Eine Lehre aus der Novemberrevolution: Notwendigkeit einer Arbeiter_Innenmiliz

von Jonathan Frühling

Der Ersten Weltkrieg enthüllte den Charakter der imperialistischen Epoche in voller Schärfe. Aufrüstung, ein offener Kampf um die Kolonien und die globalen Märkte sowie letztlich ein bis dahin beispielloses Zerstören und Massensterben an der Front. Während sich die herrschende Klasse an der Kriegswirtschaft bereicherte mussten Arbeiter_Innen- und Bäuer_Innenklasse hungern und an der Front ihr Leben lassen. Als Ende 1918 die Niederlage Deutschlands nahe war, rebellierte die Armee und löste so zusammen mit den fortschrittlichen Lohnabhängigen eine Revolution aus, die das alte Kaiserreich hinwegfegte. Allerdings führten die Ereignisse vom 9.11.1918 nicht zu einer sozialistischen Republik. An der Spitze der Revolution standen nämlich die SPD und die USPD, welche eine Linksabspaltung der SPD darstellte. Die führenden Mitglieder beider Arbeiter_Innenparteien hatten sich aber längst mit dem Kapitalismus arrangiert und sahen in der Revolution eine Bedrohung ihrer privilegierten Stellung als Bürokrat_Innen. Sie wollten den Kapitalismus zwar reformieren, strebten aber keine sozialistische Räterepublik nach dem Vorbild Russlands an, die sich auf die organisierte Arbeiter_Innenklasse stützt. Deshalb schützten sie das Privateigentum von Adel und Kapitalist_Innen (Banken, Fabriken, Boden, Immobilien), womit diese die Basis ihrer Macht behielten.

Die Folge davon war eine Doppelmachtsituation ab November 1918. Auf der einen Seite stand die Regierung von SPD und USPD, um die sich die Konterrevolution sammelte (hohe und reaktionäre Militärs, Kapitalist_Innen, Adel, bürgerliche Bürokrat_Innen). Auf der anderen Seite standen die im November gebildeten Arbeiter_Innen- und Soldatenräte, die die Institutionen der revolutionären Massen darstellten.

Im Verlauf der nächsten Monate verlor die Revolution jedoch immer weiter an Boden. Es gab keine revolutionäre Massenorganisation, die das Proletariat weiter in Richtung einer vollständigen Machtübernahme führen konnte. Der Spartakusbund, aus dem später die KPD hervorging, vereinte zwar aufrichtige Revolutionär_Innen, allerdings hatte er nur minimalen Einfluss in den Massen. Außerdem fehlte ihm eine Taktik, wie man die Arbeiter_Innenklasse von der verräterischen SPD/USPD-Führung wegbrechen könnte. Die Regierung unter dem SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert arbeitete mit den alten kaiserlichen Militärs dagegen zielstrebig an der Niederschlagung der Revolution. Sein Ziel war die Einführung einer bürgerlich-kapitalistischen Republik. Die Massen fühlten sich durch die Regierungspolitik mehr und mehr betrogen. Die radikalsten Elemente griffen deshalb im Januar 1919 spontan und verfrüht zu den Waffen, wobei sie vom Spartakusbund unterstützt wurden. Der Aufstand endete aber in einer totalen militärischen Niederlage. Die Nationalversammlung einige Tage später, auf der eine kapitalistische Verfassung angenommen wurde, stellte den entscheidenden Sieg der Konterrevolution in Berlin da. Zwar gab es in der Folgezeit noch viel Versuche eine Räterepublik zu erreichten, diese blieben aber vereinzelt und wurden restlos blutig niedergeschlagen.

Aus dem gegebenen geschichtlichen Abriss lässt sich erkennen, dass die Frage von Revolution oder Konterrevolution in letzter Konsequenz auch auf der militärischen Ebene ausgetragen wird. Das soll natürlich nicht heißen, dass der gewaltsame Sturz einer Regierung schon eine Revolution ist. Es sollte aber klar sein, dass die herrschende Klasse nicht kampflos untergehen wird, wenn es noch eine Person gibt, die bereit ist, für sie eine Waffe zu tragen. Deshalb muss die Frage nach dem bewaffneten Aufstand und der Verteidigung der Revolution immer eine Rolle in revolutionärer Politik spielen. In Deutschland bewaffnete sich die Arbeiter_Innenklasse zwar teilweise, war aber einer militärischen Konfrontation mit der Konterrevolution nicht gewachsen. Das hat mehrere Gründe. Eine wichtige Ursache ist dabei im Krieg selbst zu suchen. Die Arbeiter_Innen, die an die Front gezwungen wurden, sehnten sich nach Frieden und waren froh nach der Heimkehr endlich die Waffen niederzulegen. Sie hofften mit der Beendigung des Krieges endlich Frieden zu haben und wollten einen Bürgerkrieg der Klassen, wenn möglich, verhindern. Vielleicht ist das auch ein Grund, wieso man so gnädig mit den alten Militärs umging. Die Offiziere und reaktionären Soldaten wurden meistens nur vertrieben und nicht gefangengesetzt oder getötet. Das gab ihnen später die Möglichkeit die Revolution niederzuschlagen. Sie konnten sich dabei auf Soldaten stützen, die Kaiserreich und Krieg befürwortet hatten. Den Grund für die Niederlage suchten sie in der Revolution, die sie deshalb um jeden Preis bekämpfen wollten. Ein weiterer Grund ist in der Politik der Arbeiter_Innenparteien zu finden. Die SPD stand von Anfang an fest auf der Seite der Konterrevolution und verhinderte die Bewaffnung der Arbeiter_Innenklasse nach Kräften. Ihre verlogenen Parolen davon endlich Stabilität und Frieden zu einkehren zu lassen, stießen bei der kriegsmüden Bevölkerung leider auf fruchtbaren Boden. Parallel dazu baute der SPD Mann Noske die Truppen der Reaktion, die sogenannten Frei-Korps, selbst federführend mit auf. So konnten die Illusionen der Arbeiter_Innenklasse nach Frieden schnell im Blut ertränkt werden. Leider versäumte es auch der linke Flügel der USPD, der den kämpferischsten Teil der Arbeiter__Innenklasse organisierte, streikende Arbeiter_Innen zu bewaffnen. Einzig die spätere KPD stellt die Forderung nach Entwaffnung der Konterrevolutionär_Innen und Bewaffnung der Arbeiter_Innenklasse auf. Sie war aber leider viel zu schwach, um ihren Forderungen realen Gehalt zu verleihen.
Beide genannten Punkte sorgten dafür, dass sich die Revolution zwar bewaffnete, aber keine militärische Organisation aufbaute. Es gab kein militärisches Training und auch keine Organisierung der Bewaffneten unter den Streikleitungen, den Räten oder den Parteien. Auch die Bildung revolutionäre Gruppierungen im Heer wurde vom SPD-dominierten Reichsrätekongress im Dezember 1918 abgelehnt.

Die Geschichte hat 1918/19 in Deutschland gezeigt, dass eine halbe Revolution von der Konterrevolution im Blut ertränkt wird, wenn sie nicht konsequent zu Ende geführt wird. Dafür steht der Konterrevolution die Polizei, das Militär (sofern es noch der Regierung gehorcht) und reaktionäre (faschistische) Bande zur Verfügung. Wir sind also selbst dazu gezwungen zur Waffe zu greifen, um unsere Ziele gegen diese Kräfte zu verteidigen. Diese Aufgabe kann die Arbeiter_Innenklasse aber nur unter die Führung einer revolutionären Massenpartei erfüllen. Doch auch heute schon müssen wir uns gegen die steigende Anzahl von Angriffe von Nazis und Bullen verteidigen. Außerdem wird es zu spät sein, wenn wir zu lange damit warten. Wir alle wissen, dass Polizei und Militär laufend aufrüsten und in ganz Europa faschistische Milizen aufgebaut und bewaffnet werden. Wenn wir Sozialismus wollen, dann müssen wir die Revolution entschlossen bis zum Ende durchführen und gegen die Reaktion verteidigen, sonst erwartete uns das gleiche Schicksal, wie Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg: Eine blutige Konterrevolution und weitere 100 Jahre Kapitalismus.

In Russland dagegen bewaffneten sich die Arbeiter_Innen in St. Petersburg und Moskau in Zusammenarbeit mit den stationierten Garnisonen und führten nach Betriebsschluss im Hof der Fabriken Schießübungen durch. Ab Spätsommer 1918 baute man das militärische Revolutionskomitee auf, welches letztlich die bewaffneten Kräfte der Revolution vereinte und den militärischen Teil der Oktoberrevolution durchführte.




Interview mit einer Schülerin aus Leipzig

Hallo …… du bist Schülerin einer 10. Klasse und du bist politisch aktiv, wie kam es dazu?

