Stell dir vor es ist Schulstreik und alle gehen hin!

VON JAQUELINE KATHERINA SINGH


Neue Rassistische Bewegungen


Das Jahr 2015 ist vorbei. Wenn wir zurückblicken, dann sehen wir einen extremen Anstieg von Übergriffen auf Geflüchtete und ihre Heime, eine breite Anzahl von Asylgesetzverschärfungen und die ansteigende Zahl von rechten, rassistischen Mobilisierungen. Blickt man über die Grenzen Deutschlands hinweg, sieht’s nicht besser aus. In Europa können wir seit Jahren eine massive Zunahme von rassistischen Mobilisierungen beobachten. Nur zwei Beispiele: in Frankreich verbreitet die Front National seit Jahrzehnten rechten Populismus und befindet sich seit Jahren im Aufschwung. In der Ukraine haben Faschisten und ein reaktionäres Regime in den letzten Jahren sämtliche linke Organisationen und die Arbeiter_innenbewegung zerschlagen.


Zeitgleich ist in der gesamten EU Abschottung angesagt. Dabei sind die imperialistischen Länder Westeuropas, allen voran Deutschland, hauptverantwortlich dafür, dass Millionen Menschen zur Flucht gezwungen werden. Jahrhundertelange Ausbeutung, militärische Interventionen und Unterstützung reaktionärer Regime und Diktaturen durch beispielsweise Waffenexporte sind unerlässliche Mittel zur Sicherung der Profite westlicher Konzerne und der Machtinteressen von Ländern wie Deutschland.
Umso zynischer ist es, wenn die Verursacher von Ausbeutung und Krieg auch noch festlegen, wer von den Millionen Geflüchteten, vor Not und Elend fliehen darf. Als Antwort auf die steigende Anzahl von Geflüchteten, sollen nun die Außengrenzen wieder „sicher“ gemacht werden. Wer allerdings „nützlich“ ist und eine „gute Integrationsperspektive“ vorzuweisen hat, darf bleiben, die anderen sollen möglichst rasch wieder deportiert werden. So wurden alle Balkanländer zu sicheren Herkunftsländern erklärt, womit Roma und Sinti jederzeit abgeschoben werden können. Die Türkei gilt trotz des Krieges gegen das kurdisches Volk und der immer offeneren diktatorischen Herrschaft Erdogans als „sicheres Herkunftsland“, das bei der Stärkung der Festungsmauern Europas kräftig mitwirken soll. Aber trotz alledem war 2015 auch ein Jahr, in dem viele Menschen ihre Solidarität mit den Geflüchteten zum Ausdruck brachten. Viele sind nach wie vor in Supporter_innenstrukturen aktiv. Viele wollen sich gegen staatlichen Rassismus und rechte Mobilisierungen wehren. Aber diese Aktivitäten bleiben oft vereinzelt, lokal begrenzt – und damit weit weniger wirksam als notwendig.


Schulstreikaktionen


Am 19.11.2015 gab es in verschiedenen Städten Schulstreiks und Solidaritätsaktionen. Jugendliche gingen in Frankfurt am Main unter dem Motto „We all need Education“ auf die Straße, in Bremen und in Berlin unter dem Motto „Ob PEGIDA oder Staat, brennende Heime sind die Früchte ihrer Saat“. In Göttingen, Kassel, sowie München gab es Solidaritätsaktionen von Schüler_innen und Student_innen. Insgesamt waren mehr als 4000 Jugendlichen an diesem Tag bundesweit auf der Straße um ein klares Zeichen gegen die rassistischen Mobilisierungen, aber auch den staatlichen Rassismus zu setzen.


Jetzt stellen sich Viele die Frage: Wie geht’s weiter? Was kommt nach dem Streik?


Die rassistische Bewegung wird nicht abnehmen. Vielmehr besteht die Gefahr dass sie größer wird. Denn während Seehofer für eine Obergrenze für Geflüchtete argumentiert und weiter Menschen im Mittelmeer ertrinken, gibt es nichts was die rechten Kräfte davon abhält weiter zu mobilisieren und zu hetzen. Das wirft die Frage auf: Was können wir tun?


Die Antwort hört sich einfach und kompliziert zu gleich an: Wir brauchen eine bundesweite, antifaschistische und antirassistische Jugendbewegung!
Doch was heißt das konkret? Was braucht eine Bewegung damit sie Erfolg hat? Zunächst einmal sollte sie gemeinsame Forderungen aufwerfen.
Als Forderungen schlagen wir von REVOLUTION vor:


  • Volle demokratische und politische Rechte, volle Staatsbürgerrechte für Alle.
  • Nein zu Grenzkontrollen, Residenzpflicht, Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen! Volle Bewegungsfreiheit für alle Geflüchteten!
  • Für das Recht auf Arbeit und die gewerkschaftliche Organisierung aller Geflüchteten, keine Kompromisse bei Mindestlohn und sozialer Sicherung! Für freie Bildung und die sofortige Abschaffung aller Extragebühren für Deutschkurse und Bildungsangebote für Geflüchtete!
  • Nein zum menschenunwürdigen Lagersystem! Enteignung leerstehenden Wohnraums zur Unterbringung von Geflüchteten und den massiven öffentlichen Ausbau des sozialen Wohnungsbaus statt Privatisierungen und Immobilienspekulationen!
  • Sofortige Beendigung aller Kriegseinsätze in Mali, Syrien, Afghanistan, Irak, Kosovo, dem Mittelmeer und vor dem Horn von Afrika, Schluss mit den deutschen Rüstungsexporten und der deutschen Aufrüstung!
  • Für das Recht auf Selbstverteidigung gegen Polizeigewalt, rassistischer und faschistischer Angriffe!


Aber eine Bewegung besteht natürlich nicht nur in erster Linie aus Forderungen, sie muss versuchen, um diese herum zum mobilisieren und eine solche Kraft aufzubauen, dass sie in der Gesellschaft gehört und durchgesetzt werden. Kurz, es gilt eine Bewegung aufzubauen, die auch über den nötigen sozialen Rückhalt verfügt.
Bundesweite Vernetzung Die Aktionen in den Städten liefen bisher jedoch recht isoliert ab und fanden kein bundesweites Gehör. Ein Schritt in Richtung Bewegung besteht darin, die bereits bestehenden, unterschiedlichen Bündnisse aus den Städten für eine gemeinsame Aktion, also einen bundesweiten Streiktag oder einer Großdemonstration, zu gewinnen. Gemeinsame zentrale Forderungen wie die nach offenen Grenzen, der Enteignung von ungenutztem Wohnraum oder das Recht auf gleiche, kostenlose Bildung und Ausbildungsplätze für Alle werden so besser wahrgenommen, da die gesamte Aktion mehr Leute erreicht.
Vernetzung muss es aber nicht nur auf bundesweiter Ebene, sondern auch vor Ort, an den Schulen, an Unis, in den Berufsschulen und Betrieben oder in den Stadtteilen geben. So kann man sich untereinander austauschen und unerfahrene Aktivist_innen, die gerade ihren ersten Schulstreik oder ihre erste Aktion planen wollen, unterstützen. Vor allem aber können diese Menschen nicht nur als Teilnehmer_innen, sondern auch als Aktivist_innen gewonnen werden.


Kämpfe verbinden


In der aktuellen Situation, in der Geflüchtete und ihre Unterkünfte, sowie Linke angegriffen werden, muss man sich fragen, was dem rassistischen Mob schlagkräftiges entgegen setzten kann. Dass die Polizei, wie sie in Heidenau, Freital oder auf vielen Demonstrationen gezeigt hat, nicht daran interessiert ist, Geflüchtete zu schützen, wirft die Frage nach der Organisierung von Selbstverteidigung auf. Doch um diese umzusetzen, braucht man Massen an Menschen und Rückhalt in der Bevölkerung.


Klassenfrage


Der Kampf gegen Rassismus ist auch eine Klassenfrage. Rechte argumentieren gerne mit der Rhetorik „Das Boot ist voll“ und der Angst, dass die Geflüchteten die Arbeit und den Wohnraum wegnehmen. Dieser Spaltung, die nicht nur von den Rechten, sondern auch von den Unternehmer_innen und der „Mitte“ der Gesellschaft vorangetrieben wird, müssen wir uns aktiv entgegenstellen! Integriert man Geflüchtete in die Kämpfe der Arbeiter_innenklasse für Mindestlohn, bessere Arbeitsbedingungen, für Arbeitszeitverkürzung, für Ausbau sozialen Wohnraums, die Enteignung von Immobilienspekulanten usw., so kann daraus eine enorme Stärke entstehen. Wir treten daher dafür ein, dass Flüchtlinge in Gewerkschaften aufgenommen werden.
Dass der Kampf gegen Rassismus und für gemeinsame Interessen in die Gewerkschaften und Betriebe getragen wird, ist aus zwei Gründen wichtig. Erstens, um die reale Spaltung zu bekämpfen und gegen Chauvinismus und Rassismus unter Lohnabhängigen zu agieren. Zweitens, weil die Arbeiter_Innenklasse aufgrund ihrer Stellung in der Produktion und die Gewerkschaften als Massenorganisationen tatsächlich die Macht hätten, den staatlichen Rassismus zu bekämpfen, Selbstverteidigungsorganisationen von Migrant_Innen, Linken und Jugendlichen zu unterstützen und durch politische Demonstrationen und Streiks gleiche Rechte für alle zu erkämpfen.


How to Schulstreik


In der Vergangenheit mobilisierten wir von REVOLUTION für mehrere Schulstreiks. Sei es in der Bildungsstreikbewegung, die 2009 ihren Höhepunkt hatte, oder die zwei im letzten Jahr, wo wir zusammen mit dem Refugee Schul- und Unistreik Berlin im Sommer 7000 und im November 2014 3500 Teilnehmer_innen auf die Straße gebracht haben. Ein Schulstreik legt zwar keine Produktion lahm, ist aber ein Akt des politischen Massenprotests und des zivilen Ungehorsams. Er hat die Möglichkeit, politische Forderungen aufzuwerfen, ohne das man viel Angst haben muss, von der Schule zu fliegen. Zusätzlich polarisiert ein solcher Streik die politische Stimmung in den Bildungseinrichtungen und öffnet diesen – oft abgeschotteten Ort Schule – für politische Debatten.

Aber nun ist die Frage: Wie wird ein erfolgreicher Schulstreik überhaupt organisiert?
Zu aller erst ist es wichtig das politische Klima in deiner Stadt und die aktuelle Situation zu beachten. Gab es rassistische Mobilisierungen oder Übergriffe? Gab es schon Kundgebungen oder Gegenmobilisierungen zu diesem Thema und gibt es eventuell Schulen, an welchen Schüler_innen an der Organisation dieser Proteste beteiligt waren? Oder gab es sogar schon Schulstreiks in deiner Stadt, an welche angeknüpft werden können? Solche Vorbedingungen sind natürlich hilfreich bei der Organisation zukünftiger Aktionen.
Aber auch wenn es in euren Städten noch nichts dergleichen vorher gab, heißt es noch lange nicht, dass ein Streik erfolglos sein muss.


Mobilisierung ist Handarbeit!

Hat man eine Aktion geplant, ist es klar, dass man möchte, dass möglichst viele Leute zu dieser kommen. Doch wie erreicht man möglichst Viele? Internetpräsenz ist hierbei ein wichtiges Mittel. Beispielsweise eine Facebook-Veranstaltung die regelmäßig aktualisiert wird und in der auch inhaltliche Sachen geteilt werden können, zahlt sich aus. Aber alleine hat eine Veranstaltung auf Facebook nicht den gleichen Einfluss wie direkte Mobilisierungen für Aktionen vor Schulen. Im Vorfeld zum letzten Schulstreik in Berlin 2015 haben wir an über 80 Schulen geflyert, plakatiert und kurze Kundgebungen gehalten. Dies sorgt dafür, dass Jugendliche direkt erreicht werden, die sonst nicht in der linken Szene ihrer Stadt rumhängen und mit dem Thema noch nicht vertraut sind. Darüber hinaus erreicht man nicht nur mehr Leute, man sorgt auch dafür dass in der Schule selber Diskussionen geführt werden. Mitschüler_innen, die gegen die Aktion oder gar Rassisten sind, werden gegen den Streik argumentieren und Gespräche eröffnen, die zur Politisierung und Mobilisierung der Mitschüler_innen genutzt werden können.


Und eine solche Mobilisierungstour ist auch nicht schwer zu starten. Das Material kann von lokalen oder bundesweiten Bündnissen verwendet werden, Boxen und Mikrofon müssen organisiert werden und schon kann’s losgehen. In den Pausenzeiten wird sich vor die Schule gestellt, Musik wird abgespielt, Flyer verteilt und zu einem günstigen Zeitpunkt ein kurzer Redebeitrag gehalten. Vorher oder nachher lohnt es sich noch um die Schule herum zu plakatieren, so dass die Schüler_innen auch nach der Kundgebung noch an die Aktion erinnert werden.


