Rechtsruck: Warum sind die Rechten so reaktionär gegenüber Frauen?

Saskia Wolf, Revolution Deutschland, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 8, März 2020

Ob nun in den USA durch Trump, Duterte auf den Philippinen,
Modi in Indien, Le Pen in Frankreich oder die AfD in Deutschland, seit mehreren
Jahren erleben wir international ein Erstarken der Rechten. Dies geht einher
mit Asylgesetzverschärfungen, Abschiebekampagnen, Angriffen auf Geflüchtete und
Migrant_Innen. Aber nicht nur Nationalismus und Rassismus nehmen zu. Auch
Angriffe auf demokratische Grundrechte und fortschrittliche Gesetze für Frauen
und die Frauenbewegung gehen damit einher. Wir schreiben also das Jahr 2020.
Anstatt dass wir der Befreiung aus der sexuellen Unterdrückung näherkommen,
gibt es ein Rollback für Frauen, ein Zurückwerfen auf ihre Rolle als Mutter und
Hausfrau. Aber warum haben rechte und konservative Kräfte es auf die Freiheit
der Frauen abgesehen?

Seit der Weltwirtschaftskrise 2007/08 hat sich die
Konkurrenz zwischen den einzelnen Kapitalist_Innen und ihren Staaten verschärft.
Es kam zu einer massiven Konzentration von Kapital. Gerade die größeren
Monopole konnten davon profitieren, während kleinere Unternehmen nicht
mithalten konnten.

Kleinere UnternehmerInnen,
auch gerne als Mittelstand bezeichnet, haben Angst, ihre Stellung zu verlieren
und pleitezugehen. Getrieben von der Angst des sozialen Abstieges fangen sie
an, laut herumzubrüllen: Protektionismus, Nationalchauvinismus,
Standortborniertheit, das sind ihre Argumente, um sich zu schützen. Kurz
gesagt: Sie wollen das Rad der Geschichte zurückdrehen, um nicht ihren Reichtum
zu verlieren. Sie wollen den globalen Kapitalismus also auf reaktionäre Art
bekämpfen.

Mit der Fokussierung
auf Nationalstaat und Protektionismus geht auch einher, dass das Ideal der
„bürgerlichen Familie“ gestärkt werden muss. Denn im Kapitalismus ist die
Arbeiter_Innenfamilie der Ort, wo unbezahlte Reproduktionsarbeit stattfindet.
Ob nun Kindererziehung, Altenpflege, Waschen oder Kochen – all das reproduziert
die Arbeitskraft der einzelnen Arbeiter_Innen und sorgt gleichzeitig dafür,
dass dem Kapital die Produktivkraft nicht ausgeht. Oftmals wird diese
unbezahlte Hausarbeit von Frauen verrichtet. Diese Arbeitsteilung wird dadurch
gefestigt, dass Frauen weniger Lohn als Männer bekommen und sie somit nach
einer Schwangerschaft eher zu Hause bleiben. So verdienen beispielsweise Frauen
im Schnitt 22 % weniger als Männer, machen 75 % der Beschäftigten in
sozialen Berufen aus und arbeiten immer noch doppelt so lang im Haushalt wie
Männer. Im Kontrast dazu stehen erkämpfte Rechte von Frauen und LGBTIAs. Ob nun
Legalisierung von Homosexualität, die Gleichstellungsgesetze, das
Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper – all das lehnen die Reaktionär_Innen
mit aller Macht ab. Denn diese Errungenschaften greifen das Idealbild der
Familie an, auf das sie stark angewiesen, sind damit ihre protektionistische
Vorstellung der Nation Wirklichkeit wird.

Warum sind sie erfolgreich?

Um erfolgreich gegen rechts zu kämpfen, müssen wir
verstehen, warum diese überhaupt so stark geworden sind. Ein zentraler Grund
dabei ist die Führungskrise der Arbeiter_Innenklasse. Nach der Finanzkrise
stieg nicht nur die Konkurrenz unter den Kapitalist_Innen. Große Teile der
Krisenkosten wurden auf die Arbeiter_Innenklasse abgewälzt in Form von Sparmaßnahmen,
Entlassungen und dem Ausbau des Niedriglohnsektors. Das sorgte dafür, dass
große Teile der Klasse in Armut abrutschten. Dabei konnten weder
Sozialdemokratie noch Gewerkschaften die Lage verbessern. Vielmehr verwalteten
sie diese Politik im Interesse des Kapitals mit. Die desillusionierten Teile
der Arbeiter_Innenklasse wenden sich daraufhin den Versprechungen der
Populist_Innen zu.

Was tun?

Gegen Rechtspopulist_Innen und Reaktionär_Innen bedarf es
einer antirassistischen Arbeiter_Inneneinheitsfront, nicht nur gemeinsamen
Kampfs mit den Bürgerlichen gegen rechtliche Einschränkungen. So nennen wir
einen Zusammenschluss zwischen Organisationen der Arbeiter_Innenklasse für
Klassenziele, die z. B. die liberalen Elemente nicht teilen, und mit
Kampfmitteln wie Streiks, über die andere Klassen nicht verfügen. Im Zuge
dessen bedarf es zentraler Aktionstage, bei denen alle Beteiligten
mobilisieren. Dabei ist es wichtig, nicht nur formal zu einer Demo aufzurufen,
sondern klar zu fordern, dass die Basis der Organisationen in die Mobilisierung
einbezogen wird. Das bedeutet, dafür einzutreten, dass es Vollversammlungen und
Aktionskomitees  an Schulen, Unis und in
Betrieben gibt, die sich im Rahmen der Mobilisierungen mit der aktuellen
Politik auseinandersetzen und sich fragen: Wie kann hier konkret eine
fortschrittliche Politik aussehen? Das sorgt dafür, dass an den Orten, an denen
wir uns tagtäglich bewegen müssen, eine bewusste politische Auseinandersetzung
anfängt und zeitgleich mehr Leute erreicht werden als jene, die sich eh schon
für Antirassismus und Antifaschismus interessieren. Zentral ist es, Kämpfe
miteinander zu verbinden und nicht nur aktuelle Angriffe abzuwehren, sondern
auch für konkrete Verbesserungen, um aus der Defensive herauszukommen. Um die
Situation von Geflüchteten unmittelbar zu verbessern, müssen Revolutionär_Innen
für offene Grenzen und Staatsbürger_Innenrechte für alle eintreten. Darüber
hinaus müssen wir die Integration in die Gewerkschaften verlangen, um gemeinsam
der Spaltung entgegenzutreten, besser gemeinsame Kämpfe führen zu können wie
beispielsweise für einen höheren gesetzlichen Mindestlohn, aber auch das Selbstbestimmungsrecht
über den eigenen Körper.

Wenn wir erfolgreich dem Rechtsruck entgegentreten wollen,
müssen wir aktiv gegen rassistische, sexistische Spaltung und für
Verbesserungen der Klasse kämpfen. Nur so können wir die Reaktionär_Innen
aufhalten!




Woher kommt Sexismus?

Svea Hualidu, Revolution Deutschland, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 8, März 2020

Sexismus
zieht sich durch alle Bereiche unseres Lebens. Ob nun in der Schule, bei der
Arbeit oder auf dem täglichen Heimweg. Beispielsweise werden Geschlechtern
immer wieder bestimmte Eigenschaften zugeschrieben. Mädchen sollen immer schön
zurückhaltend, fürsorglich und freundlich sein. Jungs sollen hingegen immer
noch nicht über ihre Gefühle reden und die „starken Beschützer“ sein. Dadurch,
dass uns diese Werte durch Medien, Familie und unser Umfeld von Geburt an
vermittelt werden, stellen wir diese oft nicht in Frage.

Sobald
wir in die Schule kommen, werden diese Rollenverteilungen noch durch
nebensächliche Behandlung von der Rolle der Frau in der Geschichte verhärtet.
Frauen aus der Wissenschaft finden sich hier kaum bis gar nicht wieder. Mädchen
sollen gut in Kunst sein und werden für ihre Handschrift gelobt. Wenn sie sich
in einen naturwissenschaftlichen Kurs einschreiben, müssen sie sich dafür dumme
Sprüche anhören. In der Ausbildung oder an der Uni gehen die dummen Sprüche in
der Pause über Frauen, die sich sowieso nur schminken und von technischen
Sachen keine Ahnung haben, weiter. Das sind alles nur Beispiele für  Alltagssexismus. Dieser macht aber nur einen
Teil der Frauenunterdrückung aus. Denn gleichzeitig findet in unserer
Gesellschaft eine strukturelle Unterdrückung der Frau statt. So bekommen  Frauen 2020 immer noch 21 % weniger Lohn
als Männer insgesamt, 8 % mit der gleichen oder vergleichbaren
Arbeitsstelle. Dies führt dazu, dass sie nach der Schwangerschaft oder einem
Krankheitsfall in der Familie häufiger in Teilzeitarbeit gedrängt werden.

So
entstehen mehrere Nachteile: Frauen sind viel häufiger von (Alters-)Armut
betroffen, von ihrem Partner finanziell abhängig und müssen mehr im Haushalt
arbeiten. Daneben gibt es noch gesetzliche Hürden wie Einschränkungen/Verbot
der Abtreibung, während gleichzeitig sexuelle Straftaten kaum geahndet werden.
Klar ist also: Sexismus ist kein Hirngespinst und hat eine materielle Basis in
der Gesellschaft, die stetig reproduziert wird.

Feminismus

Vielen
Leuten ist Feminismus mittlerweile ein Begriff. Dabei gibt es unterschiedliche
inhaltliche Strömungen, die jeweils andere Ansätze entwickelt haben, wie man
gegen Frauenunterdrückung  kämpfen
sollte. Der Queerfeminismus wirft beispielsweise die Frage auf: „Wie definiert
man Geschlechter?“ und sieht das Hauptproblem in der Konstruktion sämtlicher
Geschlechternormen an sich. Der Radikalfeminismus hingegen sieht die Ursache in
der männlichen Natur, sucht die Lösung in der autonomen Organisierung von
Frauen. Intersektionalität fragt „Sind manche Frauen durch die Kombination
mehrerer Unterdrückungsmechanismen mehrfach unterdrückt?“, zeigt allerdings
keinen Lösungsansatz auf und setzt alle Unterdrückungen gleich. Der bürgerliche
Feminismus hat viele Spielarten, konzentriert sich in erster Linie auf die
rechtliche Gleichstellung aller Frauen. Dabei kann es auch dazu kommen, dass
die bürgerlichen Feminist_Innen rückschrittliche Positionen annehmen,
beispielweise Alice Schwarzer, die sich in ihrem Magazin EMMA ganz offen gegen
Sexarbeit und das Tragen eines Kopftuchs ausspricht. Diese Positionen lehnen
wir offen ab.

