Was ist die Future von Fridays for Future?

Wir haben alle mitbekommen, dass seit die Corona-Zeiten angefangen haben, nicht mehr so besonders viel in FFF passiert ist, alles was geplant war musste ja auch abgesagt werden. Doch seien wir ehrlich: Auch vorher standen wir schon vor tiefgreifenden Problemen, deren Lösung nicht gerade an der Tür geklopft hat. Viele Aktvist_Innen waren erschöpft und ausgelaugt. Frustration und Desillusioniertheit haben sich in der Bewegung breit gemacht. Kein Wunder, denn so viel getane Arbeit, so viel erlittenen Repression haben uns nur ein paar Babyschritte weitergebracht. Die alte Idee mit NGOs und Grünen zusammen die Regierung zu bessserer Klimapolitik zu bewegen ist -wer hätte es gedacht- wieder nicht aufgegangen. Eine Strategiedebatte sollte stattfinden, ist dann aber auch unter den Corona-Zug geraten.
Niemand wird bestreiten, dass wir aus unseren Fehlern lernen und etwas ändern müssen, wenn die Bewegung nicht nach und nach in Stücke zerfallen soll. Denn Aufmerksamkeit ist zwar erreicht worden, aber wenn wir an der Klimapaket der Bundesregierung denken, reicht das offensichtlich. Wir müssen die Vorstellung vom grünen Kapitalismus über Bord werfen, wir brauchen konsequenten Umweltschutz statt immer neuen Kompromissen mit der Kohlelobby. Denn besonders in Krisenzeiten -wie die kommende Wirtschaftskrise, die sich langsam anbahnt- wird die „grüne“ Produktion teurer und unattraktiver für die Kapitalist_Innen. Außerdem werden Konzerne gerettet, die Profite einbringen wie wir es gerade am Beispiel der Autoindustrie oder Reisekonzerne sehen. Statt Appellen an den Staat müssen wir also anfangen uns selbst als Bezugspunkt zu setzen für die Veränderung, die wir brauchen.
Wir, die Menschen, die von den Krisen dieser Gesellschaft betroffen sind, müssen zu der gesellschaftlichen Kraft werden, die entscheidet wie die Produktion, wie die Gesellschaft aufgebaut ist. Um dahin zu kommen, brauchen wir konkrete Forderungen:

Verbesserungen statt Verbote! Die Konzerne sollen selber für den Klimawandel zahlen, den sie verursacht haben. Für die Bevölkerung keine höheren oder indirekte Steuern, sondern kostenlosen Nahverkehr! Keine EEG zahlen, sondern konstenlosen Ökostrom!

Produktion, Energiewende und Verkehr müssen demokratisch durch Produzent_Innen und Verbraucher_Innen kontrolliert werden anstatt sich an dem Profit auszurichten, der dabei rumkommt! Niemand soll einfach so entlassen werden, stattdessen bedarf es einer Umstellung der Produktion, kostenlose Umschulung, sowie einen gemeinsamen Tarifvertrag für Alle, die in der Energiebranche arbeiten!Klimagerechtigkeit funktioniert nur international! Anerkennung der Klimakrise als Fluchtgrund, offene Grenzen und volle Staatsbürger_Innenrechte für Alle! Außerdem sollen die Konzerne, die ihre Produktion auslagern und woanders die Umwelt zerstören zahlen!

Baut Komitees auf in euren Schulen, Unis und Betrieben! Wenn sie nicht heraus auf die Straße kommen, bringen wir die Themen zu ihnen. Diese Komitees müssen außerdem über zentrale Forderungen und Ausrichtungen der Bewegung abstimmen! Nur so können wir demokratisch, gemeinsam und transparent die Zukunft entscheiden!

Mit der kommenden Wirtschaftskrise, deren Auslöser die Pandemie ist, rollt nun neben der Klimakrise eine weitere Krise auf uns zu. Abwrackpremie und Milliarden für die Automobilindustrie, Datteln soll eröffnet werden und Stellenstreichungen bei der Bahn: Unter dem Vorwand „die Wirtschaft zu retten“ werden die kleinen Fortschritte, die wir uns in den letzten Jahren erkämpft haben wieder rückgängig gemacht. Unter dem selben Vorwand werden auch die Infektionsschutzmaßnahmen aufgelockert und dabei eine unnötig schwere 2. Welle in Kauf genommen. Für den Profit werden wir wieder in die Schule geschickt, obwohl sie einen der Hauptinfektionsherde darstellt.
Den Kampf dagegen können wir nicht führen ohne die Gewerkschaften. Diese haben so ein mächtiges Mobilisierungspotential, wenn sie nur wollen und objektiv haben sie das gleichen Interesse wie wir: Nicht für diese Krise zahlen! Zusammen müssen wir eine internationale Antikrisenbewegung aufbauen. 2019 waren wie so oft in der Geschichte wir, die Jugendlichen, wiedermal diejenigen, die vorgeprescht sind. Heute liegt es immernoch an uns!




Corona ist nicht die Heilung der Natur!

Yuna Hibbelig

,,Humans are the virus, corona is the cure.” (deutsch: Menschen sind das Virus, Corona ist die Heilung) Sprüche wie diese sind innerhalb der Umweltbewegung auf social media-Kanälen und online häufig vertreten – doch so eine Position finden wir ziemlich fascho. Warum? Weil es die Begründung enthält, dass es bestimmte Menschen verdient hätten, an Covid-19 zu sterben, während andere dann eine menschenleerere und angeblich ökologischere Erde genießen könnten. In dieser Aussage steckt also, dass das Leben einiger Menschen nicht so viel wert ist, wie das Leben anderer. Zum Beispiel Älterer und Risikogruppen sowie Menschen aus Ländern mit schlechteren Gesundheitssystemen bis hin zu Geflüchteten, die wie zum Beispiel in dem Geflüchtetencamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos, auf engstem Raum ausharren müssen. Diese Menschen sollen also sterben, um die Erde zu heilen.

Es wird dabei
außerdem unsichtbar gemacht, wie und warum gerade diese Menschen in
Lebenssituationen gedrängt wurden, in denen sie besonders von der
Pandemie betroffen sind. So wurde das Gesundheitssystem in
Deutschland jahrzehntelang heruntergespart, sodass nun nicht mehr
genügend Intensivbetten, Schutzkleidung und Beatmungsgeräte für
alle Erkrankten da sind. In anderen Ländern hat Deutschland fleißig
mitgeholfen, Spardiktate zu verhängen, sodass diese auch dazu
gezwungen wurden, ihre Gesundheitssysteme abzubauen und zu
privatisieren. Deutschland hat sie zusammen mit der Troika oder dem
IWF mit Krediten erpresst und so selber viel Geld verdient. Menschen
in ärmeren Regionen werden durch die Ausbeutung ihrer Heimatländer
dazu gezwungen, auf weitaus engerem Raum zu leben und haben häufig
keinen Zugang zu fließendem und sauberem Wasser, um sich an die
Hygienevorschriften zu halten. Versuchen sie vor diesen
Lebensbedingungen zu fliehen, werden sie an den europäischen
Außengrenzen zu Tausenden in Lager gesteckt und angesichts der
drohenden Pandemie ihrem Schicksal überlassen. Auch sind Menschen in
sogenannten „systemrelevanten“ Berufen stärker gefährdet, als
Menschen, die von zu Hause aus arbeiten können. Gleichzeitig sind
diese Berufe (wie z.B. Reinigungskraft oder Einzelhandel) oft die,
die von Frauen gemacht und schlechter bezahlt werden. Werden Menschen
in Ländern mit schlechterer medizinischer Versorgung oder mit
weniger finanziellen Mitteln zur Verfügung krank, sind ihre Chancen
darauf gesund zu werden weitaus geringer. Vor Allem in Ländern ohne
Krankenkassenvorsorge, wo die Menschen privat für ihre Behandlung
aufkommen müssen, wie den USA, sieht man dies besonders deutlich.
Dementsprechend sind nicht alle Menschen gleichmäßig von dem
Coronavirus betroffen, sondern die, die am meisten unter
Unterdrückung und Ausbeutung leiden. Und nun wird von diesen wird
nun auch noch verlangt zu sterben, damit sich der Rest ein geiles
Leben im Grünen machen kann.

Die vermeintliche „Überbevölkerung“

Die Rede von der
Überbevölkerung der Welt ist nichts Neues, sondern wurde schon
immer von Rechten und Herrschenden als Rechtfertigung genutzt. Die
Idee von der „Überbevölkerung“ kam auf, als sich der
Kapitalismus in Europa ausgebreitet hat und immer mehr Menschen der
Arbeiter_Innenklasse an Überausbeutung und Verelendung starben. Die
Herrschenden erklärten einfach, dass sowieso zu viele Menschen auf
der Welt leben würden und es deshalb schon ok wäre, wenn einige
davon wegsterben. Stattdessen waren die Arbeiter_Innen ja nur so arm,
weil die Kapitalist_Innen sich alle Profite in die eigenen Taschen
steckten. Da sich die Arbeiter_Innenklasse jedoch durch viele Kämpfe
einen gewissen Status erobern konnte, mussten die Herrschenden ihre
Theorie ein wenig umformulieren. Aktuellere Übervölkerungstheorien
besagen nun, dass wir weiterhin zu viele Menschen auf der Erde sind,
und deshalb einige sterben müssen, um wieder genügend Platz oder
Ressourcen wie Nahrungsmittel zu haben. Wenn sich gefragt wird, wer
sterben soll, wird heute vor allem auf die ärmeren Länder geschaut,
in welchen tatsächlich mehr Menschen auf engerem Raum leben. Das
liegt aber nicht unbedingt an der Menge der Menschen, sondern wie die
Ressourcen auf unserem Planeten aufgeteilt sind. Es gibt also eine
ungleichmäßige Aufteilung an Ressourcen wie Nahrungsmitteln, keinen
Mangel an diesen.

Zudem ist dieses
Denken zum einen ist zutiefst sexistisch, da Frauen in Ländern mit
einer höheren Bevölkerungszahl vorgeworfen wird, sie sollen weniger
Kinder bekommen, da sie ja sonst Schuld an der Übervölkerung
trügen. Zum anderen lässt es den Gedanken vollkommen aus, dass
manche Menschen viele Kinder benötigen um in einer kapitalistischen
Gesellschaft, in welcher sie die Benachteiligten sind, zu überleben.
Warum sollen die Menschen in den Ländern mit höheren Geburtsraten,
welche am meisten von Globalisierung und Ausbeutung betroffen sind,
wegen einer vermeintlichen „Übervölkerung“ auf gewisse
Vorteile, die andere Länder schon haben, verzichten und Opfer
bringen müssen, um unter Anderem gegen die Klimakrise und
Ressourcenknappheit vorzugehen.

Die Umweltbewegung braucht einen Klassenstandpunkt!

Doch wie konnte
sich so eine rassistische und sexistische Kackscheiße gerade in der
Umweltbewegung ausbreiten, die doch eigentlich für eine gute Sache
kämpft? Paradoxerweise gab schon immer eine Offenheit in der Rechten
für ökologische Positionen. Ihnen geht es jedoch dabei nicht um die
Erhaltung des Planten und Klimagerechtigkeit, sondern um die
Erhaltung ihres „Volkes“. Ihre obskuren Abstammungstheorien
erklären sie damit, dass jedes „Volk“ mit seinem Land
„verwurzelt“ sei. Im Nationalsozialismus wurde das die
„Blut-und-Boden-Ideologie“ genannt. Doch das ist einfach nur
faschistische Propaganda. Im Nationalsozialismus wurde sich praktisch
kaum um die Natur gekümmert. Auch in bürgerlich-konservativen
Kreisen entstand ein Wunsch nach verbessertem Umgang mit der Natur,
damit man den Wochenendausflug am Meer so richtig schön genießen
kann. Doch den muss sich erst einmal leisten können.

