die
Unfähigkeit der FFF-Führung darin, dass sie dem
„Kohleausstiegsgesetz“ nichts entgegengesetzt haben. Das
sogenannte „Kohleausstiegsgesetz“ redet nämlich nicht vom
Ausstieg aus der braunkohlebasierten Energiegewinnung, sondern will
die dreckigen Tagebauten noch 20 Jahre weiter finanzieren und
verspricht den Klimakillern große Geldsummen. Wir fragen uns an der
Stelle, wofür wir eigentlich die ganze Zeit gekämpft haben, wenn
die Bundesregierung so ein Gesetz verabschiedet und FFF schweigt.

Doch dieses Problem von FFF hat System und hat nicht nur mit Corona zu tun. Die Schlüsselfrage ist vielmehr, ob FFF bereit ist, die kapitalistische Produktionsweise als Ursache des Klimawandels zu erkennen und zu bekämpfen, oder ob FFF weiterhin versucht, dem Kapitalismus einen grünen Anstrich zu verpassen, die Basis von FFF zu unterdrücken und statt Mobilisierungen nun zur Wahl der Grünen aufzurufen. Das unterscheidet uns von Luisa. Bereits bevor die Pandemie ausgebrochen ist, stand eine Strategiedebatte innerhalb FFFs an, die eine neue Ausrichtung beschließen sollte, mit der wir mehr werden sollten, uns weniger überlasten müssen und unsere Ziele tatsächlich erreichen können. Schon vor Corona hat die Führung von FFF versucht, dies zu unterbinden. Nachdem nun unsere Aktionen durch den Lockdown weitestgehend eingebrochen sind und die Bewegung geschwächt wurde, versuchen Luisa und Co. ihren Kurs nun final durchzusetzen. Jakob geht in den Bundestag, während Luisa FFF als aktivistisches Feigenblatt missbraucht und für Bündnis 90/Die Grüne bei der Bundestagswahl mobilisiert. Anstatt auf der Straße zu stehen, laut zu sein und für die Forderungen zur Einhaltung der Klimaziele zu kämpfen, will die FFF-Führung sich lieber an irgendwelche runden Tische oder in Bundestagssessel setzen und sich somit den kapitalistischen Politiker_Innen beugen, denen, wie wir gesehen haben, unsere Forderungen ziemlich egal sind. Dabei sind die Grünen alles andere als grün: die bürgerliche Partei ist mitverantwortlich dafür, dass der Danni geräumt wird und dass der Kohlekompromiss im Bundestag durchgekommen ist. Abgesehen davon gibt es kaum einen Kriegseinsatz der Bundeswehr, dem die Grüne nicht zugestimmt hat. Aber das ist eine andere Geschichte, die hier nochmal genauer nachlesen könnt: Die Grünen – Neoliberal für’s Kapital .

Der
von der ungewählten und somit nicht demokratisch legitimierten
FFF-Führung geführte Kurs, war es seit jeher, die Bewegung zu
kontrollieren und eine Radikalisierung zu verhindern. Das zeigte sich
unter anderem dadurch, dass sie selbstorganisierte und
antikapitalistische Perspektiven immer bekämpft haben. So haben wir
von Revo, aber auch andere linke FFF-Ortsgruppen, die Plattform
Change for Future oder die Anti-Kohle-Kids versucht,
antikapitalistische Positionen in die Bewegung zu tragen. Gerade
heute, wo der Verrat von Lusia und Jakob so offensichtlich ist, gibt
es viel Kritik an der momentanen FFF-Politik aus der Basis. Vielen
von uns haben sich an den Ende Gelände Protesten beteiligt und
gezeigt, dass wir bereit sind, radikalere Forderungen und
Aktionsformen aufzuwerfen.

Doch
während uns von Revo vorgeworfen wird, die Bewegung für unsere
antikapitalistischen Ziele zu „unterwandern“, sitzen genau
diejenigen, die uns diesen Vorwurf machen, in Führungspositionen bei
den Grünen oder beim BUND. Im Gegensatz zu uns verschweigen sie
jedoch, dass sie noch in anderen Organisationen sind. Das ist nicht
nur intransparent, sondern auch undemokratisch und zeigt ganz
deutlich, wer hier die Bewegung eigentlich unterwandern will. Mit dem
Vorwurf an uns wollen sie versuchen, eine Linksentwicklung in der
Bewegung zu verhindern und ihr eigenes pro-kapitalistisches und
undemokratisches Programm durchsetzen.

Was sollten Antikapitalist_Innen in FFF jetzt tun?

Viele
linke Gruppen innerhalb FFFs haben sich nicht getraut offen
aufzutreten, damit ihnen nicht vorgeworfen wird, dass die Bewegung
„unterwandern“. Doch, wenn wir für antikapitalistische
Positionen in FFF kämpfen wollen, müssen wir den Kurs der Führung
herausfordern, offen auftreten und der Basis klar machen, wofür wir
sehen!

Was
wir brauchen ist mehr Demokratie und weniger Hinterzimmerbeschlüsse!
Was wir brauchen ist eine basisdemokratische Aktionskonferenz für
eine neue Strategie, die dem bürgerlichen Kurs von Luisa, Jakob &
Co. ein Ende setzt! Die Klimakiller müssen enteignet und unter
demokratische Kontrolle gestellt werden, anstatt sie mit bloßen
Appellen um die Einhaltung von Klimazielen zu bitten. Klimaschutz
muss international sein und muss eine Verbesserung in unseren Lebens-
und Arbeitsbedingungen bedeuten, statt stupide Verbote zu fordern.
FFF muss wieder zurück auf die Straße und an die Schulen. Wenn wir
wieder mehr werden wollen, müssen wir Komitees an unseren Schulen
aufbauen, um die Leute dort abzuholen, wo sie sich tagtäglich
aufhalten.

Was wir jetzt tun müssen ist, mit den Gewerkschaften und hier vor allem ihrer Basis über eine universelle Anti-Krisen-Bewegung zu diskutieren, die sich sowohl gegen die Klimakrise, die Wirtschaftskrise als auch gegen die Gesundheitskrise richtet. Die Unternehmen und kapitalistischen Regierungen, die Mitverursacher dieser Krisen sind, lassen nämlich uns Jugendliche und die Arbeiter_Innenklasse für die Kosten der Krise zahlen!

Power
to the people!




Was war los bei

Am
Wochenende vom 25.-27. September haben wir uns an der Aktion von EndeGelände im
Rheinland beteiligt. Ziel dieses Bündnis von Klimaaktivist_Innen war es, dort
die Infrastruktur von Europas größtem Braunkohlerevier zu stören. Letztlich
sollte damit gezeigt werden, dass es radikale, antikapitalistische Lösungen
braucht, wenn wir die Folgen des Klimawandels noch lindern wollen.

Revo
am Start!

Am Freitagmorgen reisten Genoss_Innen aus Dortmund und Stuttgart an, die sich
beim Camp von den AntiKohleKidz an Plena und am Aktionstraining beteiligten.
Der Rest aus dem Bundesgebiet erreichte das Camp erst in der Nacht, nachdem sie
sich noch mittags bei den lokalen FridaysForFuture Demonstrationen beteiligten.

Am nächsten Morgen ging es dann um 8:30 los. Trotz der frühen Uhrzeit und
drohendem Regen zeigten sich die ca. 200 Aktivist_Innen des AKK-Fingers bereits
auf dem Weg zur Bahn sehr entschlossen. Es wurden sofort laute Parolen gerufen
und die Gruppe trainierte noch einmal einige Handzeichen. Wir waren mit 14
Personen dabei und waren Teil des Strukturteams.
Die erste Bahn fiel wegen „polizeilicher Ermittlung“ aus. In der zweiten Bahn
hatten wir dann direkt mit der nächsten Bullenrepressionen zu kämpfen, die ohne
Grund den Zug für etwa 20 Minuten stoppten. Trotzdem erreichten wir etwa eine
Stunde später unser erstes Ziel Hochneukirchen, ein Dorf das von RWE abgerissen
werden soll, um mehr Braunkohle abbauen zu können. Dort trafen wir auf die
Anfangskundgebung einer Demonstration, an der sich unter anderem
FridaysForFuture und die Initiative „Alle Dörfer bleiben“ beteiligten. Dort kam
es zur nächsten Schikane von der Seite des Staates. Die genehmigte Route, die
in Blickweite des Tagebaus lag, wurde von der Polizei kurzfristig verboten. Die
Route sollte jetzt viel weiter vom Tagebau entfernt verlaufen. Der Einspruch
der Veranstalter_Innen wurde von der Stadt abgelehnt. Die Zeit, bis wir
weiterlaufen konnten, nutzten wir, um unsere Flyer zu verteilen, Zeitungen zu
verkaufen und mit den Aktivist_Innen ins Gespräch zu kommen.