D: „Ich bin Kind einer Arbeiterfamilie und habe die meiste Zeit meines Lebens von Hartz4 gelebt, somit war ich auch schon früh von Kinderarmut betroffen. Vor allem bekam ich mit, wie fertig meine Eltern waren und was es mit der Psyche meiner Eltern gemacht hat, wenn man wenig Geld hat. Ich sah meine Eltern vor meinen Augen verzweifeln und weinen, weil Sie einfach jeden Monat nicht wussten, wie sie uns ernähren sollten. Sie wurden von ihrem Arbeitergeber extrem unter Druck gesetzt und erpresst. Er hat sie kostenlos arbeiten lassen. Außerdem habe ich damals in der 4. Klasse mitbekommen, wie meine Mitschüler_Innen rassistisch beleidigt und zusammen geschlagen wurden, weil sie zum Beispiel zu dick waren oder so. Ein großer Faktor war noch, dass ich ein Mädchen bin und schon damals von den Jungs anders behandelt wurde. Auch meine Freundinnen haben mich unter Druck gesetzt und haben mir gesagt, dass ich kein Fußball spielen darf oder dass ich dies und jenes nicht anziehen darf, weil das den Jungs allgemein nicht gefällt. Das heißt, damals wurde mir schon von meinen Freund_Innen beigebracht, was ich zu tun und lassen habe, damit ich Männern gefalle. Daran merkte ich schon früh, dass ich mich den Männer unterordnen sollte und das wollte ich einfach nicht und habe mich auch deswegen schon früh politisiert. Ich fing an, mich für Feminismus und Antirassismus zu interessieren. In der Mittelschule fing ich dann an, meinen Freundeskreis zu politisieren und wir merkten, dass Rassismus und Sexismus Widersprüche des Kapitalismus sind. Wir waren dann auf einer Antikapitaltischen Demo, das war gegen TTP und CETA und da bin ich dann auf die Gruppe REVOLUTION gestoßen und habe mich dann mit 13 Jahren organisiert.“

Es wurde ja immer in der Schule gesagt, dass die Schule ein apolitischer Ort sei, wie würdest du es denn beschreiben, weil so wie du es gerade beschrieben hast, gab es ja auch in der Schule rassistische und sexistische Übergriffe?

D.: „Dass die Schule ein apolitischer Raum ist, ist eine klare Lüge. In der bürgerlichen Gesellschaft werden Bildungseinrichtungen zwar als apolitisch dargestellt, aber genau das sind die Orte, wo viele Menschen zusammenkommen, die dann da zusammen leben und  zur Schule gehen. Das sind extrem politische Räume, denn hier müssen Menschen miteinander agieren und das ist schon politisch. Auch im einzelnen Unterricht werden wir natürlich gebildet aber auch manipuliert und geprägt. Wenn also die bürgerliche Gesellschaft sagt, es ist ein apolitischer Raum, dann einfach nur um andere Meinungen klein zu halten oder um zu verhindern, dass sich kritisch mit Dingen auseinander gesetzt wird oder dass man das erst gar nicht lernt.“

Wie bist du dann darauf gekommen auch in der Schule Politik zu machen?

D.: „Ich fand es schon immer wichtig, dass gerade Jugendliche politisiert werden, weil Politik ist immer die Entscheidung über die Zukunft und die Jugend ist die Zukunft. Das Komische am Kapitalismus ist, dass wir Jugendliche als einer der einzigen zum Beispiel nicht wahlberechtigt sind, denn wenn über unsere Zukunft entschieden wird, wie kann es dann sein, dass nur wir nichts mitbestimmen dürfen. Auf die Idee, an der Schule Politik zu machen, kam ich schon vor REVOLUTION, denn ich habe ja schon früh versucht, meine Mitschüler_Innen zu politisieren.  Im Zuge der Bildungsstreiks habe ich versucht die Schüler_Innen darauf aufmerksam zu machen und habe versucht, sie gegen das aktuelle Bildungssystem und gegen die Abschiebungen zu mobilisieren. Gleichzeitig habe ich für eine Veranstaltung von REVOLUTION geworben, in dem es darum ging, wie die Schule im Kapitalismus aussieht. Durch die Veranstaltung haben wir uns dann damit beschäftigt, wie wir das verändern können und kamen auf die Idee, Schüler_Innenkomitees in den Schule zu gründen, und so bin ich dann auch in der Schule aktiv geworden. „

Wie hast du es geschafft Schüler_Innen zu gewinnen, und was waren deine Schwierigkeiten?

D.: „Ich habe angefangen in den Klassen spontane Reden zu halten, in denen ich dann aufgerufen habe, sich an Demonstrationen zu beteiligen oder auf das Schüler_Innenkomitee aufmerksam gemacht habe. Ich habe auch viel über Mundpropaganda mobilisiert, indem ich in den Pausen mit vielen Schüler_Innen sprach. Auch Flyer habe ich geschrieben und verteilt, sowie auch Plakate aufgehangen. Vor allem am Anfang gab es Probleme. Wir haben das Komitee unter dem Motto „Faschisten bekämpfen, Antifaschistischen Widerstand organisieren“ gegründet. Nun jedoch haben wir auch vereinzelt rassistische Schüler_Innen und viele, die nichts dagegen gesagt haben, und so war oft die Stimme der Rassist_Innen lauter. Gerade dann, als wir das Thema in die Schule reinbrachten, hat es eben diese rassistischen Schüler_Innen gestört. Ich bekam von den Lehrer_Innen den Vorwurf, dass ich mit antirassistischer Arbeit nur Rassismus schüren würde.
Wir einigten uns im Komitee darauf, dass wir unabhängig von den zwei Mächten in der Schule sein wollten, die Elternschaft und die Lehrer_Innenschaft. Denn wir wollten ein Organ haben, in welchen wir als Schüler_Innen Mitspracherecht bekommen und genau das war den Lehrer_Innen und Eltern ein Dorn im Auge. Sie wollten wissen, was wir besprechen, und als wir es nicht preisgaben, haben die Lehrer_Innen Angst bekommen. Auch von der Elternschaft wurden Stimmen laut, dass unser Komitee zu aggressiv sei, und sie baten Lehrer_Innen das Schüler_Innenkomitee zu unterbinden . Im Lehrer_Innenrat wurde jetzt vor Kurzen darüber abgestimmt, ob wir verboten werden oder nicht. Sie verbaten uns auch unsere Veranstaltung über Rassismus zu machen. Das wurde uns nun alles verboten.“

Was würdest du anderen SchülerInnen für Tipps mitgeben?

D.: „ Ich glaube einfach der beste Tipp ist, organisiert euch, werdet euch bewusst, dass ihr etwas verändern könnt. Gerade die Schule ist oft ein sehr verhasster Ort, aber werdet euch bewusst, warum dass so ist und wie man es verändern kann. Die Fragen „Warum übt die Schule so viel Leistungsdruck auf mich aus? Warum führe ich diesen Konkurrenzkampf? Warum sagen Noten nichts über mein eigentliches Können aus? Wie kann ich das alles verändern und die Schule angenehm gestalten? Wie möchte ich die Schule haben?“ können dir und deinen Freund_Innen viel helfen, um sich klar zu werden, wo und wie man anfangen kann, politisch aktiv auch in der Schule zu werden.  Es klingt alles so utopisch als könnte man es nicht verändern, aber die Zukunft ist für alles offen und du kannst die Zukunft mitbestimmen, also nutze das!“




Interview eines Lohnarbeiters mit Beeinträchtigung

Menschen mit Beeinträchtigung haben es in unserer Gesellschaft besonders schwer. Das liegt nicht nur an ihren körperlichen und/oder geistigen Einschränkungen, sondern leider auch an der gesellschaftlichen Diskriminierung. So ist das Wort behindert als abwertender Begriff unter Jugendlichen gängig. Die Diskriminierung drückt sich jedoch vor allem in Hungerlöhnen und verschwindend geringen Jobchancen aus. Selbst Menschen, die Vollzeit arbeiten, haben meist keine Chance ein finanziell unabhängiges Leben zu führen. Wir haben mit einer beeinträchtigten Person aus der Arbeiter_Innenklasse gesprochen und sie zu ihrer Situation befragt.

Welche Arbeit übst du als Lohnabhängiger aus?

Ich bin in der Altenpflege, der Altenbetreuung und in hauswirtschaftlichen Tätigkeiten in einem Altenheim aktiv. Meine Wochenarbeitszeit beträgt 36 Stunden.

Welche Ausbildung hast du gemacht? Welche Weiterbildungsmöglichkeiten hast du?

Ich habe keine Ausbildung im eigentlichen Sinne gemacht. Es gibt für mich theoretisch die Möglichkeiten eine Ausbildung mit verkürztem Theorieteil zu machen. Dies Option wurde mir aber verwehrt, weil meine Vorgesetzten sagen, dass ich das nicht schaffen würde. Eigentlich wollen sie mir aber kein zusätzliches Geld bezahlen, auf welches ich als Ausgebildeter Anspruch hätte.

Wie viel Lohn bekommst du? Welche Leistungen erhältst du sonst noch vom Staat?

Ich bekomme direkt von meinem Arbeitgeber 150 € und weitere 100 € von meinem Wohnheim, über das ich angestellt bin. Außerdem bekomme ich eine eigene Wohnung in dem Wohnheim bezahlt und 430 € Grundsicherung vom Staat.

Wie erlebst du die Arbeitsbedingungen in deiner Einrichtung?

Manchmal ist es sehr stressig, auch weil die Kolleg_Innen viel schneller sind und ich die Arbeit nicht so genau wie die anderen machen kann. Deshalb kritisieren sie mich auch manchmal. Ich muss auch oft länger arbeiten, wenn zu viel zu tun ist.

Die Angehörige beschweren sich, wenn wir etwas nicht richtig machen. Allerdings sind teilweise nur drei Pfleger_Innen auf einer Wohngemeinschaft, anstatt den normalerweise nötigen Fünf.

Welche besondere Unterstützung erfährst du an deinem Arbeitsplatz?

Gut finde ich, dass mein Teamleiter immer zu mir hält und dass die Betreuung von meinem Heim immer für mich da ist, wenn es mal Stress gibt. Deshalb habe ich immer jemanden, den ich um Hilfe bitten kann. Wenn ich etwas wissen will, kann ich meine  Arbeiterkolleg_Innen fragen, die erklären mir das dann.

Welche Diskriminierung erfährst du von deinen Kolleg_Innen, welche von deinen Patient_Innen?

Ich werde aber auch oft angeschnauzt, weil ich nicht so viele Sachen gleichzeitig machen kann und auch immer mal etwas vergesse. Auch, dass ich langsamer arbeite, können manche nicht verstehen und kritisieren mich dann dafür. Von den Patient_Innen muss ich mir leider sowas auch anhören.

Welche Motivation hast du unter den Bedingungen überhaupt noch weiterzuarbeiten?