Fridays for Future, Extinction Rebellion oder Ende Gelände sind alles coole Bewegungen, die viel auf die Beine stellen. Jedoch werden sie entweder von NGOs oder Einzelpersonen angeführt, die keinen Klassenstandpunkt haben. Das heißt, dass sie sich nicht auf die Arbeiter_Innenklasse beziehen und nicht die Überwindung des gesamten Kapitalismus anstreben. Das wird dann wiederum zum Einfallstor für rechte Ideologien wie die Überbevölkerungstheorie, wie sie zuletzt in einzelnen XR-Ablegern aufgetaucht ist.

Kapitalismus ist das Problem – nicht der Mensch

Für uns als
REVOLUTION ist eins klar: Der Grund für Umweltzerstörung und
Klimaerwärmung ist nicht die Menschheit oder unser Wesen an sich,
sondern der Kapitalismus und dessen Ausbeutung der Menschen und des
Planeten. Der Kapitalismus ist also das Problem – nicht der Mensch
an sich. Doch die Überbevölkerungstheorie geht davon aus, dass alle
gleichwertig an der Klimakrise Schuld hätten. Natürlich ist das
falsch, denn die Schäden an unserem Klima werden vor Allem durch die
kapitalistische Produktionsweise und deren ständigen Kampf um
Profitwachstum gefördert. Außerdem geht sie davon aus, dass der
Mensch kein Teil der Natur wäre, was falsch ist. Der Mensch stammt
von Tieren ab und kann wie alle Lebewesen auf diesem Planten nur
durch die Wechselwirkung mit der Natur überleben. Da er eigentlich
ziemlich schwach ist, muss er das, mit anderen Menschen zusammen,
tun. Die Bearbeitung der Natur ist also eine natürliche Aufgabe des
Menschen, um zu überleben. Wie das jedoch genau passiert ist eine
politische Frage, die damit zusammenhängt, wie der Mensch, die
Gesellschaft, in der er lebt, organisiert. Aktuell sehen wir da nur 2
Optionen: Sozialismus oder Barbarei.

Barbarei
bedeutet, dass der Entwicklungsstand der Produktivkräfte auf ein
Niveau unter dem Kapitalismus zurückfällt. Konkrete Szenarien oder
Beispiele dafür wären Naturkatastrophen in Folge des Klimawandels,
ein Welt-/Atomkrieg oder eben eine Pandemie (die auch Folge des
Klimawandels sein kann). Eine Welt in solchen Szenarien hängt oft
zusammen mit Hungersnot und grundsätzlich verschlechterten
Umständen. Eindeutig keine coole Option.

Stattdessen
lohnt es sich, für eine sozialistische Revolution zu kämpfen und
die kapitalistischen Widersprüche positiv aufzuheben, indem
man die Gesellschaft an den Bedürfnissen des Proletariats und
dementsprechend an den Bedürfnissen der Menschheit (und damit auch
den Bedürfnissen der Natur, denn eine intakte Natur ist ein
menschliches Bedürfnis) ausrichtet. Stattdessen für Corona und eine
Dezimierung der Menschheit einzutreten ist nur eine reaktionäre
Verschiebung des Problems und keine gute, langfristige Lösung.




Fulda: REVO vor Ort!

Fulda: Schulleitung macht
Druck auf linke Schüler_Innen

Im
Zuge der Bewerbung einer Veranstaltung zu den Strategien der
Umweltbewegung, waren Mitglieder unserer Fuldaer Ortsgruppe an ihren
Schulen aktiv, um mit einem Flyer Mitschüler_Innen für die
Umweltproblematik zu sensibilisieren.

In
diesem Flyer argumentieren wir, dass es kein Zufall ist, dass die
Regierungen trotz alarmierender wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht
fähig und nicht willens sind ihre Politik zu ändern. Sie stehen
stellvertretend für eine kapitalistische Gesellschaftsordnung, in
welcher letztlich alles den Profitinteressen der Wirtschaft
untergeordnet wird – auch der Umweltschutz, denn dieser kostet
Geld. Nachhaltigkeit und Kapitalismus sind zwei unvereinbare
Widersprüche. Deshalb treten wir für eine sozialistische
Gesellschaft ein, in der sich die Wirtschaft an den Bedürfnissen
aller Menschen orientiert und
auch von diesen demokratisch und nachhaltig geplant wird.

Diese
Forderung reichte an einer Schule aus, um für Wirbel zu sorgen. Ein
Vater bekam den Flyer von seinem Sohn gezeigt und alarmierte umgehend
die Schulleitung. Von dieser forderte er Maßnahmen und sogar ein
Eingreifen der Sicherheitsbehörden, da die Überwindung des
Kapitalismus gegen die „freiheitlich-demokratische“ Grundordnung
verstößt. Die Schulleitung reagierte mit einer Mail an den
Elternbeirat, das staatliche Schulamt und den Beauftragten für
Extremismusprävention. Nun soll der Verfassungsschutz an die Schule
kommen und über „Linksextremismus“ aufklären.

Dabei
muss man sich vor Augen führen: In Hessen sind in letzter Zeit
mehrere Nazi-Netzwerke bei der Polizei aufgeflogen. Weiter gab es
zwei faschistische Terroranschläge. Mit dem NSU gab es 2006 noch
einen dritten. Durch Hessen zieht sich eine Blutspur des rechten
Terrors. Kam da mal jemand auf die Idee an Schulen darüber
aufzuklären? Fehlanzeige. Und jetzt setzen sich Schüler_Innen für
eine demokratische und nachhaltige Wirtschaft jenseits des
Kapitalismus ein und der Verfassungsschutz soll kommen!? Geht’s
noch!?

Wir
lassen uns von Schulleitungen und Eltern, die im Kampf für eine
gerechte und nachhaltige Welt ein Problem sehen, sicher nicht
einschüchtern und werden auch weiterhin an unseren Schulen aktiv
sein für die Überwindung des Kapitalismus!




Jugend und Corona – Keine Risikogruppe aber trotzdem am Arsch!

Paul Meyer

Bei
der Corona-Krise wird häufig über Risikogruppen und die Gefährdung
dieser geredet. Wir, die Jugend, werden in den Nachrichten häufig
als die dargestellt, die die Corona-Parties feiern und das Virus
verbreiten. Es wird dabei leider außer Acht gelassen, dass auch wir
unter dieser Krise zu leiden haben. Wir haben häufig keine Folgen
durch das Virus an sich, aber sehr wohl aus der daraus folgenden
Quarantäne. Vor allem durch die Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen,
die uns quasi zu Hause einsperren. Diese treffen aber besonders
ärmere Menschen, die es sich nicht leisten können, ein Netflix-
oder Spotify-Abo zu haben und kein Rückzugsort besteht, in dem sie
ihre Schulaufgaben in Ruhe machen und sich entspannen können. Dieses
Fehlen des Rückzugsortes beinhaltet häufig auch das Fehlen eines
eigenen PCs oder der Hilfe der Eltern. Wenn die Schule wieder
anfängt, ist das ein großer Nachteil, weil die anderen
Schüler_Innen viel weiter im Lernstoff sind, als die ohne Endgerät
und Ruhe. Wir können auch nicht mehr unsere Rückzugsorte besuchen,
wie zum Beispiel Jugendclubs, in welchen wir Raum für
Selbstbestimmung haben, eigene Erfahrungen sammeln und aus den Augen
unserer Eltern sind. Zu Hause müssen wir dann häufig Hausarbeit
übernehmen, also einkaufen gehen, putzen, kochen und Care-Arbeit,
also uns z.B. um Verwandte kümmern, die krank sind. Der Anstieg an
häuslicher Gewalt trifft nicht nur Frauen, sondern auch Kinder. Das
kommt unter anderem daher, dass wir unseren Familienmitgliedern nicht
mehr aus dem Weg gehen können. Diese sind vielleicht frustriert,
weil sie ihren Job verloren haben durch die Krise oder
durch Kurzarbeit nur noch 60% ihres Gehaltes bekommen. Die
Kinder der Gewaltopfer können sich dann auch häufig nicht bei einer
Stelle melden, die dafür zuständig ist, weil sie unter dauerhafter
Kontrolle ihrer Eltern stehen. Es fallen nicht nur Jugendclubs weg,
wo wir uns mit unseren Freund_Innen treffen, sondern auch der Ort, wo
wir sie tagtäglich sehen würden, die Schule. Es gibt aber auch
einige unter uns, die schon arbeiten oder eine Ausbildung machen.
Dort sind wir die ersten, die entlassen werden, weil wir häufig nur
Zeit- oder Honorarverträge, nur als Minijob angestellt sind, oder
gar keinen offiziellen Arbeitsvertrag haben. Das macht es den
Arbeitgeber_Innen leichter, uns zu kündigen. In anderen Fällen, zum
Beispiel im Supermarkt, Essenslieferanten, Landwirtschaft, sind wir
die, die noch zur Arbeit geschickt werden, weil wir zu jenen gehören,
die nicht in der Risikogruppe sind. Höhere Löhne will uns unser_E
Chef_In trotzdem nicht zahlen. Wir sind aber essentiell wichtig zum
Fortbestand vieler Firmen. Die AfD-Bundestagsfraktion schlägt vor,
dass Schüler_Innen zur Zwangsarbeit in die Landwirtschaft geschickt
werden, um „dem Vaterland unter die Arme zu greifen“ und
„Disziplin zu lernen“. Die AfD benutzt hier Rhetorik, die
an den Faschismus erinnert.

