Auf einmal mitten in einer Bewegung – Massenproteste gegen Fahrpreiserhöhung in Brasilien

Ich bin kaum einen Monat in Sao Paulo und schon mitten in einer Bewegung gegen die Fahrpreiserhöhung des öffentlichen Verkehrs in Sao Paulo. Die Bewegung ist richtig gut, ich bin begeistert – aber zugleich empört über die Repression und die Berichterstattung in den Medien. Deshalb habe ich mich entschieden, diesen Bericht über die heutige Demonstration zu schreiben.

Es war heute, am 14. Juni, die dritte Demonstration, an der ich teilgenommen habe. Die Bewegung gefällt mir – und sie wächst. Das erste Mal, als ich teilnahm, kamen vielleicht 2.000 Leute. Das zweite Mal, letzten Dienstag, 8.000 und heute 15.000. Ich denke, die Bewegung hat eine gute Chance, die Rücknahme der Erhöhung zu erreichen, denn die regierende PT (Partido dos Trabalhadores, Arbeiterpartei) in Sao Paulo bekommt Probleme damit. Sie hat die Bewegung unterstützt, als sie noch in der Opposition war. Heute stellt sie den Bürgermeister und hat die Preiserhöhung selbst durchgesetzt. Diese Woche hat die Jugend der PT dazu aufgerufen, an den Demonstrationen teilzunehmen – gegen den eigenen Bürgermeister? Die PT hat sich beeilt zu erklären, dass Mitglieder der Partei als „Einzelpersonen“ teilnehmen könnten.

Heute waren zwei Fahnen der PT in der Demo zu sehen. Die DemonstrantInnen antworteten darauf mit: „Raus mit der PT!“ und „Hey, PT, fick dich!“ Außer der PT nahmen auch fast alle anderen bekannten linken Parteien und Gruppen an der Demo teil.

Beginn der Protestwelle

Die Demo begann um 17.00 Uhr im Zentrum von Sao Paulo, vor dem Teatro Municipal. Als ich ankam, war der Platz bereits brechend voll. Die Stimmung war super, kämpferisch, entschieden, aber auch diszipliniert. Ich war begeistert. Nach über einer Stunde „aufwärmen“ – Sprechchöre rufen und singen – ging die Demo los in Richtung Praca República, auch im Zentrum von Sao Paulo gelegen. Alle waren gut drauf, die Leute winkten aus den Fenstern der Büros und der Wohnungen. Das ist schon nicht mehr nur eine Demo der Linken, das ist schon eine Bewegung. Es geht auch nicht mehr nur um 20 Centavos (der Fahrpreis wurde von 3 Reais auf 3,20 Reais erhöht; ein Euro = 2,6 Reais). Später habe ich mit einem Demonstranten gesprochen. Er meinte zu mir, die 20 Centavos sind „der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.“ So ist es bei vielen Bewegungen, sei es bei S21, dem Arabischen Frühling oder jetzt in der Türkei. Es gibt viele Gründe, aber den Anlass kennt man vorher nicht.

Handverletzung durch GummigeschossIch rannte an die Spitze der Demo, um sie von vorn zu sehen. Ein tolles Bild. Als die Demo an der Kreuzung zur großen Straße „Consolação“ kam, war es super voll. Vielleicht sogar mehr als 15000. Die Demo machte an der Kreuzung halt, hielt eine Weile inne und rief Sprechchöre. Dann machte sie sich auf den Weg in die „Consolação“.

Der Gouverneur des Bundesstaates Sao Paulo, Alckmin (von der rechten Partei PSDB), hatte bereits angekündigt, dass die Demonstration unterdrückt werden würde. In den Zeitungen war zu lesen, dass die Polizei „hart durchgreifen“ werde. Als ich die Demo und die Masse sah, dachte ich noch, die Polizei wird sich das nicht trauen. Aber weit gefehlt.

Ich habe schon viele Demos erlebt, in mehreren Ländern. Aber das heute waren Szenen, wie ich sie aus dem Fernsehen aus Kriegen kenne. Als wir ein Stück gegangen waren, hörte ich die ersten Bomben (die Polizei wirft Bomben, um die Menschen zu erschrecken). Ich dachte, dass wäre eine Warnung. Aber direkt danach kam schon die Polizei von vorn und begann, Tränengas zu verschießen.

Die Polizei hatte den Befehl, die Demonstration zu unterdrücken – und sie machte ernst damit. Die Mehrheit der Demo floh von der Straße zu einer Tankstelle an der Seite. Die Polizei beließ es nicht dabei und attackierte sie auch dort noch mit Tränengas. Ein Teil, unter anderem ich, wollten zurück auf die Straße, um die Demo fortzusetzen. Wir kehrten zurück und riefen Slogans. Die Mehrheit musste von der Tankstelle fliehen und rannte zum nahegelegenen Platz, der „Praça Roosevelt“. Dann kam die Polizei auch von hinten und attackierte weiter. Ich war noch auf der Straße, und das Gas begann zu brennen. Ich wollte in die andere Richtung fliehen, als ich sah, dass die Polizei auch von dort kam. Jetzt schossen sie Tränengas von allen Richtungen. Ich drehte mich um und blickte auf die Straße. Die Leute rannten in alle Richtungen, zwischen dem Rauch konnte ich die Menge auf der anderen Seite der sehr breiten Straße erkennen. Ich blickte nach rechts: Polizei; nach links: Polizei. Ich dachte: Was jetzt? Der einzige Ausweg war der Platz auf der anderen Straßenseite. Ich begann zu rennen. Ich konnte kaum noch etwas sehen, meine Augen tränten, der Mund brannte, ich konnte kaum atmen. Ich musste unbedingt auf die andere Seite – koste es, was es wolle. Also rannte ich.

Doch die Polizei war auch schon auf diesem Platz. Tausende Menschen waren nun dort zusammengepfercht, es gab keinen Ausweg mehr – und die Polizei schoss weiter Tränengas – und inzwischen auch Gummigeschosse.

Plötzlich spürte ich etwas an meiner Hand. Ein irrer Schmerz. Nun erst merkte ich, dass es ein Gummigeschoss gewesen war. Ich sah einen blutigen Abdruck und fühlte meine Hand taub werden. Zum Glück hatte ich Wasser für mein Gesicht mit, das immer noch brannte. Viel Wasser. Welche Erleichterung! Ich schrie: „Verdammt, ist die Regierung hier von der Arbeiterpartei oder von einer faschistischen Partei?“ Ich bekam die Antwort, dass die Regierung von der PT ist, was ich natürlich wusste.

Wir schafften es, auf die andere Seite des Platzes zu fliehen, die Polizei verfolgte uns. Doch mir passierte (außer einer Kontrolle auf dem Heimweg) weiter nichts. Ich ging weiter mit ein paar anderen Leuten und zeigte meine Hand einigen schockierten PassantInnen mit dem Hinweis, dass diese Bilder nicht in der Zeitung kommen. Aber bald verließ mich der Mut, noch weiter zu gehen, meine Hand schmerzte. Den Rest des Abends verbrachte ich in einer Bar, wo im Fernsehen die restlichen „Kriegs-Szenen“ – live vom Helikopter gefilmt – gezeigt wurden.

Vorbereitete Repression

Die Medien und die Politik hatten diese Repression wohl vorbereitet. Während der Demo letzten Dienstag war ich direkt vor einem der Busse, die angeblich von den DemonstrantInnen angezündet worden waren. Doch ich glaube das nicht. Wir liefen auf der Straße, als da plötzlich dieser einsame Bus stand: verlassen, kein Fahrer, kein anderes Auto, nichts. Plötzlich fing der Bus Feuer. Alle um mich herum waren schockiert und wir machten, dass wir Abstand gewannen. Sofort war die Presse zur Stelle und lieferte die entsprechenden Bilder.

Heute passierte solch ein Vorfall noch einmal. Als ich vor der Polizei floh, sah ich wieder einen Bus, der brannte. Plötzlich sah ich Rauch vom Bus aufsteigen. Doch – der Rauch kam von innen. Es war niemand im Bus, der das in diesem Moment gemacht haben könnte. Das waren nicht wir. Das war vorher vorbereitet, das war die Polizei selbst.

Mittwoch brachten alle Zeitungen, dass die Demo am Dienstag super gewalttätig gewesen sei, dass sogar ein Bus angezündet und Polizisten angegriffen worden waren. Das Bild des brennenden Busses war groß in allen Zeitungen. Am Donnerstag kündigte der Gouverneur Alckmin dann an, dass diese Demos nicht mehr unter die Meinungsfreiheit fielen, sondern „Vandalismus“ seien, und dass er das nicht weiter zulassen werde. Der Bürgermeister Haddad (PT) widersprach dem nicht und bestätigte, dass die Polizei „angemessen“ gehandelt habe.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass auch Leute an der Demo teilnehmen, die sauer sind und Sachen kaputt schlagen, die ihren Frust raus lassen. Aber einen Bus anzünden, bei einer Demo gegen die Erhöhung der Fahrpreise des öffentlichen Verkehrs? Welchen Sinn sollte das denn für Demonstranten, ja selbst für den verrücktesten Abenteurer machen? Ich sah aus nächster Nähe, wie die Busse Feuer fingen – zwei Mal, ich habe an der Bewegung teilgenommen, ich sah die Reaktion in den Medien, des Gouverneurs, und ich war heute dort.

Die Regierung, sowohl der Stadt (PT) als auch des Staates (PSDB), wollen diese Bewegung unterdrücken, bevor sie zu einem Problem wird. Aber sie haben sich mit dieser Taktik heftig verzockt. Das Fass ist übergelaufen. Es geht längst nicht mehr nur um die 20 Centavos.

 Ein Artikel von Rico Rodriguez, REVOLUTION-Stuttgart




Türkischer Frühling – Taksim den Arbeiter_innen, Nieder mit Erdogan!

Seit fast einer Woche wird die Türkei von den größten Massenprotesten seit mehr als einem Jahrzehnt erschüttert. Was am vergangenen Freitag als friedlicher Protest gegen den Bau eines Hotels am Taksim-Platz begann, ist mittlerweile zu einer landesweiten Revolte gegen den Ministerpräsidenten Erdogan und die regierende AKP geworden. Mehr als das: die aktuellen Massenproteste in der Türkei schlagen Wellen weit über die Türkei hinaus.