Eigentlich keine. Ich überlege mir schon seit längerem die Arbeit zu wechseln. Gerade auch, weil mir gesagt wurde, dass ich eine Ausbildung machen kann und mir das ein halbes Jahr später doch verwehrt wurde. Dass mir diese Hoffnung genommen wurde, hat mich wirklich schwer getroffen. Oft habe ich wirklich keine Lust mehr und überlege sogar den gesamten Beruf zu wechseln. Das ist aber als Mensch mit Behinderung und ohne Ausbildung kaum möglich.

Welche Maßnahmen muss deiner Meinung nach die Regierung ergreifen, um die Situation von Arbeiter_Innen mit Beeinträchtigung zu verbessern?

Es gibt eine Strafe für Unternehmen, die Menschen mit Behinderungen keinen Ausbildungsplatz geben. Diese Strafen müssten aber deutlich erhöht werden, damit Menschen mit Behinderungen überhaupt eine Chance haben. Sonst ist es für Unternehmen billiger die Strafe zu zahlen und den Menschen die Ausbildung zu verwehren. Außerdem sollten alle Menschen, die in demselben Bereich arbeiten, auch dasselbe Geld verdienen. Die unfaire Behandlung macht einem wirklich zu schaffen, auch weil man dadurch merkt, dass die eigene Arbeit überhaupt nicht anerkannt wird.

Welche Perspektive siehst du im Arbeitskampf, welche in einer sozialen Revolution?

Mit Arbeitskämpfe können wir natürlich etwas verändern. Dazu muss aber der ganze Sektor streiken, nicht nur Mitarbeiter_Innen einer Einrichtung oder der Altenpflege. Eine Revolution muss natürlich das Ziel sein, um alle Lohnabhängigen, nicht nur Menschen mit Beeinträchtigungen, von ihrer Ausbeutung zu befreien!




„Gelbwestenbewegung“ in Frankreich: Ein Vorbild?

von Peter Böttcher

Zum Ende des letzten Jahres erschütterten massive Proteste die politische Landschaft in Frankreich. Konkreter: Sie erschütterten die liberalen Reformpläne des immer unbeliebter werdenden französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Der Anlass war eine geplante „Ökosteuer“ auf Erdöl, die Proteste mit sich brachte, die ganz Frankreich erbeben ließen und Macron soweit in die Enge trieben, dass er Anfang Dezember die geplante Ökosteuer aussetzte und den Mindestlohn erhöhte.

Wer geht auf die Straße?

Im November gingen an zwei Aktionstagen mehr als 500.000 Menschen auf die Straße. Das ist eine ganze Menge dazu noch heterogen und deswegen nicht über einen Kamm geschert werden sollte. Die Bewegung hat in ihrer sozialen Zusammensetzung sowie in den Forderungen einen klassenübergreifenden Charakter.  Anfangs wollten die Initiator_Innen bewusst auf die Teilnahme von Gewerkschaften und politischen Parteien an den Protesten verzichten. Nicht angebliche Ideologien sondern Forderungen sollten im Vordergrund stehen und man wolle sich nicht von Organisationen vereinnahmen lassen. Diese scheinbare Unabhängigkeit ist eine kleinbürgerliche Positionierung. Gleichzeitig hatten die ursprünglichen Initiator_Innen nichts dagegen, dass sich der Rassemblement National, einer rechten Sammlungsbewegung unter der Führung von Marie LePen, die aus dem rechtsnationalistischen Front National hervorging, offen an diesen Protesten teilnehmen. Teilweise konnten sich die Rechten auf diese Weise mit nationalistischen und rassistischen Inhalten sogar an die Spitze der Bewegung stellen. Statt für einen proletarischen Internationalismus, für offene Grenzen und gegen die Außenpolitik der imperialistischen EU zu demonstrieren, wurden nationalistische Gefühle geschürt. Dem Kurs in der Außenpolitik wurde sich angeschlossen, die Forderung nach offenen Grenzen verworfen.

Aber das ist nur eine Seite des Protestes. Denn auch wenn die Linke die Proteste nicht wie z.B. beim Loi Travail initiiert hat, so beteiligten sich unterschiedliche linke Kräfte daran. Manche, wie der kämpferische  Gewerkschaftsbund CGT, liefen den Protesten nach, als diese volle Fahrt aufgenommen hatten. Das finden wir richtig: Der Protest gegen die Ökosteuer ist berechtigt, denn anstatt z.B. den französischen Mineralölgiganten Total zur Kasse zu bitten, wird unter dem Vorwand des Umweltschutzes die Arbeiter_Innenklasse ausgenommen, die im ländlichen Bereich wegen unzureichenden öffentlichen Verkehrsmitteln oft zur Nutzung des PKW gezwungen ist.

Hintergrund

Wichtig ist, dass wir verstehen, dass es sich bei dem Protest in Frankreich nicht nur einen Protest gegen die „Ökosteuer“ handelt. Vielmehr ist er Ausdruck einer gesamten Situation: Die hohen Lebensunterhaltungskosten, Kürzungen der Sozialleistungen und die letzten Angriffe, die das Lòi Travail mit sich brachten, sorgten dafür, dass es weiten Teilen der Bevölkerung schlecht geht. Gleichzeitig bewegt sich die französische herrschende Klasse in einem Spannungsfeld. Um ihre Stellung im Weltmarkt und der EU weiter zu behaupten, müssen sie bestimmte Rechte und Errungenschaften der Arbeiter_Innenklasse und auch das Kleinbürger_Innentum angreifen. Tun sie das nicht, verlieren sie ihren Einfluss aka ihre „Wettbewerbsfähigkeit“. Doch anders als beispielsweise in Deutschland hat die französische Arbeiter_Innenklasse ein größeres Bewusstsein dafür, dass es sich lohnt, auf die Straße zu gehen. Die Erfolge der Vergangenheit mobilisieren nun auch kleinbürgerliche Schichten, sich nicht einfach der Politik des sozialen Kahlschlages zu fügen. Da das Kleinbürger_Innentum jedoch nicht in der Lage ist, eine eigenständige Politik zu entwickeln, die nur dieser Zwischenschicht selbst nutzt, ist der politische Inhalt entsprechend heterogen und schwankt zwischen proletarisch-fortschrittlichen sowie bürgerlich-reaktionären  Forderungen. Dass die Organisationen des Proletariats vorwiegend reformistisch sind und die Proteste nicht anführen, verstärkt den diffusen Inhalt.

Was tun?

Die Proteste in Frankreich sollten uns motivieren. Sie zeigen: Gesellschaftliche Veränderung ist möglich und als Revolutionär_Innen ist es unsere Aufgabe, dort zu intervenieren und aufzuzeigen, was es braucht, um solche Proteste nicht nur in der Luft verschallen zu lassen, sondern damit nachhaltig Etwas zu verändern. Zuerst einmal bedarf es demokratischer Strukturen: An Schulen, Unis, Betrieben sollen sich Streikkomitees bilden, an den Orten, an denen sich Menschen bewegen. Daneben muss klar sein, dass die Angriffe nicht aufhören werden, solange Macron an der Regierung ist. Das heißt, Ziel muss es sein, die Proteste auszuweiten. Es bedarf eines landesweiten, unbegrenzten Generalstreik, der den Sturz der Regierung fordert. Doch uns muss auch klar sein: Die elende Lage der Arbeiter_Innenklasse wird sich nicht verbessern, nur weil Macron die Bühne verlässt.

Wenn ein Generalstreik zum Rücktritt Macrons führt, so stellt der Streik damit die Machtfrage: Ist es die Arbeiter_Innenklasse oder die Bourgeoisie, die der Gesellschaft ihren Stempel aufdrückt? Um diese Frage im Sinne der Arbeiter_Innenklasse zu beantworten, braucht es den Aufbau von Räten und Selbstverteidigungsstrukturen gegen die Angriffe des Staats und zur Selbstorganisierung. Diese Struktur kann nicht nur Macron verjagen, sondern den imperialistischen Staat angreifen und stürzen und ihn durch eine proletarische Herrschaft ersetzen. Doch damit kann an Grenzen nicht gehalten werden. Die Arbeiter_Innen ganz Europas müssen sich mit den französischen Arbeiter_Innen solidarisieren und die Forderung nach den Vereinigten sozialistischen Staaten von Europa erheben. Nationalismus und Rassismus sind Gift in diesem Kampf. Sie vereinen die Klassen unter der Tricolore und spaltet die Arbeiter_Innenklasse entlang ethnischer Grenzen. Deswegen zwingend erforderlich für die Gewerkschaften und Arbeiter_Innenparteien auf den Demos die Rechten entschieden zu bekämpfen und zu vertreiben und anstelle der Nationalfahne die rote Fahne der Arbeiter_Innen dieser Welt zu schwingen.

 




Was ist Halbfaschismus?

Von Leonie Schmidt

In einer Phase des gesellschaftlichen Rechtsrucks ist es nicht wirklich verwunderlich, dass es weltweit immer mehr autoritäre Regierungen schaffen, an die Macht zu kommen. So beispielsweise Bolsonaro in Brasilien, Erdogan in der Türkei oder Putin in Russland. In diesen Fällen gibt es dann auch viele Linke, die diese Machthaber als Faschisten abstempeln oder auch den ganzen Staat gleich als faschistisch hinstellen. Es ist aber nicht nur im historischen Kontext relevant, nicht einfach mit dem Begriff Faschismus um sich zu werfen (so können beispielsweise die Verbrechen der NS-Zeit herunter gespielt werden), sondern selbstverständlich ist es auch für die Analyse der Phase des Klassenkampfes, in der wir uns befinden, und dementsprechend auch für die Wahl der Taktik wichtig, sich differenziert mit den Handlungen, Strukturen und Zielen der autoritären Regime zu beschäftigen. Hier unterscheiden wir zwischen Faschismus, Halbfaschismus und Bonapartismus.

