Frauen in LGTBIA*-Zusammenhängen

Flora, REVOLUTION Österreich, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Innerhalb einer Gesellschaft, die von Unterdrückung und Ausbeutung profitiert, erfahren Frauen viel Sexismus, von Alltagsdiskriminierung bis hin zu gewalttätigen schweren frauenfeindlichen Übergriffen. Aber auch innerhalb verschiedener Gemeinschaften, die sich der Diversität verschrieben haben wie z. B. der LGTBIA*-Community, hören Sexismus und die Unterrepräsentation von Frauen nicht einfach auf. Auf diese Problematik wird in diesem Artikel eingegangen.

Warum werden Mitglieder der LGTBIA*-Community unterdrückt?

Im Kapitalismus wird das Idealbild der bürgerlichen Kleinfamilie propagiert. Diese ist in Büchern, Filmen oder Werbung stets präsent und auf gesetzlicher Ebene bevorteilt. Dies liegt daran, dass diese Form der Familie mehrere Funktionen erfüllt. Während sie für die herrschende Klasse die Weitergabe von Besitz durch Vererbung klärt, dient sie für die Arbeiter*Innenklasse als Ort zur Reproduktion. Das ist für die Kapitalist*Innen sehr günstig – denn sie müssen die Kosten für die Arbeit der Essenszubereitung, beim Wäsche Waschen, der Kindererziehung oder auch der emotionalen Arbeit nicht bezahlen. Die Rolle der Frau ist dabei sehr klar, sie kümmert sich um den Nachwuchs und verrichtet unbezahlte Hausarbeit. Immer noch ist der Großteil der in Teilzeit Beschäftigten Frauen und sie können somit nicht in finanzieller Unabhängigkeit leben. Gerade durch diese Doppelbelastung ist es ihnen erschwert, sich zu organisieren und Räume für sich einzunehmen. Angehörige der LGTBIA*-Community werden deswegen abgelehnt, da sie dieses Konzept der bürgerlichen Kleinfamilie objektiv infrage stellen. Sie produzieren entweder keinen Nachwuchs und tragen so nicht zur Systemerhaltung bei oder stellen durch ihr Zusammenleben die klassische geschlechtliche Arbeitsteilung in Frage.

Doch wie äußert sich diese Unterrepräsentierung?

In der Gesellschaft allgemein wird die weibliche Sexualität so dargestellt, dass sie zur Befriedigung der männlichen Lust dient. Das führt beispielsweise dazu, dass lesbische Orientierung nicht ernst genommen, nur als „Phase“ abgetan wird, während man Bisexualität als „Plus“ für Männer darstellt. Darüber hinaus wird nicht wenigen jungen Mitgliedern der LGTBIA*-Community abgesprochen, dass sie in jungen Jahren bereits über ihre Geschlechtsidentität und zu wem sie sich hingezogen fühlen, Bescheid wissen können. Frauen hören zudem nicht selten Aussagen wie, sie hätten ja nur noch nie richtig guten Sex mit einem Mann gehabt, oder werden auf andere Arten sexualisiert. So ist es kein Wunder, dass es wenige Darstellungen von homo- oder bisexuellen Frauen gibt. Beispielsweise zeigt die 2017 veröffentlichte Studie „Media, Diversity & Social Change Initiative“ der USC Annenberg School for Communication and Journalism (Los Angeles), dass von den 100 populärsten Filmen Hollywoods 2016, in denen 4.544 Charaktere ausgewertet wurden, nur 51 (1,1 %) LGTBIA*- Charaktere waren. Von diesen waren 36 schwule Männer, 9 Lesben und 6 bisexuell. Keine Transgenderperson kam in diesen Filmen vor. Auch zu erwähnen ist, dass 79,1 % weißer Hautfarbe waren und nur 20,9 % unterrepräsentierten Gruppen angehörten. Dies könnte mitunter daher kommen, dass in dem Zeitraum von 9 Jahren, in denen die Studie geführt wurde, nur 4,1 % der Produktionen von Regisseurinnen geleitet wurden. Das ist ein Grund warum immer nur der männliche Blickwinkel auf die verschiedensten Themen gezeigt wird. Daneben haben Produktion und Filmförderung kein Interesse daran, eine authentische Repräsentation von diskriminierten Gruppen zu zeigen, weil sie keinen profitablen Absatzmarkt darin sehen. Dies sind nur einige Zahlen aus der westlichen Filmindustrie. Ähnliche Zahlen gibt es auch in der Kunst- und Musikszene. Besonders treffen diese mangelnden Darstellungen Transfrauen und Women of Colour. Ihnen wird der Zugang zum Gesundheitssystem erschwert, teilweise sogar verwehrt. Auch in vielen anderen Lebensbereichen werden sie diskriminiert und die Lebenserwartung von zum Beispiel Transwomen of Colour in den USA wird auf 35 Jahre geschätzt.

Warum ist das so?

Das hat mehrere Gründe. Zum einen sind in unserer Gesellschaft weiße, heterosexuelle Cismänner (also Menschen, die männlich geboren wurden und sich auch so fühlen) privilegiert. Zwar erfahren Männer aus der Arbeiter*Innenklasse Unterdrückung, da sie ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Gleichzeitig haben sie es in vielen Punkten einfacher, da sie nicht von anderen Diskriminierungen betroffen sind. So ist es kein Wunder, dass homo- oder bisexuelle Männer in der LGBTIA*Community ebenfalls präsenter sind, da Unterdrückungsmechanismen nicht einfach verschwinden, nur weil man sich in einer politischen Organisation oder einer Community befindet.

Doch was muss nun passieren, um Frauen in der LGBTIA*-Community mehr Gehör zu verschaffen?

Deshalb ist es wichtig zu verstehen, dass man in Organisationen Strukturen und Mechanismen schaffen muss, die mit existierender Unterdrückung umgehen. So ist das Caucusrecht eine Möglichkeit für gesellschaftlich Unterdrückte, sich gesondert von der Organisation zu treffen, um Probleme und politische Ideen in einem geschützteren Rahmen diskutieren zu können. In diesen können auch LGTBIA*-spezifische Themen besprochen und ausgearbeitet werden. Daneben bedarf es aber auch anderer Mittel wie quotierter Redner*Innenlisten oder gezielter Förderung von Frauen durch Entlastung von technischen Aufgaben. Aber auch die Auseinandersetzung mit männlicher Sozialisierung, tradierten Rollenbildern und einer kritischen Reflexion der heteronormativen Zweierbeziehung gehört dazu. Aber nachdem sich die Unterdrückung von Frauen auf den Kapitalismus und die historisch gewachsene Rolle der Frau in der Familie zurückführen lässt, kann auch die Unterrepräsentation von queeren Frauen nicht aus dem Kontext genommen und erst recht nicht gelöst werden, ohne etwas an den Herrschaftsverhältnissen zu ändern. Für die Befreiung der Frau ist die Zerschlagung der Vorherrschaft des Mannes über Frauen, diese wird von patriarchalen Strukturen gestützt, unabdingbar. Dies kann nur durch eine Revolution durch das Proletariat erreicht werden, in der die Frauen in vorderster Reihe kämpfen. Denn letztlich kann nur durch die Zerschlagung des kapitalistischen Systems und die Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft die komplette Befreiung aller unterdrückten Menschen erreicht werden.

  • Für rechtliche und sonstige Gleichstellung sowie Freiheit der Ausübung aller Formen der Sexualität! Verbot der Diskriminierung aufgrund von Geschlecht oder sexueller Orientierung!
  • Zurückdrängung aller Formen von Rollenklischees, Diskriminierung und Ausgrenzung in der Jugend und innerhalb der Arbeiter_innenklasse! Für Caucusrechte von Unterdrückten und angemessene Aufklärung über LGTBIA*-Orientierung an Schulen, Unis und Betrieben!