Vom Protest am Gezi-Park …

turkey-gezip#2Als in der Nacht vom Sonntag, dem 26. Mai, die Bulldozer am Taksim-Platz rollen, um im nahegelegenen Gezi-Park Bäume zu roden, formiert sich der erste Protest. Der Park, der in Istanbuls Innenstadt liegt, soll einem Neubau weichen. Er soll Platz für ein Hotel und ein Einkaufszentrum schaffen, ein Symbol der AKP-Politik. Bereits jetzt wird prognostiziert, dass mehr als 11 Einkaufszentren in Istanbul Fehlbauten sind. Trotzdem sollen allein in den nächsten Jahren weitere 110 große Einkaufzentren errichtet werden, davon insgesamt 80 in Istanbul und der Hauptstadt Ankara.

Für die Herrschenden sind sie ein Zeichen der „Modernisierung“ und des wirtschaftlichen Aufschwungs. Für die arbeitende Klasse und viele Arme sind sie ein Ausdruck der neoliberalen Politik der konservativ-islamischen AKP-Regierung unter Erdogan, von dem viele behaupten, er wolle sich „Denkmäler“ mit diesen Bauten schaffen. Doch der Kompromiss der herrschenden Klasse mit Teilen des Kleinbürgertums und der Arbeiterklasse, der Wirtschaftswachstum im Gegenzug für politische Ruhe versprach, scheint nicht länger zu halten.

Der Krieg gegen die KurdInnen, das brutale Vorgehen gegen die Arbeiterbewegung bei Streiks wie vor kurzem in der Tabakindustrie sowie der immer schärfere Abbau von Pressefreiheit und demokratischen Rechten war der Boden, auf dem sich türkisches und ausländisches Kapital bereichern. Bereits im vergangenen Jahr gab es immer wieder vereinzelte Proteste – auch in nicht-kurdischen Gebieten – gegen diese Umstände.

Der Kampf um den Gezi-Park, der eine der wenigen Grünflächen Istanbuls und darüber hinaus ein wichtiger Bezugspunkt für die Arbeiterbewegung im türkischen Staat darstellt, war daher Auslöser, nicht Grund für aktuellen Massenproteste.

… zur landesweiten Revolte

Die ganze Woche über gibt es immer wieder Auseinandersetzungen mit der Polizei, die die Abholzung des Gezi-Parks mit allen Mitteln durchsetzen will. Sie benutzt Pfefferspray, nutzt Knüppel und brennt Zelte nieder. Nach kurzer Zeit kommen die DemonstrantInnen jedoch immer wieder zurück – mit mehr TeilnehmerInnen als zuvor. Zwischenzeitig sah es so aus, als könne das Vorhaben, den Gezi-Park zu roden, gestoppt werden, nachdem Parlamentarier der BDP, einer kurdischen Partei und der CHP, der nationalistisch-kemalistischen Oppositionspartei, nach der Baugenehmigung fragten.

turkey-gezip#1Doch der Schein trügt. Am Freitag, als sich bereits über 5.000 AktivistInnen, v.a. Jugendliche, im Park versammelt haben, greift die Polizei an. Die Gewalt ist derart massiv, dass nach Aussagen der AktivistInnen Menschen sterben. Die Polizei verschießt gezielt Tränengas – so dass die Projektile die Köpfe und Unterleiber der DemonstrantInnen treffen. Wasserwerfer, die mit Pfefferspray versetzt sind, werden eingesetzt. Doch der Rubikon ist überschritten. Die Gewalt, die vom Erdogan-Regime ausgeht, um den Park zu räumen, ist wie Öl im Feuer – es kommt zur sozialen Explosion.

Der Solidarisierungseffekt ist gewaltig. Innerhalb kürzester Zeit drängen Massen von Menschen aus den Arbeitervierteln Istanbuls auf die Straßen, insbesondere Jugendliche und Frauen sind in den ersten Reihen der Kämpfe zu sehen. Auch Teile des Kleinbürgertums solidarisieren sich. Clubs bleiben geschlossen, kleine Händler und AnwohnerInnen öffnen ihre Türen, um den Verwundeten zu helfen – selbst ein bekannter Fernsehmoderator lässt seine Sendung ausfallen und ruft offen zum Protest auf.

In stundenlangen Straßenschlachten, die von der Polizei mit unglaublicher Härte geführt werden, versuchen die DemonstrantInnen, den Park zu erobern und die verhasste Polizei zu vertreiben. So ist es ihnen am Samstag möglich, den Taksim-Platz zurückzuerobern. Mittlerweile hat sich der Protest auf rund 70 Städte ausgeweitet. Auch die Forderungen sind radikaler geworden. Immer öfter hört man Slogans, die den Sturz der Regierung fordern.

Doch auch die Gewalt seitens der Regierung nimmt zu. Auch wenn die Polizei vom Taksim-Platz fliehen muss, verlagert sie den Kampf in andere Stadtviertel. Hunderte werden verhaftet, viele sind schwer verletzt. Erdogans Ansprache war eine weitere Provokation, die klar machte, dass er keinen Kompromiss schließen will, sondern ein offenes Kräftemessen mit der Arbeiterklasse provoziert.

„Marodeure, Terroristen und Extremisten“ nennt er die Menschen auf den Straßen. Er hingegen sei ein „Diener des Volkes“. Kurz bevor er seine Auslandsreise antritt, lässt er zwar verlauten, dass untersucht werde, ob die Gewalt der Polizei „unverhältnismäßig“ sei, für die politischen Forderungen hat er allerdings nur Hohn übrig. Zu den Protesten am Gezi-Park sagt er folgendes: „Ihr wollt Bäume? Ihr könnt Bäume haben. Vielleicht können wir sogar welche in eure Gärten pflanzen.“ An dem Bau des Projektes will er aber auch nach tagelangen Emeuten nicht rütteln. Zugute kommt ihm zwar die Pressezensur und die Regierungstreue der meisten großen Medien, aber bei dem Ausmaß, dass die Proteste zu diesem Zeitpunkt angenommen haben, lässt sich nur noch wenig verheimlichen.

Falsche Freunde

Das liegt vor allem an der unglaublichen Solidarisierung mit dem Widerstand, der um sich greift. Auch den Informationsfluss kann Erdogan nur begrenzt stoppen, will er nicht das gesamte Internet lahmlegen, ein Schritt, der eine „Alles oder Nichts“-Situation provozieren könnte.

Das wollen auch Andere nicht – allen voran die heuchlerischen PolitikerInnen der USA und der EU. Nach Tagen blutiger Auseinandersetzungen beginnen sie anzumerken, dass die Gewalt „beunruhigend sei“, dass die „Verhältnismäßigkeit eingehalten“ werden müsste. So ließ die deutsche Bundesregierung über die Menschenrechtsbeauftragte Löning verkünden, dass sie „die Entwicklungen in Istanbul und anderen Städten in der Türkei mit Sorge“ verfolge. Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit seien in einer Demokratie „zentrale Grundrechte, die es zu wahren und zu schützen gelte. Besonnenheit und Deeskalation auf allen Seiten“ seien das Gebot der Stunde.

Vor allem sehen sie die Gefahr einer Destabilisierung der Regierung, die auch und besonders im Interesse der zentralen Imperialisten innerhalb der EU-Privatisierungen und der neoliberalen Politik durchgesetzt werden. Nicht die Gewalt des Staates an sich wird verurteilt. Sondern die Unverhältnismäßigkeit, die zu massivem Widerstand geführt hat, werden mit Sorge betrachtet. Doch Ähnliches passierte auch in Deutschland bei den Protesten in Frankfurt, wo mit massiver Polizeigewalt das Versammlungsrecht aufgehoben wurde.

Aber auch innerhalb der Bewegung gibt es falsche Freunde, namentlich die kemalistische Partei CHP. Sie mag zwar mit ihrem sekulären Anspruch als progressive Alternative gegenüber der AKP und Erdogan erscheinen, sozial gesehen ist diese Partei aber eine mindestens genauso große Bedrohung für die Bewegung, wie die aktuelle Regierung. Denn die CHP ist konsequente Verfechterin des Krieges gegen die kurdische Bevölkerung. Auch gegen die Privatisierungen und die Politik der AKP im Namen des türkischen Kapitals hat sie nichts einzuwenden, sie will sie nur auf anderem Wege erreichen – kurz: sie will selbst die Politik für das Kapital machen, anstatt dies der AKP zu überlassen.

Doch es gibt durchaus einen nicht unbedeutenden Fakt, der die CHP und die AKP unterscheidet. Die CHP hat durchaus starke Verbindungen in das Militär und die Generalität, die von der Beschneidung ihrer Befugnisse durch das Erodgan-Regime sicher nicht erfreut ist. So lange sich der Protest also gegen die AKP richtet, versucht sich die CHP als Opposition zu profilieren. Sollte es allerdings zum Sturz der Regierung kommen, würde sich die CHP unmittelbar, an der Seite des Militärs an die Spitze des Staates drängen – zumindest, wenn die Arbeiterklasse nicht selbst eine Alternative anzubieten und zu erkämpfen vermag.

Ein anderer falscher Freund ist der türkische Präsident Gül. Während Erdogan die Polizei gegen die DemonstrantInnen brutal vorgehen lässt, diese verhöhnt und jeden Kompromiss ablehnt, gibt sich Gül als der volksnahe Präsident. Er kritisiert die Polizei, fordert zum „Überdenken“ von Regierungsmaßnahmen auf und verklärt sich zum Verteidiger der „Demokratie“. Davon sollte sich niemand täuschen lassen. Gül kommt nicht nur aus derselben Partei wie Erdogan. Auch die Rollenteilung – hier der „harte“ und „böse“ Erdogan, dort der „verständnisvolle“ Gül – wurde in den letzten Jahren immer wieder geübt, um Protest gegen Regierungsmaßnahmen zu unterlaufen, indem durch Gül Kompromissbereitschaft signalisiert, die Maßnahmen der Regierung in der Substanz aber trotzdem umgesetzt wurden.

Für einen Türkischen Frühling der ArbeiterInnen
und der Jugend!