Danach
beteiligten wir uns gemeinsam mit dem AKK-Finger an der Demonstration. Dort
konnten wir über den Lautsprecherwagen eine Rede halten. Kurz vor Ende der Demo
entschieden wir uns dazu, in Richtung Tagebau zu rennen, wo die Polizei
allerdings bereits auf uns wartete. An der ersten kleineren Polizeikette sind
wir noch vorbeigekommen. Etwa 100 Meter dahinter bildete sich eine zweite
Polizeikette, die nun die letzte vor der Abbruchkante des Tagebaus war. Der
Finger versuchte sich erst wieder zu sammeln. Da die Polizei sich noch nicht
voll organisiert hatte, aber immer mehr wurde, entschieden wir uns
durchzubrechen. Der hintere Teil teilte sich allerdings wieder zur Seite auf.
So hatte die Polizei es leicht, uns zurückzudrängen und letztlich einzukesseln.
Dabei gingen sie sehr gewaltsam, unter anderem mit dem Einsatz von
Schlagstöcken, vor. Auch während des Kessels ging sie sehr repressiv vor und
probierte uns immer enger zusammenzudrücken. Infektionsschutz schien den Polizist_Innen
ziemlich egal zu sein. Einen Abstand von zwei Metern zueinander konnten wir so
nicht mehr einhalten. Wir probierten uns dagegenzustellen, was uns ein wenig
Raum verschaffte. Dies nahm die Polizei wahrscheinlich zum Anlass, um einen Genossen
auf brutalste Weise aus dem Kessel zu ziehen und festzunehmen.
Nach einigen Verhandlungen führte die Polizei uns dann zum anderen Teil des
Fingers, der inzwischen auch eingekesselt war, und lies uns dann etwa 500 Meter
vom Tagebau entwerft frei.
Dort entschloss sich der Großteil des Fingers noch dazu, die 6 km als Demo
zurückzulaufen, anstatt vom Bus abgeholt zu werden. Dies wurde eher zum Feiern
genutzt, wir konnten aber auch noch 2 Reden halten, in denen wir unter anderem
auf die Lage der Geflüchteten, Polizeigewalt und den allgemeinen Rechtsruck
aufmerksam machten.
Was dabei auffiel, war die positive Resonanz der Anwohner_Innen. Die Menschen
standen am Straßenrand oder winkten aus dem Fenster und wirkten insgesamt sehr
dankbar, dass wir da waren, um uns radikal und entschlossen gegen RWE zu
stellen.
Die Rückfahrt blieb dann ohne weitere Repressionen oder sonstige Vorkommnisse,
sodass wir gegen 23 Uhr, durchnässt, erschöpft, aber auch mit neuer Motivation
zum revolutionären Kampf gegen das kapitalistische System, im Camp ankamen.

Mit den
AntiKohleKidz waren wir natürlich nicht die einzigen, die im Rheinischen Revier
versuchten RWE zu blockieren. Insgesamt waren über 3000 Aktivist_Innen dort, um
für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern zu demonstrieren. Dabei wurde
neben Kohle- dieses mal auch Gasinfrastruktur blockiert.

Wie
hätten die Besetzungen länger als ein paar Stunden andauern können?

Dass
EndeGelände es schaffte, so viele Menschen in Zeiten von Corona und super
schlechtem Wetter zu mobilisieren, ist auf jeden Fall positiv zu bemerken.
Außerdem spürten wir während der gesamten Aktion eine sehr große
Entschlossenheit bei den Aktivist_Innen. Alle waren sich einig, dass wir den
Weg zu einer klimagerechten Welt selbst in die Hand nehmen müssen und dieser
Weg uns gegen das kapitalistische System führt. Dabei gab es auch keine
Spaltungsversuche innerhalb der Bewegung, wie es sonst oft auf linken
Demonstrationen der Fall ist.

Generell ist bei EndeGelände auch eine Linksentwicklung zu erkennen.
EndeGelände ist bekannt für den Spruch „System Change not Climate Change“.
Dabei wird der Begriff „Systemwandel“ jedoch sehr schwammig benutzt, ohne klare
Strategie, wie wir das System verändern können und welches System überhaupt.
Wir sagen dagegen ganz klar, dass wir das kapitalistische System, durch eine
Revolution der Arbeiter_Innen und Jugend aller Länder stürzen und den
Kommunismus aufbauen müssen. Ein zentraler Bestandteil dabei ist, dass die
Produktionsmittel, die aktuell in privatem Besitz sind, vergesellschaftet
werden. Diese Forderung, also die Enteignung von RWE und die Vergesellschaftung
der Energieindustrie, hat EndeGelände dieses Jahr mit aufgenommen. Leider
stellen sie nicht die Frage, was sie genau unter Vergesellschaftung verstehen
und wer diese kontrolliert. In unseren Augen bedeutet das nämlich die
Veränderung der Eigentumsverhältnisse durch die demokratische Kontrolle des
Betriebs durch die Beschäftigten. „Kohleausstieg selber machen“ bedeutet für
uns, ihn zusammen mit den Beschäftigten zu planen und zu kontrollieren. Indem
wir die Arbeiter_innenklasse als Subjekt der Veränderung wahrnehmen, ansprechen
und für unseren Kampf gewinnen, können wir die Kapitalist_innen da treffen, wo
es ihnen wirklich weh tut: bei ihren Profiten. Wenn wir die Beschäftigten auf
unserer Seite haben, können wir Besetzungen auch über längere Zeit aufrecht
erhalten und wirklich Druck ausüben, satt nur symbolische Aktionen
durchzuführen.

Ein
weiterer Aspekt, wie die Besetzungen und Blockaden in Zukunft erfolgreich sein
könnten, ist die Frage der Aktions- und Organisationsform der Proteste. Was
EndeGelände gut macht ist, viele Leute anzusprechen und zu mobilisieren.
Allerdings sind die Proteste sehr individualistisch geprägt. Dadurch, dass beim
Durchfließen der Polizeiketten sich die Finger in kleine Gruppen aufteilen,
wird bewusst in Kauf genommen, dass einzelne Personen polizeiliche Repressionen
erwartet. In diesem Moment ist also jede_r, oder vielleicht noch jede
Bezugsgruppe, auf sich allein gestellt.

Dem
individuellen zivilen Ungehorsam stellen wir unsere Methode der kollektiven
Selbstermächtigung entgegen. Massenblockaden bedeuten für uns nicht das
einfache Zusammenspiel verschiedener Bezugsgruppen, sondern dass sich diese
Aktionen auch auf Massenorganisationen stützen müssen. Also zum Beispiel
Gewerkschaften, Räte oder Aktionskomitees. Um dies zu organisieren brauchen wir
wirkliche demokratische Strukturen, wie Basisversammlungen, in denen kollektive
Entscheidungen getroffen und abwählbare, rechenschaftspflichtige Delegierte
gewählt werden. Dieses Modell der Demokratie stellen wir der klandestinen
Geheimhaltungspolitik von Ende Gelände entgegen, in welcher nur ein kleiner
Kreis von Auserwählten weiß, was gespielt wird.

Um das zu erklären, muss die Taktik des zivilen Ungehorsams grundlegend betrachtet
werden. Anders als zum Beispiel Extinction Rebellion sieht EndeGelände die
Polizei zwar als Gegnerin, trotzdem sind Festnahmen fester Bestandteil der
Aktion. Denn es geht nicht in erster Linie darum, Kohleinfrastruktur zu blockieren
und auf lange Zeit besetzt zu halten, sondern darum möglichst viel
Aufmerksamkeit in der Presse und in der Bevölkerung zu bekommen.

Dahinter
steht ein idealistisches Verständnis des bürgerlichen Staates. Angehänger_innen
des zivilen Ungehorsams glauben, dass der Staat vernünftiger handeln würde,
wenn wir ihn nur auf die Probleme der Welt öffentlichkeitswirksam aufmerksam
machen. Der Staat steht im Kapitalismus jedoch nicht über den
Klasseninteressen. Im Gegenteil ist er genau dafür verantwortlich, dass die
Herrschaft des Kapitals mit Gewalt aufrecht erhalten wird und ihre Profite
abgesichert werden. Wo die Profitlogik zählt, ist mit Vernunft leider nicht
viel zu machen. Wenn wir Freiheit und Klimagerechtigkeit wollen, müssen wir
diesen Staat also kaputt machen und dürfen uns nicht mit Bitten an ihn
begnügen.

Aber
wer kann den Kapitalismus stürzen?

Im Kapitalismus gibt es im Grunde 2 Klassen, die sich gegenüberstehen. Die
Kapitalist_Innen, die die Produktionsmittel besitzen, und die Arbeiter_Innen,
die ihre Arbeitskraft besitzen, die sie gezwungen sind zu verkaufen. Mit ihrer
Stellung im Produktionsprozess ist die Arbeiter_Innenklasse in der Lage durch
Produktionskontrolle und gesellschaftliche Planung ökologische und ökonomische
Kreisläufe in Einklang zu bringen bei globalem und sozialem Austausch. EndeGelände
verkennt diese zentrale Rolle der internationalen Arbeiter_innenklasse für eine
ökologische Revolution. Das Bündnis wendet sich abstrakt an die gesamte
Bevölkerung, welche sie als Ansammlung von Individuen verstehen und nicht als
Kollektive mit widerstreitenden Interessen.

Und Wie kann die Arbeiter_Innenklasse das schaffen?