Alle
diese Spielarten haben mehrere Probleme. Zum einen gibt es selten eine
wirkliche Erklärung, woher Frauenunterdrückung eigentlich kommt. Zum anderen
betrachten sie meist alle Frauen als „Einheit“ und schreiben ihnen ein gleiches
Interesse zu. Das ist problematisch. Zwar ist es positiv, dass
Feminismusmagazine oder Self-Love-Instagramprofile sich mit den eigenen
Gefühlen von erlebter Unterdrückung auseinandersetzen, doch Worte formen leider
nicht die Realität. Diese wird von der ökonomischen Basis der Gesellschaft
geprägt. Da es unterschiedliche Klassen gibt, gibt es auch unterschiedliche
Interessen. So sind Frauenquoten in Chefetagen nur für einen kleinen Teil der
Frauen relevant und eben dieser hat auch ein Problem mit Forderungen, die eine
reale Verbesserung für alle darstellen würden wie bspw. kostenlose Abtreibungen
und Verhütungsmittel oder gleicher, höherer Lohn. Aber woher kommt denn nun
Frauenunterdrückung?

Entstehung der Familie und des Privateigentums

Am
Anfang der menschlichen Geschichte gab es eine klassenlose Urgesellschaft. Hier
waren alle Geschlechter gleichgestellt. Anthropologische Forschungen belegen,
dass sich erwachsene Frauen wegen Schwangerschaft und langer Abhängigkeit der
Kinder von der Mutter nicht an den langen Hetzjagden auf Großwild beteiligen
konnten. Diese war Domäne der erwachsenen, bewaffneten Männer. In dem Sinne
können wir von einer geschlechtlichen Arbeitsteilung sprechen, die genau wie
die noch ursprünglichere (Gebären, Stillen; Zeugen) biologische Ursachen hatte.
Frauen sammelten Früchte, Samen und andere Pflanzenteile und erbeuteten kleine
Tiere. Diese Arbeitsteilung der Jäger- und Sammlergesellschaften hatte so gut
wie nichts mit anderen physischen Unterschieden (Körperkraft, Ausdauer) zu tun.
Frauen trugen geschätzt 60 % zum Nahrungserwerb der Horden bei.

Mit
der Sesshaftwerdung, also ab der Jungsteinzeit, entwickelte sich dann Stück für
Stück ein Überschuss. Dies geschah insbesondere durch die Viehzucht und die
Durchsetzung des Ackerbaus (insbesondere in Verbindung mit Zugtieren zum
Pflügen). Eben jene Entwicklung ist hierbei hervorzuheben. Sie legte die Basis
für die Umgestaltung der Verhältnisse in Produktion (Ausbeutung,
Klassengesellschaft, Staat) und Reproduktion. Durch den erwirtschafteten systematischen,
dauerhaften Überschuss konnte erstmals ein Teil der Gesellschaft aus der
Produktion ausscheiden, sei es nur im Alter oder zeitlebens bei ehemaligen
Oberhäuptern (Häuptlingen). In diesem Zuge bildete sich auch die Familie
heraus. Diese unterschied sich von der heutigen dadurch, dass neben dem
Oberhaupt auch Haussklav_Innen oder Gesinde (nicht verheiratete Mägde und
Knechte) dazugehörten.

Auch
wenn die Übergangsperiode zur Klassengesellschaft mehrere Tausend Jahre
dauerte, so erwuchs sie aus dieser Formation und legte ebenfalls den Grundstein
für die Entstehung des Staates. Ein wichtiges Element hierbei nimmt der Übergang
zur Monogamie ein. Damit das Eigentum in an die eigenen Nachkommen vererbt
werden konnte, wurde diese essenziell. Diese war in erster Linie verbindlich
für Frauen, da durch die Monogamie die leibliche Vaterschaft der besitzenden
Männer gesichert werden sollte. Herauszustellen ist, dass
die Unterdrückung der Frau ab Entstehung der ersten Klassengesellschaften
unumkehrbar geworden ist und ihre Beseitigung darum die Errichtung einer
klassenlosen Gesellschaft erfordert.

Übergang
in den Kapitalismus

Mit
Beginn des Kapitalismus und der Entstehung des Proletariats hörte der Haushalt
auf, die grundlegende Produktionseinheit zu sein. Statt in der Familie selber
zu produzieren, musste es nach seiner Vertreibung von Grund und Boden, nach
Verlust seiner Produktionsmittel die eigene Arbeitskraft bei KapitalistInnen
verkaufen. Im Zuge des wachsenden Fortschritts, der Einführung von Maschinen im
Zuge der industriellen Revolution wurde es notwendig und möglich, mehr
Arbeitskräfte als nur Männer (Lohnarbeit von Frauen und Kindern) in die
Fabrikproduktion einzubeziehen. Zuvor, im Verlagssystem (Zwischenglied zwischen
Handwerk und Industrie), waren die Produzent_Innen schon keine Handwerker_Innen
mehr, weil sie allein von Aufträgen der Kaufleute vollständig abhängig waren,
aber noch keine Proletarier_Innen, weil sie formal noch über ihre
Produktionsmittel und Werkstatt verfügten. Mit dem Ruin des Handwerks wurden
sie zu Lohnabhängigen in industrieller Kooperation und Manufaktur. Die
Fabrikarbeit stellt für die Emanzipation der Frauen insofern einen Fortschritt
dar, als sie durch Mechanisierung etliche Schranken der nach Gewerk getrennten
Arbeitsteilung zwischen Männern, Frauen und Kindern einreißt und Aufhebung der
geschlechtlichen Arbeitsteilung vom technischen Prinzip, vom Stand der
Produktivkräfte her überhaupt ermöglicht. Muskelkraft spielt nur noch eine
untergeordnete Rolle.

Doch die kapitalistischen Produktionsverhältnisse verwandeln das
fortschrittliche Potenzial des Fabriksystems in eine Hölle für die
Arbeiter_Innenklasse, für die Frauen zudem noch in ein Fegefeuer. Da erstens
nämlich der Lohn von Arbeiter_Innen nur das enthält, was zur Reproduktion der
eigenen Familie notwendig ist und er im Fabriksystem auf die gesamte
Arbeiter_Innenfamilie verteilt wurde, sank der des Ehemannes, der zuvor die
Bestandteile für Gattin und nachwachsende zukünftige Arbeitskräfte enthielt.
Dies sparte den Kapitalist_Innen Geld und verschärfte auch die Konkurrenz
innerhalb der Klasse. Diese Abwertung des männlichen Arbeitslohns liegt dem
reaktionären proletarischen Antifeminismus zugrunde. Zum zweitens wurde die Arbeiter_Innenfamilie nun
als Ort, an dem die Arbeitskraft wieder hergestellt werden musste, zur zweiten,
aber unbezahlten Schicht für die Lohnarbeiterin.

Für die Arbeiter_Innenklasse  hat sie
also einen doppelten Charakter. Zum einen ist die Familie der einzige
„Ruheort“, zum anderen jedoch für die Frau eine Doppelbelastung. Sie musste
arbeiten und sich gleichzeitig um den Haushalt kümmern. So sparen die
Kapitalist_Innen zusätzlich viel Geld dadurch, dass sie die Reproduktion ins
Private auslagern. An Stellen, wo dies nicht (mehr) möglich ist wie
beispielsweise der grundlegenden Ausbildung, greift dann der bürgerliche Staat ein, um das
Interesse der gesamten Kapitalist_Innenklasse zu vertreten (allgemeine
Schulpflicht, Verbot der Kinderarbeit).

Auf der anderen Seite blieb Familie funktional für das Bürger_Innentum, um
die Vererbung innerhalb der herrschenden Klasse zu legitimieren. Das klassische
Bild der Arbeiter_innenhausfrau, was vor allem in westlichen, imperialistischen
Ländern präsent war, ist dabei etwas, das erst im späteren Verlauf der
Geschichte entstand. Für die Bürgerlichen und ebenso die besser gestellten
Kleinbürger_Innen war dieses zweifelhafte Ideal hingegen schon immer möglich.
Als sich dann vor allem in imperialistischen Ländern eine Schicht von
Arbeiter_Innen (Arbeiter_Innenaristokratie) durch erfolgreiche Streiks sowie
Extraprofite herausbildete, die besser verdient, wurde von ihr diesem Bild der
bürgerlichen Familie als Privileg nachgeeifert. Allerdings ist dies, wie wir
wissen, auch heute nur für einen kleinen Teil möglich.

All das beweist, dass Sexismus eine Klassenfrage ist und somit auch der
Kampf um die Frauenbefreiung einer um die Herrschaft einer Klasse über die
andere ist. Der Kapitalismus hat sich als unfähig und unwillig erwiesen, die im
Haushalt verrichtete Arbeit systematisch zu vergesellschaften. Er ist daher
unfähig, die Unterdrückung der Frauen zu beenden.

Doch
wie dagegen ankämpfen?

Für
die Praxis heißt das anzuerkennen, dass zwar auch die Männer der
Arbeiter_Innenklasse in einem gewissen Maß von Frauentundrückung profitieren,
allerdings keinen historischen Nutzen daraus ziehen. Vielmehr werden sie
dadurch an der Verwirklichung ihrer grundlegenden Klasseninteressen gehindert. Nur
ein gemeinsamer Kampf aller Proletarier_Innen gegen die herrschende Klasse kann
ein erfolgreicher sein. Als
Revolutionär_Innen müssen wir uns entschieden gegen jegliche Form der
Frauenunterdrückung stellen. Um diese jedoch effektiv zu beseitigen, müssen wir
sie an der Wurzel packen – dem Kapitalismus. Gleichzeitig muss klar
herausgestellt werden: Wir müssen den Kampf für eine bessere Welt mit Reformen
und konkreten Verbesserungen im Hier und Jetzt verbinden!