Momentan ist die Bewegung in der Offensive, sie ist im Wachsen und erobert Positionen. Doch schon bald wird sie an ihre Grenzen stoßen, wenn sie nicht eine klare Perspektive und eine organisierte Gegenmacht aufzeigen kann, die nicht nur Protest gegen die Polizeigewalt und die AKP darstellt, sondern beide auch ersetzen kann. Beides ist nicht mit Parteien wie der CHP, noch mit den „UnterstützerInnen aus dem demokratischen Westen“ möglich.

turkey-gezip#3Auch wenn die Arbeiterbewegung sowohl organisatorisch, als auch politisch stark zersplittert ist, so bietet die aktuelle Situation eine historische Gelegenheit, diese Schwäche zu überwinden.

So befinden sich seit Mittwoch, dem 5. Juni, etliche Gewerkschaften im Streik und haben zu Demonstrationen aufgerufen. Es ist aber unbedingt erforderlich, dass diese Streiks zu einem umfassenden und unbefristeten Generalstreik ausgedehnt werden. Dass auch viele Gewerkschaftsbürokraten das nicht wollen, ist nicht verwunderlich, aber kann gebrochen werden, sollte die türkische Linke unmittelbar für Versammlungen in den Betrieben und innerhalb der Streiks aufrufen, die Streikleitungen wählen, die der Basis verpflichtet sind.

Das gleiche ist unbedingt in den Stadtbezirken notwendig. Die Bewegung muss sich Organe schaffen, die sowohl dazu in der Lage sind, ihre Viertel gegen die Übergriffe der Polizei zu verteidigen, als auch Diskussionen zu führen und den weiteren Widerstand politisch zu organisieren. Ebenso unerlässlich ist es auch für die Arbeiterbewegung, unter den einfachen Soldaten Propaganda gegen das Regime zu betreiben, sie aufzufordern, sich nicht für Repression einsetzen zu lassen, und für Forderungen einzutreten, die einen Keil zwischen sie und die Generalität treiben, sowie mit den sozialen und politischen Forderungen der Arbeiterklasse verbinden.

Damit die Bewegung eine Perspektive hat, braucht sie klare politische Forderungen, die über jene nach Rückzug der Polizei und demokratische Reformen hinausgehen. Die mehr und mehr erhobene Forderung nach dem Sturz Erdogans muss auch mit politischem Inhalt gefüllt werden – nämlich mit der Frage, wer denn Erdogan ersetzen soll und mit welchem Programm. Eine CHP-Regierung würde nur bedeuten, vom Regen in die Traufe zu kommen.

Ein politischer Generalstreik, um die Polizeigewalt zu stoppen, die Bildung von Räte-ähnlichen Organen in den Stadtteilen und die Schaffung von Selbstverteidigungseinheiten, wären eine wichtige Basis für die Bildung einer Arbeiter- und Bauernregierung, die sich auf diese Organe stützen würde, denn eine Verschärfung des Kampfes und ein politischer Generalstreik würden die entscheidende Frage aufwerfen, wer herrscht – die türkische Bourgeoise oder die Arbeiterklasse. Die Beendigung des Krieges gegen die KurdInnen, der Privatisierungswellen und der sozialen Angriffe auf die Arbeiterklasse und die Mittelschichten sind auch mit einer noch so demokratischen kapitalistischen Türkei unvereinbar. Auch die Macht des Militärs lässt sich wohl unmöglich ohne revolutionäre Umwälzung brechen.

Sollte dies gelingen, sollte die Arbeiterklasse in der Türkei dazu in der Lage sein, sich auf Grundlage eines revolutionären Programms zu einer Partei zu formieren, dann würde das nicht nur die türkische Bourgeoisie hinwegfegen und unterdrückten Völkern wie den KurdInnen die Freiheit schenken. Es wäre auch ein mächtiges Leuchtfeuer für den Kampf in Europa – insbesondere in Griechenland – gegen die Krise. Im Nahen Osten wäre es ein Vorbild dafür, wie die Macht einer herrschenden Clique gebrochen werden kann.

Beteiligt Euch an den Solidaritätsdemonstrationen und Kundgebungen und Protestaktionen vor den türkischen Botschaften und Konsulaten! Die Massenrebellion in der Türkei braucht unsere Solidarität!

Ein Artikel von Georg Ismael, REVOLUTION-Berlin




Blockupy – This is, what bourgeois democracy looks like

Das Demonstrationsrecht wurde am 1. Juni zur Farce. Unter fadenscheinigen Vorwänden wurden hunderte GenossInnen im ersten Block der Demonstration nach nur einem Kilometer eingekesselt. Die Seitentransparente wären „zu lang“ und Sonnenbrillen, gar Regenschirme wären zur Vermummung (!) mitgeführt worden. Andere wiederum sollen gar einen Farbbeutel geworden haben.

Selbst die bürgerliche Presse fand diesen „Schutz der BürgerInnen“ „unverhältnismäßig“. Laut „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ – sicher keiner großen Sympathien für die Linke verdächtig – hätten sogar einige Polizeibeamte den „Einsatz nicht nachvollziehen“ können.

Bei Blockupy gehört dieses Vorgehen offenkundig zur Norm. Während im letzten Jahr die Blockaden untersagt, Hunderte festgehalten und auch kein Camp zur Übernachtung genehmigt wurden, zeigte sich die Repression in diesem Jahr an anderen „Schwerpunkten“. So wurden Berliner Busse mit DemonstrantInnen 6 (!) Stunden lang bei der Anreise durchsucht und die Flüchtlinge, die an den Aktionen teilnehmen wollten, zur Rückfahrt gezwungen. Bei der Aktion gegen Abschiebungen am Frankfurter Flughafen ging die Polizei überaus provokant vor, nachdem zuvor schon die Demonstration im Flughafen auf 200 Menschen eingeschränkt wurde.

Warum die Provokation?

Viele wundern sich, warum wurde dieses Jahr eine kämpferische Demonstration mit rund 15.000 TeilnehmerInnen – die Hälfe davon aus verschiedenen Spektren der radikalen Linken (Interventionistische Linke, Ums Ganze, A3-Bündnis, Migrantenorganisationen, kommunistische Organisationen, darunter Arbeitermacht und REVOLUTION, Gruppen aus dem NAO-Prozess), Gruppen aus dem Spektrum des Reformismus (Linkspartei, attac, Gewerkschaften) – nach nur rund einem Kilometer gestoppt wurde?

Die Abschlussdemonstration „endete“ so nach kurzer Strecke, aber erst nach vielen Stunden, weil sich die Bullen weigerten, den Kessel aufzulösen – und weil sich 15.000 DemonstrantInnen weigerten, auf das „Angebot“ der Bullen einzugehen, auf einer anderen Route weiter zu ziehen, und die Eingekesselten nicht im Stich ließen.

Dieser Akt der Solidarität und Einheit machte die Demonstration trotz der Provokation und Repression zu einem politischen Erfolg. Die Polizei und mit ihr die politischen Verantwortungsträger in Frankfurt und darüber hinaus wollten Blockupy und allen, die am Aufbau eine kämpferischen Bewegung gegen das kapitalistische Krisenmanagement arbeiten, eine Niederlage zufügen.

1. Sie wollten uns spalten in „Friedliche“ und „Krawallmacher“. Damit erlitten sie Schiffbruch. Selten wurde ein solcher Versuch von den DemonstratInnen so einhellig und entschlossen zurückgewiesen, als sie stundenlang ausharrten, Solidarität mit den Einkesselten zeigten und den „Rest“ der Demonstration gegen heftige Polizei-Angriffe, gegen Pfefferspray und Knüppel verteidigten.

2. Sie wollten DemonstrantInnen und AktivistInnen demoralisieren, in dem die Demonstration nicht nur nicht zum Endpunkt kommt, sondern ungeordnet auseinander strömt. Es sollte eine Gefühl der Ohnmacht, der Vereinzelung und des Misserfolgs erzeugt werden. Auch das gelang nicht, weil die gemeinsame Weigerung, ohne die Einkesselten nicht weiter zu ziehen, ein Gefühl des Zusammenhalts und der Solidarität erzeugte, die weit über Blockupy hinaus bedeutsam sein könnte.

3. Sie wollen zeigen, dass wir uns nicht wehren können – und doch haben wir die Demonstration stundenlang verteidigt. So hatte die Polizei nach mehreren Stunden Verhandlung, die Demonstration „aufgelöst“ und den nach dem Kessel folgenden Abschnitt mit Pfefferspray und Knüppeln angegriffen. Aber sie konnten das nicht durchsetzen. Die Ketten hielten – und damit die Manifestation.

Dieser Ausgang führte dazu, dass Blockupy trotz unbestreitbarer Schwächen letztlich ein politischer Erfolg wurde. Wir haben Solidarität gezeigt, wir haben gezeigt, dass wir unser Demonstrationsrecht verteidigen wollen – und auch dazu bereit und in der Lage sind.

Eine weitere Stärke von Blockupy war in diesem Jahr, dass neben der symbolischen Blockade der EZB am Morgen des 31. Mai auch Aktionen in der Stadt durchgeführt wurden. Zudem fand eine Demonstration am Frankfurter Flughafen statt, um gegen das rassistische Abschieberegime der BRD und der EU zu protestieren. Vor Banken und Immobilienbesitzern wurden wichtige Profiteure der Krise gebrandmarkt. In der Zeil, eine zentralen Einkaufsstraße, wurde vor Läden gegen die Überausbeutung der ArbeiterInnen in den Sweatshops der „Dritten Welt“ protestiert und Solidarität mit Beschäftigten bekundet, die ihrerseits mit immer geringeren Löhnen und immer mieseren Arbeitsbedingungen konfrontiert sind. Wir – Arbeitermacht und REVOLUTION – beteiligten uns aktiv an diesen Aktionen, v.a. an der Blockade von Karstadt, um den dort Streikenden unsere Solidarität in der aktuellen Tarifrunde im Einzelhandel zu bekunden.

Aber auch die zentralen Schwächen von Blockupy, die wir schon in unseren Beiträgen in der letzten Ausgabe der „Neuen Internationale“ (Strategische Fragen der Bewegung; Wie radikal ist die „radikale Linke“?) angesprochen haben, sind evident. Es fehlt an einer gemeinsamen, über die Aktion hinaus gehende Kampfperspektive. Es fehlt sowohl an konkreten Forderungen wie an politische Strategie. So ist Blockupy – wie auch andere, ähnlichen Manifestationen – zwar in der Lage, in Deutschland 10 bis 20.000 Menschen zu mobilisieren. Aber es ist bislang nicht fähig, eine dauerhafte Bewegung aufzubauen, die mit den Arbeiterkämpfen in Südeuropa verbunden ist und hier gegen die Angriffe von Kapital und Kabinett mobilisiert.

