Grüner Antikapitalismus gegen Braune Nazis

Rund 850 Menschen, unter ihnen vorwiegend SchülerInnen, die aus Magdeburg und unterschiedlichen ostdeutschen Städten kamen, versammelten sich laut den OrganisatorInnen von Fridays for Future am Freitag Nachmittag am Magdeburger Hauptbahnhof. Sie kamen zusammen, um ein Zeichen gegen Rechts, speziell den Aufmarsch der Nazis zu setzen. Letztere versammeln sich jährlich unter dem Vorwand des Gedenkens der Bombardierung Magdeburgs im II. Weltkrieg, um ihr nationalsozialistisches und menschenverachtendes Weltbild auf die Straße zu tragen.

Die AktivistInnen in Magdeburg haben deutlich erkannt, dass die FaschistInmen und ihr nationalistisches Gedankengut in einer Welt, in der die Umweltzerstörung nur international gestoppt werden kann, eine ernsthafte Gefahr für die gesamte Menschheit darstellen. Natürlich aber zuvorderst für die Millionen Menschen, die bereits jetzt vor Krieg, Krise und Klimawandel fliehen. Ein Jenaer Aktivist sagte hierzu “Klimaschutz ist, war und bleibt immer auch antifaschistisch. Viele sagen immer: ihr dürft euch doch nicht so äussern. Ich sage: ein Kampf fürs Klima ist immer auch ein Kampf gegen Rechts.”

Dieser Ton ist deutlich im Widerspruch zu weitaus zögerlicheren Tönen des bürgerlichen Flügels der FFF Bewegung, der sich in Städten wie Berlin die Führung stellt. Dieser betont, dass FFF “unpolitisch” sei, das man “alle ansprechen” müsse, vielleicht auch den konservativen Opa oder die Tante bei der AfD. Doch die Wahrheit ist, dass diese Kräfte nicht unseren Protest unterstützen, oft auch aktiv gegen ihn stehen. Die Slogans nach offenen Grenzen und internationaler Solidarität auf der Demonstration in Magdeburg hingegen sprachen ganz offensichtlich viele Umstehende an, einige schlossen sich der Aktion daraufhin an. Überhaupt kam diese für Magdeburg äußerst große Demonstration aufgrund eines antifaschistischen Anlasses zusammen, konnte aber in diesem Zusammenhang auch lautstark auf den neuen Kohle”Kompromiss” oder besser gesagt Ausverkauf zugunsten der Profite der Energiekonzerne hinweisen.

Richtigerweise wies daher auch die Sprecherin von FFF Magdeburg Leonie Szameitat daraufhin, dass der “Klimawandel soziale Ungerechtigkeiten verschärft”. Es ist nicht erstaunlich und berechtigt, dass jene, die dies verstehen sich zusehends antikapitalistischen Perspektiven zuwenden. Die Demonstration war demnach auch von Slogans wie “A-Anti-Anticapitalista” und “Hoch die Internationale Solidarität” geprägt. Das Strategiepapier von Revolution wurde positiv aufgenommen, mehrere angereiste Schulgruppen baten um zusätzliche Materialien, um diese bei sich vor Ort an den Schulen verteilen zu können. Alles in allem ein deutliches Signal, dass es eine breite Basis in FFF und unter Jugendlichen für antikapitalistische Antworten gibt.

Wir möchten den AktivistInnen von FFF Magdeburg für ihre Initiative und den organisierten Protest gratulieren. Uns als AntikapitalistInnen sollte er ermutigen, uns jetzt bundesweit zu organisieren und Change for Future zu einer aktivistischen Kraft zu formieren, die derartige Proteste mitorganisieren oder initiieren kann.

Wir von Revolution werden uns mit aller Kraft für dieses Ziel einsetzen. Aktuell ist CFF mit Vorbereitungen für eine bundesweite antikapitalistische Konferenz der Bewegung beschäftigt. Diese sollte unserer Meinung nach eine solche Plattform schaffen, auf der antikapitalistische Ideen, die in der Bewegung an der Basis offensichtlich populär sind, formuliert werden können. Ebenso wichtig ist es auch, deutliche Kampagnen und eigene Akzente der AntikapitalistInnen zu setzen. Zentral erscheint uns hierbei eine Kampagne zu der Enteignung der Energiekonzerne und der Großkonzerne und Banken im Allgemeinen, und klimaschädlicher Konzerne im Speziellen. Dies sollte mit einer besonderen Kampagne zur kompletten Vergesellschaftung der Bahn und der Verstaatlichung anderer Zug- und Logistikunternehmen verbunden werden. Der öffentliche Nahverkehr muss kostenlos sein. Der komplette Zugverkehr und öffentliche Personennahverkehr massiv ausgebaut werden. Diese wirtschaftlichen Forderungen müssen einerseits mit klarer antirassistischer und internationalistischer Politik verbunden werden, andererseits mit ArbeiterInnenpolitik, die diese große gesellschaftliche Kraft nicht nur auf unsere Proteste bringt, sondern sie für den Umbau der untauglichen Marktwirtschaft in eine demokratische Planwirtschaft gewinnt.

So können wir zu einer Massenkraft werden, die nicht nur die FaschistInnen mit Leichtigkeit von der Straße fegen kann, sondern den Slogan “System Change not Climate Change” tatsächlich umsetzen kann und nicht in faulen Kompromissen Schwarz-Grüner Regierungen versandet.




Bericht vom FFF Nordkongress

Klimawende! Die Zeit für sie zerrinnt uns zwischen den Fingern. Aber obwohl wir seit mehr als einem Jahr Schulstreiks und eine Menge Radau gemacht haben, sind wir ihr nicht merklich näher gekommen. Das Klimapaket, Madrid und Politiker_innen oder Unternehmen mit leeren Worten und heißer Luft haben niemanden glücklich gemacht. Im Gegenteil: Frustration, Desillusionierung und Burn-Outs machen sich breit. Daher die Idee, am ersten Wochenende des Jahres einen FFF-NordKongress in Hamburg zu veranstalten, auf dem die Bewegung darüber diskutieren kann, wie wir statt zu schrumpfen noch viel größer werden können und vor allem: welche Strategie wir brauchen, um den Kampf ums Klima doch noch zu gewinnen.

Wir von Revolution waren auch mit einer Delegation von Genoss_Innen aus Berlin, Greifswald und Hamburg dabei und sind dort für die Perspektive eingetreten, die wir auch in unserem Strategiepapier (onesolutionrevolution.de/handeln-statt-hoffen-welche-strategie-fuer-fridays-for-future/) vorschlagen.

An sich war der NoKo eine sehr gute Initiative und die hohe Zahl an Teilnehmer_Innen hat gezeigt, dass es ein großes Interesse an einer gemeinsamen Diskussion in unserer Bewegung gibt. In seinem Verlauf haben sich allerdings auch einige Schwächen aufgetan, aus denen wir für den nächsten Kongress Lehren ziehen können. Das problematischste hierbei war, dass es nicht genügend Gesamtplena gab, auf denen man eine kollektive Strategiedebatte hätte führen können. Stattdessen hat man sich wieder in kleine Workshops aufgesplittert. Deren Inhalt war zudem auch oft ziemlich Banane, so wurde ein Unternehmensberater angeheuert, der politische Strategien mit Marketingtricks ersetzen wollte oder es gab einen Workshop, indem darüber referiert wurde, wo die besten „klimaneutralen“ Investitionsmöglichkeiten existieren (lächerlicher Weise wurde hier ausgerechnet Siemens genannt). Es kann aber keinen grünen Kapitalismus geben! Wir dürfen daher auch unsere Zeit nicht mit sinnlosen Versuchen verplempern, den Kapitalismus doch noch grün zu machen! System Change not Climate Change! Anticapitalista!




Petitionen gegen Buschfeuer!?

Was gerade eigentlich in Australien abgeht und was Fridays for Future dagegen tun kann.

Von Christian Mayer

Das derzeit verheerendste Buschfeuer in der Geschichte
Australiens bewegt weltweit die Menschen. Allein seit Ausbruch der Brände im
Oktober letzten Jahres ist in den Bundesstaaten New South Wales (NSW) und
Victoria eine Fläche etwa so groß wie die Schweiz verbrannt. Die Folgen sind
katastrophal.

Folgen der Brände

So sind in vier Monaten nicht nur ca. 24 Menschen in den
Flammen verbrannt. Auch über 480.000.000 Tiere kamen dabei ums Leben. Die
Feuerwehr der betroffenen Bundesstaaten ist dabei machtlos: Durch ständige neue
Hitzerekorde und wechselnd starke Winde aus unterschiedlichen Richtungen sowie
seit Monaten ausbleibenden Regen sind die Brände völlig außer Kontrolle
geraten. Unzählige Ortschaften mussten bereits evakuiert werden. Längst haben
die Brände aber auch die Nähe zu den großen Metropolen erreicht. In Australiens
Hauptstadt Canberra wurde die Bevölkerung bereits dazu aufgerufen, sich durch
das Tragen von Atemmasken vor dem lebensgefährlichen Rauch zu schützen. Die
Feuerwehrleute, die versuchen, sich den Brandherden zu nähern, begeben sich in akute
Lebensgefahr. Innerhalb kürzester Zeit breiten sich die Flammen auf dem meist
flachen Land und in den Wäldern aus und überrollen alles, was sich ihnen in den
Weg stellt. Insbesondere Tiere wie Kängurus oder Koalabären gehören zu den
Opfern: da diese aufgrund ihrer Anatomie nicht so schnell fliehen können oder
in Zäunen stecken bleiben verbrennen sie qualvoll bei lebendigem Leib.

Ursachen

Nun mag man vielleicht etwas irritiert sein wenn man von
Hitzerekorden jenseits der 45-Gradmarke liest, schließlich gibt es
Weltregionen, da ist dies die „normale“ Tagestemperatur. Das mag sein,
allerdings handelt es sich dabei in der Regel um Wüsten und nicht um Grasland
oder Waldgebiete wie in Australien. Durch die anhaltende Trockenheit, die durch
diese Temperaturen entsteht, erhöht sich die Wald- und Buschbrandgefahr automatisch
(das kennen wir in Deutschland auch vom letzten Sommer). Es reicht schon
minimalster Funkenflug aus, um eine verheerende Katastrophe auszulösen. Das
liegt an der Vegetation in Australien: Dort wachsen vorwiegend Eukalyptusbäume
und diese haben die Eigenschaft zu brennen wie ein nordamerikanischer oder
europäischer Nadelbaum. Auch die großen Flächen an Grasland sind ein natürlicher
Brandbeschleuniger.

Doch die Vegetation ist nicht Hauptursache für die
Buschbrände: Die derzeitige Hitzewelle im australischen Sommer ist eine direkte
Folge des Klimawandels und die akute Bedrohung ein Produkt der neoliberalen
Politik der australischen Regierung. Bereits im Jahre 2007 warnten
Wissenschaftler_Innen davor, dass die Anzahl der Brände sich verdoppeln und die
Folgen verheerend sein könnten, wenn die CO2-Emissionen, welche vorwiegend
durch die Kohleverstromung erzeugt werden, nicht drastisch reduziert werden.

Kohleland

Australien ist weltweit einer der größten Kohleproduzent_Innen.
Die dort abgebaute Kohle wird zum Großteil nach Indien und China exportiert und
dort zur Energiegewinnung genutzt. Aber auch für die eigene Stromerzeugung wird
Kohle benutzt. Eine Abgasnachbehandlung, wie sie für europäische Kohlekraftwerke
zum Betrieb vorgeschrieben ist, gibt es in Australien fast nicht. Somit wird
ungehindert eine noch größere Menge an CO2 in die Atmosphäre freigesetzt. Durch
die damit einhergehende Erwärmung vertrocknet die Vegetation und die
Brandgefahr steigt. Unzählige Studien und Warnungen von Wissenschaftler_Innen
haben die konservative Regierung von Australiens Premierminister Scott Morrison
heruntergespielt und einen Zusammenhang zwischen Kohleabbau und Klimaerwärmung
geleugnet. Noch während die ersten großen Brände ausbrachen ist Scott in den
Urlaub nach Hawaii geflogen. Als ob diese Dreistigkeit angesichts der tödlichen
Katastrophenbrände noch nicht genug ist, ist er weiterhin der Meinung, dass der
Kohleabbau in Australien sogar noch weiter ausgebaut werden sollte! Doch auch die
oppositionelle Labour-Partei steht ihm im in ihrer pro-Kohle-Politik in nichts
nach.