Selbstverständlich müssen wir aber erst einmal klären, was Faschismus aus einer marxistischen Perspektive überhaupt bedeutet. Der Faschismus ist eine Bewegung, welche aus der Klassengesellschaft entsteht, genauer gesagt aus dem Kleinbürger_Innentum, welches ständig nach Aufstieg in höhere Klassen strebt und gleichzeitig aber vom permanenten Absturz ins Proletariat bedroht wird. Dies trifft besonders in Zeiten von großen Finanzkrisen zu. Auch bevor der europäische Faschismus in den 1930ern aufstieg, gab es eine große Finanzkrise, welche mit starker Inflation einherging.  Der Faschismus diente jedoch hauptsächlich Monopolkapitalist_Innen, da die Produktionsmittel und die Produktionsverhältnisse nun zu ihrem eigenen Vorteil gewaltsam geformt werden können. Während die faschistische Bewegung versucht, die Staatsmacht zu erkämpfen, hat sie auch antikapitalistische Züge,  aber nach dem Erkämpfen der Staatsmacht und der Zerschlagung der Errungenschaften und Organisationen der ArbeiterInnenklasse verfällt jegliche Bewegung und der Faschismus ersetzt das Parlament mit sich als bürgerlich-staatliche Bürokratie, dementsprechend werden auch nicht länger antikapitalistische Inhalte aufrecht gehalten. Faschistische Bewegungen gehen aber auch immer mit Rassismus, Homophobie und Sexismus einher, einerseits aus ideologischen Gründen, andererseits um die ArbeiterInnenklasse weiter zu spalten. Ebenfalls gibt es in faschistischen Organisationen oder Bewegungen auch paramilitärische Gruppierungen, die vor allem vor der Staatsübernahme politische Gegner_Innen ermorden oder verletzen wie bspw. die SA in der Weimarer Republik und selbstverständlich brauchen die FaschistInnen auch eine faschistische Partei.

Nun zum Halbfaschismus. An sich ist das kein guter Begriff, weil es eine gewisse Unsicherheit in der Analyse durchscheinen lässt, aber das auch nicht ohne Grund, denn die Zukunft der Länder oder Regierungen, die beschrieben werden, ist alles andere als glasklar. Das lässt sich am Beispiel Bolsonaro sehr gut betrachten: Er ist an der Macht in Brasilien, hat faschistische Positionen hinsichtlich indigenen Völkern, Frauen, Homosexuellen, spricht von Säuberungen und Genoziden. Er sabotiert antifaschistische Arbeit, indem er geschichtsrevisionistisch allen Unterrichtsstoff, der mit der NS-Zeit einher ging, verboten oder, wenn es sich um Materialen handelt, versucht hat, sie zu beschlagnahmen, wie beispielsweise Banner in einer Uni in Rio De Janeiro, die sich gegen Rassismus und Faschismus richteten. Er feierte auch seinen Wahlsieg zusammen mit seinen bewaffneten Anhängern, dem Militär und der Polizei, was ein grauenvolles Bild von Hass, Sexismus und Rassismus zu Tage brachte. Des Weiteren hat er, um die Wahl zu gewinnen, eine ganze Menge falsche Informationen gestreut. Er kämpft gegen die Organisationen der Arbeiter_Innenklasse und die brasilianische Linke, indem er zum Beispiel den Parteigründer der Linkspartei Lula Da Silva verhaften oder Debatten zum Thema Demokratie in einer Uni stürmen ließ. Er inszeniert sich als starker gewalttätiger Anführer, da er eine Vergangenheit im Militär hat. Das alles lässt nun auf Faschismus schließen. Und sicher ist Bolosnaro auch ein Faschist als Person an sich. Aber noch ist Brasilien kein faschistisches Land und hat auch keine komplett faschistische Regierung. Wenngleich Bolsonaros Partei sehr konservativ ist und er viele AnhängeInnen hat – von einer faschistischen Massenbewegung und einer faschistischen Partei ist sie dennoch nach wie vor etwas entfernt. Somit können wir die brasilianische Regierung als halbfaschistisch bezeichnen. Hierbei ist es sehr wichtig, dass wir den Halbfaschismus als eine Art Übergangsphase zum faschistischen Staat oder zur Niederlage der Faschist_Innen ansehen. Gelingt es Bolsonaro, die ArbeiterInnenbewegung Brasiliens zu zerschlagen und seine grauenvollen profitorientierten und menschenverachtenden Pläne durchzuführen, so können wir davon ausgehen, dass das fünft größte Land der Welt zu einem faschistischen Staat geworden ist. Gelingt es aber den Arbeiter_Innen sich zu organisieren, zu streiken, zu kämpfen und Bolsonaro zu stürzen, so konnte der Faschismus geschlagen werden, eh er sich überhaupt vollständig entfalten konnte. Das ist natürlich schwer und Bedarf auch mehr als nur ein paar Streiks, aber Bolsonaro ist sicherlich nicht unaufhaltsam (Mehr Infos in unserem Artikel „Nieder mit Bolsonaro“ in dieser Zeitung).

Wie bereits oben erwähnt, gibt es aber noch eine andere, für die marxistische Bewegung relevante Analyse autoritärer Regierungssysteme. Das ist der Bonapartismus. Im Gegensatz zum Faschismus und Halbfaschismus entspringt er nicht dem Kleinbürger_Innentum, sondern ist eine Form der Diktatur der Bourgeoisie, bei der sie in einer sehr instabilen Situation ihre politische Macht an einen autoritären Alleinherrscher abtritt, dieser kann sowohl rechts – konservativ sein wie bspw. Erdogan, aber auch vermeintlich links wie Hugo Chavez. Eine solche Situation kann zum Beispiel entstehen, wenn sich keine Fraktion der herrschenden Klassen entscheidend durchsetzen kann oder kein Kompromiss innerhalb der parlamentarischen Demokratie zwischen den Klassen und Fraktionen möglich ist. Dabei stützt sich das bonapartistische Regime auf Teile aller Klassen und Schichten – meist jene, die sich ihrer Klassenzugehörigkeit am wenigsten bewusst sind. Auf Seiten der Arbeiter_Innen drückt sich in der Unterstützung des Bonaparte eine gewisse Verzweiflung aus. Daher werden auch teilweise soziale Forderungen der Arbeiter_Innen erfüllt. Die Unterschiede zum Faschismus sind deutlich im Hinblick auf den Klassenkampf: Während der Bonapartismus eine Art Befriedung des Klassenkampfes und der Fraktionskämpfe innerhalb der Klassen sucht, so richtet sich der Faschismus mit aller Macht gegen die Arbeiter_Innenklasse mit dem Ziel, diese zu zerschlagen. Dabei stützt sich die faschistische Partei vor allem auf eine unabhängige, militante Bewegung des ruinierten Kleinbürger_Innentums. Der Bonapartismus stützt sich von Anfang an auf Teile des Staatsapparates und Teile aller Klassen. Es ist aber relevant, dass diese Systemanalyse nicht nur aufgrund der Frage, gegen wen wie häufig Repressionen angewendet werden, beantwortet wird. Dafür müssen wir uns immer die genauen Geschehnisse im Klassenkampf anschauen!

Eines ist klar: ob Faschismus, Halbfaschismus oder Bonarpatismus – bekämpfen können wir autoritäre Systeme, indem wir eine Einheitsfront mit allen linken und proletarischen Organisationen formen und gemeinsam gegen die Regierungen bis zum Sozialismus kämpfen!




Nieder mit Bolsonaro!

von Peter Böttcher

Im Oktober errang Jair Bolsonaro eine Mehrheit von 55% der Stimmen bei den brasilianischen Präsidentschaftswahlen. Nach seinem Sieg kündigte er massive Angriffe auf die brasilianische Bevölkerung an. Drohungen die Rechte von Frauen einzuschränken, politische Gegner zu kriminalisieren und zu inhaftieren und politische Bewegungen wie die der landlosen (MST) als terroristische Vereinigung zu brandmarken und militärisch gegen sie vorzugehen, wurden bereits ausgesprochen. Gemeinsam mit der Erweiterung der Befugnisse der Polizei und des Militärs, die ebenfalls angekündigt wurden, schafft Bolsonaro sich eine Grundlage, Säuberungsaktionen im ganzen Land durchzuführen. Wenn die organisierten Teile der Arbeiter_Innenklasse in Brasilien nicht unmittelbar agieren, dann werden sie zerschlagen werden!

 

Wie konnte es dazu kommen?

In den letzten Jahren war oft von massiven Korruptionsskandalen in Brasilen die Rede. Die ehemalige Präsidentin Dilma Roussef (PT) wurde 2016 nach einer schmutzigen Antikorruptionskampagne gegen sie und ihre Regierung aus dem Amt entlassen. Ähnliches passierte Anfang letzten Jahres. Der Vorgänger Roussefs Lula da Silva, ebenfalls Kandidat der PT und deutlich populärer als Roussef, wurde ebenfalls der Korruption bezichtigt. In einem zweifelhaften Prozess, der selbst von der internationalen bürgerlichen Presse massiv kritisiert wurde, wurde er ins Gefängnis gesteckt. Diese Vorgänge glichen einem scheinbar legalen Putsch, hatten zumindest ähnliche Auswirkungen. Die installierte Übergangsregierung unter Präsident Temer senkte Steuern für Reiche, wollte das Renteneintrittsalter erhöhen und erließ eine Reihe von umweltfeindlichen Gesetzen. Die Antwort der PT darauf hätte schwächer nicht ausfallen können: Statt Ihre Basis gegen diesen Skandal auf die Straße zu mobilisieren und andere linke Kräfte aufzufordern, es ihnen gleich zu tun, kandidierte Lula einfach aus dem Gefängnis erneut für das Amt des Präsidenten. In diesem Moment hätte die Einheitsfront aus allen Organisationen der Klasse diesen aus seiner Isolation holen müssen. Die Kandidatur wurde verboten, ein unpopulärer und in den Augen der Bevölkerung zum brasilianischen Establishment gehörender Kandidat übernahm, konnte jedoch nicht genügend stimmen sammeln, um sich gegen Bolsonaro durchzusetzen.