 

 




Die unterschätzte Bedeutung der emotionalen Arbeit

von Katjuscha Forcella

Das Leben in der kapitalistischen Gesellschaft ist ein riesige psychische Belastung: Konkurrenz und Nöte stören Beziehungen, frustrieren, vereinzeln uns. Daher müssen Freund_Innen, Verwandte und Partner_Innen sich gegenseitig emotional unterstützen: Dies ist die emotionale Arbeit. Sie wird überall dort verrichtet, wo zwischenmenschliche Beziehungen bewusst in eine positive Richtung  geformt werden. Mit einher gehen Konfliktlösungsbestrebungen, Selbstreflexion und der fürsorgliche Beistand gegenüber Menschen in krisenhaften Lebenssituationen. Durch das Aufbauen von Mitgefühl, Verantwortung füreinander und Wissen über die emotionale Welt des anderen ist die emotionale Arbeit ein Werkzeug, um die Vereinzelung der Menschen zu bekämpfen und kann auch dabei helfen, mehr über sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu lernen. Diese Vereinzelung aber auch die Entmenschlichung als Individuum von sich selbst oder voneinander bezeichnet man als Entfremdung.

Nach wie vor wird in unserer Gesellschaft die Aufgabe der emotionalen Arbeit hauptsächlich von Frauen verrichtet, sowohl im Privatleben, also Freund_Innenkreise, Familie und Partner_Innenschaften, als auch im Öffentlichen. Das äußert sich beispielsweise darin, dass deutlich mehr Frauen für berufliche Tätigkeiten im bezahlten Caresektor tätig sind. In diesem schlecht bezahlten Berufsfeld kommt neben körperlichen und organisatorischen Tätigkeiten der emotionalen Arbeit eine bedeutende Rolle zu. Laut einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit zur Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern, waren 2017 im Gesundheits- und Sozialwesen 78% Frauen und nur 22% Männer angestellt. Ähnliche Zahlen gelten für den Bereich Erziehung und Unterricht.
Woran liegt es nun, dass sich überwiegend Frauen trotz sehr guter Schulabschlüsse sogar zunehmend für den unterbezahlten Caresektor entscheiden?
Für die Form und das Bestehen der menschlichen Gesellschaft ist die Produktion der Güter das entscheidende Moment. Darin kommt der menschlichen Arbeitskraft eine zentrale Rolle zu. Damit die Arbeitskraft existiert, muss sie immer wieder reproduziert. Deswegen braucht es in unserem System Menschen, die neben ihrer Lohnarbeit sich ebenso um die Reproduktionsarbeit kümmern, sprich Hausarbeit, pflegerische Tätigkeiten, Erziehung und so weiter, damit die Menschen weiterhin produktiv arbeiten können. Diese Reproduktionsarbeit wird im Kapitalismus versucht, zum Großteil ins Private zu drängen, damit nicht mehr Kosten für die Kapitalist_Innen entstehen.

Durch die geschlechtliche Arbeitsteilung, die sich im Zuge der Geschichte etabliert hat und dazu dient dient, das aktuelle System aufrecht zu erhalten, werden Mädchen und Frauen schon früh von Familie und Gesellschaft dahingehend sozialisiert,  Carearbeit zu verrichten. Mädchen sollen mit Puppen statt mit Autos spielen, damit sie schon frühzeitig auf ihre spätere Rolle als Mutter vorbereitet werden. Sie sollen auf ihr Äußeres achten, sich anpassen, empathisch und verständnisvoll sein. Durch die rückschrittliche Rollenverteilung wird es für Frauen zu einem Bedürfnis, dass es anderen Menschen gut geht, anstatt ihre eigenen Bedürfnisse durchzusetzen. Sie nehmen es als ihre selbstverständliche Pflicht wahr, Menschen zu helfen. Häufig kommt es vor, dass sie ihren Selbstwert an dem Erfolg oder Misserfolg messen, den sie mit ihrer verrichteten emotionalen Arbeit erzielen. Diese Form des Einsetzens für zwischenmenschliche Beziehungen bringt ihnen sowohl in Partner_Innenschaften und in der Familie als auch im Berufleben Anerkennung ein, welche aber nicht materieller Art entlohnt wird.

Emotionale Arbeit zu leisten bedeutet immer auch ein Stück Aufopferung, gerade wenn diese nicht anerkannt, also vergütet wird und somit „zusätzlich“ neben dem normalen Arbeitspensum stattfindet. So leiden viele Tätige in diesem Bereich auch darunter, dass sie sich für andere dauerhaft emotional verausgaben und anpassen und die eigenen Probleme auf der Strecke bleiben. Diese Überlastung führt nicht selten zu Depressionen, Burnout oder anderen psychischen Erkrankungen.
Frauen werden Charaktereigenschaften anerzogen, die notwendig sind, um ein bürgerliches Familiengefüge aufrecht zu erhalten. Sie sorgen mit der Reproduktionsarbeit für einen reibungslosen Ablauf zu Hause und damit auf lange Sicht auch in der Produktion. Ebenso führt eine solche Sozialisierung dazu, dass sich Frauen zu der schlecht bezahlten Lohnarbeit in Kindergärten, Heimen, Schulen und ambulanten Diensten berufen fühlen, was mit ein Grund dafür ist, dass sie im Schnitt 25% weniger verdienen als Männer und so in einer materiellen Abhängigkeit zu diesen stehen.

Diese Form der Doppelausbeutung der Frau ist unzumutbar und nicht gerecht. Es sollte für Frauen keine Pflicht mehr darstellen, emotionale Arbeit leisten zu müssen, sondern es sollte für alle Menschen unserer Gesellschaft Bedürfnis und Erfüllung sein, einander unterstützend und empathisch zur Seite zu stehen.
Dazu bedarf es einer Bewusstwerdung beider Geschlechter über die ihnen auferlegten Rollenbilder beispielsweise durch die Einbettung dieser Thematik in die Schulstrukturen, durch verpflichtende Kommunikations- und Konfliktlösungstrainings für alle oder auch soziale Dienste. Darüber hinaus sollte all die Lohnarbeit, die mit einem hohen Anteil an emotionaler Arbeit verknüpft ist, deutlich besser bezahlt werden, denn Carearbeit ist notwendig und hilfreich für die Gesellschaft! Überhaupt: Als Sozialist_Innen kämpfen wir dafür, dass alle Menschen, die dazu fähig, sind in die Produktion miteinbezogen werden. Das bedeutet, wir fordern Arbeitszeitverkürzung bei vollen Lohnausgleich, sowie die Vergesellschaftung der Hausarbeit (also bspw. kollektives Wäsche waschen oder Kantinen), sodass wir individuell mehr Zeit haben, um uns zu bilden oder auch emotional weiterzuentwickeln.

Auch der Zugang zu kostenfreier Psychotherapie, Supervision, zu Beratungsstellen sowie  Tagesstätten sollte deutlich erleichtert werden, damit zwischenmenschliche und persönliche Probleme nicht mehr hauptsächlich ins Private und so auf die Frauen abgewälzt werden.

Für eine Gesellschaft, in der emotionale Arbeit in diesem Ausmaß nicht mehr notwendig sein muss und von der gesamten Gesellschaft getragen wird!

 




Abseits bürgerlicher Geschlechternormen: Die Lage von Trans- und Inter- Personen

Nina Awarie, REVOLUTION-Germany, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung No. 6

In den vergangenen Jahrzehnten wurden weltweit viele juristische und gesellschaftliche Zugeständnisse seitens der Herrschenden gemacht oder seitens der LGBTIA-Bewegung erkämpft. In Deutschland haben seit 2017 beispielsweise gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit, eine zivile Ehe zu schließen. Auch in 22 weiteren Staaten wie den USA, Irland oder Südafrika können gleichgeschlechtliche Paare heiraten, also die gleichen bürgerlichen Rechte wie Heteropaare wahrnehmen. Allerdings heißt die gestiegene formelle Akzeptanz nicht, dass es in diesen Ländern keine Diskriminierung von Homosexualität im Alltag gibt. Auch darf man nicht außer Acht lassen, dass in mehr als 70 Staaten, also im Großteil der Welt, auf homosexuelle Handlungen eine Gefängnis- oder sogar die Todesstrafe steht. Daneben kommt in der öffentlichen Wahrnehmung die rechtliche und soziale Lage von Inter- und Trans-Menschen zu kurz.