Warum
ist das alles so? Der Grund liegt im Kapitalismus, also der Form
unserer Gesellschaft und des Wirtschaftens. Dieser ist darum
aufgebaut, den Besitz einiger weniger krass zu vergrößern, die
restliche Gesellschaft von diesem Reichtum fernzuhalten und trotzdem
alles stabil laufen zu lassen, indem zum Beispiel gesagt wird, dass
einem Sachen nur zustehen, wenn man sie sich „verdient“ hat und
nicht bloß, weil man sie braucht oder es gerecht wäre. So werden
einige der verschiedenen Unterdrückungsformen erklärt, die der
Kapitalismus braucht, um zu funktionieren. Auch wir Jugendlichen
werden unterdrückt, da uns nicht zugestanden wird, selbstbestimmt zu
sein. So haben wir weder das Recht, frei über unseren eigenen Körper
zu entscheiden noch das Recht auf Eigentum, da jeder Besitz, der
eigentlich uns gehören müsste, im Zweifelsfall gesetzlich noch
unseren Eltern gehört und wir von ihnen abhängig sind, weil wir
eigenes Geld und darauf folgenden Möglichkeiten noch nicht
„verdient“ haben. Falls wir schon arbeiten, werden wir deutlich
schlechter bezahlt, weil wir es vor oder während der Ausbildung noch
nicht „verdient“ haben, genauso viel (oder eher wenig) wie die
anderen Arbeiter_Innen zu verdienen. Und Menschen wählen, die unsere
Interessen vertreten, dürfen wir auch erst viel zu spät, weil wir
es uns vorher noch nicht „verdient“ haben, mitzusprechen. Die
Bevormundung und Prekarisierung wird uns immer wieder eingehämmert,
sodass sich viele von uns schon damit abgegeben haben und keinen
Widerstand leisten wollen. Wir aber schon! Wir bestehen trotzdem auf
unsere Rechte und Freiheiten und fordern deshalb:

  • Für
    das Recht statt bei der Familie in selbstorganisierten Jugendzentren
    in Quarantäne zu gehen. Natürlich müssen auch hier Betreuung und
    alle nötigen Infektionsschutzmaßnahmen gewährleistet werden.
  • Für
    den Ausbau von Schutzhäusern für Betroffene von häuslicher
    Gewalt!
  • Abschaffung
    aller Lizenzen für Streamingplattformen und Musik! Kultur darf kein
    Privileg der Reichen sein!
  • Lernmittel,
    wie Softwarepakete oder auch technische Grundausstattung wie
    Computer und Drucker müssen allen Schüler_Innen kostenlos zur
    Verfügung gestellt werden! Keine Benotung von E-Learning-Aufgaben!
  • Für
    die gleichwertig bezahlte Freistellung von nicht lebensnotwendigen
    Berufen und eine Garantie der Übernahme, wenn es medizinisch wieder
    zu verantworten ist, arbeiten zu gehen!
  • Für
    ein bedingungsloses Mindesteinkommen für Jugendliche, das uns ein
    unabhängigeres Leben ermöglicht. Bezahlt durch die höhere
    Besteuerung der Reichen!



Die Grünen – Neoliberalismus fürs Kapital

Sara Mertens

Die
Grünen gehörten bei den Wahlen im vergangenen Jahr zu den Parteien
mit dem größten Wähler_Innenzuwachs.
Beispielsweise sind sie bei den Bürgerschaftswahlen in
Hamburg 2020 auf 24,2 % der Stimmen gekommen und haben somit ihren
Stimmenanteil fast verdoppelt. Während die Grünen Erfolge feierten,
mussten CDU und SPD große Verluste einstecken. Zu diesem Zeitpunkt
war Corona noch weit entfernt, der Klimaschutz dominierte das
gesellschaftliche Interesse und die Leute wünschten sich statt ein
„Weiter so“ neue Dynamik und Modernität, unter welcher Fahne
sich das neue Parteispitzen-Duo Annalena Baerbock und Robert Habeck
präsentierte. Ziemlich genau seit der Coronakrise stürzen sie in
den Umfragen wieder ab und viele suchen die „Stabilität“ einer
konservativen Regierung. Aber wäre eine Regierung mit den Grünen
überhaupt so ein Aufbruch?

Was unterscheidet die Grünen von
den anderen Parteien?

Schon in den ersten Sätzen des
Programms wird betont, dass der Klimaschutz Wohlstand und
Beschäftigung sichern und die Welt gerechter machen soll. Vor allem
für die ärmere Bevölkerung. Dieser soziale Ansatz lässt sich in
dem konkreten Ziel nicht wiederfinden. Alle Maßnahmen stützen sich
primär auf einen entscheidenden Aspekt: Der Vorstellung einer
grüneren Wirtschaft, auch „Green New Deal“ genannt.

Zuallererst wird auf den Markt und
dem ihm innewohnenden Wettbewerb bzw. Konkurrenz-Mechanismen
verwiesen, welche quasi ganz natürlich die besten Lösungen zur
Bekämpfung der Klimakrise hervorbringt. Dass der Markt rein aus dem
Gesichtspunkt der Profitmaximierung funktioniert und die
nachhaltigsten und klimaschonendsten Produkte nur selten die
profitabelsten sind, soll mit der CO2-Bepreisung
ausgemerzt werden. Sie soll dafür sorgen, dass sich „Investitionen
in Klimaschutz betriebswirtschaftlich lohnen“ (vgl. Programm der
Grünen/Thema: Klimaschutz). Dass zum einen der Klimaschutz den
eigensinnigen Entscheidungen von Kapitalist_Innen überlassen wird,
zum anderen in den meisten Fällen die Steuer einfach auf den Preis
des Endproduktes draufgeschlagen wird und somit primär die
Verbraucher_Innen dafür aufkommen müssen, wird in Kauf genommen.

Daneben
wollen sie mehr Geld für den Ausbau vom Öffentlichen
Nahverkehr und Radverkehr
ausgeben. Gleichzeitig wollen sie aber auch „eine gute
Zukunft für die deutsche Automobilindustrie“ (vgl. Programm der
Grünen/Thema: Verkehrspolitik). Einen wirklichen Bruch mit dem
motorisierten Individualverkehr wollen sie also nicht, obwohl dieser
vor allem in Produktion aber auch Nutzung einen großen Teil des
CO2-Ausstoß ausmacht.

Unter dem Punkt
„Grüner Wirtschaften“ formulieren sie ihr Ziel dann ganz klar:
„Zusammen wollen wir Deutschland zum Pionierland für ökologische
Innovation machen.“ Hierfür
wollen sie die „Lebensqualität
immer mehr vom Ressourcenverbrauch abkoppeln.“
(vgl. Programm der Grünen/ Thema: Grüner Wirtschaften)
Wie diese Entkopplung genau funktionieren soll, wird nicht erklärt.
Die bisherigen Versuche sind kläglich gescheitert, denn bis jetzt
kam es lediglich zu einer Verlagerung der dreckigen Industrie und
Abfälle ins Ausland.

Was haben die Grünen in der
Vergangenheit realpolitisch bewirkt?

Betrachtet man die Politik der
Grünen in den vergangenen Jahrzehnten wird einem schnell klar, dass
sie nicht selten ihre Vorsätze über den Haufen werfen, wenn es um
konkrete politische Entscheidungsprozesse geht.

Der erste Angriffskrieg seitens
Deutschland nach dem 2. Weltkrieg wurde 1999 in Kosovo geführt. Die
Rot-Grüne Regierung mit Joschka Fischer als Grüner Außenminister
beschloss völkerrechtswidrig serbische Einrichtungen und Städte zu
bombardieren. Dass die Luftangriffe die Lage am Boden noch mehr
eskalieren ließen, wurde in Kauf genommen. Auch die vielen zivilen
Opfer versuchte man als „Kollateralschaden“ abzutun, wie zum
Beispiel durch die Verseuchungen nach dem Luftangriff auf eine
Chemiefabrik. Durch die Zerschlagung des Jugoslawischen Staates
konnte Deutschland die verschiedenen Kleinstaaten an die EU anbinden
und damit die eigene ökonomische und politische Macht in der EU
ausbauen. Gleichzeitig wurde durch diesen Einsatz versucht, den
Einfluss Russlands auf Europa zurückzudrängen. Abschiebungen und
rassistische Unterdrückung haben im Übrigen auch nirgendwo
aufgehört, wo die Grünen an der Regierung waren.

Doch nicht nur ihr Friedensideal
haben sie, sobald sie an der Regierung beteiligt waren, über den
Haufen geworfen. Auch ihr „soziales“ Programm wird den
Wirtschaftsinteressen geopfert.

Mit der Regierungserklärung von
Schröder 2003 zur Agenda 2010 sollte Wirtschaftswachstum, mehr
Beschäftigung und der „Umbau des Sozialstaates“ erreicht werden.
Die Grünen stimmten dieser Erklärung auf dem Sonderparteitag im
Juni 2003 mit 90% Mehrheit zu. Konkret umfasst dies z.B. eine
Lockerung des Kündigungsschutzes und eine Senkung der
Lohnnebenkosten, indem die Mitarbeiter_Innen mehr Sozialabgaben
bezahlen müssen. Die Arbeitslosenhilfe wurde abgeschafft und durch
Arbeitslosengeld 2 (Hartz IV) in Höhe der alten Sozialhilfe ersetzt.
Die alte Arbeitslosenhilfe war von dem vorherigen Einkommen des
Beschäftigten abhängig und in der Regel um einiges höher als das
heutige Hartz IV. Gleichzeitig wurde die Auszahlung von
Arbeitslosengeld auf 12 Monate gekürzt. Das hat viele Arbeitslose
zur Annahme von schlechter bezahlter Arbeit gezwungen. Die
Arbeitslosenzahlen gingen runter, weil Menschen bis heute z.B.
mehrere Minijobs annehmen müssen und trotzdem kaum über die Runden
kommen. Manche Vollzeitbeschäftigte müssen Arbeitslosengeld 2
beziehen, weil ihr Gehalt nicht zum Leben reicht. Somit hat diese
Agenda einen neuen Niedriglohnsektor geschaffen auf Kosten der
Arbeiter_Innen und im Interesse des Kapitals. Dies wird aber vor
allem der SPD zugerechnet und kaum jemand sieht die
Mittäter_Innenschaft der Grünen.

Doch wie
sieht’s mit den Umwelt- und Klimaschutz-Zielen aus?
Abgesehen
davon, dass die beschriebenen Forderungen und Ziele unzureichend
sind, halten die Grünen sich nicht mal an diese Ideale. 2016
stimmten sie in NRW der Rodung von weiteren 200 Hektar des Hambacher
Forstes zu und gaben damit RWE die Möglichkeit, durch die
Braunkohlegewinnung weiter Profit zu generieren. Auch in den
Jamaika-Verhandlungen zeigten sie sich kapitaltreu und ließen ein
Ziel nach dem anderen fallen. Doch selbst, wenn sie versuchen würden,
die gesteckten Ziele einzuhalten, stellt sich die Frage:

Inwiefern ist nachhaltiges und
soziales Wirtschaften im Kapitalismus überhaupt möglich?

Das Ziel bei
der Produktion ist nicht, ein für die Gesellschaft nützliches und
preiswertes Produkt zu schaffen, sondern einen Mehrwert zu
generieren. Also das, was der_die Kapitalist_In am Ende für sich
abschöpfen kann.

Um auf dem Markt überleben zu
können, muss dem Expansionszwang nachgekommen werden. Das ist nur
möglich durch Arbeitsintensivierung
oder der Vergrößerung der Maschinen, Fabriken, Landflächen und so
weiter. Somit führt die Produktionsform zwangsweise zu einer
Ausbeutung der Arbeiter_Innen und der Umwelt. Da in diesem
Marktsystem immer die Gewinnmaximierung im Vordergrund steht, gehen
die Forderungen der Grünen wie die CO2-Bepreisung nicht
zu Lasten des Kapitals sondern der Arbeiter_Innen .

Doch was brauchen wir
stattdessen?