Im Zuge der Weltwirtschaftskrise wurde die brasilianische Regierung von IWF und Investor_Innen dazu gedrängt, massive Kürzungen am brasilianischen Sozialstaat vorzunehmen, hohe Beiträge für Gesundheit und Rente waren das Ergebnis. Gleichzeitig entwickelte sich die PT nach rechts. Die Antiterrorgesetze, die zur WM in Brasilien 2014 ausgerufen wurden und hunderte Aktivist_Innen ins Gefängnis brachten, die Errichtung großer Staudämme im Regenwald oder aber der Ausverkauf der großen Bildungsproteste sind weitere Beispiele für diese Entwicklung. Gleichzeitig nahm die Arbeitslosigkeit und die Verarmung im Land massiv zu, der Anstieg von Gewaltverbrechen im Zusammenhang mit Banden und Drogenkriminalität waren die Folge. Gerade in den Favelas, den armen, meist Vorstadtbezirken, sinkt das Vertrauen in die PT als Partei der Arbeiter_Innenklasse in Brasilien, ist sie nicht einmal dazu in der Lage, ihre Bevölkerung von gewälttätigen Banden zu schützen.

Bolsonaro schlug daraus sein politisches Kapital. Mit einer Kampagne für einen Rechtsruck, für die Stärkung des Rechtsstaates, für eine Regierung mit „harter Hand“ konnte er verängstigte prekäre Teile der Klasse für sich gewinnen. Sein Wahlkampfstratege Steve Bannon konnte in einer klugen Kampagne mit falschen Nachrichtenmeldungen und niederträchtiger Hetze in sozialen Medien, aber auch in etablierten Printmedien Stimmung gegen die PT machen.  Der gleiche Wahlkampfstratege half auch Donald Trump ins Amt zu kommen. Bannon selbst behauptet, dass Bolsonaros Kapitalismus die USA und Brasilien näher zusammenführen werde.

 

Doch wofür steht Jair Bolsonaro genau?

In erster Linie ist er ein Vertreter der Interessen der Kapitalist_Innen. Neben seinen ultrarechten Positionen möchte er Brasiliens Wirtschaft stärken, um das Land so wettbewerbsfähig zu machen. Dass er dafür auch Unterstützung aus dem Ausland erhält, ist wohl kaum verwunderlich. Brasilien besitzt riesige Flächen, die kultiviert und somit für die Landwirtschaft nutzbar gemacht werden können, schon jetzt spielt Brasilien eine Schlüsselrolle im weltweiten Sojaexport und ist Spitzenreiter in der Sojaproduktion, was vor allem als Tierfutter verwendet wird. Auch an natürlichen begehrten Ressourcen mangelt es nicht: Neben Unmengen an Eisenerzen, die bereits abgebaut werden, hat Brasilien eigene Erdölvorkommen. Auch in der Produktion chemischer Erzeugnisse ist Brasilien im internationalen Vergleich ganz vorne mit dabei. Vor der Krise 2007/8 wuchs die brasilianische Wirtschaft um bis zu 8% im Jahr (eine der größten Wachstumsraten überhaupt).

Um sich eine Massenbasis zu verschaffen, die er mit einem rein wirtschaftsliberalen Programm niemals halten könnte, wirft er verschiedene rechte und teilweise sogar faschistische Forderungen auf. „Jede Aktion von MST und MTST wird als Terrorismus beurteilt werden. Das Privateigentum ist heilig“, so äußerte sich Bolsonaro kurz nach der Wahl. Diese Aussage richtet sich direkt gegen kämpfende Teile der Klasse, die sich nicht der Herrschaft des Kapitals und seinen Eigentumsverhältnissen unterwerfen wollen, die das Privateigentum an Produktionsmitteln infrage stellen wollen, so wie wir es ebenso tun. Indigenen Teilen der brasilianischen Bevölkerung will er die Schutzräume nehmen, den Regenwald  abholzen, um Platz für industrialisierte landwirtschaftliche Produktion zu machen. Außerdem möchte er Menschen mit nicht heteronormativer Einstellung aus dem wirtschaftlichen Prozess und dem gesellschaftlichen Leben fernhalten. Dabei versäumt er es nicht, seine Bewunderung für einen General (Carlos Alberto Brilhante Ustra) auszudrücken, der in den 70er Jahren Chef des brasilianischen Folterzentrums DOI-CODI und berüchtigt für seine unmenschlichen Grausamkeiten gerade gegenüber Frauen war. Sexismus, Rassismus, Homophobie, Neoliberalismus, Militarismus und Verbrechen gegen die Umwelt und der Kampf gegen die organisierte Arbeiter_Innenschaft, dafür steht Jair Bolsonaro.

Teile seines zukünftigen Kabinetts hat er schon vorgestellt. Wichtige Posten, die für Innere Sicherheit und Außenpolitik und zwei weitere Ministerien sollen an hochrangige Militärs gehen. Ein neues Superministerium für Wirtschaft und Finanzen soll von dem Multimillionär und Investmentbanker Paolo Guedes geführt werden. Justizminister soll Sergio Moro werden – er brachte Lula ins Gefängnis. All das riecht nach der Vorbereitung eines weiteren Staatsstreiches, diesmal mit einem rechtsradikalen Kandidaten, der faschistische Schlägerbanden und das Militär in der Rückhand hat.

Die PT schickte gegen ihn den Akademiker Fernando Haddad ins Rennen, der von vielen als Teil des etablierten, teils korrupten aber vor allem degenerierten politischen Establishments angesehen wird. Er konnte keine Perspektive für die drängendsten Fragen der brasilianischen Arbeiter_Innen liefern, die PT reflektierte ihren neoliberalen Schwenk unzureichend und war nicht dazu bereit, mit linken Teilen, mit der kommunistischen Partei oder Vertreter_Innen der Landlosenbewegung zusammenzuarbeiten. Sie machte Wahlkampf, wobei Haddad sich eher als Kandidat des rechten Flügels der PT zeigte. Zwar wollte er Kürzungen von der Übergangsregierung zurücknehmen, Angriffe auf das Rentensystem und Privatisierungsmaßnahmen waren aber ebenso Teil seiner Forderungen.

Nun steht die PT vor einem Scherbenhaufen. Der populäre Lula ist im Gefängnis, ihr Kandidat konnte sich nicht gegen Bolsonaro durchsetzen und die jetzige Regierung wird Unterstützung aus dem imperialistischen Ausland, vor allem aus den USA, aber auch von Kreditgebern erhalten. Denn neben den physischen Angriffen, die sogar schon im halben Jahr vor seiner Wahl ca. 5000 Aktivist_Innen, Linke, LGBTIA töteten, wird er eine massive liberale Agenda starten. Der Ausverkauf des Sozialstaates, die Privatisierung von Petrobras (Mineralöunternehmen in teilweise staatlichem Besitz), noch schnellere Rodung des brasilianischen Urwaldes und die Rücknahme von Arbeiter_Innenrechten werden folgen.

Die brasilianische Arbeiter_Innenbewegung muss nun alles dafür tun, um gegen diese Angriffe vorzugehen. Alle Organisationen der Klasse müssen sich gemeinsam in einer Einheitsfront die Zerschlagung des reaktionären Staatsapparats zum Ziel setzen. Den Angriffen von Bolsonaro muss sich entschlossen entgegengestellt werden. An die traditionell erfolgreiche Generalstreikbewegung anknüpfend müssen überall im Land politische Streiks die Wirtschaft lahmlegen. In koordinierten Aktionsräten müssen weitere Schritte geplant und mit einem zentralen politischen Programm umgesetzt werden. Die Gründung von Arbeiter_Innenmilizen muss unmittelbar erfolgen. Gleichzeitig müssen die Gewaltorgane des Staates dazu bewegt werden, die Waffen umzudrehen, nicht auf  die eigene Bevölkerung sondern auf die Regierung zu richten. Wenn sich Gewerkschaften, die Landlosenbewegung, die proletarischen Parteien nicht unmittelbar dafür entscheiden, eine Einheitsfront zu bilden, kann es bald schon zu spät sein. Wie eingangs erwähnt will Bolsonaro die Organe der Klasse zerschlagen, ihre Führer_Innen kriminalisieren und ihre Anhänger_Innen einlochen, jetzt abzuwarten, käme dem politischen Selbstmord gleich.

Auch auf internationaler Ebene müssen diese Angriffe angeprangert werden. Streiks in multinationalen Unternehmen, welche die brasilianische Regierung unterstützen, können ein Anfang sein, ebenso die Rechtspopulist_Innen im eigenen Land zu bekämpfen, die selbst Teil des Internationalen Rechtsrucks sind. Gegen die internationale Reaktion hilft nur eine international koordinierte Arbeiter_Innenbewegung.

Solidarität mit der brasilianischen Arbeiter_Innenklasse!

Nieder mit Bolsonaro!