Situation von Transgendern …

Der Begriff Transgender wurde vor allem von John F. Oliven von der Columbia University in seiner Arbeit „Sexual Hygiene and Pathology“ aus dem Jahre 1965 geprägt. Dieser ist weiter gefasst als der der Transsexualität und gleichzeitig auch zutreffender, denn bei Gender (sozialem / psychologischem Geschlecht) handelt es sich natürlich um Identität und nicht um Sexualität. Der Begriff Transgender schließt aber auch all diejenigen mit ein, die sich non-binär nennen, sich also weder eindeutig männlich noch eindeutig weiblich identifizieren. Studien zufolge sind bis zu 0,26 % der Menschen trans, wobei die Dunkelziffer wesentlich größer sein dürfte. Dies hat vor allem mit einer gesellschaftlichen Tabuisierung des Themas, aber auch teilweise mit staatlichen Repressionen zu tun. Außerdem ist auch die erschreckend hohe Suizidrate unter Trans-Personen auffällig. Demnach hat in Großbritannien Umfragen zufolge fast die Hälfte aller jugendlichen Transgender einen oder mehrere Selbstmordversuche hinter sich und laut einer kanadischen Untersuchung haben im Bundesstaat Ontario bereits 78 % alles Trans-Personen einen oder mehrere Versuche unternommen, sich das Leben zu nehmen.

Wenn man nun die rechtliche Situation von Trans-Personen allein in Deutschland betrachtet, stößt man zunächst auf einen riesigen, kaum zu durchblickenden Paragraphendschungel. Das liegt einerseits an dem großen bürokratischen Aufwand im Falle einer Geschlechtsangleichung, andererseits an den vielen juristischen Schwächen des Transexuellengesetzes (TSG). Das TSG trat 1980 in Kraft, wurde aber im Laufe der Jahre häufig geändert, da viele Inhalte auf Beschwerden von Betroffenen hin vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurden. Beispielsweise durften Personen unter 25 Jahren im ersten Entwurf des TSG weder eine Vornamensänderung („kleine Lösung”) noch eine Personenstandsänderung („große Lösung”) durchführen. Auch ging das TSG ursprünglich davon aus, dass alle Trans-Personen heterosexuell seien. Folglich konnte die „kleine Lösung”, also die Vornamensänderung, vom Gesetzgeber wieder rückgängig gemacht werden, wenn die Person eine andere des gleichen Geschlechts heiratete oder innerhalb von 300 Tagen nach der Namensänderung ein Kind bekam. Eine der heftigsten Forderungen des TSG an die betroffenen Personen war aber der erforderliche Nachweis einer Sterilisation, um den Personenstand ändern lassen zu können. Noch bis 2011 wurde das TSG auf diese Weise umgesetzt und bis heute kann der Personenstand nicht rückwirkend, also auch auf der Geburtsurkunde, geändert werden. Neben dem Paragraphendschungel stellt die Kostenübernahme durch die Krankenkassen ein Problem dar. Diese sind zwar gesetzlich zur Kostenübernahme verpflichtet. Welche Eingriffe und Behandlungen die Kassen aber tatsächlich übernehmen, variiert stark. Generell ist die Bürokratisierung des Verfahrens – allein für eine Vornamensänderung – eine unzumutbare Belastung. Die Person muss demnach mindestens drei Jahre in der Geschlechterrolle „leben”, der sie sich „zugehörig” fühlt, und sich diese „Zugehörigkeit” von zwei unabhängigen Gutachter_Innen vor dem Amtsgericht bestätigen lassen. Für Jugendliche, die ihr Geschlecht angleichen wollen, gibt es daneben noch eine andere Hürde: die eigenen Eltern. Denn für die Einnahme von Hormonen oder Operationen braucht man die deren Erlaubnis und ist somit deren Willkür ausgesetzt. Das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper wird also -in allen Fällen, massiv beschnitten.

… und Inter-Personen

Intersexuell sind Menschen, die weder dem biologisch männlichen noch dem weiblichen Geschlecht eindeutig zugeordnet werden können. Das kann genetische, anatomische und hormonelle Ursachen haben. Schätzungsweise kommt jedes tausendste Kind intersexuell auf die Welt.

Etliche dieser Menschen wurden vom 20. Jahrhundert bis zum heutigen Tag zwangsweise hormonell behandelt, genital verstümmelt, sterilisiert und für eine binäre Geschlechterordnung „passend“ gemacht – das alles in einem Alter, in dem es unmöglich zu wissen ist, wie sich die Person selber sieht bzw. sich entwickeln würde.

Diese brutale Praxis geht auf die These des Psychologen John Money aus den 1950er Jahren zurück. In seiner „Optimal Gender Policy“ behauptete er, dass man Kinder zu Männern oder Frauen „erziehen“ könnte, wenn man nur die körperlichen Besonderheiten vor dem zweiten Lebensjahr einem der beiden Geschlechter angleiche. Auch wenn Forschungen belegen, dass die Geschlechtsidentität von den körperlichen Merkmalen losgelöst sein kann und viele der zwangsoperierten, intersexuellen Menschen lebenslang unter Depressionen, körperlichen Schmerzen und Traumata zu leiden haben, hält sich diese These in der Medizin teilweise noch heute. So heißt es in einem laut Amnesty International erst 2013 neu aufgelegten Fachbuch für Kinderärzt_innen: „Die operative Korrektur soll so früh durchgeführt werden, dass die Mädchen sich später ihrer Intersexualität nicht erinnern, also im Säuglingsalter, spätestens im zweiten bis dritten Lebensjahr.“

In Deutschland gab es rechtlich gesehen 2013 eine Reform des Personenstandsgesetzes. Diese beinhaltete, dass, wenn das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann, es ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister eingetragen werden darf. Während liberale Teile des Bundestages dies als großer Erfolg feierten und Volker Beck gar von einer „kleinen Revolution“ sprach, gab es schon damals seitens der Betroffenenverbände Kritik an dieser Reform. Erst ab dem 10. Oktober 2017 war die Eintragung als „inter“ oder „divers“ im Geburtenregister möglich, was ein Fortschritt ist, aber weiterhin an rein körperlichen Merkmalen festgemacht wird und damit nicht-binäre Trans-Personen ausschließt. Ein ausdrückliches Verbot von medizinisch nicht notwendigen, kosmetischen Genitaloperationen an Kindern gibt es bis heute nicht.

Was hat das Ganze denn jetzt mit der bürgerlichen Gesellschaft zu tun?

Ob nun durch konservative Politiker_Innen, religiöse Institutionen, Medien oder Werbung: Die Gesellschaft reproduziert tagtäglich ein reaktionäres Familienbild. In der bürgerlichen Familie sind die Rollen klar verteilt: Der Mann ernährt als Hauptverdiener die Familie, während die Frau bestenfalls noch etwas dazuverdienen darf, sich aber hauptsächlich um den Haushalt und die Kindererziehung kümmert.

Dies geschieht nicht rein zufällig, sondern ist einfach eine Ideologie, die für den Kapitalismus besonders praktikabel ist. So werden durch das Idealbild der Familie die Erbschaftverhältnisse der Herrschenden geregelt, während die ganze Reproduktionsarbeit der Arbeiter_Innenklasse unentgeltlich im Privaten stattfindet. Menschen, die nun nicht in dieses cis- und heteronormative Gesellschaftsbild hineinpassen, sind der bürgerlichen Gesellschaft natürlich ein Dorn im Auge, denn mit ihrer bloßen Existenz stellen sie eine Gesellschaftsordnung in Frage, in der es „natürlich“ scheint, dass Männer arbeiten, Frauen Hausarbeit verrichten, und es normal ist, dass nur heterosexuelle Paare Kinder bekommen.

Auch wenn schon einige Errungenschaften erkämpft worden sind und die gesellschaftliche Akzeptanz von Trans-und Inter-Personen in den letzten Jahren leicht gestiegen ist, so ist diese Entwicklung mit Vorsicht zu genießen. Zum einen sind noch längst nicht alle Rechte erstritten worden, zum anderen ist auch ein Rollback in Bezug auf Geschlechterrollen zu beobachten. Der politische Rechtsruck, der international verbreitet ist und in Deutschland seinen Ausdruck im Erstarken der AfD findet, stellt eine große Gefahr für die Errungenschaften der LGBTIA-Bewegung dar. Da Trans- und Interphobie unmittelbar mit der Existenz der bürgerlichen Gesellschaft, also der kapitalistischen Klassengesellschaft verbunden sind, reicht es nicht aus, sie nur separat bekämpfen zu wollen. Man muss diesen reaktionäre Ideologien ihre materielle Basis entziehen, also den Kampf gegen LGBTIA-Feindlichkeit mit dem Kampf gegen den Kapitalismus verbinden.