Für einen wirklichen sozialen und
ökologischen Wandel dürfen wir nicht länger unsere Hoffnung in
Parteien wie die Grünen stecken, welche letztendlich für „Die
Wirtschaft“ Politik machen. Das Interesse der Arbeiter_Innenklasse
wird von bürgerlichen Parteien immer der Profitmaximierung
untergeordnet werden. Um mit
der bürgerlichen Vormachtstellung zu brechen, brauchen wir eine
globale Bewegung, eine revolutionäre Bewegung, mit welcher wir
Widerstand leisten, indem wir Aufklärungsarbeit leisten,
protestieren und streiken mit dem Ziel, diese Wirtschaftsweise und
Gesellschaftsform zu überwinden. Denn nur mit einer globalen
Planwirtschaft ist es möglich, klimafreundlich und nach den
Bedürfnissen der Menschen zu produzieren. Um diese global
aufzubauen, müssen wir den Kapitalismus global stürzen und dazu ist
nur eine revolutionäre Internationale in der Lage. Durch die
Organisierung von Räten in Schulen, Unis und Betrieben muss
Bewusstsein und Möglichkeit geschaffen werden, welches die
Arbeiter_Innen befähigt, eigene Forderungen zu entwickeln und
durchzusetzen. Dadurch kann eine Überführung der Betriebe und aller
öffentlichen Einrichtungen in die Kontrolle der dort Arbeitenden und
Nutzenden geplant und umgesetzt werden. Hier gäbe es keinen
Widerspruch mehr zwischen den Interessen der „Wirtschaft“ und
unserer Zukunft. Alles, was vernünftig ist (wie zum Beispiel
Klimaschutz), können wir dann diskutieren, beschließen und
umsetzen!

Deswegen dürfen wir nicht
verkennen, dass Parteien wie die Grünen Teil des Problems sind und
nicht dessen Lösung.




Was können Antikapitalist_Innen in FFF jetzt noch tun?

Marvin Schutt + Jakob Wendehals

Auch bei Fridays for
Future hat die Corona-Pandemie eine Atempause ausgelöst, zumindest
was Aktivismus außerhalb des Internets angeht. Manche Zyniker_Innen
behaupten zwar, das Virus, das Fabriken schließt und
Fluggesellschaften in den Abgrund reißt, sei die lang ersehnte
Lösung der Umweltkrise. Wir denken aber immer noch, wir können dem
Kapitalismus auch nach vorne entkommen und sind nicht darauf
angewiesen, in ein Zeitalter von Seuchen und Subsistenzwirtschaft
zurückzufallen. Da sich aktuell auch viele Andere nicht damit
zufriedengeben wollen, wird die Bewegung wohl früher oder später
weitergehen. Was sind dann aber die Aufgaben von
Antikapitalist_Innen, denen Warten auf das nächste Klimapäckchen
und ein paar Appelle an die Regierung nicht ausreichen?

Die aktuelle Situation in FFF

Schon
vor Corona befand sich die FFF-Bewegung in einer Phase der
Stagnation: Kaum in einer Stadt ist noch regelmäßig und massenhaft
gestreikt worden, auch die Teilnehmer_Innenzahlen der
Großveranstaltungen und Aktionstage sanken und führende
Aktivist_Innen sind frustriert, überarbeitet und ziehen sich ins
Private zurück. Der Hauptgrund dafür ist das Ausbleiben politischer
Erfolge. Millionen von Aktivist_Innen haben sich der Bewegung
angeschlossen, um den Klimawandel zu stoppen, haben viel Gegenwind
und Repression für ihren Aktivismus geerntet und viel Kraft, Energie
und Arbeit in die Bewegung gesteckt. Und was haben wir dafür
bekommen? Lausige Klimapakete, folgenlose internationale Konferenzen
und eine Menge heißer Luft.

Die
Klimakrise kann jedoch nicht beendet werden, wenn wir sie nicht an
ihren Wurzeln in der kapitalistischen Profitlogik, dem Privateigentum
an Produktionsmitteln und der schonungslosen Ausbeutung von Mensch
und Natur anpacken. Die Forderungen von FFF sind weit davon entfernt.
Sie verbinden die sozioökonomischen Interessen der Millionen von
Lohnabhängigen in diesem Land nicht mit der Klimafrage. Die Bewegung
hat es auch deshalb nicht geschafft, sich zu verbreitern und neue
Teile der Gesellschaft außerhalb von ökologisch bewussten
Schüler_Innen und Studierende zu mobilisieren. So konnte die
Bewegung zwar viel Aufmerksamkeit für die Klimakrise schaffen, hat
jedoch inhaltlich einen Green New Deal vorgeschlagen und sich damit
in Deutschland eher zur Wahlkampfhelferin der Grünen qualifiziert,
anstatt eine systemverändernde Kraft darzustellen. Obwohl FFF in
seinem ganzen Erscheinungsbild irgendwie links wirkt, ist es wichtig,
dass wir nicht vergessen, dass es sich um eine pro-kapitalistische
Bewegung handelt, da es vor allem zum Ziel hat, bloß den
Kapitalismus „grüner“ zu machen. Doch das ist nicht in Stein
gemeißelt und wenn das jemand ändern kann, dann wir
Antikapitalist_Innen!

Was können wir also tun?

Zuerst
einmal ist es wichtig, dass wir offen als Antikapitalist_Innen in der
Bewegung auftreten. Wenn wir Verstecken spielen, tun wir Luisa und
Co. nur den Gefallen, dass sie sich nicht öffentlich positionieren
müssen und machen es ihnen leicht, uns als Unterwanderer und
Spalter_Innen darzustellen. Stattdessen sollten wir offen und
deutlich aber solidarisch unsere Kritik an der Führung und dem
aktuellen Kurs der Bewegung äußern.

Daneben
sollten wir uns darauf konzentrieren, selbst Aktionen zu machen.
Ausschließlich Debatten über Strukturvorschläge helfen uns gerade
nicht weiter und lenken unsere Aktivität nach innen statt nach
außen, wo sie die frustrierten Aktivist_Innen gerade eigentlich
brauchen. Und wenn wir die ganze Zeit nur am Rand stehen und meckern,
wird uns auch eh niemand ernst nehmen.

In
der Praxis können wir zeigen, was wir mit antikapitalistischer
Politik meinen. Eine hervorragende Gelegenheit dafür bietet eine
Kampagne für kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, denn der Verkehr
stellt
die drittgrößte Quelle für CO2-Emissionen in Deutschland dar.
Dazu mehr im Artikel „Vom
kostenlosen Nahverkehr bis zum Sozialismus – Wie geht das?“.
Da eine Tarifrunde für die Beschäftigten im Nahverkehr Ende Juni
vor der Tür steht, liegt hier eine Zusammenarbeit mit den
Arbeiter_Innen und Gewerkschaften auf der Hand. Sollte die Kampagne
Erfolg haben, kann sie der Basis von FFF eindrucksvoll vor Augen
führen, dass die organisierte Arbeiter_Innenklasse eine wesentlich
bessere Kampfpartnerin als die „Entrepreneurs for Future“ oder
die Grünen ist.

Gleichzeitig
kann die Kampagne ein Beispiel dafür sein, wie wir nicht nur das Was
sondern auch das Wie der Arbeit von FFF verändern können. Anstatt
die thematischen Schwerpunkte und die Arbeitsweise offen und
gemeinsam zu diskutieren, werden nämlich aktuell unzählige
Kleingruppen gebildet, die still vor sich hinarbeiten und nur von der
Führung wahrgenommen, priorisiert und kontrolliert werden. Dies
müssen wir durchbrechen und stattdessen für
anlassbezogene Aktionskonferenzen eintreten, die Beschlüsse für die
ganze Bewegung demokratisch fassen können. Die Konferenzen sollten
die gesamte Bewegung repräsentieren und aus demokratisch gewählten
und abwählbaren Delegierten aus Schulen, Unis und Ortsgruppen
bestehen. So können wir nicht nur die undemokratische Führung
loswerden, sondern zugleich auch die vielen überlasteten
Aktivist_Innen entlasten, indem neue Menschen Zugang in die
Organisationsarbeit bekommen und die Arbeit auf mehrere Schultern
verteilt wird.

Um
neue Aktivist_innen in die Bewegung zu integrieren, müssen wir
darüber hinaus im Zuge der Nahverkehrskampagne anfangen, aktive
Basisarbeit zu machen. Wir müssen anfangen,
uns auch dort zu organisieren, wo wir uns tagtäglich aufhalten: in
unseren Schulen, Unis und Betrieben. Vor Ort müssen wir
Basiskomitees aufbauen, die kontinuierlich Arbeit machen. Anstelle
sich nur unter Gleichgesinnten zu bewegen, lohnt es sich durch
Mobilisierungen, Vollversammlungen und kleineren Aktionen vor Ort die
Debatte zu anderen Leuten zu bringen und unsere Themen sichtbarer zu
machen. Das sorgt für eine stetige Auseinandersetzung und befähigt
gleichzeitig viele von uns, sich mehr einzubinden. Vor allem, ist die
Hemmschwelle, sich einzubringen, für viele dort wesentlich geringer.
Lasst
uns Vollversammlungen und Veranstaltungen an unseren Schulen
organisieren, auf denen wir gemeinsam mit den Belegschaften aus dem
öffentlichen Nahverkehr diskutieren, wie eine ökologische
Verkehrswende aussehen kann. Gleichzeitig sollten wir als
Schüler_Innen und Aktivist_Innen die Streikversammlungen und
Streikposten der Beschäftigten besuchen, um unsere Solidarität
auszudrücken. Was wir brauchen ist ein bundesweiter Aktionstag von
FFF zum Thema Verkehrswende in Solidarität mit den Streiks und den
Beginn einer aktiven Arbeit an unseren Schulen. Wenn
ihr dabei Unterstützung haben wollt, meldet euch gerne bei uns.




Vom kostenlosen Nahverkehr bis zum Sozialismus – Wie geht das?

Lars Keller

Abfahrt: Dieser Artikel entspricht einer 7-minütigen Busfahrt (auch wenn ihr in Zeiten von Corona vermutlich zu Hause seid)

Viele in Fridays for Future wünschen ihn sich, manche Gewerkschaftler_Innen überlegen ihn sich und Luxemburg hat ihn sich gegönnt – den kostenlosen öffentlichen Nahverkehr mit Bahn und Bus. Auch wir als kommunistische Jugendorganisation haben ihn in unserem Programm stehen. Aber warum eigentlich? Ist der kostenlose Nahverkehr etwa schon der Kommunismus?

Die kurze Antwort:
Nein. Offensichtlich ist es in Luxemburg trotz kostenlosem Nahverkehr
nicht zur Enteignung der Kapitalist_Innen und klassenlosen
Gesellschaft gekommen. Allerdings kann uns die Forderung nach
kostenlosem Nahverkehr ein paar Bahnstationen näher zum Sozialismus
bringen…

Station 1: Minimalforderung

Der kostenlose
Nahverkehr ist für uns eine sogenannte Minimalforderung. Das
bedeutet, dass es zumindest möglich ist, ihn schon im Kapitalismus
zu verwirklichen. Finanziert werden muss er dann natürlich trotzdem
und zwar durch den Staat – klingt doch super oder? Nicht wirklich,
denn der Staat finanziert sich aus Steuereinnahmen und die kommen zum
allergrößten Teil von Arbeiter_Innen und deren Familien in Form von
Lohnsteuer und Mehrwertsteuer. Am Ende würden Bus & Bahn also
doch von denen bezahlt werden, die täglich auf sie angewiesen sind,
auch wenn sie kein Ticket mehr brauchen.

Aber halt! Das muss
nicht sein! Wäre es nicht vielleicht möglich, dass diejenigen für
einen Ausbau des Nahverkehrs zahlen, die gigantisch viel Kohle mit
der Zerstörung der Umwelt gemacht haben – also z.B. Autokonzerne?