Neutralität, Schule und AfD – Das geltende Recht ist den Rechten nicht rechts genug

von Jan Hektik

Mit dem Neutralitätsgebot der Schule und dem Beutelsbacher Konsens kämpfen Linke an der Schule seit Ewigkeiten. Ob als Schüler_In, der_die einen Vortrag halten möchte, in dem ein Rätesystem tatsächlich behandelt wird, oder als Lehrkraft, die zu antifaschistischen Protesten aufrufen will – immer wird es einem vorgehalten.  Doch was ist mit dem „Neutralitätsgebot“ eigentlich gemeint, was sagt der Beutelsbacher Konsens genau? Der Beutelsbacher Konsens, in den 1970ern entstanden, stellt einen Minimalkonsens (also das wenigste auf das man sich einigen konnte) über die Art, wie politische Bildung stattfinden sollte, dar. An sich wurde sich nur auf drei Grundprinzipien geeinigt: „Überwältigungsverbot (keine Indoktrination); Beachtung kontroverser Positionen in Wissenschaft und Politik im Unterricht; Befähigung der Schüler, in politischen Situationen ihre eigenen Interessen zu analysieren.“[1]  Das Überwältigungsverbot zielt auf die Mündigkeit der Schülerinnen und Schüler ab. Zentral ist hier die Vorstellung, dass jede und jeder eine eigene Einschätzung vornehmen und eine eigene Meinung bilden kann und auch soll. Deswegen ist es verboten, sie mit politischen Meinungen zu überrumpeln. Die Bildung eines selbstständigen Urteils soll nicht verhindert werden. Die Beachtung kontroverser Positionen, soll lediglich vorschreiben, dass Positionen in Wissenschaft oder Politik, die umstritten sind, auch umstritten dargestellt werden. Der Dritte Grundsatz soll die Lehrkräfte dazu anhalten, den Schülerinnen und Schülern eine Meinung nicht einfach nur zu präsentieren, oder vor ihnen eine Abwägung durchzuführen, sondern ihnen die Fähigkeiten zu vermitteln, eine eigene Einschätzung vorzunehmen, ihre eigenen Interessen wahrzunehmen und anhand dieser eine eigene Position zu beziehen. Wie so oft klingt das zwar ganz gut, sagt aber eigentlich wenig Konkretes. Also gucken wir uns doch mal an, wie das umgesetzt wird. Mit dem zweiten Grundsatz wird bei schulischen Veranstaltungen gerne argumentiert, man müsse, wenn man linke Gruppen sprechen lässt, auch rechte Parteien wie z.B. die CDU sprechen lassen. Andersrum, also wenn beispielsweise eine Wahlveranstaltung an der Schule mit CDU, SPD, Linkspartei und Grünen stattfindet, wird niemals die Forderung nach linkeren Meinungen aufgestellt. Auch wird dabei nicht beachtet, dass Neutralität immer die herrschenden Verhältnisse unterstützt. Wenn ich mich zu Fragen der Unterdrückung wie Rassismus oder Sexismus neutral verhalte, unterstütze ich die, die gerade stärker sind. Und dass sind die Rassist_Innen und Sexist_Innen. Wir sehen also hier, der Beutelsbacher Konsens wird vor allem GEGEN linkes, freiheitliches und soziales Denken benutzt.

Doch was seit kurzem von der AfD initiiert wurde, ist neu und geht noch viel weiter. Ihr Hamburger Landesverband hatte die Plattform „Neutrale Schule“ gestartet. Diese soll Schüler_Innen und Lehrkräften ermöglichen, Lehrer_Innen zu melden, die sich kritisch über diese Partei äußern. Nach Hamburg planen die Rechtspopulist_Innen, die Plattform in 9 weiteren Ländern an den Start zu bringen: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt. In Berlin war sie bereits online, während in Brandenburg (noch) „technisch-juristische“ Probleme zu lösen waren. Zur Rechtfertigung ihrer Kampagne führt die AfD unter anderem die „Zustände“ an der Paul-Schmidt-Schule in Lichtenberg an. Dort habe eine Unter-18-Wahl unter Schüler_Innen stattgefunden, bei der sogar die FDP, nicht jedoch die AfD behandelt worden wäre. Dabei verschweigt die Partei geflissentlich, dass sie nicht aufgeführt wurde, weil sie auf die Anfrage, Informationen für die Wahl zur Verfügung zu stellen, nicht antwortete und deshalb nicht einbezogen wurde.

Widerstand dagegen gibt es bislang vor allem von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Nachdem juristisch wahrscheinlich wenig gegen das Portal auszurichten ist, hat die GEW dazu aufgerufen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Weiter als diese eher schwache Maßnahme ging die Aktivität von Lehrkräften in der Ausbildung. In Hamburg musste die Plattform zeitweise geschlossen werden, da massive Fake-Anzeigen eingingen und die Seite mit riesigen Uploads lahmgelegt wurde. Auch haben sich diese in Massen selbst auf den Seiten angemeldet. Auf der Website „Change.org“ wurde unter dem Motto „Mein Lehrer fetzt“ eine Petition an die Kultusministerkonferenz initiiert. Diese ist zwar nicht sonderlich aussagekräftig, erklärt sich aber solidarisch mit AfD-kritischen Lehrkräften.

Ziele der Rechten

Diese Plattformen sind jedoch nur ein Teil des Versuchs der AfD, auf Schulen einzuwirken. Im Landtag von Sachsen-Anhalt hat sie beantragt, die Landesmittel für das Projekt „Schule ohne Rassismus“ zu streichen, weil „dieses Netzwerk doch stark genutzt wird, um Stimmungsmache gegen demokratisch gewählte Parteien – in dem Fall gegen unsere Partei – zu betreiben“, wie Fraktionschef Oliver Kirchner gegenüber dem Deutschlandfunk erklärte.

Mit ihren Kampagnen verfolgt die AfD mehrere Ziele:

  • Einschüchterung linker und aller AfD-kritischen Lehrer_Innen und Schüler_Innen
  • Disziplinarmaßnahmen gegen Beschäftigte
  • Kontakt zu rechten Schüler_Innen, Eltern und Lehrer_Innen, um so selbst Strukturen aufzubauen.

Daher werden Petitionen oder auch das Lahmlegen von Servern auf die Dauer wirkungslos bleiben. Notwendig ist offensiver und kollektiver Widerstand gegen die rechtspopulistische Denunziation. Versammlungen der Beschäftigten, Schüler_Innen und Eltern sollten sich gegen die AfD-Plattform stellen, über deren reaktionären Charakter an der Schule aufklären und zugleich einen Kampf gegen die Einschränkung politischer Betätigung und Meinungsfreiheit an den Schulen aufnehmen. Dass sich die AfD auf das „Neutralitätsgebot“ an den Schulen beruft, ist darüber hinaus bis zu einem gewissen Grad selbst ein Witz, weil sie so einen Freibrief für Rassismus, Hetzpropaganda und Denunziant_Innentum erhalten will.
Aber das Neutralitätsgebot und der Beutelsbacher Konsens sind zugleich auch Einschränkungen linker politischer Betätigungsfreiheit an den Schulen. Sie richten sich auch gegen das Verteilen von Flugblättern linker Jugendgruppen, antirassistische oder antifaschistische Arbeit an den Schulen. Schließlich können solche Gesetze auch gegen offen politische Aktivitäten von Gewerkschaften, das Aufrufen zu politischen Protestkundgebungen während der Schulzeit herangezogen werden – und sei es nur zum Zweck der Einschüchterung. Lasst uns genau das tun, statt uns dem Staat oder der AfD zu beugen. Lasst uns Flyer schreiben und verteilen in Solidarität mit den denunzierten Lehrer_Innen. Lasst uns Diskussionsveranstaltungen dazu organisieren, was Neutralität in der Schule bedeutet und was für eine Bildung wir eigentlich brauchen. Wenn wir eine Schule der Lehrenden und vor allem Lernenden haben wollen, bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als sie aufzumischen. Eine Anleitung dafür haben wir gerade veröffentlicht (siehe „Revolutionäre Politik in die Schule tragen – Ein Leitfaden zum Klassenkampf“).

 

  • Nein zum AfD-Denunziationsportal! Weg mit allen Einschränkungen freier politischer Betätigung für Lehrer_Innen und Schüler_Innen!

  • Für eine Bewegung der Schüler_Innen und Jugendlichen gegen die AfD und den Rechtsruck! Für Versammlungen gemeinsam mit Lehrer_Innen, und sonstigen Beschäftigten, um eine gemeinsame Kampagne gegen die AfD, Rechtspopulismus und Rassismus zu organisieren!

[1]Zitat Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bpb.de/die-bpb/51310/beutelsbacher-konsens




Die Grünen: Warum sind die gerade so in? 5 Fragen, 5 Antworten

von Felix Ruga

1. Wie groß ist der Erfolg?

Seit 2011 regieren die Grünen in Baden-Württemberg, doch dass sie im deutlich konservativeren Nachbarland Bayern mal fast 18 Prozentpunkte und damit mit Abstand den zweiten Platz bekommen würden, wie bei der Landtagswahl im Oktober, hätten bis vor kurzem wohl nur wenige geglaubt. Auch in Hessen haben sie nach einer Legislaturperiode Koalition mit der CDU ähnlich deutlich zusetzen können, in beiden Fällen knapp 9%, sodass es eine Weiterführung der Regierung in Hessen geben wird. Damit sind sie in der Hälfte aller Landesregierungen und koalieren dabei mit so ziemlich jeder größeren Partei außer der AfD.
Auch bundesweit sehen neueste Umfragen nicht schlecht aus, in denen sie momentan auf um die 20% geschätzt werden und damit zweitstärkste Partei wären. Sie würden damit ihr letztes Ergebnis aus 2017 von 8,9% mehr als verdoppeln! Kein Wunder also, dass in den bürgerlichen Medien die Grünen mittlerweile als die nächste Volkspartei gehandelt werden, auch wenn sie nach außen dieses Konzept ablehnen (Robert Habeck).

 

2. Wer wählt die Grünen? Wen vertreten sie? 

Abgeleitet vom Infratest bei den jüngsten Landtagswahlen in Bayern sind die Grünen besonders beliebt bei Menschen, die ein gehobenes Einkommen haben, unter 50 Jahre alt sind und in den Städten wohnen. Die Bildung spielt dabei anscheinend eine große Rolle, so haben anteilig 4 mal so viele Hochgebildete die Grünen gewählt wie Menschen mit niedriger Bildung. Außerdem werden sie vor allem von Personen gewählt, die entweder selbstständig sind oder Kopfarbeit verrichten, was oftmals mit dem hohen Bildungsstand zusammenfällt. Bei klassischen Arbeiter_Innen ist sie dagegen unbedeutend. Aus diesen Dingen lässt sich klar erkennen, dass die gesellschaftliche Basis eine klein- und bildungsbürgerliche ist.