Wir wollen gemeinsam für eine Gesellschaft eintreten, in der alle Menschen ungeachtet ihres biologischen oder gesellschaftlichen Geschlechts gleichberechtigt und gefahrenfrei leben können. Daher fordern wir:

– Intersex ist eine Identität! Verbot medizinisch nicht notwendiger, kosmetischer Genitaloperationen an Kindern!

– Kostenlose Beratung und operative, geschlechtsangleichende Behandlung, wenn dies von der betroffenen Person gewünscht wird! Für das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper!

– Kampf der Diskriminierung in Beruf und Alltag! Für breite Aufklärungskampagnen und Selbstverteidigungskomitees der Unterdrückten in Verbindung mit der Arbeiter_Innenbewegung!

– Für das Recht auf gesonderte Treffen in den Organisationen der Arbeiter_Innenbewegung, um den Kampf für Gleichberechtigung voranzutreiben und gegen diskriminierendes und chauvinistisches Verhalten vorzugehen!




Lets Talk About Sex – Teil 1: Sexualerziehung

Leonie Schmid

Es gibt wahrscheinlich wenige Themen, die so widersprüchlich behandelt werden wie Sex. Einerseits gilt es nach wie vor als anstößig oder peinlich, darüber ernsthaft zu reden. Andererseits ist unsere Gesellschaft durch und durch sexualisiert. In so gut wie jeder zweiten Werbung wird indirekt mit Sex geworben, selbst wenn das zu vermarktende Produkt absolut nix damit zu tun hat. Ob leichtbekleidete Frauen (deren Gesichter aber meist nicht auftauchen), die Limo/Bier trinken, oder Parfüm, was jede Frau verrückt macht.

Neben der Voraussetzung, um Kinder zu kriegen, was natürlich notwendig ist, um die Gesellschaft zu erhalten, ist Sex also weitaus mehr. Sex wird als Ware angeboten in Form von Pornos, Stripclubs usw.
Die Widersprüchlichkeit des bürgerlichen Verständnisses von Sexualität zeigt sich besonders krass in eher religiös geprägten Ländern wie Malaysia. Dort leben Frauen massiv in den Haushalt zurückgedrängt, teilweise schreibt der Staat ihnen vor, sich zu verschleiern und trotzdem gibt es unzählige Bordelle und Nachtclubs für Sextourist_Innen. Auch hier werden Frauen und Sex mit zweierlei Maß gemessen.

Sex wird hierzulande auch im Biounterricht kaum behandelt, obwohl es gerade für Heranwachsende ein sehr relevantes Thema ist. Es beschränkt sich auf anatomisches Grundwissen sowie auf die Lebensrealität von Heteros und lässt andere Lebens- und Liebesmodelle komplett außen vor. Ganz im Sinne: Frau und Mann paaren sich, dem Kapitalismus wurden neuen Arbeitskräfte geschenkt. Angelegenheiten, die mehr mit der eigenen sexuellen Identität zu tun haben und mehr Fragen aufwerfen, also wie genau der geschlechtliche Akt vollzogen wird, werden völlig außen vorgelassen. Dies hinterlässt nicht nur bei überzeugten Heteros Unzufriedenheit, sondern klammert jegliche andere Form von Sexualität völlig aus. Nicht verwunderlich ist es, dass nach dieser Unsichtbarmachung LGTBIA*-Menschen weniger Akzeptanz und Toleranz entgegengebracht wird. Auch das konsequente Alleinlassen der Jugendlichen mit ihrer Selbstfindung kann nicht nur bei LGTBIA*-Jugendlichen im schlimmsten Fall zu gravierenden psychischen Problemen führen. Methoden, die über die Empfängnisverhütung hinausgehen, wie Oralschutztücher, bleiben ebenso verschwiegen. Und auch Inhalte wie Vergewaltigungen (bzw. was überhaupt eine Vergewaltigung ist), sexualisierte Gewalt und Konsens werden ausgeblendet. Somit kann es schnell zu sexualisierter Gewalt unter Jugendlichen kommen, da ihnen keine Instrumente an die Hand gegeben werden, durch die sie über Sex reden können und ein Einvernehmen geben bzw. einfordern können. Das ist insofern problematisch, als dass (jugendliche) Täter_Innen eventuell gar nicht wissen und merken, dass eine sexuelle Grenzüberschreitung falsch, gefährlich und verletzend ist und die geschädigten Personen gar nicht einordnen können, was ihnen passiert ist, wie sie dagegen vorgehen können und sie letztendlich sogar in Depressionen verfallen können.

Sex in der bürgerlichen Gesellschaft bedeutet nicht nur ein bisschen Spaß haben und Kinder kriegen. Oftmals wird er als sexistisches Unterdrückungsmittel in einer Beziehung genutzt, beispielsweise in Form von Vergewaltigungen oder sexueller Gewalt, aber auch in Form von erzwungener Monogamie.
Eine weitere Form der sexualisierten Unterdrückung stellt dabei die Zwangsprostitution dar. Viele verurteilen sie, viele Mädchen und Frauen weltweit leiden tagtäglich darunter und trotzdem lassen sich eine Vielzahl von Menschen durch erzwungenen Sex „beglücken“. Das Prinzip von Sex als kapitalistische Ware verkennt dabei gleichzeitig die Tatsache, dass es auch Sexarbeiter_Innen gibt, die Sex freiwillig als Dienstleistung anbieten. Diese Frauen* und Männer* werden gerne mal von der Gesellschaft ausgeschlossen. Gerade deswegen ist auch hier Aufklärung und eine Enttabuisierung wichtig, um jenen, die es freiwillig und selbstbestimmt machen, einen sicheren Ort frei von miesen Zuhälter_Innen, Geschlechtskrankheiten und anderen Gesundheitsrisiken, unfairer Bezahlungen und Vergewaltigungen zu bieten.

Auch Themen wie Vergewaltigungen und Konsens müssen behandelt werden. Desweiteren sollte auch Toleranz gegenüber Sexualleben und Beziehungen von jedem Menschen bestehen. Das heißt, dass selbstverständlich LGTBIA*-Beziehungen und andere, nicht monogame Beziehungen (wie Polyamorie) legal und gleichgestellt sein und öffentlich nicht verurteilend dargestellt werden müssen. Ebenso sollte kein Mensch, und besonders Frauen*, als „schlampig“ oder „nuttig“ verurteilt werden, nur weil besagte Person Sex mit unterschiedlichen Partner_Innen hatte und hat.

Es lässt sich also aufzeigen, dass in der bürgerlichen Gesellschaft keine einheitliche Sexualmoral existiert und es ist natürlich logisch, dass die aktuelle Auseinandersetzung mit Sex und das Bewusstsein für Sexualität alles andere als links oder revolutionär ist.

Wir müssen darüber reden und deswegen ist dieser Beitrag nur ein Anfang einer Artikelreihe zu diesem Thema. Denn mit einer befreiten und klassenlosen Gesellschaft muss es auch eine befreite Sexualität geben, das heißt, dass es nicht mehr als verwerflich gelten kann, wenn mensch offen über Sex spricht, es genug bedürfnisgerechte, weitreichende und verständnisvolle Aufklärung gibt, in welcher der Fokus nicht mehr auf nur auf Heterosexualität liegt, und die Ware Sex auch anders behandelt wird. Sex und Begehren muss mehr sein als Mittel zur Reproduktion, sondern Spaß machen. Zudem müssen Frauen* dazu animiert werden, ihren Körper zu lieben, egal wie er aussieht, denn auch das wird in der bürgerlichen Gesellschaft oft wenig geduldet und dank unrealistischer Schönheitsbilder stark gemaßregelt.