Angriff auf demokratische Rechte

Frankfurt hat hier gezeigt, dass die bürgerliche Demokratie im Kapitalismus eine Schönwetterveranstaltung ist. Auch wenn die ökonomische Misere hier längst nicht so ausgeprägt ist wie in Südeuropa, so zeigen selbst Tarifkämpfe wie jene im Einzelhandel und bei Amazon, dass auch hier längst nicht Schluss ist mit Angriffen auf die Arbeiterklasse, dass ein Billiglohnsektor längst etabliert ist. Auch wenn die Gegenwehr hier – nicht zuletzt mit partnerschaftlicher Hilfe der Gewerkschaftsführungen – weit zurück blieb, so verschärfen sich auch hier die Anzeichen einer weiteren Verschlechterung der sozialen Lage nach der Bundestagswahl.

Diese kommende Verschärfung des Klassengegensatzes und die sozialen Zuspitzungen, die unvermeidlich auch Abwehrkämpfe hervorbringen werden und neue Möglichkeiten zum Anschluss an eine wirklich europaweite Bewegung, sind der herrschenden Klasse, den KapitalistInnen, wie ihren politischen und polizeilichen Funktionsträgern nur allzu bewusst.

Wenn es jetzt im gegnerischen Lager auch Kritik an der Polizei gibt, wenn sich kaum noch ein bürgerlicher Politiker findet, der das Vorgehen der Polizei vollauf verteidigen will, so geht es ihnen aber v.a. darum, dass der Polizeieinsatz ein „unerwünschtes“ Ergebnis hatte – die Solidarisierung auf Seiten der DemonstrantInnen. Das ist, was bürgerliche PolitikerInnen und Presse stört, wenn sie von einem „unverhältnismäßigen“ Einsatz sprechen.

Allerdings steht die herrschende Klasse hier vor einem Dilemma. Die DemonstrantInnen gewähren lassen, kann und will sie erst recht nicht. Welches „Signal“ wäre es schließlich, wenn die EZB einfach blockiert werden könnte?, fragt ein Leitartikler in der FAZ. Der weitere Abbau demokratischer Rechte, auf dass die bürgerliche Demokratie vollends zur Farce wird, ist zur Durchsetzung des Krisenmanagements des deutschen und europäischen Großkapitals, zur Lösung der EU-Krise im Interesse des deutschen und französischen Imperialismus unvermeidlich. Wer dazu bereit ist, „Expertenregierungen“ in Griechenland, Italien und jedem anderen Land Südeuropas einzusetzen, um die Politik von Troika, EU und EZB zu exekutieren, der macht natürlich auch im eigenen Land nicht Halt vor weiterer Entdemokratisierung.

Der Polizeiapparat mag dabei in Frankfurt – vom Standpunkt einer möglichst friktionsfreien Herrschaftsausübung betrachtet – über die Stränge geschlagen haben. Das ist aber nur das unvermeidliche Resultat der Tatsache, dass ein autoritäreres Krisenmanagement noch mehr Befugnisse, noch weniger Kontrolle über den polizeilichen Repressionsapparat erfordern würde.

Es ist daher von größter Wichtigkeit, dass wir in den nächsten Mobilisierungen den Kampf um die Verteidigung demokratischer Rechte mit dem Kampf um unsere politischen und sozialen Forderungen verbinden. Einschränkungen des Demonstrationsrechts, willkürliche Durchsuchungen, Schikanen aller Art, Ausweitung von Polizeibefugnissen und Überwachungsmöglichkeiten sind letztlich präventive Akte gegen das Entstehen organisierter Gegenwehr. In der imperialistischen Epoche und zumal in einer Periode der historischen Krise des Kapitalismus wird selbst in den reichsten Ländern die bürgerliche Demokratie mehr und mehr zu einer leeren Hülle. Die Verteidigung demokratischer wie sozialer Rechte wird nicht nur überaus dringlich, sie muss zugleich geführt werden im Rahmen einer Perspektive, die über das bestehende kapitalistische System hinaus weist – im Rahmen des Kampfes für den Sturz des Kapitalismus und die Errichtung einer neuen, sozialistischen Gesellschaftsordnung.

Nach Blockupy ist vor Blockupy

In jedem Fall müssen solche Fragen nun in unserer Bewegung offen diskutiert werden. Im Februar 2014 steht die Eröffnung der „neuen“ EZB in Frankfurt an. Dort werden wir wieder und hoffentlich weitere Zehntausende demonstrieren und blockieren.

Doch wir müssen uns diesmal anders vorbereiten. Die Frage der politischen Ausrichtung der Bewegung, ihrer internationalen, v.a. europäischen Koordinierung, wie von lokalen Handlungsstrukturen und Aktionskomitees ist jetzt
akut. Im Herbst 2013 – möglichst rasch nach der Bundestagswahl – sollte daher eine bundesweite Aktionskonferenz aller linken Organisationen und Parteien, von Gewerkschaften, Blockupy-Bündnissen, Anti-Krisenbündnissen, Solidaritätskomitees mit Südeuropa usw. organisiert werden! Einerseits muss Blockupy 2014 eine internationale Massenaktion werden. Andererseits muss es einen wichtigen Schritt zum Aufbau einer Bewegung in Deutschland und einer internationalen Koordinierung über Blockupy hinaus leisten.

Ein Gastartikel von Martin Suchanek, Arbeitermacht, deutsche Sektion der Liga für die Fünfte Internationale




Zanon: Die Fabrik ohne Chefs

Zanon#1Die Arbeiter_innen der argentinischen Keramikfabrik Zanon wurden inmitten der Wirtschaftskrise von 2001 von der Schließung ihrer Fabrik bedroht. Gegen die Angriffe von Seiten des Staates und der Kapitalist_innen besetzten sie die Fabrik und führen seit inzwischen über 10 Jahren die Produktion unter Arbeiter_innenkontrolle weiter. Seither werden alle Entscheidungen in Versammlungen der gesamten Belegschaft beschlossen. 2009 wurde die Fabrik endgültig unter Arbeiter_innenkontrolle verstaatlicht. Von Beginn an haben die Kolleg_innen ihren Kampf nicht isoliert betrachtet, sondern Zanon zu einem Motor des Klassenkampfes gemacht. Denn „wenn wir eine Fabrik betreiben können, können wir auch ein Land betreiben“.

Raúl Godoy war einer der führenden Köpfe dieses Kampfes und Generalsekretär der Gewerkschaft der KeramikarbeiterInnen und -angestellten von Neuquén (SOECN). Heute teilt er den Parlamentssitz, den die Front der Linken und ArbeiterInnen (FIT) im Abgeordnetenhaus der Provinz Neuquén gewonnen hat. Am 25. Mai kommt er nach Berlin.

Die Reise von Raúl Godoy findet in einer Zeit statt, in der die Angriffe der herrschenden Klasse verschiedener europäischer Länder auf die lohnabhängige Bevölkerung immer schärfer werden. Aus dem Widerstand gegen diese Angriffe sind inzwischen verschiedene Erfahrungen von Selbstverwaltung und Produktion unter Arbeiter_innenkontrolle erwachsen. Die Tatsache, dass sich ähnliche Erfahrungen wie die von Zanon in den am meisten von der Krise betroffenen Ländern Europas zu entwickeln beginnen, zeigt, dass diese Erfahrung aufgearbeitet und verbreitet werden muss.

Aus diesem Grund befindet sich Raúl Godoy auf einer zweiwöchigen Reise durch Europa, wo er Paris, Barcelona, Athen, Thessaloniki und Berlin besuchen wird, um sich mit kämpferischen Sektoren der Arbeiter_innenklasse und der Jugend auszutauschen. Besonders hervorzuheben sind dabei die verschiedenen Erfahrungen der Selbstverwaltung von Fabriken, die von Schließungen oder Entlassungen bedroht waren, wie zum Beispiel die Metallfabrik Vio.me in Thessaloniki. Auch in Deutschland können und müssen wir davon lernen.

Wir von REVOLUTION untersützen diese Initiative und laden gemeinsam mit der Gruppe Arbeitermacht, den Interbrigadas, der Marxistischen Initiative, Red Brain, der Revolutionären Internationalistischen Organisation, der Sozialistischen Arbeiterstimme, der Sozialistischen Initiative Berlin und Waffen der Kritik zu der Veranstaltung ein.

Samstag, 25. Mai ab 18.00 Uhr im IG-Metall-Haus in Berlin in der Alten Jakobstraße 149 (U-Bhf. Hallesches Tor)




Alter Summit – Untersützt die Resolution des Widerstands

Anfang nächsten Monats findet vom 7. bis 8. Juni der so genannte Alter Summit, eine „Konferenz der sozialen Bewegungen Europas“, statt. Doch schon jetzt sieht es so aus, als würden die gleichen Reformisten und Gewerkschaftsbürokraten, die den Widerstand ebendieser sozialen Bewegungen im Kampf gegen die Krise in den letzten Jahren ausverkauft haben, den Alter Summit als Alibi-Veranstaltung zu nutzen, um sich gegenseitig auf die nächste Runde der Sozialpartnerschaft und des Klassenverrats einzuschwören. Wir wollen dem entgegentreten. Wir können zwar verstehen, dass viele Jugendliche sich nicht für Konferenzen interessieren, auf denen Bürokraten und Sozialdemokraten langweilige Debatten führen, die bereits im Vorhinein abgekartet wurden. Aber diese Konferenzen sind eben deshalb so, weil sie möglichst keine Beschlüsse für den Klassenkampf fällen sollen. Gerade wir Jugendlichen werden durch die Gestaltung dieser Konferenzen und die reformistische Kontrolle in ihrer Vorbereitung bewusst ausgeschlossen. Deshalb haben wir den folgenden Brief und eine Resolution verfasst, die wir auf den Alter Summit nach Athen tragen wollen. Wir fordern alle jugendlichen Aktivist_innen und Organisationen auf, die für einen europaweit koordinierten Widerstand gegen die Krise sind, sich mit uns in Verbindung zu setzen, unsere Resolution zu unterzeichnen und gemeinsam mit uns für ihre Inhalte zu kämpfen. Kontakt könnt ihr mit uns über germany@onesolutionrevolution.de aufnehmen.