Die aktuelle Katastrophe in Australien zeigt ganz eindeutig
auf, dass sich Klimaschutz und Kapitalismus nicht miteinander vereinbaren
lassen. Und die bürgerlichen Regierungen lassen mal wieder erkennen, auf wessen
Seite sie stehen: Die Profitinteressen der Wirtschaft scheinen ihnen wichtiger
zu sein als die Interessen der gesamten Gesellschaft und der Natur. Hinzu
kommt, dass durch die jahrelange neoliberale Sparpolitik in Australien
öffentliche Infrastruktur, wie beispielsweise die Feuerwehr, immer weiter
abgebaut wurden. Obwohl sich die Feuerwehr seit Jahren immer wieder mit
Protestbriefen an die Regierung gewendet hat, dass sie den wachsenden
Anforderungen mit zu geringem Personal und zu schlechter Ausrüstung nicht
gewachsen sind, hat die australische Regierung munter weiter gespart, um das
Geld den Kohlekonzernen in Form von Subventionen zukommen zu lassen.

Petitionen und Entertainmentprogramm im Berliner
Olympiastadion

Als Fridays for Future können wir eine solche Katastrophe
natürlich nicht unkommentiert lassen. Im Gegenteil: Wir müssen hier vor Ort die
verfehlte Politik von Morrison angreifen und aktiv werden. Das heißt natürlich
vor allem gegen die Kohlekonzerne vor unserer eigenen Haustür zu protestieren.
Aber auch andere exportorientierte deutsche Unternehmen verdienen auch im
Ausland mit den Klimakillern. So will beispielsweise der Großkonzern Siemens
die Bahninfrastruktur für den Bau der größten australischen Kohlemiene stellen.
Dabei hat der Siemensvorstand noch vor kurzem ganz stolz verkündet eine
Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz einnehmen und bis 2030 „klimaneutral“
werden zu wollen. Die Strategie von Siemens entspricht der gängigen
„Greenwashing“-Strategie deutscher Konzerne. Hierzulande werden die
Umweltbilanzen geschönt, indem die umweltschädliche Produktion einfach im
Ausland stattfindet.

Für viele in Fridays for Future ist das ein Skandal, weshalb
nun eine Petition gestartet wurde, die Siemenschef Kaeser dazu auffordert,
seine Investitionen noch einmal neu zu überdenken. Mit großen Protestaktionen
am Freitag haben wir den Druck noch einmal verstärkt. Kaeser sah sich deshalb
gezwungen (die selbsternannte Führungsfigur von Fridays for Future) Luisa
Neubauer zu einem Gespräch einzuladen. Währenddessen bot er ihr dann einen
Platz im Aufsichtsrat von Siemens an.

Auch diese Taktik kennen wir schon. So versuchen viele
Institutionen oder Unternehmen unserer Klimabewegung den oppositionellen
Charakter zu nehmen, in dem sie uns versuchen in ihr System zu integrieren.
Eine ähnliche Entwicklung hat auch die Partei die Grünen hingelegt, die sich auf
ihrer Geburtstagspartei zum Vierzigsten am Wochenende auch noch dafür gefeiert
hat.

Auch denken wir, dass eine Petition kaum Einfluss auf einen
Großkonzern wie Siemens haben kann, denn dieser untersteht in erster Linie
immer noch der Profitlogik. Der Kapitalismus kann nur funktionieren, solange
sich alles dem Profit unterordnet, egal ob es nun die Umwelt, das Klima oder
Menschenleben sind. Und wer wüsste das besser als Siemens. Es gibt einige
Beispiele für Petitionen aus den letzten Jahren, die von den amtierenden
Regierungen einfach ignoriert wurden, sobald sie die Profitinteressen der
jeweiligen Großkonzerne antasteten. Zum Beispiel die europäischen
Großpetitionen gegen TTIP oder Artikel 13. Bei der Petition gegen Artikel 13
haben EU-weit zwar fast 4 Millionen Menschen unterschrieben, aber das war dem
EU-Parlament ziemlich egal: Artikel 13 und die Uploadfilter kamen trotzdem.

Ähnliche Folgenlosigkeit erwarten wir vom geplanten Bespaßungsevent
am 12.06.im Berliner Olymbiastadion. Es ist zwar bestimmt ganz unterhaltsam,
wenn man sich mit 60.000 anderen zusammen trifft, sich Vorträge von angeblichen
„Expert_Innen“ anhört, um anschließend eine bereits ausgearbeitete Petition zu
unterschrieben – allerdings ist dann noch nicht gesagt, dass das auch ein
verbindliches Ergebnis nach sich zieht. Ja, es mag sein, dass sich der
Petitionsausschuss des Bundestags damit befassen muss bei 50.000
Unterschriften. Ob dann tatsächlich ein Gesetz daraus wird, was verbindlich
ist, steht auf einem anderen Blatt Papier. Es besteht durchaus die Gefahr, dass
das Thema zwar im Petitionsausschuss angesprochen wird, aber es kann genauso
gut in den Untiefen der Bundestagsbürokratie versumpfen oder es wird abgelehnt,
das Thema überhaupt weiter zu verfolgen. Statt passivem Konsumieren von
„Exerpert_Innenmeinungen“ und dem stumpfen Unterschreiben eines vorgefertigten
Textes hätten wir außerdem lieber selber über die Zukunft und Perspektive von
Fridays for Future diskutiert.Hinzukommt, dass man sich vorher noch
eine Eintrittskarte zu diesem Event kaufen muss. 29,95€ sind für viele von uns
eine große Summe Geld. Wir sind entschieden dagegen, dass nur privilegierte
Aktivist_innen an den Aktionen von FFF teilnehmen können.

Alternative: #Klassenkampf

Auch wenn es nicht schaden kann eine solche Petition zu
starten, können wir es nicht dabei belassen. Gerade jetzt in einer Situation,
in der die Teilnehmer_Innenzahlen von Fridays for Future kleiner werden und
Aktivist_Innen zunehmend demoralisiert sind, können wir uns keinen weiteren
Misserfolg leisten. Solange eine Petition alles ist, was wir dieser Politik
entgegenstellen, werden wir verlieren und das wird erneut für Frustration in
der Bewegung sorgen. Wenn wir tatsächlich Siemens stoppen wollen, müssen wir
die dortigen Beschäftigten für unsere Ideen gewinnen. Mit gemeinsamen Streiks
von uns Schüler_innen/Studis und Beschäftigten können wir den Konzern dort
treffen, wo es ihm wirklich weh tut: nämlich bei seinen Profiten. Es ist die kapitalistische
Profitlogik, die zum immer weiteren Ausbau der klimaschädlichen Kohleproduktion
in Australien führt, die Anlass für die Kürzungsmaßnahmen bei der australischen
Feuerwehr gegeben hat und die auch im nächsten Jahr zu Massenentlassungen bei
Siemens führen könnte. Als Klimabewegung haben wir mit den Arbeiter_Innen
gleiche Interessen und einen gemeinsamen Feind. Dafür müssen wir Awareness in Fridays
for Future schaffen und das in unseren Aktionen zum Ausdruck bringen. Der FFF-Nordkongress
letzte Woche in Hamburg hat bereits vor gemacht, wie das geht und sich
Mehrheitlich für einen Schulterschluss von Fridays for Future mit den
Gewerkschaften ausgesprochen. Das ein richtiges Zeichen, auf dem wir aufbauen
müssen! Ohne die soziale Frage hat Fridays for Future keine Future.




Handeln statt Hoffen: Welche Strategie für Fridays for Future?

EDieses Papier ist aufgrund einer Strategiedebatte
innerhalb der bundesweiten Struktur von FFF entstanden. Als REVOLUTION
beteiligen wir uns seit einiger Zeit an den Klimaprotesten und unterstützen
diese praktisch. Dieses Papier versucht vor allem zwei Fragen zu beantworten:

  1. Wie können wir unseren Protest im nächsten Jahr voranbringen und unsere
    Forderungen durchsetzen?
  2. Wie können wir unsere Struktur verbessern?

Dabei haben wir den ersten Teil vorangestellt, da wir glauben, dass die Inhalte auch maßgeblich das Vorankommen, aber auch die Form unseres Protestes bestimmen. Viel Spaß beim Lesen! Wer Weiteres mit uns diskutieren möchte oder seine_ihre Kritik mit uns direkt teilen will, kann sich unter strategiefff@riseup.net bei uns melden!

Kurze Bilanz

Seit einem Jahr streiken wir und haben es geschafft eine große öffentliche Aufmerksamkeit zu schaffen. Jeden Freitag sind in verschiedenen deutschen Städten Menschen auf die Straße gegangen, zudem gab es 4 internationale Aktionstage. Hierzulande beteiligten sich am 20.09.2019 sogar 1,4 Millionen. Das ist die größte Mobilisierung seit Jahren. Kurz: Viele sind sich der Problematik der Klimakrise nun bewusst und Politik und Medien mussten sich vermehrt mit dem Thema beschäftigen. Unsere Forderungen wurden allerdings nicht umgesetzt. Mit dem Klimapaket können die Ziele des Pariser Klimaabkommens sowie die 1,5°C Grenze nicht eingehalten werden. Dieses ist nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Auch die UN-Klimakonferenz in Madrid endete wieder ergebnislos und hinterlässt mal wieder den Eindruck, dass es kaum Akteure des aktuellen Wirtschafts- und Staatensystems gibt, die unsere Klimaziele umsetzen wollen. Aber wir wollen uns nicht demoralisieren lassen, sondern fragen uns: Was nun?

Welche Strategie brauchen wir?

Wie schon geschrieben: Wir sind Viele. Aber das
reicht nicht aus, um etwas zu ändern. Damit wir mehr werden – und vor allem mehr
erreichen – müssen wir im nächsten Jahr gezielter vorgehen. Statt Klimaschutz
individuell zu denken (Was kann jede_r von uns einzeln tun?) müssen wir
kollektive Verbesserungen erkämpfen. Das hat zwei Gründe: Zum Einen sprechen
wir so mehr Menschen an, denn aktuell wird Klimaschutz nur mit Verzicht,
Verboten und Steuererhöhungen in Verbindung gebracht. Das schreckt ab, da sich
das viele nicht leisten können und auch keine gute gesamtgesellschaftliche
Perspektive ist. Zum Anderen schaffen wir es dadurch im Hier und Jetzt
Veränderungen zu erwirken, die nicht nur unseren Lebensstandard erhöhen,
sondern auch schnellere Auswirkungen auf unsere Lebensgrundlage haben.
Zusätzlich haben wir als Bewegung dann einen greifbaren Erfolg! Konsumprotest
kann nur ein begleitendes Mittel sein. Denn was nutzt ein bewusster Verzicht,
solange die von uns genutzte Energie durch Kohleverstromung erzeugt wird oder
Massenvernichtungswaffen gebaut werden?

Dazu müssen wir die Interessen der Mehrheit nach
einem Arbeitsplatz, einer gut bezahlten Zukunft, einem besseren Leben in unsere
Forderungen mit einbeziehen. Also kurz: Lasst uns für Verbesserungen statt
Verbote einstehen! Damit genau das umgesetzt wird, müssen wir
Interessenvertretungen eben jener miteinbeziehen. In diesem Fall sind es die
Gewerkschaften, sowie die politischen Parteien, mit denen diese verbunden sind.
Diese haben zwar in Fragen des Klimaschutzes in der Vergangenheit nicht allzu
viel erreicht, aber organisieren bereits eine Masse an Leuten, die wir mit
unseren Forderungen erreichen wollen und können. Ein zentraler Ansatzpunkt für
eine erfolgreiche Kampagne sind somit die Tarifrunden der Länder im nächsten
Jahr. Dort müssen wir uns als Fridays for Future beteiligen und gleichzeitig
eine eigene Position mit hereintragen, um Kämpfe zu verbinden.

  1. Wie können wir die Kohlesubventionierung beenden und den Beschäftigten
    eine Perspektive bieten?

Hier sollten wir für einen
Branchentarifvertrag eintreten. Dies bedeutet einheitliche Bezahlung in der
Energiebranche, damit sie nicht gegeneinander ausgespielt werden. Werden dann
Kohlekraftwerke geschlossen, bedarf es kostenloser Umschulungen und der
Erschließung neuer Jobs, beispielsweise im Bereich der erneuerbaren Energien,
die dann automatisch zu gleichem Lohn stattfinden muss, damit die Beschäftigten
eine Perspektive für weitere Arbeit haben. Dies muss dann beispielsweise durch
die aktuelle Subventionierung der Kohle gezahlt werden, sowie durch die
stärkere Besteuerung von Unternehmen wie RWE. Weigern sich diese, müssen wir
für die Enteignung dieser Firmen eintreten, die jahrelang von der Zerstörung
unserer Lebensgrundlage profitiert haben.