Die deutschen
Autohersteller_Innen sind die größten Gegner_Innen eines
kostenlosen Nahverkehrs in Deutschland, denn sie würden dadurch
weniger Autos verkaufen und Profit verlieren. Sie werden uns deshalb
auch nicht freiwillig das Cash geben, um mehr Züge zu kaufen, noch
werden sie sagen: „Gut, bauen wir halt nur noch Busse.“ – denn
das wirft zu wenig Gewinn ab. Also müssen wir uns eben als
Jugendliche und Arbeiter_Innen das Geld von VW und Co. nehmen und
selbst die Produktion umstellen.

Station 2: Gewerkschaften

Es ist also klar, dass
hier Arbeiter_Innen unmittelbar gegen die Interessen der
Kapitalist_Innen kämpfen – und dafür auch erst mal begeistert
werden müssten. Das Werkzeug, mit dem Arbeiter_Innen die direktesten
Interessen gegen ihre Bosse durchzusetzen versuchen, sind
Gewerkschaften. Sie organisieren Arbeitskämpfe und Streiks, um z.B.
einen höheren Lohn durchzusetzen – soweit nichts Neues.

Die Beschäftigten des
Nahverkehrs sind in Deutschland in 3 unterschiedlichen Gewerkschaften
organisiert: EVG (Eisenbahn-und Verkehrsgewerkschaft), GdL
(Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer) und ver.di (Vereinte
Dienstleistungsgewerkschaft). Alle drei treten derzeit für einen
besser ausgebauten Nahverkehr mit mehr Personal und zu besseren
Löhnen ein, auch wollen sie, dass Nahverkehr billiger wird und so
mehr Leute Bus und Bahn nutzen – kurz die Gewerkschaften sind
richtigerweise auf den Umweltzug aufgesprungen. Demgegenüber
vertritt die IG Metall zum allergrößten Teil Beschäftigte der
Autobranche – und stellt sich stramm hinter das Auto.

Leider ist es so, dass
alle großen Gewerkschaftsführungen in Deutschland den Bossen viel
näher stehen als den Beschäftigten. Sie sichern so ihre
privilegierte Stellung innerhalb des Kapitalismus (ob aus gutem
Glauben ans System, aus Boshaftigkeit oder aus der Dummheit, den
Kampf diplomatisch statt offensiv führen zu wollen). Sie
kontrollieren Arbeitskämpfe von oben herab und würden es schon gar
nicht zulassen, dass Arbeiter_Innen mal eben selbst VW übernehmen
und für die Verkehrswende blechen lassen. Aber genau hier gibt es
einen möglichen Bruchpunkt zwischen Gewerkschaftsführungen und
Basismitgliedern.

Station 3: Übergangsforderungen

Diesen Bruchpunkt zu
provozieren, das ist die Aufgabe von revolutionären Jugendlichen und
Arbeiter_Innen, die von der Gewerkschaftsführung abgefuckt sind,
weil sie z.B. Arbeitskämpfe verraten oder wie jetzt in Zeiten von
Corona den Lohnverzicht mitgestalten.

Um diesen Bruchpunkt
nun aber zu provozieren und die politische Selbstständigkeit von
Arbeiter_Innen zu erhöhen, müssen die richtigen Forderungen
vorgeschlagen werden.

Beispiele:

– Die
Gewerkschaftsführungen wollen den Streik im Nahverkehr abwürgen? –
Nix da, die Beschäftigten sollten sich in Streikkomitees selbst ihre
Führung wählen und demokratisch entscheiden, für was wie lange
gestreikt wird und selbst die Kampfaktionen bestimmen und umsetzen!

– Die
Gewerkschaftschaftsführung sagt, die klimaschädliche
Kohleproduktion hat nichts mit dem Nahverkehr zu tun? – Von wegen!
Die branchenspezifische und nationalstaatliche Aufsplittung der
Gewerkschaften ist ein Hindernis im gemeinsamen Kampf. Hinter der
Verkehrswende stehen jedoch nicht nur die Verkehrswege sondern auch
die Produktion der Fahrzeuge, der von ihnen benötigten Energie als
auch grundlegende Fragen wie die Nutzung des öffentlichen urbanen
Raumes oder der Gegensatz von Stadt und Land. Auch sind die
Verkehrsnetze europaweit und international bereits so stark
miteinander verknüpft, dass wir dem Nationalismus der
Gewerkschaftsfunktionäre unsere internationale Solidarität
entgegensetzen müssen. Was heißt das? Zum Beispiel
Solidaritätskundgebungen mit Arbeitskämpfen in anderen Ländern
durchzuführen und internationale Produktions- und Arbeitsstandards
sowie kostenlose Umschulungsmaßnahmen in klimaschädlichen
Wirtschaftszeigen durch Organe der Arbeiter_Innenbewegung festzulegen
und zu kontrollieren.

– Die Autoindustrie ist
in der Krise und streicht Jobs? – Nix da, mit einem von den
Arbeiter_Innen organisierten Streik soll erkämpft werden, dass
niemand entlassen wird, alle denselben höchstmöglichen Lohn
kriegen, die vorhandene Arbeit auf alle aufgeteilt wird
(Arbeitszeitverkürzung) und eine Umstellung der Produktion weg vom
Auto unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten passiert –
und zwar schön auf den Nacken der Bosse und Aktionär_Innen. Ach,
das wollen die nicht? Gut, dann wird der Laden eben entschädigungslos
enteignet und durch die Arbeiter_Innenkontrolle weitergeführt.

Diese Forderungen
wirken also eskalierend im Klassenkampf zwischen Arbeiter_Innen und
Kapitalist_Innen. Sie sollen das politische Bewusstsein, Organisation
und Kampfstärke der Arbeiter_Innen erhöhen und sie darauf
vorbereiten, selbst die gesellschaftliche Macht zu übernehmen.
Übergangsforderungen heißen solche, die bei ihrer Umsetzung einen
dauerhaften Konflikt mit dem Kapitalismus hervorrufen. Für die Bosse
ist es unhaltbar, dass die Beschäftigten ein Vetorecht über die
Produktion und damit über den Profit bekommen. Dieser Konflikt wird
sich nur dadurch lösen, dass die Arbeiter_Innen und Unterdrückten
(dazu gehört auch die Jugend) entweder von den Bossen und der
Polizei besiegt werden – also die Arbeiter_Innenkontrolle
zerbrochen wird – oder die Arbeiter_Innen weitergehen und die
politische Macht übernehmen.

Station 4: Revolution

Hier kämen wir dann
zur Frage der Revolution. Haben sich Jugendliche, Arbeiter_Innen und
Unterdrückte zumindest in den großen Industrien und Städten –
nicht zuletzt auch im Verkehrssektor, da hatten wir ja begonnen –
selbst organisiert? Sind aus Streikkomitees und
Arbeiter_Innenkontrolle Räte erwachsen und in einem Zentralrat
vereinheitlicht? Hat diese Struktur eine eigene Verteidigung, eine
demokratische Miliz? Und wissen obendrein die Bosse und Regierung
nicht mehr weiter, sind sie unfähig die grundlegendsten Bedürfnisse
der Gesellschaft zu stillen und sind wir deshalb sowieso schon
gezwungen, unsere eigene Versorgung selbst zu sichern? Dann stellt
sich ganz offen die Machtfrage. Dann ist die Zeit reif, den
bürgerlichen Staat zu zerschlagen, die Bosse umfassend zu enteignen
und die demokratischen Strukturen der Arbeiter_Innen als alleinige
Macht zu etablieren. Diese Arbeiter_Innenregierung müsste dazu
übergehen, eine demokratische Planwirtschaft aufzubauen, wozu eben
auch gehören würde, den Autoverkehr zurückzudrängen, den
Nahverkehr bestimmt durch Pendler_Innen, Verkehrsarbeiter_Innen und
Jugendlichen auszubauen und ihn natürlich auch kostenlos zu machen
(wenn wir das nicht schon früher erreicht haben…)!

Ankunft: Anschluss verpasst? Der Zug, die Umwelt zu retten, ist noch nicht abgefahren! Den Fahrplan findest du auf onesolutionrevolution.de/programm




Feminismus in Pakistan

Minerwa Tahir, Women’s Democratic Front Lahore, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 8, März 2020

In den letzten Jahren ist der Aurat-Marsch zu einem der sichtbarsten Ausdrücke der Frauenbewegung in Pakistan geworden. „Aurat“ bedeutet Frau in der Urdusprache. Seit 2018 ist in den großen Städten Pakistans das Phänomen des Aurat-Marsches zu beobachten – Frauen, geschlechtsspezifische Minderheiten, Männer und Kinder gehen auf die Straße und marschieren am Internationalen Tag der arbeitenden Frauen am 8. März.

Wer beteiligt sich?

In zwei großen städtischen Zentren – Karatschi und Lahore – wurde der Aurat-Marsch von einem Bündnis hauptsächlich radikal-feministischer und liberal-feministischer Kräfte organisiert, darunter führende Persönlichkeiten von NGOs, die sich bereit erklärten, die Fahnen ihrer NGOs hinter sich zu lassen und sich unter dem einen Banner des Aurat-Marsches zu vereinen. Eine Organisatorin aus Karatschi sagte: „Bei den Themen, mit denen Frauen heute konfrontiert sind, geht es um Gleichberechtigung im öffentlichen Raum, das Recht auf Arbeit, Sicherheit am Arbeitsplatz und vor allem um die Unterstützung durch eine Infrastruktur, während die vorherige Generation für politische Rechte kämpfte“ (Chughtai, 2019). In anderen Teilen wie Hyderabad und Islamabad organisierte die Demokratische Frauenfront (1), eine sozialistisch-feministische Organisation, die arbeitende Frauen aus städtischen und ländlichen Gebieten organisiert, den Aurat-Azadi-Marsch (2).

Einige der Forderungen dieses Marsches waren ein Ende der Gewalt gegen Frauen; eine Gesetzgebung, die die Rechte von Frauen und Transgender-Personen schützt; ein Mindestlohn und andere rechtliche Schutzmaßnahmen für den informellen Sektor; ein Ende der Privatisierung von und größere Investitionen in Gesundheit und Bildung, insbesondere für Frauen; Frauenwohnheime und Kindertagesstätten für die Kinder von arbeitenden Frauen; der Bau von Wohnungen für Leute mit niedrigen Einkommen und ein Ende der Kampagne gegen informelle Siedlungen; ein Ende der militärischen Operationen; die Rückkehr der vermissten Personen und eine politische Lösung des Belutschistan-Problems (Today, 2019). Auch ArbeiterInnenorganisationen und -verbände wie die Vereinigung weiblicher Arbeitskräfte im Gesundheitswesen (Chughtai, 2019) und die pakistanische Gewerkschaftsschutzkampagne  (Today, 2019) unterstützten den Marsch und nahmen daran teil. Mit Ausnahme von Hyderabad war der Klassencharakter der Frauenmärsche in den großen städtischen Zentren Pakistans weitgehend mittelständisch. Während ein Teil der Gründe für das Fehlen von Führung der ArbeiterInnenklasse in der Frauenbewegung mit dem Versagen der Linken und dem Aufstieg der Rechten sowie alternativen antimarxistischen Diskursen zu tun hat, liegt ein weiterer wichtiger Grund dafür, dass so viele Frauen aus der Mittelschicht sich für die Teilnahme an diesen Märschen entschieden haben, darin, dass der Status der Frauenrechte in Pakistan selbst für Frauen aus Nicht-ArbeiterInnenklassen-Hintergrund erbärmlich ist.