Das Gute an einer Mobitour: Man verteilt nicht nur die Materialien und bewirbt die Schulen, sondern hat selber auch einen Lerneffekt. Flyert man vor unterschiedlichen Schulen und spricht mit Schüler_innen über die Aktion, sieht man wo die Flyer gut ankommen und wo nicht, welche Schulen ein gutes Mobilisierungspotential haben und wie verständlich und überzeugend das Mobilisierungsmaterial ist.


Aber nicht nur Schüler_Innen können für den Schulstreik mobilisieren. Auch unsere Lehrer_innen können sich positiv wie negativ daran beteiligen. Interessierte Lehrer_innen, die den Streik beispielsweise unterstützen, können der Thematik im Unterricht Raum für Diskussion geben oder die Mobilisierung aktiv unterstützen. Aber auch Lehrer_innen oder Schulleiter_innen, die versuchen einen vom verteilen abzuhalten und gegen die Aktion wettern, bieten die Möglichkeit für einen positiven Auftritt.


An deiner Schule kann man keine Arbeit machen?


Du irrst dich gewaltig! Über das Verteilen von Materialien hinaus, kann an deiner Schule eine ganze Menge gehen. Hat man erstmal Materialen verteilt, lohnt es sich einen Aushang zu machen und sich mit interessierten Schüler_innen zu treffen. Hat man erstmal interessierte Mitschüler_innen mobilisiert, lohnt es sich Aktions- und Streikkomitees aufzubauen um gemeinsam an deiner Schule zu arbeiten. Wir von REVOLUTION helfen dir gerne dabei und haben darin auch schon einiges an Erfahrung gesammelt. Aber nicht nur kleine Kundgebungen, Diskussionsveranstaltungen oder der Aufbau von Komitees kann für die Mobilisierung genutzt werden. Laut dem Schulgesetz haben Schüler_innen das Recht Vollversammlungen abzuhalten. Diese geben die Möglichkeit vor der gesamten Schule Probleme zu thematisieren und in einen größeren Kontext zu setzten. Gibt es zum Beispiel Lehrer_innen, welche sich rassistisch im Unterricht äußern? Gibt es Mitschüler_innen von euch, welche von einer Abschiebung bedroht sind? All dies kann genutzt werden um euren Mitschüler_innen aufzuzeigen wie sehr das Thema Rassismus den Alltag bestimmen kann, auch wenn politische Themen für einen selbst oft den Anschein erwecken, man selbst oder seine Freund_innen wären davon nicht betroffen.


Die komplette Mobi ganz alleine machen?


Natürlich muss die Mobilisierung nicht alleine gestemmt werden. Umso mehr Organisationen im Boot sind und sich an einer Bewegung beteiligen, umso einfacher und breiter kann die Mobilisierung durchgeführt werden. Vor allem die Einbindung der großen Organisationen der Arbeiter_innenklasse (SPD und Linkspartei) spielen hierbei eine wichtige Rolle, die Bewegung in breite Schichten der Gesellschaft zu tragen und die Mobilisierung stark über das linksradikale Spektrum hinaus auszuweiten. Hierbei ist es jedoch sehr wichtig, dass sich revolutionäre Jugendliche nicht den Mund verbieten lassen von diesen großen Organisationen. Während der gesamten Vorbereitung, Mobilisierung und Aktion, muss klar sein, dass es sich um ein zeitlich begrenztes Bündnis und Aktion handelt. Über die gemeinsamen Materialen des Bündnisses, muss allen beteiligten Organisation erlaubt sein, ihre eigene Materialien zu verteilen, auch wenn in diesen die Politik von Organisation im Bündnis kritisiert wird. Nur so kann eine Bewegung aus der vollen Ideensammlung entscheiden, was der richtige Weg nach vorne ist.


Du hast Interesse an deiner Schule zu arbeiten und willst Unterstützung beim Aufbau eines Aktions- oder Streikkomitees? Dann melde dich bei uns! Schreib eine Nachricht an germany@onesolutionrevolution.de oder auf Facebook.

menschen




REVOLUTION vor Ort #1

Fulda

Fulda: Kundgebung gegen reaktionären Kongress

Von REVOLUTION Fulda

In Fulda fand vor kurzem der Kongress „Freude am Glauben“ statt. Dabei wurde offen für homo-, bi- und transgenderfeindliche Ideologien geworben. Gegen diesen Kongress hatte sich auch Protest organisiert an welchem REVOLUTION Fulda sich beteiligte. Unter dem Motto „Fulda ist bunt“ hatten sich ca. 30 Menschen versammelt um vor dem Esperanto zu demonstrieren. Gleich am Anfang tauchten einige alte Männer und Pfaffen auf um die Kundgebung mit ihren Kameras zu fotografieren. Unsere Kundgebung begann mit einer guten und informativen Rede, die hauptsächlich aufklären wollte. Es kamen nach und nach jüngere Gläubige und auf Grundlage unseres Flyers, den wir verteilt hatten, kam zu einigen Diskussionen. Einige junge Menschen wollten den Kongress verteidigen und haben sich relativ klar von dem offenen Hetzen gegen LGBTIQ-Personen und auch von Hetze gegen Geflüchtete distanziert, aber die bürgerliche Familie verteidigt und behauptet, dass „man leider nicht alle aufnehmen könnte“.

Auch wenn uns bewusst ist, dass kleine Kundgebungen nicht ausreichend sind um effektiv gegen Diskriminierung von LGBTIQ-Personen zu kämpfen, sehen wir die Kundgebung als kleinen Erfolg an.

Suhl

Suhl: Störaktion gegen den Naziaufmarsch

Von Revolution Berlin/ Fulda

Am 17. August lief Südiga nach ihrer Sommerpause wieder auf. Neben Genoss_innen von REVOLUTION Fulda, waren auch Genoss_innen von REVOLUTION Berlin dabei um gegen die Neonazis zu demonstrieren. Der Kundgebungsort der Nazis war direkt vor einer Aufnahmestelle für Geflüchtete angemeldet, was die Faschisten dazu veranlasste, ihre Reden auf „Englisch“ zu halten. Highlights davon waren: „This ist not anymore funny“, „The money is over“ oder „This Land is insolvent“

Die Gegendemonstration, welche positiverweise von vielen Geflüchteten geprägt war, hatte die Redner der Faschos ausgebuht, beschimpft und mit Parolen wie „Geflüchtete bleiben, Nazis vertreiben“ kommentiert. Der MDR gab einem Geflüchteten die Möglichkeit sich in einem Interview zu äußern: „Wir wollen hier leben, wir wollen hier bleiben. Wir wollen Frieden“ und bringt damit die simple Hauptforderung der Geflüchteten nach einem sicheren Leben gut auf den Punkt. Wir müssen jedoch klar feststellen, dass die Mobilisierung der Linken sehr schlecht war. Mit 150 Leuten kann man einen Naziaufmarsch nicht blockieren und ist einer derart aktuellen und politisch wichtigen Frage wie der Flüchtlingsproblematik nicht würdig. Hier müssen die großen Organisationen der Arbeiter_innenbewegung gefragt sein, den Aufbau einer antifaschistischen Arbeiter_inneneinheitsfront aufzubauen um koordiniert und mit Selbstschutz gegen die Angriffe von Faschisten und Rassisten auf Flüchtlinge und deren Unterbringungen vorzugehen.

Köln

Köln: Solidarität mit Griechenland

Von Revolution Bonn

Am 03.Juli kam es in Köln zu einer Demonstration im Rahmen des europaweiten Aktionstages für OXI! und in Solidarität mit Griechenland statt. Trotz der relativ kurzfristigen Entscheidung zur Demonstration waren ca. 600 Menschen auf der Straße, unter ihnen auch viele junge Griech_innen.

Wir von REVOLUTION waren auch mit einer kleinen Anzahl an Genoss_innen vor Ort und konnten auf der Demonstration hunderte Flyer verteilen. Unsere Flugblätter kamen vor allem bei Passant_innen gut an. Von der deutschen Oma bis zum somalischen Geflüchteten. Gefreut hat uns auch, dass wir nicht nur einmal nach einem größeren Stapel Flyer gefragt wurden um diese auch noch an Freunde oder Familie weiterzugeben.

Wir sagen weiterhin OXI! Nein! No! Hoch die internationale Solidarität!

Lasst das Kapital und nicht die europäische Arbeiter_innenklasse und Jugend die Krise bezahlen!




Gemeinsam kämpfen, gemeinsam siegen: Solidaritätsdelegationen nach Griechenland

Die Lage in Griechenland spitzt sich von Tag zu Tag weiter zu. Mit großem Mut wehren sich viele Griech_innen gegen die Angriffe der Troika, nun werden sie sich auch gegen den Verrat durch Tsipras und die Führung SYRIZA´s wehren müssen. Dafür brauchen sie unsere europaweite Solidarität und Unterstützung.

Solidarität

Deshalb organisieren wir im August und September zusammen mit der Liga für die 5. Internationale, wie bereits 2012 und 2013, erneut Solidaritätsdelegationen nach Griechenland gemeinsam mit unseren englischen, schwedischen und österreichischen Genoss_innen. Wir werden Streiks, Demonstrationen und Aktivist_innen unterschiedlicher Bewegungen besuchen, um ihnen unsere Solidarität zu erklären, von ihren Kämpfen zu erfahren und zu lernen.

Öffentlichkeit

Während unserer Delegationen werden wir eingehend auf unserer Homepage durch Artikel und auf FB mit Bildern, Videos und Kurzbeiträgen berichten. Nach den Delegationen planen wir Informationsveranstaltung in allen Städten wo wir Ortsgruppen haben oder eingeladen werden zu berichten. Wenn du, deine Freunde oder deine Gruppe mehr erfahren wollt über die aktuelle Situation, dann schreibt uns und wir erzählen davon in eurer Stadt.

Koordination

Doch wir kommen nicht als Journalist_innen, sondern als Klassenkämpfer_innen nach Griechenland. Unser größtes Ziel ist es nicht über die Probleme in Griechenland zu berichten, sondern effektiv dagegen zu kämpfen. Dafür ist es notwendig diese Probleme europaweit anzugehen. Solidarität darf keine Floskel sein, sondern muss auf koordiniertem Widerstand beruhen. Deswegen werden wir in Griechenland für künftige Aktionen und Austausch Absprachen mit Organisationen und Initiativen treffen. In diesem Zusammenhang werden wir uns in unserer September-Ausgabe intensiver mit griechischen Jugendorganisationen und -gruppen beschäftigen.

Widerstand

Diesen Widerstand wollen wir auch in Deutschland entfalten. Doch dafür braucht es Organisierung. Gründet Solidaritätskomitees, die Informationsveranstaltungen organisieren, Aufklärung in Betrieb, Schule und Uni betreiben und dann Proteste auf die Straße bringen. Macht Druck auf die Gewerkschaften und die Linkspartei sich klar zu positionieren und entschlossen zu mobilisieren.

Unterstützung

Wenn du diese Arbeit unterstützen möchtest, dann bitten wir dich sie zu aller erst bekannt zu machen. Wir möchten dich auch herzlich dazu einladen dich bei uns zu melden, wenn du Materialien unserer Kampagne und Informationen möchtest oder uns einladen willst in deiner Stadt zu dem Thema zu sprechen. Außerdem würden wir uns natürlich auch über finanzielle Unterstützung freuen, denn wir überlegen auch griechische Jugendliche nach Deutschland zu bringen, um zu berichten und die oben genannten Dinge auch von ihrer Seite in Deutschland tun zu können, da wir eine kleine Organisation sind und die griechische Jugend unter noch viel erbitterterer Armut leidet, möchten wir die um deine Hilfe bitten.

Melde dich unter germany[ät]onesolutionrevolution.de




Revolutionäre Linke in ['solid] – Was tun die Sozialist_innen?

Am 4. Juli versammelten sich 46 Jugendliche der Linksjugend [´solid] in Hamburg. Linke Landessprecher_innen aus Hamburg und Rheinland-Pfalz hatten aufgerufen über die Perspektiven sozialistischer Politik in [´solid] zu diskutieren.

Beteiligt waren neben Aktivist_innen aus Berlin, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und einer starken Delegation von Mitgliedern der Sozialistischen Alternative Voran (SAV) auch Mitglieder von REVOLUTION, die ehemals in [´solid] Fulda organisiert waren.

Unter dem Druck der Rechtsentwicklung der Partei die LINKE und [´solid]s gründeten diese Jugendlichen die Revolutionäre Linke (im folgenden als RL abgekürzt) und nahmen eine Gründungserklärung an, mit der sie Jugendliche des Verbandes aufrufen gemeinsam „für einen klassenkämpferischen Jugendverband“ einzutreten. Ihr Ziel ist es „eine neue Generation junger revolutionärer Kräfte zu organisieren, die dazu in der Lage ist, den Kapitalismus zu stürzen und durch eine demokratische, sozialistische Ordnung zu ersetzen.“

Wir möchten gleich zu Beginn den Genoss_innen, zu ihrem Schritt die RL zu gründen, gratulieren. Unser Genosse Lukas Müller, der zu einem Sprecher der RL gewählt wurde, hatte seinerseits vor einem Jahr zur Gründung einer revolutionäre Fraktion in [´solid] aufgerufen und Versuche in Hessen in diese Richtung unternommen (1).