Nach außen geben sie sich als ökologisch, feministisch, pazifistisch und sozial, bemühen sich also um ein linkes Image, ohne dabei tatsächlich soziale Kämpfe voranzutreiben, sind sie einmal in der Regierung. Im Gegenteil, sie haben unter Schröder die Agenda 2010 und damit massiven Sozialabbau unterstützt, seit dem Kosovokrieg fast jeden Kriegseinsatz befürwortet und in der Regierung in NRW die Rodung des Hambacher Waldes beschlossen, wobei sie jetzt selbst als Vorreiter der Hambi-Proteste gelten wollen. Man könnte die Praxis der Grünen am ehesten als klassische bürgerlich-liberale Politik mit humanistischem Anstrich beschreiben, wobei in der Basis sicherlich viele aufrechte Humanist_Innen sind.

3. Woher kommt der Erfolg?

Man kann den Erfolg der Grünen nicht verstehen, ohne die Krise der Großen Koalition zu berücksichtigen. In ihrer Unfähigkeit, den Problemen der Gesellschaft wie Wohnungsnot, Pflege- und LehrerInnenmangel eine Antwort zu liefern, hat die GroKo für viel Enttäuschung gesorgt. So sind in Bayern viele Wähler_Innen von den großen Parteien zu den Grünen abgewandert. Vor allem die, die vom miefigen Profil der Protestpartei AfD nicht angesprochen wurden. Dass die politisch nahestehende und fallende SPD viele an die Grünen verlor, überrascht nicht, doch dass die CSU dies auch massiv tat, war nicht so leicht vorhersehbar. Es lässt sich aber mit dem Rennen zwischen CSU und AfD erklären, in dem es darum geht, wer die rechtere Politik macht: Das beschlossene Polizeiaufgabengesetz als Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten und die ständigen Diskussionen um den sogenannten „Asyltourismus“ und die AnkER-Zentren haben neben einigen anderen Sachen die CSU zu rechts für viele gemacht, sodass man sich links davon umschauen musste. Die SPD gilt als verknöchert, die Linke konnte sich auch nicht als überzeugende Alternative präsentieren. So waren es die Grünen, die sich nicht nur in Bayern sondern bundesweit als humanistische Alternative zur AfD als Oppositionspartei profilieren konnten. Ihr Image ist jung und freundlich und sie haben darin den Spagat zwischen einem kosmopolitisch-urbanen Zeitgeist und einer Wellness-Heimatverbundenheit geschafft.

 

4. Können wir also auf Linksruck hoffen?

Wie schon vorher herausgestrichen dient die tatsächliche Politik der Grünen dem deutschen Imperialismus, verraten damit selbst viele ihrer Kernthemen. Dies konnte man auch wunderbar an den geplatzten Jamaika-Verhandlungen sehen, in denen die Grünen ein Zugeständnis nach dem anderen gemacht haben, wie beispielsweise keine Fristen für den Kohleausstieg oder Autos mit Verbrennungsmotoren zu setzen. Sie waren sogar anpassungsfähiger als die FDP, die eine gewisse Tradition darin hat, schlichte Steigbügelhalterin der großen Parteien zu sein. Doch jetzt waren es die Grünen, die bereitwillig Merkel ins Kanzleramt hiefen wollten. Diese Nachgiebigkeit ist wohl auch der Hauptgrund, warum sie problemlos mit allen außer der AfD koalieren, von Linkspartei bis CDU. Deswegen sollten wir uns nichts vormachen, wenn es darum geht, ob die Grünen in der Regierung für eine bessere Situation der Lohnabhängigen sorgen werden.

Und deswegen sollte man auch bei der Frage vorsichtig sein, wie lange dieser Aufschwung anhalten wird. Die Menschen stecken Hoffnung in das humanistisch-ökologische Profil, doch die Grünen haben jetzt schon gezeigt, wie wenig dahinter steckt und wie schnell man vor dem Kapital einknickt, wenn es um Wirtschaftlichkeit, Wachstum und Abschiebungen geht. Es könnte zwar sein, dass bei den nächsten Bundestagswahlen keine Regierung mehr ohne die Grünen auskommt oder sie sogar selbst die/den Kanzler_In stellen, aber ihre Versprechen eines „grünen und menschenfreundlichen Kapitalismus“ müssen an den Zwängen des Systems zerbrechen, denn in der globalen Konkurrenz um Profite und Märkte bleibt kein Platz für ökologische oder humanistische Begrenzungen. Und dies wird entweder zum offenen oder versteckten Verrat an ihren hehren Zielen führen.

5. Wie sollte man sich nun dazu verhalten?

Natürlich ist es ein besseres Zeichen, wenn die Grünen statt die AfD gewählt, auch wenn man da auch nicht zu viel Hoffnung reinstecken sollte. Die Politik ist weiterhin bürgerlich und wird keine Lösung gesellschaftlicher Probleme anbieten können. Sie handeln nicht in unserem Interessen, denn sie vertreten nicht die Interessen unserer Klasse! Somit sollten man auf gemeinsame Aktionen und Bündnisse versuchen, ihre tatsächliche Politik zu enttarnen und damit erst recht nicht die eigenen Inhalte von ihnen abhängig machen. Schlussendlich ist es eine Partei, die das System aktiv stützt und davon gestützt wird!




5 Fragen und 5 Antworten zum Wahlergebnis im CSU-Land

 Christian Mayer

Erwartet uns nach den Verlusten der CSU eine neue Politik in Bayern?

Nach der Wahl ist vor der Regierungsbildung: Auch wenn die CSU ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl in Bayern seit 1950 eingefahren hat, so wird sie doch weiterhin an der Regierung bleiben. Allerdings ist sie auf einen Koalitionspartner angewiesen. An der politischen Situation in Bayern wird das jedoch wenig ändern. Die CSU wird dieselbe rassistische Hetzjagd gegen Refugees und Migrant_Innen weiterhin betreiben, ebenso wie ihr Geschwafel von einer „deutschen Leitkultur“ beibehalten. Wie diese viel beschworene „deutsche“ oder auch „bayerische“ Leitkultur aussieht, kann man sich jedes Jahr auf dem Münchner Oktoberfest ansehen.

Wahrscheinlich ist, dass die CSU am Ende mit den rechts-konservativen „Freien Wählern“ eine Koalition eingehen wird. Mit dieser Partei haben sie die inhaltlich größte Übereinstimmung und auch fast die gleiche Wähler_Innenbasis.

Doch nicht nur die Hetzjagd aus der Landesregierung wird unvermindert weitergehen, gerade dadurch, dass sowohl CSU als auch Freie Wähler beide für schnellere Abschiebungen in „sichere Herkunftsstaaten“ sind. Gerade die AfD, welche mit 11% den Einzug in den bayerischen Landtag geschafft hat, wird diesen wie auch schon den Bundestag sowie die restlichen 14 Landesparlamente in denen sie bereits vertreten ist, als Bühne für ihre rassistische und nationalistische Hetze gegen Migrant_Innen, Refugees und Linke benutzen, um sowohl CSU als auch Freie Wähler noch weiter nach rechts zu drücken. Obwohl die CSU versucht hat, ihre Wähler_Innen zu halten, indem sie noch rechtere Positionen von der AfD übernommen hat, konnte letztlich nur die AfD selbst davon profitieren.

 

Warum ist die SPD so krass abgestürzt?

Die größte Verliererin der Landtagswahl in Bayern ist die SPD mit gerade mal 9,6%. Traditionell ist die SPD bei Wahlen in Bayern sehr schwach, allerdings gelang es ihr in der Vergangenheit zumindest im zweistelligen Prozentbereich zu bleiben, auch wenn es auf die Politik in Bayern fast keine Auswirkungen hatte. Doch dieses Ergebnis aus diesem Jahr ist eine fast schon historische Katastrophe.

Das Ergebnis in Bayern, in den anderen Bundesländern und auch auf Bundesebene zeigt sehr deutlich, dass die reformistische Politik der SPD im Sinne des Kapitals nur eines bedeuten kann: politischen Selbstmord. Soziale Angriffe wie die Agenda 2010-Reformen oder auch Hartz IV führten dazu, dass breite Schichten der Arbeiter_Innenklasse verarmt sind und in schlecht bezahlte Jobs wie Leiharbeit, Werksverträge, Minijobs auf 450 €-Basis usw., abgerutscht sind. Aber auch Teile des Kleinbürgertums, wie z.B. Selbstständige, sind seit der Wirtschaftskrise von einem sozialen Abstieg bedroht. Diese Schichten, welche die SPD früher für sich mobilisieren konnte, wenden sich seit einigen Jahren konsequent enttäuscht von ihr ab. Viele sind auch Verlierer_Innen der Globalisierung.

Weitere soziale Angriffe wie z.B. der Abbau des Pflegesystems oder auch der Verkauf von ehemals kommunalem Wohneigentum an private Investor_Innen, welche die Mieten durch die Decke jagten, taten dabei ihr Übriges. Gerade in den ehemaligen Arbeiter_Innenvierteln in München, welche einst SPD-Hochburgen waren, musste die SPD enorme Verluste hinnehmen. Auch aufgrund der immer weiter steigenden Mieten, welche sich die vormaligen Mieter_Innen nicht mehr leisten konnten und dadurch an den Stadtrand oder in das Umland verdrängt wurden.