Lage der Frauen

Vergewaltigung, Ehrenmorde, Säureangriffe, Zwangsheiraten, erzwungene Bekehrungen nicht-muslimischer Mädchen zum Islam, Kinderehen, sexueller Missbrauch und Belästigung sowie allgemeine geschlechtsspezifische Diskriminierung sind in der Gesellschaft weit verbreitet (HRW, 2019). Inzwischen gibt es weder nationale Gesetze, die geschlechtsspezifische Diskriminierung bei der Einstellung noch die geschlechtsspezifische Lohnunterschiede verbieten (Kirton-Darling, 2018). In ähnlicher Weise sind auch die Arbeitsgesetze in Pakistan diskriminierend gegenüber Frauen (Tribune, 2014). Im Allgemeinen hegt die Gesellschaft eine diskriminierende Einstellung gegenüber Frauen. Der jüngste Fall, in dem die nationale Universität für Wissenschaft und Technologie die Vergewaltigung einer Studentin leugnete, ist ein Zeugnis für diese Haltung (Dawn.com, 2019).

Sexualität

Ein wichtiges Thema, um das sich der Aurat-Marsch dreht, sind Fragen der Sexualität. „Mein Körper, meine Wahl“ war ein beliebter Slogan. Während man davon ausgehen kann, dass diese Frage in einigen demokratischen Ländern schon lange Teil des öffentlichen Diskurses ist, war und ist sie in Pakistan ein Tabuthema. Wie die gesellschaftliche Haltung sie geprägt hat, bleibt Sexualität eine Angelegenheit, die sich auf die privaten Grenzen des Schlafzimmers beschränkt und über die man, vor allem eine Frau, nicht spricht. Qandeel Baloch (Geburtsname: Fouzia Azeem), ein Star in den Sozialen Medien, die sexy Videos von sich selbst für den öffentlichen Konsum veröffentlichte, wurde schließlich von ihrem Bruder im Namen der „Ehre“ getötet. Wie Zoya Rehman schreibt, „markiert der Aurat-Marsch einen wichtigen Moment in der Entwicklung des feministischen Widerstands im Land, in dem jetzt für eine neue Art von feministischer Praxis gekämpft wird, die in Fragen der sexuellen Autonomie und Handlungsfähigkeit ,das Schweigen bricht’ (John und Nair, 1998)“ (Rehman, 2019). Sexualität, ein Thema, über das aufgrund seines „privaten“ Charakters nie in der Öffentlichkeit gesprochen wurde, wurde durch den Marsch – vor allem im Jahr 2019 – aus der Enge des häuslichen und privaten Lebens herausgebracht und für die Öffentlichkeit offengelegt. Folglich startete der rechte Flügel Angriffe gegen die OrganisatorInnen und TeilnehmerInnen in den Massen- und sozialen Medien. Es wurden Todes- und Vergewaltigungsdrohungen ausgesprochen (Reuters, 2019). Unterdessen griffen reaktionäre Schichten innerhalb der pakistanischen Linken zu einem ähnlichen Ansatz, wobei die Belutschistan-Sektion der Awami-ArbeiterInnenpartei (AWP) den Aurat-Marsch ablehnte (Jafri, 2019). In ähnlicher Weise tauchte die Politik der Reaktion innerhalb der feministischen Bewegung in Form der bekannten feministischen Dichterin Kishwar Naheed auf, die die radikalen Botschaften bezüglich der Sexualität kritisierte, die auf den Plakaten des Aurat-Marsches standen. Sie sagte, dass „Feministinnen ihre Kultur und Traditionen im Auge behalten sollten, um nicht wie ,Dschihadis’ auf Abwege zu geraten“ (Images, 2019).

Sadia Khatri kritisierte Frauen, die sich gegen die radikalen Plakate aussprachen, und schrieb, dass diese Art von Vorwürfen „verwirrender, ja sogar verletzend ist, wenn sie von anderen Frauen kommt“ (Khatri, 2019). Ich kann das Gefühl zwar nachempfinden, aber der Vorwurf überrascht mich wirklich nicht. Es ist schließlich die Politik der Menschen, nicht ihr Geschlecht oder andere Identitäten, die ihre Einstellung zu einem gesellschaftlichen Phänomen bestimmt. Auch der Gegenmarsch zum Aurat-Marsch wurde von rechten Frauen angeführt, nicht von Männern.

Die Sexualität während des Frauenmarsches aus der privatisierten Sphäre des Hauses herauszuholen, stellte eine radikale Errungenschaft der Frauenbewegung in Pakistan dar. Die Belutschistan-Sektion der Awami Workers Party lehnte den Aurat-Marsch mit der Begründung ab, dass die auf dem Marsch erhobenen Parolen nichts mit den Frauen der ArbeiterInnenklasse oder ihrem Kampf zu tun hätten. Diese Aussage spiegelt nicht nur eine Abtrennung von der Frauenbewegung wider, sondern zeigt auch, wie isoliert die Sektion der AWP in Belutschistan von den Kämpfen der Arbeiterfrauen in Pakistan ist. Wenn man mit berufstätigen Frauen in der Realität interagiert, erzählen sie uns davon, dass „nicht jede aus Freude und Entscheidung die vollverschleiernde Burka trägt“.

Natürlich kann es vorkommen, dass Schichten der Klasse, die aufgrund der zusätzlichen Belastung durch die reproduktive Arbeit atomisiert bleiben, der Interaktion und Organisation mit ihrer Klasse beraubt werden und somit den Vorstellungen der Reaktion zum Opfer fallen. Aber mit der sich zunehmend vertiefenden Wirtschaftskrise in Pakistan, insbesondere nach dem IWF-Deal, können es sich Frauen, die mit Männern aus der Arbeiterklasse verheiratet sind, nicht mehr leisten, nur reproduktive Arbeit zu leisten. Sie werden aus dem Haus gedrängt, um Arbeit zu finden, um die ArbeiterInnenfamilie zu ernähren. Während dies schon seit langem der Fall ist, da die Wirtschaft des halbkolonialen Landes weitgehend instabil geblieben ist, haben die Klauseln des IWF zu schlechteren Bedingungen für die arbeitenden Armen geführt (Arshad, 2019). Selbst wenn es sich bei diesen Jobs um niedere Tätigkeiten handelt, wie z. B. die Arbeit als Haushaltshilfe in Haushalten der Mittelschicht, bieten sie diesen Frauen eine gewisse Möglichkeit, sowohl mit ihrer eigenen Klasse als auch mit dem/r KlassenfeindIn zu interagieren. Es überrascht daher nicht, dass eine Hausangestellte, die eine halbverschleiernde Niqab trägt, bei einem Treffen mit anderen berufstätigen Frauen sagte, dass „nicht jede die Burka aus Freude und Entscheidung trägt“.

Diejenigen pakistanischen Linken, die Sexualität und andere Aurat-Marsch-Themen immer noch nicht als wichtige Themen für das Leben arbeitender Frauen sehen, sollten sich einige grundlegende Fragen stellen. Wenn die arbeitende Frau die Freiheit, Zeit und Geld hätte, sich wie Frauen der Mittelschicht zu kleiden, würde sie das nicht tun? Wenn sie die Freiheit, die Zeit und das Geld hätte, würde sie sich nicht romantischen/sexuellen Affären hingeben wollen, wie es Frauen aus privilegierten Schichten in diesem Land tun? Wenn es für sie keine Frage mehr wäre, jeden Tag etwas „Khana“ [Essen] für ihre Familie zu bekommen, wie es für Frauen aus der Mittelschicht der Fall ist, würde sie sich dann nicht auch wünschen, dass ihr männlicher Partner gleichberechtigt an der Zubereitung dieser Mahlzeiten teilnimmt? Diese Fragen machen deutlich, wie arbeitende Frauen durch die wirtschaftlichen Bedingungen gezwungen sind, bestimmte Themen als Hauptanliegen zu behandeln. Dies spiegelt jedoch keineswegs wider, dass arbeitende Frauen nicht an Fragen der sexuellen Befreiung interessiert sind.

Was für eine Bewegung brauchen wir?

Unterdessen ist eine andere Idee, die in bestimmten radikalen Schichten der Frauenbewegung in Pakistan vorherrscht, dass wir eine klassenübergreifende feministische Bewegung brauchen. Die Befürworterinnen dieser Ansicht argumentieren, dass dies ein „inklusiver“ Ansatz sei, da er es Frauen aus allen Klassen ermöglicht, sich zusammenzufinden, um gegen einen gemeinsamen Feind, nämlich das Patriarchat, zu kämpfen und die Gleichberechtigung zu erlangen. Nehmen wir eine der Forderungen, die von radikalen Feministinnen erhoben wurden. „Gleichheit beim Zugang zu öffentlichen Räumen“.

Nehmen wir an, dass diese Forderung nun gewonnen ist. Die Frau aus der ArbeiterInnenklasse wird die formale Gleichheit beim Zugang zu öffentlichen Räumen haben, aber genau wie ihr männlicher Kollege aus der ArbeiterInnenklasse hat sie diese Freiheit als jemand, der immer noch 12 Stunden am Tag arbeitet, dessen Kinder unterernährt sind und denen es an guter Bildung mangelt, der der Zugang zu guter Gesundheitsversorgung verwehrt wird und deren Familie an neun von zehn Tagen immer noch hungrig schläft. In der Praxis bedeutet dies eine Krise der Führung der ArbeiterInnenklasse und der Organisation der unabhängigen Klassenpolitik, die eine wesentliche Schwäche der feministischen, antirassistischen und ökologischen Bewegungen in der ganzen Welt darstellt.

Außerdem, was bedeutet eine „klassenübergreifende Bewegung“ überhaupt? Dass sie die Interessen aller Klassen vertritt? Würde sie dann auch ein „klassenübergreifendes Programm“ haben? Ob so etwas jemals praktisch durchführbar ist oder nicht, sicher ist, dass eine klassenübergreifende Bewegung kein Programm für die ArbeiterInnenklasse haben wird. Und das liegt daran, dass die Interessen der ArbeiterInnenklasse mit denen anderer Klassen unvereinbar sind. Die ArbeiterInnenklasse verfügt über kein Privateigentum an den Produktionsmitteln. Unabhängig davon, ob diese Klasse sich dessen schon subjektiv bewusst ist oder nicht, liegt ihr objektives Interesse in der Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln und seiner Ersetzung durch gesellschaftliches Eigentum. Dieses Interesse steht offensichtlich im Widerspruch zu dem der Klassen, deren Quelle von Reichtum und sozialem Status das Privateigentum bildet. Wie Clara Zetkin prägnant zusammenfasst:

„Es gibt eine Frauenfrage für die Frauen des Proletariats, der Bourgeoisie, der Intelligenz und der oberen Zehntausend. Sie nimmt je nach der Klassensituation jeder dieser Schichten eine andere Form an“


(Zetkin, 1896)

Wie beeinflusst dies die Bewegung?