Wie auch EndeGelände stehen wir für Massenmobilisierungen. Allerdings wollen
wir es nicht dabei belassen Aufmerksamkeit zu erzeugen. Wir müssen die
Klimagerechtigkeit erzwingen, wenn es nicht anders geht. Dabei spielt der
Streik eine entscheidende Rolle, da er das System in seinem Herzen, dem Profit,
trifft. Dabei sollte es aber auch nicht bei rein ökonomischen Forderungen bleiben.
Vielmehr bietet der Streik auch Möglichkeiten sich als Klasse zu organisieren,
Betriebe zu besetzen um letztendlich die Kontrolle über die Produktion zu
übernehmen.

Um da
hinzukommen, ist es wichtig den Klimawandel auch als soziale Frage zu
betrachten und zu erkennen, dass Umweltzerstörung, Rassismus, Sexismus und
Ausbeutung eine gemeinsame Grundlage haben, die Kapitalismus heißt. Diese
Bewegungen müssen sich verbinden, aber auch den Anschluss zur Arbeiter_Innenbewegung
suchen, um erfolgreich zu sein. Was wir brauchen ist deshalb eine
internationale Anti-Krisen-Konferenz, in der unterschiedliche Aktivist_innen
und Organisationen der Arbeiter_innenklasse über einen gemeinsames Programm und
kollektive Aktionen diskutieren, mit denen wir der kapitalistischen Klima-,
Wirtschafts- und Coronakrise einen Strich durch die Rechnung machen!




Dannenröder Forst: Solidarität mit der Besetzung – Autoindustrie enteignen!

Lars Keller

Im sonst gemütlichen Mittelhessen zwischen Gießen und Kassel ist an diesen Tagen einiges los. Umweltaktivist_Innen besetzen seit rund einem Jahr einen Wald in der Nähe des Dorfes Dannenrod, einem Stadtteil von Homberg (Ohm) im Vogelsbergkreis, damit selbiger nicht dem Autobahnbau der A49 weichen muss. Seit dem 1. Oktober spitzt sich der Kampf um den „Danni“ zu. Die Rodungssaison ist eröffnet – der Staat schickte ein Polizeigroßaufgebot, um der Kettensäge sein Geleit zu geben und die Besetzer_Innen von den Bäumen zu holen. Gegen Räumung, Rodung und Raupenbagger fand am 4. Oktober eine Demonstration mit rund 2.000 Teilnehmer_Innen statt.

Dabei
geht es hier um viel mehr als einen Autobahnbau durch einen
Dauermischwald (hoher Anteil an Buchen und Eichen), der als
Paradebeispiel für nachhaltige Forstwirtschaft in einem sensiblen
Wassergebiet gilt. Die Demos und Besetzungen rund um Homberg (Ohm)
richten sich angesichts der Klimakrise vielmehr gegen den
motorisierten Individual- und Schwerlastverkehr auf der Straße im
Generellen. Eine Verkehrswende zugunsten von Verkehrsträgern wie Rad
oder Schiene wird gefordert.

Die A49

Derzeit
beginnt die Bundesautobahn A49 in Kassel und endet in der Nähe von
Neuental (Schwalm-Eder-Kreis) in der Prärie Nordhessens irgendwo
zwischen Eder und Lahn. Somit bringt diese Autobahn dem Lkw-Verkehr,
dieser heiligen Kuh des deutschen Gütertransports, dem Zögling des
Bundesverkehrsministeriums und der Ausgeburt der deutschen
Industrieperlen Daimler und VW (ja richtig gelesen, dem Konzern
gehören mit MAN und Scania nämlich auch Nutzfahrzeugsparten!) –
nichts! Die Landstraße, in die die A49 zur Zeit mündet, ist für
den Schwerlastverkehr gesperrt.

Somit
quetschen sich die Lkw-Kolonnen von Norddeutschland in Richtung
Schweiz weiter durch den neuralgischen Punkt
Kirchheimer-/Hattenbacher Dreieck, wo mit A 7, A 4 und A 5 die
wichtigsten Nord-Süd- und Ost-West-Achsen des bundesdeutschen
Fernstraßennetzes aufeinandertreffen. Aus der Idee heraus, diesen
Knoten zu entlasten, wurde die A49 geboren. Darin besteht das
eigentliche Motiv des Autobahnbaus. Ein nachrangiges stellt die
schnellere Straßenverbindung zwischen dem Rhein-Main-Gebiet,
Gießen/Marburg und Kassel dar. Die Teermaschinen kamen bis Neuental,
1994 war dort erst mal Schluss. Seither gibt es ein langes Zerren um
Umweltschutzmaßnahmen, Finanzierung und Planfeststellung. Seit 2017
hat der Planfeststellungsbeschluss Bestand. Es darf weiter geteert
werden und dank ÖPP (öffentlich-privater-Partnerschaft) kann das
Privatkapital direkt daran mitverdienen.

Vom
gesamtgesellschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, macht der
Autobahnausbau freilich keinen Sinn wie überhaupt jeder deutsche
Autobahnausbau. Die Klimakrise verlangt nach einer schnellen
Verkehrswende, die Ressourcenvernutzung und Ineffizienz des
Individual- wie Straßengüterverkehrs ebenso. Mit der
Main-Weser-Bahn gäbe es zudem bereits eine Bahntrasse, die sich
hinsichtlich Kapazität und Einzugsgebiet ausbauen ließe und dann
auch mehr Güter- und Personenverkehr der Region aufnehmen könnte.

Lokal wird das mitunter anders gesehen. Ein Teil der Mittel- und Oberhess_Innen unterstützt die Proteste gegen die Rodung, ein anderer hat ein Interesse am A49-Ausbau. Da wären einerseits die AnliegerInnen der Bundesstraße B3, die ihrerseits vom Schwerlastverkehr betroffen sind und durch die A49 eine Entlastung erfahren würden. Anderseits gibt es eine Reihe lokal angesiedelter Unternehmen wie bspw. Ferrero Stadtallendorf, die sich ebenso wie einige Kommunen einen besseren Anschluss ans Straßennetz wünschen. Die Unterstützer_Innen der Autobahn finden sich in der „JA49“-Initiative wieder. Ihre etwas populistisch gehaltene Website verkauft uns die A49 dann auch als Umweltschutz. Letzteres ist, global wie lokal betrachtet, natürlich Blödsinn. Mehr Autobahn heißt mehr Auto- und Lkw-Verkehr – gerade weil der Weg Kassel – Gießen kürzer würde. Das bestätigt sich statistisch sowohl an vergangenen Autobahnprojekten als auch aus Sicht von Angebot- und Nachfrageprinzipien. Das heißt: mehr Treibhausgasmissionen, Oberflächenversiegelung und Störung eines Wasserreservoirs, von dem sogar Frankfurt/Main zerrt.

„Verkehrswende“ von Landes- und Bundesregierung

Alle,
die vorhaben, 2021 die Grünen in die Regierung zu wählen, sollten
einen genauen Blick auf das kleine Dannenrod in der hessischen
Provinz werfen. Wer glaubt, mit den Grünen sei eine Verkehrswende
zugunsten der Wälder und des Klimas zu haben, wird hier eines
Besseren belehrt. Die hessischen Grünen sitzen nämlich mit der CDU
in der Landesregierung – und halten stoisch an der A49 fest.

Dem Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, fiel auf der Demo am vergangenen Sonntag, den 4. Oktober, auch nichts Besseres ein, als auf bestehende Beschlüsse zum Straßenausbau zu verweisen: Berlin müsse den Bau stoppen, grundsätzlich sei seine Partei ja gegen die Autobahnen … Gelaber und Gewäsch also! Von den hessischen Grünen kommt erst recht keine klare Kante gegen das Projekt. Wer will schon die CDU ein Jahr vor der Bundestagswahl ärgern? Immer dann, wenn‘s konkret um die (vegane) Wurst – oder besser um den Wald – geht, erweisen sich die Grünen als verlässliche Partner_Innen deutscher Auto- und Energiekonzerne. Der Abholzung des Hambacher Forstes wurde ja auch schon mal zugestimmt.

Derweil
will Bundesverkehrs(auto)minister Andreas Scheuer (CSU) die Lage
erkannt haben und hat vor einigen Monaten – natürlich ohne die A49
in Frage zu stellen – das „Bündnis für unsere Bahn“ mit der
Dachstrategie „Starke Schiene“ ins Leben gerufen. In diesem
Schienenpakt befinden sich neben anderen das Verkehrsministerium,
Schienenindustrien, Deutsche Bahn und die Gewerkschaft EVG. Was haben
wir davon zu erwarten? Sage und schreibe 25 % soll der
Schienengüterverkehr am gesamten Warentransport irgendwann (wann ist
unklar) mal ausmachen, heute sind es etwa 18 %. Die Milliarden,
die angeblich für einen nie da gewesenen Rückenwind für die
Eisenbahn sorgen, sind nicht mehr als eine leichte Brise, die den
vorhandenen Investitionsstau im Schienennetz kaum auflösen kann.

Wenn
in der jetzigen Wirtschaftskrise überhaupt jemand dick staatlichen
Rückenwind verspürt, dann ist es der Kernsektor des deutschen
Kapitals. Anstatt die Schiene durchgehend zu elektrifizieren, wird
darüber sinniert, Autobahnen wie bei Darmstadt unter Oberleitung zu
setzen, damit die Vormachtstellung des Lkw einen grünen Anstich
bekommt. Das Konjunkturpaket der Regierung enthält zwar keine
Kaufprämie für reine Verbrennerautos, dafür dann umso mehr für
die ähnlich große ökologische Blödsinnigkeit E-Auto. Soviel zur
„Verkehrswende“ der Regierung und Konzerne.