Beispielsweise durch einen gemeinsamen höheren
Mindestlohn oder das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper kann man
die existierende Spaltung innerhalb der Arbeiter_Innenklasse anfangen zu
beseitigen. Ebenso müssen diese Kämpfe an allen Orten unseres täglichen Lebens
und somit auch an denen, wo Politik stattfindet, geführt werden. Durch
Diskussionen am Arbeitsplatz, gewerkschaftliche Organisierung auch mit dem
Ziel, den Kampf gegen Frauenunterdrückung dort mit einzubringen,
antisexistische Veranstaltungen an Schulen und eine Schüler_Innengewerkschaft.
Komplett aufgelöst werden kann sie nur in einer klassenlosen Gesellschaft, in
der die Reproduktionsarbeit nicht mehr nur auf die Familie und somit die Frauen
ausgelagert wird. Ziel muss es sein, die tägliche Hausarbeit
gesamtgesellschaftlich zu organisieren. Durch beispielsweise Großküchen,
Waschräume sowie Kinder- und Angehörigenbetreuung, die kollektiv organisiert
wird.

Für den Kampf im Hier und Jetzt muss uns dabei klar sein, dass in der
heutigen Gesellschaft, in der wir alle nicht frei von unterdrückender
Sozialisierung leben, es auch in linken Organisationen Mechanismen bedarf, die
dem entgegenwirken. So brauchen wir jetzt schon kollektive Kinderbetreuung,
aktiven Umgang mit sexuellen Grenzüberschreitungen, Bewusstsein, Frauen und
sexuell Unterdrückte von technischen Aufgaben zu befreien sowie sie zu
ermutigen, aktiv nach außen zu treten. Auch Caucuses, also gesonderte Treffen
von sozial Unterdrückten, bei der sie sich über Erlebtes austauschen können,
sind ein notwendiges Mittel. Ebenso müssen Männer regelmäßig ihre
Sozialisierung und unterdrückendes Verhalten reflektieren.

Quellen: Hausarbeit https://www.beziehungen-familienleben.de/ergebnisse/wie-teilen-sich-maenner-und-frauen-die-arbeit-im-haushalt/




Aus unserer neuen Zeitung: Nachgefragt!

Felix Ruga+ Resa Ludivin

Was ist Enteignung?

Oft stößt mensch bei uns auf die Forderung nach Enteignung: Wir wollen die Immobilienkonzerne wie Deutsche Wohnen enteignen, die „Klimakiller“ wie Kohle- und Automobilindustrie oder Verkehrsunternehmen. Dabei ist die Idee, dass die Wirtschaft sich nach den Bedürfnissen der Menschen ausrichten soll. Einige spielen dabei eine besondere Rolle, weil sie sehr grundlegend für uns (Wasser, Wohnen, Essen, …) oder wichtig für das Klima (Transport, Energie) sind. Im Besonderen jene, deren Sicherung zentral sind (Wohnen, Wasser, Transport,…) oder die eine besondere Rolle in einem schwerwiegenden Problem haben (ÖPNV kostenlos machen, damit es weniger Autos weniger gefahren werden gibt). Wenn diese Dinge jedoch in privater Hand sind, dann sind sie vor allem für die Gewinne der Eigner_Innen statt für unsere Bedürfnisse da. Daher also diese Sache mit der Enteignung.

Dafür gibt es im Groben zwei Formen:
Zum einen wäre da die einfache Verstaatlichung. Dann geht es schon einmal nicht mehr um ein privates Profitinteresse und die Verwaltung wird von Beamt_Innen übernommen. Die Preise, Qualität und Produktion wird also zu einer Frage der Politik. Allerdings wird trotzdem noch für einen Markt produziert wird, es wirken also immer noch Zwänge wie eine gewisse Wirtschaftlichkeit und zum Teil tauchen wieder die gleichen Probleme wie Personalmangel, Verteuerung usw. auf. Das grundlegende Problem dabei ist, dass im Kapitalismus der Staat nicht dazu da ist, das Interesse der Gesamtheit zu vertreten. Vielmehr hält er die Klassengesellschaft aufrecht und wird daher auch nie effektiv unsere Bedürfnisse in der Produktion erfüllen. Bei Verstaatlichungen werden außerdem die ehemaligen Eigner_Innen oft viel zu hoch entschädigt. Ein Fortschritt stellt es trotzdem meistens dar!

Wir sprechen eigentlich von einer anderen Art der Enteignung: Es bilden sich demokratische Arbeiter_Innenräte, die die Betriebe besetzen. Diese entwickeln auch einen demokratischen Plan, was und wie zu produzieren sei. Alle könnten mitwirken, sodass sich die Produktion wie auch die Produkte am Menschen orientieren.

Wie sollten wir mit der Wissenschaft umgehen?

Fridays For Future, Extinction Rebellion sowie viele andere in der Umweltbewegung sehen sich als ein Sprachrohr oder die Vorkämpfer_Innen der Wissenschaft. Eine der großen Forderungen, die oftmals an die Regierung gestellt wird, ist: “Hört auf die Wissenschaftler_Innen!“, die klar belegen können, dass die Emissionen schleunigst gesenkt werden müssen und was für Reformen nötig wären. Und diese unterstützen wiederum auch die Klimabewegung, etwa in Form von Scientists For Future oder den vielen Vorträgen auf Demos und Veranstaltungen.
Die Wissenschaft auf unserer Seite zu wissen, ist eine große Stütze, denn sie gilt als objektiv und scheint somit als wertneutrale Stimme nach Vernunft, auf die zu hören im Interesse aller wäre. Ohne deren Urteil könnten, wir auch niemals sicher sein, dass wir überhaupt unsere Welt zu retten haben!
Jedoch führt dieser Anspruch der Objektivität auch dazu, dass sie keine konkreten politischen Handlungsvorschläge machen können: Sie sagen zwar, was getan werden muss, aber um das wirklich zu erreichen, müssen wir auch erklären, wie wir dorthin kommen! „Hört auf die Wissenschaft“ reicht aber nicht aus. Die Wissenschaft, schwebt nämlich nicht über der Klassengesellschaft. Sie hat richtig erkannt, das etwas getan werden muss, sie kann aber das Problem nicht lösen, was genau passieren muss und welche politischen Veränderungen notwendig sind. Darin besteht unsere Aufgabe: eine Perspektive zur gesellschaftlichen Veränderung umsetzen, die Klassenstandpunkt hat. Es darf dabei keine Kompromisse mit Profitinteressen geben, wir müssen es international machen, wir müssen es gemeinsam mit den Beschäftigten machen, wir müssen eine Gesellschaft schaffen, in der die Erkenntnisse der Wissenschaft unmittelbar umgesetzt werden können!
Und vor allem brauchen wir hierfür eine ausfinanzierte Wissenschaft, unabhängig von Geld und Karriere. Viele Technologien, die eine große Hilfe gegen den Klimawandel sein könnten, werden nicht ausreichend erforscht, da sie nicht profitabel genug sind. Werden doch einmal zum Beispiel klimafreundliche Produkte entwickelt, werden diese oft patentiert und versauern im schlimmsten Fall in irgendeiner Schublade, während weiter die alten, rentableren Produkte verkauft werden. Das alles passiert, wenn das die Geldgeber_Innen der Wissenschaft selbst eigene Profitinteressen haben. Sogar vor 50 Jahren sagten schon viele Wissenschaftler_Innen, dass es den Klimawandel gibt, aber durch große Energiekonzerne (wie Exxon mobil) wurden viele gekauft und haben Fehlinfos verbreitet.

Was können die Gewerkschaftsjugenden für die Klimabewegung machen?

Trotz der stärksten Umweltbewegung seit Jahren rief der DGB bisher nicht mal zu den Großstreiks auf, obwohl er das gekonnt hätte und die Klimakrise nicht nur ein Problem von Schüler_Innen ist, sondern von Arbeiter_Innen weltweit. Es liegt jetzt an den Gewerkschaftsjugenden das zu ändern.

Zwar sind die meisten Ortsgruppen stark an den Gewerkschaftsapparat angebunden, doch können sie gerade dies nutzen, um Klimaforderungen in die Gewerkschaft zu tragen. Die Forderungen von FFF, ebenso wie ein „sozialverträglichen Umweltschutz“ aussehen kann, werden derzeit schon diskutiert. Wir sagen: der einzig „sozialverträgliche Umweltschutz“ ist, sich das Geld bspw. für Umschulungsmaßnahmen von Kohlearbeiter_Innen usw. bei den großen Klimasünder_Innen selbst zu holen!
Das Ziel aller jungen Gewerkschafter sollte nicht sein eines Tages an der Spitze des Apparates zu stehen, sondern gemeinsam mit anderen Teilen der Bewegung für die Rechte und Lage von Arbeiter_Innen sowie unserer aller Zukunft zu kämpfen. In der Klimabewegung bedeutet das: Umweltschutz mit Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitszeitverkürzung und Neuaufteilung der Arbeit zu verknüpfen. Eine ökologische Wirtschaft ist unvereinbar mit der kapitalistischen Produktionsweise, denn sie kann nur funktionieren, wenn sie nicht profitorientiert ist. Wir müssen daher den Kern des Problems angehen. Doch diese Ziele können nur durch Druck auf die Kapitalist_Innen umgesetzt werden, durch einen Generalstreik für das Klima- sprich einem politischen Streik. Um das zu organisieren und eine Perspektive der Bewegung zu diskutieren, müssen sich alle kämpferischen Teile bei einer Strategiekonferenz 2020 verbinden. Lasst uns gemeinsam für eine nachhaltige Produktion in den Händen der Beschäftigten kämpfen!

Wozu brauchen wir Internationalismus in der Klimabewegung?