  • Verkehrswende
    statt Klimawandel
    !

Dies kann nicht alleinig durch E-Mobilität beendet
werden. Wir müssen für einen kostenlosen ÖPNV eintreten, unter Kontrolle der
Beschäftigen und Nutzenden. Statt den Schwerpunkt auf individuelle Verkehrswege
zu legen, sollten wir auf die Verbesserung von kollektiven Fortbewegungsmitteln
setzen. Diese Forderung kann nur real werden, wenn wir für massive Investitionen
in die Bahn eintreten, für mehr Personal mit besseren Löhnen und den Ausbau der
Streckennetze. Dazu müssen wir aktiv auf die Beschäftigten zugehen und sie
einladen, gemeinsame Aktionen mit uns zu machen. Beispielsweise bedarf es
Vollversammlungen in Schulen und Betrieben, wo wir gemeinsam über diese
Thematik diskutieren können und müssen. Daneben können wir auch unsere Streiks
miteinander verbinden. Statt uns auf das Gerede der Konzerne und Regierungen zu
verlassen, dass nicht genug Geld dafür da ist, sollten wir für die Einsicht in
die Geschäftsbücher eintreten. Schließlich geht der Klimaschutz uns alle an.

  • Holt die Gewerkschaften mit ins Boot!

Nicht umsonst sind im Rahmen
des weltweiten Generalstreiks 1,4 Millionen Leute auf die Straße gegangen. Das zeigt:
Diese Aufforderung hat Wirkung. Wenn wir mehr als das Klimapaket haben wollen,
dann müssen wir uns diesem Mittel bedienen! Dadurch, dass Unternehmen Verluste
einfahren, erwirken wir Druck auf Politik und Kapital. Wir als Fridays for
Future müssen deshalb die Gewerkschaften zum Einen offen aufrufen, dies mit uns
gemeinsam zu veranstalten, indem sie a) offen dazu aufrufen und b) im Vorfeld
Vollversammlungen an den Betrieben organisieren. Durch die oben genannten
Forderungen haben wir dann gleichzeitig Kontakt zur Belegschaft und können dies
ebenfalls unterstützen, sollte dies nicht passieren. Nur so können wir uns in
Stellung bringen, unsere Forderungen durchzusetzen. Gemeinsame Kämpfe mit den
Beschäftigten sind ineiner Situation, in der die Wirtschaft weltweit stagniert,
besonders wichtig. Denn wir dürfen nicht zulassen, dass die Unternehmen die
Kosten der ökologischen Krise durch Massenentlassungen und Auslagerung von
umweltschädlicher Produktion in andere Nationen auf den Schultern der
Lohnabhängigen abladen.

  • Klimaschutz kennt keine Grenzen!

Das Problem des Klimawandels
lässt sich nicht in einem Land lösen. Wenn wir wachsen wollen, müssen wir unsere
Kämpfe verbinden und über Nationalstaatsgrenzen hinweg gegen eine Politik
eintreten, die dafür sorgt, dass die Produktion in andere Länder verlagert wird
und dort Löhne drückt, sowie die Umwelt zerstört. Ein Schritt dahin ist,
Bewusstsein dafür zu schaffen und für die Anerkennung von Umweltzerstörung als
Fluchtursache und volle Staatsbürger_Innenrechte für Geflüchtete einzutreten.
Ebenso müssen die Länder, die besonders unter den Folgen des Klimawandels
leiden, durch Zahlungen der Klimakillerkonzerne, wie beispielsweise RWE,
entschädigt werden.

Welche Struktur brauchen wir um das zu erreichen?

a) Damit unser
Protest nicht stagniert und wir schnell handlungsfähig bleiben, bedarf es
ebenfalls Aktions- und Streikkomitees an den Orten, an denen wir uns tagtäglich
bewegen. Also an Schulen, Unis und Betrieben. Warum? Viele Aktivist_Innen gehen
regelmäßig Freitags auf die Straße. Anstelle sich nur unter Gleichgesinnten zu
bewegen und die Spaltung in der Umweltfrage zu vertiefen, lohnt es sich durch
Mobilisierungen, Vollversammlungen und kleineren Aktionen vor Ort die Debatte
zu anderen Leuten zu bringen. Das sorgt für eine stetige Auseinandersetzung und
befähigt gleichzeitig Viele von uns sich mehr einzubinden. Vor allem, da es für
Viele leichter ist, sich dort zu organisieren, wo sie sich tagtäglich bewegen.
Es ist unsere Aufgabe offen um unsere Perspektive zu streiten und damit neue
Aktivist_Innen für unsere Ziele zu gewinnen.

b) Diese Basiskomitees können dann Vertreter_Innen ins Plenum schicken und Delegierte wählen. Dieses System hat mehrere Vorteile. Denn aktuell ist das Problem, dass sich nicht alle von uns verantwortlich fühlen, für die Sachen die entschieden und umgesetzt werden. Dadurch machen manche Menschen sehr viel Arbeit und haben viel Verantwortung Alles zu entscheiden. Der Großteil an Menschen wird in diesen Prozess nicht einbezogen und übernimmt daher nur ab und zu Aufgaben.

d) Warum ist das
wichtig? Wir sind eine Jugendbewegung, die es geschafft hat ins Gespräch zu
kommen. Unser Ziel muss aber auch sein, dass 
Aktivist_Innen selbstständig lernen zu handeln anstatt zu hoffen. Also
sich eigenständig an unseren Strukturen zu beteiligen. Dies geschieht vor allem
auch darüber, dass wir offen über Inhalte und Entscheidungen diskutieren. Nicht
um der Selbstbeschäftigung willen, sondern um der Bewegung willen. Nur wenn wir
demokratische Strukturen haben, an denen sich alle beteiligen können, schaffen
wir es auch eine demokratische Bewegung zu sein.

e) Deswegen müssen
unsere Delegierten auch jederzeit rechenschaftspflichtig und wähl- und
abwählbar sein. Jede_r soll und darf Ideen einbringen, gleichzeitig müssen
zentrale Momente der Bewegung wie Aktionstage, Forderungen und Perspektiven
gemeinsam besprochen und abgestimmt werden. Das muss aber auch für alle Aktivist_Innen
überprüfbar sein. Ansonsten droht die Gefahr, dass wichtige strategische
Entscheidungen nur von einem kleinen Teil getroffen werden. Was aber passiert
wenn sich herausstellt, dass diese falsch oder nicht im Interesse des
gemeinsamen Ziels (Klimaschutz, yeah!) sind?

f) Um das zu
ermöglichen, brauchen wir Aktions- und Perspektivkonferenzen. Dort sollten sich
alle Aktivist_Innen treffen können und die Chance haben, über die zentralen
Entwicklungen und unterschiedlichen Ausrichtungen, die es gibt (und immer geben
wird), zu entscheiden. Der SoKo war hierfür ein guter Auftakt, aber wir
brauchen nicht nur Momente des Empowerments, wir brauchen offene politische
Debatten, Anträge, Wahlen und Entscheidungen. Eine solche Konferenz sollte im
Vorfeld eine offene Antragsphase haben.

g) Unser Ziel ist
es nicht nur eine zeitweise Bewegung zu schaffen, sondern die Gesellschaft zu
verändern! Hierfür brauchen wir nicht nur Leute, die regelmäßig auf die Straße
gehen und teilweise in den jeweiligen FFF-Ortsgruppen aktiv sind, nein, wir
brauchen Leute, die offen um ein politisches Programm diskutieren, die sich einen
Kopf machen. Dafür müssen wir allen Teilen der Bewegung gleiche demokratische
Rechte geben. Es braucht offene Diskussion, ob die bittstellende Haltung
gegenübergestellt der Bundesregierung überhaupt die Chance hat, unsere Ziele zu
erreichen oder ob wir eine gesamtgesellschaftliche Bewegung brauchen, die
selbst die Zügel in die Hand nimmt und die gesellschaftliche Produktion unter
dem Ziel der gleichen Möglichkeiten unter den Menschen und der nachhaltigen
Beherrschung der Umwelt durch die Menschheit zum Ziel hat. Wenn die Perspektive,
die die Bewegung aktuell einnimmt, richtig ist, dann sollte sie auch eine
offene Debatte darüber überstehen und alle Teile der Bewegung darin bestärken
für ihre Position zu kämpfen. Sollte die Position hingegen falsch sein und wir
keine Debatte darüber führen, so würden wir damit die riesigen Chancen eine
neue Generation bewusster Aktivist_Innen zu begeistern und in Bewegung zu
bringen, verschenken.

Das Ganze könnt ihr hier auch nochmal als PDF herunterladen:




Der Fail von Madrid

Warum die Weltklimakonferenz gescheitet ist und was wir daraus lernen können:

Die Weltklimakonferenz in Madrid ist auf ganzer Linie
gescheitert. Das Abschlussdokument ist dementsprechend mehr als lächerlich.
Nahezu alle wichtigen Fragen, wie der Umgang mit den Emissionszertifikaten oder
die Entschädigung der ärmeren, vom Klimawandel umso stärker betroffenen Länder,
wurden auf die nächste Konferenz im November 2020 in Glasgow verschoben. Was
übrig bleibt sind wage nationale Klimaschutz-„Zusagen“. Da findet selbst die
Bundesregierung kaum noch etwas, was man schönreden könnte. Eine zeitliche
Verlängerung der Verhandlungsdauer um ganze 40 Stunden hat da auch nicht mehr
viel gebracht.

Und wenn eine solche Konferenz um noch so viele Stunden mehr
verlängert werden würde: das Problem ist nicht zu wenig Zeit oder zu wenig
Engagement, sondern die im Zuge der Krise des Kapitalismus sich international
zuspitzende Konkurrenz zwischen den Nationalstaaten. Seit der großen
Weltwirtschaftskrise 2007/2008 gibt es auf dem Weltmarkt weniger zu holen,
sodass sich der Kampf um den verbliebenen Rest vom Kuchen zwischen den
einzelnen Akteuren massiv verstärkt hat. Da sich Klimaschutz und
wirtschaftliche Profite entgegenstehen, traut sich keiner der global player
einen Schritt „zu weit“ in Richtung Nachhaltigkeit zu machen, da man dann in der
internationalen Konkurrenz einen Nachteil fürchtet. Aus diesem Grund sind die
USA bereits vor einiger Zeit aus dem Pariser Abkommen ausgetreten und ihre
Hauptkonkurrentin China, traute sich nun auf der Weltklimakonkurrenz kaum noch
Zugeständnisse zu machen. Die EU hat noch einmal versucht ihren politischen
Anspruch, ebenfalls eine globale Führungsmacht zu sein, deutlich zu machen,
indem sie sich (allen voran Ursula von der Leyen) als „Zugpferd für mehr
Klimaschutz“ inszenierte. Wirklich was geliefert hat sie jedoch nicht.

Madrid ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie die nette
Idee von der „Weltdemokratie“ der UNO und anderen ähnlichen Institutionen
radikal in Frage gestellt werden, sobald der Ton in der Weltwirtschaft rauer
wird und die Wachstumsraten sinken. Madrid steht dabei auch im Schatten des
Scheiterns des internationalen Atomabkommens oder dem aktuellen Handelskrieg.
Wir schließen daraus, dass es keine Weltdemokratie geben kann, solange die Welt
aus Nationalstaaten besteht, die in Konkurrenz zueinander stehen. Vielmehr
handelt es sich bei der UNO ebenso wie beim IWF und ähnlichen Agenturen, um
Organe zur Durchsetzung imperialistischer Machtinteressen, die in Zeiten
zugespitzter Konkurrenz zum Stillstand kommen. Dass diese nie Arenen freier
Aushandlung waren, zeigen allein schon die fünf Veto-Mächte. Da aber das
kapitalistische System den Motor der Konkurrenz und die Säule der
nationalstaatlichen Form darstellt, müssen wir eine internationale
antikapitalistische Klimabewegung aufbauen, um diesen Widerspruch auflösen und
den Planeten noch irgendwie retten zu können. Zulange haben wir den
kapitalistischen Institutionen und den bürgerlichen Politiker_innen vertraut,
dass sie schon eine gute Lösung fürs Klima finden werden. Der letzte Aktionstag
von Fridays for Future war zwar immer noch groß aber hat auch eher auf die UN
gehofft als selber etwas gemacht. Die (nicht vorhandenen) Ergebnisse aus Madrid
sollten deshalb in Fridyas for Future neue Diskussionen anstoßen, wo wir
eigentlich hinwollen und wer diese Veränderung umsetzen kann. Spätestens nach
diesem Wochenende sollte nämlich allen klar sein: Klimaschutz bleibt
Handarbeit. Was wir brauchen sind Basisstrukturen in Schulen, Unis und
Betrieben, die demokratisch diskutieren und Konzepte erarbeiten, begleitet von
großen internationalen Aktionskonferenzen, auf denen wir gemeinsame Forderungen
erarbeiten und deren Umsetzung kontrollieren können. Wir haben kein Vertrauen
mehr in die kapitalistischen Institutionen, Verbände und Parteien.