Und die echte Verkehrswende?

Sowohl das Demobündnis (Danni bleibt) als auch die Besetzer_Innen (Wald statt Asphalt) betonen in ihren Aufrufen die Wichtigkeit einer echten Verkehrswende und einer Verlagerung des Verkehrs zu ressourcen- und emissionsärmeren Fortbewegungsarten. Das teilen wir. „Wald statt Asphalt“ geht noch weiter und nimmt den Kapitalismus ins Visier, fordert einen radikalen Systemwandel und Klimagerechtigkeit. Das teilen wir auch. Das fehlende Salz in der Suppe ist aber unserer Meinung nach, dass ein radikaler Systemwandel konkrete Forderungen und einen konkreten Weg weit über Waldbesetzungen hinaus braucht.

Die Besetzung selbst wird begründet mit: „Für die Form des Widerstands (Besetzung und direkte Aktion) haben wir uns entschieden, weil andere Formen des Widerstands (wie Demos, Petitionen, Klagen & Appelle an politische Entscheidungsträger*innen) den Bau der A49 bisher nicht aufhalten konnten und mit den Rodungen nun Fakten geschaffen werden sollen. Veränderung braucht mutiges und entschlossenes Handeln – deswegen besetzen wir!“ (https://waldstattasphalt.blackblogs.org/besetzung-warum/)

So richtig und wichtig die Demonstration oder Baumbesetzungen auch sind – verglichen mit politischen Massenstreiks der Arbeiter_Innenklasse sind dies nur weitgehend symbolische Aktionsformen. Derzeit erleben wir die größte Wirtschaftskrise zu unser aller Lebzeit. Massive Entlassungen finden statt oder werden kommen. Die ökologische Krise wird durch die Wirtschaftskrise und die brutaler werdende Konkurrenz weiter verschärft werden. Es braucht die Verbindung der Kämpfe und den Aufbau eines Antikrisenbündnisses, das für Massenstreiks bis hin zum Generalstreik gegen alle Entlassungen, Lohnkürzungen – ja überhaupt das Abwälzen der Krise auf die breite Bevölkerung – eintritt und zugleich ein Notprogramm gegen die Klimakrise einfordert.

Damit ein Generalstreik gegen die Klimakatastrophe nicht nur angekündigt, sondern auch real werden kann, muss die Arbeiter_Innenklasse zur zentralen Kraft der Bewegung werden. Dies bedeutet jedoch keineswegs nur, ja nicht einmal in erster Linie eine Veränderung der Aktionsform – es bedeutet vor allem eine Änderung des eigentlichen Ziels: die Enteignung des Kapitals und die Errichtung einer globalen, demokratischen Planwirtschaft. Nur so kann ein „System Change “ Wirklichkeit werden.

Von einem Generalstreik und Massenstreiks sind wir derzeit noch weit entfernt. Die Arbeiter_Innenklasse tritt in der Umweltbewegung bisher nicht als zentrale Akteurin in Erscheinung. Das liegt aber nicht daran, dass Arbeiter_Innen chronisch passiv wären, dass sie ihre Jobs in der Autoindustrie so lieben oder ihnen das Thema egal ist, zumal es im Nahverkehr eine große Zahl von Beschäftigten gibt, die sich sehr für eine Verkehrswende starkmachen.

Die Passivität breiter Teile der Arbeiter_Innenklasse gegenüber der Umweltbewegung rührt viel eher daher, dass die Sozialpartner_Innenschaft der DGB-Gewerkschaften sie ruhigstellt, andererseits aber auch daher, dass die Umweltbewegung die Lohnabhängigen bisher nicht ansprechen konnte. Um sie zu erreichen, braucht es ein Programm, das klar macht, dass nicht sie für die Verkehrswende zahlen soll – sei es durch Jobverlust oder CO2-Steuer –, sondern die Konzerne und Besitzer_Innen großer Vermögen zur Kasse gebeten werden.

Letzten
Endes heißt die Verkehrswende für uns viel mehr als „weg von der
Straße hin zur Schiene, zu Bussen, zu Füßen und Fahrrädern“.
Sie bedeutet vor allem auch so wenig wie möglich, so viel wie nötig
Verkehr. Das heißt, diesen so zu reorganisieren, dass dort, wo
Menschen leben, weder Lkw noch Güterzüge durch ihre Schlafzimmer
brettern. Das heißt letztlich, Stadt und Land umzukrempeln, dass
Verkehr nicht mehr an den Bedürfnissen des Kapitals, sondern nach
denen der Menschheit ausgerichtet werden soll.

Konkret
geht‘s um:


Kein A49-Ausbau, sofortiger Stopp aller Autobahnprojekte –
beteiligt Euch an Demonstrationen um Dannenrod, unterstützt die
BesetzerInnen!


Stattdessen: massiver Ausbau der Schienenwege im Kernnetz wie auch in
der Fläche, durchgehende Elektrifizierung, ausschließliche Speisung
aus regenerativen Energien!


Massive Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene! Ausbau von
Gleisanschlüssen zu Fabriken! Beförderungszwang zum Transport auf
der Schiene für Unternehmen ab einer bestimmten Produktionsgröße!
Für einen kostenlosen Nah- und Berufsverkehr!


Für den Aufbau eines Antikrisenbündnisses, das den Kampf gegen die
Klimakrise mit der Abwehrschlacht gegen soziale Angriffe,
Entlassungen und Kurzarbeit verbindet! Ein Anfang dafür kann die
„Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG)“ sein –
unterstützt diese!


Keine einzige Entlassung in der Transportindustrie wegen
Verkehrswende oder Wirtschaftskrise! Verteilung der Arbeit auf alle!
Für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich!
Schnellstmögliche Umstrukturierung der gesamten Industrie,
demokratisch geplant und kontrolliert durch die ArbeiterInnenklasse!

– Bezahlung der Verkehrswende durch eine massive Steuer auf Profite und große Privatvermögen! Die Kapitalist_Innen haben die Krise zu verantworten, also müssen sie dafür zahlen!

– Enteignung des gesamten Verkehrssektors unter Arbeiter_Innenkontrolle, erkämpft durch Massenstreiks und Fabrikbesetzungen!


Weder B3 noch A49 noch Güterzugtrasse vor der Tür!
Restrukturierung, Aufhebung der Kluft zwischen Stadt und Land, so
dass Lebensräume und Verkehrswege weitgehend voneinander getrennt
sind!

– Entwicklung eines integralen Notfallplanes fürs Klima durch die Arbeiter_Innenklasse, der die Produktion an den Bedürfnissen der breiten Menschheit ausrichtet statt an Profitinteressen – nur so kann so wenig wie möglich Verkehr produziert werden!

Es
ist klar, dass wir mit bloßen Appellen an die Autoindustrie, an
Scheuers Ministerium, ja generell an den bürgerlichen Staat, an die
Grünen, die SPD-Führung und an IG-Metall-Betriebsräte bei VW und
Co. das Klima nicht retten werden. Die BesetzerInnen im Baum wissen
das. Sie wissen auch, dass Baumbesetzungen noch keine umfassende
Verkehrswende bringen. Lasst uns weitergehen und entschlossen
handeln: vom abstrakten „System Change“ hin zu konkretem
Antikapitalismus.




Klimabewegung: Weiter machen wie bisher?

Lars Keller

So – es wurde Zeit, Klimabewegung is back in big! Am 25. September ruft Fridays for Future zum globalen Klimastreik auf, Ende Gelände startet im gleichen Zeitraum (23.-28. September) Aktionen im Rheinischen Braunkohlerevier, auch wir sind am Start!

Unsere Ausgangslage ist dabei deutlich beschissener als noch vor rund einem Jahr, als Millionen auf die Straße gingen, um für eine effektive Klimapolitik zu demonstrieren. Praktisch und ein kleiner Trost wär’s gewesen, wenn die Corona-Krise die menschengemachte Erderwärmung zumindest ein kleines Bisschen kühl angehaucht hätte– aber nix davon! Es wird davon ausgegangen, dass 2020 höchstens 7 % weniger CO2 emittiert werden als 2019 (dpa), zu wenig, um irgendetwas gegen den Klimawandel auszurichten.

Und auch sonst sieht’s miese aus. Statt aus der Kohleverstromung auszusteigen, gibt’s mit Datteln IV einen nagelneues Steinkohlekraftwerk. Die Lufthansa wird vom deutschen Staat mit gigantischen Summen gerettet, die selbstinszenierte Klimavorreiterin Deutsche Bahn muss 2 Mrd. Euro allein beim Personal einsparen und zu einem großen Teil mit Datteln-Strom fahren. Die deutsche Autoindustrie kriegt Milliarden in den Arsch geblasen, wer sich ein E-Auto kauft, kriegt fette Zuschüsse für ein Fahrzeug, das überhaupt erst nach 8 Jahren grüner ist als ein Benzinauto…und auch mit Strom aus fossiler Energie fährt.