Die derzeitige Klimabewegung ist besonders stark in imperialistischen Ländern wie Deutschland. Hier wird über Klimanotstand, erneuerbare Energien und die Einhaltung irgendwelcher Grenzwerte diskutiert. Doch allzu oft verliert sie dabei aus den Augen, dass es in einigen Regionen der Welt bereits einen „Klimanotstand“ gibt, Menschen unter Wasserknappheit leiden und sterben oder aufgrund der sich verschlechternden Umweltbedingungen fliehen müssen.
Nehmen wir E-Autos als Beispiel, da sie von vielen Aktivist_Innen als Lösung der durch Autos abgesonderten Abgase gesehen werden. Zum Betrieb davon braucht man u. a. Cobalt, der in afrikanischen Ländern wie dem Kongo abgebaut wird. Die Arbeitsbedingungen: miserabel, zum Teil auch Kinderarbeit. Die Profite gehen nicht etwa an die Arbeiter_Innen vorort, sondern erst in imperialistischen Ländern, in denen man sich die heute noch sehr teuren E-Autos kaufen kann, wird der große Reibach von Konzernen wie BMW, VW oder Mercedes gemacht. Eine teure Lösung für reiche Imperialist_Innen also, bei dem im besten Falle die lokale Emission minimal verringert wird. Wo bleibt hier die Debatte um Arbeitsbedingungen? Globale Strategien zur Lösung der Klimakrise?
Outsourcing von Klimasünden bringt rein gar nichts fürs Klima! Lediglich die Klimabilanz imperialistischer Nationen wie Deutschland werden dadurch geschönt. Nationale „Lösungen“ bringen bei globalen Problemen gar nichts und sind nur Scheinlösungen zum Nachteil der Länder und ihrer Bevölkerungen, die heute schon im größeren Maße von Klimakatastrophen, verschmutzter Luft oder Wasser betroffen sind. Klimagerecht ist anders. Internationalismus heißt Klimagerechtigkeit für alle und eine Perspektive für alle. Daher muss die Antwort der Bewegung auf die Klimakrise heißen: Solidarität, Internationalismus, Antikapitalismus!

Interesse an unserer neuen Zeitung? Dann schau mal hier nach: http://onesolutionrevolution.de/zeitung/ oder schreib uns einfach unter http://onesolutionrevolution.de/kontakt/ an für eine gedruckte Version 😉




Welchen Antisexismus brauchen wir?

Jaqueline Katherina Singh, REVOLUTION, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung, März 2019

Wir leben in unruhigen Zeiten. Rechte Populist_Innen und Reaktionär_Innen gewinnen an Popularität. Mit ihnen wird rassistische Hetze wieder salonfähig sowie neoliberale Kürzungspolitik Alltag. Emanzipation wird ersetzt durch tradierte Rollenbilder und das konservative Bild der bürgerlichen Familie. Begleitet wird dies mit einer Zunahme an internationalen Spannungen: Handelskriege, zunehmende kriegerische Auseinandersetzungen und fortschreitende Militarisierung.

Doch so düster das Ganze aussieht, so erleben wir, wie auf der ganzen Welt Frauen für ihre Rechte demonstrieren und streiken. So gingen am 8. März 2018 in über 177 Ländern Menschen für die Rechte der Frauen auf die Straße. Allein in Spanien streikten 6 Millionen Frauen gegen sexuelle Gewalt, für gleiche Löhne und das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper. In der Türkei demonstrierten mehrere Tausende trotz der großen Repression seitens des Erdogan-Regimes. Darüber hinaus gab es in den letzten Jahren immer wieder große Proteste: Ob nun im Rahmen des Women’s March in den USA, des „schwarzen“ Protests gegen das Verbot von Abtreibungen in Polen, von Ni Una Menos in Lateinamerika – überall auf der Welt demonstrierten Millionen Frauen für ihre Rechte.

Als Revolutionär_Innen müssen wir uns die Frage stellen: Welche Perspektive haben die Proteste? Wie können wir uns gegen die Angriffe der Rechten wehren? Kurzum stellt sich die Frage: Welchen Antisexismus brauchen wir?

Ursprung der Frauenunterdrückung

Um diese Frage gut zu beantworten, müssen wir verstehen, woher eigentlich Frauenunterdrückung kommt. Schließlich wollen wir nicht nur gegen Auswüchse des Problems kämpfen, sondern es gleichzeitig an seiner Wurzel packen, um es für ein alle Mal zu beseitigen!

Als Marxist_Innen gehen wir davon aus, dass die Unterdrückung der Frau nicht in der Biologie oder „Natur des Menschen“ wurzelt. Weder wohnt es Frauen von „Natur aus“ inne, unterdrückt zu werden, noch Männern, Gewalt gegenüber Frauen auszuüben.

Vielmehr müssen die Wurzeln der Jahrtausende alten Unterdrückung der Frauen selbst in der Geschichte, in sozialen Entwicklungen gesucht werden. In seinem Werk „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ setzt sich Friedrich Engels nicht nur systematisch mit der Frage auseinander, er skizziert auch eine materialistische Erklärung der Unterdrückung der Frauen, des Patriarchats und seines Wandels in der Geschichte.

Engels weist darauf hin, dass Frauen nicht immer unterdrückt oder das „schwache“ Geschlecht waren, sondern – wie auch die moderne Forschung belegt – erst ab einem bestimmen Zeitpunkt der Entwicklung der Menschheit die Unterdrückung der Frauen beginnt und nach einer langen Periode systematische Formen annimmt.

Kurz zusammengefasst: Frauenunterdrückung gab es nicht schon immer und ist auch nichts Natürliches. Erst als Menschen sesshaft wurden und anfangen, mehr zu produzieren, als sie ein Mehrprodukt erzeugten und sich Privateigentum herauszubilden beginn, fing das Problem an. Dies passierte zur Zeit der Jungsteinzeit. Während es vorher Stammesgemeinschaften gab, bei denen es auch keine unterdrückerische geschlechtsspezifische Arbeitsteilung gab, veränderten sich in dieser Zeit die Strukturen des Zusammenlebens. Denn mit dem entstehenden Privatbesitz an Grund und Boden setzten sich auch patriarchale Vererbungsstruktur, systematische Ausbeutung und Unterdrückung durch (Sklaverei, Unterdrückung der Frau).

Damit die Vaterschaft gesichert und das väterliche Erbe auf die eigenen, leiblichen Kinder übergehen konnte, musste die Frau monogam leben. Im Laufe der Zeit, also über die Sklavenhaltergesellschaften der Antike hin zum Feudalismus verfestigten sich diese Strukturen und wurden gemäß der jeweils vorherrschenden Produktionsweise modifiziert. So wurde beispielsweise im feudalen Europa die Unterdrückung der Frau durch das Christentum ideologisch unterfüttert.

Der Kapitalismus hat das schon bestehende Unterdrückungsverhältnis den Erfordernissen der Ausbeutung der Lohnarbeit angepasst. Die herrschende Klasse profitiert von der Frauenunterdrückung und ihr System ist eng mit ihr verwoben. Beispielsweise ist die Familie erhalten geblieben, auch wenn sich ihre Funktion für die arbeitende Klasse gewandelt hat. Im bäuerlichen Haushalt der Feudalzeit war sie auch Ort der Produktion – der notwendigen Lebensmittel für die Familien der Bauern und Bäuerinnen wie des Überschusses, des Mehrprodukts für den Grundherrn, dessen Familie und Hofstaat. Dies wurde aber aufgrund der Industrialisierung überflüssig, da die LohnarbeiterInnen über keine eigenen Produktionsmittel verfügen, sondern ihre Arbeitskraft als Ware verkaufen mussten und bis heute müssen. Dennoch blieb die Familie bestehen, denn im Kapitalismus dient sie dazu, die Arbeitskraft zu reproduzieren, die im Haushalt vor allem von den Frauen ohne Entlohnung erledigt werden muss. Zugleich werden über die Familie und die ihr zugrunde liegende Arbeitsteilung nach Generationen und Geschlechtern auch gleich die sozialen Rollen vermittelt.

Unterschiedliche Interessen

Insgesamt ist wichtig herauszustreichen, dass zwar alle Frauen von Unterdrückung betroffen sind, aber wie und wie stark das der Fall ist, hängt von ihrer Klassenzugehörigkeit ab. So sind die Frauen der Bourgeoisie auch Angehörige der ausbeutenden Klasse – und haben somit ein materielles Interesse an der Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems und ihrer damit verbundenen Privilegien. Die Frauen aus dem Kleinbürger_Innentum und den Mittelschichten nehmen – wie diese Klassen selbst – eine widersprüchliche Stellung ein. Einerseits sind sie viel härterer Unterdrückung ausgesetzt als die Frauen der herrschenden Klasse. Sie müssen – wie die proletarischen Frauen – Beruf und Kindererziehung unter einen Hut bringen oder werden in den halbkolonialen Ländern von ihren Männern an den Haushalt gefesselt. Während viele dieser Frauen noch vor einigen Jahrzehnten (v. a. in den westlichen Ländern) sozial aufsteigen konnten, Karriere machten und einer Gleichberechtigung nahezukommen schienen, so sind sie heute oft auch massiv von Angriffen durch Sozialabbau (Kürzungen bei Kitas, Privatisierung, …) bedroht, die ihre Unterdrückung verschärfen.

Doch ähnlich wie kleinbürgerliche Ideologien oder auch der Reformismus erkennen sie den engen Zusammenhang von Kapitalismus und Privateigentum mit der Frauenunterdrückung nicht. Sie erblicken vielmehr in deren ideologischen Ausdrucksformen (Stereotypen, Geschlechterrollen, sexuellen Vorurteilen, Heterosexismus, …) die Ursache der Unterdrückung. Ihre Strategie erschöpft sich in verschiedenen Formen des radikalen oder reformistischen Feminismus, was ihre relativ privilegierte Stellung als Kleineigentümer_Innen oder Akademiker_Innen (Bildungsbürger_Innen) gegenüber der Masse der werktätigen Frauen widerspiegelt.

Die Arbeiter_Innenklasse als Ganze hingegen hat ein objektives materielles Interesse daran, das Kapitalverhältnis und damit die innerhalb der Lohnarbeit reproduzierte geschlechtsspezifische Arbeitsteilung wirklich zu überwinden und abzuschaffen – die proletarischen Frauen darüber hinaus auch ein brennendes, unmittelbares, subjektives. Konsequenter Antisexismus ist daher notwendigerweise Teil des revolutionären Klassenkampfes des Proletariats, weil er die Ausbeutung abschafft und die Produktion um der Reproduktion des unmittelbaren Lebens der Produzent_Innen willen umgestaltet, statt sie auf die Mehrarbeit für den Reichtum der Ausbeuterklasse auszurichten. Eine Frauenbewegung, die an die Wurzeln der Unterdrückung geht, kann nur eine proletarische, eine sozialistische Frauenbewegung sein, weil nur sie für den revolutionären Sturz des Kapitalismus, die Machtergreifung der ArbeiterInnenklasse als notwendigen Schritt zu einer klassenlosen Gesellschaft eintritt.