Das Gerede von „neuer umweltfreundlicher Technologie“ und
dem „Green Deal“ können wir nicht mehr hören, denn klar ist: Wenn sich Natur
und Profit sowie Nationalstaatlichkeit und internationaler Klimawandel
widersprechen, kann es auch keinen „grünen Kapitalismus“ geben. Der Klimawandel
ist für uns in erster Linie keine Frage der Technologie sondern des
gesellschaftlichen Umgangs mit Natur. Es ist also nicht die Natur die gestört
ist, sondern das Verhältnis, das unser Wirtschaftssystem zu ihr hat. Genau
deshalb bedeutet Kampf fürs Klima auch Kampf für eine andere Gesellschaft.
Ansätze für diesen Kampf kommen auf der ganze Welt gerade nicht nur aus der
Klimabewegung sondern auch in Chile, Irak und Libanon gegen den
Neoliberalismus, in Rojava und Chile gegen das Patriarchat oder in sehr vielen
Ländern gegen den internationalen Rechtsruck. Dass insbesondere die
Rechtspopulisten Trump und Bolsonaro die größte Blockadehaltung auf der
Weltklimakonferenz eingenommen haben, zeigt uns nur wieder einmal deutlich,
dass sich unsere Klimabewegung klar gegen Rechts positionieren muss. Lasst uns
also aus Madrid lernen und ausgehend von Fridays for Future und allen anderen
fortschrittlichen Bewegungen auf der Welt eine internationale
antikapitalistische Bewegung zur Rettung dieses Planeten aufbauen. Spätestens
jetzt heißt es: Handeln statt Hoffen!




Nach SPD-Parteitag: Das Ende der Groko?

Alex Metzger

Anfang Dezember hat die SPD eine neue
Parteispitze gewählt. Dabei wurde dem neoliberalen Kurs der
Befürworter_Innen der Großen Koalition, also dem traditionell
rechten Flügel eine Absage erteilt. Eindeutig war das Ergebnis aber
nicht. Von den gerade einmal 54% der Mitglieder, die überhaupt an
der Abstimmung teilgenommen haben, schaffte es das Duo Saskia Esken
und Norbert Walter-Borjans gerade einmal auf knapp 115.000 Stimmen,
gegen die gut 98.000 Stimmen für Scholz/Geywitz. Dass das Ergebnis
trotzdem eine massive Niederlage für die etablierte Führungsriege
darstellt, ist mehr als offensichtlich. So hatten die meisten
prominenten Mitglieder der SPD, so wie die Mitglieder des
Regierungskabinetts, für die konservative Ausrichtung Stimmung
gemacht und sind damit gescheitert.

Zum Parteivize wurde Kevin Kühnert,
Vorsitzender der Jusos, gewählt. Auch er steht für einen
regierungskritischen Kurs, hat nach der Bundestagswahl eine Kampagne
gegen den Eintritt der SPD in die Bundesregierung angeführt und
konnte sich so in der Parteibasis einen Namen machen (zumindest
stimmten damals 30 % gegen den Eintritt in die Regierung, wobei die
Parteiführung sich stark dafür aussprach). Gleichzeitig zeigt er
sich versöhnlerisch und reicht dem Konservativen Flügel mit
Kommentaren wie „Ich nehme nicht wahr, dass irgendjemand in der
sozialdemokratischen Partei eine Oppositionssehnsucht in sich trägt“
die Hand. Praktisch sieht dass dann so aus, dass neben Kühnert auch
Hubertus Heil als Vize gewählt wurde. Um weiteren politischen
Kämpfen zu entgehen, wurde das Gremium kurzerhand aufgestockt.

Diese Wahl kann durchaus als
Aufforderung zu einem eindeutigen Kurswechsel der Politik der SPD
verstanden werden. Schließlich sind seit knapp 20 Jahren jene Kräfte
in der SPD an der Spitze, die sich für die unsoziale Politik der
Agenda 2010, also für Leih- und Zeitarbeit, für Hartz 4, die
Erhöhung der Mehrwertsteuer und für Kriegseinsätze ausgesprochen
haben und letztlich dafür verantwortlich, dass die SPD bei der
letzten Bundestagswahl lächerliche 20,5 Prozent einfuhr, das
schlechteste Ergebnis der Nachkriegszeit.

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob
die neue Führung bereit ist, gegebenenfalls den Bruch mit der großen
Koalition und damit einhergehende Neuwahlen durchzuziehen, oder ob
sie doch vor der etablierten Führungsriege der Partei kuschen und
den versprochenen Kurswechsel auf die Zeit nach der nächsten
Bundestagswahl verschieben.

„Nikolaus ist Groko aus“ ?

Auch wenn Esken und Walter-Borjans auf
der Seite der Regierungsgegner_Innen stehen, konnten sie sich bis
jetzt erfolgreich um eindeutige Aussagen über den Verbleib in der
Bundesregierung drücken. Dem unmittelbaren Austritt aus der
Regierung wurde auf dem Parteitag Anfang Dezember erstmal eine Absage
erteilt. Die flügelübergreifende Argumentation war, dass man
zunächst auf die Verhandlungen der „Halbzeitbilanz“mit der CDU
warten wolle. Je nach Ausgang wird der Austritt dann entweder
durchgezogen oder eben nicht.

Die „Halbzeitbilanz“ war ein
Kompromiss, den der linke Flügel der Gesamtpartei nach den
langwierigen Verhandlungen um die Groko abringen konnte.

Diese uneindeutige Positionierung wird
aber zumindest von einigen guten Inhalten begleitet. So machte das
neue Führungsduo mit der Forderung nach einem Mindestlohn von 12
Euro, eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer und dem Ende der
„schwarzen Null“, also dem de facto Investitionsstopp der
Regierung in die soziale Infrastruktur, auf sich aufmerksam.
Weiterhin stimmte die Partei darüber ab, in Städten mit hohem
Wohnkosten Mieten für die nächsten 5 Jahre einzufrieren oder
Mieterhöhungen zumindest an das Inflationsniveau zu koppeln.

In Sachen Umweltpolitik ist auf diesem
Parteitag wenig konkretes zustande gekommen. Die Partei sprach sich
dafür aus, das Klimapaket nachzubessern. Im Leitantrag des
Parteitages wird ein sozialdemokratischer „Green New Deal“, der
einen ökologischen
Umbau der Gesellschaft sozial Verträglich gestalten soll. Ein
Auszug, der den Kern dieser Dealpolitik gut beschreibt: „Wenn wir
die Transformation richtig gestalten, wird aus ihr eine neue Phase
der Prosperität hervorgehen“, die Ausrichtung auf
Wirtschaftswachstum und den Erhalt der Profite der Industrie bleibt
immer im Blick. Letztlich werden durch staatliche
Investitionsprogrammen die Kosten für den Kampf gegen die
ökologische Krise auf die Arbeiter_Innenklasse abgewälzt. Ein
klassenkämpferischer Ansatz, der Industrie und Kapital selbst für
Ihre Krise aufkommen lässt, fehlt völlig.

Wohin der Kurs führt, wird direkt
damit zusammenhängen, ob sich der linke Flügel mit dem Austritt aus
der Regierung durchsetzt, oder ob die guten Ambitionen in faulen
Kompromissen untergehen. Indes ist eindeutig, wofür sich Medien,
aber auch die Bürokratie in den Gewerkschaften positionieren: für
die Bundesregierung, für den neoliberalen Kurs, für ein „weiter
so“, unabhängig davon, was dieser Kurs für die SPD für die
nächste Bundestagswahl bedeutet.

Wo steht die Partei?

Die SPD befindet sich in einer
historischen Krise. Neoliberale Agenda-Politik, Waffenexporte,
fehlende Solidarität in der Grenzpolitik und der militaristische
Ausbau der EU und damit auch die Militarisierung hier in Deutschland
sind in den letzten 20 Jahren von ihr mitgetragen oder sogar
initiiert worden. Die Konsequenzen, wie massive Stimmenverluste zu
den letzten Bundestagswahlen und das fehlende Vertrauen der Millionen
von Arbeiter_Innen, die unmittelbar unter der „Verarmungspolitik“
der SPD leiden müssen, sind mehr als offensichtlich.

Natürlich führt das auch innerhalb
der Partei zu massiven Bruchpunkten. Der ständige Führungswechsel
der letzten Jahre hilft dabei wenig, das Vertrauen in die Partei zu
bestärken. Im Gegenteil: Die letzten SPD Vorstände seit Sigmar
Gabriel, der die Partei mit seinem rechten Kurs von 2009 bis 2017
anführte, gab es schon 2 gescheiterte Parteiführungen, Andrea
Nahles und Martin Schulz. Beide waren weniger als ein Jahr im Amt und
mussten als Bauernopfer für die schlechten Wahlergebnisse der SPD so
wie ihren halbherzigen Linksruck herhalten.

Die Fortführung der Regierungspolitik
der SPD bei gleichzeitiger inhaltlicher Stagnation, wie es in den
letzten Jahren geschehen ist, werden dabei garantiert dazu führen,
dass die SPD in der Bedeutungslosigkeit versinkt und bei der nächsten
Wahl von der AfD und den Grünen überholt wird.

Sehenden Auges wird das von der alten
Führungsriege, dem Parteiapparat und ebenso von der DGB Führung in
Kauf genommen. So äußerten sich DGB Chef Hoffmann: „Die
Menschen brauchen Sicherheit im Wandel.“ SPD und Union müssen
gemeinsam darüber reden, „welche neuen Perspektiven in Angriff
genommen werden“

Ähnlich äußert sich IG-BCE-Chef
Michael Vassiliadis, der betont in einem offenen Brief an seine
Gewerkschaftsführung die Notwendigkeit einer funktionierenden
Regierung für den Standort Deutschland.

Auch der ver.di-Vorsitzende Wernecke bezieht sich positiv auf die
Koalition: „Die Halbzeitbilanz der Regierung kann aus Arbeitnehmer-
und Arbeitnehmerinnensicht sowie gesamtgesellschaftlich in mehreren
Punkten Positives vorweisen.“

In einem Ton mit den großen Nachrichtenhäusern, „Es wird mit
einem Wimmern enden“(Zeit), „Sozialdemokraten geben die „Mitte“
auf“(FAZ), „Gut gemacht, Genossen!“(Zeit), zerreißen sich
stellvertretend für die CDU Kramp-Karrenbauer und Merz die Mäuler.
Während AKK alle Pläne der SPD zumindest verbal sofort an sich
abprallen lässt „Wir können nicht wieder bei Null anfangen“,
hier ging’s um die Nachbesserung des Klimapakets, oder bezüglich der
Abkehr von der „schwarzen Null“: „Es mangelt doch nicht an
Geld!“. Auch im Bezug auf die 12 Euro Mindestlohn Pläne erteilte
sie eine klare Absage. Merz bleibt dabei weit unsachlicher und sieht
die Sozialdemokraten „in der letzten suizidalen Phase ihrer
Existenz als Volkspartei“ fragt weiter „Leben die eigentlich noch
in der Wirklichkeit dessen, was zurzeit in Deutschland, in Europa und
in der Welt passiert?“. Das erinnert schon eher an
Stammtischrhetorik als an einen ernstzunehmenden Kommentar.

Was sagen die Jusos?

„Nikolaus ist Groko aus“, zumindest wurde das von den Jusos
auf Ihrem letzten Bundeskongress Ende November abgestimmt. In einem
vierseitigen Grundsatzpapier erklären sie ihre Haltung zur aktuellen
Politik der SPD und ihre Vorstellungen
von einer gerechten Sozialdemokratie. Im dabei vertretenden Anspruch
setzen sie sich ein hohes Ziel:„50
Jahre nach der Linkswende der Jusos im Dezember 1969 wollen wir jetzt
die SPD auf Links wenden“, im Aufwind der studentischen Bewegung
der 60er Jahre rückten sie nach links und fanden viele
Anhänger_Innen in den mehrheitlich reformistischen Teilen der
Bewegung. So konnten sie bis in die Mitte der 70er auf 300.000
Mitglieder anwachsen (heute sind es 80.000). Was bedeutet das heute?