Die Gründung der RL ist bereits ein Erfolg. Doch es werden unweigerlich Konfrontationen mit dem rechten Flügel um die Antideutschen, aber auch dem reformistischen Zentrum der Organisation folgen. Daher ist es wichtig, dass sich die RL mit einer klaren Politik ausrüstet und organisatorisch gut aufstellt. Wir möchten mit unserem Artikel einen Beitrag dazu leisten.

Rechtsruck in [´solid] und LINKE

So stellt die Gründungserklärung gleich am Anfang fest, dass die „Linksjugend [’solid] diesem Anspruch [eine klassenkämpferische Organisation zu sein, Anm. der Red.] bei Weitem nicht gerecht wird. Karrierismus, sog. „antideutsche“ Positionen und mangelnder Bezug zu gesellschaftlichen Kämpfen sind in vielen Bundesländern zu beobachten.“ „In einigen Fragen, etwa der Haltung zu Auslandseinsätzen, Antirassismus und Feminismus oder der Einschätzung von SPD und Grünen, werden sozialistische Positionen nicht vertreten bzw. massiv angegriffen.“

An späterer Stelle wird im Bezug auf die LINKE festgestellt, dass „mit der Beteiligung an Landesregierungen mit bürgerlichen Parteien pro-kapitalistischer Politik innerhalb der LINKEN Tür und Tor geöffnet wurde: Beispielhaft stehen hierfür die Schuldenbremse, der Haushaltsvorbehalt, das Betreiben von Abschiebeknästen, Rüstungskonzernen usw. Auch andere Positionen, wie die Ablehnung von Auslandseinsätzen und Kürzungspaketen, wurden bei den Entscheidungen der Linksfraktion im Bundestag zu den Erpressungspaketen gegen Griechenland und dem Bundeswehr-Einsatz im Mittelmeer bereits massiv angegriffen oder ins Gegenteil verkehrt. Bei seiner persönlichen Erklärung beim Bielefelder Parteitag zeichnete Gregor Gysi den Weg für DIE LINKE in die Regierung vor: Zustimmung zu Rüstungsexporten, Auslandseinsätzen der Bundeswehr, Mitverantwortung in der NATO, Zustimmung zur EU.“

Vollkommen zu Recht stellt die RL fest, dass der Rechtsruck der Partei die LINKE im Zusammenhang mit den gewachsenen Bestrebungen und der realen Beteiligung an bürgerlichen Regierungen steht. Diese Entwicklung der LINKEN, hat auch zu einer weiteren Rechtsentwicklung in [´solid] geführt.

Die Darstellung hat aber auch eine wichtige Achillesferse. Sie geht davon aus, dass pro-kapitalistische Politik erst mit der Regierungsbeteiligung in der LINKEN salonfähig wurde. Doch die PDS, aber auch die WASG, die 2007 zur LINKEN fusionierten, waren beides Parteien, die bereits vorher an bürgerlichen Regierungen beteiligt waren oder daran ein Interesse hatten.

Reformismus ist pro-kapitalistische Politik in der Arbeiter_innenklasse

Die LINKE war und ist eine von Grund auf reformistische (2) Partei. Die PDS regierte bereits vor der LINKEN ab 2001 in bürgerlichen Regierungen wie z.B. in Berlin mit fatalen Folgen, die Privatisierungen und soziale Angriffe beinhalteten. Doch auch in den 90ern, geschweige denn ab 2007, war ihr Programm nicht revolutionär, sozialistisch oder antikapitalistisch.

Das Programm der LINKEN war nie auf den Sturz des Kapitalismus, sondern auf seine „Verbesserung“ und „Reformierung“ ausgerichtet. Insofern war die LINKE bereits seit ihrer Gründung eine pro-kapitalistische Partei. Wem diese Behauptung zu hart klingen mag, der sollte nach Griechenland schauen, wo das links reformistische Hoffnungsprojekt SYRIZA gerade mit aller Macht den Kapitalismus rettet – zulasten der griechischen und europäischen Arbeiter_innenklasse.

Natürlich war und ist die LINKE auch heute eine Partei, die Arbeiter_innen und Jugendliche organisiert, die sich gegen die Symptome des Kapitalismus wehren wollen. Aber eine Partei, die den Kapitalismus letztlich retten oder auf jeden Fall nicht stürzen will, kann keinen konsequenten Kampf gegen diese Symptome führen, geschweige denn mit ihren Ursachen Schluss machen.

Sie wird unvermeidlich eine Bürokratie, bestehend aus ParteifunktionärInnen, reformistischen Parlamentarier_innen und dem rechten Flügel an die Spitze der Partei drängen. Denn eine Partei, deren primäres Ziel der Kompromiss mit dem Kapital und seinem Staat ist, braucht zwangsläufig eine privilegierte Schicht von Verhandlungsführer_innen und Bürokrat_innen. Während die Basis weitestgehend passiv ist und das Programm mehr eine Wunschliste, als eine Handlungsanweisung, agieren die reformistischen Führer_innen weitestgehend autonom von den Interessen ihrer Basis. Nur so sind die meisten geschlossenen „Kompromisse“, man könnte auch sagen Verrat, wenn man sich z.B. die Abschlüsse der Gewerkschaften in den vergangenen Tarifverhandlungen oder die aktuelle Praxis in Thüringen anschaut, möglich.

Diese Politik führt nicht dazu, dass sich das Klassenbewusstsein im revolutionären Sinne hebt, sondern in den wirren der Sozialpartnerschaft eingefroren und in entscheidenden Momenten der Auseinandersetzung von der Führung verraten wird. Das aktuellste Beispiel hierfür ist der momentane Ausverkauf des „Nein“ zu den Spardiktaten in Griechenland.

Der aktuelle Rechtsruck ist also der inneren Logik der LINKEN und [´solid] geschuldet. Er ist die logische Konsequenz reformistischer Politik „in der Verantwortung“. Gleichzeitig stehen wir vor dem Problem, dass der Reformismus die vorherrschende Ideologie und Politik in der aktuellen Arbeiter_innenbewegung ist. Die SPD, die Gewerkschaftsbürokratie und zu einem gewissen Grad auch die LINKE führen große Teile der organisierten Arbeiter_innen an.

Haben Revolutionär_innen keine klare Einschätzung vom Reformismus, müssen sie also unweigerlich in der Auseinandersetzung mit diesen Kräften scheitern. Das ist insbesondere in einem Land wie Deutschland der Fall, wo der Reformismus so tiefe Wurzeln geschlagen hat.

Warum haben wir uns nun über zwei Seiten mit dem Thema Reformismus auseinandergesetzt? Soll es hier nicht um eine revolutionäre Alternative gehen? Ja, das soll es. Aber insbesondere für Jugendliche, die in einer reformistischen Organisation für andere Verhältnisse eintreten wollen, ist es unbedingt nötig sich klar darüber zu sein, was die größten Hindernisse dafür sind und wie sie aussehen.

Die Gründungserklärung der RL geht an keiner Stelle auf den Reformismus als eine politische Qualität ein. Selbst das Wort Reformismus wird nirgendwo auch nur erwähnt. Das ist ein politisches Versäumnis, das dringend behoben werden sollte, wenn die RL tatsächlich eine revolutionäre Zukunft haben möchte.

Inhaltliche Klarheit und Bestimmtheit

Das wichtigste Werkzeug in der politischen Auseinandersetzung mit dem Reformismus und in der politischen Praxis ist „inhaltliche Klarheit und Bestimmtheit“, ein selbst erklärtes Ziel der RL. Die Formulierung einer Gründungserklärung ist der erste, richtige Schritt dafür. Natürlich kann sie aber diese Aufgabe nicht vollkommen bewerkstelligen.

Es ist aber tragisch, wenn Genoss_innen der RL diese Gründungserklärung selbst als Programm darstellen. Die Gründungserklärung ist eine politische Willensbekundung, die wichtige Fragen für Sozialist_innen aufwirft und andere dazu einlädt diese gemeinsam zu beantworten. Hierin liegt ihre Berechtigung.

Ein Programm ist allerdings das gemeinsame Verständnis der Ergebnisse des bisherigen Klassenkampfes und die sich daraus ergebenden Perspektiven für die sozialistische Revolution. Es ist das Ergebnis einer Analyse der Klassenkampfverhältnisse in einem bestimmten Land innerhalb internationaler Verhältnisse. Und vor allem ist es für Revolutionär_innen eine praktische Handlungsanleitung. Das steht in scharfem Kontrast zu reformistischen Parteien und Jugendorganisationen, die ihr Programm kaum erwähnen, geschweige denn ihre Versprechen wirklich konsequent umsetzen.

Um einem weit verbreiteten „Missverständnis“ vorzubeugen, bedeutet das keinesfalls, dass Revolutionär_innen alle Maßnahmen des revolutionären Programms unmittelbar umsetzen könnten. Das revolutionäre Programm beschreibt eben nicht nur das zu einem gewissen Zeitpunkt „im Kapitalismus machbare“, sondern das für die Arbeiter_innen und die Revolution Notwendige. Wir möchten ein konkretes und krasses Beispiel anbringen, weil es in der Diskussion bereits gefallen ist – die Arbeiter_innenmiliz.

Wenn wir bereits heute im Programm von der Notwendigkeit der Zerschlagung des bürgerlichen Staates und der Revolution sprechen, tun wir gut daran. Bereits Rosa Luxemburg kritisierte die Reformist_innen vor mehr als 100 Jahren dafür, dass
„Die Bewegung alles, und das Ziel nichts“ (3) für sie sei. Sie legte eindrucksvoll dar, dass wer das Ziel nicht benennen würde, zwangsläufig keinen bewussten Weg zum Ziel darlegen könnte oder gar einen anderen Weg einschlagen müsste.

Wenn wir nun aber gegen den bürgerlichen Staat und für die Revolution sind, eine Einstellung die heute nur eine kleine Minderheit teilt, müssen wir dieser auch darlegen, wie dies bewerkstelligt werden kann. Es bedarf für die erfolgreiche Revolution Räte und Arbeiter_innenmilizen. Der bürgerliche Staat wird nicht freiwillig abdanken, alle die dies dachten, mussten dafür blutig bezahlen, wie die erste Revolution – die Pariser Kommune – gezeigt hatte. Wenn der bürgerliche Staat aber gestürzt ist, muss auch eine neue Gesellschaft aufgebaut und die Wirtschaft geplant werden. Dafür braucht es die Räte. Soll diese Gesellschaft verteidigt werden können, braucht es die von den Räten demokratisch kontrollierte Verteidigung der Revolution durch Arbeiter_innenmilizen.

Wenn wir nun heute von Arbeiter_innenmilizen und Räten sprechen, bedeutet das keinesfalls, dass wir heute bereits Räte oder Arbeiter_innenmilizen aufbauen können. Wer aber heute von Revolution spricht, muss auch darlegen, wie sie umgesetzt werden kann, denn revolutionäres Bewusstsein entwickelt sich nicht in „Etappen“. Es entwickelt sich auch nicht dadurch, dass man der Jugend das Programm in Häppchen serviert. Es muss vollständig und klar dargelegt werden. Das Programm spiegelt also eine gesamtheitliche Methode wieder, die man nicht zerlegen und beschneiden kann, um es verträglicher zu machen. Einige wird man sofort dafür gewinnen können, andere erst nach gemeinsamen Erfahrungen oder längeren Diskussionen. Wir sagen das bewusst, weil es wichtig ist, festzustellen, dass Revolutionär_innen heute in Deutschland sehr schwach sind. Sie können nur durch inhaltliche Klarheit und Bestimmtheit an Stärke gewinnen.

So wird das Programm auch durch die konkrete Entwicklung im Klassenkampf „verträglich“. Natürlich gehört dazu auch eine sinnvolle Vermittlung in täglichen Slogans und in der „Agitation“. Niemand von uns würde sich heute auf den lokalen Marktplatz stellen und eine ausführliche Rede an die umstehenden Passant_innen halten, warum sie sich sofort in Arbeiter_innenmilizen organisieren sollten – zumindest in Deutschland!

Wer aber heute in Freital oder anderen Orten, in denen Flüchtlingsheime brennen oder mit Schusswaffen von Rechten angegriffen werden, sich auf den Marktplatz stellt und die Notwendigkeit von antirassistischen Selbstverteidigungskomitees darlegt, liegt vollkommen im Recht damit. Ob der Slogan deshalb unmittelbar umgesetzt wird, ist eine andere Frage. Er ist aber unmittelbar notwendig. Zumindest eine Minderheit wird diesen Slogan aufgreifen und sich deshalb der revolutionären Organisation anschließen, selbst wenn sie zu schwach ist den Slogan auch tatsächlich zu verwandeln. Aber der Weg, der zum Ziel einer antirassistischen Gesellschaft dargelegt wird, sowie die nötigen Mittel, die vonnöten sind, können überzeugend genug sein.

