Die Grünen – Links blinken, rechts abbiegen…

…und dabei noch Erfolg haben – Wie geht sowas?

Christian Mayer

Eigentlich ist es ja so: Wenn man im Straßenverkehr nach links abbiegen will, dann gibt man ein entsprechendes Zeichen. Beim Fahrradfahren durch einen ausgestreckten Arm, beim Autofahren mit dem linken Blinker. Wer dagegen das Gegenteil macht, muss mindestens mit einer Ermahnung rechnen. Da wir uns aber mit der politischen Landschaft in Deutschland beschäftigen, ist es ein klein wenig anders. Hier scheinen irgendwie andere Regeln zu gelten. So kann man problemlos links blinken und rechts abbiegen, ohne einen Unfall zu bauen.

Ok, und was hat das jetzt mit den Grünen zu tun? Gute Frage, die Antwort kommt im weiteren Text.

Das Parlament – ein Ort, wo andere Regeln gelten

Scheinbar kann man im Parlament, anders als im Straßenverkehr, so fahren, wie man will, ohne ernste Nachteile befürchten zu müssen. Anders kann man so manche politische Irrfahrt nicht erklären. Oder doch? Im Parlament vertreten die Parteien scheinbar die Interessen derjenigen, die sie dort erst hingebracht haben und nicht ihre eigenen. Wenn wir uns nun aber den ganzen Politbetrieb im Parlament etwas genauer anschauen, können wir feststellen, dass das nicht so ist. Das fängt bereits damit an, dass alle Parteien, mit Ausnahme der Linkspartei, von großen Firmen beträchtliche Spenden erhalten und dafür werden aber auch entsprechende Gegenleistungen erwarten, z.B. in Form von Gesetzen, von denen sie profitieren, auch genannt „Lobbyismus“. Auch die Grünen haben ein paar Firmen, von denen sie Geld erhalten, um die Interessen dieser Firmen durchzusetzen. Dazu gehören „Gesamtmetall“, „Wirtschaftsvereinigung Stahl“ und der „Sparkassen- und Giroverband“.

Links blinken…

Die Grünen gehen in ihren Ursprüngen aus der Anti-Atomkraft-Bewegung und aus verschiedenen linken Gruppen hervor. Recht schnell hat sich dabei ein Kampf zwischen rechteren „Realos“ (Realpolitik mit Regierungswunsch) und linkeren „Fundis“ (Fundamentalopposition, lieber klare Kritik als Regierung) entwickelt, was heute noch in der Doppelspitze wiederzufinden. Obwohl die beiden Lager heute noch existieren, haben die Realos immer weiter an Boden gewonnen und spätestens durch die Fusion mit dem deutlich rechteren „Bündnis90“ haben sie den Sieg errungen. Sie konnten in ihrer Geschichte immer wieder von Bewegungen auf der Straße profitieren und so tun sie es heute auch mit der Umweltbewegung und allen voran Fridays for Future. Sie stellen auch progressive Forderungen auf: Auf die Klimakrise antworten sie mit weniger Fleisch und Müll, mehr Ökostrom und Nahverkehr. Außerdem wollen die Grünen die Mieten wieder auf bezahlbares Niveau zurücksetzen, sich für Vielfalt allgemein und die Rechte von Geflüchteten im Besonderen stark machen und für Frieden ist man natürlich auch. Alles natürlich richtige Ideen! Aber sobald sich die Grünen an einer Regierung beteiligen, werfen sie ihre Ideale wieder über den Haufen.

und rechts abbiegen

Dass Wahlprogramm und Regierungspraxis nicht unbedingt zusammen passen, zeigen ja auch die anderen Parteien immer wieder. Bei den Grünen ist dieser Widerspruch nun besonders krass: Ob es in früheren Jahren darum ging, Kriegseinsätzen zuzustimmen (was ihrem eigenen Grundsatzprogramm widersprach) oder vor drei Jahren der restlichen Abholzung des Hambi grünes Licht in der Landesregierung in NRW erteilt wurde – den Grünen war sowas letztlich egal. So wurde auch ein zentrales Versprechen nach dem anderen in den Jamaika-Koalitionsverhandlungen fallen gelassen.

Genauso egal ist es einem Winfried Kretschmann, immerhin erster und bis heute einziger grüner Ministerpräsident, was die eigene Parteimehrheit beschließt. „Wir sind gegen den Mega-Bahnhof Stuttgart21? – Das interessiert mich nicht, ich unterstütze das trotzdem. Der Käs‘ isch gessa! (schwäbisch für: Das hat sich erledigt.)“, scheint sich Kretschmann gedacht zu haben. Auch ist es ihm egal, dass sich die eigene Parteimehrheit sowohl gegen die Verschärfung des Abschieberechts oder die Betrügerei der Autoindustrie bei den Abgasmessungen bei Dieselmotoren stellt – Kretschmann ist das Paradebeispiel dafür, dass die Grünen in der Regierung den gleichen Käse machen wie alle anderen auch. Oder: Sie biegen rechts ab, obwohl sie ja eigentlich nach links fahren wollten.

Erfolgswelle

Im Europawahlkampf haben die Grünen auch massiv davon profitiert, dass linke Parteien die drängenden Themen Ökologie und Migration geschickt im Wahlkampf ausgeklammert haben. Die Unfähigkeit der Linken verhalf den Grünen dazu, sich als glaubwürdigste Alternative gegenüber der AfD darstellen zu können. Das geht sogar soweit, dass sie inzwischen mit der CDU/CSU im manchen Umfragen gleichauf liegen (beide bei 26%, je nach Datum und Umfrageinstitut). Dass ihre Erfolgswelle soweit gehen würde, dass sogar schon manche Medienhäuser die Grünen ins Kanzler_Innenamt schreiben, hätten die Grünen selbst letztes Jahr wohl selber nicht für möglich gehalten.

Und wie wird’s dann mit Kanzler Habeck?

Seit dem Verrat der Rot-Grünen-Regierung auf Bundesebene (inklusive Krieg und Sozialabbau) haben sich die Struktur und die Machtverteilung innerhalb der Grünen nicht gewandelt und ihre Grundlage ist weiterhin rein pro-kapitalistische Politik, jedoch mit Linksblinker. Einige Teile des Kapitals haben erkannt, dass auch ihre Profite davon bedroht sind, wenn die Lebensgrundlage des Menschen kontinuierlich weiter zerstört wird. In den Grünen sehen sie eine Hoffnung, die Umwelt ein Stück zu schonen und trotzdem weiter wachsen zu können. Mit ihrem Eintreten für E-Autos (die nebenbei gesagt überhaupt nicht das Klima schonen!) öffnen die Grünen ferner interessante neue Absatzmärkte und geben den Monopolkonzernen keinen Grund zu Sorge, dass sie die deutsche Exportwirtschaft schwächen könnten. Letztens hat sogar der BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie, also der Oberkapitalist_Innenverein) ihre Unterstützung für die Grünen in einer neuen Bundesregierung ausgesprochen. Also können wir auch von den Grünen nichts erwarten, was den Wirtschaftsstandort Deutschland also insbesondere die Auto- oder die Rüstungsindustrie schwächt! So werden die Grünen ihren hehren Ziele sicher nicht gerecht, denn Klima geht nur gegen die Autoindustrie und Frieden nur gegen die Rüstungsindustrie!




Heraus zum Generalstreik fürs Klima am 20. September!

Kurz vorab: Seit einigen Monaten arbeiten wir bereits in der Antikapitalistischen Plattform „ChangeforFuture“ und hatten eigentlich geplant, einen Aufruf zum 20.9. mit der Plattform zu veröffentlichen. Wir konnten uns in CFF noch nicht gemeinsam für eine Version desselben entscheiden. Da es nicht mehr lange ist bis zum Streik veröffentlichen wir dennoch schonmal das Folgende.

Wir, die antikapitalistische Plattform Change for Future, rufen zum
Generalstreik am 20.09 und zu der bundesweisten Protestwoche, voller
Streiks, Besetzungen und direkten Aktionen zwischen dem 21.und dem 27.
September auf.
Gemeinsam mit allen Arbeiter_Innen, Schüler_Innen. Student_Innen und
Arbeitslosen wollen wir in den Generalstreik treten, um unseren
Forderungen Gehör zu verschaffen.

Als Kampfmittel verbindet der Generalstreik den politischen Protest mit
der Aktionsform des Streiks, einer Aktionsform der Arbeiter_Innenklasse.
Hierbei sollen wirtschaftlicher und politischer Druck die herrschende
Klasse zur Umsetzung unserer Forderungen zwingen. Lasst uns deutlich
machen, dass unsere Bewegung sich auf die Seite der Ausgebeuteten und
nicht der Ausbeuter_Innen stellt. Wir müssen jede Möglichkeit nutzen,
uns mit den sozialen Bewegungen der Klasse, mit den
Mieter_Innenprotesten und mit der Antirassistischen Bewegung gemeinsam
auf eine Seite zu stellen.
Wir nehmen uns das Streikrecht!
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts gibt es in Deutschland kein politisches
Streikrecht. Der Streik sei ein Mittel für bessere Arbeitsbedingungen zu
kämpfen. Dieser Konsens entpolitisiert die Arbeiter_Innenklasse und
nimmt ihr eines ihrer wirksamsten Kampfmittel.
Damals wie heute -Hartz, Leih und Zeitarbeit wurden ebenfalls unter
Rot-Grün durchgeboxt- beteiligt sich die SPD an Regelungen, die
offensichtlich nicht im Interesse der sozial Benachteiligten stehen.
Daneben fliegen neoliberale und rechtspopulistische Parteien gerade im
Aufwind. Gerade jetzt werden soziale Bewegungen geschwächt und
demokratische Rechte eingeschränkt. Internetzensur, Überwachung, neue
Polizeigesetze und Eingriffe ins Streikrecht ebnen dabei den Weg,
zukünftige Bewegungen im Keim zu ersticken und die Macht der
Kapitalist_Innen zu festigen.
Unser Umweltschutz kennt keinen Markt!
In einem System, dass auf Ausbeutung und Mehrwert, so wie dem Zwang
ständig zu wachsen beruht, sehen wir keine Möglichkeit die Umweltkrise
zu lösen. Ansätze, die den bestehenden Konzernen und Banken nutzen, z.B.
Verkauf vermeintlich grüner Technik(Stichwort Elektroautos) werden
verfolgt, wobei längst klar ist, dass der individuelle Personenverkehr
nicht grün sein kann!
Mit diesem Streik wollen wir deutlich machen, dass wir nicht glauben,
dass die Klimakrise durch Verzicht im Konsum, auf dem Rücken der
privaten Haushalte gelöst werden kann.
Vielmehr muss zur Lösung der Umweltkrise die Systemfrage gestellt
werden.

Internationalismus statt Rechtsruck, Nieder mit der Festung Europa!
Gerade in halbkolonialen Ländern müssen Menschen schon jetzt unter den
Folgen des Klimawandels leiden. Tödliche Hitzewellen, Überschwemmungen,
jahrelange Dürren oder das massive Artensterben, das vielen Menschen die
Nahrungsgrundlage entzieht: alles Auswirkungen des menschengemachten
Klimawandels. Gleichzeitig beuten westlliche Konzerne Arbeiter_innen auf
der ganzen Welt aus, vereinnahmen Böden mit Monokulturen und zerstören
so nachhaltig ganze Ökosysteme. Stellvertreter_Innenkriege, die
Finanzierung antidemokratischer Kräfte und die Flut an Waffenexporten
tun Ihr Übriges zur Zerstörung der Lebensgrundlage von Millionen von
Menschen bei. Menschen, die so zur Flucht genötigt werden, können in den
seltensten Fällen auf Asyl in reichen imperialistischen Staaten hoffen,
da diese sich mehr und mehr mit Hilfe von Zäunen, von Grenzen,
Kontrollen und letztlich Waffengewalt gegen Einwanderung abschotten.
Wir haben begriffen, dass der Klimawandel globale Auswirkungen hat, dass
Lösungen nur global gefunden werden können. Dabei hilft es sich nicht in
nationalistischer Manier nur auf die Politik im eigenen Land zu
fokussieren und so das Große ganze aus dem Blick zu verlieren. Die
Arbeiter_Innen kennen kein Vaterland, nieder mit jedem Nationalismus.
Klimagerechtigkeit jetzt! System Change not Climate Change!




Gi-Ga-Generalstreik am 20.9.! Warum die Gewerkschaften bisher nicht mitmachen wollen und wir sie aber dringend brauchen.