Mit einer linken
Ausrichtung und als Teil kämpfender Bewegungen schafften es die
Jusos Massen hinter sich zu organisieren. „Ein Bruch mit einer
Koalition, die nur unzureichende Antworten auf die großen
Zukunftsherausforderungen liefert, bietet uns damit eine Chance
diesen Abwärtstrend zu beenden.“ („Zeit für Zukunft“-Papier,
abgestimmt vom Bundesvorstand Ende November 2019). Diesen Bruch mit
der Koalition wollen sie schnellstmöglich erreichen: „Spätestens
im Jahr 2021“, also zu den nächsten Bundestagswahlen.

Wie auch schon in
der „No Groko“-Kampagne stellen die Jusos sich klar auf die Seite
des linken Flügels der SPD und reden offen über sozialistische
Transformation (kommt zwar Sozialismus drin vor, bleibt aber trotzdem
eine zahnlose Formel). Gleichzeitig heben sie die Notwendigkeit
hervor, diesen Kampf gemeinsam mit den rechteren Teilen der Partei zu
führen und verbleiben dabei in der Logik gefangen, dass in der
Politik Kompromisse gemacht werden müssen.

Anstatt selbst
einen „Green New Deal“-Vorschlag mitzutragen, müssten die Jusos
die Kapitalist_Innen auffordern, für Ihre Krise zu zahlen. Statt
gegen „sinkenden Lohnquoten“ einzustehen, könnten sie für eine
4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich einstehen. Anstatt im
Nahverkehr „hin zum ÖPNV“ zu kommen, könnten sie diesen
kostenlos für alle fordern, finanziert aus den Taschen der Reichen.

Der Parteitag der
SPD hat gezeigt, dass der alte Parteiapparat rechts von der Basis der
SPD steht. Die Mehrheiten für progressive Positionen wurden trotz
der massiven Gegenpropaganda seitens der Medien und seitens des alten
Parteiapparats errungen. Jetzt könnten die Jusos einen politischen
Kampf um Ihren Kurs unter der Bedingung führen, aus der Groko
auszutreten.

Juso-Vorsitzender
Kevin Kühnert ließ aber schon vor der Wahl zum Vize der SPD die
Luft raus: „Wer eine Koalition verlässt, gibt einen Teil der
Kontrolle aus der Hand, das ist doch eine ganz nüchterne
Feststellung. Auch das sollten die SPD-Delegierten bei ihrer
Entscheidung berücksichtigen.“

Aufgepasst,
Jusos! Ihr müsst Eure Führung mit einer breiten programmatischen
Kampagne der Basis dazu zwingen sich an den Beschluss über ein
schnellstmögliches GroKo-Aus zu halten! Keine Kompromisse…der
Verrat hat schon wieder begonnen!




Ende Gelände – der militante Teil der Umweltbewegung?

Wilhelm Schulz/Martin Suchanek

Zwischen
Freitag, dem 29. November, und Sonntag, dem 1. Dezember 2019, fanden
erneute Aktionstage des Bündnisses „Ende Gelände“ (EG) statt.
Diesmal führten sie ins Lausitzer Braunkohlerevier. An den
vielfältigen Aktionen und Blockaden beteiligten sich rund 4.000
Menschen, denen es für einige Stunden gelang, in die Kohlegruben
einzudringen, Bagger zu besetzen und Bahngleise zu blockieren. Der
Abbau wurde so zeitweilig gestoppt oder wenigstens verringert.

Auf
dieser symbolischen Ebene waren die Aktionen trotz massiver Hetze der
regionalen und lokalen Medien, Politik, WirtschaftsvertreterInnen und
auch der Gewerkschaften ein politischer Erfolg.

In
den Kohlerevieren im Rheinland begrüßte, ja unterstützte die
Mehrheit der Bevölkerung die Besetzung des Hambacher Forstes.
Letztlich war es diese Bewegung, die sich immer wieder in
Massendemonstrationen äußerte und eine zeitweilige Aussetzung der
Rodung des „Hambi“ erzwang.

Vorfeld

Anders
in der Lausitz. Die Mehrheit steht dort EG, wie allen anderen Kräften
der Umweltbewegung, skeptisch bis offen feindlich gegenüber – was
sich auch im Vorfeld auf verschiedene Weise äußerte.

Es
ist kein Zufall, dass sich in der Lausitz mehr und mehr die AfD als
angebliche Verteidigerin einer Heimat breitmacht, die von den Baggern
abgetragen werden soll. In ihr und ihrem Umfeld tummeln sich offen
Nazi und RassistInnen, die mit physischen Angriffen auf AktivistInnen
von EG drohten und drohen.

Die
Bilder und Postings von Bullen unter dem Motto „Stoppt Ende
Gelände“ stießen nicht nur auf weitere Verbreitung unter Rechten
und mediales Aufsehen. Sie verdeutlichen einmal mehr, wie verbreitet
rechtes und rechtsradikales Gedankengut bei den „Sicherheitskräften“
nicht nur in Brandenburg und Sachsen sind.

Bei
den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen verbuchten zwar die
Grünen den Einzug in die Koalitionsregierung mit CDU und SPD als
„Erfolg“, der freilich auf Kosten der Bewegung erkauft wurde.
Beide Landesregierungen sprachen sich klar und deutlich gegen EG aus.
Die Grünen distanzierten sich offen von ihren WählerInnen. Sie
verteidigen den sog. „Kohlekompromiss“, der ein Ende der
Kohleverstromung bis 2038 (!) vorsieht. An dem soll nicht gerüttelt
werden – auch nicht von der einstigen WählerInnenschaft.

Von
der SPD erwartet in Brandenburg und Sachsen ohnedies niemand, dass
sie sich mit Kapitalinteressen anlegt. In Cottbus einigte sich auch
die „oppositionelle“ Linkspartei mit allen Fraktionen des
Stadtparlaments (außer den Grünen) auf eine gemeinsame
Entschließung. Am Mittwoch, den 27. November, votierten sie
gemeinsam mit der AfD für ein Papier, das mit  „Kohlekompromiss
umsetzen, Meinungen respektieren, gewaltfrei debattieren“
überschrieben ist und die „Gewalt“ verurteilt, die von EG
ausginge. Die nachträgliche Distanzierung von VertreterInnen der
Brandenburger Linkspartei kann hier nicht darüber hinwegtäuschen,
dass sich ihre Cottbusser „GenossInnen“ mit dem Rechtspopulismus
gemein machten.

Und
natürlich darf auch die kapitalhörige IG BCE nicht fehlen, wenn es
darum geht, für den vermeintlich „eigenen“ Konzern die Kohlen
nicht nur aus der Grube zu holen, sondern sich auch schon für deren
Profite stark zu machen, so dass noch einige Jahre „Zusammenarbeit“
abfallen.

All
dieses zeigt, wie sehr sich reformistische und grüne Parteien, aber
auch die Gewerkschaften dem Rechtsruck und „ihren“ Unternehmen
unterordnen und anpassen. Sie mögen damit hoffen, die Basis in der
Bevölkerung nicht zu verlieren – in Wirklichkeit erreichen sie
genau das nicht.

Eine
klassenpolitische Antwort müsste auf Forderungen wie die
entschädigungslose Enteignung der Energiekonzerne, Umbau der
Industrie unter ArbeiterInnenkontrolle, Aufteilung der Arbeit auf
alle Hände durch radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn-
und Personalausgleich und ein Programm gesellschaftlich nützlicher
Arbeiten, finanziert aus Profiten und Großvermögen, konzentrieren.
So könnte auch eine Brücke zur Umweltbewegung, zu
antikapitalistischen AktivistInnen von EG geschlagen und diese auch
dafür gewonnen werden, in den ArbeiterInnen Verbündete zu sehen und
nicht bloß passive Betroffene, denen auch bestenfalls geholfen
werden soll.

Auch
wenn dieses Händeschütteln, ähnlich wie im Hambi, von beiden
Seiten nicht stattfindet – all das verdeutlicht die qualitativ
anderen Voraussetzungen des Protests in der Lausitz. Das spricht
keineswegs gegen EG und andere Protestierende aus der Umweltbewegung.
Der Kampf gegen die Klimakatastrophe sowie für das schnellstmögliche
Ende der Braunkohleverstromung samt einer Energieproduktion, die sich
auf fossile Träger stützt, muss auch dort thematisiert werden. Es
war daher richtig, auch in der Lausitz ein Zeichen zu setzen und vor
dem öffentlichen Druck, der Hetze und selbst physischen Drohungen
Rechter nicht einzuknicken.

Vor
Ort

Als
REVOLUTION und ArbeiterInnenmacht entschieden wir uns, zu den
Protesten zu mobilisieren. So nahmen GenossInnen aus Berlin, Hessen,
Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen an den Aktionen teil. Hier
beteiligten wir uns vor allem an der von Fridays for Future und
einigen NGOs ausgerufenen Demonstration in Jänschwalde. Ebenfalls
schickten wir ein Kontingent von AktivistInnen zu den zentralen
Protestaktionen von EG, somit in die Tagebaue.

Die
Blockadeaktionen von EG wurden aus drei Städten organisiert (Berlin,
Dresden, Leipzig). Von hier aus sollten unterschiedliche Orte in und
um die vier aktiven Braunkohleabbaugebiete im Revier organisiert
werden. Neben den jeweils lokalen Fingern, die in verschiedene
Unterstrukturen aufgeteilt waren, gab es auch einen inklusiven
(bunten) und einen feministischen (lila) Finger. Kurz zuvor wurde ein
weiterer Finger, die sogenannten AntiKohleKidz (Slogan „AKK positiv
besetzen“), der sich scheinbar stärker aus SchülerInnen aus FFF
zusammensetzte, ausgerufen. Dieser war rund um das Kraftwerk
Jänschwalde aktiv. Allein der rote Finger aus Berlin, neben dem noch
Teile von AKK, der bunte und der lila Finger anreisten, teilte sich
in drei Teile auf.

Auch
die Polizei war vor Ort. Diese griff zwar vereinzelt AktivistInnen an
– insgesamt war es jedoch leicht, an den PolizistInnen vorbei auf
das Gelände zu kommen. Offenkundig wollten Landesregierungen und
LEAG/MIBRAG Bilder prügelnder PolizistInnen und Massenfestnahmen
vermeiden – und nahmen dafür einen kurzzeitigen Produktionsausfall
und einen symbolischen Erfolg von EG in Kauf. So wurden insgesamt 29
Strafanzeigen gestellt. Auch versuchte die Polizei schnellstmöglich,
Gewalt darstellende Bilder auf ihre Echtheit zu überprüfen. Was
nicht bedeutet, dass unsere Delegation nicht eindeutig
unterschiedliche Formen der Polizeigewalt vor Ort sehen und erleben
musste.

Schwäche

Das
sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch einer
selbstkritischen Bilanz von EG selbst bedarf.

Anders
als bei den Aktionen im Rheinland und der letzten Besetzungsaktion in
der Lausitz wurde diesmal kein Camp organisiert, von dem aus die
Aktionen vorbereitet oder koordiniert wurden. Ein möglicher Grund
dafür war jedoch nicht fehlende Logistik oder finanzielle
Ressourcen, sondern scheinbar die Angst vor Nazis und noch schlimmer
vor der lokalen Bevölkerung. Diese war deutlich auch bei der Aktion
spürbar. So appellierten viele von EG bei der Abfahrt aus der
Kohlegrube in den LEAG-Bussen (!) zum Bahnhof an die Polizei, dass
diese DemonstrantInnen vor etwaigen rechten Übergriffen schützen
müsse. Hier kippte der „staatskritische“ Protest in den Hilferuf
an die Staatsgewalt um.

Dies
spiegelt das Fehlen einer politischen Konzeption, von Forderungen
wider, wie die Beschäftigten und die Bevölkerung einer
krisengeschüttelten, benachteiligen Region für einen gemeinsamem
Kampf gewonnen werden können.

Ohne
eine solche Orientierung, die Klimaschutz und den Kampf für die
Klasseninteressen der Beschäftigen zu verbinden versucht, müssen
notwendigerweise alle Erklärungen an die Beschäftigen in der
Kohleindustrie, an die lohnabhängige Bevölkerung, an
Hartz-IV-EmpfängerInnen, ArmutsrenterInnen oder perspektivlose
Jugendliche als rein moralisierende Kritik rüberkommen.