Corona und die Krise und die Umwelt

Die Rettung der Lufthansa und erhöhte staatliche Förderungen in der Autoindustrie sind unmittelbare Folgen der Coronavirus-Pandemie, welche zu einer massiven Wirtschaftskrise führte. Wäre also ohne Corona wirtschaftlich alles super? Nein, sicher nicht. Corona ist zwar der Auslöser der Krise, ja. Aber genau genommen erleben wir weltweit betrachtet eine durchgehende Krise seit 2008 / 2009. Corona hat diese massiv verschärft, irgendeine Verschärfung war aber sowieso überfällig und wurde seit gut zwei Jahren erwartet von Ökonom_Innen erwartet.

Warum kommt’s eigentlich immer wieder zu Krisen – mit und ohne Virus? Es liegt an der Art und Weise wie der Kapitalismus funktioniert. Er trägt die niemals endende Ausweitung und Intensivierung der Produktion als Zwang in sich. Wer Kapitalist_In ist muss, um auf dem Markt zu überleben, den Großteil seines Gewinns erneut in die Produktion investieren. Genauso wie unsere Erde hat der Markt dabei aber eine Grenze. Irgendwann bietet sich für Kapitalist_Innen keine ausreichend attraktive Möglichkeit mehr, worin sie investieren können. An diesem Punkt befinden wir uns nun schon einige Jahrzehnte. Wenn es im industriellen Bereich kaum noch Möglichkeiten zur Investition gibt, fließt Kapital in unproduktivere Bereiche, es kommt zum Beispiel zu Immobilien- oder Kreditblasen. Hinter den Geldgewinnen steckt hier kein realer Gegenwert mehr. Das bringt den Kapitalismus in eine Schieflage, bis ihn zum Beispiel ein Virus (2020) oder eine Bankenpleite (2009) zum Kippen bringt. Kein Gesetz, keine „Degrowth-Politik“ kann diesen Mechanismus unterbinden, die Konkurrenz selbst verhindert das. „Degrowth-Politik“ eines einzelnen Staates innerhalb des Kapitalismus heißt: wirtschaftlicher Selbstmord.

Was hat das jetzt mit der Krise der Umwelt zu tun? Sehr viel. Auch wenn eine Krise erst mal dafür sorgt, dass z.B. weniger CO2 emittiert wird, weil Fabriken die Produktion drosseln, so ist auf lange Sicht eine Krise ein Brandbeschleuniger für den Planeten. Denn nur weil Krise ist, hört die Konkurrenz zwischen Kapitalist_Innen und ihren Staaten nicht auf – sie wird im Gegenteil viel brutaler und auf Kosten der Umwelt und der breiten Masse der Bevölkerung ausgetragen. Beispiele gibt’s nicht erst seit Corona. China befindet sich seit Jahren im wirtschaftlichen Aufstieg und scheißt dabei großzügig auf Klima- und Umweltpolitik. Die USA sehen sich davon bedroht und kündigten 2017 den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen an (das selbst ein Witz war).

Nur wer kapiert, dass es eine zugespitzte internationale Konkurrenz gibt, wird verstehen, warum die Bundesregierung die Lufthansa und die Autokonzerne mit Milliarden auffängt. Es geht um die Konkurrenzfähigkeit deutscher Kapitalist_Innen auf der Welt. Der Staat agiert nicht zufällig so, denn er ist selbst ein kapitalistischer Staat und eng verwoben mit den Konzernen und Banken.

Die Konkurrenz selbst gipfelt im Kapitalismus darin, dass die stärksten Mächte immer wieder an den Punkt gedrängt werden um die Neuaufteilung der Welt in Einflussgebiete, Absatzmärkte, Rohstoffquellen und Produktionsstandorte zu kämpfen – wir sprechen vom Imperialismus. Das geht politisch-diplomatisch, in letzter Instanz aber mit Gewalt, mit Krieg. Dabei versuchen diese Mächte ihre Krise auf drei Arten zu lösen:

– Abwälzung der Krisenkosten auf ihre eigene Bevölkerung, im Wesentlichen die Arbeiter_Innenklasse durch eine verschärfte Ausbeutung

– Abwälzung der Krisenkosten auf die halbkoloniale Welt, also schwächere, wirtschaftlich von großen Mächten abhängige Staaten, hier schlägt die Krise bereits jetzt brutaler zu, z.B. aufgrund miserabler Gesundheitsinfrastruktur

– Abwälzung der Krisenkosten auf andere Weltmächte
Das Ziel ist jeweils im Konkurrenzkampf auf Kosten Anderer zu überleben. Bei all dem kann es sich ein kapitalistischer Staat kaum leisten, auf einen wirklichen, effektiven Schutz der Umwelt zu Wert zu legen. Die Konkurrenz und ewige Produktionsausweitung tragen bereits in sich, dass es das nicht geben kann, eine Krise tritt dabei immer wieder auf und verschärft das.

Als würde das nicht schon reichen, droht noch ein weiterer Brandbeschleuniger. Die Coronakrise hat der politischen Rechten Rückenwind verliehen. So sammelt sich ein ekelhafter Sud aus Nazis, Verschwörungstheoretiker_Innen und Rechtspopulist_Innen bis weit in die bürgerliche Mitte hinein. Die Schnittmenge derer, die sowohl Corona als auch den Klimawandel leugnen, ist wohl groß. Dabei schaffen es Rechte mittlerweile nicht nur in ihren klassischen Hochburgen große Demos auf die Beine zu stellen. Die rechtsoffenen Aktionen von „Querdenken 711“ haben auch in z.B. in Baden-Württemberg Massen auf die Straße gebracht. Schon allein deshalb muss sich eine Klimabewegung ebenso dem Rechtsruck entgegenstellen. Dazu aber später noch mehr.

Und jetzt? Alles nur scheiße?!

Scheint fast so…aber es gibt auch eine Reihe von Chancen für die Umweltbewegung. Aber um diese zu erkennen, müssen wir uns fragen, was die Probleme von Fridays for Future und einem großen Teil der Umweltbewegung waren…schon bevor Corona uns zurückwarf.

Millionen Menschen auf der Straße, Bitten, Flehen, Weinen und Schreien gegenüber der Politik haben was gebracht? – nichts, also fast nichts…es brachte uns einen Joke, einen schlechten Witz, ein Klimapaket, das weder die Namen „Klima“ noch „Paket“ verdient hat. Ist die Regierung einfach nur taub und blöde, dass sie die gesellschaftliche Debatte, die wir anstießen, nicht hörten; unsere Forderungen auf tausenden Pappdeckeln nicht sahen? Nö. Sie macht, was sie als Regierung eines kapitalistischen Staates tun muss – nämlich Politik fürs Kapital. Sie kann nicht anders und will es davon abgesehen auch gar nicht anders. Klimapolitik gibt’s nur, wenn es der deutschen Exportindustrie nutzt. Und wir sollten ja nicht glauben, dass das mit einem Jakob Blasel oder einer Luisa Neubauer von Fridays for Future bzw. den Grünen an der Regierung anders liefe. Wer wie die Grünen den Kapitalismus grün anstreichen will, wird unterm Strich kapitalistische Politik machen…die niemals nie grün sein kann (siehe oben, Konkurrenz und so).

Am Rande bemerkt: Die LINKEN können aus der Klimabewegung gar keinen Erfolg ziehen. Gerade mal 1% der Befragten einer Tagesschau-Umfrage trauen der Linken eine gute Klimapolitik zu. Naja, wer Braunkohletagebaue in der Lausitz (Welzow II) unterstützt und auch sonst nichts gegen die Krise leistet hat’s wohl nicht besser verdient. Die anderen Parteien im übrigen auch nicht, aber die sind wohl besser darin ihre klimaschädliche Realpolitik umweltfreundlich zurechtzubiegen.

Mit den Bitten an die Regierung, RWE, VW und Co. muss das jetzt mal vorbei sein, es gab Zeit genug zu erkennen, dass damit nichts zu erreichen ist, was den Planeten lebenswert hält. Die Strategie muss eine andere sein – eine antikapitalistische.

Was heißt das? Das heißt z.B. VW, RWE und Co nicht zu bitten, mehr fürs Klima zu tun, sondern sie zu enteignen! Kein Profit mit der Zerstörung des Planeten! Und dann? Wer übernimmt die Kraftwerke usw.? Der Staat? Jein. Enteignen heißt zwar erst mal, dass die Betriebe in Staatshand übergehen, aber der Staat besitzt diese erstens sowieso schon teilweise und zweitens kann er sie genauso schmutzig weiterführen. Es ist eine Frage der Kontrolle.

Wir stellen uns vor, dass die Beschäftigten selbst die Produktion kontrollieren sollen, umgestalten sollen, sodass z.B. schnellstmöglich eine Autoproduktion massiv auf Schienenfahrzeuge umgestellt wird. Alles, was damit verbunden ist – Produktionsumbau, Umschulung usw., haben die Kapitalist_Innen zu zahlen!