Der CSD – buntes Treiben oder Kampftag für LGBTIA* Rechte?

VON LEONIE SCHMIDT
Laute Technomusik, viele buntgeschminkte Menschen und über ihnen wehen Fahnen, meist im Spektrum des Regenbogens. Ebenso sieht man Wagen von Initiativen sowie Ländern und Konzernen. Alle zusammen feiern eine riesige Party der LGBTIA*-Rechte. Die Rede ist vom Christopher Street Day.

 

Der Ursprung

 

Häufig ist der Ursprung des CSD nur noch wenigen Demonstrationsteilnehmer_Innen wirklich bewusst. In den 1960er Jahren hatte es in New York immer wieder übermäßige Razzien in Bars für Trans- und Homosexuelle gegeben. Vor allem Afro- und Lateinamerikaner_Innen traf die Schikane der Polizist_Innen. So auch im Stonewall Inn, in der New Yorker Christopher Street, wo eine Polizeikontrolle durchgeführt wurde und auch Anwesende verhaftet worden sind. Doch zum ersten Mal in der Geschichte der LGBTIA*-Bewegung ließen sich die sexuell Unterdrückten die Prozedur nicht gefallen – dies ist als Stonewallaufstand in die Geschichte eingegangen.
Vornehmlich afro- und lateinamerikanische Drags, Transmenschen und Homosexuelle wehrten sich. Sie konnten die Polizei vertreiben, aber dafür griff diese im Laufe der Nacht einige Drags und Transmenschen auf und misshandelten sie. Daraufhin kam es in den nächsten Tagen zu größeren Demonstrationen und kämpferischen Auseinandersetzungen rund um das Stonewell Inn.

 

Der CSD wurde als eine Art Gedenktag angesetzt und wird heutzutage hauptsächlich als „Gay Pride“ begangen. Dabei geht es vor allem darum, die eigene sexuelle und geschlechtliche Identität nach außen zu tragen. Das an sich soll hier nicht kritisiert werden. Was aber scheinheilig ist, ist dass auch Parteien und Konzerne mitlaufen, obwohl ihre Politik oftmals zu Ungunsten der LGBTIA*-Community ist und gleichzeitig eine Entpolitisierung des Protestes stattfindet. Zudem ist die Ignoranz der Demonstrationsteilnehmer_Innen gegenüber der weitreichenderen sexuellen Unterdrückung anzumerken. Denn diese ist nicht nur im Alltag vorhanden, wie oft von Redner_Innen auf dem CSD beschrieben wird (wenngleich diese natürlich auch äußerst unangenehm und zu bekämpfen ist), sondern hauptsächlich strukturell angesiedelt.

 

Die Situation heutzutage

 

Auch Deutschland ist nicht so offen gegenüber einem Leben fernab der heterosexuellen Norm wie es gerne vorgibt zu sein. So ist es zu bemängeln, dass mensch im Aufklärungsunterricht in der Schule nie wirklich etwas über queeren Sex hört oder gar erklärt bekommt, wie beispielsweise Safer Sex aussieht, wenn man sich nicht vor Schwangerschaften schützen muss und auch kein Kondom zum Einsatz kommen kann. In vielen Ländern sind LGBTIA*s auch staatlichen Gewalttaten ausgesetzt, unter anderem in Russland, wo in den letzten Jahren eine regelrechte Hetzjagd auf Homosexuelle durchgeführt wurde. Zurzeit werden besonders in Tschetschenien, vom dortigen Ministerpräsidenten Kadyrow unterstützt, Schwule verschleppt, misshandelt und letztendlich in Lagern ermordet. Auch in den USA geht es für LGBTIA*s nicht gerade lustig zu: alleine im Jahr 2017 gab es bisher 9 Morde, vornehmlich an Trans*Frauen of Color.

 

Gleichzeitig werden aber auch Länder glorifiziert, bei denen es angeblich ganz fortschrittliche und tolle Rechte für sexuell Unterdrückte gibt. In Teilen der deutschen Linken und der liberalen LGBTIA* Bewegung ist es nämlich nichts ungewöhnliches, wenn Israel für sein tolles Engagement im queeren Bereich verehrt wird. Pinkwashing nennt sich das. Es soll aufzeigen, wie modern und progressiv ein Staat ist und wie im Fall Israels davon ablenken, dass gleichzeitig die Menschenrechte der Palästinenser_Innen, und seien sie noch so queer, mit Füßen getreten werden und soll außerdem die queeren Menschen von anderen, ebenfalls unterdrückten Gruppen isolieren. Auch wird der direkte Vergleich zu angeblich barbarischen und homophoben Gruppen gezogen, um diese weiterhin zu unterdrücken. Somit kann eben zum Beispiel die israelische Regierung ihren Kolonialismus vorantreiben und die Islamophobie propagandistisch ausnutzen. Sicher, in der arabischen Welt gibt es immer noch Homophobie, aber genauso ist es überall auf der ganzen Welt, weil es leider nach wie vor ein universelles Problem ist. Pinkwashing ist und bleibt also ein Instrument zur Spaltung.

 

Für uns ist klar, dass es im Kapitalismus nicht möglich sein wird, sich von sexueller Unterdrückung, genau wie von Sexismus, zu befreien. Durch die Notwendigkeit der bürgerlichen Familie (Mutter, Vater, Kinder) im kapitalistischen System wird auch diese immer die Norm bleiben und besonders geschützt werden, während LGBTIA*-Familien oder Beziehungen immer als unnatürlich bezeichnet werden. Erst auf dem Weg zum Kommunismus über den Sozialismus kann sich dieser gesellschaftliche Widerspruch auflösen.

 

Was tun?
Aufgrund der strukturellen Unterdrückung von LGBTIA*s ist es aber gerade wichtig, dagegen anzukämpfen und auf dem CSD nicht nur zu feiern, dass man „anders“ ist. Es reicht eben nicht aus, ein paar Regenbogenfahnen zu schwingen und durch die Straßen zu tanzen. Nein, für die Rechte der LGBTIA*s muss aktiv und zur Not auch militant eingetreten werden. Auch und besonders von Seiten der heteronormativen Gesellschaft. Der CSD muss wieder kämpferisch werden! Trotzdem muss der Kampf gegen sexuelle Unterdrückung als ein täglicher Kampf angesehen werden, der nicht nur einmal jährlich, sondern bei allen politischen Fragen egal ob Flucht, Armut oder Bildung geführt werden muss. Gleichzeitig kann auch dieser Kampf nur gewonnen werden, wenn er eingebettet ist in den gemeinsamen Kampf aller Unterdrückten weltweit.

 

Wir fordern:

 

  • Volle Legalisierung von LGBTIA* weltweit und gleiche Rechte in ihren Beziehungen (finanzielle Gleichstellung, Adoptionsrecht)!dass im Aufklärungsunterricht LGBTIA*-Beziehungen und Heterosexualität gleichwertig dargestellt und gleich ausführlich behandelt werden!
  • Selbstverteidigungskomitees für LGBTIA*s gegen Übergriffe und das Caucusrecht in der Arbeiter_Innenbewegung!



Nein zur Verschärfung von Abtreibungsgesetzen!

SVEA HUALIDU


Im September letzten Jahres sollten Polens Abtreibungsgesetze stark verschärft werden. Auslöser
dafür war eine Bürgerinitiative von Ordo Iuris, einer „Lebensschutz“ organisation, welche eine 5-
jährige Haftstrafe für Abtreibungen forderte. Zudem sollte es auch ein Verbot der „Pille danach“
geben, und auch bei Vergewaltigungen oder Lebensgefahr des Kindes sollte das Gesetz gelten.
Polen, welches damals schon die strengsten Abtreibungsregeln in ganz Europa hatte, wird seit 2015
von der rechtspopulistischen Partei PiS regiert. Diese unterstützte die Bürgerinitiative zu Anfang.
Als jedoch zum sogenannten „schwarzen Protest“ mehr als 100.000 Menschen gegen das Gesetz
protestierten und viele Frauen dafür die Arbeit niederlegten, sprach sie sich bei der Abstimmung
dagegen aus. Dies passierte jedoch nicht aus einem spontanen antisexistischen Bewusstsein,
sondern um laut eigener Aussage ihre Chancen bei der kommenden Wahl zu verbessern. Zudem soll
es trotz der Gesetzesablehnung ab diesem Jahr ein Hilfsprogramm für Mütter geben, welche sich
trotz einer „schwierigen Schwangerschaft“ für die Kinder entscheiden. Eine Infokampagne für den
„Schutz des Lebens“ ist ebenfalls vorgesehen. Somit haben Frauen, die aus den verschiedensten
Gründen und oftmals auch nicht freiwillig schwanger geworden sind, nur scheinbar die Wahl, ob sie
ihr Kind behalten oder nicht.