Eine
Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, in der Interviews mit
LEAG-Beschäftigten geführt wurden, zeigt eindrucksvoll auf, dass
die Arbeiter_innen um ihre Jobs fürchten und sich vom Kohlekonzern
und der Lokalpolitik gegen die Umweltbewegung in Stellung bringen
lassen1.
Mit Blick auf den aktuellen nationalistischen Freudentaumel der
30-Jahre Mauerfall Feierlichkeiten wird deutlich, dass sich die
Beschäftigten noch gut an die massive De-Industrialisierung ihrer
Region erinnern können. Es ist deshalb unsere Aufgabe, den
Beschäftigten in der Braunkohle eine Perspektive aufzuzeigen, indem
wir die soziale Frage fest in unsere Klimaforderungen integrieren.
Unkonkrete Floskeln vom „sozialverträglichen Kohleausstieg“, wie
sie bei EG üblich sind, werden da nicht ausreichen. Ebenso nicht der
Verweis auf die weitaus schlimmeren Folgen des Klimawandels für
Menschen im globalen Süden, verglichen mit den sozialen Folgen einer
Schließung der Tagebauten für die Lausitzer_Innen2.

EG
steht zwar – und darin unterscheidet es sich positiv von anderen
Teilen der Umweltbewegung – für Antikapitalismus. Aber dieser
scheint ohne Klassensubjekt auskommen zu wollen. Das drückt sich
auch in der Aktionsform des zivilen Ungehorsams aus. Gegenüber
Methoden Klassenkampfes wie zB. dem Streik stellt der zivile
Ungehorsam keine Form der Selbstermächtigung dar, sondern verkörpert
lediglich einen symbolischen Apell an den bürgerlichen Staat, dessen
Existenz allgemein akzeptiert wird. Auch wenn von Massenblockaden die
Rede ist, so wird sich der Aufbau der Bewegung als Addition von
Individuen und Kleingruppen (Bezugsgruppen) vorgestellt. Es ist
natürlich durchaus sinnvoll, sich in Aktionen in Bezugsgruppen
aufzuteilen – aber eine Klassen- und damit eine Massenbewegung kann
nie eine von Kleingruppen oder eine bloße Addition von Individuen
sein. Sie stützt sich immer auch auf politische Organisationen,
gewerkschaftliche oder soziale Massenorganisationen oder Kampforgane
wie Räte, Aktionskomitees, die die Integration, Repräsentation und
koordinierte Aktion großer Massen ermöglichen.

Ihre
Demokratie muss daher notwendigerweise eine sein, die sich auf
Massenversammlungen, Entscheidungen, Wahl, Abwählbarkeit und
Rechenschaftspflicht stützt.

Das
System der Bezugsgruppen, der Delegiertenplena wie der
Pseudo-Klandestinität von EG hingegen entspricht nicht einer
Massenbewegung, sondern einer größeren Ansammlung entschlossener
EinzelaktivistInnen, wie es in radikaleren Formen des „zivilen
Ungehorsams“ zum Ausdruck kommt. Aus dieser Perspektive erklärt
sich auch, wieso eine derartige Geheimhaltungspolitik bezüglich der
konkreten Blockadepunkte existierte. Diese sind, bis auf einen
unbekannten Kreis, bis zur konkreten Blockadeaktion geheim geblieben.
Eine Unterstützung dieser war nur für Anreisende aus den jeweiligen
Städten möglich.

Perspektive
der Bewegung

Die
Aktionen von EG, der Aktionswoche von XR wie auch die Streiks von
Fridays for Future verdeutlichen die Notwendigkeit einer politischen
und strategischen Diskussion in der Umweltbewegung. Gerade angesichts
der kommenden Wirtschaftskrise erlangt die Verbindung von
Klimaschutz, Antikapitalismus und ArbeiterInnenklasse gegen die Krise
eine strategische Bedeutung. Gelingt der Schulterschluss in der
gemeinsamen Aktion nicht, so droht die Umweltbewegung in eine
Sackgasse zu geraten und die Kluft zwischen ihr und gewichtigen
Teilen der Lohnabhängigen vertieft zu werden.

Zweifellos
bringen die Bündnisse und Bewegungen wie EG, FFF und XR dabei auch
enorme Stärken ein, allen voran einen grenzübergreifenden
Charakter. Es mangelt jedoch an verbindlicher globaler Vernetzung zum
koordinierten Widerstand, der über einzelne Aktionstage hinausgeht.
Zweitens muss die Klassenfrage mit der Umweltbewegung verbunden,
genauer, der Kampf gegen die Zerstörung der natürlichen
Lebensgrundlagen der Menschheit als integraler Teil des
Klassenkampfes begriffen werden.

Um all dies zu leisten, benötigen wir ein Aktionsprogramm, das an Schulen und Unis, vor allem aber auch in Betrieben und das heißt auch in den Gewerkschaften verankert ist. Dafür müssen AntikapitalistInnen aktiv werden, dazu bedarf es Aktionskonferenzen und Foren des Austausches und Beschlussfassung, ähnlich den Sozialforen zu Beginn des Jahrhunderts. So kann die Bewegung gestärkt aus einer strategischen Diskussion hervorgehen.

Quellen:
1 Vgl. Rosa-Luxemburg-Stiftung (Hrsg.): Nach der Kohle. Alternativen für einen Strukturwandel in der Lausitz. Berlin 2019. [Online im Internet:] https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Studien/Studien_4-19_Nach_der_Kohle.pdf
2 Vgl. junge welt, 29.11.19. [Online im Internet:] https://www.jungewelt.de/artikel/367752.aktionen-f%C3%BCr-klimagerechtigkeit-es-gibt-nach-wie-vor-ein-gro%C3%9Fes-potential.html




Heraus in die Lausitz – Hinein in den antikapitalistischen Jugendblock!

Ende
November wollen wir das Lausitzer Braunkohlerevier blockieren und uns dem
internationalen Streiktag anschließen! Gemeinsam mit euch wollen wir einen
antikapitalistischen Jugendblock rund um die Aktionen vom 29.11 bis 01.12
aufstellen. Aufbauend auf den Erfolgen des Global Strikes versuchen wir mit
diesem Aufruf die entschlossensten und linkesten Teile der Fridays for
Future-Bewegung zu bündeln und auch zusammen mit Aktivist_innen von Ende
Gelände und Extinction Rebellion einen starken antikapitalistischen Jugendblock
auf die Straße und in die Grube zu bringen.

Bei
allen großen Erfolgen, die die Umweltbewegung in den letzten Monaten gefeiert
hat, fehlte meist eine politische Analyse der Grundlagen der Umweltkrise und
eine über kapitalistische Reformvorschläge (siehe zB. CO²-Steuer) hinausgehende,
mutige Perspektive für die Bewegung. Diese wollen wir gemeinsam mit euch
diskutieren, um sie am 29.11. auf den internationalen Streik und am 30.11. in
die Lausitz zu tragen. Unser Antikapitalismus muss dabei eine
internationalistische Ausrichtung haben. So solidarisieren wir uns nicht nur
mit den internationalen Fridays for Future-Protesten sondern auch mit dem
kurdischen Widerstand in Rojava. Wir verurteilen Erdogans Militäroffensive
auf’s Schärfste und fordern das ebenso von der gesamten Bewegung! Kriege sind
für uns immer auch Kriege gegen Umwelt und Natur sowie Militär und Armeen
weltweit zu den größten Klimakillern gehören. Es ist unsere Aufgabe am
Klima-Aktionswochenende eine lautstrake Stimme der internationalen Solidarität
und Klimagerechtigkeit darzustellen und nicht den brutalen Angriffskrieg gegen
die demokratischen Autonomieregionen peinlich wegzuschweigen.

Es wird
Zeit, dass wir als Antikapitalist_innen in der Fridyas for Future-Bewegung
sichtbarer werden und aufhören uns zu verstecken. Die Angst davor, junge
Aktivist_innen mit „zu radikalen Forderungen“ zu verschrecken, führt
letztendlich dazu, die Bewegung den pro-kapitalistischen Kräften wie Grünen
oder NGOs in die Arme zu treiben, welche sie früher oder später ausverkaufen
und scheitern lassen werden. Fridays for Future befindet sich aktuell auf einem
politischen Scheideweg, der entscheidend für die Zukunft der Bewegung sein wird.
Es geht dabei um die Frage, wer die Kosten für die „Klimawende“ zahlt. Für uns
als Antikapitalist_innen ist klar, dass es nicht wir Jugendliche,
Lohnabhängige, Studierende und Schüler_innen sein dürfen, die durch
Energiesteuern für die Klimakrise zahlen sollen, die die großen Konzerne und
kapitalistischen Regierungen verbockt haben. Stattdessen wollen wir die
Klimakiller selbst zur Kasse bitten!

Das
gilt insbesondere auch für den Braunkohleabbau, den wir in der Lausitz
thematisieren wollen. Unser Jugendblock soll dort die ökologische mit der
sozialen Frage verbinden und antikapitalistisch beantworten. Das heißt also für
einen schnellstmögliche Stilllegung der Tagebaue zu kämpfen aber gleichzeitig
auch zu fordern, dass keine_r der Arbeiter_innen seinen oder ihren Job
verliert. Stattdessen brauchen wir neue grüne Arbeitsplätze und bezahlte
Umschulungsmaßnahmen. Die Kohle dafür muss aus den Taschen derjenigen Konzerne
kommen, die jahrzehntelang mit der Verpestung unseres Klimas Profite gemacht
haben.

Darüber
hinaus schlagen wir folgende Forderungen vor:

Ausbau
des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, bezahlt aus den Profiten der großen
Energie-, Flug- und Autokonzerne. Kostenlose Nutzung für Alle!

Entschädigungslose
Enteignung aller Klimakiller, wie beispielsweise aller deutschen Konzerne, die
an der Abholzung der Regenwälder oder den Erzminen verdienen! Die Gewinne
dieser Unternehmen müssen in die Entgiftung der Böden, dem Recyceln allen
Plastiks, der Aufforstung der Wälder fließen!

Kein
Arbeitsplatz oder Lohnverlust. Schaffung ökologisch nachhaltiger Arbeitsplätze
und Umschulung bei weiterer Zahlung des ehemaligen Lohns.

Abschaffung
des Patentrechts. Öffnung aller Patente, um die Wissenschaft in den Dienst der
Rettung der Menschheit und nicht in den Dienst der Profitinteressen zu stellen.

Wir
lassen uns antikapitalistische Positionen nicht verbietet! Lasst uns gemeinsam
alle linken Kräfte in der Klimabewegung bündeln und auf den internationalen
Streiks sowie in der Lausitz ein starkes Zeichen der internationalen
Solidarität setzen! We are unstoppable – Another world is possible!




Warum Ziviler Ungehorsam nicht radikal ist.

Nahezu alle, die sich für die Radikalisierung der Umweltbewegung einsetzen, von XR über Ende Gelände zu einer Großzahl der Aktivist_Innen in der antikapitalistischen Plattform Changeforfuture (CFF), haben eins gemeinsam: die Berufung auf das Konzept “Ziviler Ungehorsam“. Wir als Revolutionäre freuen uns natürlich über jede_n, die angesichts der faulen Kompromissvorschläge seitens der Regierung den Widerstand verstärken wollen, anstatt sich mit bloßer Aufmerksamkeit zu begnügen. Mit Zivilem Ungehorsam befinden sich jene Verbündete unseres Erachtens allerdings in einer Sackgasse, weshalb wir unter diesem ein wenig provokanten Titel hier eine politische Kritik formulieren wollen und einen Vorschlag, wie wir tatsächlich gewinnen können.

Was ist Ziviler Ungehorsam und woher kommt er?
Ideengeschichtlich wird der Ursprung des Begriffs dem Liberalisten und Selbstverwirklicher Henry D. Thoreau zugeordnet, der im 19. Jahrhundert eine (!) Nacht im Gefängnis verbrachte, da er sich geweigert hatte Steuern zu bezahlen und daraufhin seinen Akt des „zivilen Ungehorsams“ zum politischen Prinzip erklärte. Dazu schrieb er seinen berühmten Essay „Civil Disobedience“ (auf deutsch „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“). Später wurde das Konzept noch von anderen Theoretiker_innen wie Hannah Arendt und Jürgen Habermas aufgegriffen.