Stellt euch mal vor, die Fridays-for-Future Großaktionen am 20.9. werden noch ein bisschen anders als wir es sonst von unseren Schulstreiks am Freitag kennen. Neben den Tausenden von Schüler_innen mit bunten Schildern in den Händen könnten an diesem Tag noch einmal mindestens doppelt so viele Arbeiter_innen in grellen Warnwesten und mit den Fahnen ihrer Gewerkschaften stehen. Ein lautstarker Demonstrationszug mit hunderttausenden von Menschen könnte sich in vielen Städten gleichzeitig in Bewegung setzen. Im Unterschied zu sonst wären wir nicht nur wesentlich mehr Menschen sondern es würde auch niemand um uns herum arbeiten. Keine Straßenbahn würde an uns vorbeifahren und keine Bauarbeiter_innen würden von Gerüsten auf uns mit fragenden Blicken herabschauen. Es wäre nämlich ein Generalstreik. Mit Fridyas for Future konnten wir bereits viel Aufmerksamkeit generieren und das Klimaproblem stärker in den Fokus der öffentlichen Debatte rücken. Doch noch immer haben wir es nicht geschafft, die Politik wirklich zum Handeln zu bewegen. Das könnte sich durch einen Generalstreik am 20.9. ändern, denn wenn alles stillsteht, bleiben auch den Konzernen ihre Profite aus und die Politiker_innen sind gezwungen zu handeln. Der Generalstreik ist die stärkste Waffe, die wir als Menschen haben, die selber kein Vermögen auf dem Konto, eigene Fabriken oder große Ländereien besitzen, um für unsere politischen Ziele zu kämpfen.

„Ausstempeln“ bis zum Generalstreik?

Ist es also das, was uns am 20.9. erwartet? Mehrere Prominente wie zum Beispiel der Fernsehmoderator Joko Winterscheidt haben schließlich bereits öffentlich ihre Solidarität mit unserem Klimageneralstreik ausgedrückt und dazu aufgerufen, an den Aktionen teilzunehmen. Dazu gehört auch Frank Bsirske, der Chef der Gewerkschaft verdi, der zweitgrößten Gewerkschaft in Deutschland. Klingt also so, als ob unsere schöne Idee vom Klimageneralstreik tatsächlich Realität werden könnte. Leider gibt es da nur einen Haken: Kurz nachdem der Gewerkschaftschef seine Solidarität mit uns ausdrückte, sagte er: „Wir rufen natürlich nicht zu einem ordentlichen Streik auf, das geht nicht. […] Aber wer kann, sollte ausstempeln und mitmachen“.

Aber wer kann einfach so mal nicht zur Arbeit kommen, um an einer Demo teilzunehmen? Wer hat am Ende des Sommers noch Urlaubstage übrig, um mal eben „auszustempeln“? Damit Arbeiter_innen streiken können, ohne Angst um ihren Job oder andere Repressionen fürchten zu müssen, ist es essenziell, dass die Gewerkschaften zum Streik aufrufen. Tun sie dies nicht, bleibt nur einigen wenigen privilegierten Arbeiter_innen die Möglichkeit an den Aktionen teilzunehmen. Der Streik sollte jedoch eine kollektive und keine individualistische Aktionsform sein, denn so verliert er seine Wirkung.

Legal? Illegal? Scheißegal!

Zum anderen bleibt uns Bsirske auch eine Antwort auf die Frage schuldig, warum man denn nicht zu einem ordentlichen Streik aufrufen könne. Vermutlich würde er ähnlich wie auch Anfang des Jahres bezüglich des internationalen Frauenstreiks antworten, dass in Deutschland sogenannte „politische Streiks“ verboten seien. Gewerkschaften dürften Streiks lediglich als letztes Mittel nutzen, um Druck in Tarifverhandlungen auszuüben. Sorry Frank, aber du erzählst hier mal wieder Mist. Schließlich gibt es genug Beispiele für politische Streiks in Deutschland. Prinzipiell sind diese auch nicht von der Verfassung verboten. Es gibt lediglich eine Tradition in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, die Streiks ohne Bezug zu laufenden Tarifverhandlungen häufig mit Einschränkungen und Repression belegt. Langjähriger Präsent des Gerichtes und Architekt der arbeiter_innenfeindlichen Urteile war übrigens der NS-Jurist Hans-Carl Nipperdey, der schon unter Hitler begeistert die nationalsozialistische Einheit zwischen Angestellten und Unternehmern beschwor1. Außerdem könnte sich unser verängstigter Frank dann auch mal mit den anderen DGB-Gewerkschaften an einen Tisch setzen und zusammen überlegen, ob sie nicht weitere Streikaktionen durchführen wollen, um mögliche Finanzstrafen des Bundesarbeitsgerichtes abzuwenden.

Zum anderen ist es eigentlich auch gar nicht wichtig, ob ein Generalstreik im Einklang mit dem geltenden Recht in Deutschland steht. Die großen Generalstreiks in der Geschichte der Arbeiter_innenbewegung in Deutschland waren es zumindest auch nicht: Ob die Massenstreiks zur Beendigung des Ersten Weltkrieges, der Generalstreik der die Weimarer Republik vor einem faschistischen Putsch 1920 gerettet hat oder der Generalstreik, der uns 1948 vor dem krassesten Marktradikalismus bewahrt hat. Und trotzdem konnten sie ihre politischen Ziele einfach so entgegen dem geltenden bürgerlichen Recht durchsetzen. Was soll auch so ein Stück Papier gegen die geballte Kraft der Arbeiter_innenklasse ausrichten? Schließlich hat ein Generalstreik mit Millionen Unterstützer_innen auch eine viel höhere demokratische Legitimität als irgendein von Fascho-Juristen konstruiertes Urteil. Die Herrschenden sind dadurch gezwungen auf die Interessen der streikenden Massen einzugehen und können, sollten sie dies nicht tun, durch weitere Aktionen sogar entmachtet werden.

Die soziale Frage aufwerfen

Allen falschen Ausreden und Opportunismus von unserem verdi-Frank zum Trotz ist es dennoch schon einmal ein gutes Zeichen, wenn sich die zweitgrößte Gewerkschaft in Deutschland mit den Protesten solidarisch zeigt. Viele andere Gewerkschaften haben dies bisher nicht getan. Dabei wäre das eigentlich bitter nötig, denn die Klimakrise betrifft uns alle. Besonders uns Jugendliche und Lohnabhängige, denn die Reichen können sich viel besser vor den Auswirkungen des Klimawandels schützen, während wir speziell in ärmeren Ländern seinen Folgen vorwiegend ausgesetzt sind. Die Klimakrise hat also eine soziale Dimension, eine Klassendimension, weshalb wir den Kampf dagegen auch mit der sozialen Frage, der Klassenfrage, verknüpfen müssen. So müssen wir dafür eintreten, dass die Kosten der Klimakrise nicht auf dem Rücken der Arbeiter_innen und der Jugend ausgetragen wird (z. B. durch Ökosteuern oder Massenentlassungen in umweltschädlichen Industrien). Wir müssen dafür sorgen, dass die Klimafrage und die soziale Frage nicht gegeneinander ausgespielt sondern miteinander verbunden werden. Das heißt also nicht Jobs in der Braunkohle zu retten damit weitergebaggert und verpestet wird. Vielmehr heißt das neue Jobs in der Gewinnung regenerativer Energien zu schaffen und durch Umschulungen, höhere Löhne und Arbeitszeitverkürzungen gleichzeitig für bessere Arbeit und ein besseres Klima zu kämpfen. Dafür brauchen wir jedoch auch in Fridyas for Future ein Verständnis und Sensibilität für die existenziellen Sorgen und Nöte der Beschäftigten und keine abgehobene Ignoranz, wie sie in der Debatte manchmal vorkommt. Sprüche wie „Sucht euch doch einfach nen Job in nem Öko-Startup!“ oder „Wir alle sollten einfach nur noch Bio-Produkte kaufen!“ helfen da wenig weiter und spiegeln vielmehr die privilegierte Position einiger Aktivist_innen wider.

Good old Klassenkampf is needed!

Dass jedoch heute nicht alle Arbeiter_innen und Gewerkschaftsmitglieder so Feuer und Flamme für den Aufbau einer kämpferischen Umweltbewegung eintreten und wir Schüler_innen und Studierenden es in Fridays for Future dagegen schon tun, hat viel mit den desillusionierenden Erfahrungen der Gewerkschaftsbewegung in den letzten Jahrzehnten zu tun (die wir zum Glück nicht machen mussten). So hat die Gewerkschaftsführung mit ihrer Politik der Sozialpartnerschaft (was so viel wie Kooperation zwischen Kapital und Arbeit anstelle von Klassenkampf heißt) für Vertrauensverlust, Trägheit und Passivität unter den Gewerkschaftsmitgliedern gesorgt. Und das, obwohl Umweltschutz seit dem Entstehen der Arbeiter_innenbewegung eigentlich immer ein zentrales Thema der Gewerkschaften war. Damals ging es vor allem noch um den Kampf gegen den Einsatz lebensgefährlicher Chemikalien in der Produktion, die die Gesundheit von Mensch und Natur massiv bedrohten. Im Zuge der Sozialpartnerschaft haben die Gewerkschaften dann das Umweltthema und viele andere politische Fragen nach und nach im Aktenschrank der Geschichte verstaut und sich von den Unternehmen aus der Sphäre der Politik drängen lassen, sodass sie sich heute nur noch für Tarifverhandlungen zuständig fühlen.

In diesem Aktenschrank müsste sich auch ein Schredder befinden, dem die internationale Solidarität zum Opfer gefallen ist. Mit der Sozialpartnerschaft ging nämlich auch die Entfaltung der nationalistischen Orientierung der Gewerkschaften einher, die den Ausbau Deutschlands zur Exportmacht der Solidarität mit Arbeiter_innen weltweit vorzieht. Doch da der Kampf gegen die Klimakrise global stattfinden muss, brauchen wir internationale Solidarität statt nationalistischer Spaltung. Dies wird umso deutlicher, wenn wir uns vor Augen führen, dass sich der Klimawandel auch zu einem der wichtigsten Fluchtgründe entwickeln wird. Wenn wir also die Arbeiter_innenklasse ernsthaft für Fridyas for Future gewinnen wollen, müssen wir sie davon überzeugen, die Politik der Sozialpartnerschaft zu beenden indem wir zwei Sachen von den Gewerkschaften einfordern:

  1. Hört auf euch von den Unternehmen bevormunden und mundtod machen zu lassen und fangt endlich wieder an, euch als politische Kampforgane der Klasse zu begreifen, indem ihr euch zum Beispiel entschieden gegen die Klimakrise positioniert.

  2. Brecht mit eurer nationalistischen Standortideologie, denn dem Klima sind nationalstaatliche Grenzen ziemlich egal. Zum anderen kann die Aufgabe einer ökologisch-nachhaltigen Umgestaltung der Produktion insbesondere für die deutsche Wirtschaft, die auf die Verwertung von Rohstoffressourcen und billiger Arbeitskraft im Ausland angewiesen ist, nur international gedacht werden kann. Holt euch von uns ein wenig Nachhilfeunterricht zum Thema „Klimagerechtigkeit“ ab.

Die Gewerkschaftsführungen werden sich vermutlich leider nicht so leicht von unseren Argumenten überzeugen lassen – auch wenn sie gut sind. Das liegt daran, dass sie selber viel zu tief in der Scheiße mit drinstecken und ihre eigenen Privilegien verlieren könnten. Es braucht also aktiv Druck aus der Gewerkschaftsbasis gegen die Führung, sonst machen die gar nichts. Der 20.9. kann dabei ein Startschuss sein, um die Diskussion neu zu entfachen, wie Gewerkschafts- und Umweltbewegung vereint werden können. Doch lasst uns nicht nur quatschen sondern auch machen und jede_r Arbeiter_in auf unseren Demos willkommen heißen. Ziel muss es sein, eine internationale Bewegung der Jugend und der Arbeiter_innen aufzubauen, die durch Massenstreiks und Besetzungen unser Interesse an der Rettung dieses Planeten durchsetzt.

1 Vgl. ak Nr. 651, S.23




Was kommt nach den Landtagswahlen?

Am 1. September fanden in Sachsen und Brandenburg die Landtagswahlen statt. Gleich vorweg: eine Regierungsbildung mit der AfD kann in beiden Bundesländern nahezu ausgeschlossen werden. Dennoch machen die vorläufigen Endergebnisse deutlich, dass der gesellschaftliche Rechtsruck weiter voranschreitet und dieser äußert sich vor allem in den Wahlerfolgen für die rechtspopulistische AfD. Sie konnte als einzige Partei in den Prozentpunkten zweistellig zulegen und ist sowohl in Sachsen wie auch in Brandenburg als zweitstärkste Kraft aus den Wahlen hervorgegangen. In Sachsen kommt die AfD demnach auf 27,5% (Vgl. 2014: 9,7%, +17,8%) und in Brandenburg auf 23,5 % (Vgl. 2014: 12,2%, +11,3%). In Sachsen konnte die regierende CDU (32,1%, -7,3%) und in Brandenburg die SPD (26,2%, -5,7%) sich zwar jeweils als stärkste Partei behaupten, beide mussten jedoch heftige Verluste hinnehmen.