Wie beeinflusst dies die Bewegungen dann? In der bürgerlichen Gesellschaft ist jede klassenübergreifende Bewegung verpflichtet, die Interessen der ArbeiterInnenklasse (die mit der strategischen Aufhebung der unterdrückenden Arbeitsteilung im Hinblick auf die produktive und reproduktive Arbeit verbunden ist) den begrenzten Zielen der bürgerlichen Feministinnen unterzuordnen. Das bestmögliche Ergebnis einer klassenübergreifenden Bewegung ist, dass die begrenzten Forderungen nach formaler Gleichheit zwischen Männern und Frauen erfüllt werden. Berufstätige Frauen werden formell gleichberechtigt sein wie ihre bürgerlich-feministischen Kolleginnen, aber sie werden es als Frauen sein, die immer noch 12 Stunden am Tag arbeiten und keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung oder Sozialleistungen haben. Sie werden formellen Zugang zu allen Bereichen des öffentlichen Lebens haben ebenso wie ihre männlichen Partner aus der ArbeiterInnenklasse, die ebenfalls kein Geld oder keine Zeit haben, um diese Bereiche faktisch zu betreten. Diese arbeitenden Frauen werden im Namen einer klassenübergreifenden Bewegung für die individuellen Rechte und Freiheiten der bürgerlichen Feministinnen kämpfen. Um noch einmal Zetkin zu zitieren: „Wir dürfen uns nicht von sozialistischen Tendenzen in der bürgerlichen Frauenbewegung täuschen lassen, die nur so lange anhalten, wie sich die bürgerlichen Frauen unterdrückt fühlen“ (Zetkin, 1896).

Was braucht es?

Dieser Ansatz „klassenübergreifender“ Bewegungen versäumt es, die Wurzel der geschlechtsspezifischen Unterdrückung zu untersuchen. In der heutigen Klassengesellschaft verortet der revolutionäre Marxismus die Ursprünge der geschlechtsspezifischen Unterdrückung in der öffentlich-privaten Kluft, in der der Mann in der öffentlichen „produktiven“ Sphäre arbeitet, während die Frau für die „reproduktive“ Arbeit verantwortlich ist. Diese Kluft ist notwendig, damit der Kapitalismus sich selbst erhalten kann, weshalb unsere Bewegungen antikapitalistischer Natur sein müssen. Um effektiv zu sein, müssen sie auch die Krise der Führung der ArbeiterInnenklasse überwinden. Und diese Krise kann solange nicht überwunden werden, bis und wenn die ArbeiterInnenklasse der radikalen Kleinbourgeoisie die Throne streitig macht, an denen sie seit Ewigkeiten festhält.

In einer Zeit, in der Identitätspolitik, Postmoderne und alle Arten von Ideologien, die nicht zum Sturz des kapitalistischen Systems führen, auf der ganzen Welt vorherrschen, gibt es einen Hoffnungsschimmer in bestimmten Schichten der pakistanischen Frauenbewegung. Die Demokratische Frauenfront (DFF), eine unabhängige Organisation, die arbeitende Frauen in städtischen und ländlichen Gebieten Pakistans organisiert, hat einige revolutionäre Forderungen, deren wichtigste die Forderung nach einer Vergesellschaftung der reproduktiven Arbeit ist. Während die derzeitige Führung in den meisten Sektionen aus der mittleren/unteren Mittelschicht stammt, bemüht sich die Organisation darum, arbeitende Frauen in die Führung zu bringen. In Lahore, wo ich die Vorsitzende bin, wurde vor kurzem eine Sektion der DFF gegründet, die hart daran arbeitet, ihre Wurzeln in den ArbeiterInnenvierteln zu stärken, um die Entstehung eines weiblichen Kaders aus diesen Gebieten vorzubereiten.

Wir arbeiten in den Vierteln der Hausangestellten und HeimarbeiterInnen und versuchen, sie zu organisieren. Diese Frauen erzählten uns, wie sich die steigende Inflation auf ihr Leben auswirkt und sie darum kämpfen, ihre Familien zu ernähren. Eine wichtige revolutionäre Forderung in diesem Szenario könnte die Einrichtung von Preiskomitees unter der Leitung von Frauen sein. Es besteht Hoffnung und Potenzial für die Entstehung einer weiblichen Führung der ArbeiterInnenklasse, wenn sich die DFF konsequent einer solchen Aufgabe widmet. Sie ist besonders entscheidend in einer Zeit, in der Kämpfe in verschiedenen frauenzentrierten Sektoren wie dem Gesundheits- und Bildungswesen auftauchen. Lahore, eines der städtischen Zentren Pakistans, birgt das Potenzial der Entstehung einer ArbeiterInnenbewegung. Ebenso birgt es das Potenzial für kleinbürgerlichen Radikalismus, gewerkschaftlichen Opportunismus und Reformismus sowie Zentrismus. Wenn es der DFF ernst damit ist, eine Führung der arbeitenden Frauen in der größeren ArbeiterInnenbewegung zu installieren, wird sie sich darauf vorbereiten müssen, solche Übel zusammen mit dem Kampf gegen den/die KlassenfeindIn und das Patriarchat zu bekämpfen.

Endnoten:

1 Die Demokratische Frauenfront (DFF) wurde ursprünglich von der Awami-ArbeiterInnenpartei (AWP) als ihre „Frauenfront“ gegründet. Die AWP ist bei Weitem die mitgliederstärkste linke Partei in Pakistan. Die DFF ist jetzt eine unabhängige Organisation. Die AWP spielt weder eine Rolle noch übt sie Einfluss auf Entscheidungen oder Strukturen der DFF aus. Natürlich sind Doppelmitglieder vertreten, die sowohl in DFF wie AWP organisiert sind. Die Autorin ist ein solches.

2 Azadi heißt auf Urdu Freiheit.




Aus unserer neuen Zeitung: Nachgefragt!

Felix Ruga+ Resa Ludivin

Was ist Enteignung?

Oft stößt mensch bei uns auf die Forderung nach Enteignung: Wir wollen die Immobilienkonzerne wie Deutsche Wohnen enteignen, die „Klimakiller“ wie Kohle- und Automobilindustrie oder Verkehrsunternehmen. Dabei ist die Idee, dass die Wirtschaft sich nach den Bedürfnissen der Menschen ausrichten soll. Einige spielen dabei eine besondere Rolle, weil sie sehr grundlegend für uns (Wasser, Wohnen, Essen, …) oder wichtig für das Klima (Transport, Energie) sind. Im Besonderen jene, deren Sicherung zentral sind (Wohnen, Wasser, Transport,…) oder die eine besondere Rolle in einem schwerwiegenden Problem haben (ÖPNV kostenlos machen, damit es weniger Autos weniger gefahren werden gibt). Wenn diese Dinge jedoch in privater Hand sind, dann sind sie vor allem für die Gewinne der Eigner_Innen statt für unsere Bedürfnisse da. Daher also diese Sache mit der Enteignung.

Dafür gibt es im Groben zwei Formen:
Zum einen wäre da die einfache Verstaatlichung. Dann geht es schon einmal nicht mehr um ein privates Profitinteresse und die Verwaltung wird von Beamt_Innen übernommen. Die Preise, Qualität und Produktion wird also zu einer Frage der Politik. Allerdings wird trotzdem noch für einen Markt produziert wird, es wirken also immer noch Zwänge wie eine gewisse Wirtschaftlichkeit und zum Teil tauchen wieder die gleichen Probleme wie Personalmangel, Verteuerung usw. auf. Das grundlegende Problem dabei ist, dass im Kapitalismus der Staat nicht dazu da ist, das Interesse der Gesamtheit zu vertreten. Vielmehr hält er die Klassengesellschaft aufrecht und wird daher auch nie effektiv unsere Bedürfnisse in der Produktion erfüllen. Bei Verstaatlichungen werden außerdem die ehemaligen Eigner_Innen oft viel zu hoch entschädigt. Ein Fortschritt stellt es trotzdem meistens dar!

Wir sprechen eigentlich von einer anderen Art der Enteignung: Es bilden sich demokratische Arbeiter_Innenräte, die die Betriebe besetzen. Diese entwickeln auch einen demokratischen Plan, was und wie zu produzieren sei. Alle könnten mitwirken, sodass sich die Produktion wie auch die Produkte am Menschen orientieren.

Wie sollten wir mit der Wissenschaft umgehen?

Fridays For Future, Extinction Rebellion sowie viele andere in der Umweltbewegung sehen sich als ein Sprachrohr oder die Vorkämpfer_Innen der Wissenschaft. Eine der großen Forderungen, die oftmals an die Regierung gestellt wird, ist: “Hört auf die Wissenschaftler_Innen!“, die klar belegen können, dass die Emissionen schleunigst gesenkt werden müssen und was für Reformen nötig wären. Und diese unterstützen wiederum auch die Klimabewegung, etwa in Form von Scientists For Future oder den vielen Vorträgen auf Demos und Veranstaltungen.
Die Wissenschaft auf unserer Seite zu wissen, ist eine große Stütze, denn sie gilt als objektiv und scheint somit als wertneutrale Stimme nach Vernunft, auf die zu hören im Interesse aller wäre. Ohne deren Urteil könnten, wir auch niemals sicher sein, dass wir überhaupt unsere Welt zu retten haben!
Jedoch führt dieser Anspruch der Objektivität auch dazu, dass sie keine konkreten politischen Handlungsvorschläge machen können: Sie sagen zwar, was getan werden muss, aber um das wirklich zu erreichen, müssen wir auch erklären, wie wir dorthin kommen! „Hört auf die Wissenschaft“ reicht aber nicht aus. Die Wissenschaft, schwebt nämlich nicht über der Klassengesellschaft. Sie hat richtig erkannt, das etwas getan werden muss, sie kann aber das Problem nicht lösen, was genau passieren muss und welche politischen Veränderungen notwendig sind. Darin besteht unsere Aufgabe: eine Perspektive zur gesellschaftlichen Veränderung umsetzen, die Klassenstandpunkt hat. Es darf dabei keine Kompromisse mit Profitinteressen geben, wir müssen es international machen, wir müssen es gemeinsam mit den Beschäftigten machen, wir müssen eine Gesellschaft schaffen, in der die Erkenntnisse der Wissenschaft unmittelbar umgesetzt werden können!
Und vor allem brauchen wir hierfür eine ausfinanzierte Wissenschaft, unabhängig von Geld und Karriere. Viele Technologien, die eine große Hilfe gegen den Klimawandel sein könnten, werden nicht ausreichend erforscht, da sie nicht profitabel genug sind. Werden doch einmal zum Beispiel klimafreundliche Produkte entwickelt, werden diese oft patentiert und versauern im schlimmsten Fall in irgendeiner Schublade, während weiter die alten, rentableren Produkte verkauft werden. Das alles passiert, wenn das die Geldgeber_Innen der Wissenschaft selbst eigene Profitinteressen haben. Sogar vor 50 Jahren sagten schon viele Wissenschaftler_Innen, dass es den Klimawandel gibt, aber durch große Energiekonzerne (wie Exxon mobil) wurden viele gekauft und haben Fehlinfos verbreitet.

Was können die Gewerkschaftsjugenden für die Klimabewegung machen?

Trotz der stärksten Umweltbewegung seit Jahren rief der DGB bisher nicht mal zu den Großstreiks auf, obwohl er das gekonnt hätte und die Klimakrise nicht nur ein Problem von Schüler_Innen ist, sondern von Arbeiter_Innen weltweit. Es liegt jetzt an den Gewerkschaftsjugenden das zu ändern.