Europa in der Krise

Europa befindet sich, wie die gesamte internationale Wirtschaft, nun schon seit Jahren in einer Krise. Das der „Wirtschaftsaufschwung“ 2010 und 2011 nun wieder zu Ende zu gehen scheint, zeigt das historische Ausmaß der aktuellen Krise. Doch selbst dieser kurze wirtschaftliche Aufschwung fiel vor allem zugunsten der Kapitalist*innen in den imperialistischen Zentren Europas (z.B. Deutschland, Frankreich, Großbritannien) aus. Die Profite der Herrschenden sind in immer größerem Umfang nur noch durch riesige soziale Angriffe zu erhalten. Es sind Angriffe, die in weiten Teilen Europas jegliche sozialen und demokratischen Errungenschaften der Arbeiter*innenbewegung in Frage stellen. Wo das fortbestehen ganzer Nationalökonomien auf dem Spiel steht, kann auch die Gesellschaft, wie die jüngere Generation sie bisher kannte, nicht weiter existieren. Zypern zeigt aufs neue, wie die breite Masse der Bevölkerung die Kosten dieser Krise bezahlen soll. In Ländern wie Griechenland, Spanien oder Portugal wurde innerhalb von drei Jahren die bürgerliche Demokratie an den Abgrund getrieben. Die kapitalistische Diktatur entblößt ihr Gesicht immer mehr durch Notstandsgesetze und die Verelendung der Massen bis hin zur faschistischen Reaktion.

Kämpfe der Jugend

Wir Jugendlichen haben ein besonderes Interesse die „Krisenlösung“ der bürgerlichen Regierungen und der Kapitalist*innen in Frage zu stellen. Wir waren nicht nur die Ersten, die von den sozialen Angriffen betroffen waren. Wir waren auch die Ersten, die dagegen auf die Straße gingen. Ob bei den Platzbesetzungen der Indignados in Spanien, den Studentenprotesten in Großbritannien oder den Generalstreiks in ganz Europa, wir Jugendlichen standen in den vordersten Reihen unserer Bewegung. Unsere Ideen gingen oft weiter als die Ideen vieler unserer älteren Mitstreiter*innen, von denen sich doch viele von unserem Mut und unserem Kampfeswillen inspirieren ließen. Doch nur sehr selten spiegelte sich unsere Kraft auf der Straße auch in der Politik der Führung unserer Bewegungen wieder. Viel zu oft gelang es den reformistischen Bürokrat*innen der Gewerkschaftsspitzen und der sozialdemokratischen Parteien uns unser Mitspracherecht zu nehmen. Sie fürchten zurecht, dass wir Schluss mit den Privilegien machen würden, die sie innerhalb unserer Bewegung oder gar in den Regierungen und Parlamenten genießen. Deshalb glauben wir, dass wir uns innerhalb als auch außerhalb der bestehenden Organisationen unserer Bewegung unabhängig organisieren müssen. Mit Unabhängigkeit wollen wir nicht ausdrücken, dass wir unabhängig von den Kämpfen der Arbeiter*innen, der einfachen Gewerkschafter*innen und der gesamten Bewegung wären. Wir wollen uns unabhängig machen von der Politik manch selbsternannter reformistischer Führer*innen, die unsere Bewegung nun schon oft genug in die Sackgasse geführt haben.

Auf nach Athen: „Ein Europa, Ein Widerstand“

Wir kämpfen für ein Europa jenseits von Krise, Sozialabbau und Entdemokratisierung, ja! Ist solch ein Europa vereinbar mit den Interessen der Kapitalist*innen und der aktuell Regierenden? Nein! Es kann nur durch gemeinsame Massenaktion errungen werden. Alternative Politik bedeutet Politik der Jugendlichen, der Arbeiter*innen und verarmten Bevölkerung. Die Generalstreiks und Massenbewegungen seit 2008 waren Ausdruck dieses Bedürfnisses, doch sie blieben national begrenzt. Der Flügel unserer Bewegung, der sich damit zufrieden ist, der Flügel unserer Bewegung, der sich auf Kompromisse, Stillhalten und Sozialpartnerschaft beruft, ist nicht unangefochten, aber er wurde nicht auf europäischer Ebene herausgefordert. Wir Jugendlichen haben allen Grund ihn herauszufordern. Die Politik des Widerstandes muss zur Politik Europas werden. Wir stellen die Massen auf den Straßen. Wir tragen den Willen zur radikalen Veränderung in uns – all das wollen wir auf dem Alter Summit in Athen in die Waagschale werfen. Unsere Solidarität existiert in der Tat, nicht nur im Wort. Wir wollen ein demokratisches Europa? Dann müssen wir für die Demokratie unserer Bewegung eintreten. Verbindlichkeit der Beschlüsse, Kontrolle unserer Gewerkschaften, der Mobilisierungen und Streiks durch die Basis selbst, das ist Demokratie. Die europäischen Arbeiter*innenparteien und die Gewerkschaften organisieren Millionen von Mitgliedern. Diese Mitglieder zu mobilisieren, Mehrheiten auf der Straße zu schaffen, wo kapitalistische Regierungen den Generalangriff organisieren, das ist Demokratie. Konferenzen auf denen „nur“ Erfahrungen ausgetauscht und Solidaritätserklärungen abgegeben wurden, gab es genug. Aus Athen kann und darf nur ein Zeichen ausgehen: „Ein Europa, Ein Widerstand!“

Zukunft erkämpfen, heißt Jugend organisieren!

Wollen wir das erreichen, so müssen wir Jugendlichen uns eine eigene Plattform schaffen. Wir fordern die gesamte Bewegung auf, unsere Vorschläge aufzugreifen. Wir werden aber nicht auf jene warten, die unwillens sind zu kämpfen. Um das zu gewährleisten brauchen wir eine unabhängige Versammlung aller anwesenden Jugendlichen beim Alter Summit. Dort können wir gemeinsam die brennenden Fragen der europäischen Jugend diskutieren. Das Ziel: Verbindliche Absprachen und eine Resolution des europäischen Widerstandes, das wir dem gesamten Alter Summit zur Annahme vorschlagen. Der folgende Text ist unser Vorschlag für eine solche Resolution. Lasst uns diese Resolution gemeinsam auf das Alter Summit nach Athen tragen, in unseren eigenen Ländern die Diskussion über eine europaweite Vernetzung der Jugend und die Politik, die wir brauchen, um die Angriffe der Kapitalist*innen zurückzuschlagen, voranbringen.

Resolution  zum Alter Summit

Wir müssen die Sparprogramme aufhalten. Das geht aber nur, wenn wir ihnen unsere eigenen Forderungen entgegenstellen und eine Offensive gegen die kapitalistische Krise – anstatt einer defensiven Mitverwaltung der Krise – beginnen.

  • Für die Profite der Kapitalist_innen werden wir nicht unsere sozialen Errungenschaften opfern. Rücknahme und Stopp aller Sparmaßnahmen der Staaten bei Bildung, Renten, Gesundheit, Arbeitslosengeldern und bei Arbeiter_innen im öffentlichen Dienst. Für die einseitige Streichung der Schulden bei den großen Gläubigern und eine progressive Besteuerung von Kapital und Eigentum!
  • In den letzten Jahren wurden die Banken mit hunderten von Milliarden unserer Steuergelder gerettet. Das diente nicht zum Schutz „der“ Wirtschaft. Es diente dem Schutz der kapitalistischen Gewinne. Die Banken müssen ihrer Kontrolle entzogen werden. Für die Verstaatlichung der Banken und der großen Versicherungsunternehmen!
  • Rücknahme und Stopp aller Privatisierung – Für die entschädigungslose Verstaatlichung der großen Industrien von Verkehr, Wasser und Energieerzeugung, sowie der großen Immobilienkonzerne, um die Grundbedürfnisse der breiten Massen zu befriedigen. Den Behörden des Staates kann nicht getraut werden, sie bei nächster Gelegenheit wieder zu privatisieren! Daher müssen diese Industrien unter die demokratische Krontrolle der Konsument_innen und Arbeiter_innen gebracht werden.
  • EU, IWF und EZB stürzen nicht nur die Massen ins Elend, sondern auch Regierungen vom Hinterzimmer aus, um ihre Sparpakete durch Technokraten-Regime zu sichern. Wir wehren uns daher gegen alle neuen „Sicherheitsgesetze“, gegen die Angriffe auf politische, demokratische und gewerkschaftliche Rechte.
  • Ihre Versuche, Profit zu steigern und Konkurrent_innen vom Markt zu werfen äußern sich nicht nur in Krise und Verarmung der Massen – sondern auch in der Zerstörung unserer konkreten Lebensgrundlagen, unserer natürlichen Umwelt. Durch EU-Gesetzgebung und Interventionskäufe werden jedes Jahr Tausende Tonnen Lebensmittel vernichtet, durch Kartellmacht der Ausbau erneuerbarer Energien verunmöglicht während die Atomenergie-Industrie fröhliche Zustände feiert – auf Kosten unser aller Gesundheit! Es ist offensichtlich, dass es dem Kapitalismus nicht gelingt, seine systematische Zerstörung des Planeten auch nur zu verlangsamen. Wir fordern daher eine Verstaatlichung aller Unternehmen, die sich als unfähig erweisen Umweltauflagen zu erfüllen, Schluss damit, dass Umweltgesetzgebung von Lobbyist_innen
    geschrieben wird und für Masseninterventionen dort, wo die Umweltzerstörung weitergetrieben wird!

Die Verarmung muss aufgehalten werden. Arbeit gibt es genug zu verrichten. Der europäische Kontinent bietet genug, um alle Bedürfnisse zu befriedigen. Daher kämpfen wir außerdem für:

  • Eine 30-Stunden Arbeitswoche
  • Mindestlöhne in jedem Land, festgelegt durch die Gewerkschaften
  • Eine gleitende Skala der Löhne gegen die fortschreitende Inflation
  • Die Aufteilung der Arbeit auf alle Hände, ohne Lohnverluste
  • Ein europaweites Programm zur Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit. Ausbau des Nahverkehrs, des Gesundheits- und Bildungssystems und der kulturellen Infrastruktur – bezahlt durch Besteuerung und Enteignung der großen Kapitale

All das lässt sich nicht erbitten. Es muss erkämpft werden. Das erste was getan werden muss, ist verbindliche Absprachen zu treffen. Der politische Massenstreik, europaweit koordiniert steht auf der Tagesordnung.