In Sachsen erzielte die SPD mit 7,7% (-4,7%) das historisch schlechteste Ergebnis seit jeher. DIE LINKE verlor im Vergleich zur letzten Landtagswahl 7,9% und konnte mit 10,7% noch gerade so ein zweistelliges Ergebnis einfahren. Die Grüne konnte von der Klimakrise profitieren und kam auf 8,6% (+2,9%).

In Brandenburg erreichte die CDU 15,6% (-7,4%), DIE LINKE 10,7% (-7,9%), die Grüne 10,8% (+4,6%) und die Freien Wähler ziehen erstmals mit 5% (+2,3%) in den Landtag ein. Die FDP ist in beiden Wahlen knapp an der 5%-Hürde gescheitert.

Prognose: Wer regiert uns jetzt?

Aufgrund der massiven Verluste für die Regierungsparteien und da sowohl die CDU in Sachsen als auch die SPD in Brandenburg einer Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch eine Absage erteilen, wird die Regierungsbildung besonders kompliziert. In Sachsen ist die Bildung einer sogenannten Kenia-Koalition, also eine Regierung aus CDU, SPD und Grünen, am wahrscheinlichsten. Eine Minderheitsregierung hat Ministerpräsident Kretschmer (CDU) ausgeschlossen. In Brandenburg wäre eine Kenia-Konstellation ebenfalls möglich, jedoch hätte auch Rot-Rot-Grün eine knappe Mehrheit. Doch egal wer uns in Zukunft regiert, drei Dinge stehen jetzt schon fest: 1. das bürgerliche Parteiensystem bröckelt, deutliche Regierungsmehrheiten, geschweige denn Einparteien-Regierungen, gehören der Vergangenheit an. 2. Ob Kenia-Koalition oder Rot-Rot-Grün: bürgerliche Parteien wie CDU, SPD und Grüne handeln nicht im Interesse von uns Jugendlichen und ArbeiterInnen, sondern verfolgen eine neoliberale, oft auch rassistische (Abschiebungen, Asylgesetzverschärfungen) Politik im Interesse der herrschenden Klasse und unterscheiden sich von der rechtspopulistischen AfD bestenfalls durch die Verwendung einer zaghafteren Rhetorik. 3. Der eindeutige Wahlsieg für die AfD zeigt deutlich auf, dass es einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Rechtsruck gibt, dem die etablierten Parteien nichts entgegenzusetzen haben. Ganz im Gegenteil haben sie diesen mit ihrer neoliberalen Politik mit zu verantworten.

Ursachen für den Rechtsruck

Wenn wir von einem gesellschaftlichen Rechtsruck reden, meinen wir damit das weltweite erstarken rechtspopulistischer und faschistischer Kräfte infolge der Weltwirtschaftskrise. Nach dem Ausbruch der Wirtschaftskrise wurden überall die Verluste der Krise sozialisiert, genauer gesagt die Lasten der Krise auf den Rücken der ArbeiterInnen abgewälzt. Gleichzeitig wurden große Banken, die too bog to failwaren, mit massiven Finanzinvestitionen auf Kosten der Werktätigen gerettet und die Besitzenden konnten weiter horrende Profite einfahren. Die Krise zog nicht nur Arbeitsplatzvernichtung, die Ausweitung von prekären Arbeitsverhältnissen wie Leih- und Teilzeitarbeit, Lohnkürzungen, sogenannte Sparmaßnahmen und Sozialabbau nach sich, sondern verschärfte auch die internationalen Spannungen zwischen den imperialistischen Nationen, den untereinander konkurrierenden Regionalmächten und entflammte einen Kampf um die Neuaufteilung der Welt.

Vor dem Hintergrund dieser verstärkten Konkurrenz der kapitalistischen Staaten untereinander brachen regionale Kriege wie in Syrien, Jemen, Lybien usw. aus, die für die Flucht von Millionen Menschen maßgeblich verantwortlich waren. Während also einerseits die Kosten der kapitalistischen Krise überall der lohnabhängigen Bevölkerung in Rechnung gestellt wurden, profitierten andererseits vor allem rechtspopulistische Parteien von den Folgen dieser Krise, indem diese die sogenannte Flüchtlingskrise (eine unmittelbare Folge der kapitalistischen Weltwirtschaftskrise) gezielt für ihre rassistische Propaganda benutzten und damit von den tatsächlichen Ursachen der vorherrschenden Probleme ablenkten. Dies war insbesondere möglich vor dem Hintergrund des wiederholten Verrats der bürgerlichen Arbeiter_Innenparteien (z.B. LINKE, SPD), die ja fleißig mitgeholfen haben, die Krisenkosten auf die Arbeiter_Innen abzuwälzen, statt den Kampf gegen diese Frechheit zu organisieren. Dass diesen Parteien kaum noch jemand glaubt, sie würden sich für die Interessen der Arbeiter_Innen einsetzen belegt nicht zuletzt die Katastrophe, die die Wahlen für die SPD, vor allem aber DIE LINKE bedeutet haben.

Die etablierten Parteien haben mit ihrer unsozialen, neoliberalen Politik zurecht viel an Zuspruch verloren und zugleich auf den Rechtsruck mit einer einer Anpassung der eigenen Politik und Rhetorik an die rassistische Stimmungsmache reagiert. Selbst innerhalb der Partei DIE LINKE wurden Stimmen nach einer Obergrenze für Geflüchtete laut. Der Rechtsruck vollzog sich also in allen Parteien und bestärkte die WählerInnen rechtspopulistischer Parteien, statt diese vom eigenen Programm zu überzeugen.

Was können wir dagegen tun?

Doch wie können wir den Rechtsruck aufhalten? Und vor allem: was kommt jetzt auf uns zu? Die kommenden fünf Jahre werden kein Zuckerschlecken für linke AktivistInnen. In Sachsen können die CDU und die AfD zusammen bequem Mehrheiten für reaktionäre, repressive Gesetze erreichen. Doch auch unter einer Kenia-Koalition (CDU-SPD-Grüne) würde mit hoher Sicherheit die bisherige neoliberale Sparpolitik fortgesetzt werden, auch eine Zunahme der Repression gegen Bewegungen wie Fridays For Future kann nicht ausgeschlossen werden. Selbst wenn in Brandenburg rot-rot-grün zustande kommt ist dies kein Grund zur Freude, wie vergangene und aktuelle, derartige Regierungskonstellationen eindrücklich zeigen (Arbeitsplatz-Abbau, „Sparmaßnahmen, Privatisierungen, Abschiebungen, repressive Polizeieinsätze usw.).

Um den Rechtsruck aufzuhalten braucht es eine breit aufgestellte, schlagkräftige linke Bewegung, die eine antikapitalistische und sozialistische Antwort auf die kapitalistische Krise selbstbewusst auf die Straße trägt und die in den Betrieben, Schulen und Unis verankert ist. Hierzu braucht es die Einheit aller Organisationen der ArbeiterInnenklasse in der Aktion, also die Zusammenarbeit der Gewerkschaften, linken Parteien und Gruppen, um eine soziale und antirassistische Bewegung, die imstande ist, dem Rechtsruck etwas entgegenzusetzen, aufbauen zu können. Wir müssen die fortschrittlichen Bewegungen, den Antirassismus und die Umweltfrage, miteinander in einen Zusammenhang bringen und mit einer antikapitalistischen Perspektive verbinden. Die eigentliche Schwierigkeit der kommenden Kämpfe wird darin liegen, dem Rechtsruck und Rassismus offensiv entgegenzutreten und gleichzeitig die notwendige Kritik an den künftigen bürgerlichen Regierungskoalitionen und ihrer neoliberalen Politik auf die Straße zu tragen. Denn eins ist sicher: Im Kampf gegen die Rechten, gegen den Klimawandel und für eine lebenswerte Zukunft dürfen wir uns nicht auf die bürgerlichen und reformistischen Parteien verlassen. Eine Zukunft ohne Rassismus, Klimawandel, Grenzen und Ausbeutung wird nicht durch alle 5 Jahre wählen gehen erstritten. Eine solche Zukunft können wir nur selbst erkämpfen.




加油香港! Hongkong: Proteste und Perspektive

Seit etwas mehr als 9 Wochen gehen die Menschen in Hongkong, einer Autonomie-Region und früheren britischen Kolonie, im Süden Chinas auf die Straße. Daran beteiligen sich bis zu 2 Millionen, der 7,3 Millionen Einwohner_Innen. Sie demonstrieren gegen die Einflussname der chinesischen Regierung in ihrer Stadt und für die Ausweitung ihrer demokratischen Rechte. Als Höhepunkt der Proteste wurde in der zweiten Augustwoche sogar der internationale Flughafen Hongkongs über mehrere Tage durch die Demonstrant_Innen blockiert. Der weltweit dritt größte internationale Verkehrsflughafen wurde damit zeitweise lahmgelegt und bei einer Blockade von Freitag bis Dienstag fielen knapp 1000 Flüge komplett aus.

 

Warum das Ganze?

Auslöser der Proteste war eine geplante Gesetzesänderung, die eine Auslieferung von „Verbrecher_innen“ bzw. alldenjenigen die aus der Sicht Beijingtreuen Hongkonger Regierung ein Verbrechen begangen haben, nach China ermöglichen sollte. Diese geplante Aufweichung, des Autonomiestatus und damit der Anfang dessen Endes, ist Grund für diesen massiven Aufschrei. Der chinesischen Justiz ausgeliefert zu werden, welche ganz eigene Maßstäbe setzt, wenn es um die Einschränkung, Verfolgung und Verschleppung von politischen Aktivist_Innen geht, führt vielen Hongkonger_Innen ihren privilegierten Status innerhalb der Volksrepublik vor Augen. Ein Status, der den Bewohner_Innen ein Recht auf freie Meinungsäußerung, freie Ausübung der Religion oder das Versammlungsrecht gewährt. Dinge nach denen man im sog. Festlandchina lange suchen muss. Diese Sonderrechte sind Bestandteil, des mit dem Vereinigten Königreich 1997 ausgehandelten Vertrags, die die Rückgabe Hongkongs regeln sollte. Diese waren auf 50 Jahre festgeschrieben, stehen nun aber schon deutlich früher auf dem Spiel. Eine Entwicklung von der auch die Demonstrant_Innen wissen und weswegen sich die Proteste ausgeweitet haben. Ein weiteres Aufschieben des Gesetzes, durch die Vertretung der chinesischen Regierung in Hongkong, konnte die demonstrierenden Bewohner_Innen jedoch nicht stoppen. Derzeit halten die Proteste weiter an.

 

Wie reagiert der Westen?

Seit dem Beginn der Proteste in Hongkong sind immer wieder Bilder der Demonstrationen sowie dem brutalen Eingreifen der Polizei in den westlichen Medien. Die politischen Reaktionen halten sich allerdings zurück. Man will es sich mit China eben nicht verscherzen. Trump twittert scheinheilig „er hoffe niemand würde getötet“ als China seine Truppen bei Hongkong sammelt. Der deutsche Außenminister Maaß rät Reisenden nach Hongkong ihre Flüge zu verschieben. Beides ´´unschätzbare´´ Hilfen für die Menschen Vorort, die ein Eingreifen westlicher Mächte oder Unterstützung aus Taiwan herbeisehnen. Solidaritätsbekundungen kann man lange suchen und das obwohl die Bevölkerung Hongkongs doch für die Rechte auf die Straße geht, die der Westen gerne hochhält, um sich als überlegen zu inszenieren. Zumindest so lange man diese Rechte als gute Ausrede benutzen kann irgendwo einzumarschieren oder Sanktionen zu verhängen, die letztlich nur den eigenen wirtschaftlichen oder politischen Zielen dienen. Da begnügt man sich lieber mit der Aussage der chinesischen Regierung, die die Demonstrant_Innen als Terrorgefahr für die Stadt einstufen. Damit belässt man sie als innere Angelegenheit Chinas. Im Notfall kann man sich stets auf die schlechte Informationslage berufen.