Aber sind die Arbeiter_Innen denn dafür zu haben? Die haben ja auch Fridays for Future so gut wie nicht unterstützt! Tja, weil sie davon nicht so richtig angesprochen waren. Die Erfahrung ist nämlich, dass sie z.B. in Form einer CO2 Steuer eine unzureichende Klimawende bezahlen. Aber es ist nicht so, dass Arbeiter_Innen grundsätzlich nicht gewinnbar wären. Es gibt einige Chancen:

– die Tarifverhandlungen von Ver.di zum Nahverkehr sind ein wunderbarer Anknüpfungspunkt für uns. Es gilt Druck mit den Arbeiter_Innen zusammen auf Ver.di und die Bosse zu machen und einen kostenlosen, gut ausgebauten Nahverkehr zu fordern, mit höheren Löhnen für Beschäftigte und verkürzter Arbeitszeit, bezahlt durch eine Besteuerung der Profite der Autokonzerne

– die Krise führt zu großen Entlassungen und Kurzarbeit. Dagegen sollten wir fordern: Wir zahlen nicht die Krise der Bosse! Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und keine Entlassung! Geplante Umstellung der Produktion auf eine wirklich nachhaltige Basis!

– die Coronakrise zeigte die Instabilität unseres Gesundheitssystems. Warum fordert nicht auch Fridays for Future eine kostenlose, gut ausgebaute Gesundheitsversorgung sowie Kommunalisierung der Krankenhäuser?

Hä? Aber die letzte Forderung hat doch gar nichts mit der Umwelt zu tun?!
Erstmal hat alles mit der Umwelt zu tun, z.B. wenn ein Krankenhaus eine Uralt-Heizung verwendet. Zentral ist aber zweitens folgendes: Die Klimabewegung muss es schaffen Kämpfe zu verbinden, dabei eine Antikrisenbewegung aufbauen und sich mit der Arbeiter_Innenklasse insgesamt zu verbünden. Nur sie könnte überhaupt eine Enteignung von VW und Co grün umsetzten.

Kämpfe verbinden heißt auch, eine klar antirassistische Haltung zu beziehen, sich dem Rechtsruck entgegenzustellen. Da reicht es nicht, auf Instagram die Evakuierung Morias zu fordern, sondern offene Grenzen und einen antirassistischen Selbstschutz aufzubauen und genau das überall zu fordern, sei es in Garzweiler oder auf einem Verdi Streik. Die Klimakrise ist der Fluchtgrund Nr. 1.

Wenn wir anfangen, diese Perspektive zu diskutieren und zu fordern, eine antikapitalistische und antirassistische Bewegung gegen die Krisen in Umwelt, Gesundheit, den Betrieben und nicht zuletzt an mörderischen Grenzen aufzubauen, dann kann es möglich sein, dass die Klimabewegung die Initiatorin wird, den Rechtsruck und die Angriffe der Regierung und Konzerne aufzuhalten.

Die Alternative heißt sie weiter anzuflehen und daran zu verzweifeln.




Aufruf zum Klimaherbst mit Ende Gelände und Fridays for Future:

Fight the Crisis – Wenn nicht mit Bitten, dann mit Enteignung!

Diesen Herbst erwarten uns nicht nur neue Temperaturrekorde, sondern
auch internationale und bundesweite Mobilisierungen gegen die aktuelle
Umwelt- und Energiepolitik.

Am 25.9. wollen wir uns in vielen Städten am globalen Klimastreik
beteiligen und am 26. und 27.9. das rheinische Braunkohlerevier
blockieren!

 Denn gigantische Buschbrände, Hitzerekorde, Gletscherschmelzen und
Naturkatastrophen machen keine Pause, nur weil gerade eine weltweite
Pandemie ausgebrochen ist. Vielmehr sehen wir, dass Klima-, Gesundheits-
und Wirtschaftskrise untrennbar miteinander verbunden sind. Es ist die
Art und Weise, wie wir produzieren und wer die Produktion kontrolliert,
die darüber bestimmt, ob wir in der Lage sein werden, diese Krisen zu
bewältigen.

Eine Produktionsweise, die sich am Profit und nicht an der
Befriedigung der Bedürfnisse von Mensch und Natur orientiert, wird nur
weitere Krisen auslösen und ihre Kosten auf den Schultern der Jugend,
der ärmeren Länder und der Lohnabhängigen abladen. Kapitalismus macht
krank und zerstört Klima und Gesundheit!

Und was ist die Antwort der Regierung? Während bei der Deutschen Bahn
Massenentlassungen drohen und die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland
allein im März um 33 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist, pumpt
die Bundesregierung Milliarden in klimaschädliche Konzerne wie die
Lufthansa. Gleichzeitig werden Corona-Leugner_Innen und
Regenwaldkiller_Innen wie Bolsonaro hofiert, während es in Brasilien zu
einem Massensterben aufgrund von Covid-Infektionen kommt. Den Gipfel der
Ignoranz stellt das neue sogenannte „Kohleausstiegsgesetz“ dar und ist
eine Beleidigung für alle von uns, die im letzten Jahr ernsthaft für
Klimagerechtigkeit gekämpft haben. Von Ausstieg ist dort keine Rede,
sondern lediglich von einem milliardenschweren 18-jährigen
Stützungsprogramm. Ganz nebenbei wurde dann heimlich mit Datteln 4 noch
ein weiteres Kohlekraftwerk eröffnet. Ob’s nun darum geht, unsere Erde
zu retten oder den Schaden von Corona klein zu halten: Wir sehen, dass
die Profite weniger immer über dem Interesse der Mehrheit stehen.

Obwohl die Klimabewegung international riesige Menschenmassen hinter
sich vereinigen konnte, hat sie außer medialer Aufmerksamkeit kaum etwas
erreicht. Wir können also nicht weiter machen wie bisher. Wir haben
keine Illusionen in das Parlament und wollen auch nicht bei der nächsten
Wahl in den Bundestag einziehen um dann Lobbyist_Innen anzubetteln,
dass sie unsere Erde retten. Wir wollen das Problem an der Wurzel
packen! Wenn Bitten an Politik und Wirtschaft nichts bringen, können wir
nicht einfach selber zu denen werden, die das System mit verwalten.
Stattdessen müssen wir durch Streiks Druck aufbauen und zum Mittel der
Enteignung unter Arbeiter_Innenkontrolle greifen, da unsere Forderungen
nicht gehört werden.

Wir fordern Organisationen wie die Linkspartei, SPD und
Gewerkschaften auf, ihre gesamte Mitgliedschaft für die Aktionen zu
mobilisieren und sich gegen die kommenden Angriffe zu wehren. Denn wir
brauchen keine Predigten für „nationale Einheit“, wir brauchen keinen
Kuschelkurs mit dem Kapital. Stattdessen gibt es mit der Perspektive,
die zentralen gesellschaftlichen Sektoren wie Gesundheitssystem,
Industrieproduktion, Energie und Bildung unter demokratische Kontrolle
zu bringen und nicht der kapitalistischen Profitlogik zu überlassen,
einen Weg, wie wir kollektiv und solidarisch gegen Klimawandel,
Wirtschaftskrise und Pandemie kämpfen können.

 Lasst uns als Klimabewegung voranschreiten und Kämpfe miteinander
verbinden, um erfolgreich zu sein! Lasst uns für eine globale
Antikrisenbewegung kämpfen, die uns als Jugendlichen, Lohnabhängigen und
Migrant_Innen eine unabhängige Stimme verleiht und die kommenden
Angriffe auf Klima, Löhne, Bildung und Sozialsysteme abwehren kann –
eine Antikrisenbewegung, die international und antirassistisch ist,
sonst kann sie keinen Erfolg haben! Internationale Krisen lassen sich
nicht von einem Land aus bekämpfen und nationale (Schein-)Lösungen
bedeuten letztlich nur, dass andere Länder stärker ausgebeutet werden,
um kleine Verbesserungen vor der eigenen Haustür zu schaffen. Unsere
Partner_Innen sind dabei nicht die Grünen oder die NGOs, die durch ihre
Beteiligung am Kohle„kompromiss“ die Klimabewegung verraten haben.
Vielmehr ist es die organisierte Arbeiter_Innenklasse, die durch ihr
Mobilisierungspotential und ihre Stellung in der kapitalistischen
Produktionsweise zusammen mit uns das System aus den Angeln heben kann.
Dafür müssen wir ihr zum Beispiel in den Tarifrunden im ÖPNV solidarisch
zur Seite stehen und unsere Kämpfe verbinden!

  • Schließt Euch unserem Block im globalen Klimastreik und bei Ende
    Gelände an, wenn Ihr auch der Meinung seid, dass wir Wirtschafts- und
    Klimakrise nicht durch Bitten, sondern nur durch Enteignungen stoppen
    können!
  • Für ein Mindesteinkommen, kostenlosen Nahverkehr und
    umfangreiche Gesundheitsversorgung für alle, bezahlt aus der Besteuerung
    von Profiten und Vermögen!
  • Für die Vergesellschaftung von Energie, Verkehr und Produktion
    unter demokratischer Kontrolle der Produzent_Innen und
    Verbraucher_Innen! Gegen jede einzelne Entlassung!
  • Für eine klimafreundliche Umgestaltung von Produktion, Energie
    und Verkehr, kostenlose Umschulung der Beschäftigten und einen
    gemeinsamen Branchentarifvertrag!
  • Anerkennung von Klimakrise und Corona-Pandemie als Fluchtgründe!
    Für offene Grenzen und volle Staatsbürger_Innenrechte für alle! Kampf
    gegen den Rassismus! Selbstverteidigungsstrukturen in Betrieben, Kiezen
    und überall, wo es notwendig ist!
  • Lasst uns diese sozialistische Perspektive der kommenden Krise
    und dem/den mit ihr wachsenden Rassismus, Militarismus und
    Verschwörungstheorien entgegenstellen!