  • Wenn es Massenstreiks in anderen Ländern Europas gibt, müssen sie von den Gewerkschaften und der Arbeiterbewegung anderer Länder durch eigene Demonstrationen und Versammlungen unterstützt werden.
  • Sollen die Generalstreiks tatsächlich etwas bezwecken, müssen sie unbefristet sein. Lassen sich die Sparpakete nur mit dem Fall der Regierung aufhalten, dürfen wir davor nicht zurückschrecken, sie zu stürzen.
  • Schon jetzt wissen die Regierungen, die in Griechenland, Bulgarien, Italien und Spanien die Angriffe des Kapitals auf die breite Masse der Bevölkerung durchführen, dass ihre Politik auf Gegenwehr stößt. Wir beobachten in vielen Ländern eine massive Aufrüstung der Polizei und des Heeres, die mit immer größerer Brutalität Streiks und Demonstrationen niederschlagen. In Griechenland baut sich als letzter Ausweg des Kapitalismus mit Chrysi Avgi zudem noch der organisierte Faschismus am Horizont auf. Dem müssen die Organisationen der Arbeiter_Innenklasse und der fortschrittlichen Jugend die organisierte Selbstverteidigung gegen Staatsgewalt und Faschismus entgegen stellen!
  • Europaweite Solidarität entsteht nur durch die gemeinsame Tat, nicht nur durch das Wort. Für einen europaweiten Generalstreik am 14. November 2013, der auch Länder wie Frankreich, Deutschland und Großbritannien erfassen muss.

 

Resolution des „RIC – Revolutionary International Council“ von REVOLUTION

Weitere Unterstützer_innen: Solid´Fulda




Spanische Krise: Wie organisiert sich der Widerstand?

spain resistance#1Die Lage in Spanien wird für einen Großteil der Bevölkerung immer aussichtsloser. Die Zahl der Arbeitslosen steigt weiter, nach jüngsten Zahlen hat sie jetzt den Stand von 27,2 % erreicht. Das entspricht 6.202.700 Arbeiter_innen ohne Arbeit. 2008 lag die Arbeitslosigkeit noch bei 8 %! Die Jugendarbeitslosigkeit steigt ebenfalls weiter und liegt jetzt sogar bei unglaublichen 57 % oder etwa einer Million arbeitsloser Jugendlicher. Gleichzeitig stieg die Neuverschuldung Spaniens letztes Jahr durch Rettung der Banken von 7 auf 10 % des BIP!

Und es ist keine Besserung in Sicht. Der IWF schätzt, dass selbst bei günstigem Verlauf der Krise die Arbeitslosigkeit 2018 immer noch bei 23 % liegen wird. Die kapitalistische Krise hat Spanien vollkommen im Griff, und es ist klar: das kapitalistische System bietet vor allem den Jugendlichen keine Perspektive mehr!

Gegen die Politik der Regierung, getrieben von der Troika aus EU, IWF und EZB unter Führung der deutschen Regierung, regt sich aber Widerstand. Die spanische Arbeiterklasse lässt sich nicht alles gefallen. Vorläufiger Höhepunkt war der Generalstreik am 14. November letzten Jahres. Damals hatte sogar der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) zu einem „europäischen“ Streik aufgerufen. Richtig stattgefunden hat dieser allerdings nur in Spanien und im Nachbarland Portugal, wo die Lage noch aussichtsloser ist.

spain resistance#2

Streikposten von Gewerkschafter*innen in Madrid

Dennoch war das ein wichtiger Schritt vorwärts. In Spanien legten Millionen Beschäftigte, vor allem aus dem öffentlichen Dienst, die Arbeit nieder. Es wurden Straßen blockiert und Demonstrationen organisiert, der öffentliche Verkehr wurde lahm gelegt. Doch seitdem hat sich wenig getan. Statt diesen ersten Versuch eines länderübergreifenden Streiks zu einem Startschuss des europäischen Widerstands zu machen, hat sich die Gewerkschaftsbürokratie zurückgezogen und hofft, an den Verhandlungstisch zurückkehren zu können.

Doch die Erkenntnis an der Basis der Gewerkschaften, dass sich an diesem Kurs etwas ändern muss, wächst. Es wird versucht, von der Basis ohne die Gewerkschaftsspitzen zu mobilisieren. Das wird auch der einzige Weg sein. In Madrid hat sich z.B. eine „Koordination der Arbeiter_innen des öffentlichen Dienstes“ gegründet, an der mehrere Betriebskommissionen teilnehmen und, die Widerstand gegen die Kürzungen im öffentlichen Dienst organisieren wollen. Am 9. Mai findet ein Generalstreik im Bildungswesen statt. Aufgerufen haben die Studierendengewerkschaft („Sindicato de Estudiantes“), sowie Gewerkschaften der Professor_innen und Organisationen der Eltern. Studieren kostet in Spanien heute schon mindestens um die 3000 € Gebühren, und mit der geplanten Reform des super-rechten Bildungsministers José Ignacio Wert werden diese nochmal steigen.

Und da ist auch noch die „15M-Bewegung“ der „Indignados“ (die Empörten), beziehungsweise der Ausläufer davon. Viele Jugendliche fühlen sich von der verrotteten Politik der Gewerkschaften und der Parteien zu Recht nicht mehr repräsentiert und suchen nach Alternativen. Die Plattform „En Pie!“ („Auf die Beine!“) hat am 25.April zu einem zweiten (gescheiterten) Versuch der Umzingelung des Parlaments in Madrid aufgerufen. Besonders erwähnenswert ist allerdings die Bewegung gegen die Häuserräumungen („desahucios“), organisiert vor allem um die „Plataforma de los Afectados de los Hipotecas“ (PAH, Plattform der von Hypotheken Betroffenen). Seit Ausbruch der Krise können Tausende Arbeiter_innen ihre Immobilienkredite (Hypotheken) bei den Banken nicht mehr bezahlen, die in einer riesengroßen Immobilienspekulation ausgegeben wurden. Deshalb lassen die Banken die Menschen raus schmeißen. Davon waren bisher über 100.000 Familien betroffen!

Die PAH und andere angeschlossene Organisationen, wie z.B. Stadtteilkomitees, organisieren Widerstand dagegen und versuchen die Räumungen zu verhindern. Sie organisieren auch Demonstrationen bei Auftritten von verantwortlichen Politiker_innen, oder suchen diese zu Hause auf, um sie ihrer Verantwortung bewusst zu machen. Diese Aktionen nennen sich „escrache“.

Ganz offenkundig gibt es Spanien also vielversprechende Ansätze gegen den Ausverkauf des Landes an die Banken und die Diktate der Troika Widerstand zu leisten. Doch genauso offenkundig leidet dieser Widerstand bisher an einer Vereinheitlichung und einem politischen Ziel. Die Wut der Massen muss zu einem koordinierten Widerstand gegen das kapitalistische System mit einem sozialistischen Programm zusammengefasst werden. Dann kann Spanien zum Ausgangspunkt eines neuen, eines sozialistischen Europa werden!

 

Ein Korrespondenzartikel aus Spanien von Rico Rodriuguez, REVOLUTION-Stuttgart




Erster Mai – Internationale Jugend, organisiere dich revolutionär gegen die Krise

Rote Fahne

Organisiere dich jetzte gegen den Kapitalismus. Mach mit bei REVOLUTION!

Wir Jugendlichen sind weltweit von den Zerstörungen des Kapitalismus betroffen. Auch die tiefe Krise Europas ist Teil dieser zerstörerischen Kraft. Immer wieder betont man, es handle sich um ein begrenztes Problem, eine Immobilienkrise, eine Banken-, eine Staatsschulden- oder eine Währungskrise. Die Wahrheit ist, es ist eine Krise des Systems. Ein System, dass immer mehr Menschen in Armut, Arbeitslosigkeit und Hunger stürzt. Sie zieht sich durch jedweden Bereich, sie ist grundlegend und tiefgreifend – Und man will sie auf uns Jugendliche und Lohnabhängige abladen. Daher rufen wir alle unzufriedenen, empörten und klassenkämpferischen Jugendlichen auf, am ersten Mai mit uns auf die Straße zu gehen, für die Verteidigung unserer Rechte, für eine befreite Gesellschaft zu kämpfen.

Die Kapitalisten Deutschlands und die Regierung Merkel überziehen ganz Europa mit Sparvorgaben, zwingen anderen Ländern ungewählte Regierungen auf und zerstören Bildung, Gesundheitssysteme und Renten. Gewerkschaftsrechte werden zerschlagen und demokratische Errungenschaften abgebaut. Ganze Industrien werden heruntergefahren, die Angestellten entlassen und nach Hause geschickt – Opel Bochum könnte nur ein Vorgeschmack sein. Öffentlicher Besitz – Strom, Wasser, Nahverkehr, Wohnungen – wird privatisiert und verschachert.

arbeitslosigkeit#1Auch in Deutschland gibt es solche Angriffe. Während die Agenda 2010 noch wütet, denken die Regierenden bereits über eine Agenda 2020 nach. Mehr als 25% der Beschäftigten in Deutschland sind prekär beschäftigt, Leben von Hartz IV, sind Arbeitslos oder müssen aufstocken. Besonders wir Jugendlichen sind von dieser Perspektivlosigkeit betroffen. Um das zu verschleiern überschütten uns Medien und Politiker mit billiger Hetze. Dieser Hetze und Spaltung der Medien müssen wir unsere Solidarität entgegenstellen. Solidarität mit den kämpfenden Arbeiter*innen in Deutschland und Weltweit. Wir kämpfen für eine revolutionäre Massenbewegung auf dem ganzen europäischen Kontinent, die Schluss macht mit der Krise – durch eine Revolution!

REVO in Action#1Gerade die deutschen Gewerkschaften sind mächtig genug, um diese Massenbewegung mit aufzubauen. Aber ihre Führer*innen wollen es nicht. Sie müssen zum Handeln gezwungen, im besten Fall durch klassenkämpferische Arbeiter*innen ersetzt werden. Wir haben genug von Lügen über das deutsche Job- und Wirtschaftswunder gehört. Es ist kein Wunder, sondern durch niedrige Löhne, prekäre Arbeitsverhältnisse und den wirtschaftlichen Verfall Europas erzwungen. Lasst uns der Wahrheit ins Gesicht sehen. Es herrscht Klassenkampf von Oben. Wir müssen ihn von unten beantworten. Es gibt nur zwei Alternativen, Sozialismus oder Barbarei. Entscheide dich für den Sozialismus und organisiere dich bei REVOLUTION!