Doch nicht nur in Polen wird um das Recht auf Abtreibung gekämpft. Auch in Spanien gibt es seit
einigen Jahren immer wieder Proteste auf Grund von Gesetzesverschärfungen. 2013 sollte dort von
Seiten der konservativen Regierung aus der Schwangerschaftsabbruch wieder als Delikt eingeführt
werden. Somit wäre eine Abtreibung, ähnlich wie in Polen, nur unter der Bedingung möglich, wenn
das Leben von Kind oder Mutter gefährdet ist. Als am 8. März, dem internationalen
Frauenkampftag, jedoch ebenfalls tausende Spanier_Innen auf die Straße gingen, um für die
körperliche Selbstbestimmung der Frauen einzustehen, löste das eine heftige Debatte im Parlament
aus. Verknüpft mit weiteren Streiks auf Grund einer neuen Arbeitsreform, die ebenfalls eingeführt
werden sollte, entschied sich Ministerpräsident Rajoy gegen das vollständige Gesetz. Trotzdem
dürfen seit 2015 Mädchen unter 18 Jahren keine Abtreibungen mehr ohne die Erlaubnis ihrer Eltern
vornehmen. Daraus lässt sich erahnen, dass auch dieser Versuch zur Einschränkung von
Frauenrechten nicht der letzte gewesen sein wird.


Wenn Abtreibung also nicht erlaubt ist, müssen sich diese Frauen oftmals alternative Möglichkeiten
suchen. Beispielsweise reisen sie in andere Länder, um dort Abtreibungen vornehmen zu lassen. Da
jedoch sogar diese Möglichkeit nicht immer gegeben ist, sterben jährlich viele Frauen bei
Eingriffen, welche sie selbst vornehmen oder unter schlechtesten Bedingungen von Amateur_Innen
bekommen, den sog. Engelmacher_Innen.


Auch in den USA steht ein Kampf um die Abtreibungsgesetze an. Trump trat bereits seine
Kandidatur mit der Ankündigung an, die Gesetze dahingehend zu verschärfen. 5 Tage nach seinem
Amtsantritt unterschrieb er dann ein Dekret, welches Finanzhilfen für
Nichtregierungsorganisationen verbietet, die Abtreibungen unterstützen. Dieses Gesetz gab es
bereits unter den republikanischen Präsidenten Ronald Reagan und George W. Bush.
Einen Tag später fand der „Women’s March“ statt. Hierbei versammelten sich über 500.000
Menschen in Washington, um gegen Trump zu demonstrieren. Sie forderten unter anderem die
Beibehaltung des Rechts auf Abtreibung sowie gleiche Bezahlung für Männer und Frauen. Aber
nicht nur in Amerika fanden Proteste statt, weltweit gab es 670 Demonstrationen mit 2 Millionen
Teilnehmer_Innen.


Aktuelle Lage in Deutschland


Wenn es auch oftmals anders scheint, in Deutschland sieht die Rechtslage in Bezug aufAbtreibungen auch nicht viel besser aus. Laut Paragraph 218 im Strafgesetzbuch ist ein
Schwangerschaftsabbruch nämlich dann schon illegal, wenn frau a) eine Frist von 12 Wochen
überschreitet und b) sich vorher keiner vermeintlich neutralen Beratung unterzieht. Oftmals sind
diese jedoch kirchlich geprägt und versuchen somit, Frauen eher von einem
Schwangerschaftsabbruch abzuraten. Zudem händigen sie immer wieder keine Beratungsscheine
aus, wenn das Ergebnis für sie nicht zufriedenstellend ist. Wenn solch eine Beratung nicht
stattfindet und trotzdem eine Abtreibung vorgenommen wird, kann das bis zu 5 Jahre Gefängnis für
die schwangere Frau oder den/die Arzt/Ärztin bedeuten.


Ein weiteres Druckmittel ist der jährlich stattfindende „Marsch für das Leben“, welchen es
mittlerweile in Deutschland, den USA, Frankreich, der Schweiz, Peru und Polen gibt. Hierbei
ziehen tausende Menschen schweigend und mit Kreuzen in der Hand durch die Stadt und fordern
unter anderem ein generelles Verbot von Abtreibungen. Die Modelle von ungeborenen Föten,
welche sie dabei hochhalten, sollen Frauen ein noch schlechteres Gewissen machen, als diese
oftmals sowieso schon haben.


Hintergründe


All diesen Beispielen ist jedoch etwas gemeinsam: Frauen wird das Recht auf Selbstbestimmung
über ihren Körper genommen und damit ein Großteil ihrer Unabhängigkeit vom Mann. Männer
beispielsweise sind nicht gezwungen, Vaterschaftsurlaub zu nehmen, Frauen müssen hingegen die
ersten Monate nach der Geburt zu Hause bleiben. Solange sind sie auf staatliche Unterstützung oder
die ihres Partners angewiesen. Wenn sie dann überhaupt wieder in die Arbeitswelt zurückkehren, ist
es meist schwierig, für sie überhaupt einen Job zu bekommen, sobald sie erwähnen, dass sie Kinder
haben.


Bei Abtreibungen jedoch entscheiden festgeschriebene Gesetze hierbei pauschal über Einzelfälle,
statt den Betroffenen selbst die Möglichkeit zu geben, für sie angemessen mit der Situation
umzugehen. Dabei kann durchaus eine Entscheidung für einen Abbruch die bessere für Frau und
Kind sein.


Das Abtreibungsgesetz ist bereits seit 1871 gültig, es existiert aber in modifizierter Form bis heute. <abtreibungsgesetze sind reaktionär, mit dem Ziel, die bürgerliche Familie aufrechtzuerhalten und Frauen aus der Produktion auszuschließen. Aus diesem Grund haben es sich gerade Rechts- Populist_Innen zum Ziel gesetzt, Abtreibungsgesetze gänzlich abzuschaffen. Die Tatsache, dass diese Gesetze noch weltweit existieren, zeigt daher, dass der Kampf um Selbstbestimmung international geführt werden muss. Wir müssen uns aber gegen Argumente wenden wie das, dass Abtreibungsverbote in „fortgeschrittenen“ Ländern ruhig gelockert werden dürften. Dort angeblich auftretende demographische Probleme (Überalterung der Gesellschaften) könne man ja durch verstärkte Migration aus der sog. Dritten Welt entschärfen. Erstens treten wir für eine Ächtung der Abtreibungsverbote auf der ganzen Welt ein. Zweitens sind wir natürlich für offene Grenzen für Flüchtende wie Arbeitsmigrant_Innen. Es ist schon schlimm genug, dass die vom Imperialismus abhängigen Nationen als verlängerte Werkbank für sie herhalten müssen. Die Vorstellung von der „Dritten Welt“ als ausgelagerter Kreißsaal für die imperialistischen Nationen ist aber schlichtweg rassistisch. Der internationale Kampf gegen Abtreibung kommt daher auch um den gegen Rassismus nicht herum.


Auch die Kirche sowie selbsternannte Lebensschützer_Innen, deren Meinung zu dem Thema
lediglich auf verqueren Moralvorstellungen fußt, haben immer noch eine viel zu große
Entscheidungsmacht. Der Schwangerschaftsberatung der Caritas (Wohlfahrtsorganisation der
katholischen Kirche) ist es beispielsweise verboten, Gespräche über die „Pille danach“ oder
Abtreibung zu führen. Regelmäßig werden Ärzte von Abtreibungsgegner_Innen bedroht.
In vielen ländlichen Regionen, vor allem in Westdeutschland, kommt es vor, dass katholische
Krankenhäuser die einzigen im Kreis sind. Bewusst erschweren sie Abtreibungen und den Erwerbder Pille danach, was besonders für junge Mädchen eine unfassbare Einschränkung ihres
Selbstbestimmungsrechts über ihren Körper darstellt.