Zwar sind die meisten Ortsgruppen stark an den Gewerkschaftsapparat angebunden, doch können sie gerade dies nutzen, um Klimaforderungen in die Gewerkschaft zu tragen. Die Forderungen von FFF, ebenso wie ein „sozialverträglichen Umweltschutz“ aussehen kann, werden derzeit schon diskutiert. Wir sagen: der einzig „sozialverträgliche Umweltschutz“ ist, sich das Geld bspw. für Umschulungsmaßnahmen von Kohlearbeiter_Innen usw. bei den großen Klimasünder_Innen selbst zu holen!
Das Ziel aller jungen Gewerkschafter sollte nicht sein eines Tages an der Spitze des Apparates zu stehen, sondern gemeinsam mit anderen Teilen der Bewegung für die Rechte und Lage von Arbeiter_Innen sowie unserer aller Zukunft zu kämpfen. In der Klimabewegung bedeutet das: Umweltschutz mit Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitszeitverkürzung und Neuaufteilung der Arbeit zu verknüpfen. Eine ökologische Wirtschaft ist unvereinbar mit der kapitalistischen Produktionsweise, denn sie kann nur funktionieren, wenn sie nicht profitorientiert ist. Wir müssen daher den Kern des Problems angehen. Doch diese Ziele können nur durch Druck auf die Kapitalist_Innen umgesetzt werden, durch einen Generalstreik für das Klima- sprich einem politischen Streik. Um das zu organisieren und eine Perspektive der Bewegung zu diskutieren, müssen sich alle kämpferischen Teile bei einer Strategiekonferenz 2020 verbinden. Lasst uns gemeinsam für eine nachhaltige Produktion in den Händen der Beschäftigten kämpfen!

Wozu brauchen wir Internationalismus in der Klimabewegung?

Die derzeitige Klimabewegung ist besonders stark in imperialistischen Ländern wie Deutschland. Hier wird über Klimanotstand, erneuerbare Energien und die Einhaltung irgendwelcher Grenzwerte diskutiert. Doch allzu oft verliert sie dabei aus den Augen, dass es in einigen Regionen der Welt bereits einen „Klimanotstand“ gibt, Menschen unter Wasserknappheit leiden und sterben oder aufgrund der sich verschlechternden Umweltbedingungen fliehen müssen.
Nehmen wir E-Autos als Beispiel, da sie von vielen Aktivist_Innen als Lösung der durch Autos abgesonderten Abgase gesehen werden. Zum Betrieb davon braucht man u. a. Cobalt, der in afrikanischen Ländern wie dem Kongo abgebaut wird. Die Arbeitsbedingungen: miserabel, zum Teil auch Kinderarbeit. Die Profite gehen nicht etwa an die Arbeiter_Innen vorort, sondern erst in imperialistischen Ländern, in denen man sich die heute noch sehr teuren E-Autos kaufen kann, wird der große Reibach von Konzernen wie BMW, VW oder Mercedes gemacht. Eine teure Lösung für reiche Imperialist_Innen also, bei dem im besten Falle die lokale Emission minimal verringert wird. Wo bleibt hier die Debatte um Arbeitsbedingungen? Globale Strategien zur Lösung der Klimakrise?
Outsourcing von Klimasünden bringt rein gar nichts fürs Klima! Lediglich die Klimabilanz imperialistischer Nationen wie Deutschland werden dadurch geschönt. Nationale „Lösungen“ bringen bei globalen Problemen gar nichts und sind nur Scheinlösungen zum Nachteil der Länder und ihrer Bevölkerungen, die heute schon im größeren Maße von Klimakatastrophen, verschmutzter Luft oder Wasser betroffen sind. Klimagerecht ist anders. Internationalismus heißt Klimagerechtigkeit für alle und eine Perspektive für alle. Daher muss die Antwort der Bewegung auf die Klimakrise heißen: Solidarität, Internationalismus, Antikapitalismus!

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Strategiekonferenz kämpferischer Gewerkschafter_Innen

Marcel Möbius + Alex Metzger

Wir waren am 25. Und 26. Januar auf der Strategiekonferenz der VKG (Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften – Webseite: https://www.vernetzung.org/). Insgesamt nahmen etwa 150 linke Gewerkschafter_Innen an teil. Ziel war es eine Strategie zu entwickeln den aktuellen Charakter der Gewerkschaften, die durch die Bürokratie gelähmt sind, zu verändern und sie zu Kampforganen der Arbeiter_Innenklasse zu machen, in denen wir uns im Klassenkampf effektiv organisieren können. Zu diesem Zweck nahmen viele politisch organisierte Kräfte an der Konferenz teil. Neben uns nahmen so auch Genoss_Innen der Gruppe ArbeiterInnenmacht, SAV, SOL, ISO und reformistische Kräfte von DIDF und der Linkspartei teil. Fast alle großen Gewerkschaften waren vertreten und konnten in den Branchentreffen die Lage ihrer Berufsgruppen und die Zukunft ihrer Arbeitskämpfe diskutieren. Es war ein gutes Zeichen um einen Zusammenhalt unter den sonst oft zu unpolitischen Gewerkschafter_Innen Deutschlands zu schaffen, denn die Diskussionen waren sehr solidarisch. Sie waren nur wenig von Konfrontation geprägt.

Der Gehalt unserer Diskussionen lässt sich in der Praxis der kommenden Zeit überprüfen. Dabei versuchten wir immer wieder verbindliche Aktionen einzubringen, um tatsächlich als kämpferische Basisopposition wahrgenommen zu werden. Auftakte hierfür können neben Kämpfen, vornehmlich in der Automobilindustrie und im öffentlichen Dienst, gemeinsame politische Initiativen hin zum Frauenkampftag, zum ersten Mai und in gemeinsamen Aktionen mit FFF bilden.

Darüber hinaus herrschte Einigkeit, dass eine internationale
Ebene der Arbeitskämpfe hergestellt werden muss um die Bourgeoisie
effektiv bekämpfen zu können und so mit der Standortideologie der
deutschen Gewerkschaften zu brechen. Es braucht internationale
Gewerkschaften und zuvor internationale Vernetzungen der
Belegschaften multinationaler Konzerne um den Klassenkampf gemeinsam
koordinieren zu können und das Kapital noch empfindlicher zu
treffen. Nur so kann man die Macht der Konzerne brechen. Es braucht
internationale Solidarität.

In der Diskussion um die Abschlusserklärung hat sich gezeigt, wo die inhaltlichen Differenzen liegen. Ebenso zeigte sich, wer wirklich daran interessiert ist die VKG zu einem effektiven Organ zur Organisierung linker Gewerkschafter_Innen zu machen. Einige Teilnehmer der Konferenz waren daran offenbar nicht interessiert, weshalb sie die Notwendigkeit der Erstellung einer Abschlusserklärung bestritten. Gerade zögerliche Kräfte aus der Linkspartei und Teile der ISO bestritten den Sinn einer solchen Erklärung im ganzen. Dabei muss klar herausgestellt werden, dass diese Konferenz natürlich eine Abschlusserklärung brauchte um Grundsätze festzuhalten. Das bedeutet keine Erklärung Ihrer selbst Willen zu verfassen, sondern sich Aufgaben und Ziele für die gemeinsame Arbeit zu stecken. Diese Position hat sich in der Diskussion weitestgehend durchgesetzt. Wobei einige ehemals radikalere Formulierung auf Drängen der sozialdemokratischen Teile der Konferenz abgemildert wurden.

Jedoch war sich die Konferenz im Großen einig: Es ist essentiell das Konzept der Sozialpartnerschaft zu überwinden. Die Kapitalist_Innen sind der Klassenfeind und müssen in effektiven Arbeitskämpfen angegangen werden, statt uns „sozial verträglich“ an den Klassenfeind von den Gewerkschaftsbürokrat_Innen verkaufen zu lassen. Erfolgreiche Arbeitskämpfe werden die Moral der Arbeiter_Innen und den Grad der Organisierung stärken, wenn sie Vertrauen in die Gewerkschaften gewinnen. Dazu müssen wir den Charakter der Gewerkschaften verändern.

Kontrovers diskutiert wurde auch die Verwendung des Klassenbegriffes, was Zeichen der Degeneration ist, die sich inzwischen selbst unter linken Gewerkschafter_Innen breit macht. Es muss klar herausgestellt werden, welche Verhältnisse zu den Produktionsmitteln bestehen und dass sich daraus ein Klassengegensatz ergibt, der nur im Klassenkampf aufgelöst werden kann. Die Befürchtungen zentristischer Organisationen bestehen darin über diese offensive Ausdrucksweise Arbeiter_Innen abzuschrecken. Wenn wir unserer Klasse und den Kämpfen die gerade stattfinden eine Führungslosigkeit attestieren, dürfen wir uns nicht scheuen unser Konzept des Kampfes im ganzen zur Diskussion zu stellen. Dabei muss die konsequente, ehrliche und geduldige Argumentation unserer Standpunkte, ohne dabei in einen Scheinradikalismus zu verfallen, dazu in der Lage sein Massen von unseren Forderungen und letztlich unserem Programm zu überzeugen

Dies zeigte aber die Kontroverse zwischen Teilnehmer_Innen, die die VKG als reines Koordinierungsorgan ansehen und jenen, die verstehen dass die VKG eine verbindliche Struktur sein muss um ein hilfreiches Mittel im Klassenkampf zu sein. Wichtig ist, das nicht nur reine Worthülsen bleiben, sondern daraus gemeinsame Strukturen und Aktionen folgen, die dringend gebraucht werden, um uns als Gewerkschaftsopposition gegen reaktionäre Kräfte und die Gewerkschaftsbürokratie zur Wehr zu setzen und effektive Arbeitskämpfe führen zu können, die die Lage der Beschäftigten tatsächlich verbessern.

Diese gemeinsamen Aktionen wurden von einer breiten Mehrheit der Teilnehmer_Innen der Konferenz angestrebt. So sind gemeinsame Aktionen im Kontext des Frauenkampftages und im Vorfeld des 1. Mai geplant. Ein Aktionstag am Tag der Erde (24. April) ist von Fridays for Future geplant, der zu einer Aktionswoche mit Höhepunkt am 1. Mai führen soll. Wir fordern alle Aktivist_Innen und Ortsgruppen von Fridays for Future auf dies zu unterstützen. Eine Verbindung der Gewerkschaften mit der Umweltbewegung ist geplant, weshalb auch eine Aktivistin der Fridays for Future Ortsgruppe Köln gesprochen hat. Hier wurde festgestellt, dass für den Ausbau des ÖPNV und der Kampf für kostenlosen öffentlichen Personenverkehr zur Überwindung des Individualverkehrs ein Schulterschluss mit den Beschäftigten der EVG und ver.di gesucht werden sollte. Die Umweltbewegung hat Massen auf die Straße gebracht, die die wirtschaftlichen Druckmittel der Beschäftigten nutzen sollten, indem politische Forderungen in den Streiks der Tarifverhandlungen Mitte dieses Jahres gestellt werden.

Diese Aktionen werden eine erste Probe sein, ob die solidarischen
Gespräche uns voranbringen und Taten folgen lassen, die dringend
notwendig sind.

Die kommenden Auseinandersetzungen – seien es drohende
Massenentlassungen, Rassismus, Militarismus oder Umweltkatastrophen,
verdeutlichen, dass es um die Systemfrage geht. Wir brauchen daher
eine Opposition, eine klassenkämpferische Basisbewegung, die den
Kapitalismus nicht zähmen, sondern ihn zerschlagen will.