 

Lage in Hong Kong

Der entflammte Konflikt um die Autonomierechte der Stadt sind jedoch nicht der einzige Grund auf die Straße zu gehen. Durch den wirtschaftlichen Sonderstatus der Stadt und ihre gute Anbindung zu China ist der begrenzte Platz auf der Insel sehr begehrt. So hat sich der Mietpreis seit 2003 um ca. 300% gesteigert. Es ist nirgendwo auf der Welt so teuer Wohnraum zu bekommen wie in Hongkong, was die ärmere Bevölkerung auf engsten Raum, sogenannte „Nanoapartments“ zusammenpfercht. Hinzu kommt eine stetig weiterwachsende Bevölkerung sowie die offensive Umsiedlung von Festlandchineses_Innen. Deren Ziel ist es wahrscheinlich die alten Strukturen und die Nähe zum Westen, die sich auch in den Köpfen widerspiegelt, zu brechen. Letzteres zeigt sich am Character des derzeitigen Protests, der weitestgehend bürgerlich ist und auch nicht über den Erhalt bürgerlicher Freiheitsrechte hinausgeht.

Die derzeitige Hongkonger Regierung glänzte immer wieder durch Abwesenheit, um sich dann klar zu Peking, und ihren Terrorismusvorwürfen, zu positionieren. Hier zeigt sich wieder, dass auch wenn es theoretisch freie Wahlen in Hongkong gibt, bei allen höheren Positionen, Peking das letzte Wort hat. Aus Peking weitet Präsident Xi seinen Einfluss in Festlandchina über die Einführung des „Social Credits Systems“ aus. Ein Einfluss der auch in großen Teilen der Welt über Südamerika, Afrika und Zentralasien entlang der „neuen Seidenstraße“ zu spüren ist. Hier würden Zugeständnisse an ein so kleines Gebiet wie Hongkong die Verhandlungsposition in anderen Regionen schwächen, was sich Xi nicht leisten kann. Vor der Perspektive von erfolgreichen Protesten in der Einflusssphäre Chinas riskiert er die gesamte Machtposition der Zentralregierung. Doch Hong Kong ist eben nicht nur eine kleine, unbedeutende Stadt, sondern auch eines der wichtigsten Finanzzentren der Welt und Chinas größter Hafen.

In Hong Kong selbst sind die Fronten nicht so klar. Neben der Polizei und, den Demonstrant_Innen gibt es mindestens noch eine weitere Gruppe von Akteur_Innen. Die Farbe der Bewegung ist schwarz, die Farbe der Regierungsbefürworter_Innen hingegen weiß und eben jene „white shirts“ zogen wie ein Mob durch die Straßen Hongkongs auf der Jagd nach Regierungsgegner_Innen. Sie wollten mit einem Angriff auf eine U-Bahnstation die Gunst der Pekinger Regierung gewinnen und ihre kriminellen Machenschaften absichern. Am 17. August gab es dann auch eine regierungsfreundliche Demonstration, die laut der ARD-Korrespondentin etwa 10.000 Teilnehmer_Innen groß war. Allerdings steht hier die Frage im Raum inwiefern es sich hierbei um freie Demonstrant_Innen handelt, da wohl auch viele gar keine Stadtbewohner_Innen waren. Dass die Führung in Beijing versucht so die Einheit der Regierungsgegner_Innen zu brechen ist daher wahrscheinlicher.

 

Die Lage spitzt sich weiter zu – was tun?

Der Flughafen stand still, immer mehr Demonstrant_Innen werden verhaftet und das chinesische Militär bezieht nahe Hongkong Stellung – eine Eskalation wird immer wahrscheinlicher.

Beijing hat seine Truppen vor den Toren Hongkongs, in der Stadt Shenzhen, stationiert. Ein Einmarsch scheint immer wahrscheinlicher. Westliche Beobachter_Innen halten ein zweites Tiannamen (blutige Niederschlagung der Studentenproteste 1989) für nicht unwahrscheinlich. Doch auch nach Angaben von der politischen Führung in Beijing sei das Gewaltmonopol der Hongkonger Polizei noch nicht gänzlich ausgespielt und die Angst vor Toten wächst auf Seiten der Bevölkerung.

Trotz der drohenden Eskalation gehen weiter Massen von Menschen auf die Straße. Die Frage nach einer Perspektive: „Was kommt danach? Und wie machen wir weiter?“ treiben die Demonstrat_Innen weiterhin an. Die Proteste sind Ausdruck der Perspektivlosigkeit vieler Menschen in Hongkong und China. Die eher unpolitischen Proteste im Zuge des Auslieferungsabkommens beginnen sich zu wandeln. Angesichts brutaler Polizeigewalt ist die Augenklappe ein Symbol der Proteste geworden. Hintergrund dessen ist, das ein Mädchen durch ein Polizeiheschoss ein Auge verlor. Eine klare politische Perspektive wohin die Proteste gehen gibt es jedoch nicht. In erster Linie gehen die die Menschen hier eben für den Erhalt bürgerlicher Freiheitsrechte auf die Straße. Doch diese Gruppe an Menschen – zum großen Teil Studierende aber auch Teile der oberen Mittelschicht, etc. – allein wird es nicht schaffen der Pekinger Regierung etwas entgegenzusetzen. Auch auf das Eingreifen westlicher Mächte können sie lange warten. Ein Funken Hoffnung glimmt jedoch in der Verbindung der Proteste mit sozialen Kämpfen auf dem Festland. Ohne diese Verbindung zur Arbeiter_innenklasse, gibt es für die Proteste zwei realistische Alternativen 1: Massenhafte Festnahmen und Tote oder 2: Massenhaft Festnahmen und das Einknicken der Bewegung.

Die in Hongkong geforderten Rechte sind auch für die Festland Chines_Innen durchaus ansprechend. So sind Polizeiwillkür und Scheinwahlen auf dem Festland die Normalität. Auch die Diskriminierung weiter Teile der (nicht städtischen) Arbeiterklasse durch den sog. „Hukuo“ kann eine Perspektive für die Verbindung der Kämpfe geben. Der „Hukuo“ bestimmt dabei ob ein Mensch in einer Stadt oder auf dem Land leben darf und drängt so viele Chines_Innen in die Illegalitä, die für eine bessere Jobperspektive in die Städte gehen. Das bedeutet die Trennung vieler Familien über tausende Kilometer hinweg und ein prekäres Leben im Untergrund.

Die Hongkonger Forderungen greifen dies jedoch nicht auf und es gilt diese sinnvoll zu erweitern, um einen Erfolg der Proteste zu ermöglichen. Die Forderungen der Hongkonger Gewerkschaft sind im Folgenden kurz aufgeführt.

  1. Stoppt das Auslieferungsgesetz
  2. Freilassung der gefangenen Demonstrat_Innen
  3. Aufhebung des Aufstandsstatus der Proteste am 12th Juni
  4. Unabhängige Untersuchung des Machtmissbrauches und der Gewalt durch die Polizei
  5. Freie Wahl der politischen Vertreterinnen

Auch diese Forderungen verdeutlichen noch einmal den bürgerlichen Charakter dieser Proteste, da diese nur auf die geplante Gesetzesänderung abzielen. Die Gewerkschaftsführung unterstreicht durch Ausbleiben von Wohnraumforderungen und der Weigerung zu mehr als den zentralen Aktionen zu mobilisieren das sie mit der Realität der Bevölkerung vor Ort wenig am Hut hat.

Ein Aufruf die Autonomierechte der Stadt nicht nur zu verteidigen, sondern auch auf weitere Regionen auszuweiten ist erforderlich, um Verbesserungen für die Bevölkerung zu erkämpfen. Die Forderungen eins bis vier aus dem Katalog in derzeitiger Form erhalten lediglich den Status quo- allerdings der des „Protestzustand“ und nicht mal den vor der Ankündigung der Gesetzesänderung- und Verteidigen die aktuellen Proteste. Sie zeigen keine Perspektive für den demokratischen Kampf der Massen und die Verteidigung gegen weitere Angriffe. Die in Punkt fünf geforderten Wahlen politischer Vertreter war schon eingeschränkt möglich, jedoch sollten diese auch ohne Vorauswahl der Kandidaten und Einflussnahme aus Beijing stattfinden.

Die Reaktion der Präsidentin Carry Lamm sich zurückzuhalten und im Sinne Pekings und nicht für Hongkong zu entscheiden zeigt, das diese sofort abgesetzt werden muss. Eine demokratische Kontrolle Hongkongs durch die Bevölkerung mit wähl- und abwählbaren Strukturen ist als erster Schritt zur Selbstorganisierung erforderlich. Darüber hinaus ist die Errichtung von Selbstverteidigungsstrukturen zum Schutz der Arbeiterklasse vor Polizei und Mörderbanden unabdinglich. Da wo es geht müssen Verteidigungsmaßnahmen ausgeschöpft werden und eine Bewaffnung gegen kommende Angriffe stattfinden.

Ein erfolgreicher wirtschaftlicher Protest kann sich nicht nur auf bürgerliche Strukturen stützen, sondern benötigt die Arbeiterklasse, um relevanten Druck ausüben zu können. Nur sie haben die Mittel dazu. Eine Besetzung des Hongkonger Hafens zum Beispiel würde über internationale Gewässer hinweg Wellen schlagen und die Machtposition der Hongkonger Massen festigen. Neben „Praktischen Aktionen“ braucht es auch die Entwicklung eines Programms, welches über alle Kanäle in Hong Kong und der restlichen Volksrepublik verbreitet wird, was die Perspektive der Selbstorganisierung als Alternative zu Partei und deren Gewerkschaften überhaupt erst möglich macht.

Wir fordern:

Solidarität mit den Protestierenden und Gefangenen! Für die Freilassung aller politischen Gefangenen in China!

Verteidigung und Ausweitung der Autonomierechte!

Ausweitung der Proteste!

Organisiert Selbstschutz, verteidigt euch und eure Stadt!

Selbstorganisierung der Bevölkerung- ersetzt Carry Lamm!

Blockiert den Hafen! Verbindet eure Proteste mit sozialen Kämpfen und den Kämpfen der chinesischen Arbeiter_Innenklasse!

 




FSJ und Bufdi: Freiwilliges Soziales Lohndumping?!

Felix Ruga

Endlich durch die Schule gekämpft und den erhofften Abschluss in der Tasche! Jetzt stellt sich die Frage: Direkt Studium oder Ausbildung oder vielleicht erstmal ein Jahr was anderes als Lernen? Für Viele ist genau hier das Angebot der Freiwilligendienste attraktiv – am prominentesten dabei das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) oder der Bundesfreiwilligendienst (BFD). Man kann etwas Erfahrung im Berufsleben aber auch im Umgang mit anderen Menschen sammeln, zeigt Engagement für Bedürftige, möchte die eigenen Stärken und Schwächen weiter kennenlernen und vor allem muss man sich nicht jetzt schon entscheiden, mit welchem Beruf man für den Rest des Lebens seine Brötchen verdienen muss. Andere werden jedoch auch vom Jobcenter gar nicht so „freiwillig“ zum Dienst gezwungen, um die Arbeitslosenstatistik zu senken. So gibt es jährlich über 100.000 Jugendliche, die einen Freiwilligendienst leisten.

Offiziell sind FSJ und BFD weder Arbeits- noch Ausbildungsverhältnisse, sondern laut Gesetz ein „Bildungsjahr“. Dies zeigt sich unter anderem in den Seminaren (25 Seminartage sind gesetzlich vorgeschrieben), in denen z.B. der Arbeitsalltag reflektiert wird oder politische Bildung stattfindet. Abgesehen von den Seminaren ist man jedoch die ganze Zeit in den Betrieben und Institutionen und leistet dort meistens unersetzliche Arbeit, ohne die der Laden den Bach runtergehen würde. Viele berichten, dass sie Aufgaben erledigen müssen, für die sie eine Ausbildung oder mehr Erfahrung bräuchten, die rein gar nichts mit sozialem Engagement zu tun haben oder sie unter krassen emotionalen Stress setzen. Man wird meistens einfach wie eine billige Arbeitskraft benutzt. Und fast alle Betriebe sind sich einig, dass es ohne all die Freiwilligen niemals gehen würde. Jedoch spiegelt sich dieser Umstand nicht im Lohn wider: Es gibt ein „Taschengeld“ von ca. 300€ und mit etwas Glück noch Geld für Verpflegung. Gleichzeitig ist es jedoch Pflicht, dass die volle Wochenarbeitszeit geleistet wird, wodurch der Stundenlohn bei gerade einmal 2,50€ liegt! Fahrtkosten werden dabei nicht bezahlt, sodass man locker ein Viertel direkt wieder los ist. Kaum ausgeglichen wird das durch kleine Zugeständnisse, wie dass es das Fachabi erleichtert, als Wartesemester beim späteren Studium anerkannt wird oder dort ein Pflichtpraktikum ersetzt.