  • In den letzten Jahren wurden die Banken mit hunderten von Milliarden unserer Steuergelder gerettet. Das diente nicht zum Schutz „der“ Wirtschaft. Es diente dem Schutz der kapitalistischen Gewinne. Die Banken müssen ihrer Kontrolle durch die entschädigungslose Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle entzogen werden.
  • Stopp aller Privatisierung. Für die entschädigungslose (Rück-)Verstaatlichung von Verkehr, Wasserwerken und Energieerzeugung und der großen Immobilienkonzerne. Alle Unternehmen, die Entlassen oder Schließen müssen enteignet werden. Dabei kann den Behörden des kapitalistischen Staates kann nicht getraut werden. Die demokratische Kontrolle über diese Betriebe müssen Komitees der Konsument*innen und Arbeiter*innen haben.
  • Besonders wir Jugendliche werden gerne von den Kapitalist*innen in Minijobs und prekären Verhältnissen ausgebeutet. Für einen Mindestlohn von 12 Euro die Stunde.
  • Wenn wir keinen Job bekommen oder gefeuert werden, wird uns gesagt wir wären zu schlecht ausgebildet. Wir sagen, dann muss es Ausbildungsplätze für alle geben. Eine voll finanzierte Bildung und ein leistbares kulturelles und soziales Angebot. Wer das bezahlen soll? Die Milliardäre und Millionäre – besteuert ihr Eigentum, ihre Gewinne, ihren Reichtum.
  • Forderungen werden nicht erbettelt, sondern erkämpft. Für Massenstreiks gegen die Krise. Für einen europaweiten Generalstreik als direkte Antwort auf alle Angriffe gegen Jugend und Arbeiterklasse!

Bundesweiter Aufruf, REVOLUTION – internationale kommunistische Jugendorganisation




Athener Alter Summit – Zur Konferenz des Widerstandes machen

Alter_Summit#1Zu Beginn dieses Sommers soll in Athen das so genannte Alter Summit stattfinden. Dabei handelt es sich um eine Konferenz, zu der bisher vor allem reformistische Organisationen aufrufen. Ihrer Meinung nach, soll vorrangig diskutiert werden, wie ein „soziales und demokratisches“ Europa „geformt“ werden soll. Gegen ein soziales, wie auch demokratisches Europa ist natürlich nichts einzuwenden. Doch gerade unter diesem Slogan wurde in den vergangenen Jahren die Verteidigung der Arbeiterdemokratie den Bedürfnissen der bürgerlichen Demokratie, die Verteidigung sozialer Rechte der Verteidigung des jeweiligen Standorts, untergeordnet.

Beides war weniger ein Problem der Begrifflichkeit. Es war ein Problem der sozialdemokratischen Führung. Es wurden möglichst schwammige Begriffe benutzt, um möglichst wenig Verpflichtungen im praktischen Kampf gegen das Kapital auf sich zu nehmen. Das war auch der Fall auf der Konferenz in Florenz, im November 2012 an der sich Genoss*innen von REVOLUTION beteiligten. Die gleichen Kräfte, die auch jetzt wieder zum Alter Summit nach Athen aufrufen, blockierten einen tatsächlich europaweit koordinierten Widerstand.

Die Generalstreiks und Aktionen am 14. November standen allerdings schon fest, auf eine verbindliche Mobilisierung gegen den EU-Gipfel im März konnte man sich nicht einigen. Die Konferenz erfüllte mehr den Zweck der unterschiedlichen nationalen Gewerkschaftsführungen und Sozialdemokraten – insofern sie überhaupt anwesend waren – die eigene Politik zu legitimieren.

Was wir aber tatsächlich brauchen ist eine Konferenz der Aktivist_innen, der Jugendlichen und Arbeiter_innen, der Kämpfenden auf den Straßen und in den Betrieben Europas. Das dem bisher nicht so war, ist nicht nur die Schuld der aktuellen bürokratischen Führung. Es ist auch das Versagen vieler sozialistischer und linksradikaler Kräfte, die aufgrund eigener Unsicherheit, Opportunismus oder Sektierertum heraus nicht an den europaweiten Konferenzen teilnahmen.

Das muss sich im Juni beim Alter Summit ändern. Wir wollen dort – insbesondere mit anderen militanten Jugendorganisationen – für ein Programm der europaweiten Aktion eintreten. Die Eckpunkte dieses Programms müssen Verbindlichkeit, gemeinsame Massenaktion, die Kontrolle der der Bewegung durch Aktionskomitees der Basis und die direkte Konfrontation mit dem Kapital sein.

Beteiligt euch mit uns am Alter Summit Anfang Juni in Athen, kämpft mit uns für ein revolutionäres Programm der Jugend in ganz Europa!




Faschistische Gefahr in Griechenland – Nur Arbeiterklasse und Jugend können sie aufhalten!

Golden Dawn#1

Die Faschisten versuchen sich radikal zu geben – Doch sie sind der Ärgste Feind jeder sozialen Verbesserung der Arbeiterklasse Griechenlands!

Gestern versammelten sich rund 30´000 Faschisten der Goldenen Morgenröte in der Innenstadt Athens. Es war eine der größten Aktionen der neonazistischen Partei, seit ihrem rasanten Aufstieg Mitte letzten Jahres.

Seit Beginn der Krise haben sich auch die Angriffe der Faschisten gegen die Arbeiterbewegung massiv verstärkt, die geschützt von der Polizei und vom Staat im allgemeinen geduldet, auch zu etlichen Pogromen und tagtäglichen Übergriffen gegen die migrantische Bevölkerung bereit sind.

Doch das erstarken der Faschisten lässt sich nicht allein durch die Krise erklären, sondern auch durch das fehlen einer klaren revolutionären Alternative, die Griechenland aus dem Strudel der kapitalistischen Krise reißen kann. Nur deshalb können sich die Faschisten als soziale Alternative darstellen.

Die Zeit drängt, aber es ist noch nicht zu spät. In den letzten Jahren hat das griechische Proletariat gezeigt, dass es kämpfen kann. Was bisher fehlte war ein klares Programm, dass es auch siegen lassen kann.

griechenland#2Was jetzt vor allem von Bedeutung ist, ist den Selbstschutz gegen die Faschisten zu organisieren, um ein weiteres eindringen in die Bezirke Athens, die Fabriken, Universitäten, Schulen und ländlichen Bereiche zu verhindern. Diese Aufgabe darf und kann nicht dem Staat überlassen werden. Sie muss von offenen Komitees der Jugend, der griechischen, wie auch migrantischen Arbeiterklasse, sowie ihrer Gewerkschaften und Parteien organisiert werden.

Diese Komitees können gleichzeitig auch zu Selbstverwaltungsorganen werden, die Suppenküchen und politische Veranstaltungen organisieren. Sie können also sowohl Keimformen von Milizen, als auch von Räten sein. Von der KKE, über Antarsya und Syriza bis zum Anarchismus müssen alle Strömungen der Arbeiterklasse aufgefordert werden sich an diesen Komitees zu beteiligen.

Gleichzeitig, muss es die Aufgabe von Revolutionär_innen sein, sowohl innerhalb, als auch außerhalb Syrizas – der größten Arbeiterpartei – für ein revolutionäres Programm zu kämpfen. Praktisch bedeutet das aktuell vor allem den Kampf um eine tatsächliche Einheitsfront gegen die Regierung aufzubauen und für einen unbefristeten Generalstreik, sowie den Sturz der Regierung zu agitieren. Es gibt nur eine Form der Regierung, für die Kommunist_innen aktuell kämpfen können – Eine von der Bourgeoisie unabhängige Arbeiterregierung, die für die sofortige Maßnahmen, wie die Verstaatlichung der großen Betriebe und Banken, für die Streichung aller Aus- und Inlandsschulden bei den kapitalistischen Gläubigern eintreten müsste, sowie Schritte einleiten müsste, um Polizei- und Militär zu entwaffnen und die Arbeiterklasse zu bewaffnen, um sich vor der Konterrevolution zu verteidigen.

Denn egal, wie die Pläne der Chrysi Avgi aussehen, nur die soziale Revolution in Griechenland, kann die Verelendung und eine historische Niederlage der griechischen Arbeiterklasse aufhalten. Eine solche Niederlage würde auch die europäische Arbeiterbewegung hart treffen. Wir von der revolutionären Jugendorganisation REVOLUTION sehen uns daher in der Pflicht jedwede Solidarität zu organisieren. Doch als Internationalist_innen wollen wir auch die politische Diskussion in Griechenland, die auf den Bruch mit dem Reformismus abzielen muss, mit Kräften unterstützen. Wir rufen die deutsche und europäische Linke auf, den Kampf der Jugend und Arbeiter_innen in Griechenland zu unterstützen. Lasst uns gemeinsam gegen die kapitalistische Krise, für ein vereintes sozialistisches Europa kämpfen!

Ein Artikel von Georg Ismael, REVOLUTION-Berlin




„Sicherheitsreformen” – Der Adler wetzt die Krallen

Der Charakter bürgerlicher Sicherheitsorgane

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Die in den letzten Jahren von statten gegangenen Ereignisse im Nahen Osten und Südeuropa haben auch in Deutschland die Frage der Sicherheitsorgane und deren Charakter aufgeworfen. Hat man die angestrebten Gesetzesänderungen, Umgestaltungen und „Innovationen“ etwas mitverfolgt, bietet sich jetzt einem die Möglichkeit diese auch mal in einen Kontext zu bringen. Speziell die Aufdeckungen rund um den Verfassungsschutz, den Nationalsozialistischen Untergrund sowie anderer rechten Gruppierungen, warfen die Frage auf, wer hier wen Schützt und was Sicherheit für die herrschende Klasse bedeutet.

Wir haben gesehen, dass der Verfassungsschutz mehr darin interessiert ist mordende Faschisten zu schützen als sie zu bekämpfen. Wir haben gesehen wie die bürgerlichen Parteien, lieber Untersuchungsauschüsse einrichten, in denen gezielt kein Ergebnis herauskommen soll, anstatt diese Institutionen zu schließen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Dies macht einmal umso mehr deutlich, dass das Kapital ein Interesse daran hat fas chistische Kräfte zu unterstützen und aufzubauen. Der NSU ist dafür nicht das erste und nicht das letzte Beispiel. Allein schon der Fakt, das der Verfassungsschutz, sowie der Bundesnachrichtendienst aus ehemaligen NSDAP- und Wehrmachts-Kadern aufgebaut wurde gibt zu denken.