Der Slogan kann aber nur erhoben werden, wenn man sich bewusst darüber ist, dass kein Vertrauen in den bürgerlichen Staat gelegt werden sollte, der letztlich zerschlagen werden muss… was uns zwangsläufig zurück zur Frage von Räten und Arbeiter_innenmilizen führt. Wir können den aktuellen Slogan, den wir auch propagieren sollten – nämlich das Recht auf Selbstverteidigung gegen rassistische Übergriffe und den Aufbau von Strukturen dafür – nur dann konsequent erheben, wenn wir im Programm auch die Frage von Arbeiter_innenmilizen aufgegriffen haben. Das ist unser Verständnis eines revolutionären Übergangsprogramms, denn das Nötige wird erst dann möglich, wenn man es artikuliert.

Wir halten es daher für eine Fehlentscheidung, dass sich das erste Treffen in Hamburg vorerst gegen unseren Vorschlag aussprach, die Erarbeitung und Diskussion eines alternativen revolutionären Programm zum Ziel zu setzen. Das liegt vermutlich daran, dass vielen Genoss_innen die Bedeutung eines Programms und auch seiner Inhalte bisher nicht vollkommen bewusst ist. Wir wollen es nicht als Vorwurf darstellen, sondern glauben vielmehr, dass der Umgang in reformistischen Organisationen wie [´solid] mit dem Programm der Grund dafür ist. Die Schuld kommt hier also dem Reformismus zu und nicht den Genoss_innen, die mit ihm politisch brechen wollen.

Reform des Reformismus…

Doch unter vielen Linken in [´solid], auch bei den Genoss_innen der SAV, gibt es die weit verbreitete Vorstellung, dass der Reformismus eine – im krassesten Fall unvermeidliche – Übergangsform zu revolutionärem Bewusstsein darstellen würde. So wird seitens der SAV die LINKE auch offiziell nicht als reformistische Partei charakterisiert. Das Gegenteil ist unserer Ansicht nach der Fall. Reformismus und revolutionäre Politik sind zwei unvereinbare politische Pole innerhalb der Arbeiter_innen- und Jugendbewegung, wie schon Rosa Luxemburg in ihrer Streitschrift „Sozialreform oder Revolution“ (4) darstellte.

Es ist natürlich keinesfalls ausgeschlossen, dass junge Arbeiter_innen und Jugendliche zuerst in einer reformistischen Jugendorganisation aktiv sind und daraufhin für revolutionäre Politik gewonnen werden. Zum Beispiel dadurch, dass sie sich in gemeinsamen Aktionen, einer „Einheitsfront“ aller linken Organisationen für ein bestimmtes Ziel und von der besseren Politik der Revolutionär_innen überzeugen können.

Es ist aber keine Notwendigkeit, dass Jugendliche durch die demoralisierenden Erfahrungen einer reformistischen Organisation gehen müssen. Unsere eigene Organisation, in der die meisten Jugendlichen vorher unorganisiert, sehr jung waren und zu einem beträchtlichen Anteil aus Arbeiter_innenfamilien kommen, ist dafür selbst ein Beispiel.

Es ist vollkommen richtig nun eine Revolutionäre Linke in [´solid] aufzubauen. Dies liegt aber weniger an unserer Einschätzung, dass [´solid] zu einer revolutionären Organisation „transformiert“ werden könnte. Gerade weil dies nicht der Fall ist, braucht es die RL.

Bereits 2007 sagte ein demoralisierter Jugendlicher auf dem bürokratischen Fusionskongress zur Linksjugend [´solid]: „Es hat keinen Zweck, den falschen Leuten das Richtige erklären zu wollen“ (5). Bedeutet: Es hat keinen Zweck gegen die Mühlen der Antideutschen und der durchaus gefestigten rechten Mehrheit in [solid] auf ewig anzurennen. Es hat aber einen Zweck alle, die wirklich eine revolutionäre, sozialistische Jugendorganisation anstreben, um die RL zu gruppieren. Die revolutionäre Auseinandersetzung mit „den Mühlen“ wird aber, für einige sogar recht schnell, die Unvermeidbarkeit eines Bruches aufzuzeigen – entweder indem die Mühle gebrochen wird oder in Form eines organisierten Austrittes.

Die Gründungserklärung hält in diesem Zusammenhang auch fest, dass wir „mithilfe offener Strukturen gerade Mitglieder ansprechen, die noch nicht „Politiker“ geworden sind und unsere Inhalte mit ihnen diskutieren. Gute Positionen eines Verbandes und eine kämpferische Linke in der Gesellschaft gewinnt man aus unserer Sicht nicht primär über einzelne Pöstchen, sondern nur, wenn wir kämpferische Inhalte an der Basis bekannt machen und dort aufbauen.“

Während es korrekt ist, das Hauptaugenmerk auf die Basis zu legen, was die Gewinnung von Mitgliedern der RL angeht, ist es gleichzeitig eine Illusion, der viele Mitglieder der RL nachhängen, dies ohne heftige Auseinandersetzungen mit den „Politikern“, „Karrieristen“, d.h. Der reformistischen Führung tun zu können.

Selbst wenn wir diese Auseinandersetzung nicht wollten, sie wird uns aufgezwungen werden. Ein Blick auf die Kommentarspalten der RL auf FB zeigt dies eindrucksvoll. Wir sollten sie aber führen. Wir wollen ja nicht nur die Basis für uns gewinnen, sondern ihr auch ein anderes Programm und eine demokratische, rechenschaftspflichtige und kämpferische neue Führung geben. Man könnte auch sagen, dass man das Wasser nicht kontrollieren kann, wenn man das Mühlrad nicht kontrolliert, dass immer und immer wieder auf das Wasser niederfährt.

Die Genoss_innen der SAV müssten das eigentlich gut genug wissen, nachdem ihre Schwestersektion in Großbritannien damals die Kontrolle über die Jugendorganisation der Labour-Party verlor. Die Socialist Party war nicht dazu bereit einen Bruch mit der Labour Party vollziehen. Die Konsequenz war, dass die reformistische Führung kurzerhand die gesamte Jugendorganisation auflöste, damit sie nicht Sozialist_innen in die Hände fällt. Die Basis für sich zu gewinnen ist also gut, es ist aber nicht alles.

In praktischem Bezug auf [´solid] stellen wir fest, dass die Entwicklung seit 2007 und die Fusion damals bereits ein politisches Trauerspiel für den linken Flügel war und zu einer Schwächung des linken Flügels führte. Darüber können auch die Darstellungen des linken Flügels nicht hinwegtäuschen, die immer wieder betonen, dass es an der Basis der Organisation linker zugehe, als auf den Bundeskongressen oder in der Führung. Einerseits kann man diese Aussage für alle Bundesländer bis auf einige Ausnahmen wie z.B. Hamburg, Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz stark bezweifeln. Andererseits wirft es auch die Frage auf, was das eigentlich für eine Organisation ist, in der die Führung eine grundlegend andere Politik betreibt, als ihre Basis es wünscht. Womöglich wäre dann die Basis gut damit beraten nicht nur „die Basis zu stärken“, sondern sich eine andere Führung zu geben. Sollte das nur durch den Aufbau einer neuen Organisation möglich sein, dann ist auch das ein Schritt, der notfalls getan werden sollte.

Diese Notwendigkeit ergibt sich gerade aus der Einschätzung der Gründungserklärung, dass wir in Zeiten zugespitzter Krise und imperialistischer Konflikte leben. [´solid] und die LINKE finden
auf keine dieser Herausforderungen die korrekten Antworten. Es ist aber wichtig, dass es eine wahrnehmbare Kraft gibt, die diese Antworten formuliert. Das ist wichtiger als sich endlose Gefechte mit Antideutschen und dem Rechten Flügel in [´solid] zu liefern.

Die Gründung der RL ist selbst ein Ausdruck davon, auch wenn sich viele Genoss_innen das aktuell nicht öffentlich eingestehen wollen. Es wäre aber ratsam sich das möglichst bewusst zu machen. Der rechte Flügel weiß es bereits und arbeitet mit Sicherheit an Gegenmaßnahmen. Es nicht zu tun, heißt sich im Zweifelsfall notwendigen politischen Mittel zu berauben, die die „Politiker“ und die „Karrieristen“ zweifelsohne auf ihre ganz spezielle Art und Weise einsetzen werden – gepaart mit bürokratischen Manövern, Tricks und Verleumdungen.

Wer ein gutes Beispiel dafür finden möchte, sollte genau nach Griechenland schauen, wo die Mehrheit der Basis SYRIZA´s die Politik des rechten Flügels keinesfalls unterstützt und selbst im Zentralkomitee die unmittelbaren Entscheidungen Tsipras abgelehnt wurden. Die Konsequenz war, dass der linke Flügel aus der Regierung und schon seit geraumer Zeit aus wichtigen Parteifunktionen gesäubert wird. Natürlich ist die „Linke Plattform“ in SYRIZA linksreformistisch, könnte man jetzt erwidern. Ja, das ist richtig. Wir sollten nicht die gleichen Fehler wie die linken Reformist_innen begehen, ist unsere Antwort.

Wir wollen aber darauf hinweisen, dass SYRIZA einen kleineren Apparat und weniger „Erfahrung“ im Umgang mit bürokratischer Manöver hat, als es die LINKE (und die alten Kader der PDS) tun. Trotzdem, die „Linke Plattform“ wäre gut beraten sich auf einen Bruch vorzubereiten und ihn nun zu vollziehen. Das gleiche gilt heute für die Revolutionär_innen in [´solid], sollten wir nicht in kurzer Zeit unter Beweis stellen können, die Mehrheit der Organisation für uns gewinnen zu können.

…oder revolutionäre Fraktion?

Für die RL stellt sich daher erneut die Frage des Programms, die wir zu Beginn aufgeworfen hatten. Will sie [´solid] für sich gewinnen, braucht sie dafür auch ein Programm, um einerseits den Reformismus herauszufordern und andererseits eine Alternative anzubieten, um die sie ihre Unterstützer_innen organisieren kann. Sollte die RL die Mehrheit gewinnen, was wir für weniger realistisch halten, bräuchte sie diese, um die Organisation mit ihr umzugestalten. Vor allem aber müsste sie damit nach Außen in Bewegungen und Klassenkämpfe eingreifen.

Sollte sie Jugendliche um sich sammeln können, aber in der Minderheit bleiben, würde sich unweigerlich auch die Frage eines organisatorischen Bruches mit [´solid] stellen. Wie aber sollte so ein Bruch vollzogen werden, wenn nicht auf der Grundlage eines eigenständigen Programms, das den zukünftigen Aufbau einer unabhängigen revolutionären Jugendorganisation vorzeichnet?

Wir denken, dass die wichtigste Aufgabe der RL ein entschlossenes Auftreten als aktive Fraktion sein sollte. Mit Klarheit und Bestimmtheit sollte die RL innerhalb und außerhalb [´solid]s für ihre Ideen werben und auf der Straße erkennbar dafür eintreten. Die RL sollte damit beginnen ein alternatives revolutionäres Aktionsprogramm zu formulieren, mit dem sie interessierte Jugendliche organisiert.

Die RL sollte nicht nur ein Netzwerk sein, sondern tatsächlich eine Struktur, die revolutionäre Mitglieder organisiert, die sich an den Debatten und Aktionen beteiligen. Wir würden dafür plädieren die RL nach „demokratisch-zentralistischen“ Aspekten aufzubauen. Es sollte die volle Freiheit der Diskussion in der RL geben. Gleichzeitig sollten gemeinsam beschlossene Aktionen und Initiativen auch gemeinsam von allen Mitgliedern der RL umgesetzt werden. Wir denken also, dass die RL eine Gruppe von Aktivist_innen sein sollte und nicht von Menschen, die sich einmal eingetragen haben.

Da die RL aber noch kein fertiges Programm hat und es unterschiedliche Strömungen in ihr gibt, würden wir dafür plädieren, dass die Diskussionen um das Programm und die Perspektiven der RL auch offen diskutiert werden können. Wir glauben, dass das nicht abschreckend, sondern gerade anziehend auf Jugendliche sein würde, die sehen, dass ein aktiver und offener Prozess stattfindet, der solidarisch, aber klar geführt wird.

Gleichzeitig sollten bis zur Fertigstellung eines Programms nur diejenigen Mitglied werden können, die für eine internationale sozialistische Revolution sind, für diese auch aktiv eingreifen wollen und mit der Gründungserklärung in weiten Teilen übereinstimmen.

Gemeinsam kämpfen, gemeinsam Siegen

Wir sehen, es liegen große Herausforderungen vor der RL, wenn sie ihrem Anspruch gerecht werden will. Wir von REVOLUTION möchten die Genoss_innen nach Kräften von Innen und Außen in den kommenden Auseinandersetzungen unterstützen. Wir rufen alle in [solid] dazu auf, die sich nach einer revolutionären Alternative sehnen, sich der RL anzuschließen.

Unsere Kritik soll daher nicht als Angriff auf die RL verstanden werden und wir distanzieren uns von allen, die ihn als solchen missbrauchen wollen. Wir denken, dass zum gemeinsamen Kampf auch die gemeinsame Diskussion über die dafür nötige Strategie gehört. Wir glauben, dass es von diesen Diskussionen noch viele geben wird um die revolutionäre Tradition in Deutschland wiederzubeleben. Und wir freuen uns auf die Meinung und die Antworten von Genoss_innen der RL.