Wir Jugendliche sollen hier als Notpflaster für den Pflege- und Bildungsnotstand herhalten, indem wir mit einigen staatlichen Zugeständnissen und dem guten Gefühl des sozialen Engagements dazu verleitet werden, für viel zu wenig Geld arbeiten zu gehen. Die Bundesregierung, die die Pflege, Gesundheit und Bildung zunehmend der Konkurrenz des freien Marktes überlässt, hat mit Sparmaßnahmen, Privatisierung und systematischer Unterbezahlung (insbesondere von weiblichen* Angestellten) ein riesiges Loch im sozialen, pädagogischen und medizinischen Bereich aufgerissen. Die Folgen sind sinkende Qualität, Überlastung, Burn-Outs und Personalmangel. Nachdem nun der Zivildienst abgeschafft wurde hat sich der Staat mit den Freiwilligendienstprogrammen eine noch kostengünstigere und langfristigere Möglichkeit einfallen lassen, Jugendliche in dieses Loch zu stopfen. Möglich ist das meist nur dadurch, dass die meisten Jugendlichen noch bei den Eltern wohnen und noch nicht wissen, wie viel sie eigentlich für ihre Arbeitskraft verlangen könnten (Dies bezeichnet man als „Überausbeutung“: Voll zu arbeiten, aber trotzdem davon nicht alleine leben zu können). Dabei sind wir nicht nur billige Arbeitskräfte, sondern drücken auch noch zusätzlich die Löhne der anderen Beschäftigten oder ersetzen sogar die Arbeitsplätze von ausgebildeten Fachkräften. Selbst bei den Ausbildungskosten wird hier gespart, da FSJler_Innen ja häufig dieselben Tätigkeiten wie die Festangestellten ausführen, ohne dass Geld für ihre Ausbildung ausgegeben werden musste.

Die Initiative und das Engagement von Jugendlichen etwas Soziales für die Gesellschaft beisteuern zu wollen sind natürlich trotzdem total cool und richtig. Der Spaß muss nur gerecht bezahlt werden und die anderen Beschäftigten dürfen nicht darunter leiden. REVOLUTION fordert deshalb:

– Senkung der Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden! Festlegung der Anzahl und des Inhalts der Seminartage durch FSJler_Innen und BFDler_Innen!

– Tarifliche Bezahlung auch für FSJ und BFD sowie Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro netto! Mietzuschüsse für die, die es brauchen! Terifliche Bezahlung für alle im sozialen Bereich!

– FSJler_Innen sind nicht dafür da, die Lücke im sozialen Sektor zu stopfen! Für ein gesellschaftliches Programm nützlicher Arbeit, welches massiv die Ausbildungs- und Personalzahlen im Sozial- und Pflegebereich erhöht – festgelegt und kontrolliert durch Gewerkschaften und Beschäftigte, finanziert durch erhöhte Besteuerung von Reichen!




Landtagswahlen im September: Mach dich fit für Diskussionen mit „besorgten Bürgern“

4 Thesen der AfD und warum sie falsch sind!

Leonie Schmidt und Ljudmila Barrett

Vielen von uns Jugendlichen dürfte wohl klar sein, dass die AfD ziemlich scheiße ist. Und gerade mit den bald stattfindenden Landtagswahlen in Sachsen rücken sie und ihre Aussagen wieder ins Rampenlicht. Was aber macht man, wenn sie und ihre Anhäger_Innen oder Leute, die politisch noch nicht so richtig gefestigt sind, anfangen, ihre Meinungen zum Thema Geflüchtete, Familienpolitik, Sozialabbau und Umweltzerstörung kundzutun? Einfach ignorieren, weil sind ja eh Nazis? Oder diskutieren?

Sicherlich muss man immer unterscheiden, mit wem man es zu tun hat. Mit knallharten Neonazis oder AfD-Lokalpolitiker_Innen wird sich die Diskussion wohl kaum lohnen und es wäre eher angebracht diese Leute zu bekämpfen. Aber was ist mit dem Kumpel, der dieses Jahr das erste Mal wählt und sich nicht so richtig entscheiden kann, aber mit der AfD sympathisiert? Hier kann sich diskutieren lohnen. Auch gegen die AfD-treuen Geschichtslehrerin kann man argumentieren und so die ganze Klasse auf seine Seite ziehen.

Aus diesem Grund haben wir hier für euch einige Positionen der AfD auseinandergenommen.

1. Die AfD interessiert sich 0 für ernsthaften Umweltschutz. Die AfD will aus allen staatlichen Programmen und Vereinbarungen aussteigen, die zur Reduzierung der Umweltzerstörung führen. Begründet wird das so: hohe CO²-Werte in der Luft seien gar nicht so schlimm für die Umwelt, sondern seien die Quelle für Nährstoffe für Pflanzen und Bäume – ergo je mehr CO², umso mehr Pflanzen.

Auch behaupten sie, dass der Temperaturanstieg der letzten Jahrzehnte völlig natürlich und keinesfalls menschengemacht sei und dass, wer wirklich etwas für die Umwelt tun will, es doch bitte im heimatlichen Schrebergarten tun sollte.

Die AfD will sich durch ihre Argumentation aus der Verantwortung ziehen. Wenn es keine menschengemachte Klimaveränderung gibt, brauchen wir Menschen auch nichts dagegen zu tun.

Wissenschaftlich betrachtet ist ihre Aussage Bullshit. Es stimmt zwar, dass CO² ein relevanter Nährstoff fürs Pflanzenwachstum ist. Jedoch verstärkt die aktuell stetig steigende durch Menschen verursachte Konzentration von CO² in der Atmosphäre den Treibhauseffekt erheblich und kann gerade einmal zur Hälfte von Pflanzen und Ozean absorbiert werden.

Auch die Aussage, dass Warm- und Kaltzeiten völlig normal seien, ist nicht 100 prozentig falsch, jedoch verläuft der gegenwärtige globale Temperaturanstieg erwiesenermaßen schneller als die Erwärmungsphasen während der letzten zwei Jahrtausende. Außerdem deuten viele Merkmale der aktuellen Erwärmung (etwa das räumliche Trendmuster) auf den Menschen als Ursache.

Umweltschutz im heimatlichen Garten – für die Bienen und so – klingt doch erstmal gut? Naja, so einfach ist das nicht. Der Kapitalismus ist ein weltweites System und somit ist es unmöglich in seinem sächsischen Schrebergarten die Umwelt vor den bevorstehenden massiven Zerstörungen zu retten. Der Rückzug in die Dorfidylle ändert nichts an den Umweltzerstörung in nicht-imperialistischen Ländern (Halbkolonien). Diese sind hauptsächlich die Leidtragenden der Klimakatastrophe, die im Wesentlichen von imperialistischen Ländern wie Deutschland verursacht wird. Dieser Prozess sorgt auch für neue Fluchtursachen: Naturkatastrophen und verschwendete Ressourcen werden im Jahre 2050 vermutlich für 200 Millionen Geflüchtete sorgen.

2. Die AfD ist homophob und sexistisch. Die AfD ist dagegen, dass homosexuelle Paare dieselben Rechte haben wie heterosexuelle Paare. Das betrifft Erleichterungen bei der Steuerzahlung und das Adoptionsrecht. Auch spricht sich die AfD gegen das sogenannte Gender-Mainstreaming aus. Hinter dem Begriff steht, dass gesellschaftspolitische Entscheidungen die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern gleichermaßen berücksichtigen, um auf diese Weise die Gleichstellung der Geschlechter durchzusetzen.

Die AfD hat Angst, dass die klassische Familienstruktur „ausstirbt“. Diese bürgerliche Familie, bestehend aus Mann, Frau und Kind(ern) ist weiterhin die idealtypische Vorstellung in unserer Gesellschaft. Laut rechtsradikalen und konservativen Kräften werde diese immer wieder durch Feminismus, Abtreibungen und nicht-heterosexuellen Menschen und ihren Beziehungsmodellen angegriffen.

Die AfDler_Innen leben aber nicht nur ein bisschen in der Vergangenheit. Die bürgerliche Familie hat nämlich auch einen realen Nutzen im Kapitalismus: die unbezahlte Hausarbeit. Damit Menschen arbeiten gehen und ihre volle Arbeitskraft ausschöpfen können (und somit volle Gewinne für die Bosse einfahren können), müssen sie natürlich einigermaßen gut genährt, gesund und ausgeruht sein. Damit dies gewährleistet werden kann, braucht es Hausarbeit. Obwohl es also für die Kapitalist_innen zwingend notwendig ist, dass die Arbeiter_innen wieder am nächsten Tag auf der Matte stehen können, bezahlen sie nicht dafür. Traditionell bekommt dann die Frau in der bürgerlichen Familie die Aufgabe, für Kindererziehung, Küche, Haushalt und emotionale Arbeit zu sorgen, heutzutage meist auch neben der eigentlichen Lohnarbeit. Kinder erziehen. Das bringt den Kapitalist_Innen also noch mehr Profit ein, da sie sich nicht um die Regenerierung und Reproduktion ihrer Arbeiter_Innen finanziell kümmern müssen. Mit der Emanzipation der Frau und LGTBIA*-Menschen wird dieses traditionelle Familienbild aber aufgebrochen, klar also, dass die AfD, die die Interessen der Kapitalist_Innen vertritt, etwas dagegen hat! Logischerweise ist unbezahlte Arbeit aber super scheiße und LGTBIA*-Menschen und Frauen unterdrücken natürlich auch. Deswegen sind wir für die Vergesellschaftung der Hausarbeit – raus aus der einzelnen Familie, rein in die solidarische Gesellschaft!

3. Die AfD ist neoliberal. Die AfD versucht sich immer wieder als neue Partei des kleinen Mannes darzustellen. Ob durch Gauland, der die AfD konkret als „Partei der kleinen Leute“ bezeichnete oder auf Wahlplakaten mit Aufschriften wie „Vertritt die Interessen der kleinen Leute, statt sie zu verraten“ oder „Grenzen sichern. Sozialstaat schützen.“ Leider war sie damit oft erfolgreich.

Gegen das „Establishment“, gegen die „Lügenpresse“, gegen die „herrschende Elite“: bei vielen Lohnabhängigen, die sich von ihren traditionellen Interessenvertreter_Innen im Stich gelassen fühlen, fallen diese Slogans auf fruchtbaren Boden. Mit dem Wahlkampfmotto „Wende 2.0“ stellt sie sich nun vor den Landtagswahlen als die einzige Partei dar, die die Sorgen und Nöte der Menschen im Osten Deutschlands aufgreife. Dabei entspringt die Partei genau der Elite, gegen die sie anzukämpfen scheint. In der Gründungssituation verstand sich die AfD nicht als „Anti- Establishmentpartei“, sondern als nationalkonservativ und neoliberal orientierte Partei, gegründet von Professor_Innen und Wirtschaftsführer_Innen. Mitgründer Bernd Lucke trat schon etwa 2005 mit dem „Hamburger Appell“ in Erscheinung, unterstützt von hunderten Wirtschaftswissenschaftler_Innen, die die Agenda 2010 verschärfen wollten, also für massive Kürzungen für Arbeitslose und Streichung von Urlaubsansprüchen für Geringverdiener_Innen eintraten.

Ganz im Gegensatz hat die AfD nämlich in der Gesamtheit ihrer formulierten Ziele etwa jeder sozialen Gruppe außer den deutschen Unternehmer_innen übel mitgespielt Die AfD möchte den staatlichen Einfluss auf die Wirtschaft insgesamt erheblich schwächen und den Unternehmen mehr Spielraum geben. Sie tritt für eine Rückbesinnung auf seine 4 Grundpfeiler, die „innere und äußere Sicherheit, Justiz, auswärtige Beziehungen und Finanzverwaltung“, ein. Je mehr Wettbewerb, desto besser. Also: Deregulierungen des Marktes, Steuerungerechtigkeit, finanzielle Abstrafung von Alleinerziehenden, weitere Ausweitung von Leih- und Zeitarbeit und Erleichterung von Entlassungen.

Ginge es nach der AfD, würde die Bundesagentur für Arbeit aufgelöst und ihre übrigen Aufgaben von kommunalen Ämtern, Krankenkassen und privatwirtschaftlichen Versicherungen getragen werden. Der Bezug von Arbeitslosengeld I soll für Menschen, die nicht jahrzehntelang gearbeitet haben, eingeschränkt, vor allem aber das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) durch eine „aktivierende Grundsicherung“ ersetzt werden. Das heißt: Sanktionen bis zum Entzug des Geldes, kombiniert mit „Beschäftigungsanreizen“. Dazu gehört die Nichtverrechnung von Teilen des Einkommens von Hartz IV-Bezieher_Innen, die einen Teilzeitjob haben oder einer prekären Beschäftigung nachgehen.