In der Theorie handelt es sich bei Zivilen Ungehorsam um einen angekündigten Regelübertritt, mit dem man auf einen gesellschaftlichen Missstand aufmerksam machen will. Sobald diese Aufmerksamkeit erzeugt ist, kümmern sich die gesellschaftlichen Mechanismen dann darum, den Missstand zu beheben. Plakatives Beispiel: Ein Mensch kettet sich an einen Kohlebagger, wird zwar sofort davon losgeschnitten und verhaftet, die Medien und die „Politik“ bemerken allerdings wie wichtig dieser Person das Thema mit der Kohle war, kommen darüber ins Grübeln, dass das mit der Kohleverstromung doch nicht so die beste Idee war und schwuppdiwupp – Climate Justice. Da es hauptsächlich um die erzeugte Aufmerksamkeit geht, ist es auch nicht notwendig Gewalt dabei einzusetzen, im Gegenteil erscheint es sogar oft als vorteilhaft sich mit „gewaltfrei“ zu labeln, um die Öffentlichkeit leichter auf der eigenen Seite zu halten. In jedem Fall aber ist es nicht vorgesehen, den Staat anzugreifen, da man ja nur durch diesen symbolischen Regelübertritt eine Öffentlichkeit schaffen will und die dafür vorgesehen Strafe sogar akzeptiert. „Im Gegensatz zum Revolutionär“, schreibt dazu der bürgerliche Theoretiker Carl Cohen, „akzeptiert der zivile Gehorsamsverweigerer den Rahmen der bestehenden Autorität und die generelle Rechtmäßigkeit der Rechtsordnung.“

Zu Grunde liegt der ganzen Theorie ein sehr idealistisches Verständnis vom bürgerlichen Staat. Demnach sei dieser eine Art Kompromiss der Interessen seiner „Bürger“, der jedoch nur dann zufriedenstellend gelinge, wenn jedes Individuum den Staat nach seinen eigenen moralischen Vorstellungen zu gestalten versuche. Der Zivile Ungehorsam bezeichnet dabei den Ausgleich zwischen dem Individuum als Staatsbürger und als moralisches Subjekt: Der_die einzelne Bürger_In soll durch ggf. ungehorsames Verhalten den Staat im Sinne der eigenen moralischen Überzeugungen beeinflussen. Somit soll die Staatsgewalt zu einem wahrhaft ausgeglichenen System ergänzt werden.

Was ist daran problematisch?
Es ist wichtig zu verstehen, dass im Kapitalismus die Dinge nicht einfach passieren, weil sie „sinnvoll“ sind. Es wäre sinnvoll niemanden hungern zu lassen, statt 2/3 der Lebensmittel wegzuschmeißen. Es wäre sinnvoll niemanden im Mittelmeer ertrinken zu lassen oder in Lager zu sperren. Es wäre sinnvoll den Planeten nicht zu zerstören. Die Dinge passieren im Kapitalismus aus genau zwei Gründen: Entweder es bringt Profit oder wir haben es erkämpft. Entweder es liegt im Interesse der herrschenden Klasse oder die Unterdrückten haben es ihnen abgerungen. Warum reden wir jetzt schon wieder davon? Weil es nicht ausreicht, darauf aufmerksam zu machen, dass etwas nicht sinnvoll ist. RWE kennt doch selbst die eigenen Bilanzen am besten, weiß doch ganz genau, dass ihr Geschäft die Erde zu Grunde richtet, aber ihr Geschäft ist ihnen alles, deswegen ist es egal.

Es ist auch eine falsche Vorstellung, dass der Staat schon macht was er soll, wenn man es ihm nur sagt. Der Staat steht im Kapitalismus nämlich nicht über den Klasseninteressen, im Gegenteil ist genau er dafür verantwortlich, dass die Herrschaft des Kapitals mit Gewalt aufrecht erhalten und der Widerstand dagegen unterdrückt wird. Wenn wir Freiheit und Klimagerechtigkeit wollen, müssen wir diesen Staat also kaputt machen und dürfen uns nicht mit Bitten an ihn begnügen.

Was wäre eigentlich radikal?
Radikal heißt die Dinge an der Wurzel packen. Die Wurzel des Klimawandels liegt unserer Meinung nach im Kapitalismus und insbesondere im Privateigentum an den Produktionsmitteln. Zur Überwindung dessen, müssen wir die Lohnabhängigen dafür gewinnen, die Kapitalist_Innen zu enteignen und die Produktion gemeinsam nach unseren Bedürfnissen und im Sinne des Planeten zu gestalten. Das würde mehr bedeuten als nur einen Missstand im System beheben, der Staat würde sich gegen uns stellen, wir müssten mit allen Mitteln für unsere Freiheit kämpfen.

Statt nur Aufmerksamkeit zu erzeugen und uns darauf zu verlassen, dass die Herrschenden handeln werden, müssen wir unsere Ziele erzwingen, durch Streiks, Besetzungen, Enteignungen. Uns fehlt nicht eine Sitzblockade vor dem Supermarkt, uns fehlen koordinierte Streiks der Beschäftigten in der Lebensmittelindustrie. Uns fehlt nicht eine Menschenkette vor dem Flughafen, uns fehlt die durch die Gewerkschaften getragene Forderung nach kostenlosem Schienenverkehr für alle. Uns fehlt nicht der halbjährliche Ausflug in die Kohlegrube, uns fehlt ein Generalstreik, der die demokratische Kontrolle über die Strom- und die gesamte Produktion erkämpft.

Der Streik trifft dieses System in seinem Herzen, dem Profit. Wo gestreikt wird, kann kein Profit mehr fürs Kapital produziert werden, es wird gezwungen, den Streik zu zerschlagen oder auf unsere Forderungen einzugehen. Gleichzeitig werden wir in die Lage versetzt die Betriebe zu besetzen und auf eine wirklich nachhaltige Art und Weise für uns selbst zu produzieren.

Militant oder gewaltfrei? Kollektiv oder individuell?
So schön es andernfalls auch wäre: Dass der Staat bereit ist, sich regenden Widerstand mit aller Kraft zu zerbrechen, hat er uns oft genug bewiesen. Dabei ist es nicht ausschlaggebend wie der Protest selbst agiert, auch Sitzblockierer_Innen werden mit Schmerzgriffen abtransportiert und im Sichtschutz von Bullenwagen zusammengeschlagen. Wir müssen uns also verteidigen, selbst wenn wir nur grundlegende Rechte wie unsere Versammlungsfreiheit wahrnehmen wollen. Wichtig dabei ist es kollektiv vorzugehen, denn durch Aktionen kollektiver Selbstermächtigung gelangen wir sogar in die Situation, dass große gesellschaftliche Veränderungen wie Enteignungen usw. auf einmal möglich werden. In dieser Hinsicht muss man auch zwischen verschiedenen Akteur_Innen Zivilen Ungehorsams unterscheiden, da Massenaktionen wie Ende Gelände viel mehr Potential haben als individuelle Steuerverweigerung.

Führungskrise der Arbeiter_Innenbewegung
Dass Ziviler Ungehorsam für viele so attraktiv ist, hat auch damit zu tun, dass die eigentliche Arbeiter_Innenbewegung hier sehr schwach geworden ist und planlos umherirrt. Schlimmer noch, die Führung der Lohnabhängigen, also die Spitzenposten von SPD, Linkspartei und den Gewerkschaften, haben sich mit ihren Privilegien und hohen Gehältern ganz gut eingerichtet mit diesem Schweinesystem und verraten mit ihrer „Sozialpartnerschaft“ ihre Klasse. Das hat aber auch dazu geführt, dass Streiks und andere ursprünglich revolutionäre Kampfformen der Arbeiter_Innenklasse neuen Aktivist_Innen gar nicht mehr so radikal vorkommen und sie sich dem modern wirkenden Zivilen Ungehorsam anschließen. Unser Ziel muss es aber sein, diese Führungskrise mit einem revolutionären Programm aufzuheben, denn die Macht einer organisierten Arbeiter_Innenklasse wäre heute größer als je zuvor.

Warum wir trotzdem alle zu Ende Gelände müssen
Große Mobilisierungen sind oft stärkende Momente der dahinterstehenden Bewegung. Die Entschlossenheit, mit der wir bei Ende Gelände vorgehen, gibt uns auch die Erfahrung, dass wir Erfolge auch gegen den Staat prinzipiell erreichen können. In der gemeinsamen Tat können wir dabei über unsere verschiedenen Ansätze diskutieren und sie an der Praxis überprüfen. Fahrt also alle mit uns nach dem Global Strike am 29.11. in die Lausitz und lasst uns dieses Zeichen setzen, auch wenn wir nicht dabei stehen bleiben!

 




Die Bewegung XR (Extinction Rebellion) -Programm, Vorteile und Probleme

Sichtweise eines XR-Mitgliedes

Berlin in der Woche vom 07.10-12.10.2019. Ein Ausnahmezustand, etwa 2200 XR-Aktivisten blockieren die Stadt (siehe: Berliner Zeitung). Einige Tage liegen wichtige Verkehrsknotenpunkte, wie der große Stern an der Siegessäule oder der Potsdamer Platz, still.

Extinction Rebellion, die Rebellion gegen das Aussterben, sorgt seit einiger Zeit mit Aktionen zivilen Ungehorsams weltweit für Aufsehen. Dazu gehören Straßenblockaden und Swarmings (7-minütige Blockaden), sowie künstlerische Aktionen (z.B. Die-Ins (Todstellen)), als auch besonders riskante Aktionen, wie die des Festkettens (Log-Ons), mit dem zentralen Ziel für Aufsehen zu sorgen und Verhaftungen zu provozieren. Gegründet wurde die Bewegung in Großbritannien, wo AktivistInnen bereits letztes Jahr die Stadt blockierten und die Regierung zum Ausrufen des Klimanotstandes zwingen konnten. Als Mitglied von Extinction Rebellion möchte ich die positiven Seiten der Bewegung beleuchten, aber auch auf mögliche Wiedersprüche und Probleme eingehen.

Die drei Forderungen von Extinction Rebellion

Die erste Forderung lautet: „Die Wahrheit sagen: Die Regierung muss die Wahrheit über die ökologische Krise offenlegen und die Dringlichkeit eines sofortigen Kurswechsels kommunizieren.“ Dieser Kurwechsel, der hier angesprochen wird, muss eine Abwendung von dem kapitalistischen, gewinnen-orientieren Streben nach immer mehr Wirtschaftswachstum sein. Doch da sich Extinction Rebellion nicht auf eine antikapitalistische Ansicht festlegen möchte, fragt man sich wie dieser Kurswechsel sonst aussehen sollte.

Die zweite Forderung meint: „Jetzt handeln: Die Regierung muss jetzt handeln, um das Artensterben zu stoppen und um die Treibhausgasemission bis zum Jahr 2025 auf Netto-Null zu senken“ Auch dies ist eine sehr wichtige Forderung. Trotzdem wäre es gut konkreter auf die Maßnahmen einzugehen, die die Regierung durchführen soll, um das Ziel zu erreichen.

Doch dies tut XR auch, in ihrer dritten Forderung: „Politik neu leben: Die Regierung muss eine BürgerInnen-Versammlung (mit aus der Bevölkerung gelosten Vertretern) einberufen, die die notwendigen Maßnahmen für Klimagerechtigkeit und gegen die ökologische Katastrophe erarbeitet, und sich verpflichten deren Beschlüsse umzusetzen.“ Dies ist meiner Meinung nach, die wichtigste Forderung, weil sie nicht nur auf das Aufhalten der Klimakatastrophe, sondern auch auf mehr direkte Demokratie anspielt. Daher ist es aber schwierig solch eine wichtige Aufgabe nur gelosten Vertretern aus der Bevölkerung zuzuschreiben, auch wenn man positiv erwähnen muss, dass diese aus unterschiedlichen Regionen und gesellschaftlichen Schichten ausgelost werden sollen. Ein weiteres Problem, was bei XR nochmal zu Sprache kommen sollte, ist wie man sicherstellen will, dass die PolitikerInnen die Beschlüsse der BürgerInnen-Versammlung auch wirklich umsetzten, denn wie man am Pariser Klimaabkommen sieht, hält sich unsere Politik momentan noch nicht einmal an ihre eigenen Ziele.

Die Frage nach mehr sozialer Gerechtigkeit und wie man den Klimawandel sozial gerecht gestalten möchte wird jedoch bei den Forderungen größtenteils offengelassen.

Die positiven Seiten der Bewegung

Als ich neu bei XR war begeisterten mich vor allem die neuen, spannenderen Aktionen,- also die zivilen Ungehorsams-, die zur Beteiligung an den Schulstreiks von Fridays for future hinzukamen. Wichtig ist natürlich aber, dass die Streiks neben den Aktionen zivilen Ungehorsams ihre enorme Wichtigkeit nicht verlieren, denn sie treffen die Großkonzerne, die die Umwelt am meisten ausbeuten, am härtesten.