Wie kämpfen?


Dem müssen eine internationale Massenmobilisierung und Streiks aller Arbeiter_Innen
entgegengesetzt werden.


  •  Für Abschaffung des Abtreibungsparagraphen sowie der Beratungspflicht!
  • Kostenlose und unabhängige Beratung bei Schwangerschaft und Abtreibung, egal in welchem
    Monat! Schutzräume für Opfer sexueller Gewalt, Schwangere und junge Mütter!
  • Für die Abschaffung von Fristen, bis zu denen abgetrieben werden darf! Für die ärztliche
    Entscheidungsfreiheit, lebensfähige Kinder zu entbinden!
  • Gegen Zwangselternschaft für so geborene Kinder! Der Staat soll für sie aufkommen und sich um
    sie kümmern! Adoptionsvorrang für Vater und/oder Mutter, falls sie das Kind später großziehen
    wollen!
  • Wenn das Kind selbst entscheiden kann, muss es seine Einwilligung zur Adoption durch sein/e
    leiblichen Eltern bzw. ein leibliches Elternteil geben!
  • Vollständige Übernahme der Kosten für eine Abtreibung und aller Kosten für Verhütungsmittel
    durch den Staat!


Pillenpackung




Hinaus zum 8. März! – Internationaler Frauenkampftag 2017

Woher kommt der Frauenkampftag eigentlich?

1910 schlug die Revolutionärin Clara Zetkin auf der II. Sozialistischen Frauenkonferenz vor einen Internationalen Aktionstag für Frauenrechte zu organisieren. Schon bald wurde umgesetzt: 1913 gingen in vielen Ländern Menschen auf die Straße um für die Rechte von Frauen auf die Straße zu gehen. Das Datum, der 8. März wurde gewählt, um an streikende Arbeiterinnen aus New York zu erinnern. Diese wurden am 9. März 1908 in einer Textilfabrik eingeschlossen damit sie sich nicht an den damaligen Protesten beteiligen konnten. Aus ungeklärten Gründen brach ein Brand aus bei dem 129 Arbeiterinnen starben.

Frauentag vs. Frauenkampftag –Der Wandel der Zeit

Im Verlauf der Geschichte hat der Frauenkampftag seinen ursprünglichen, kämpferischen Charakter eingebüßt. Während er 1917 der Auftakt der Februarrevolution war, so wurde er im Nationalsozialismus durch den Muttertag ersetzt um der Frau als Mutter zu ehren. Dies passte zum Frauenbild des Faschismus, wo die Mutter als fürsorgliche, erziehende zu Hause blieb und sonst wenig Rechte hatte.

Später, also 1946 wurde der 8. März in der späteren DDR wieder eingeführt. Von oben diktiert, verlor er seinen eigentlichen kämpferischen und internationalen Charakter und wurde weitgehend zu einem bürokratischen Ritual. Wiederbelebt wurde er dann in Deutschland von in den 70ern von radikalen Feministinnen, linken und sozialistischen Organisationen.

Heute ist er in Deutschland eine Mischung aus Saalveranstaltungen und gelegentlichen Demonstrationen, die oft inhaltleer sind. Mit Klassenkampf und den dringenden Anliegen der großen Mehrheit der lohnabhängigen Frauen hat er wenig zu tun.

Ist das überall so?

Nö. Letztes Jahr in der Türkei sind trotz starker Repressionen mehrere 1000 Menschen auf die Straße gegangen um gegen die ansteigende Gewalt gegen Frauen zu demonstrieren. Aber auch in Argentinien, Brasilien, Indien und Bangladesch gehen am 8. März Millionen von Frauen auf die Straße. Nicht um sich zu feiern, sondern um für ihre Rechte zu kämpfen

Warum nehmen wir daran teil?

Wie ihr schon mitbekommen habt, ist der Frauenkampftag ein bedeutender Tag der Arbeiter_Innenbewegung. An Demos oder Veranstaltungen nehmen wir aber nicht teil, weil es halt „Tradition“ ist. Frauen- und LGBTIA Unterdrückung sind immer noch vorhanden und immer noch aktuell. Im Zuge des Rechtsrucks hetzen CDU/CSU und AfD steigt nicht nur Rassismus, auch Frauen- und LGBTIA-Rechte werden von Konservativen und Rechtspopulist_Innen angegriffen. Dass die damit Erfolg haben, wollen wir verhindern und darüber hinaus müssen wir Sexismus & Co an den Wurzeln packen!

Sollten nur Frauen und LGBTIAs demonstrieren?

Nein! Als Revolutionär_Innen müssen wir für die Ziele, die wir erreichen wollen gemeinsam kämpfen und zusammen für unsere Interessen eintreten. Die Unterdrückung von LGBTIAs, Rassismus und Sexismus ist zwar tief mit Kapitalismus verbunden. Für uns heißt das aber nicht a) dass sich nur diejenigen, die schon unterdrückt werden mit ihren Problemen beschäftigen müssen b) wir nicht jetzt schon gemeinsam für bessere Bedingungen kämpfen können und c) wir uns nicht mit Rassismus, Sexismus und LGBTIA-Diskriminierung auseinandersetzen müssen, sowohl in- als außerhalb unserer Organisation. Wenn wir die Probleme auf dieser Weltbeseitigen wollen, müssen wir vereint kämpfen! Also hinaus zum Frauenkampftag 2017!

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Was ist Sexismus? Und woher kommt Homophobie?

Schau‘ mal auf unsere Homepage! Dort findest du zwei Grundlagen-Artikel, die sich diesen Fragen widmen!

http://www.onesolutionrevolution.de/marxismus/was-ist-sexismus/

http://www.onesolutionrevolution.de/allgemein/homophobie-am-altar/




Sexuelle Unterdrückung: LGBTIA als Fluchtursache

VON SOPHIA AMECKE, Frauenzeitung Nr. 4, ArbeiterInnenmacht/REVOLUTION, März 2016


Homosexualität steht in ca. 70 Ländern unter Strafe. Diese reichen von Geldstrafen über lebenslange Haft bis zu Todesstrafen. Die Todesstrafe auf Homosexualität gilt im Iran, Katar, Sudan und Saudi-Arabien, im Jemen und in Mauretanien nur für Männer und in Somalia und Nigeria nur in bestimmten Gegenden.
Doch auch in Staaten, wo Homosexualität legal ist, wie in Russland oder den Balkanstaaten, werden LGBTIA-Personen (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Inter-, Asexual) oft wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert. Auch Misshandlung und gewaltsame Übergriffe sind an der Tagesordnung.
Das sind Gründe, die die Menschen dazu bewegen, aus ihrem Herkunftsland zu flüchten. Sie hoffen, in anderen Ländern in Frieden und ohne Angst leben zu können. Doch oft bietet die Flucht nicht das, was sich viele erhoffen. Sie sind der Homophobie anderer Flüchtlinge ausgesetzt und müssen ihre sexuelle und/oder geschlechtliche Identität verbergen. Dies ist besonders in den Sammelunterkünften mit Gemeinschaftsduschen und Gruppenschlafräumen sehr schwierig und die Betroffenen sind dauerhaftem Stress ausgesetzt.