Wir glauben, es ist gerade die erfrischende Offenheit und Klarheit des Marxismus, der in der Vergangenheit Millionen von Jugendlichen für den revolutionären Kampf um den Sozialismus begeisterte. Daran wollen wir heute zusammen wieder anknüpfen. Lasst uns gemeinsam für den Aufbau einer revolutionären Jugendorganisation in Deutschland eintreten!

Ein Artikel von Georg Ismael, Lukas Müller, Simeon Halter und Lars Filder, REVOLUTION Germany

(1) Siehe auch in der Broschüre von Lukas Müller speziell ab S. 15, speziell ab Seite 22: http://www.onesolutionrevolution.de/wp-content/uploads/2011/04/Solid-Polemik_Lukas_M%C3%BCller_2014.pdf
(2) Reformismus ist eine politische Strömung innerhalb der Arbeiter_innenbewegung. Sie ist eine Strömung, die sich in unterschiedlichen ideologischen und konkreten politischen Formen ausdrücken kann. Ihre soziale Wurzel, insbesondere in imperialistischen Ländern, liegt aber in der durch die Extraprofite der großen Monopolkonzerne gesicherten Besserstellung von Teilen der Arbeiter_innen, die Lenin als „Arbeiteraristokratie“ bezeichnete. Diese Schicht ist zwar oft gut gewerkschaftlich organisiert, aber neigt zum Konservatismus und der Illusion, dass die Übel des Kapitalismus reformiert werden könnten. Die Triebfeder reformistischer Politik in Deutschland ist daher die Sozialpartnerschaft und die Parlamentsarbeit, die selbst eine privilegierte Bürokraten-Schicht erzeugen, die diese Politik aus ihren ganz eigenen sozialen Interessen als Bürokratie verteidigen.
(3) Ausruf von Eduard Bernstein, der sich damit gegen die Zielsetzung der Revolution aussprach.
(4) Rosa Luxemburg, „Sozialreform oder Revolution“, ist ein Werk, dass im sogenannten Revisionismus-Streit in der Auseinandersetzung mit dem reformistischen Flügel ausgetragen wurde. Die Polemik richtete sich gegen Eduard Bernstein.
(5) Bericht über den Bundeskongress 2007: http://de.indymedia.org/2007/05/178406.shtml




Nein zur Kolonisierung Griechenlands! Nein zur Kapitulation von Tsipras!

Mit dem Abkommen von letzter Woche ist Griechenland faktisch zu einem Protektorat der Troika geworden. Alle wichtigen Entscheidungen – von der Kürzung der Renten, über das Arbeitsrecht bis hin zur erzwungenen Veräußerung des verbliebenen öffentlichen Eigentums unter der Aufsicht einer Treuhandanstalt europäischen Zuschnitts – werden nun unter Kontrolle von EU-Institutionen getroffen.

Der deutsche Imperialismus hat sich in allen Fragen durchgesetzt. Merkel und Schäuble hatten von Beginn an ein klares Ziel, das sie mit aller Härte, aller Entschlossenheit durchsetzen wollten – und fürs erste durchgesetzt haben. Mehr als je zuvor hat sich gezeigt, was die Europäische Union ist, wer die Eurozone beherrscht: der deutsche Staat, genauer, die herrschende Kapitalistenklasse, die er vertritt.

An Griechenland wurde und wird ein Exempel statuiert zur Neuordnung Europas. In der EU/Eurozone geht es nicht um einen imaginären „europäischen Geist“, eine „Friedensordnung“ oder gar soziale „Gerechtigkeit“ und „Gleichheit“. Es geht um die Formierung eines neo-liberalen, imperialistischen Projekts, eines von Deutschland geführten Blocks, der beim Kampf um die Neuaufteilung der Welt, um politische und wirtschaftliche Einflusssphären, ganz vorne mitmischen kann.

Zweifellos ist mit Griechenland der Kampf um die Neuordnung Europas lange nicht entschieden – ja er wird wahrscheinlich noch weitaus härter und bitterer werden, weil die wirtschaftlichen Verwerfungen des Kapitalismus zu weiteren krisenhaften Ausbrüchen führen müssen, weil Griechenland letztlich nur ein Vorspiel ist zu den viel größeren Volkswirtschaften Spaniens und Italiens.

Schäuble und Merkel haben die Syriza/ANEL-Regierung zur vollständigen Kapitulation gezwungen und faktisch eine „Regierung der nationalen Einheit“ herbeigeführt – eine Regierung freilich, die selbst in einem kalten Putsch unter imperiale Aufsicht gestellt wurde.

Schäuble und Merkel hätten diese Politik nicht so durchziehen können, wenn die anderen Regierungschefs und Finanzminister der Eurozone (und auch der EU) sich nicht der deutschen Führung gefügt hätten. Taten es die einen geradezu euphorisch, so spielte die französische Regierung die Rolle des „Vermittlers“, der letztlich auch nur zähneknirschend das Diktat weiterleitet und beschönigt.

Diese Politik wäre unmöglich gewesen ohne die willfährige Komplizenschaft der europäischen Sozialdemokratie und der von ihr dominierten Gewerkschaften. Martin Schulz, dieser zum Grußdirektor des europäischen Imperialismus gewordene EU-Parlamentspräsident, verlor kurzzeitig die Contenance, als Tsipras und die griechische Delegation zu einem Volksentscheid über die Troika-Erpressung ausriefen. Jetzt ist Schulz wieder glücklich, habe doch allen Ernstes die „Demokratie“ gesiegt, nachdem das Votum des griechischen Volkes mit Füßen getreten wurde. Siegmar Gabriel versuchte gar, Schäuble und Co. als Hetzer gegen die griechische Regierung rechts zu überholen – was, wie so oft bei diesem politischen Geisterfahrer, in einem Crash auf der Gegenfahrbahn endete.

Die Gewerkschaftsführer Europas verzichteten auf solche real-satirischen Einlagen. Sie sahen ihre „Hände gebunden“. Schließlich hatte der griechische Gewerkschaftsdachverband GSEE bei der Volksabstimmung zum Ja für die Troika-Auflagen aufgerufen – und diesen KollegInnen wollte man nicht „in den Rücken fallen“. So machten die Gewerkschaftsbonzen, was sie bei allen großen politischen Fragen am liebsten machen – nichts – und fielen statt den griechischen Bürokraten den Lohnabhängigen in den Rücken. Allenfalls schicken sie einen Bettelbrief an Schäuble, Merkel oder Juncker oder hoffen auf die Heldentaten eines Hollande.

Die Sozialdemokratie und Gewerkschaftsführungen haben die griechische Bevölkerung nicht nur im Stich gelassen. Sie tragen auch eine politische Hauptverantwortung dafür, dass das Gift des Chauvinismus, der anti-griechischen Hetze in Deutschland und vielen anderen Ländern Europas so greifen konnte.

Schließlich war auch die Griechenlandsolidarität der „Europäischen Linkspartei“ wenig mehr als unkritische Unterstützung der Regierungspolitik von Syriza/ANEL und Parlamentsreden. Mobilisiert hat sie mit angezogener Handbremse. Parteien mit zehntausenden Mitgliedern brachten gerade ein paar Hundert, allenfalls ein paar Tausend ihre GenossInnen auf die Straße.

Wahrlich, Merkel, Schäuble und Co. hatten „Gegenspieler“ in Tsipras und seiner Regierung, die vor allem nicht aus ihrer Mannschaft fliegen wollten. Die deutsche Regierung hingegen verfolgte ihre Interessen konsequent. Der Vorwurf, dass sie „die Europäische Idee“ verraten hätte, dass sie keinen „fairen Kompromiss“ gewollt hätte, trifft letztlich nicht Merkel, sondern alle jene, die dachten (oder sich selbst wider besseres Wissen vormachten und vormachen), dass es sich bei EU und Eurozone um eine demokratische Veranstaltung Gleicher handeln würde. Was diese KritikerInnen Merkel und Schäuble letztlich vorwerfen, ist dass sie als konsequente Sachwalter des deutschen Imperialismus, als entschiedene InteressenvertreterInnen der herrschenden Klasse agieren.

Die Politik der griechischen Regierung

Eine solch konsequente Vertretung ihrer Klasseninteressen hatte und hat im Gegenzug die ArbeiterInnenklasse Griechenlands nicht, ja nie gehabt. Die griechische Regierung unter Tsipras wollte immer schon einen „ehrenhaften Kompromiss“ mit den Gläubigern, der zu „Institutionen“ umgemodelten Troika. Im Februar 2015 unterzeichnete sie ein erstes Abkommen, eine erste Kapitulationsurkunde. Sie signalisierte durch Bildung einer Volksfrontregierung mit der rassistischen, rechten ANEL und die Wahl eines Staatspräsidenten aus den Reihen der ND, dass sie keinen Bruch mit der EU und dem griechischen Kapital anstrebte.

Auch als die Verhandlungen Ende Juni scheiterten und Tsipras ein Referendum über das Diktat der EU und des IWF ausrief, wollte er eigentlich keinen Bruch. Keine praktischen Vorbereitungen wurden von der Regierung unternommen, um das Land im Falle eines erzwungenen Grexit zusammenzuhalten.

So war die vollständige Kapitulation folgerichtig. Nun wird diese von Tsipras, seiner Führungsclique und der europäischen Linkspartei einschießlich etlicher „post-autonomer“ Linker auch noch verklärt. Er hätte, so erklärt Tsipras, noch Schlimmeres verhindert. Um „sein Land“ vor dem Ruin zu retten, wäre letztlich jedes Zugeständnis notwendig gewesen, um es in der Eurozone zu halten. All das sei bitter – aber letztlich alternativlos.

Damit tritt Tsipras das überwältigende Votum des griechischen Volkes, das Oxi vom 5. Juli, mit Füßen, das ein klares NEIN zu den Diktaten der EU und der Troika ausdrückt. Selten hat ein reformistischer politischer Führer in der europäischen ArbeiterInnenbewegung seine selbst proklamierten Ziele und Versprechen innerhalb so kurzer Zeit verraten, ins Gegenteil verkehrt.

Der Verrat ist freilich keine persönliche Angelegenheit. Eine ganze politische Strategie und Doktrin ist an den Interessen des europäischen Imperialismus zerbrochen, gescheitert. Erstens die Illusion, die „europäischen Institutionen“, die imperialistische EU zu einem Instrument sozialer Reform, gradueller Verbesserung zu machen. Zweitens die Vorstellung, dass die Alternative zum Neo-Liberalismus die Rückkehr zu einer keynesianischen Politik, zur Stimulierung der Wirtschaft mittels „Investitionsprogrammen“ und Stützung der Nachfrage der KonsumentInnen sei. Eine solche Strategie ist in der aktuellen Krisenperiode nicht „realistisch“, sondern utopisch. Die Alternative heißt nicht „Neo-Liberalismus oder Reform“, sondern kapitalistisches Krisenregime oder revolutionärer Bruch.

Nun bleibt Tsipras und seinen Parteigängern nichts übrig, als die ArbeiterInnenklasse, die RentnerInnen, die Jugend auf bessere Zeiten zu vertrösten. Derweil wird es weitere Kürzungen, Arbeitslosigkeit, Armut, Ruin geben. Derweil wird die griechische Ökonomie an das deutsche und internationale Finanzkapital verscherbelt. Politisch hat das faktisch zu einer „Regierung der nationalen Einheit“, einer politischen Zusammenarbeit mit ND, PASOK, Potami, also allen offenen „Troika-Parteien“, geführt.

Die einzige Hoffnung, dass Tsipras mit seinen neuen „Partnern“ das Abkommen mit der EU nicht durchsetzen kann, liegt in der Widerstandskraft der griechischen Bevölkerung, der ArbeiterInnenklasse und der Jugend. Mit dem Nein vom 5. Juli haben sie gezeigt, dass sie keine Unterwerfung unter das imperialistische Diktat wollen. Zugleich hat sich auch gezeigt, dass ein Nein an den Wahlurnen nicht ausreicht, sondern dass es auf der Straße und in den Betrieben durch eine Massenbewegung erkämpft werden muss.

Der Generalstreik am 15. Juli kann dazu ein Schritt sein. Aber befristete Streiks sind, wie die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, letztlich nur Formen des symbolischen Protests. Die Regierung wird das aussitzen und am nächsten Tag zur Umsetzung ihres Programms voranschreiten. Notwendig ist ein unbefristeter Generalstreik. Notwendig ist die Organisierung von Massenversammlungen in den Betrieben, an Schulen und Unis, in den Wohnbezirken, in Stadt und Land und die Wahl von Aktionsausschüssen, um eine solche Bewegung zu organisieren, zu lenken und zu leiten.

Unsere Solidarität und Unterstützung gilt allen politischen Kräften der griechischen Linken, die in der aktuellen Lage gegen das Diktat der Troika, gegen die Kapitulation der Syriza-Führung kämpfen und mobilisieren. Eine Einheitsfront der linken Kräfte in Syriza (Linke Plattform usw.), von Antarsya und, wenn möglich, der KKE ist notwendig, um jetzt gemeinsam gegen die Regierung zu mobilisieren. Ein Generalstreik in der aktuellen Lage könnte die Regierung und die Troika-Politik zu Fall
bringen. Zugleich wäre er ein Mittel, um Organe der Selbstorganisation in den Betrieben und Stadtteilen aufzubauen und zu Räten zu entwickeln.