Auch mit dem Staat in direkte Konfrontation zu treten und dazu noch feste Forderungen zu haben, die die Rebellion bestimmen, fand ich von Anfang an äußerst wichtig. Hierbei ist es vor allem positiv zu erwähnen, dass klarere Forderungen, als zum Beispiel bei Fridays for future, aufgestellt wurden.

Extinction Rebellion hat eine stark wachsende Mitgliedszahl und konnte bereits sehr viele Menschen für die Rebellion gewinnen. So erreichte es die Bewegung weltweit aktive Mitglieder in über 50 Ländern auf sechs Kontinenten mit über 340 Ortsgruppen zu mobilisieren. Nach XR-Deutschland gibt es hier in etwa 5.500 Rebell_Innen in über 100 aktiven Ortsgruppen. (siehe MDR Sachsen, 8.10.2019) Das zeigt wie viele Menschen dieses Konzept auf der ganzen Welt und auch in Deutschland bereits begeistert hat.

Diese Tatsache liegt wahrscheinlich auch an der starken Unterstützung der Rebell_Innen untereinander und durch die OGn (Ortsgruppen). Es war für mich beispielsweise nicht schwer mich auf Aktionen vorzubereiten und ich musste keine Angst davor haben, denn das notwendige Vorwissen und alle Zweifel konnte ich in freiwilligen Aktionstrainings klären. Dort wurde auch das Agieren in der Gruppe und Bezugsgruppen (für Aktionen) geübt, also der Zusammenhalt in der Gruppe gestärkt.

Weiterhin gefiel mir die konsequente Gleichberechtigung aller Mitglieder. Im Gegensatz zu Fridays for future, gibt es nicht ein Gremium, das für die Masse entscheidet. Jedes Mitglied kann sich am Entscheidungsprozess beteiligen. Auch wenn es einzelne Arbeitsgruppen gibt, wird am Ende alles Wichtige im Gesamtplenum abgestimmt und entschieden. So kann man von Anfang an Aktionen mitplanen und Entscheidungen treffen. Das liegt auch daran, dass alle Treffen öffentlich beworben werden (im Gegensatz zu denen von FFF).

Den schon zuvor erwähnten Arbeitsgruppen können Mitglieder frei je nach Können und Bestreben beitreten. Dabei wird nicht nur eine praktische Arbeitsteilung, nach z.B. Aktionsplanung, Medienplanung und Bildung (und weiteren Bereichen) vorgenommen, sondern auch dafür gesorgt, dass man seine Aktivitäten frei wählen kann. Das sorgt für Selbstbestimmtheit und Freiheit innerhalb einer Gruppe in der die Mitglieder gleichberechtigt agieren können.

Ein weiterer Punkt, der nicht außer Acht zu lassen ist, ist die finanzielle Unabhängigkeit von Extinction Rebellion, die dafür sorgt, dass die Bewegung nicht benutzt oder gekauft werden kann. Sie finanziert sich nicht über Mitgliedsbeiträge, sondern allein über Spenden. Das sorgt einerseits dafür, dass Mitglieder mit einem höheren Einkommen mehr zahlen können, ohne einen höheren Einfluss zu erlangen, was auch der Klasse der Lohnabhängigen eine Mitgliedschaft ermöglicht. Andererseits müssen so manche Aktionen von Rebellen aus eigener Tasche bezahlt werden.

Probleme im Aufbau von XR

Mit der Zeit fielen mir jedoch auch einige Probleme der Bewegung auf. Die Grundsätze des Programms beispielsweise wurden nur ein einziges Mal von den Aktivist_Innen in Großbritannien festgelegt. Sie sind nicht wandelbar und wurden nicht von der gesamten internationalen Organisation festgelegt, was vor allem mit der Dezentralität im Aufbau einhergeht. Diese sorgt auch für ein unterschiedliches Verständnis des Programms in den unterschiedlichen Ländern, und sogar Städten. Die Grundsätze werden daher auch nach außen hin unterschiedlich vertreten, was für viele Meinungsverschiedenheiten und die Schwierigkeit als internationale bzw. nationale Bewegung aufzutreten, sorgt. Um dieses Problem zu beheben wären folgende Veränderungen notwendig:

– mehr nationale und internationale Vernetzung der Ortsgruppen

– Erarbeitung allgemeingültiger, internationaler Grundsätze, an der alle Mitglieder teilhaben können

– Wahl von Delegierten, die das Programm/ die Meinung ihrer OG (Ortsgruppe) auf Treffen auf nationaler und internationaler Ebene vertreten

Wiedersprüche in den allgemeinen Grundsätzen von Extinction Rebellion

Bei uns kann man auch ein bisschen rassistisch und sexistisch sein“, meinte der XR-Gründer Roger Hallams. Ich bin sicher, die meisten Rebell_Innen sehen das anders. So ist die Akzeptanz aller Menschen, unabhängig von Religion, Herkunft, Aussehen, u. s. w., sowie die Vermeidung von Beleidigung und Ausgrenzung in den Grundsätzen festgeschrieben. Gleichzeitig sollen aber alle politischen Richtungen akzeptiert werden, was also auch rechte und fremdenfeindliche Positionen beinhalten kann. Hierbei wird der erste Wiederspruch deutlich.

Ein weiterer Punkt ist die schon zuvor erwähnte Kritik am kapitalistischen System. Diese wird oft bei XR, mit dem Argument: “Wir sind nicht alle antikapitalistisch!“, abgetan. Und bei möglichen Diskussionen wird dann auf den Grundsatz der politisch neutralen Organisation verwiesen. Das ist in einer demokratischen Gruppe, in der der mit Abstand größte Teil antikapitalistisch denkt aber sehr problematisch. Indem man den Mitgliedern verbietet ihre Meinung öffentlich zu äußern, mag es auch sein um von der Presse nicht als linksradikal oder von vornerein negativ abgestempelt zu werden, schränkt man dennoch ihre Meinungsfreiheit ein und das ist ganz und gar undemokratisch. Außerdem ist die Zustimmung zur Profitmaximierung der Großkonzerne alles andere als hilfreich für die Bekämpfung des Klimawandels. Es ist der zentrale Grund für die Klimaerwärmung, denn Umweltverschmutzung und Ausbeutung von Ressourcen werden vor allem dadurch verursacht. Die Kritik an der Politik reicht nicht aus. Es braucht diese Kritik am gesellschaftlichen System, dem Kapitalismus, in welchem die Macht bei den Konzernen liegt. Natürlich gibt es auch Gegenbeispiele, wie XR in Paris (Frankreich), welches mit mehreren hundert Menschen (unter anderem auch Aktivist_Innen der Gelbwestenbewegung) ein Einkaufszentrum, als Zeichen gegen den Kapitalismus, besetzte. Dieses Beispiel zeigt jedoch auch wieder die unterschiedliche Auffassung des Programms in den einzelnen Ländern und Regionen auf.

Mit dem Thema einhergehend ist auch die teilweise vorhandene Ablehnung der Kooperation mit anderen linken Gruppen. Natürlich gibt es dort oft Unterschiede in den Programmen, aber muss dort wirklich jeder Punkt übereinstimmen? Um so viele Menschen wie möglich gegen den Klimawandel zu mobilisieren, bedarf es Kooperation und Kompromissbereitschaft und nicht Ablehnung aufgrund (zum Teil nur kleiner) programmatischer Unterschiede und negativen Reaktionen durch die Presse. Diese Unterschiede kann man ja im gemeinsamen Kampf immer noch diskutieren und dabei vielleicht an der Praxis sehen, welche Konzepte sich als besser herausstellen.

Die grundsätzlichen Forderungen von XR weisen noch ein weiteres Problem auf. Extinction Rebellion möchte sich offiziell nur zu Themen, die den Klimawandel direkt betreffen positionieren. Es kommt also zu einer Nicht-Positionierung zu anderen außenpolitischen und internationalen, sowie teilweise sogar gesellschaftlichen Themen. So solidarisiert sich zum Beispiel XR Dresden nicht offiziell mit den Kurd_Innen in Rojava, weil dies nicht dem Grundthema entspreche. Weiterhin wird als Begründung angebracht, dass man nicht genügend Menschen erreichen und gegen den Klimawandel mobilisieren könne, wenn man sich bei diesen Themen festlege. Das ist ein großer Irrtum. Erstens die Tatsache, dass die Menschen in Rojava abgeschlachtet werden und Solidarisierung gegen einen Völkermord keineswegs den Grundsätzen wiederspricht. Hinzu kommt die Forderung nach mehr direkter Demokratie und der Grundsatz der Gleichberechtigung, die nur mit dem kurdischen System in Nordsyrien vereinbar sein können. Zweitens ergibt die Argumentation auch im Generellen keinen Sinn. Wie kann man politisch aktiv sein und etwas bewegen, wenn man keine klare Meinung zu politischen Themen hat? Eine politische Gruppe kann nicht zu jedem außenpolitischen Thema neutral sein! Abgesehen davon sorgt eine immer abweisende politische Haltung auch für Ablehnung in der Bevölkerung. Lässt sich gut an Fridays for future sehen, die sich mit den Kurd_Innen solidarisieren und trotzdem einen enormen Zulauf haben. (Auch wenn dieser gerade durch die Form des Streiks verstärkt wird.)

Auch die Gewaltfrage weist gewisse Probleme auf. XR lehnt Gewalt prinzipiell ab. Allerdings wird das Wort “Gewalt“ und was es für die Organisation bedeutet, nicht klar definiert. So sehen manche Menschen sogar den zivilen Ungehorsam schon als Gewaltform an und das würde dem Grundsatz wiedersprechen. Auch wenn im Rebellionskontext steht, dass wichtig ist, was die Medien als Gewalt ansehen, ist diese Gewaltfrage nicht geklärt. So herrscht in den Medien doch eine sehr unterschiedliche Auffassung. Außerdem wird eine Rebellion gegen das System, wenn sie größeren Einfluss bekommen sollte, automatisch durch die Medien, geächtet werden. So sind auch nicht alle Rebell_Innen mit dem Gewaltkontext einverstanden, was gut an der Abspaltung der Gruppe zur sogenannten Heathrow-Pause deutlich wird. Dabei schlossen sich einige XR-RebellInnen zusammen um mit Spielzeugdrohnen den Londoner Flughafen Heathrow stillzulegen. (siehe Zeitung: der Freitag)

Nun noch zum Grundsatz des Verhaftens. Dieser ist gerade für benachteiligte Menschen, wie Personen mit unsicherem Aufenthaltsstatus, schwer durchsetzbar. Außerdem kann es auch vereinzelt zu Problemen bei den zukünftigen Jobs für SchülerInnen und Studierende kommen. Daher beteiligen sich bei XR auch viel weniger SchülerInnen, als beispielsweise bei Fridays for Future. Glücklicherweise gibt es allerdings auch immer weniger gefährliche Aktionen, wie die Die-ins, und Aufgaben in der Planung und Bildung.

Mein letzter Punkt ist die Kooperation mit der Polizei. So gaben in London Aktivisten vor der Aktion Daten der Blockierenden an die Polizei weiter, damit diese schneller verhaftet werden konnten. In Berlin applaudierten Rebell_Innen der Polizei nachdem sie weggetragen wurden und bedankten sich herzlich. Und das, obwohl diese Polizei nicht ganz legaler Weise (also ohne Zustimmung des Innenministeriums) in London ein Demonstrationsverbot gegen Extinction Rebellion ausrief und in Hamburg gewalttätige Schmerzgriffe gegen (zum Teil) Minderjährige AktivistInnen anwandte. Eine Gruppe, die mit illegalen Aktionen das System verändern will, kann sich nicht mit der Exekutive dieses Systems solidarisieren und dann darauf hoffen weniger Repressionen zu bekommen!

Daher fordern wir:

– Umformulierung des Programms um sexistische und rassistische Meinungen nicht zu tolerieren

– Mehr Freiheit der Mitglieder in antikapitalistischen Meinungen (denn sie dominieren die – Bewegung = Meinung der Masse)

– Akzeptanz antikapitalistischer Aktionen

– Kooperation mit anderen linken Gruppen (keine Ablehnung dieser aufgrund von kleinen programmatischen Unterschieden)

– Bessere Definition des Gewaltkontextes

– Keine Vergabe der Daten vor Aktionen an die Polizei, Sicherheit der AktivistInnen gewährleisten

– Bessere Einbindung von minderjährigen AktivistInnen und der Klasse der Lohnabhängigen (Arbeiter_Innenklasse) durch z.B. Kooperation mit Gewerkschaften und Organisationen von Streiks neben den Aktionen zivilen Ungehorsams