Kurze Kritik der Feminismen

Um nicht nur gegen die Auswirkungen der Frauenunterdrückung zu kämpfen, sondern diese zu beenden, bedarf es einer Analyse ihrer Ursachen. Diese ist besonders wichtig, da wir aus ihr Schlüsse ziehen können, mit welchen Mitteln wir gegen Sexismus kämpfen müssen. Deswegen haben wir als Marxist_Innen auch Kritik an Theorie und Programm der verschiedenen feministischen Strömungen. Auch wenn der Begriff „Feminismus“ heute im Alltagsgebrauch oft mit „Gleichberechtigung der Frauen“ gleichgesetzt wird (und in diesem Sinn alle Menschen, die für diese kämpfen als „feministisch“ betrachtet werden könnten), so unterscheiden sich die verschiedenen feministischen Theorie untereinander wie auch von einem marxistischen Verständnis der Frauenunterdrückung erheblich.

Zweifellos haben verschiedene feministische Theorien und Bewegungen zum Kampf um Gleichberechtigung viel beigetragen und wir unterstützen diese. Aber wir halten Teile ihrer Schlussfolgerungen wie die Methode ihrer Analysen für politisch falsch und glauben, dass die Kampfmittel nicht ausreichend sind, um an das gemeinsame Ziel zu kommen. Um dies zu skizzieren, setzen wir uns kurz mit einigen feministischen Strömungen auseinander, denn ähnlich wie z. B. beim „Antifaschismus“ gibt es viele unterschiedliche Strömungen, die oftmals unter einem Begriff zusammengeworfen werden.

Am deutlichsten wird das beim bürgerlichen Feminismus. Dieser beschränkt sich heute in seinen Forderungen meist darauf, Frauen das gleiche Recht einzuräumen wie Männern. Dabei fokussiert er sich aber überwiegend auf die Bedürfnisse von Frauen aus der herrschenden oder kleinbürgerlichen Klasse. Dies zeigen beispielsweise Institutionen wie Womens20, die im Rahmen des G20-Gipfels in Hamburg tagte. Dort sprachen Frauen wie Ivanka Trump, Angela Merkel und Vertreterinnen von Firmen und diskutierten, wie die „Förderung von weiblichem Unternehmertum sowie Zugang zu Kapital- und Finanzdienstleistungen für Frauen“ praktisch aussehen kann. Dass dies nur zur Verbesserung der Lage von Frauen beträgt, die aus gehobeneren Schichten kommen, sollte klar sein.

Der radikale Feminismus, der in der zweiten Welle der Frauenbewegung in den 1960er und 1970er Jahren entstand, beanspruchte hingegen ähnlich wie heute der Queer-Feminismus, die gesellschaftlichen Verhältnisse selbst in Frage zu stellen. Für beide liegt die Wurzel der Frauenunterdrückung allerdings nicht in der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und der Klassengesellschaft. Der Radikalfeminismus erblickt sie in einer allenfalls neben/quer zu dieser verlaufenden, überhistorischen Unterdrückung der Frauen durch die Männer aller Klassen. Der Queer-Feminismus und die dekonstruktivistischen Theorien erblicken die Ursache der Unterdrückung im Diskurs, in einer „heteronormativen Matrix“. Demzufolge bilden nicht die materiellen Verhältnisse (geschlechtsspezifische Arbeitsteilung) die Ursache der Frauenunterdrückung, sondern es sind vielmehr sexistische Ideologien, Vorstellungen, Sprechweisen, Diskurse, die zu Machtverhältnissen und Unterdrückung führen. Daher unterscheidet sich auch das Programm der Befreiung grundlegend. Während Marxist_Innen erkennen, dass Sexismus und Heteronormativität – wie jede reaktionäre Ideologie – nur dann endgültig verschwinden können, wenn ihre materielle Grundlage beseitigt ist, so erblickt der Queerfeminismus im Kampf um diskursive Deutungen den Kern der Auseinandersetzung. Dieser unterschiedlichen strategischen Ausrichtung entsprechen verschiedene Klassenstandpunkte. Der Queerfeminismus (und vor ihm der Radikalfeminismus) bringt jenen des Kleinbürger_Innentums und der Mittelschichten zum Ausdruck, der Marxismus jenen der proletarischen Frauen wie der gesamten Arbeiter_Innenklasse.

Ein heute eher marginales Dasein fristet der „sozialistische Feminismus“. Dieser versuchte in den 1970er Jahren, Feminismus und Marxismus zu verbinden und stellte zweifellos die linkeste Strömung innerhalb des Feminismus dar. Doch auch dieser war nicht in der Lage, die Schwächen v. a. des radikalen Feminismus zu überwinden, sondern kombinierte sie auf theoretischer Ebene nur mehr oder weniger zusammenhangslos mit marxistischen Vorstellungen (siehe beispielhaft den Artikel zur Debatte um „Lohn für Hausarbeit“ in dieser Ausgabe).

Aber was für einen Antisexismus brauchen wir dann?

Wir kämpfen für eine internationale, multiethnische, proletarische Frauenbewegung, die sich weltweit vernetzt und ihre Kämpfe mit einer antikapitalistischen Perspektive verbindet. Dabei sagen wir klar, dass es einen gemeinsamen Kampf von arbeitenden Frauen und Männern braucht. Das leitet sich daraus ab, dass die Angehörigen der Arbeiter_Innenklasse ein gemeinsames historisches Interesse haben, den Kapitalismus zu stürzen – im Gegensatz zu Frauen aus der Bourgeoisie, aber auch aus dem Kleinbürger_Innentums und den Mittelschichten. Daneben kann nur ein gemeinsamer Kampf, also beispielsweise Streiks, Demonstrationen genügend Druck auf- und bestehende Spaltungsmechanismen langsam abbauen. Dafür einzutreten, bedeutet aber auch einen konsequenten Kampf gegen Sexismus, Chauvinismus und Machismus in der Arbeiter_Innenklasse selbst zu führen.

Dies geht in einem gemeinsamen Kampf besser. Wir wissen aber auch, dass „die Männer“ in den Gewerkschaften, im Betrieb und nicht zuletzt in der „Partner_Innenschaft“ nicht ohne Druck auf ihre Privilegien verzichten werden. Ein Mittel sind dazu verpflichtende antisexistische Reflexionsrunden, Awarenessteams auf Veranstaltungen und die Schaffung von Strukturen, bei denen man übergriffiges Verhalten melden kann. Für Frauen bedarf es des Rechts auf Schutzräume, in denen man sich gesondert treffen kann, gezielter politischer Förderung und einer Entlastung von technischen Aufgaben.

Darüber hinaus ist Aufgabe einer internationalen, multiethnischen, proletarischen Bewegung, die unterschiedlichen Probleme, die Frauen auf der Welt haben, zu thematisieren und eine Perspektive für alle aufzuwerfen: ob nun von der Muslima, die das Recht hat, ihren Glauben so zu praktizieren, wie sie es möchte, über schwarze Frauen, die nicht länger der massiven Polizeigewalt und rassistischen Angriffen in den USA ausgesetzt sein wollen bis hin zur pakistanischen Arbeiterin, die nicht länger für einen Hungerlohn arbeiten will.
Egal ob für geflüchtete Frauen, lesbische, bi-, trans- oder asexuelle oder Frauen aus Halbkolonien oder Industrienationen: Aufgabe ist es, für die unterschiedlichen Situationen die Gemeinsamkeiten in der sexistischen Unterdrückung herauszustellen, aber auch die Unterschiede aufzuzeigen, und wie sie mit der Unterdrückung, die man als Frau erfährt, sowie mit anderen Faktoren zusammenhängen. Betrachtet man dies genauer, kommt heraus, dass überall auf der Welt Frauen mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind.

1. Volle rechtliche Gleichstellung und Einbeziehung in den Produktionsprozess!

Auch wenn gefeiert worden ist, dass nun überall auf der Welt Frauen wählen dürfen (dass dies z. B. in Saudi-Arabien nur für Kommunalwahlen gilt, wird außer Acht gelassen), haben Frauen vielerorts nicht die gleichen Rechte. Das bedeutet praktisch beispielsweise erschwerte Scheidungsmöglichkeit oder keine politische Teilhabe. In der gleichen Situation befinden sich auch alle Frauen, die sich auf der Flucht befinden und deswegen an ihrem Aufenthaltsort nicht die Staatsbürger_Innenrechte in Anspruch nehmen können. Insgesamt sorgt das dafür, dass Frauen als Menschen zweiter Klasse behandelt und durch ihre Isolation entmündigt werden. Ein Verbot, arbeiten zu gehen oder dies nur von zu Hause aus tun zu können, bedeutet vollkommene ökonomische Abhängigkeit von dem Partner oder der Familie. Dort wo dies nicht gegeben ist, müssen wir die Gewerkschaften dazu auffordern, eben jene in unsere Reihen aufzunehmen. Dies ist ein wichtiger Schritt, der deutlich macht, dass auch sie Teil der Arbeiter_Innenklasse sind, ähnlich wie Arbeitslose.

2. Gleiche Arbeit, gleicher Lohn!

Während Reaktionär_Innen versuchen, den Lohnunterschied damit zu erklären, dass Frauen einfach in weniger gut bezahlten Berufen arbeiten, weil sie angeblich körperlich „nicht so hart arbeiten können“ wie Männer, ist für uns klar: Der Unterschied in der Lohnhöhe folgt aus der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, die der Kapitalismus reproduziert. Der Lohn der Frau erscheint bis heute in den meisten Ländern als „Zuverdienst“ zum Mann. Der Lohnunterschied manifestiert a) die Rolle der Frau in der Familie, denn wenn sie weniger verdient, ist sie es, die „natürlich“ zu Hause bleibt, um auf Kinder oder pflegebedürftige Personen aufzupassen; b) die Abhängigkeit vom Partner. Dadurch werden Frauen auch „leichter“ aus der Arbeit gedrängt oder noch stärker in prekäre, schlecht bezahlte Arbeit oder Teilzeitjobs. Deswegen müssen wir gemeinsam dafür kämpfen, dass es keine Spaltung innerhalb der Arbeiter_Innenklasse durch Geschlecht oder Nationalität gibt. Denn diese fördert die Konkurrenz und Abstiegsängste untereinander und schwächt somit auch die gemeinsame Kampfkraft. Daher treten wir für gleiche Löhne, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen ein, um die Auswirkungen der Konkurrenz wenigstens zurückzudrängen!