Es würde auch erfordern, Selbstverteidigungsorgane des Streiks gegen Übergriffe von Polizei und Faschisten aufzubauen und Soldatenräte in der Armee zu schaffen, um sich gegen einen möglichen Militärputsch zu wappnen.

Eine solche Zuspitzung würde nicht nur die Frage des Bruchs mit der EU, der sofortigen Streichung der Schulden, der Einführung von Kapitalverkehrskontrollen aufwerfen. Sie würde auch Maßnahmen erfordern, die sich gegen den Kapitalismus richten: die entschädigungslose Enteignung der großen Banken und Konzerne unter  ArbeiterInnenkontrolle, einen Notplan zur Sicherung der Grundbedürfnisse der Massen. Kurzum, sie würde die Frage einer ArbeiterInnenregierung aufwerfen, die sich auf Räte und Selbstverteidigungseinheiten stützt, die herrschende Klasse enteignet und die Wirtschaft auf Basis eines demokratischen Plans reorganisiert.

Zweifellos ist ein solches Programm, eine solche Strategie heute schwer umsetzbar. Die Politik der monatelangen Verhandlungen mit der EU, der EZB, dem IWF, die ständige Vertröstung auf Verbesserungen im Rahmen des bestehenden Systems und die stetige Verschlechterung der Lebensbedingungen haben bei vielen Menschen zu Verzweiflung und Resignation geführt. Diese werden weiter um sich greifen, wenn es nicht rasch zu massenhaftem und entschlossenem Widerstand kommt, der den Menschen eine Perspektive bietet. Diese kann jedoch nur in der revolutionären, sozialistischen Umwälzung und im Kampf für ein sozialistisches Europa liegen. Dies ist schwer, sehr schwer zu machen angesichts der Entwicklung der letzten Jahre – aber sie ist die einzige Alternative zur vollständigen Niederlage.

Um den Widerstand gegen das Diktat der Imperialisten zu führen, ist ein Bruch mit der Regierung Tsipras, ein Bruch mit seiner Fraktion unvermeidlich. Eine „Einheit“ mit den Erfüllungsgehilfen von Merkel und Schäuble wäre selbst nichts anderes als die mehr oder minder kritische Unterordnung unter ebendiese Erfüllungsgehilfen. Natürlich sollte die Linke in Syriza die Partei den Rechten nicht kampflos überlassen, sondern auf einer Notkonferenz den Bruch herbeiführen. Vor allem aber gilt, es die politische Einheit mit der revolutionären und radikalen Linken außerhalb von Syriza – allen voran mit Antarsya – herbeizuführen, um eine neue, anti-kapitalistische, revolutionäre ArbeiterInnenpartei aufzubauen.

Eine Erklärung der NaO Berlin, 15.07.2015

nao-prozess.de




Griechenland: Bedingungsloser Widerstand – die einzige Antwort auf bedingungslose Kapitulation!

Nach 17-stündiger Sitzung in Brüssel haben Deutschlands „eiserne Kanzlerin“, Angela Merkel, und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble schließlich die vollständige Kapitulation von Alexis Tsipras akzeptiert.

Schon haben Demonstrationen in Athen stattgefunden, die ein deutliches OXI (NEIN) zu diesem unterwürfigen Ausverkauf artikulierten. Die einzige Hoffnung, um eine noch schlimmere soziale Katastrophe zu vermeiden, liegt darin, dass daraus eine Massenrevolte entsteht, die die seitens der Syriza-FührerInnen gesäte Verwirrung und Entmutigung überwindet und die Umsetzung dieser brutalen Angriffe auf ArbeiterInnen, RentnerInnen, Arbeitslose und Jugendliche verhindert.

Die Speerspitze einer solchen Revolte müssen Lohnabhängige und Jugendliche bilden. Die Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes, ADEDY, hat für Mittwoch zum Generalstreik im Öffentlichen Dienst aufgerufen. Können die Basismitglieder des Dachverbands der größten Gewerkschaft (GSEE) mit ihren SpitzenfunktionärInnen brechen, die nicht nur Tsipras’ Ausverkauf unterstützten, sondern ihn sogar anflehten, die Bedingungen der Troika anzunehmen, bevor er nach Brüssel abflog? Wird PAME, die kämpferische Gewerkschaft der Griechischen Kommunistischen Partei (KKE), zusammen mit anderen GewerkschafterInnen streiken im Aufbegehren gegen den großen Betrug?

Die Kräfte der – subjektiv – revolutionären Linken sowohl innerhalb Syrizas, deren Parlamentsabgeordnete mit „Nein“ gestimmt haben, wie außerhalb, in Antarsya, können und müssen jetzt eine entscheidende Rolle spielen. Das trifft auch auf die KKE zu, falls sie ihre sektiererische Politik überwinden kann.

Die trügerischen Reden Merkels und Hollandes in Brüssel mit ihren Behauptungen, drei weitere Jahre an Sparauflagen, massive Privatisierungen staatlicher Dienstleistungen und Industrien sowie die Beseitigung von Gewerkschaftsbefugnissen würden die griechische Wirtschaft wieder flott machen, werden bald entlarvt sein, wenn das Land tiefer denn je im Sumpf versinkt. Wenn es keine machtvolle Gegenwehr geben wird, können wir erwarten, dass die Truppen der Rechten, einschließlich der Faschisten, in einer Atmosphäre der Verzweiflung aufleben und gedeihen werden. Es gilt, keine Zeit zu verlieren.

Die Wiederkehr der Troika

Als Tsipras im Januar gewählt worden war, teilte er den RepräsentantInnen der Europäischen Zentralbank (EZB), der EU-Kommission und des IWF – der Troika – mit, sie sollten ihre Sachen packen, und viele frohlockten. Die Rückkehr der Troika nach Athen, wieder einmal für die griechische Wirtschaft zuständig, stellt nicht nur eine absichtliche Erniedrigung der Syriza-Regierung dar, sie trampelt vorsätzlich auf dem Mehrheitswillen des griechischen Volkes herum. Sie ist darüberhinaus eine Warnung an alle zukünftigen HerausforderInnen der Oberherrschaft Deutschlands und seiner engsten Verbündeten über die Eurozone.

Das enthüllt die Tatsache, dass die wirkliche Macht nicht in der parlamentarischen Demokratie liegt, sondern bei der Diktatur der Großbanken und –kapitalistInnen Londons, Frankfurts, Paris’ und Zürichs. Griechenland wird nicht nur alle Maßregeln, die von der Volksabstimmung Anfang Juli zurückgewiesen wurden, und zusätzliche Kürzungen befolgen müssen, sondern Vermögenswerte in Höhe von 50 Mrd. Euro werden in Gewahrsam genommen. Die Hälfte davon wird zur Rekapitalisierung und nachfolgenden Privatisierung der griechischen Banken verwandt werden, ein kleinerer Teil für mutmaßliche Investitionen innerhalb Griechenlands; der Rest wird als Deckung, zusätzliche Sicherheit für vollständige und pünktliche Erfüllung des weiteren Schuldendienstes vorgehalten. In Wahrheit bedeutet es einen wahrhaft blitzartigen Ausverkauf griechischer Vermögenswerte, See- und Flughäfen sowie von Grund und Boden.

Die Wirtschaft wird „liberalisiert“, Renten werden gekürzt, Hilfszahlungen abgeschafft, Berufsschutz wird aufgeweicht. Automatisch werden Ausgaben gestrichen, die Häfen von Piräus und Thessaloniki privatisiert. Die Troika wird ein Veto über zuvor erlassene Gesetze und Verordnungen erhalten, wieder in Kraft gesetzte gewerkschaftliche Rechte werden annulliert. Dies ist eine vollständige Zurückweisung des beschränkten Programms, auf dem Syriza gewählt wurde.

Dieses Ergebnis stellte von Beginn an das Ziel des deutsch angeführten europäischen Imperialismus’ dar. Es machte überhaupt keinen Sinn, mit ihm aus der Position völliger Schwäche heraus zu verhandeln, während die Reichen Woche um Woche Milliarden Euro außer Landes schafften. Ohne die Übernahme der Kontrolle von Griechenlands ökonomische Ressourcen, ohne aufzuhören, einen einzigen Euro an ausländische Banken und die Institutionen des Finanzkapitals zu zahlen und ohne die Vermögen der griechischen Oligarchen einzufieren, verfügte die Regierung über keine Machtmittel.

Illusionen und Verrat des Reformismus

Am 5. Juli errang Syriza 61 % für ein Mandat, das Sparpaket abzulehnen – und bot ein schlechteres Abkommen als das abgelehnte an. Das war ein klares Signal, dass Syriza reif für ein Abkommen zu jedem Preis war. Tsipras offenbarte, welches seiner zwei Politikversprechen, Schluss mit der Kürzungsorgie und Verbleib innerhalb des Euro, das echte war und welches eine listige Täuschung. Die ImperialistInnen behielten alle Asse in der Hand und wussten das. Deutschland musste lediglich die Daumenschrauben anziehen und Tsipras mit Schäubles Drohungen, Griechenland aus der Eurozone zu entfernen und kaum einen Euro behalten zu lassen, Angst einflößen.

Der „Plan B“ des Akademikers und Abgeordneten der Linken Plattform, Costas Lapavitsas; war um nichts besser. Tatsächlich war er eine Utopie: der „ausgehandelte“ Austritt aus dem Euro gründete auf der Annahme, Deutschland wolle Griechenland aus der Währungszone herauswerfen und dafür bezahlen. Das kam dem Angebot gleich, friedlich auszuscheiden im Gegenzug für einen goldenen Händedruck Schäubles. Natürlich stand das nie zur Wahl. Wie Tsipras’ Plan A verwarf Plan B auch nur den Gedanken an eine Mobilisierung der LohnarbeiterInnen in Verteidigung ihrer eigenen Interessen zugunsten von Kungeleien.

Ebenfalls ging Tsipras’ Strategie niemals auf, zwischen die Herrschenden der EU einen Keil treiben zu können und die Unterstützung eines Teiles von ihnen für keynesianische Maßnahmen zu gewinnen, um die krisenverschärfenden Sparprogramme zu ersetzen. Regierungen von Staaten wie Spanien, Portugal, Irland, Italien wollten Syrizas Strategie, ein Ende der Kürzungspolitik auszuhandeln, nicht unterstützen, nachdem sie jahrelang in ihren eigenen Ländern solche schmerzhaften Einschnitte umgesetzt hatten.

Wenn Syriza jemals damit rechnete, Frankreich und Italien würden sich gegen den deutschen Imperialismus stellen und Griechenland ein besseres Angebot machen, dann ist diese Illusion fürchterlich zerstoben. François Hollande führte eine Komödie auf, Schäuble zu überreden, Griechenland nicht aus der Eurozone herauszukatapultieren, während er die GriechInnen zum Nachgeben drängte. Innerhalb der Eurozone kann kein anderes Land Deutschland finanziell und ökonomisch herausfordern, wenn es drauf ankommt.

Angesichts dieser Unnachgiebigkeit weigerte sich Syriza, das Einzige zu unternehmen, welches das Aufzäumen des Sparzügels hätte aufhalten können: Nichtanerkennung der Staatsschuld, Übernahme der Kontrolle über Bankensystem und Produktionsmittel, Mobilisierungsaufruf an die europäische ArbeiterInnenklasse zu ihrer Verteidigung gegen Gewalt und Erpressung durch ihre Regierungen.

Doch hier ließ ein anderer Faktor die griechische arbeitende Bevölkerung schmählich im Stich: die europäische ArbeiterInnenbewegung. Gewerkschaften und sozialdemokratische Parteien tragen eine schwere Verantwortung, Griechenland, nicht zu Hilfe  geeilt zu sein. Die deutschen SozialdemokratInnen, die mit Merkel und Schäuble das Regierungsamt teilen, unterscheiden sich außer in ein paar Worten in Nichts von diesen imperialistischen RäuberInnen. Die SozialdemokratInnen im restlichen Europa unterstützten ihre Regierungen und Austeritätsprogramme und boten nichts außer Rhetorik zu Syrizas Hilfe an.

Was ist mit den europäischen Linksparteien? Wo war Podemos, das spanische „Syriza“? Obwohl es Mahnwachen und Demonstrationen gab, war es doch kein Vergleich mit den Massendemonstrationen vom letzten Jahr. Das ist ein Eigentor, wenn du wie Podemos im November eine Wahl auf Grundlage einer Politik gewinnen willst, die die Kürzungspakete ablehnt. Die unkritische Schmeichelei gegenüber Syriza, die so verbreitet in der Linken seit ungefähr letztem Jahr ist, brachte Lähmung mit sich, als eine entscheidende Niederlage für die ArbeiterInnen auf dem ganzen Kontinent in Brüssel drohte. Ohne radikale Erhebung in Griechenland und eine Welle an Solidaritätsaktionen im Rest Europas werden wir alle einen hohen Preis für unsere Untätigkeit zahlen.