Arbeitslose sollen kein Geld vom Staat erhalten, sondern für zwangsweise verrichtete gemeinnützige Arbeit 1000 Euro im Monat erhalten. Durch privatisierte Arbeitslosen- und Unfallversicherung bliebe es Arbeitnehmer_Innen selbst überlassen, sich gegen Arbeitslosigkeit oder Unfälle zu versichern. Je höher das Risiko, desto höhere Beiträge würden die Versicherungen erheben, wodurch gerade diejenigen, die besonders vom Risiko betroffen sind, Probleme mit der Finanzierung der Versicherung bekämen.

Das Rentenalter soll parallel zum Anstieg der Lebenserwartung erhöht werden. Pflege von Alten und Kranken soll im Rahmen der familiären Umgebung erfolgen. Die AfD greift damit alle Lohnabhängigen massiv an und unterstützt die weitere Verarmung der Bevölkerung.

Für die Reichen hingegen hat die AfD mehrere Geschenke im Programm: die Vermögens- und Erbschaftssteuer soll komplett abgeschafft sowie die Gewerbesteuer massiv gekürzt werden. Das Steuersystem will sie dahingehend ändern, dass der Spitzensteuersatz bei 25 prozentiger Besteuerung stehen bleibt, während er jetzt bei 45% liegt. Durch die umfassende Steuersenkung verlöre der Staat eine seiner wichtigsten Einnahmequellen, weshalb das Ziel der AfD, die Staatsschulden zu liquidieren, also zwangsläufig über Kürzungen von Sozialleistungen und Infrastrukturausgaben erreicht werden müsste. Die AfD weiß jedoch, dass sie als politische Akteure erst zu umfassendem Einfluss gelangen können, wenn ihnen die Verklärung ihres Eigeninteresses als Interesse der Allgemeinheit gelingt. Sie wissen diesen Effekt geschickt durch die Darstellung aller feindlichen politischen Akteure als dem allgemeinen Interesse bewusst zuwiderhandelnd zu verstärken. Die Partei will den Eindruck erwecken, gegen die gesellschaftliche Spaltung anzugehen, wobei sie tatsächlich die Spaltung zwischen Arm und Reich weiter verstärken möchte.

Wie schafft die AfD es, diese Widersprüche zu kaschieren?

4. Die AfD ist rassistisch. Die ekelhafte Hetze der AfD gegen Geflüchtete ist nichts Neues. Seit der sogenannten „Flüchtlingskrise“ 2015 hat die Partei diese zu ihrem Hauptthema gemacht. Einzelne Aussagen von Politiker_Innen der AfD sorgten immer wieder für Aufsehen, wie etwa von Poggenburg, der die hier lebenden Deutsch-Türk_Innen als „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“ bezeichnete oder Beatrix von Storch, die sich für den Schießbefehl an der Grenze aussprach, um sie am Grenzübertritt zu hindern. Frau von Storch zog sich mit der Aussage, sie sei auf der Maus ausgerutscht, aus der Verantwortung, und auch andere solche demaskierenden Ereignisse wurden versucht als Einzelaussagen, teils als Ausrutscher, zu vertuschen. Doch uns ist klar, dass sich nicht zufällig Politiker mit solchen Einstellungen in der AfD tummeln – kein Teil der AfD kommt ohne Rassismus aus, jeder Flügel der Partei ist davon durchzogen.

Die AfD lenkt die berechtigte Unzufriedenheit von sozial Schwachen und Abstiegsgefährdeten gegenüber dem Staat auf Menschen mit Migrationshintergrund. Die Darstellung von Zuwanderung und Flucht als gesteuerte und von etablierten Parteien und Medien geförderte Bedrohung für das „deutsche Volk“ und dessen Kultur verstärkt und festigt den Ausländerhass von AfD-Anhänger_Innen, der seinen Ausdruck in Hetzjagden und Anschlägen auf Geflüchtetenunterkünfte fand. Die angebliche Ausbreitung des Islams und die „Präsenz einer ständig wachsenden Zahl von Muslimen“ stellt laut dem Grundsatzprogramm der AfD „eine große Gefahr für unseren Staat, unsere Gesellschaft und unsere Werteordnung“ dar. Diese konstruierte Bedrohung dient als Legitimation für diverse rassistische Maßnahmen: die AfD will beispielsweise islamischen Verbänden ihren Körperschaftsstatus absprechen, Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst durchsetzen und den Bau und Betrieb von Moscheen beschränken.

Die wirtschaftlichen Interessen bieten dem Rassismus einen hervorragenden Anknüpfungspunkt. In der Asylpolitik bezieht sich die Partei positiv auf die australischen und kanadischen Einwanderungsgesetze, in denen die wirtschaftliche Verwertbarkeit ausdrücklich im Zentrum der Einwanderungspolitik steht. Sie soll sich ausschließlich an der Integrationsfähigkeit und den Bedürfnissen der eigenen Wirtschaft orientieren. Die Aufweichung des Abstammungsprinzips beim Einbürgerungsrecht wird kritisiert, die Zulassung einer doppelten Staatsbürgerschaft bis auf wenigste Ausnahmen abgelehnt. Im Programm wird von einer tödlichen Bedrohung des Fortbestands von Nation und kultureller Einheit durch die „Ideologie des Multikulturalismus“ gesprochen. Höcke spricht sich für eine Obergrenze unter 200.000 und eine massive Ausweitung der Abschiebungen aus.

Mit dem Rassismus nutzt die Partei ein umfassendes Mittel zum Ansprechen von Wählern_Innen aus verschiedensten Interessensgruppen. Die beängstigten Kapitalist_Innen und Kleinbürger_Innen beruhigt sie mit dem Gedanken an Schutz vor weiterer Konkurrenz durch die Abschottung der deutschen Wirtschaft durch den Ausstieg aus dem Euro. Den Lohnabhängigen wird gemäßigter Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt durch weniger Geflüchtete und Migrant_Innen versprochen. Auch den Erwerbslosen oder prekär Beschäftigten erscheint es als Verbesserung der Konkurrenzsituation, wenn der Sozialstaat sich weniger um die Geflüchteten, mehr um sie kümmern kann.

Die AfD organisiert die soziale Unzufriedenheit ihrer Wähler_Innenschaft mit der Verbreitung nationalistischer, völkischer und rassistischer Hetze. Von solchen Kräften, die die Solidarität der Arbeiter_Innenklasse zu untergraben suchen und breite Teile ihrer Wähler_Innenschaft taktisch gezielt täuschen, um an Macht zu kommen, geht die eigentliche Bedrohung aus.




Antifa heißt CDU wählen? What the fuck?!

Peter Böttcher

Es gibt Tage, an denen Linke „verkehrte Welt“ zu spielen scheinen. Zum Beispiel, wenn sie staatliche Repression gegen andere Linke befürworten und bei Hausdurchsuchungen bei vermeintlichen Mitgliedern unliebsamer Gruppen ganz unverhohlen ihre Schadenfreude äußern. Oder aber eben, wenn sie sogar zur Wahl von CDU-Kandidaten aufrufen. So heißt es in einem Tweet der Linksjugend Görlitz (Ostsachsen) vom 15.06.2019: ,,Antifa heißt CDU wählen, jedenfalls in #Görlitz“. Hintergrund dessen war die am 16.06. stattgefundene Stichwahl zum Oberbürgermeister (OB) in Görlitz. Görlitz liegt an der polnischen Grenze und ist eine von vielen sächsischen Städten, in denen die AfD zur Kommunalwahl die meisten Stimmen erhielt. Der OB-Kandidat der AfD für Görlitz, Sebastian Wippel, erzielte im ersten Durchgang 36,4%. Der CDU-Kandidat Octavian Ursu kam im ersten Wahldurchgang Ende Mai auf gerade mal 30,3% der Stimmen. Der Grund für den Tweet der Linksjugend Görlitz war also die Angst davor, dass die Stadt beinahe bundesweit die erste geworden wäre, in der die AfD den Oberbürgermeister stellt. Franziska Schubert (Grüne) und Jana Lübeck (DIE LINKE) haben auf eine eigenständige Kandidatur in der zweiten Runde verzichtet und stattdessen zur Wahl von Octavian Ursu von der CDU aufgerufen. Somit standen sich zur finalen Stichwahl nur ein Kandidat der CDU und der AfD gegenüber. Neben den Parteien DIE LINKE und den Grünen riefen auch die SPD und Görlitzer Wählerbündnisse zur Wahl des CDU-Kandidaten Octavian Ursu auf. Die finale Stichwahl war sehr knapp und bis zuletzt ein Kopf-an-Kopf Rennen. Jedoch konnte sich Octavian Ursu mit 55,2% der Stimmen knapp gegen den AfD-Kandidaten Sebastian Wippel durchsetzen 44,8%. Das heißt, ein (Wahl-)Bündnis über alle Parteien hinweg hat letztlich den Sieg eines rechtspopulistischen OB-Kandidaten verhindert.

Als Linke CDU wählen – wirklich alternativlos?

LINKE- Politiker Mirko Schulze schrieb: ,,Ich habe es getan, zum ersten Mal in meinem Leben CDU gewählt, kein gutes Gefühl, aber heute wirklich alternativlos“. Doch ist der Aufruf zur Wahl eines CDU-Politikers durch eine linke Partei und ihren Jugendverband tatsächlich alternativlos? Wir sollten nicht vergessen, dass es die CDU war, die durch ihre neoliberale Politik, durch Sozialkürzungen, sogenannte „Sparmaßnahmen“, die Ausweitung von prekären Beschäftigungsverhältnissen wie Leih- und Teilzeitarbeit und eine Anpassung an die Programmatik der Rechtspopulist_Innen erst der AfD in die Hände gespielt hat. Auch ist es die CDU, die mit ihrer Politik maßgeblich für den Ausverkauf der ehemaligen DDR, für die massive Vernichtung von Arbeitsplätzen und auch für die krassen Lohnunterschiede zwischen Ost und West verantwortlich ist. Die CDU ist also selbst Teil des Problems und eben keine Alternative. Ihre neoliberale Politik ist der Heizkessel des Siegeszuges der AfD, ihre rassistische Rhetorik kaum von jener der Rechtspopulist_Innen zu unterscheiden und ihre Umsetzung von Forderungen der AfD und Verabschiedung rassistischer Gesetze bestätigt lediglich weiter die rechten Wähler_Innen. Eine Partei, die für die Abschiebung tausender Geflüchteter, für Repression gegen Linke, für eine unsoziale Politik und die Abwälzung der Krisenlasten auf die Lohnabhängigen, für die Verschärfung der Asylgesetze und Verabschiedung von autoritären Polizeigesetzen verantwortlich ist, sollte eigentlich von Linken nicht durch eine Wahlempfehlung gewürdigt werden. Eine solche Partei muss bekämpft statt gewählt werden.

Warum gibt es kein kleineres Übel?

Die Argumentation der Görlitzer Genoss_Innen ist: Die CDU sei übel, aber immerhin ein kleineres Übel als die AfD. Es stimmt zwar, dass die AfD in vielen Punkten die CDU an Ekelhaftigkeit noch überbietet, allerdings ist es dennoch ein Trugschluss, daraufhin für die Wahl der CDU aufzurufen. Um das zu verstehen ist es notwendig in Kategorien von Klassen zu denken. (FUSSNOTE: Andersherum ist es ebenso notwendig sich von diesen Kategorien zu verabschieden, um die CDU zu wählen). Die Arbeiter_Innenklasse ist das revolutionäre Subjekt im Kapitalismus, unsere Aufgabe muss es sein, sie zu organisieren, um den Sturz des kapitalistischen Systems zu erreichen. Aus verschiedenen Gründen ist das Bewusstsein der Arbeiter_Innen allerdings aktuell weit davon entfernt, stattdessen unterstützen auch viele Arbeiter_Innen die AfD. Einer der wichtigsten Gründe dafür ist aber, dass die „linken“ Arbeiter_Innenorganisationen wie SPD und LINKE es eben nicht geschafft haben, die richtigen Handlungsvorschläge an die Arbeiter_innen zu formulieren, sondern stattdessen einen Verrat an den Interessen der Arbeiter_Innenklasse nach dem anderen begangen haben. Jetzt jeglichen Inhalt völlig fallen zu lassen und sich der CDU, also einer Partei, die ganz klar den Klassenstandpunkt der Bourgeoisie vertritt, unterzuordnen, ist also das genaue Gegenteil von dem, was notwendig wäre, um das Vertrauen der Klasse zurückzugewinnen. Die CDU sagt Danke und holt morgen zur nächsten Repression gegen Linke und zu sozialen Angriffen auf Arbeiter_Innen aus.

Alternative

Stattdessen hätte die LINKE die eigene Kandidatur aufrecht erhalten müssen, auch wenn sie die Wahl verloren hätte. Sie hätte zur Wahl der LINKEN gegen die AfD aufrufen und unter einem klaren Programm, dass die drängendsten Probleme aufgreift, mobilisieren müssen. Ein solches Programm fordern wir von ihr auch zur kommenden Landtagswahl, wobei wir zur kritischen Wahlunterstützung der LINKEN aufrufen. Doch durchs Kreuzchensetzen allein wird sich der Rechtsruck nicht aufhalten lassen.