3, Selbstbestimmung über den eigenen Körper!

Ob durch religiöse Vorschriften, rassistische Hetze oder Abtreibungsgegner_Innen: Überall auf der Welt sind Frauen damit konfrontiert, dass man versucht, über ihre Körper zu bestimmen. Deswegen treten wir dafür ein, dass Frauen selbstständig entscheiden können, was sie tragen oder ob sie schwanger werden/bleiben wollen.

4. Recht auf körperliche Unversehrtheit!

Ob nun sexuelle Grenzüberschreitungen, Vergewaltigungen oder reine Gewalt aufgrund des Geschlechtes wie bei Femiziden: Gewalt gegen Frauen ist allgegenwärtig! Dabei ist herauszustellen, dass dies ein internationales Problem ist und nicht auf bestimmte Regionen bzw. Religionen beschränkt ist, wie manche Reaktionär_Innen behaupten. Für uns ist klar: Es gibt keine Religion, die mehr oder weniger böse ist als andere Religionen. Es ist vielmehr eine Frage der gesellschaftlichen Basis und politischen Bedingungen, wo und wie stark religiöse Vorstellungen zur Ideologie rückschrittlicher Bewegungen werden und Einfluss gewinnen. Doch essentiell ist es, die Forderung nach Selbstverteidigungskomitees im Schulterschluss mit anderen Unterdrückten aufzuwerfen ähnlich wie die Gulabi-Gang, nur demokratisch organisiert, also mit direkter Wähl- und Abwählbarkeit und in Verbindung mit der Arbeiter_Innenbewegung. Der Vorteil solcher Strukturen besteht darin, dass man Frauen nicht als passive Opfer darstellt, sondern ihnen auch die Möglichkeit gibt, sich aktiv gegen Unterdrückung zu wehren. Daneben ist die Forderung nach Selbstverteidigungskomittees für Marxist_Innen wichtig, denn es bedeutet, keine Hoffnung in Polizei oder Militär zu setzen und ein Gegengewicht gegen ihr Gewaltmonopol bzw. gegenüber dem des bürgerlichen Staates allgemein zu schaffen.

5. Vergesellschaftung der Hausarbeit

Dies ist eine essentielle Forderung, um die Doppelbelastung von Frauen zu beenden und letzten Endes auch einer der Schritte, die die geschlechtliche Arbeitsteilung -und mit ihr die Stereotype beenden. Grundgedanke ist es, die Arbeit, die wir tagtäglich verrichten, um uns zu reproduzieren (essen, Wäsche waschen, Kindererziehung), nicht länger im stillen Kämmerlein alleine zu absolvieren, sondern sie kollektiv zu organisieren und auf alle Hände zu verteilen. Dies kann dann beispielsweise in Form von Kantinen oder Waschküchen ablaufen, an denen sich beispielsweise alle aus dem Bezirk beteiligen. Dadurch muss man dann nicht jeden Tag kochen oder jede Woche Wäsche waschen und es wird klar, dass eben diese Aufgaben nicht nur reine „Frauensachen“ sind. Im Kapitalismus findet so was nicht statt (oder nur in Ausnahmesituationen wie Kriegen), da kein Interesse herrscht, die Kosten für die Reproduktion staatlich zu organisieren.

Wie kommen wir zu so einer Bewegung?

Wie bereits geschrieben, erleben wir in der aktuellen Situation international viele Kämpfe. Ein Weg, bestehende Kämpfe zusammenzuführen, bedeutet, Solidarität zu zeigen. Dabei hat diese viele Ebenen: So ist es beispielsweise positiv, dass das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung in Berlin immer Redner_Innen aus anderen Ländern wie Polen oder Irland die Möglichkeit gibt, zu reden und darüber hinaus die Proteste sichtbar zu machen durch beispielsweise eigene Demoblöcke. Das ist ein guter Schritt in die richtige Richtung. Doch dabei dürfen wir es nicht belassen. Solidaritätsbekundungen sind gut, Solidaritätsaktionen sind besser! Diese sorgen nämlich dafür, dass das Bewusstsein, dass wir zusammen kämpfen müssen, um erfolgreich zu sein, steigt.

Damit diese nicht nur den Kreis an Menschen erreichen, der sich eh schon für die Thematik interessiert, ist es wichtig, Antisexismus auch an den Orten, an denen wir uns tagtäglich bewegen müssen, zu thematisieren: also den Schulen, Universitäten und Betrieben. Dies kann durch Veranstaltungen oder Vollversammlungen passieren. Geschieht das Ganze im Zuge einer Aktion, so ist es wichtig, im Zuge deren Aktions- und Streikkomitees zu gründen, damit jene, die aktiv bleiben wollen, sich koordinieren und ihren Protest demokratisch organisieren können. Daneben macht es Sinn aufzuzeigen, wo gemeinsame Berührungspunkte bestehen, und Kämpfe miteinander zu verbinden. Denn der Kampf gegen repressive Abtreibungsgesetze in Argentinien hat die gleichen Ursachen wie die in Polen, El Savador, Irland oder Deutschland. Damit mehr Berührungspunkte aufkommen, macht es auch Sinn, solche Diskussionen mit Problemen, die vor Ort existieren, zu diskutieren wie beispielsweise sexistische Übergriffe oder Bemerkungen oder mangelnde Debatte über Abtreibungsaufkärung. Doch damit eine Bewegung erfolgreich wird, ist es wichtig, bereits existierende Organisationen zu beteiligen. In Deutschland wären das Gewerkschaften, die SPD oder Linkspartei, also Organisationen, die eine Anbindung zur Arbeiter_Innenklasse haben. Dabei bedeutet Beteiligung nicht nur, dass man unter einem Demoaufruf steht, sondern offen die eigene Mitgliedschaft zu Aktionen mobilisiert und diese motiviert, Aktions- und Streikkomitees aufzubauen. Alles andere ist halbherzig. Damit das passiert, müssen wir Druck ausüben und Organisationen offen dazu auffordern. Um den Protest international zu verbinden, braucht es darüber hinaus Aktionskonferenzen, ähnlich der Weltsozialforen, wo Organisationen zusammenkommen und gemeinsam über die Programmatik, Forderungen und gemeinsame Aktionen diskutieren. Denn nur wenn wir eine Bewegung sind, die ihre Basis auf der Straße hat und nicht nach einem Tag verschwunden ist, können wir unsere Forderungen durchsetzen. Schließlich und nicht zuletzt braucht es eine revolutionär-kommunistische Frauenbewegung als Sammlung der Arbeiter_Innenavantgarde, als Struktur der und in Verbindung mit einer neuen revolutionären Weltpartei der Arbeiter_Innenklasse – der (aufzubauenden) Fünften Internationale!




Eine Lehre aus der Novemberrevolution: Notwendigkeit einer Arbeiter_Innenmiliz

von Jonathan Frühling

Der Ersten Weltkrieg enthüllte den Charakter der imperialistischen Epoche in voller Schärfe. Aufrüstung, ein offener Kampf um die Kolonien und die globalen Märkte sowie letztlich ein bis dahin beispielloses Zerstören und Massensterben an der Front. Während sich die herrschende Klasse an der Kriegswirtschaft bereicherte mussten Arbeiter_Innen- und Bäuer_Innenklasse hungern und an der Front ihr Leben lassen. Als Ende 1918 die Niederlage Deutschlands nahe war, rebellierte die Armee und löste so zusammen mit den fortschrittlichen Lohnabhängigen eine Revolution aus, die das alte Kaiserreich hinwegfegte. Allerdings führten die Ereignisse vom 9.11.1918 nicht zu einer sozialistischen Republik. An der Spitze der Revolution standen nämlich die SPD und die USPD, welche eine Linksabspaltung der SPD darstellte. Die führenden Mitglieder beider Arbeiter_Innenparteien hatten sich aber längst mit dem Kapitalismus arrangiert und sahen in der Revolution eine Bedrohung ihrer privilegierten Stellung als Bürokrat_Innen. Sie wollten den Kapitalismus zwar reformieren, strebten aber keine sozialistische Räterepublik nach dem Vorbild Russlands an, die sich auf die organisierte Arbeiter_Innenklasse stützt. Deshalb schützten sie das Privateigentum von Adel und Kapitalist_Innen (Banken, Fabriken, Boden, Immobilien), womit diese die Basis ihrer Macht behielten.

Die Folge davon war eine Doppelmachtsituation ab November 1918. Auf der einen Seite stand die Regierung von SPD und USPD, um die sich die Konterrevolution sammelte (hohe und reaktionäre Militärs, Kapitalist_Innen, Adel, bürgerliche Bürokrat_Innen). Auf der anderen Seite standen die im November gebildeten Arbeiter_Innen- und Soldatenräte, die die Institutionen der revolutionären Massen darstellten.

Im Verlauf der nächsten Monate verlor die Revolution jedoch immer weiter an Boden. Es gab keine revolutionäre Massenorganisation, die das Proletariat weiter in Richtung einer vollständigen Machtübernahme führen konnte. Der Spartakusbund, aus dem später die KPD hervorging, vereinte zwar aufrichtige Revolutionär_Innen, allerdings hatte er nur minimalen Einfluss in den Massen. Außerdem fehlte ihm eine Taktik, wie man die Arbeiter_Innenklasse von der verräterischen SPD/USPD-Führung wegbrechen könnte. Die Regierung unter dem SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert arbeitete mit den alten kaiserlichen Militärs dagegen zielstrebig an der Niederschlagung der Revolution. Sein Ziel war die Einführung einer bürgerlich-kapitalistischen Republik. Die Massen fühlten sich durch die Regierungspolitik mehr und mehr betrogen. Die radikalsten Elemente griffen deshalb im Januar 1919 spontan und verfrüht zu den Waffen, wobei sie vom Spartakusbund unterstützt wurden. Der Aufstand endete aber in einer totalen militärischen Niederlage. Die Nationalversammlung einige Tage später, auf der eine kapitalistische Verfassung angenommen wurde, stellte den entscheidenden Sieg der Konterrevolution in Berlin da. Zwar gab es in der Folgezeit noch viel Versuche eine Räterepublik zu erreichten, diese blieben aber vereinzelt und wurden restlos blutig niedergeschlagen.