Die Erklärung dafür trifft auf alle Sicheitsorgane des kapitalistischen Staates zu. Sie alle sind Organisationen die letztendlich den Herrschaftsanspruch der Kapitalisten, das Recht auf Eigentum an Produktionsmitteln verteidigen sollen. Zwar sind faschistische Kräfte hierfür nicht die erste Wahl, allerdings waren und sind sie es die in zugespitzten Krisensituationen, die Organisationen der Arbeiterklasse zerschlagen sollen, um die Gefahr einer sozialistischen Revolution zu bannen. Das war nicht nur in den 30ger Jahren so, neben vielen anderen Beispielen in der Geschichte, sieht man dies auch an den Todeslisten der NSU, auf welchen Gewerkschafter und linke Aktivisten standen. In Zeiten der Krise, in der die Illusion der bürgerlichen Demokratie immer weiter schwindet treten diese Mechanismen immer deutlicher zu Tage.

Zugespitzte Klassenkämpfe drängen das Kapital zum Aufrüsten

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Deutsche Aufstandsbekämpfungspolizisten

In Südeuropa spielt sich heute dieses Szenario ab. Das kapitalistische Wirtschaftssystem befindet sich in einer unausweichlichen und tiefen Krise, die Klassengegensätze spitzen sich zu und die verarmte Bevölkerung auf der Straße stellt immer offener die Frage, wer eigentlich die Macht in Händen hält: Die „demokratische“ Legitimation der bürgerlichen Regierung zerbröckelt. Auch in Deutschland fürchtet man ein solches Szenario und trifft entsprechende Maßnahmen. Um effektiv jede Form von Widerstand der Unterdrückten niederzuschlagen, mussten auch die Repressionsorgane für diesen Zweck aufgestellt und ausgerüstet werden.

Nach der Umstrukturierung des Bundesgrenzschutzes zur Bundespolizei, warf man die Idee in den Raum, diese doch auch noch mit dem BKA zu verbinden, was de facto einer erheblichen Machtkonzentration gleich käme. Diese Behörde würde eine Bandbreite an Befugnissen vereinen. Des Weiteren erwog man eine stärkere Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten – manche forderten die Behörden gleich ganz zu vereinen. Die mittlerweile aufgekommene Kritik an der Arbeit der Geheimdienste ließ dieses Thema jedoch unter den Tisch fallen. Im Zuge der NSU-Affäre kam an Stelle einer kompletten Offenlegung der Akten plötzlich die Forderung nach einer angeblich dringend notwendigen Reformierung- Statt den Rechten Sumpf in den Schnüffler-Behörden aufzudecken, wird jetzt nach einer „besserer“ Struktur verlangt.

Aber wer braucht schon die formale Umstrukturierung? 2009 errichtete man in Köln die Zentralstelle für Telekommunikationstechnologien, welche alle eigenständigen Anlagen der verschiedenen Dienste ersetzen sollte – Praktischerweise dient diese Einrichtung nun als gemeinsame Schnittstelle für die Überwachungsarbeit.

Aber es gab auch andere Veränderungen. So hat verfolgt der Polzei-Apparat immer verbissener das Ziel seine operativen Einheiten die auf politischen Aktionen eingesetzt werden aufzurüsten. Für die Blockaden gegen die Nazi Demonstration in Dresden, wurden extra so genannte Pepperbal Pistolen angeschaft. Zusätzlich fordert die Polizei die Freigabe für Gummischrot, wie er in Frankreich und Spanien schon seit längerem zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt wird. Das die gesellschaftliche Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht für solche Einheiten seit Jahren in den meisten Bundesländern abgeblockt wird, wundert nicht.

Ausbau und Benutzung der Repressionsorgane

Doch nicht nur auf struktureller Ebene will man die Macht der Repressionsorgane ausbauen. Neben der Überwachung von 37 Millionen Emails im Jahr 2010 und der Durchführung sogenannter Online-Durchsuchungen mittels staatlicher Überwachungssoftware, soll nun auch ein sich bereits im Test befindliches, europaweit arbeitendes Sicherheitssystem namens INDECT zum Einsatz kommen. Mit Hilfe der Vernetzung öffentlicher Kamerasysteme, der Auswertung von Daten aus vorhandenen Datenbanken, Mobilfunkortung, speziell eingesetzten Überwachungsdrohnen und Informationen aus öffentlichen Netzwerken, soll ein so weit als möglich lückenloses Überwachungssystem geschaffen werden. Gedacht ist es nicht nur zur allgemeinen präventiven Überwachung, sondern dient auch gezielt als Fahndungs- und Verfolgungssystem. Der Einsatz dieses Projekt würde die operativen Fähigkeiten beträchtlich zunehmen lassen.

Innlandseinsatz der Bundeswehr beim G8 Gipfgel in Heiligendamm

Innlandseinsatz der Bundeswehr beim G8 Gipfgel in Heiligendamm, natürlich nur zur „auflärenden Unterstützung“

Wenden wir das Augenmerk auf eine weitere Institution von Sicherheitsinteresse: Das Militär. Seit langem arbeitete man nun schon daran, freie Handhabe zu erhalten, das Militär auch im Inland einsetzen zu dürfen.

Das Gesetz, welches den Handlungsspielraum und damit die Macht des Militärs einschränkte, wird nun immer mehr aufgeweicht. Zwar beschloss das Bundesverfassungsgericht lediglich, dass der Einsatz in katastrophalen Situationen erlaubt sei und man nicht gegen Menschenmengen vorgehen dürfe, doch kann sich jeder vorstellen wie leicht sich eine solche Gefahr konstruieren lässt. Schon zur WM 2006 und beim G8-Gipfel 2007 arbeitete Polizei und Militär zusammen, wurde Equipment, Infrastruktur und Personal angeboten und die praktische Zusammenarbeit erprobt – ganz zu schweigen von den ständig organisierten Katastrophenübungen zwischen Militär, Polizei, THW, Rotes Kreuz etc.

Bereits im Juni hat in Bremen eine Kompanie der Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte (RSUKr) ihren Dienst angetreten – weitere 26 folgen im Laufe der nächsten Monate. Diese 2700 Personen starke Reserviste ntruppe der Bundeswehr ist zwar dem militärischen Oberbefehl unterstellt, besitzt jedoch die Befugnis auch zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt werden zu können. Laut Rolf Gössner, dem Vizepräsidenten der Internationalen Liga für Menschenrechte, könnte die Einheit demnach auch zur Niederschlagung von Generalstreiks auf Infrastruktur und Versorgungseinrichtungen genutzt werden. Somit schafft man sich im Rahmen des Heimatschutze und in Bezug auf den europäischen Gesetzesrahmen die Möglichkeit, dass zuvor erwähnte Verbot zu umgehen. Nach bewerter Manier wird das Kind nicht beim Namen genannt: Heimatschutz statt Aufstandsbekämpfung.

Auch hier zeigt sich, dass unser ach so demokratisches Grundgesetz nur Bedeutung hat wenn es als Waffe gegen die Gegner des Kapitals eingesetzt wird.

Die Perspektive lautet Zerschlagung

Das Sicherheitskonzept der Bundesrepublik wandelt sich beständig, aber mit einer klar erkennbaren Ausrichtung. Unter dem Deckmantel des viel beschworenen Terrors, rüstet man den Repressionsapparat auf und erweitert ihn mit gezielten Befugnissen – bezeichnend daran ist, dass in den letzten nennenswerten Terror die Geheimdienste und Polizei selbst verstrickt sind. Will man diese voranschreitenden und teilweise schon abgeschlossenen Entwicklungen bewerten, gerät man unausweichlich zur Frage der Klasseninteressen.

demo vsEinerseits verdeutlicht sich hinter diesen Veränderungen klar eine nicht unerhebliche Angst der herrschenden Klasse, die Kontrolle über die Lage zu verlieren, sprich: Die Aberkennung ihrer Macht durch die breite Öffentlichkeit. Ihre Maßnahmen zur Krisenbewältigung haben offensichtlich einen Charakter, welcher den materiellen Interessen der Mehrheit der Bevölkerung widerspricht – Die Interessen von Politik und Kapital verlaufen entgegen denen der Arbeiterklasse, der Klasse der Lohnabhängigen. Um die gezielte Veramrung und den Niedergang ganzer Gesellschaften durchsetzen zu können, muss das Bürgertum also der Widerstand der Jugend und Arbeiterklasse bekämpfen.

Des Weiteren verdeutlicht sich in dieser Entwicklung auch der Klassenstandpunkt der Repressionsorgane. Sie als Teil der Arbeiterklasse zu betrachten, wäre ein verhängnisvoller Fehler. Sie sind in ihrer Funktion nichts weiteres, als der ausführende Arm der Politik des Kapitals. Die Konsequenz kann demnach nur sein, dass diese Institutionen, nicht in die Organisierung der Werktätigen miteingebunden werden dürfen. Die Polizei kann auf Grund ihres Standpunktes uns nur in den Rücken fallen, und muss deshalb aus der gewerkschaftlichen Organisierung ausgeschlossen werden. Keine falsche Solidarität mit den Sicherheitsorganen – In Südeuropa und Arabien zeigen sie ihr wahres Gesicht.

Die kapitalistischen Regierungen in Deutschland wie im Rest Europas rechnen mit einer Verschärfung der kapitalistischen Krise und bereiten sich offen darauf vor. Diese Entwicklung lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Egal welche Mechanismen und Beschlüsse uns als Verbesserung unserer „Sicherheit“ verkauft werden, sie werden entgegen unserem Willen sein. Jeder Angriff auf das kapitalistische System, sei es durch Generalstreiks oder Besetzungen durch Demonstrationen oder Blockaden wird mit allen mitteln des kapitalistischen Staates bekämpft werden. Die herrschende Klasse fürchtet nichts mehr als einen bewussten Klassenkampf und die sozialistische Revolution. Unsere Aufgabe besteht nun darin diesen zu führen und für die Revolution zu kämpfen, denn wir lassen uns nicht einschüchtern, denn wir sind die Mehrheit der Gesellschaft.

Ein Artikel von Baltasar Luchs, REVOLUTION Freiburg