Wenn ihr den Aufruf oder den Block unterstützen wollt, schreibt uns bei Facebook, Instagram oder per Mail an germany@onesolutionrevolution.de !




6 Gründe, warum wir eine linksradikale Antwort auf das Corona-Management der Bundesregierung brauchen

Resa Ludivine

Noch Mitte Februar hat die Bundesregierung versucht, die
Gefahr der Corona-Pandemie kleinzureden. Der in China schon längst wütende
Virus schien noch als ferne Kleinigkeit, eigentlich nur wie eine Grippe.
Erstmal Abwarten war die Devise. Ende März sah die Lage dann schon ganz anders
aus.

Es folgten zahlreiche Debatten über Wirksamkeit und Unwirksamkeit von Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Schulen, Unis und Kitas wurden geschlossen, weite Teile der Bevölkerung fanden sich in Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit wieder. Bis Mitte Mai gab es auch in Deutschland starke Einschränkungen wie z.B. die Einschränkung des Versammlungsverbotes, die Abriegelung der Außengrenzen sowie die Schließung öffentlicher Einrichtungen.

1. Groko ist rassistisch!

Um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, entschied sich
auch die BRD, nach langem Zögern, zu einer Art „lockdown-light“. Wo andernorts
die Menschen wochenlang nur zum Einkaufen im nächstgelegenen Supermarkt vor die
Tür durften und bei Zuwiderhandlung kräftig zur Kasse gebeten wurden (wie bspw.
in Frankreich), gab es in Deutschland nur lokal beschränkt harte „lockdowns“.
Hintergrund dessen war nicht nur der Unmut in der Bevölkerung, sondern auch
Profitinteresse, weswegen es nicht verwundert, dass es zur Aufrechterhaltung
vieler unnötiger Arbeiten kam.

Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten in Deutschland
überproportional häufig unter schlechten Arbeitsbedingungen. Insbesondere sie
sind es, die nun unter unzureichendem Infektionsschutz und mangelndem
Hygiene-Equipment auf ihren Arbeitsplätzen zu leiden haben. Außerdem sind sie
es, die häufig als erste entlassen werden.

Die Debatte um landwirtschaftliche Saisonarbeitskräfte aus
Osteuropa hat erneut gezeigt, dass im Kapitalismus Profitinteressen mehr als
Menschenleben zählen, da die Grenzen unkompliziert für dringend benötigte
Arbeitskräfte geöffnet werden konnten, aber schutzbedürftigen Geflüchteten
verschlossen blieben. Die schnellen Grenzschließungen im gemeinsamen Block des
„Europas der Freizügigkeit“ zeigen auch, dass sich in der Krise nun doch jeder
Nationalstaat selbst am nächsten ist. Das gilt allerdings auch für die
europäischen Außengrenzen. Nicht nur an denen, sondern auch in Lagern für
Geflüchtete innerhalb Europas werden die Geflüchteten sich selbst überlassen.
Die schon vorher prekäre Lage verschlimmert sich. Doch wo nicht einmal
fließendes Wasser vorhanden ist und Menschen zusammengepfercht leben, müssen
wir weder über Hygienevorschriften noch über „Social-Distancing“ reden. Ein
gefundenes Fressen für das Virus. Wir brauchen eine Gesundheitsversorgung für
alle! Portugal hat bewiesen, dass es möglich ist – gleich zu Beginn der Krise
wurde allen Geflüchteten die Staatsbürger_Innenschaft ermöglicht – damit sie
Zugang zum Gesundheitssystem haben. Doch hier in Deutschland fallen weiterhin
Menschen aus dem Raster der Gesundheitsmaßnahmen, nicht nur weil sie bspw. auf
der Straße leben und ihnen daher der Zugang erschwert ist, sondern auch weil
die, in den letzten Wochen so oft betonte Abstandsregelung, eben nur für
„Bürger_Innen 1. Klasse“ gilt. Der Skandal um eine steigende Zahl der
Infektionen in Unterbringungen von Arbeiter_Innen in Schlachthöfen hat das
gezeigt. Dasselbe Problem haben wir aber auch in Unterkünften für Geflüchtete.

Gleichzeitig trifft Corona gerade auch viele Krisenregionen außerhalb Europas stark, wo nun Hilfsgüter, allen voran medizinische Hilfen, knapp werden, weil es entweder lieber im eigenen Land genutzt wird oder dem ausgesetzten Transport zum Opfer fallen. Von internationaler Solidarität ist keine Spur. Und wieder einmal zeigt sich die große Schere zwischen imperialistischen Staaten und Halbkolonien sowie deren Abhängigkeit. Ebenso dass die vorher herrschende „Normalität“ nach der so viele in den imperialistischen Staaten rufen, eine „Normalität“ gebaut auf Ausbeutung und Unterdrückung ist. Doch kam die „Normalität“ in Form von „Wiedereröffnung“ der deutschen Wirtschaft bei uns relativ schnell. Dieses Vorgehen gehört zu den kurzfristigen Maßnahmen, um die deutsche Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen. Gleichzeitig macht das unvorsichtige Vorgehen eine zweite Welle immer wahrscheinlicher. Eine Welle, die in Kauf genommen wird, nur um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

2. Groko ist unsozial!

Seit
Jahrzehnten erzählen uns Finanzminister_Innen, dass Deutschland seine
Staatsschulden abbauen müsse. Etliche Sozialkürzungsmaßnahmen, Bildungsabbau
und Sparprogramme wurden mit dem Argument gerechtfertigt, die Neuverschuldung
möglichst gering halten zu müssen. Die Corona-Krise veranlasste die
Bundesregierung nun zu einer 180 Grad-Wende: Plötzlich ist massig Geld da und
die Milliardenkredite sprudeln aus der Staatskasse. Allerdings fließen diese
nicht in öffentliche Dienstleistungen oder Sozialhilfe, sondern in die
Privatwirtschaft. Geld scheint also eigentlich da zu sein, wenn es einen
politischen Willen dafür gibt. Mit dem neuen Konjunkturpaket sollen nun weitere
130 Milliarden Euro investiert werden, um die Wirtschaft wieder zum Laufen zu
bringen. Dabei wurden zuvor bereits mehrere Billionen Euro zu diesem Zweck an
Unternehmen verschenkt. Trotzdem prognostizieren Wirtschaftsforschungsinstitute
immer noch einen Abfall des BIPs, wie ihn Deutschland seit dem Ende des Zweiten
Weltkrieges nicht mehr gesehen hat. Entweder denkt die Bundesregierung also,
dass es 130 weitere Milliarden jetzt rausreißen oder sie sieht angesichts ihrer
pro-kapitalistischen Haltung keine andere Möglichkeit als noch mehr Geld in die
Unternehmenskassen zu pumpen. Für alle anderen, die leider keine
Produktionsmittel besitzen, heißt es nun den Gürtel enger zu schnallen. Wer
hier gerettet wird und wer dafür zahlen soll ist eine eindeutige Klassenfrage:
Die Armen zahlen, damit die Reichen gerettet werden. Die Corona-Pandemie hat
dabei die ohnehin massive soziale Ungleichheit zusätzlich verstärkt

Gerade wenn wir über den deutschen Tellerrand hinaussehen wird das umso klarer. Wer hungern muss und in Schulden gerät auch! Die Unfähigkeit der bürgerlichen Regierung und des kapitalistischen Systems an sich, zeigt sich darin, dass die GroKo nicht einmal den starken Anstieg der Lebensmittelpreise unter Kontrolle bringen konnte. Im Vergleich zum April 2019 stiegen die Preise um ca. 14%. Bei laufenden Kosten, Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit durch Corona ist klar, dass das gerade ärmere Haushalte schwer trifft. Die einmalige 300 Euro Unterstützungszahlung für Familien ist nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein.

3.Groko ist klimaschädlich!

Mit der kommenden Wirtschaftskrise, deren Auslöser die Pandemie ist, rollt nun neben der Klimakrise eine weitere Krise auf uns zu. Obwohl es keine Zweifel daran gibt, welchen großen Anteil Autos und Flugzeuge an der Produktion klimaschädlicher Emissionen haben, machte die Groko im Handumdrehen Milliarden für die Automobilindustrie und Luftfahrtkonzerne frei. Die Kaufprämie für E-Autos, die mit dem neuen Konjunkturpaket beschlossen wurde, soll dabei als ökologisches Feigenblatt dienen. Dabei haben diese selber einen extrem hohen Ressourcenverbrauch und es ist nicht bewiesen, dass durch den Kauf eines neuen E-Autos tatsächlich Emissionen eingespart werden. Vielmehr stellt die Kaufprämie eine weitere Finanzspritze für die deutsche Autoindustrie im grünen Schafspelz dar. Auf der anderen Seite wird dann bei wesentlich klimafreundlicheren Fortbewegungsmitteln wie der Bahn nun kräftig gespart, sodass viele Beschäftigte entlassen werden sollen. Überdies nutzt die Groko die Tatsache, dass es durch Corona ein wenig ruhiger um die Umweltbewegung geworden ist, um das neue Steinkohlewerk „Datteln“ ans Netz zu bringen. Bei all dem, was uns in den Monaten zuvor über den Kohleausstieg erzählt wurde, ist das nun der Gipfel der Dreistigkeit. Unter dem Vorwand „die Wirtschaft zu retten“ werden also die kleinen ökologischen Fortschritte, die wir uns in den letzten Jahren erkämpft haben, wieder rückgängig gemacht.