Nur durch den gemeinsamen Widerstand von Arbeiter_Innenorganisationen, LINKE, SPD, linken Gruppen und den Gewerkschaften gegen den Rechtsruck, Rassismus & die AfD, aber auch gegen die unsoziale, neoliberale und oftmals nicht minder rassistische Politik der Regierung ist das möglich.

Es braucht dafür Aktionskomitees in Betrieben, Schulen und Unis sowie eine Aktionskonferenz, auf welcher der antirassistische Kampf verstetigt und koordiniert werden kann. Wir von REVOLUTION haben einen Anfang gemacht und am 28.06. in Dresden einen Schulstreik unter dem Slogan „‚Fridays Against Racism – Schulstreik gegen Rassismus, Sexismus, Neoliberalismus & Umweltzerstörung“ organisiert und gezeigt, was Antifaschismus heißt: nämlich konsequenter Kampf auf der Straße gegen den Rechtsruck und den Kapitalismus! Dafür kämpfen wir auch auf der #unteilbar Demo in Dresden am 24. August in Dresden – schließ dich uns an!




Fridays for Future: Wie können wir gewinnen?

Lars Keller

29.07.2019

Nach rund einem halben Jahr Fridays for Future in Deutschland sind wir nicht mehr wegzudenken! Trotz allem Gelaber von wegen wir sollen das mit der Energiewende „den Profis“ überlassen, trotz diverser Drohungen von Schulleitungen und Kultusministerien, trotz aller Angriffe die wir uns anhören müssen, bloß weil man ein „total stromfressendes Smartphone“ nutzt.

In Aachen waren wir am 21.06 beim ersten gemeinsamen europäischen Klimastreik mit rund 40.000 auf der Straße – der bisher größte Erfolg. Einen Tag später trugen wir unseren Protest direkt vor die Haustür des Rheinischen Braunkohlereviers – der größten CO² Schleuder Europas. Zusammen mit einem Teil von Ende Gelände liefen wir am Tagebau Garzweiler II entlang ins von den Baggern bedrohte Keyenberg. Es gab sogar schon Streiks die über den wöchentlichen Freitagstermin hinausgingen und einige Tage andauerten!

Aus der Bundespolitik erreicht uns angesichts der Mobilisierungserfolge von Fridays for Future nicht nur Kritik – von LINKE über Grüne und sogar bis hin zur CSU erreichen uns Komplimente von Berufspolitiker_Innen für unser „tolles Engangement“ und „Interesse an Politik“. Aber dieses ganze Geschwätz bringt uns nichts für unsere Zukunft. Das erkennen viele von uns. Immerhin ist die Untätigkeit dieser parlamentarischen Schwätzer_Innen etwas ernsthaftes gegen die Zerstörung unseres Planten und Klimas zu tun überhaupt erst der Grund, warum wir zu Tausenden auf die Straße gehen!

Diese Untätigkeit trifft auf alle Parteien im Bundestag zu. Die AfD macht es sich am einfachsten und leugnet den menschlichen Einfluss auf das Klima. Aber auch die anderen Parteien kommen nicht gut weg: Die Linke und SPD haben in Brandenburg dem Ausbau des Tagebaus Welzow zugestimmt, die Grünen die Abholzung des Hambacher Forstes abgesegnet und das unsinnige Stuttgart 21 unterstützt, die FDP und CDU erst den Ausstieg aus der Atomkraft zurückgenommen um dann nach dem Unfall von Fukushima das Ganze doch wieder umzudrehen. Außerdem beteiligten sich Grüne, SPD, CDU und FDP an dem faulen Kohlekompromiss (Ausstieg aus der Braunkohleverstromung erst 2038) – genauso wie die NGOs Greenpeace und BUND übrigens auch.

Was brauchen wir jetzt?

Viele in Fridays for Future stellen sich die Frage, wie die Bewegung weiterkommen und siegen kann – so auch wir. Doch was wollen wir überhaupt erreichen? Bundesweit tritt Fridays for Future für die Einhaltung des 1,5 Grad Zieles, Ausstieg aus der Kohle bis 2030 sowie Nettonull bis 2035 ein. Einige lokale Gruppen, wie z.B. Frankfurt am Main gehen bereits darüber hinaus und fordern die Gemeinden und Kommunen zum konkreteren Handeln auf. Es zeigt sich: Viele von uns geben sich nicht mit den wenigen bundesweiten Punkten von Fridays for Future zufrieden und treiben den Kampf auf lokaler Ebene weiter.

Weit verbreitet ist dabei das Mittel des „Klimanotstandes“. Derzeit läuft eine Petition diesen bundesweit durchzusetzten. Ziel ist, Kommunen dazu zu verpflichten, aktiv gegen den Klimawandel vorzugehen. Wir finden, dass das ein nettes Symbol ist, das aber noch viel weiter getrieben werden muss! Wenn Konzerne trotz aller Mahnungen nicht bereit sind, aus der Braunkohleverstromung auszusteigen, Banken weiter in Klimakiller investieren oder Industrien weiter Verbrennungsmotoren bauen, dann müssen wir die Chefetagen leider austauschen – und zwar durch wähl- und abwählbare Komitees aus den Arbeiter_innen und Wissenschaftler_innen (sowas nennt man auch Enteignung und Kollektivierung).

Das wäre die logische Konsequenz eines Klimanotstandes. Wenn für die Reichen der Profit über dem Klima steht, dann müssen wir halt dafür sorgen, dass das Klima Vorrang bekommt! Nur so kann eine ökologische Umstrukturierung der Gesellschaft erfolgen: Wir nehmen den Profit und das Kapital der Konzerne und Industrien und kontrollieren demokratisch zusammen mit den Arbeiter_Innen dieser Industrien, wie damit zum Beispiel die schnellstmögliche Energie- und Verkehrswende erfolgen und finanziert werden kann.

Das sehen leider viele Aktivist_innen in unserer Bewegung nicht so. In Aachen zeichnete sich allerdings auch eine Polarisierung in der Bewegung ab. Neben dem Pol um die Partei die Grünen, BUND, Greenpeace, campact usw. gab es auch einen sichtbaren antikapitalistischen Pol. Wir als eine der antikapitalistischen Kräfte hielten einige Workshops ab und diskutierten dabei auch die Frage von Revolution und Sozialismus als Lösung der Klimakrise. Es gab dabei viele Kritiken an unserer Position, aber auch Zustimmung. Bedeutend war aber nicht bloß der Inhalt der Diskussion, sondern auch die Diskussion selbst. Wir denken, dass eine lebendige, breite Diskussion um die politische Ausrichtung der Bewegung entscheidend für das Weiterkommen von Fridays for Future ist. So kann die Bewegung in der Basis verbreitert werden, sich gegen politische Angriffe rüsten und für Diskussionen mit Arbeiter_Innen und Gewerkschaften aufstellen.

Um‘s konkret zu machen: Wir sind dafür, dass Debatten und Abstimmungen nicht bloß auf Ortsgruppen oder Plena beschränkt sind, sondern bereits auf den Kundgebungen und Demos oder unmittelbar danach in Versammlungen stattfinden. Dort sollten auch die bundesweiten Delegierten gewählt werden, die wöchentlich gegenüber der gesamten Bewegung Bericht erstatten, was läuft und umgekehrt die Bewegung die Möglichkeit hat, wöchentlich die Delegierten neu zu bestimmen. Das schließt auch mit ein, dass transparent offengelegt wird, ob die Delegierten auch in NGO‘s, Organisationen oder Parteien aktiv sind. So bekommt auch die Führung einen demokratisch legitimierten Charakter und wird rechenschaftspflichtig gegenüber einer breiten Basis.

Auch braucht es bei der gegenwärtigen Bewegungsdynamik häufigere, regelmäßige bundesweite Konferenzen, die für alle sozialen Hintergründe von Schüler_Innen bezahlbar sind. Wenn bei Fridays for Future tausende auf die Straße gehen und Massenaktionen wie in Aachen durchgeführt werden, so bringt das auch eine hohe Arbeitsbelastung für führende, anleitende Aktivist_Innen mit.

Bisweilen zogen sich manche auch aufgrund von Überlastung raus. Auch hier schafft eine verbreiterte Demokratie und Debatte Abhilfe und zieht mehr Aktivist_Innen in die Aufgaben. Wöchentliche Abstimmungen, Berichte und Aufgabenverteilungen an die gesamte Bewegung können dafür sorgen, dass viel besser auf die Dynamik der Bewegung reagiert werden kann.

Wir müssen uns auch überlegen, wie wir auf vermehrte Drohungen über Bußgelder und Strafen von Schulleitungen und Kultusministerien antworten wollen. Auch hier liegt für uns die Lösung in einer möglichst breiten Verankerung der Bewegung auch in den Schulen selbst. Streikkomitees an Schulen können vor Ort Aktionen gegen Angriffe vom Direx durchführen. Wenn die Schulleitung unbedingt Fächer unterrichten will, die es nur Freitags gibt, dann zwingen wir sie halt dazu, dass Fach wann anders zu machen.

Kurz gesagt: Wenn sich 10.000 statt 500 lokal an Fridays for Future beteiligen, gibt‘s auch mehr Leute, die was machen, diskutieren und vorantreiben wollen. Eben das muss sich in der Führung einer Bewegung widerspiegeln und kann auch nicht durch WhatsApp und Telegram ersetzt werden – für diese virtuellen Gruppen haben nicht alle dieselben Ressourcen und eine strukturierte Diskussion ist wegen mehreren Themen gleichzeitig oft unmöglich.

Globaler Klimastreik – aber wie?

Der nächste große Mobilisierungsschwerpunkt für Fridays for Future ist der Globale Klimastreik am 27. September. Das bietet aus unserer Sicht gleich drei positive Möglichkeiten für die Bewegung:

Erstens, weil der Klimawandel ein globales Phänomen ist und daher nicht in einem Land isoliert bekämpft werden kann. Das ist uns allen natürlich bekannt.

Zweitens ist der Klimawandel aber nicht bloß ein weltweites Problem, er hängt auch unmittelbar mit Rassismus zusammen. Warum ist das so? Nun, wenn zum Beispiel Menschen aus der Subsahara wegen Dürre fliehen müssen und dann auf die Festung Europa treffen, dann ist das Rassismus. Wenn umgekehrt reiche Länder – wir würden sagen imperialistische Länder – Produktionen in arme Länder (Halbkolonien) auslagern, Müll dorthin exportieren, Raubbau an den dortigen Ressourcen betreiben, dann verschärft das wiederum umgekehrt die dortigen schlechten Lebensverhältnisse.

Deshalb müssen wir den Kampf gegen die Klimakatastrophe mit einem Kampf gegen Rassismus verbinden und ganz klar sagen: Grenzen auf! Klimawandel ist eine Fluchtursache! Zwangsläufig muss auch das ein internationaler Kampf sein um z.B. bessere Lebensverhältnisse und gegen Überausbeutung in der halbkolonialen Welt. Hierbei stehen uns wieder jene Konzerne entgegen, die von der Überausbeutung profitieren – auch hier sagen wir: Enteignung der Konzerne, Kontrolle der Arbeiter_Innen über die Produktion und weltweiter, demokratische Plan zum Aufbau der armen Länder in Verbindung mit einem Notprogramm gegen die ökologische Katastrophe.

Drittens ist der Aufruf zum globalen Klimastreik ein Aufruf zu einem Generalstreik. Der umfasst nicht bloß Schüler_Innen, sondern vor allem auch die, die all den Reichtum der Gesellschaft produzieren: Die Arbeiter_Innen. Der Klimawandel betrifft uns alle und zusammen können wir einfach mehr Druck ausüben. Zum Beispiel haben doch auch viele Lehrer_innen bereits gesagt, dass sie unsere Proteste unterstützenswert finden, doch was wäre, wenn unsere Lehrer_innen, Sozialarbeiter_innen, Sonderpädagog_innen, Erzieher_innen und Bibliothekar_innen nicht mündlich solidarisch sind, sondern selber streiken? Dafür muss die Bildungsgewerkschaft GEW sie zum Streik aufrufen. Auch die Gesundheitsberufe sind betroffen, denn mit der globalen Erderwärmung wird eine riesige Welle von medizinischen Notfällen auf Sie zukommen. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di rufen wir deshalb ebenso zum Streik auf wie alle anderen Gewerkschaften.