Während die SPD also einen Verrat nach dem anderen an ihrer ursprünglichen Wähler_Innenschaft begeht, schafft es die AfD mit ihren rechtspopulistischen Slogans genau diese Menschen einzusammeln. Hier versucht sich die AfD als Partei der „kleinen Leute“ darzustellen, dabei steht sie mit ihrer neoliberalen, sexistischen und rassistischen Politik praktisch ganz klar auf der Seite des Kapitals. Enttäuschte und prekarisierte Arbeier_innen und Selbstständige versucht sie dann damit zu ködern, indem deren soziale Ängste gegen Geflüchtete und Migrant_Innen ausgespielt werden. Dadurch entsteht nicht nur Sozialneid sondern auch ein „Wir-gegen-die“ Gefühl, welches dann der Nährboden ist, auf dem sich dann auch offene Faschist_Innen recht wohl fühlen. Chemnitz hat uns gezeigt, welche braune Scheiße aus diesem Nährboden erwachsen kann.

 

Gibt es neue Hoffnung durch die Wahlerfolge der Grünen?

 Die Tatsache, dass die Grünen schon jetzt mit einer Koalition mit der CSU liebäugeln zeigt uns schon, dass wir von den Wannabe-Ökos nicht viel erwarten können. Dabei konnten die Grünen ein beachtliches Ergebnis bei der Landtagswahl einfahren. Ganze 17,5% erreichte die einstige Öko-und Friedenspartei, wobei sie sich von diesen Prinzipien schon seit langem verabschiedet hat. Vom Image der Friedenspartei wurde sich schon 1999 mit der Zustimmung zum Jugoslawienkrieg verabschiedet. Damit wollten die Grünen dem deutschen Kapital gleichzeitig ganz praktisch beweisen, dass man „regierungsfähig“ sei.

Am Image der Ökopartei versuchen sie immer noch fest zu halten, was aber nicht so ganz gelingt. So waren es die Grünen, welche zusammen mit der SPD in NRW vor zwei Jahren der Rodung der restlichen 200 m² des Hambacher Forstes durch RWE zustimmten und auch in Baden-Württemberg, wo ein grüner Ministerpräsident seit inzwischen sieben Jahren regiert, ist man sich nicht zu schade, vor der Autoindustrie beim Thema „Fahrverbote für alte, umwelt- und gesundheitsschädliche Dieselautos“ einzuknicken.

In Bayern haben die Grünen ihre meisten Zugewinne übrigens von ehemaligen CSU-Wähler_innen bekommen, die nicht ganz so weit nach rechts gehen wollten. Dieser Sprung ist hier auch gar nicht so groß, denn auch die Grünen stehen für eine rassistische Abschiebepolitik – das Ganze müsse dabei nur möglichst „human“ ablaufen. Wir fragen uns an dieser Stelle, wie man denn ganz „human“ Schutzsuchende in Kriegsgebiete, politische Verfolgung oder Armut zurückschicken kann.

 

Was macht eigentlich die Linkspartei?

 Ausnahmsweise mal wenig überraschend ist das Ergebnis der Linkspartei in Bayern. Erst zum dritten Mal angetreten, konnten sie gerade einmal 3,2% holen und verpassten damit erneut den Einzug in den bayerischen Landtag. Dies hat mehrere Gründe:

Zum einen ist die Linkspartei in Süddeutschland traditionell schwach (in Bayern wie auch in Baden-Württemberg kam man selten auch nur in die Nähe der 5%-Hürde), zum anderen können sie kaum auf Verankerung in der Arbeiter_Innenklasse zurückgreifen. Letzteres liegt vorwiegend daran, dass die SPD seit Jahrzehnten die Gewerkschaften unter ihrer politischen wie ideologischen Kontrolle hat und somit eine zweite, reformistische Partei eigentlich überflüssig ist.

Andererseits hat es die Linkspartei, in Bayern wie auch auf Bundesebene, nicht geschafft, eine klare und linke Alternative darzustellen, um von der Unzufriedenheit der breiten Masse der SPD-Anhänger_Innen profitieren zu können. Auch der seit längerem schwelende Führungsstreit innerhalb der Linkspartei macht diese nicht gerade attraktiver.

Doch auch die restliche, radikale Linke ist nicht in der Lage, die Leute für sich zu gewinnen. Neben den üblichen politischen Scharmützeln, welche man sich szeneintern gerne liefert, ist die (radikale) Linke sowohl in Bayern wie auch im restlichen Land nicht ansatzweise fähig, sich gemeinsam gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck zu organisieren. Es fehlt dabei an gemeinsamen Aktionen und kontroversen Diskussionen über die Perspektive der bestehenden Kämpfe.

 

In Bayern gibt`s doch aber gerade auch viele Proteste! Wie können diese Potentiale für den emanzipatorischen Kampf genutzt werden?

 Dass mit einem Kreuzchen auf dem Wahlzettel alle vier Jahre noch nicht viel erreicht ist, haben auch in Bayern in den letzten Monaten 10 000 Menschen gemerkt. Massendemonstrationen gegen die AfD, gegen das neue Polizeiaufgabengesetz oder gegen Abschiebungen haben gezeigt, dass es etliche Menschen gibt, die bereit sind zu kämpfen. Auch im Bundesgebiet waren zuletzt in Großdemos wie #Unteilbar oder gegen die Rodung des Hambacher Forstes mehrere hunderttausend Menschen auf den Straßen! Wenn wir diese Potentiale nutzen wollen, um tatsächlich etwas zu reißen, müssen wir diese Kräfte miteinander verbinden. Die Aktionen waren super aber aktuell auch noch eher symbolisch. Wir brauchen Aktionskonferenzen mit Vertreter_innen aller Proteste, um eine tatsächliche Bewegung daraus zu starten. Gemeinsam können wir unsere Kräfte bündeln und auch verhindern, dass sich offen bürgerliche Kräfte reinzecken und die Proteste für ihre Politik vereinnahmen. Eine solche Bewegung braucht, um erfolgreich zu sein, eine antikapitalistische Perspektive, denn rassistische Hetze, soziale Spaltung, die Verschärfung der Repressionsmaßnahmen sowie Klima- und Umweltzerstörung haben eine gemeinsame Ursache.

Nur ein vereinter Kampf gegen dieses System und seine Auswirkungen kann letztendlich dazu führen, dass wir nicht nur die Regierung in Bayern und in Deutschland stürzen, sondern dies kann auch der Auftakt zu einer Gegenbewegung gegen das System als Ganzes werden. Deshalb rufen wir nicht nur alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf, sich an unserem Kampf zu beteiligen, sondern auch alle anderen Organisationen der Arbeiter_Innenklasse. Nur gemeinsam können wir erfolgreich sein.




Bolsonaro wird Brasiliens neuer Präsident – Ein internationaler Sieg für die Reaktion!

von Jonathan Frühling, REVOLUTION Kassel

Seit gestern Nacht ist klar, was sich in den letzten Wochen abgezeichnet hat. Der ultrarechte Jair Bolsonaro gewann die Stichwahl in der brasilianischen Präsidentschaftswahl. Hinter ihm hatte sich das gesamte bürgerliche Lager gesammelt: Die Polizei, die Bourgeoisie, die Justiz und auch das Militär.

Die Wahl des reformistischen Kandidaten der PT wäre zwar richtig gewesen, um Bolsonaro aufzuhalten, allerdings hat sich die PT, selbst bis 2017 an der Regierung mit neoliberalen Kürzungsprogrammen total diskreditiert. Für Brasilien und die internationale Arbeiter_Innenklasse ist das eine totale Katastrophe. Das Land ist bis heute für seine verschiedenen sozialen Bewegungen bekannt. Dieses Jahr marschierten hunderttausende Frauen für Gleichberechtigung, es gibt eine mächtige Bewegung landloser Landarbeiter_Innen, in den letzten Jahren waren durch die Bildungsbewegung zwischenzeitlich tausende Schulen und über 300 Unis besetzt, die Gewerkschaften sind zwar reformistisch, aber militant und haben letztes Jahr zu einem Generalstreik mit 30 Millionen Menschen mobilisiert!

Für die herrschenden Klasse sind diese Bewegungen ein Hindernis bei der Umsetzung ihrer neoliberalen Ausbeutungspolitik. Bolsonaro machte deshalb von Anfang an klar, welche Politik seine Regierung umsetzen würde. Er versprach offen die existierenden sozialen Bewegungen restlos zu zerschlagen. Dafür will er die Rechte der Polizei erweitern, sich auf das Militär stützen und auch Folter und scharfe Munition einsetzen. Der Staat wird sich zweifelsohne wieder in Richtung einer faschistischen Militärdiktatur entwickeln, wie es sie von 1964-1985 in Brasilien gab, welche von Bolsonaro verehrt wird. Auch steht Bolsonaro für eine us-freundliche Außenpolitik, was innerhalb der momentan stattfindenden Blockbildung ebenfalls von internationaler Relevanz ist.

Was es jetzt braucht ist ein geeinter Widerstand in einer Einheitsfront aller Unterdrückten, um Bolsonaro und die herrschende Klasse, der er dient, aufzuhalten. Das von allen großen (zentristischen) Organisationen betriebene Sektierertum ist dagegen ein Verrat am Proletariat! Auch die Frage der Selbstverteidigung gegen den massiven Anstieg politischer Morde, sowie gegen Angriffe auf Demos oder Räumlichkeiten muss auf die Tagesordnung gesetzt werden. Letztlich müssen wir jedoch selbst zum Angriff übergehen und mit einem Generalstreik die Machtfrage stellen. Für den Sieg brauchen wir aber eine Organisation nach bolschewistischen Vorbild, die die Klasse auch in diesen schweren Zeiten führen und zum Sieg verhelfen kann.

Internationale Solidarität ist dabei sehr wichtig, um die Entschlossenheit und den Glauben an einen Sieg unter den Lohnabhängigen zu steigern. Wir verfolgen den Kampf unserer Klassenschwestern und -brüder mit großer Besorgnis, aber auch mit großer Hoffnung auf einen Sieg.

Ihr seid nicht alleine! Sieg dem Sozialismus! Hoch die internationale Solidarität!