Der Grad an Bestrafung Griechenlands durch den europäischen Imperialismus für dessen trotzige Herausforderung wurde ermöglicht durch die Passivität der Spitzen der europäischen ArbeiterInnenbewegung. Diese führenden FunktionärInnen, zu ängstlich, ihren eigenen Sparregimes ernsthaft entgegenzutreten, haben ihrem Konto an Feigheit und Verrat im kritischen Moment einen neuen Schandfleck hinzugefügt.

Die Lehren aus dem Verrat

Die Institutionen der EU und die Eurozone beziehen ihre Daseinsberechtigung aus der Durchsetzung der Dominanz einer Handvoll imperialistischer Mächte, deren stärkste in Bezug auf die Wirtschaftspolitik der EU Deutschland ist. Die Europäische Union, die Europäische Zentralbank, die Europäische Kommission usw. können nicht reformiert werden, sondern müssen europaweit entschlossen bekämpft werden mit dem Ziel,
sie zu Fall zu bringen und durch die Herrschaft der ArbeiterInnenklasse zu ersetzen.

Wesen und Ausmaß des Kampfes ist klar: keine reformistische oder keynesianistische Strategie führt zum Ziel, und keine Sektion des europäischen Kapitals hat sich von der neoliberalen Linie abbringen lassen. Ein Ende der Austerität auf absehbare Zeit heißt Sturz der kapitalistischen Klassendiktatur, die Griechenland pulverisiert hat. Das Haupthindernis für den Kampf ist die Führung der Klasse, die die Klassenkonfrontation vermeiden und sich an die „Realitäten“ des Neoliberalismus anpassen will.

Die europäischen linken Parteien und die Führung der Arbeiterbewegung sind nicht geeignet für diesen Zweck. Sie sind nicht nur unfähig, einen tragfähigen Widerstand in ihren eigenen Ländern zu mobilisieren, sie scheuen auch davor zurück, eine elementare europaweite Solidarität mit der Bevölkerung zu organisieren, der von der rücksichtslosen Kapitalistenklasse das Messer an die Kehle gesetzt wird und der klar gemacht werden soll, dass Widerstand zwecklos sei.

Europa – was tun?

Wir müssen ArbeiterInnenparteien aufbauen, die willens und imstande sind, einen Klassenkampf gegen Austerität zu führen, eine internationale Partei, die auf der Strategie des revolutionären Sturzes des Kapitalismus beruht.

Das Modell einer Linkspartei, die vorgibt, die Austerität nur durch die Übernahme von Posten bei Wahlen zu besiegen, vielleicht mit der Unterstützung von sozialen Bewegungen, nicht aber auf dem harten Weg des Klassenkampfes und der Machteroberung ist in Griechenland auf den Prüfstand gestellt worden und verheerend gescheitert.

Die Mehrheit der Linken in Syriza, nach den Stimmen im Parlament zu urteilen, war für eine unnachgiebigere Haltung, schreckte aber vor der Spaltung zurück und vor der Mobilisierung gegen den Ausverkauf. Das ist die historische Rolle des Linksreformismus, und jene ZentristInnen, die dem anhängen, reden zwar von Revolution, aber wenn es darauf ankommt, handeln sie wie ReformistInnen.

Mittlerweile ist es in Griechenland klar geworden, dass Tsipras eine Regierung der nationalen Einheit bilden will – jedenfalls in der Praxis, wenn auch nicht unbedingt unter diesem Namen. Dabei wird er sich auf die diskreditierten und eigentlich besiegten bürgerlichen Oppositionsparteien verlassen, die auf die Austerität eingeschworen sind. Gegen die Gefahr, das wirtschaftliche und politische System des Landes der direkten Verwaltung der Troika und den Pro-Austeritäts-Parteien auszuliefern, müssen sich die ArbeiterInnen, Arbeitslosen und die Jugend organisieren und das Land unregierbar machen für die Troika und ihre Gehilfen.

Dennoch können auch die Linken in Syriza, die es wagten, gegen den Verrat zu stimmen, sich einbringen, indem sie die Kräfte des Widerstands vereinigen helfen. Sie sollten alles daran setzen, die Basis von Syriza gegen die kollaborationistische Führung aufzubringen. Sie sollten alle Parteigliederungen aufrufen, die Kapitulanten zu verurteilen, eine Notkonferenz einberufen, die Führung davonjagen und gegen den Ausverkauf auf die Straße zu gehen.

Falls jedoch, wie gerüchteweise verlautet, Tsipras die Partei von den Linken säubern will, sollten sie alles tun, um sich mit der Linken außerhalb der Partei, besonders jener in Antarsya, zu vereinigen. Die erste Grundlage für die Vereinigung in einer neuen ArbeiterInnenpartei sollte ein Aktionsprogramm des Widerstands gegen die Troika und deren Regierung bilden. Darin enthalten sollten folgende Forderungen sein:

• Besetzung die Häfen und Flughäfen, Transportwege und Großindustrien unter ArbeiterInnenkontrolle!

• Organisierung von Aktionsräten, bestehend aus Delegierten von ArbeiterInnen und Jugend, um sich auf die Verteidigung gegen die konterrevolutionäre Reaktion vorzubereiten!

• Für einen allgemeinen, unbefristeten Generalstreik, um die Troika-Regierung zu stürzen und eine ArbeiterInnenregierung an die Macht zu bringen!

• Aufruf an alle sozialistischen und proletarischen Anti-Austeritäts-Kräfte, eine neue revolutionäre Kampfpartei des Widerstands gegen die kapitalistische Offensive aufzubauen!

• Internationale Solidarität und ArbeiterInnenmobilisierung in den imperialistischen Kernländern, um die Troika zu zwingen, von ihren Plänen abzulassen!

• Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa, um die kapitalistische Europäische Union zu ersetzen!

Eine Stellungnahme der Liga für die Fünfte Internationale, 14. Juli 2015




To the struggling Youth of Greece

We young students, workers and unemployed from all over Europe, but especially from Germany, declare our deepest sympathies and solidarity to you, the struggling youth of Greece.

We know how you have suffered under the crisis of the past years. And we know who’s fault this is.
It’s the fault of the Greek capitalists, but even more the big European imperialist powers with Germany at its heart who sent the Troika to Greece to impose cuts and attacks on the Greek working class and the youth of Greece.

In the past weeks we could see how the Troika tried to impose even bigger attacks. In the past weeks we saw how Merkel, Schaeuble and Co. tried to ashame the Greek people and take their dignity. They linked this to an outrageous hate campaign against the Greek workers and youth, they tried to let you feel isolated within Europe.

We want to let you know: You are not alone. We despise the German government, the EU bureaucrats and the banks and companies behind them as much as you do. We know as much as you do that it’s their fault we are in a deep crisis.

Now they want to divide us to let you suffer first and then go on to let us suffer all over Europe.
But we say „OXI“. We say „NEIN“. We say „NO“.

For millions of workers and youth all over Europe you are an inspiration. There are many German youth and young workers who don’t believe the lies of the media and politicians. Still, the long tradition of revolutionary thought is weak after decades of co-management and the rotten compromises of social democratic leadership. But there are a growing number of youth in Germany who recognize: „The main enemy is at home“.

We hereby declare to fight against this enemy, German imperialism and the capitalist rulers all over Europe, to help you breathe and fight against the capitalists in Greece more confident.

We want to encourage you to let them know on Saturday that Greece says „OXI“. OXI to the memoranda and OXI to the Europe of capitalist crisis.

We don’t want the rulers to kick you „out of Europe“. Instead we want to kick them out together. Don’t let us fight for national solutions. Let us coordinate, organise together for a struggle for the United socialist states of Europe. May the first flame of Revolution start from the rising fists of the Greek Youth!

REVOLUTION – international communist youth organization




OXI, NEIN, NO – Gegen Spardiktat und Kapital!

Für einen europaweiten Kampf, für die vereinigten sozialitischen Staaten von Europa

Am vergangenen Freitag platzten die Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und der Troika aus internationalem Währungsfond, Europäischer Union und der europäischen Zentralbank. Letztere versuchten Griechenland weitere Spardiktate aufzuzwingen, um im Gegenzug weitere Kredite auszuzahlen, mit deren Hilfe in den vergangenen drei Jahren Milliarden Euros an Schulden, insbesondere bei deutschen und französischen Banken, auf die Schultern der europäischen ArbeiterInnenklasse abgewälzt wurden. Die SYRIZA geführte Volksfrontregierung mit Beteiligung der rechtsnationalistischen ANEL versuchte einen Kompomiss mit der Troika zu verhandeln.

Doch die aktuelle Situation, die Tiefe der Krise haben deutlich gemacht, dass „ehrenwerte“ Kompromisse mit den KapitalistInnen, insbesondere in Griechenland, nicht mehr möglich sind. In Griechenland ist heute ganz praktisch die Frage von „Sozialismus oder Barbarei“ gestellt. Dass sieht jede/r der/die durch die Straßen Athens dieser Tage geht, wo Armut und Verelendung grassieren.

Das ist der tiefere Grund warum die Verhandlungen scheiterten. Darüber hinaus geht es der Troika darum ein Exempel zu statuieren. Selbst der begrenzte Protest seitens SYRIZA geht ihr zu weit. Es soll klar gezeigt werden, dass wer sich zur Wehr setzt, kein Gnade zu erwarten hat. Jede Hoffnung auf Alternativen und Veränderungen, und seien auch von refomistischen Illusionen behaftet, soll in Griechenland stellvertretend für ganz Europa im Keim erstickt werden.

Deshalb sieht sich die griechiche ArbeiterInnenklasse einer riesigen Hetzkampagne gegenüber. Die herrschende Klasse Europas will sie isolieren, die aktuelle Regierung von rechts stürzen und ihr – und damit der gesamten europäischen ArbeiterInnenbewegung – eine verheerende Niederlage beifügen.

Gleichzeitig organisiert die Regierung in Griechenland eine Volksabstimmung über die Spardiktate für Samstag. Gleichzeitig steigen die Mobilisierungen in Griechenland erneut an, sowohl seitens der rechten Opposition, als auch seitens der ArbeiterInnenbewegung.

Deswegen ist es gerade für uns als ArbeiterInnen und Jugendliche in Deutschland, dem Land dessen Kapital und seine Regierung ganz Europ zu erwürgen drohen, das Gebot der Stunde in Solidarität mit der griechischen ArbeiterInnenbewegung auf die Straße zu gehen. In den aktuellen Streiks, den aktuellen politischen Auseinandersetzungen gegen Rassismus oder bei den Protesen gegen den G7 Gipfel in Garmisch können wir sehen, dass was die KapitalistInnen in Griechenland durchsetzen wollen, auch gegen uns durchgesetzt werden soll.

Wir rufen daher alle linken ArbeiterInnen- und Jugendorganisationen, die Gewerkschaften und die LINKE dazu auf gemeinsam am Freitag mit uns bundesweit Demonstrationen und Kundgebungen in Deutschland zu organisieren. Wir müssen ein klares „OXI“, ein klares „NEIN“ der deutschen Regierung entgegenrufen. Ein Nein zu den Spardiktaten. Ein Nein zu dem Versuch die kapitalistische Krise auf uns abzuwälzen. Ein Nein zu dem Versuch die europäische ArbeiterInnenklasse zu spalten, um die griechische Bevölkerung zu ermuntern am Samstag mit Nein gegen weitere Sparmaßnahmen zu stimmen.

Was wir brauchen ist ein deutschlandweiter Aufbau von Solidaritätskomitees mit Griechenland und Komitees gegen die Krise. Was wir brauchen ist auch europaweit koordinierter Widerstand, an dem sich nicht nur kleinere linke Organisationen, sondern alle ArbeiterInnenparteien und Gewerkschaften Europas konsequent beteiligen.

In diesen Widerstand wollen wir folgende Forderungen tragen:

– Für die komplette Streichung der Schulden. Die Banken und Konzern sollen die Krise bezahlen, nicht die ArbeiterInnen in Griechenland und Europa.
– Für die entschädigungslose Enteignung der Banken und ihre Zusammenführung zu Staatsbanken unter ArbeiterInnenkontrolle.
– Für die Enteignung aller Konzerne, die Entlassungen oder Schließungen androhen unter ArbeiterInnenkontrolle.
– Für massive Pogramme öffentlicher Arbeiten in Gesundheit, Bildung und Infrastruktur, bezahlt durch die massive Besteuerung der Reichen und unter Kontrolle der ArbeiterInnen, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und den ökonomischen Zerfall zu verhindern.
– Für den Bruch von ArbeiterInnenparteien wie SYRIZA mit ihren bürgerlichen Koalitionspartnern und die Errichtung von Arbeiterregierungen, die sich auf die Mobilisierungen und Organe ihrer Klasse stützen.
– Nein zum Europa des Kapitals, Nein zu nationalistischer Spaltung und Hetze, für die vereinigten sozialistischen Staaten von Europa!

Ein Aufruf von REVOLUTION Germany




Der Streik: Ein politisches Mittel?