Aus dem gegebenen geschichtlichen Abriss lässt sich erkennen, dass die Frage von Revolution oder Konterrevolution in letzter Konsequenz auch auf der militärischen Ebene ausgetragen wird. Das soll natürlich nicht heißen, dass der gewaltsame Sturz einer Regierung schon eine Revolution ist. Es sollte aber klar sein, dass die herrschende Klasse nicht kampflos untergehen wird, wenn es noch eine Person gibt, die bereit ist, für sie eine Waffe zu tragen. Deshalb muss die Frage nach dem bewaffneten Aufstand und der Verteidigung der Revolution immer eine Rolle in revolutionärer Politik spielen. In Deutschland bewaffnete sich die Arbeiter_Innenklasse zwar teilweise, war aber einer militärischen Konfrontation mit der Konterrevolution nicht gewachsen. Das hat mehrere Gründe. Eine wichtige Ursache ist dabei im Krieg selbst zu suchen. Die Arbeiter_Innen, die an die Front gezwungen wurden, sehnten sich nach Frieden und waren froh nach der Heimkehr endlich die Waffen niederzulegen. Sie hofften mit der Beendigung des Krieges endlich Frieden zu haben und wollten einen Bürgerkrieg der Klassen, wenn möglich, verhindern. Vielleicht ist das auch ein Grund, wieso man so gnädig mit den alten Militärs umging. Die Offiziere und reaktionären Soldaten wurden meistens nur vertrieben und nicht gefangengesetzt oder getötet. Das gab ihnen später die Möglichkeit die Revolution niederzuschlagen. Sie konnten sich dabei auf Soldaten stützen, die Kaiserreich und Krieg befürwortet hatten. Den Grund für die Niederlage suchten sie in der Revolution, die sie deshalb um jeden Preis bekämpfen wollten. Ein weiterer Grund ist in der Politik der Arbeiter_Innenparteien zu finden. Die SPD stand von Anfang an fest auf der Seite der Konterrevolution und verhinderte die Bewaffnung der Arbeiter_Innenklasse nach Kräften. Ihre verlogenen Parolen davon endlich Stabilität und Frieden zu einkehren zu lassen, stießen bei der kriegsmüden Bevölkerung leider auf fruchtbaren Boden. Parallel dazu baute der SPD Mann Noske die Truppen der Reaktion, die sogenannten Frei-Korps, selbst federführend mit auf. So konnten die Illusionen der Arbeiter_Innenklasse nach Frieden schnell im Blut ertränkt werden. Leider versäumte es auch der linke Flügel der USPD, der den kämpferischsten Teil der Arbeiter__Innenklasse organisierte, streikende Arbeiter_Innen zu bewaffnen. Einzig die spätere KPD stellt die Forderung nach Entwaffnung der Konterrevolutionär_Innen und Bewaffnung der Arbeiter_Innenklasse auf. Sie war aber leider viel zu schwach, um ihren Forderungen realen Gehalt zu verleihen.
Beide genannten Punkte sorgten dafür, dass sich die Revolution zwar bewaffnete, aber keine militärische Organisation aufbaute. Es gab kein militärisches Training und auch keine Organisierung der Bewaffneten unter den Streikleitungen, den Räten oder den Parteien. Auch die Bildung revolutionäre Gruppierungen im Heer wurde vom SPD-dominierten Reichsrätekongress im Dezember 1918 abgelehnt.

Die Geschichte hat 1918/19 in Deutschland gezeigt, dass eine halbe Revolution von der Konterrevolution im Blut ertränkt wird, wenn sie nicht konsequent zu Ende geführt wird. Dafür steht der Konterrevolution die Polizei, das Militär (sofern es noch der Regierung gehorcht) und reaktionäre (faschistische) Bande zur Verfügung. Wir sind also selbst dazu gezwungen zur Waffe zu greifen, um unsere Ziele gegen diese Kräfte zu verteidigen. Diese Aufgabe kann die Arbeiter_Innenklasse aber nur unter die Führung einer revolutionären Massenpartei erfüllen. Doch auch heute schon müssen wir uns gegen die steigende Anzahl von Angriffe von Nazis und Bullen verteidigen. Außerdem wird es zu spät sein, wenn wir zu lange damit warten. Wir alle wissen, dass Polizei und Militär laufend aufrüsten und in ganz Europa faschistische Milizen aufgebaut und bewaffnet werden. Wenn wir Sozialismus wollen, dann müssen wir die Revolution entschlossen bis zum Ende durchführen und gegen die Reaktion verteidigen, sonst erwartete uns das gleiche Schicksal, wie Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg: Eine blutige Konterrevolution und weitere 100 Jahre Kapitalismus.

In Russland dagegen bewaffneten sich die Arbeiter_Innen in St. Petersburg und Moskau in Zusammenarbeit mit den stationierten Garnisonen und führten nach Betriebsschluss im Hof der Fabriken Schießübungen durch. Ab Spätsommer 1918 baute man das militärische Revolutionskomitee auf, welches letztlich die bewaffneten Kräfte der Revolution vereinte und den militärischen Teil der Oktoberrevolution durchführte.




Was ist Halbfaschismus?

Von Leonie Schmidt

In einer Phase des gesellschaftlichen Rechtsrucks ist es nicht wirklich verwunderlich, dass es weltweit immer mehr autoritäre Regierungen schaffen, an die Macht zu kommen. So beispielsweise Bolsonaro in Brasilien, Erdogan in der Türkei oder Putin in Russland. In diesen Fällen gibt es dann auch viele Linke, die diese Machthaber als Faschisten abstempeln oder auch den ganzen Staat gleich als faschistisch hinstellen. Es ist aber nicht nur im historischen Kontext relevant, nicht einfach mit dem Begriff Faschismus um sich zu werfen (so können beispielsweise die Verbrechen der NS-Zeit herunter gespielt werden), sondern selbstverständlich ist es auch für die Analyse der Phase des Klassenkampfes, in der wir uns befinden, und dementsprechend auch für die Wahl der Taktik wichtig, sich differenziert mit den Handlungen, Strukturen und Zielen der autoritären Regime zu beschäftigen. Hier unterscheiden wir zwischen Faschismus, Halbfaschismus und Bonapartismus.

Selbstverständlich müssen wir aber erst einmal klären, was Faschismus aus einer marxistischen Perspektive überhaupt bedeutet. Der Faschismus ist eine Bewegung, welche aus der Klassengesellschaft entsteht, genauer gesagt aus dem Kleinbürger_Innentum, welches ständig nach Aufstieg in höhere Klassen strebt und gleichzeitig aber vom permanenten Absturz ins Proletariat bedroht wird. Dies trifft besonders in Zeiten von großen Finanzkrisen zu. Auch bevor der europäische Faschismus in den 1930ern aufstieg, gab es eine große Finanzkrise, welche mit starker Inflation einherging.  Der Faschismus diente jedoch hauptsächlich Monopolkapitalist_Innen, da die Produktionsmittel und die Produktionsverhältnisse nun zu ihrem eigenen Vorteil gewaltsam geformt werden können. Während die faschistische Bewegung versucht, die Staatsmacht zu erkämpfen, hat sie auch antikapitalistische Züge,  aber nach dem Erkämpfen der Staatsmacht und der Zerschlagung der Errungenschaften und Organisationen der ArbeiterInnenklasse verfällt jegliche Bewegung und der Faschismus ersetzt das Parlament mit sich als bürgerlich-staatliche Bürokratie, dementsprechend werden auch nicht länger antikapitalistische Inhalte aufrecht gehalten. Faschistische Bewegungen gehen aber auch immer mit Rassismus, Homophobie und Sexismus einher, einerseits aus ideologischen Gründen, andererseits um die ArbeiterInnenklasse weiter zu spalten. Ebenfalls gibt es in faschistischen Organisationen oder Bewegungen auch paramilitärische Gruppierungen, die vor allem vor der Staatsübernahme politische Gegner_Innen ermorden oder verletzen wie bspw. die SA in der Weimarer Republik und selbstverständlich brauchen die FaschistInnen auch eine faschistische Partei.

Nun zum Halbfaschismus. An sich ist das kein guter Begriff, weil es eine gewisse Unsicherheit in der Analyse durchscheinen lässt, aber das auch nicht ohne Grund, denn die Zukunft der Länder oder Regierungen, die beschrieben werden, ist alles andere als glasklar. Das lässt sich am Beispiel Bolsonaro sehr gut betrachten: Er ist an der Macht in Brasilien, hat faschistische Positionen hinsichtlich indigenen Völkern, Frauen, Homosexuellen, spricht von Säuberungen und Genoziden. Er sabotiert antifaschistische Arbeit, indem er geschichtsrevisionistisch allen Unterrichtsstoff, der mit der NS-Zeit einher ging, verboten oder, wenn es sich um Materialen handelt, versucht hat, sie zu beschlagnahmen, wie beispielsweise Banner in einer Uni in Rio De Janeiro, die sich gegen Rassismus und Faschismus richteten. Er feierte auch seinen Wahlsieg zusammen mit seinen bewaffneten Anhängern, dem Militär und der Polizei, was ein grauenvolles Bild von Hass, Sexismus und Rassismus zu Tage brachte. Des Weiteren hat er, um die Wahl zu gewinnen, eine ganze Menge falsche Informationen gestreut. Er kämpft gegen die Organisationen der Arbeiter_Innenklasse und die brasilianische Linke, indem er zum Beispiel den Parteigründer der Linkspartei Lula Da Silva verhaften oder Debatten zum Thema Demokratie in einer Uni stürmen ließ. Er inszeniert sich als starker gewalttätiger Anführer, da er eine Vergangenheit im Militär hat. Das alles lässt nun auf Faschismus schließen. Und sicher ist Bolosnaro auch ein Faschist als Person an sich. Aber noch ist Brasilien kein faschistisches Land und hat auch keine komplett faschistische Regierung. Wenngleich Bolsonaros Partei sehr konservativ ist und er viele AnhängeInnen hat – von einer faschistischen Massenbewegung und einer faschistischen Partei ist sie dennoch nach wie vor etwas entfernt. Somit können wir die brasilianische Regierung als halbfaschistisch bezeichnen. Hierbei ist es sehr wichtig, dass wir den Halbfaschismus als eine Art Übergangsphase zum faschistischen Staat oder zur Niederlage der Faschist_Innen ansehen. Gelingt es Bolsonaro, die ArbeiterInnenbewegung Brasiliens zu zerschlagen und seine grauenvollen profitorientierten und menschenverachtenden Pläne durchzuführen, so können wir davon ausgehen, dass das fünft größte Land der Welt zu einem faschistischen Staat geworden ist. Gelingt es aber den Arbeiter_Innen sich zu organisieren, zu streiken, zu kämpfen und Bolsonaro zu stürzen, so konnte der Faschismus geschlagen werden, eh er sich überhaupt vollständig entfalten konnte. Das ist natürlich schwer und Bedarf auch mehr als nur ein paar Streiks, aber Bolsonaro ist sicherlich nicht unaufhaltsam (Mehr Infos in unserem Artikel „Nieder mit Bolsonaro“ in dieser Zeitung).