Oft sind sie erneut von Gewalttaten betroffen. Ausreichend soziale und psychische Betreuung ist nicht gegeben.
Eine dezentrale Unterbringung mit gesonderten Unterkünften wäre wünschenswert, um den nötigen Schutz zu gewährleisten. Berlin ist diesbezüglich ein Vorreiter, aber leider auch eine Ausnahme. Bis Mitte Februar ist ein LGBTIA- Flüchtlingsheim mit 120 Plätzen in Planung. Bisher steht allerdings noch kein Gebäude zur Verfügung. Weder Mietvertrag noch der Betreibervertrag mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) waren indes bis zum 31.1.2016 unterschrieben. Die Unterbringung ist besonders wichtig, da sich Asylanträge über Jahre hinweg hinziehen können. Das Berliner Zentrum für Migranten, Lesben und Schwule (MILES) berichtet von 95 seinen Mitarbeiter_Innen bekannt gewordenen Fällen verbaler, körperlicher oder sexualisierter Attacken. Zudem habe es seit April bei 19 von 34 Ämterbegleitungen Beleidigungen durch Dolmetscher_Innen oder Wachpersonal gegeben. LesMigraS, der Antidiskriminierungsbereich der Berliner Lesbenberatung, erklärt, dass handfeste „körperliche Gewalt in den Heimen eher selten“ sei. In den Unterkünften herrsche eine „Atmosphäre der Resignation“. Saideh Saadat-Lendle von LesMigraS schildert den Fall eines jungen homosexuellen Afrikaners, der in der Unterkunft befummelt und verhöhnt worden sei.


Er erduldete diese Übergriffe aus Angst, dass seine Familie von der Homosexualität erfahren könne. „Ein Transmann, also eine Frau, die körperlich ein Mann werden wolle“, wollte sich aus Angst, in der Unterkunft angegangen zu werden, umbringen, weil die vor der Flucht nach Deutschland begonnene Hormontherapie hier abgesetzt wurde – aus Gründen, die dem bürokratischen Asylverfahren geschuldet sind, wie u.a. dem eingeschränkten Zugang zum deutschen Gesundheitswesen (ND, 1.2.2016).
Die Bewilligung des Antrags ist dann eine Einzelfallentscheidung, die oft sehr willkürlich ausfällt. Verfolgung aufgrund der sexuellen und/oder geschlechtlichen Identität ist zwar ein Grund für Asyl, die bloße strafrechtliche Verfolgung auf dem Papier in dem jeweiligen Land reicht jedoch nicht aus. Die Antragsteller_Innen müssen nachweisen, dass sie auch abweichend von der allgemeinen Lage verfolgt wurden. Doch das glaubwürdig zu beweisen ist nicht leicht, wenn in ihren Herkunftsländern LGBTIA-Begehren und LGBTIA-Identitäten sowie der offene Umgang damit tabuisiert sind. Oft wird ihnen unterstellt, die Unwahrheit zu sagen, um ihre Chancen auf Asyl zu erhöhen.


Ein weiteres Problem sind die Richter_Innen, die sich oft von Vorurteilen leiten lassen. Sieht der oder die Betroffene nicht wie ein/eine Homosexuelle/r aus, wird ihr oder ihm nicht immer geglaubt. Häufig müssen sich die Betroffenen von sogenannten „Gutachtern“ auf die „Qualität ihrer homosexuellen Neigungen“ überprüfen lassen. Ist nach Ansicht der Gutachter_Innen ein „Ausweichen auf eine heterosexuelle Lebensweise“ möglich, wird kein Asyl gewährt. Einige Flüchtlinge trauen sich nicht einmal, ihren wahren Fluchtgrund anzugeben. Dies kann zum einen daran liegen, dass sie nicht über die gesetzliche Lage in Deutschland informiert sind. Sie befürchten, dass ihnen auch hier Strafe droht. Ein anderer Grund dafür ist die Angst, die Dolmetscher_Innen aus ihrem Heimatland könnten sie an die dortige Regierung verraten, weil sie oft mit den Botschaften der Herkunftsländer zusammenarbeiten. Falls der Antrag dann abgelehnt würde, würde ihnen eine hohe Strafe drohen.


Deshalb fordern wir:


  • dezentrale Unterbringung für ALLE Geflüchteten
  • sensiblen Umgang in der Unterbringung für die besonderen Bedarfe von LGBTIA
  • ausreichende soziale, psychologische und medizinische Betreuung in den jeweiligen Herkunftssprachen der/des Einzelnen
  • rechtliche Unterstützung bei LGBTIA Themen
  • Sensibilisierung und Schulung aller Helfer_Innen und Mitarbeiter_Innen.





Was ist Seximus?

So gut wie alle Mädchen* und Frauen* weltweit sind gesellschaftlich und ökonomisch unterdrückt. Jede Dritte wird im Laufe ihres Lebens Opfer von (sexualisierter) Gewalt. Ihnen stehen in vielen, vor allem in halbkolonialen Länder, weniger demokratische Rechte zu, sie haben häufig schlechtere Bildungsmöglichkeiten, müssen unter den miesesten Arbeitsbedingungen malochen und sich ganz nebenbei noch um Kindererziehung und den Haushalt kümmern.

Aber auch in hochentwickelteren Industrieländern wie Deutschland sind Frauen* trotz formaler Gleichstellung zum Mann ökonomisch benachteiligt und haben mit sexistischer Unterdrückung zu kämpfen. Gerade junge Frauen* spüren immer wieder den gesellschaftlichen Druck, wie sie sich zu kleiden, sich zu verhalten haben, wie viel sie wiegen dürfen und für welche Berufe sie besonders geeignet seien. Sei es durch dumme Kommentare ihrer (männlichen*) Mitschüler oder auch durch sexistische Werbung und TV-Formate wie „Germany‘s next Topmodel“. Es wird eine ständige Verfügbarkeit des weiblichen Körpers impliziert, die ihren Negativhöhepunkt in Vergewaltigungen und anderen Formen sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen* findet. Diverse Vergewaltigungsmythen schüren dabei auch noch den Irrglauben, Frauen* würden durch ihre Kleidung und ihr Verhalten die Männer zu so einer schrecklichen Tat „provozieren“.

Aber auch in der Auslebung ihrer Sexualität haben Frauen mit vielen Einschränkungen zu kämpfen. Während ein sexuell freizügiger Mann* häufig als „Womanizer“ gefeiert wird, werden Frauen* mit unterschiedlichen Sexualpartnern* als „Schlampen“ tituliert.

Diese Unterdrückung ist jedoch kein Zufall, sondern hat System. Im Kapitalismus wird immer wieder die bürgerliche Familie als das Idealbild gesellschaftlichen Zusammenlebens reproduziert. Schon im frühen Kindesalter versucht man uns einzureden, dass eine „gesunde“ Familie aus einem heterosexuellen Ehepaar und deren Kindern bestehe. Der Mann ist dabei selbstverständlich der „Herr im Haus“, also der Hauptverdiener, während die Frau für die Kindererziehung verantwortlich und bestenfalls als Dazuverdienerin mit prekären Teilzeit- oder Minijobs die Haushaltskasse aufbessern darf. Auf dieses Rollenbild der Frau ist der Kapitalismus angewiesen. Denn nur, wenn die Reproduktion der Arbeitskraft, also Kindererziehung, Altenpflege und Haushaltsarbeiten, wie kochen und waschen, als unbezahlte, individuelle Arbeiten im Privathaushalt verrichtet werden, springt für das Kapital genug Profit heraus. Gleichzeitig führt diese Trennung von Produktion und Reproduktion auch zu einer Spaltung zwischen proletarischen Männern* und Frauen* und verhindert somit den gemeinsamen Kampf der Arbeiter*innenklasse gegen ihre Unterdrückung. Gerade dieser ökonomische Vorteil, den proletarische Männer* gegenüber Frauen* haben, schafft die Strukturen für chauvinistisches und sexistisches Verhalten.

Um aus diesem Kreislauf auszubrechen ist es unbedingt notwendig, die Reproduktion der Ware Arbeitskraft nicht mehr als private Hausarbeit der Frau zu betrachten, sondern diese Arbeiten zu vergesellschaften. Eine Möglichkeit dafür wären beispielsweise der Ausbau von Kitas, Waschküchen und Kantinen für alle, damit Frauen* die Möglichkeit haben, gleichberechtigt an dem Produktionsprozess teilzunehmen. Dazu müssen wir aber gleichzeitig den Kampf gegen die kapitalistische Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung aufnehmen und dabei jeden Sexismus in den eigenen Reihen konsequent bekämpfen, der uns spaltet und somit unseren Widerstand schwächt. Nur, wenn die Menschen frei und gleich arbeiten und produzieren, werden sie nicht mehr auf Geschlechter- oder Rollenbilder reduziert, sondern sind wirklich gleichberechtigt.

Ein Artikel von Nina, REVOLUTION-Oldenburg