Wir erleben in Deutschland gerade eine der größten und breitesten Streikwellen seit langem. Die wohl bekanntesten Streiks fanden bei der Deutschen Bahn statt, durchgeführt von der Gewerkschaft deutscher Lokführer (GdL) statt, außerdem wurde auch in Kindertagesstätten, in Vertriebszentren des Konzerns Amazon und zuletzt bei der Deutschen Post die Arbeit niedergelegt.

International sieht es ähnlich aus: ob in Griechenland mit dem letzten Generalstreik gegen Ende 2014, den Streiks der Fluglotsen in Italien, bei den Aktionen der McDonald´s-Beschäftigten in den USA, den besonders kämpferischen Demonstrationen der streikenden Eisenbahner_innen und Hafenarbeiter_innen Anfang 2015 in Belgien oder bei den unzähligen Streiks der Arbeiter_innen in China; überall auf der Welt entscheiden sich Lohnabhängige für das Kampfmittel des Streiks. Und dafür gibt es gute Gründe.

Warum streiken?

Während auf der einen Seite deutsche Unternehmen neue Rekordgewinne einfahren und Deutschland in den bürgerlichen Medien wieder als „Exportweltmeister“ abgefeiert wird, haben immer mehr Menschen mit Armut zu kämpfen. Denn damit die Kapitalist_innen ihre Profite bekommen können, muss bei den Arbeiter_innen gekürzt werden. Die Höhe der tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeit stieg in den vergangenen Jahren, die reale Lohnentwicklung sank in den letzten 10 Jahren um 3,3%. Außerdem wird die zu leistende Arbeit immer anstrengender. Gerade in den Niedriglohnbereichen, bei denen Spätschichten und kurze Pausenzeiten bei teilweise Knochenarbeit dazugehören, führt dies zu einer ansteigenden Belastung für die Arbeiter_innen. Mittlerweile gehören etwa ein Viertel der Beschäftigten in Deutschland zum Niedriglohnbereich. Es gibt also viele Menschen die mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden sind – Tendenz steigend.

Der Streik ist in dieser Situation eines der besten Mittel, um den Kapitalist_innen etwas entgegenzusetzen. Mit einem Streik lassen sich die Interessen der Arbeiter_innen meist besser durchsetzen als wenn sie bloße Forderungen bleiben. Ein/e Kapitalist_in in dessen/deren Betrieb gestreikt wird, kann gezwungen werden auf die Forderungen der Streikenden einzugehen. In Krisenzeiten stellen Streiks oft die einzige Möglichkeit dar, um überhaupt noch ökonomische Erfolge für die Lohnabhängigen zu erzielen. Je größer die Beteiligung der Arbeiter_innen und je wichtiger die Position, die der bestreikte Betrieb oder die bestreikte Branche in der Gesellschaft einnehmen, desto wirkungsvoller der Streik. Klar, wenn bei Daimler ein paar weniger am Band stehen fällt das erst mal kaum auf, wenn allerdings die Lokführer_innen streiken, wird der Streik zu einem wirksamen Kampfmittel und zum gesellschaftlichen Gesprächsthema.

Der politische Streik: Eine gesellschaftliche Waffe

Denn der Streik ist nicht nur ein gutes Mittel, um den Kapitalist_innen zu schaden und um den Arbeiter_innen bei Verhandlungen um höhere Löhne oder kürzere Arbeitszeiten eine Waffe in die Hand zu geben. Ein Streik und vor allem der Generalstreik (also der Streik möglichst aller Beschäftigten eines Landes), kann durch die Unterbrechung der Produktion von Profit sowie der Störung des gesellschaftlichen Lebens eine noch viel größere soziale und politische Kraft entfalten, als andere Formen des Protests (Demonstrationen, Besetzungen,…).

Durch eine gemeinsam durchgeführte Massenaktion werden die Arbeiter_innen aus ihrer Isolation gerissen und zu einer organisierten Einheit. Sie sehen, dass sie nicht alleine sind und gemeinsam ihre Rechte verteidigen und können. Vor allem durch gewonnene Kämpfe kann so das Bewusstsein der Klasse (sprich: Arbeiter_innen sehen sich als Teil des Proletariats in Abgrenzung zur Bourgeoisie) für ihre Möglichkeiten und Kämpfe enorm erhöht werden. Um aber ein politisches Klassenbewusstsein (die Klasse begreift sich als politische Kraft) zu schaffen, müssen die ökonomischen Kämpfen (Streiks um z.B. höhere Löhne) mit den politischen Kämpfen verbunden und kombiniert werden, ebenso müssen die einzelnen Streiks zusammengeführt werden. Ein unbefristeter, europaweiter Generalstreik könnte z.B. verbunden mit der politischen Forderung „Streichung der Schulden Südeuropas – Wir zahlen nicht für eure Krise!“ dieses Ziel auch erreichen. Dies ist auch ein gutes Mittel gegen Sozialpartnerschaft und Standortpatriotismus. Damit meinen wir die Politik, die seit langem von den reformistischen Parteien, Gewerkschaften und Organisationen auf dem Rücken ihrer Wähler_innen und Mitglieder betrieben wird. Die Parteien drücken Kürzungen in allen sozialen Bereichen durch, während die Gewerkschaftsführungen die Basis still halten und gleichzeitig mit der Bourgeoisie einen Kompromiss aushandeln. Das tun diese Führungen, weil sie selbst weitaus mehr verdienen als wir einfachen Arbeiter_innen und Jugendlichen.

Eine zentrale Wichtigkeit zur Verhinderung von Verrat hat deswegen die Kontrolle des Streiks durch die Basis: Es braucht demokratisch gewählte und jederzeit abwählbare, rechenschaftspflichtige Streikleitungen, Verhandlungs- und Aktionskomitees sowie Vollversammlungen in den Betrieben auf denen Forderungen und Aktionsform beschlossen werden. Ein europäischer Generalstreik braucht eine europaweite Koordination der Arbeiter_innen!

Aufklärung nötig!

Aber trifft so ein Streik nicht auch häufig die Falschen? Natürlich ist es nicht toll, wenn wegen eines Streiks, z.B. im Nahverkehr, Menschen zu spät zu wichtigen Terminen kommen. Anstatt jedoch darüber zu meckern, dass sie zu spät zur Arbeit kommen, auf der sie selber ausgebeutet werden, sollten sich die Menschen lieber mit den Streikenden solidarisieren und erkennen, dass was dort erkämpft wird auch in ihrem Interesse steht. Dafür sollten seitens der Beschäftigten und Gewerkschaften breite Aufklärungskampagnen über die Ziele des Streiks gestartet werden, denn die bürgerliche Presse hat für Streiks oft nur Hetze übrig – weshalb sich dann auch Leute über Streiks beschweren.

Das Ziel bei einem Streik ist eine Verbesserung der Situation der Lohnabhängigen, nicht das Schaden von anderen Lohnabhängigen, auch wenn das von der bürgerlichen Presse gerne so dargestellt wird. Denn gäbe es keine Streiks und hätte es nie eine organisierte Arbeiter_innenbewegung gegeben, wären unsere Arbeitsbedingungen und Lebensumstände heute noch viel katastrophaler. Mindestlöhne, Krankenversicherungen, Kündigungsschutz sowie das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung und zum Streiken überhaupt, sind Dinge, die immer wieder gegen die Angriffe  der Kapitalist_innen und Regierung (wie. z.B. das aktuelle Tarifeinheitsgesetz das Streikrecht einschränken soll) verteidigt, und täglich neu erkämpft werden müssen.

Ein Artikel von Felix Ernst, REVOLUTION Leipzig




Kapital macht Mobil? Mobilität im Kapitalismus

Für uns Jugendliche und ArbeiterInnen ist es ungemein wichtig möglichst mobil zu sein um in die Schule, die Uni oder zur Arbeit zu kommen. Und auch in unserer Freizeit wollen wir noch irgendwie von A nach B kommen, zum Beispiel um FreundInnen zu treffen.

Damit hängen allerdings sehr viele Probleme zusammen.

Wer selbst entscheiden will wann und wohin er oder sie fährt braucht zwangsläufig ein eigenes Auto/Motorrad, etc. Allerdings ist das für viele jugendliche ArbeiterInnen nicht erschwinglich.

Angefangen beim Führerschein: Abgesehen davon, dass man hunderte Euros für Behördenkrams, dröge Theorie-Lektionen, bei denen wenig hängen bleibt und überteuerte Lernsoftware ausgeben muss, muss – wer einen Führerschein haben will – sich auch noch einiges an Zeit nehmen – was oft wegen beschissenen Arbeitszeiten und langen Wegen zur Fahrschule oder zum TÜV schwer genug ist.

Wer dann einen Führerschein hat steht vor einem noch viel größeren Problem: Den fahrbaren Untersatz bezahlen. Da kommt dann einiges zusammen, Kaufpreis, Versicherungen, Kfz-Steuer, Kraftstoff, Reparaturen, und, und, und.

Deswegen bleiben für viele nur die öffentlichen Verkehrsmitteln.

Und wer schon mal eine halbe Stunde im Regen auf einen verspäteten und überfüllten Bus gewartet hat um im Bus festzustellen, dass das Dauerticket seit gestern abgelaufen ist und ausgerechnet heute die KontrolleurInnen unterwegs sind, weiß wie grandios die öffentliche Beförderung im Kapitalismus ist.

Viele andere haben aber gar nicht die Möglichkeit einen Bus oder Zug zu nutzen – vor allem im ländlichen Raum wurden und werden viele Bahnstrecken stillgelegt und der Bus fährt allenfalls zwei Mal am Tag zur nächsten Schule und zurück. Da bleibt oft nur der eigene Führerschein, der Fahrdienst durch Eltern oder das Rad.

Der gesamte öffentliche Verkehr ist nicht vorrangig nach unseren Bedürfnissen gestaltet, sondern so, dass er am meisten Profit abwirft. Dadurch versuchen Verkehrsunternehmen beim Personal einzusparen, zu rationalisieren und schmeißen Strecken aus dem Fahrplan. Das ist nicht nur doof, weil wir damit womöglich weniger mobil sind, es geht auch zulasten der Verkehrssicherheit. Beispiele sind hier die Berliner S-Bahn Krise vor einigen Jahren, bei der wegen Sicherheitsmängeln in Folge von Einsparungen bei der DB hunderte Züge ausfielen oder die zeitweise Stilllegung des Mainzer Bahnhofs wegen Personalmangel.

Während Personal und Reisende unter Einsparungen leiden, jagen die Verkehrsunternehmen und Konzerne weiter nach Gewinnen.

Auch deswegen unterstützen wir den Kampf der GdL, der z.B. die Forderung nach einer Wochenarbeitszeitverkürzung enthält. Das bedeutet unterm Strich auch mehr Sicherheit, da die LokführerInnen weniger belastet sind.

Für uns als KommunistInnen ist aber klar, dass sich da noch einiges mehr ändern muss.

Die Einsparungen geschehen nicht aus Jux sondern weil Unternehmen in Konkurrenz zueinander stehen oder weil der Staat seine Ausgaben kürzen muss. Die Organisierung des Verkehrs folgt den Systemzwängen des Kapitalismus, so sind die Unternehmen ja z.B. durch Konkurrenzdruck gezwungen Löhne runter zu drücken um nicht von Rivalen abgehängt zu werden.

Deswegen müssen wir – die ArbeiterInnen, die Jugendlichen und Reisenden – die Organisierung des Verkehrs der kapitalistischen Profitorientierung entreißen und ihn nach den Bedürfnissen ausrichten.

Das bedeutet für uns die Verstaatlichung des öffentlichen Verkehrs. Was wir brauchen sind Kontrollen und Planungsausschüsse aus Fahrgästen und ArbeiterInnen, die demokratisch Linienpläne, Anschaffung neuer Fahrzeuge, den Ausbau von Bahnstrecken und eine bedarfsgerechte Taktung der Züge und Busse beschließen und planen.

Wir müssen weg vom System des individualistischen Verkehrs. Nicht nur weil dadurch extrem seltener schwere Verkehrsunfälle oder lange Staus auf Autobahnen passieren würden, sondern auch um durch eine massive Verringerung des Schadstoffausschusses einen wichtigen Teil zum Schutz unseres Planeten beizutragen. Das bedeutet auch die weitere Elektrifizierung des Schienenverkehrs, den Ausbau nachhaltiger Energiegewinnung und die Forschung nach weiteren, alternativen Energien.

Auch muss dafür gesorgt werden, dass allen die öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung stehen – für eine kostenlose Beförderung!

Bezahlen sollen das Ganze die, die seit Jahren den öffentlichen Verkehr zusammengestrichen haben, aber gleichzeitig sinnlose Prestigebauten wie Stuttgart21 in Auftrag gegeben haben, es sollen die bezahlen, die weiter an Kohle – und Atomenergie festhalten, es sollen die bezahlen, die spritfressende Autos bauen – kurz: Die Konzerne und Bosse sollen zahlen! Holen wir uns zurück, was sie uns in Form des Profits weggenommen haben!

Ein Artikel von Flo Wasser, REVOLUTION Zülpich