Nun stellt sich die Frage, wie können wir Arbeiter_Innen und ihre Organisationen für den globalen Streik gewinnen? Ein erster Schritt ist ein Aufruf einiger Linken in den Gewerkschaften, den Streik zu unterstützen. Wir können versuchen, ihn möglichst weit zu streuen und an lokale Gewerkschaftsinitiativen oder Büros zu versenden. Aber das allein wird nicht reichen. In Deutschland sind politische Streiks (also Streiks, die nicht direkt was mit Löhnen oder Arbeitszeit zu tun haben) illegal und die Führungen der Gewerkschaften sind viel zu feige dagegen anzukämpfen. Sie werden im Gegenteil versuchen, die Arbeiter_Innen vom Streik abzuhalten.

Auch die Arbeiter_Innen stehen uns teilweise feindlich gegenüber. Gerade die in der Kohleindustrie oder der Automobilbranche fragen natürlich: Wie behalte ich bei der Energiewende mein Einkommen. Da bringt‘s uns nix einfach zu rufen: „Es gibt kein Recht auf Kohlebagger fahren!“. Wir müssen uns im Gegenteil darüber klar werden, dass der schnellstmögliche Ausstieg aus der Braunkohle nur durch die Arbeiter_Innen passieren kann, wir allein als Schüler_Innen besitzen dafür leider nicht die Macht. Deswegen: Warum nicht mal eine Freitagskundgebung vor einem Braunkohlemeiler, einer Autofabrik oder einem Busdepot machen und die Diskussion suchen? Dabei müssen wir klar machen, dass wir die Bosse für die Energiewende zahlen lassen wollen und dass eine von den Beschäftigten selbst bestimmte Umstrukturierung der Produktion stattfinden soll. Oder warum nicht mal zu den Gewerkschaften gehen und sie auffordern, den Klimastreik einfach zu unterstützen und auf das eingeschränkte Streikrecht zu scheißen? Es gibt hierbei keine Garantie auf Erfolg, aber wir glauben, dass für Fridays for Futures eigene Zukunft als Bewegung entscheidend sein wird, von der Schüler_Innenbewegung zu einer Bewegung der Arbeitenden und Jugendlichen global zu werden. Also müssen wir zumindest probieren, die offensten, radikalsten, jugendlichsten Teile der Arbeiter_Innen zu gewinnen. Dass das möglich ist, beweisen die bereits jetzt schon vorhandenen Azubis und Arbeiter_Innen, die sich solidarisch mit der Bewegung zeigen.

Wir haben hier nur einige unserer Gedanken zu Fridays for Future zusammengestellt. Wenn ihr Bock habt sie mit uns zu tiefergehend zu diskutieren, schreibt uns an! Wir kommen auch gern zu Eurer Fridays for Future Aktion oder Ortsgruppe!




„Wir haben Forderungen in die Schule getragen und bei der Auseinandersetzung viel gelernt“

 

Interview mit zwei Schülerinnen des Lessing Gymnasiums Berlin zu Fridays for Future und Repression an der Schule

Wie seid ihr zu Fridays For Future gekommen und was ist dann passiert ?

Wie viele Menschen, haben wir natürlich die Rede von Greta vor einem Jahr mitbekommen. Ich dachte, sie sagt die Wahrheit aber im selben Moment war ich traurig, dass es wahrscheinlich eh wieder nichts ändern wird. Eine von uns hatte gefragt, ob wir nicht mal bei den Schulstreikaktionen vorbeigucken wollen Wir hatten erst Bedenken, dass es deswegen Probleme geben könnte, aber wir haben uns mit dem Klimawandel beschäftigt und unsere Eltern haben uns mitunter dazu ermutigt, an dem Kampf für unsere Zukunft teilzunehmen. Das erste Mal auf dem Streik waren wir im Februar. Es hat uns richtig gut gefallen, dass so viele junge Menschen da waren und wir lautstark durch die Straßen zogen. Schüler_Innen, die sich darüber unterhalten, was wir für unsere Zukunft tun können. Wir waren seitdem fast jedes Mal dabei und sind auch auf die Plena gegangen, die Dienstag nach der Schule stattfinden.

Dann fing es an, dass Einzelpersonen in Gesprächen mit der Schulleitung und Lehrer_Innen auf ihre Fehlstunden hingewiesen wurden. Es wurde diskutiert, ob es als entschuldigte oder unentschuldigte Fehlstunden gelten soll. Da es unsere eigene Entscheidung war, für das Überleben der Menschheit zu streiken und wir ja nicht krank sind, galt es als unentschuldigte Fehlstunde. Wir wurden mit Schwänzer_Innen gleichgesetzt, obwohl wir nur unser Recht auf Versammlungsfreiheit nutzen! Uns wurde dann mitgeteilt, dass wir weiter zu den Streiks gehen können, wenn wir eine Abmeldung abgeben, in der unsere Eltern die Schule von ihrer rechtlichen Aufsichtspflicht entbinden. Dies haben wir auch gemacht und sind weiter streiken gegangen. Uns wurde versichert, dass wir außer den unentschuldigten Fehlzeiten keine weiteren Konsequenzen zu befürchten hätten. Leistungen wurden achgeholt und Anfragen auf Ausgleichsunterricht gestellt.

Eine Lehrerin, die im 2. Halbjahr die Klasse übernommen hatte, bemängelte uns Schüler_Innen nur einmal im Unterricht gesehen zu haben und daher nicht wusste, wie sie uns benoten kann. Auch hier machten wir Ausgleichsangebote. Unser Schulleiter hat diese jedoch abgelehnt und der Elternvertretung eine E-Mail zukommen lassen, die uns nur durch Zufall und verzögert erreicht hat. Den Eltern wurde mitgeteilt, dass wir, die Schüler_Innen, die durch Fridays for Future regelmäßig im Unterricht fehlen, nun versetzungsgefährdet sind. Wir haben uns dann bei unseren Lehrer_Innen informiert und erfahren, dass einige bereits nicht mehr die Möglichkeit hätten, genug Stunden zu erreichen. 13 Schüler_Innen wurden für versetzungsgefährdet erklärt. Der Schulleiter hat in persönlichen Gesprächen gesagt, wir sollen uns bis Ende des Schuljahres in der Schule aufhalten und uns anstrengen, da das wohlwollend angerechnet werden könne. Ausgleichsangebote von Lehrer_Innen haben wir ausgeführt. In Sport mussten einige in den Pausen bei sengender Hitze Runden laufen und konnten daher keine Essenspause machen, sind nach der Schule länger geblieben, haben Projekte fertiggestellt, die Freitags gemacht werden sollten und extra Projekte erarbeitet. Alles ohne die Sicherheit wirklich versetzt zu werden.

Was habt ihr dagegen gemacht?

Das war absolut ungerecht! Es gab von Anfang an unsichere Aussagen und keine wirklichen Kompromisse. Fridays for Future konnten wir nur noch in unserer Freizeit unterstützen. Wir haben uns sehr missverstanden und machtlos gefühlt. Das eigentliche Thema des Streiks, die Klimakrise und unsere dahinschwindende Zukunft wurden bei dem ganzen Problem einfach komplett ignoriert. Ein „als Privatperson unterstütze ich euch ja, ABER…“ hilft da absolut nicht weiter, wenn Autoritätspersonen die Teilnahme an den Aktionen verbieten. Es gibt Lehrer_Innen, die die Problematik im Unterricht aufzeigen, andere Schulen machen Exkursionen und uns wird ’ne Versetzungsgefährdung reingedrückt. Es liegt allein an der persönlichen Einstellung der Lehrer_Innen und Schulleiter_Innen, wie mit uns umgegangen wird. Wir wollten auf jeden Fall was dagegen machen, wussten aber nicht genau wie. Fridays for Future hatte uns durch Anwälte über die Gesetze aufgeklärt und wir hätten tatsächlich auch klagen können. Am 1. Mai haben wir dann REVOLUTION kennengelernt und die Problematik mit der Organisation diskutiert. Zusammen entwickelten wir Ideen, was wir dagegen machen können. REVOLUTION hat uns dabei unterstützt, einen Flyer und offenen Brief zu schreiben. In diesem haben wir unsere Situation geschildert und die Frage aufgestellt, ob das Grundgesetz über der Schulpflicht steht. Im Grundgesetz ist nicht nur die Pflicht unserer Generation festgehalten, den Nächsten eine funktionierende Welt zu hinterlassen, sondern auch die Versammlungsfreiheit jedes Menschen festgeschrieben. Kann es als Schwänzen angesehen werden, wenn wir unsere Grundrechte nutzen? Es sollte niemand bestraft werden, seine Menschenrechte zu nutzen! Wir haben uns auch an unsere Schüler_Innenvertretung gewandt und eine Presseerklärung geschrieben, um öffentlich Druck zu erzeugen. Wir haben eine Kundgebung vor unserer Schule veranstaltet und zusammen ein Transpi für den Klimastreik erstellt. An der Kundgebung beteiligten sich auch Fridays for Future und Parents for Future. REVOLUTION hat dann von unserer Schule aus mit einem kleinen Teil an Schüler_Innen eine Zubringerdemonstration zum Großstreik im Mai gemacht, an der viele von uns auf Grund der Lage an der Schule leider nicht teilnehmen konnten. Auch eine Schulhofaktion wurde von unserem Schulleiter verboten – also sogar in der Pause Beschneidung des Versammlungsrechts. In der Presse wurde dann behauptet, dass unser Schulleiter Ausgleichsangebote eigenständig gestellt und unterstützt habe und als wir dann versetzt wurden, wurde das der Güte unseres Schulleiters zugeschrieben. Wir sagen dagegen: Niemand weiß, ob ohne unsere Aktionen alle versetzt worden wären. Wir haben es geschafft, dass sich die Betroffenen nicht alleine fühlten. Wir machten uns gegenseitig Mut und hätten uns auch bei einem „Sitzenbleiben“ unterstützt. Wir haben ganz klare Forderungen in die Schule getragen und bei der Auseinandersetzung mit Autoritäten, die uns unseren Protest verbieten wollen, viel gelernt. Bei Fridays for Future haben wir parallel eine Repressions-AG gegründet, die sich gegen Angriffe seitens autoritärer Personen, die ihre Machtstellung gegen uns einsetzen (Medien, Politiker_Innen, Schule, Eltern, Polizei), wehren wird. In dieser vernetzen sich Betroffene und solidarische Menschen, sowie Anwält_Innen.

Was wollt Ihr in Zukunft machen und wie könnt ihr dabei unterstützt werden?

Wir denken, dass es im nächsten Jahr die gleichen Probleme geben wird und wir uns erneut dem Streikverbot gegenüber sehen. Daher wollen wir das Thema Klimawandel und andere wichtige politische Fragen an die Schule tragen. Dafür haben wir eine Schulgruppe gegründet (namens „Lessing wird politisch“), die das Klima an der Schule ändern will. ;D

Wir wollen die Diskussion „Schulpflicht vs Grundgesetz“ ausweiten, weil wir unsere Rechte eingeschränkt sehen und wollen eine basisdemokratische Schule schaffen (bedeutet für Autoritätspersonen, dass sie ihre Stellung in der Hierarchie verlieren). Mit Fridays for Future und der Repressions-AG wollen wir ein Konzept erarbeiten, wie wir an der Schule mit der Situation umgehen. Dazu sind auch Parents und Teachers for Future eingeladen uns zu unterstützen. Wir merkten, dass Politik an unseren Schulen keinen Raum hat. Uns wird zwar halbwegs beigebracht, wie das politische System funktioniert, aber tagespolitische Fragen und unterschiedliche Sichtweisen werden nicht diskutiert. Uns wird die Möglichkeit genommen, uns über die politische Entwicklung zu informieren und diese beeinflussen zu können, obwohl wir ja die sind, die länger mit den Folgen leben müssen. Zu einigen Themen sollen wir uns am besten nicht äußern, da das ja Konflikte hervorrufen kann. Das sehen wir anders, es ist wichtig Konflikte zu diskutieren, indem die Problematik herausgestellt wird, um Lösungen zu finden.

Wir wollen uns daher neben dem Klimawandel auch gegen Diskriminierung, Rassismus und Sexismus einsetzen.

Ihr könnt uns unterstützen, indem ihr euch informiert, euch über Privilegien und euren Einfluss im System bewusst werdet, das würde uns Arbeit abnehmen. Ansonsten sind Schüler_Innen an unserer Schule herzlich eingeladen mit uns zu diskutieren, ab Schulstart gibt‘s Treffen in der Schule. Kommt zur Repressions-AG von Fridays for Future, meldet euch bei uns unter lessingwirdpolitisch@gmx.net oder bei REVOLUTION, wenn ihr Probleme an der Schule habt, diskriminiert werdet und euch mit uns vernetzen wollt.

Wir freuen uns auf ein spektakuläres Jahr, in dem wir für unsere Rechte kämpfen!