4. Groko ist sexistisch und jugendfeindlich!

Zu den sozialen, langfristigen Folgen, für die sich die
Groko nicht interessiert, gehört auch der Backlash den derzeit Frauen* in der
BRD erleben müssen. Die Krise hat gezeigt, dass gerade sie an vorderster Front
belastet sind, weil sie in systemrelevanten Jobs für wenig Geld schuften und
gleichzeitig noch die Reproduktionsarbeit daheim organisieren. In Heimarbeit
wurden sie zurückgedrängt in ein Frauenbild der 50er Jahre. Klar ist, dass bei
Entlassungen im Betrieb gerade sie betroffen sein werden. Nebenbei ist auch die
Zahl häuslicher Gewalt gegenüber Frauen und Kindern nicht nur in Deutschland
gestiegen.

Parallel dazu ist auch die Jugend stark getroffen, müssen wir doch um unseren Eintritt in den Arbeitsmarkt nach Ausbildung oder Studium bangen, um auf eigenen Beinen zu stehen. Noch fataler sieht die Lage bei schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen aus. Das Homeschooling hat Bildungslücken aufgerissen, die gerade für Kinder aus ärmeren Familien nicht zu schließen sein werden. Zu Hause müssen wir häufiger größere Anteile der Hausarbeit übernehmen, also einkaufen gehen, putzen, kochen und Care-Arbeit, also uns z.B. um Verwandte kümmern, die krank sind. Es gibt aber auch einige unter uns, die schon arbeiten oder eine Ausbildung machen. Dort sind wir die ersten, die entlassen werden, weil wir häufig nur Zeit- oder Honorarverträge, nur als Minijob angestellt sind, oder gar keinen offiziellen Arbeitsvertrag haben. Das macht es den Arbeitgeber_Innen leichter, uns zu kündigen. In anderen Fällen, zum Beispiel im Supermarkt, Essenslieferanten, Landwirtschaft, sind wir die, die als erste wieder zur Arbeit geschickt werden, weil wir zu jenen gehören, die nicht in der Risikogruppe sind. Höhere Löhne will uns unser_E Chef_In trotzdem nicht zahlen.

5. Groko hat keinen Plan!

Das bisherige Krisenmanagement der Bundesregierung zeichnet sich durch ein starkes Hin- und Her-Schwanken aus. Mal wird alles heruntergespielt, dann werden vergleichsweise radikale Maßnahmen getroffen und dann wird wieder versucht alles schnell rückgängig zu machen. Grund dafür sind unter anderem die gespaltenen Kapitalinteressen der einzelnen Sektoren, die zum Teil noch angefeuert wurden durch den deutschen Föderalismus, der ein einheitliches Handeln noch weiter erschwert. Hierbei hat die GroKo noch Glück im Unglück, dass ihre Maßnahmen auf ein Gesundheitssystem treffen, dass nicht ganz so massiv wie in Großbritannien oder den USA heruntergespart wurde. Ihr Beitrag daran, dass die Maßnahmen erfolgreich erscheinen, ist demnach nur gering. Man darf sie daher nicht daran messen, sondern daran, wie sie mit den wirtschaftlichen Folgen für die Bevölkerung umgeht. Hier zeichnete sich bereits kurz nach den pandemiebedingten Schließungen ihre Inkompetenz ab, für das Wohl und die Gesundheit der Bevölkerung zu entscheiden. Nicht nur die Stimmen der Coronaleugner_Innen wurde immer lauter, auch die der Schlüsselindustrien, des Einzelhandels, des Gaststättengewerbes und weiterer Lobbygruppen, bis sie sich ihren Wünschen schließlich beugten. Besonders sticht heraus wie die einzelnen Bundesländer wetteiferten, ihre eigenen Kapitalinteressen zu befriedigen und die Entscheidungen der Bundesregierung dafür regelrecht untergraben wurden. Ein weiterer Grund für den Zickzack-Kurs der Groko ist der internationale Wettbewerb zwischen den einzelnen Kapitalen. Wer die Wirtschaft zu erst wieder hochfährt steht auch besser in der Konkurrenz da und kann neue Marktanteile erobern. Das Wettrennen um Marktanteile sowie einen Impfstoff ist noch in vollem Gange.

6. Die „linke Opposition“ kuschelt lieber mit den Kapitalist_Innen anstatt Widerstand aufzubauen!

Dass selbst in der Krise nicht schnell gemeinsame Maßnahmen
ergriffen wurden, zeigt die Schwäche der Groko. Dass anstelle dieser Situation
auszunutzen sich für den nationalen Schulterschluss entschieden wurde, zeigt
hingegen die Schwäche der Sozialdemokratie, allen voran der Gewerkschaften.
Dieser Burgfrieden, der sich im Zuge der Krise formiert hat (sprich: alle
Parteien arbeiten Hand in Hand mit Kapital und die Gewerkschaften schweigen)
geschieht angeblich im Sinne der „Bevölkerung“. Jedoch ist es keine Politik im
Sinne der Arbeiter_Innenklasse! Anstelle dass sie und auch die Linkspartei
alles kritiklos mittragen, hätten sie eine Opposition bilden müssen. Gegen die
Massenentlassungen, gegen ein (im europäischen Vergleich geringes)
Kurzarbeiter_Innengeld, gegen die Aufrechterhaltung unnötiger Arbeit!

Die Krise hat einmal mehr die Schwächen des kapitalistischen
Systems entlarvt, denn es kann nicht effizient die Pandemie bekämpfen und
gleichzeitig die Wirtschaft retten. Jetzt ist der Zeitpunkt genau dies aufzuzeigen
und die Arbeiter_Innen gegen die „Krisenpolitik“ der GroKo zu organisieren.
Doch diese Intention war bei den Reformist_Innen nie vorhanden und man schaut
lieber weiter schweigend zu, während die CDU am meisten vom Burgfrieden der
Linken profitiert. Sie versucht sich als „Partei der Vernunft“ zu inszenieren
und greift parallel dazu Arbeitszeitregelungen sowie den lang erkämpften und
immer noch zu niedrigen Mindestlohn an, indem sie ihn nicht an die Inflation
anpassen will. Solange die Politik des Burgfriedens von Linken, SPD und
Gewerkschaften weiterverfolgt wird, wird sich die soziale Ungleichheit weiter
zuspitzen.

Wenn
wir den Rechten die Rolle der Opposition jedoch nicht überlassen wollen,
brauchen wir also jetzt eine globale und klassenkämpferische Antikrisenbewegung,
die die Probleme der Menschen wahrnimmt, eine linke Kritik am Corona-Management
der Bundesregierung formuliert und internationale Solidarität lautstark auf die
Straßen trägt. Und diese Antikrisenbewegung beginnt da, wo die
Krise ist – im überlasteten Krankenhaus, in der Schule oder in den Fabriken,
die unter den derzeitigen Arbeitsbedingungen die Gesundheit der Arbeiter_Innen
auf Spiel setzt. Gemeinsam mit Mitschüler_Innen, Kommiliton_Innen und
Kolleg_Innen muss Vorort eine Opposition aufgebaut werden. Diese lokalen
Komitees können dann Widerstand organisieren, bspw. wenn die 2. Welle kommt,
können sie durch Streiks die Werks- und Schulschließungen erzwingen. An SPD, Linke und Gewerkschaften
kommen wir mit diesem Vorhaben jedoch nicht vorbei, denn ein Großteil der
organisierten Arbeiter_Innenklasse zählt zu ihren Mitgliedern. Doch um aktiven
Widerstand zu leisten, brauchen sie scheinbar einen kräftigen Arschtritt! Lasst
uns Aktionskonferenzen starten, an denen wir alle gemeinsam über ein Programm
und Aktionen diskutieren, die eine unabhängige Stimme der Unterdrückten
darstellen und aus der Krise führen können. Dabei müssen wir den Anschluss an
bestehende internationale Massenproteste wie die aktuelle
Black-Lives-Matter-Bewegung suchen und Themen wie Polizeigewalt und Rassismus
in unser Aktionsprogramm integrieren.

Als
Kommunist_Innen treten wir innerhalb dessen für eine sozialistische Perspektive
ein. Das heißt, dass wir die Produktion unter
Arbeiter_Innenkontrolle organisieren müssen. Denn nur so entkoppeln wir die
Produktion von Profitinteressen, die nicht nur sicheren Arbeitsbedingungen,
sondern auch bedarfsorientierter Produktion und Innovation – denken wir an den
Impfstoff – entgegenstehen. Ein dauerhafter Sieg sowohl über die pandemische,
sowie auch die kapitalistische Krise kann nur die fundamentale Veränderung des
Systems sein. Fest steht, dass im Sozialismus die Möglichkeiten zur Bekämpfung
der Krise nicht dort enden, wo die Kapitalinteressen anfangen. Auch der
Profitdruck fällt weg. Es wäre demnach viel einfacher, systemirrelevante
Betriebe zeitweise zu schließen, sowie die Produktion so umzustellen, dass
notwendige Produkte vermehrt hergestellt werden.