Wie bereits oben erwähnt, gibt es aber noch eine andere, für die marxistische Bewegung relevante Analyse autoritärer Regierungssysteme. Das ist der Bonapartismus. Im Gegensatz zum Faschismus und Halbfaschismus entspringt er nicht dem Kleinbürger_Innentum, sondern ist eine Form der Diktatur der Bourgeoisie, bei der sie in einer sehr instabilen Situation ihre politische Macht an einen autoritären Alleinherrscher abtritt, dieser kann sowohl rechts – konservativ sein wie bspw. Erdogan, aber auch vermeintlich links wie Hugo Chavez. Eine solche Situation kann zum Beispiel entstehen, wenn sich keine Fraktion der herrschenden Klassen entscheidend durchsetzen kann oder kein Kompromiss innerhalb der parlamentarischen Demokratie zwischen den Klassen und Fraktionen möglich ist. Dabei stützt sich das bonapartistische Regime auf Teile aller Klassen und Schichten – meist jene, die sich ihrer Klassenzugehörigkeit am wenigsten bewusst sind. Auf Seiten der Arbeiter_Innen drückt sich in der Unterstützung des Bonaparte eine gewisse Verzweiflung aus. Daher werden auch teilweise soziale Forderungen der Arbeiter_Innen erfüllt. Die Unterschiede zum Faschismus sind deutlich im Hinblick auf den Klassenkampf: Während der Bonapartismus eine Art Befriedung des Klassenkampfes und der Fraktionskämpfe innerhalb der Klassen sucht, so richtet sich der Faschismus mit aller Macht gegen die Arbeiter_Innenklasse mit dem Ziel, diese zu zerschlagen. Dabei stützt sich die faschistische Partei vor allem auf eine unabhängige, militante Bewegung des ruinierten Kleinbürger_Innentums. Der Bonapartismus stützt sich von Anfang an auf Teile des Staatsapparates und Teile aller Klassen. Es ist aber relevant, dass diese Systemanalyse nicht nur aufgrund der Frage, gegen wen wie häufig Repressionen angewendet werden, beantwortet wird. Dafür müssen wir uns immer die genauen Geschehnisse im Klassenkampf anschauen!

Eines ist klar: ob Faschismus, Halbfaschismus oder Bonarpatismus – bekämpfen können wir autoritäre Systeme, indem wir eine Einheitsfront mit allen linken und proletarischen Organisationen formen und gemeinsam gegen die Regierungen bis zum Sozialismus kämpfen!




Was ist eine Internationale und warum gibt es so viele davon? Teil 1

Teil 1 – Der Aufbau einer Internationalen und ihre Ausweitung zu einer Massenpartei – Die IAA und die 2. Internationale

VON JAN HEKTIK

„Der Kampf um Befreiung ist International“ diesen Spruch hört man auf Demos und Aktionen oft, doch wie soll ein solcher Kampf überhaupt stattfinden? Viele Menschen würden diese Frage beantworten, indem sie sagen:“der Kampf muss in jedem Land stattfinden.“ Auf die Frage, wie und ob denn die Kämpfe in verschiedenen Ländern verbunden sein sollen, kommt die Idee einer internationalen Vernetzung. Doch reicht das wirklich aus? In einer Zeit in der die internationale Rechte gemeinsame Blöcke in Parlamenten bildet und gegenseitig Mobilisierungen unterstützt. In so einer Zeit kann die Antwort eigentlich nur lauten:“Das ist nicht genug!“

Und nicht nur die radikale Rechte handelt international. Auch die Bosse und Großunternehmen sind international aufgestellt. Lobbyist_Innen in Brüssel, Washington und den Metropolen Europas treten längst für Konzerninteressen ein, die nicht mehr an nationale Interessen gebunden sind. Ein Konzern wie Nestle hat Standorte auf der ganzen Welt und setzt seine politischen Ziele auch in aller Welt geplant und koordiniert durch. Doch was können wir dem entgegensetzen?

Schon Marx und Engels haben sich diese Frage gestellt, denn bereits vor über 150 Jahren bildeten sich kapitalistische Vereinigungen, die weltweit aufgestellt waren. Dies machte einen internationalen Kampf nötig.
So entstand die Idee einer Internationalen, im Sinne einer Weltpartei, die nicht nur lose Absprachen trifft. Die Idee war es, dass dadurch Kriege verhindert werden und massive Angriffe auf die Rechte von Arbeitenden bekämpft werden könnten.
Diese Idee auszuweiten und eine internationale Weltpartei, die für Frieden, Freiheit und Sozialismus auf der ganzen Welt kämpft, zu schaffen, machten sich Marx, Engels und auch viele andere zur Lebensaufgabe. Im Folgenden soll versucht werden, die Entwicklung der inzwischen vier Versuche des Aufbaus einer solchen Organisation zu beschreiben und die Fehler und Erfolge dieser zu betrachten, um daraus für die Zukunft zu lernen.

Die IAA – Die erste Internationale als Versuch internationale Kämpfe zu verbinden

Mitte des 19.Jahrhunderts hatte sich die kapitalistische Produktionsweise immer mehr ausgebreitet. Dadurch erhöhte sich zwangsläufig auch die Anzahl der Arbeiter_Innen und damit auch die Konflikte zwischen diesen und den Fabrikbesitzer_Innen massiv. In der Folge gab es einen gigantischen Zuwachs von gewerkschaftlicher Organisierung, Streiks, Arbeitskämpfen und einer Bewegung für bessere Arbeitsbedingungen und politische Rechte. In dieser Entwicklung sahen Marx und Engels die Chance, eine Internationale zu gründen, und nutzten ihre Kontakte in die Bewegungen in anderen Ländern, um diese offiziell 1864 zu gründen. Die erste Internationale erreichte eine Reihe von Erfolgen, die vor allem auch auf eine politische Tradition britischer Gewerkschaften zurückzuführen ist. Diese Unterstützung war auch praktischer Natur, zB bestreikten Textil- und Hafenarbeiter_Innen die Einfuhr von Baumwolle aus Sklavenarbeit sowie Betriebe, die sie nutzten. Aufgrund des frühen Stadiums der Entwicklung war die Arbeit hauptsächlich auf Ausweitung der Internationale und der Streikbewegung ausgerichtet. In diesem Rahmen wurden viele politische Organisationen der Arbeiter_Innenklasse wie Parteien oder revolutionäre Organisationen zusammengefasst. Das Ziel war in jeder Nation möglichst nur EINE dafür große politische Organisation der Klasse, in Form einer sozialdemokratischen Partei, zu haben.. In dieser sollte die Stoßrichtung des Kampfes der Klasse diskutiert und entschieden werden. In der Internationalen zeigten sich jedoch schon bald diverse Konflikte über die Ausrichtung der Arbeit. Einige Stimmen wollten vor allem eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und einen rein wirtschaftlichen Kampf. Andere Stimmen wollten auf die politische Herrschaft der Arbeiter_Innen abzielen. Gleichzeitig waren auch die Formen des Kampfes um diese Umsetzung der politischen Ziele umstritten.

Ziemlich bald stellte sich heraus, dass in der IAA zwei verschiedene Lager bestanden. Sie hatten unterschiedliche Vorstellungen in der Umsetzung und auch des zu erreichenden Ziels: Die eine Strömung ging als die Anarchist_Innen um die Ideen von Bakunin und Proudhon in die Geschichte ein. Die andere wurden Marxist_Innen genannt und sammelten sich um die Ideen von Marx und Engels. An diesem Konflikt sollte die IAA schlussendlich auch zerbrechen. Dies wurde vor allem nach dem Deutsch-Französischen Krieg sichtbar. Dort stürzten die Arbeiter_Innen von Paris die Herrschenden und hielten Wahlen ab. Die gewählten Verteter_Innen waren jederzeit abwählbar und durften nicht mehr Geld als der Durchschnitt der arbeitenden Bevölkerung bekommen (das war 1870/71! und beinhaltet mehr demokratische Rechte als wir heute haben!). Der Aufstand entstand durch die Entscheidung der Regierung, die Kanonen zur Verteidigung aus Paris zu entfernen. Sie wollte den Arbeiter_innen die Waffen abnehmen, doch anstatt dem Folge zu leisten, nutzten die Arbeiter_Innen diese, um die Kapitalist_Innen zu stürzen. Die Regierung machte daraufhin einen Deal mit den Deutschen und schlugen gemeinsam die Pariser Kommune nieder. Im Verlauf dessen und in den Hinrichtungen danach schlachteten sie Zehntausende ab. In der kurzen Zeit ihres Bestehens verwirklichte die Commune die Trennung von Kirche und Staat, die Abschaffung der Todesstrafe, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und den Aufbau einer bewaffneten Miliz von Arbeiter_Innen. Diese war im Gegensatz zum Militär demokratisch kontrolliert.

Sie beging jedoch auch eine Reihe von Fehlern, die zu ihrem Niedergang führte. Beispiele hierfür sind das Verzichten einer Offensive gegen die französische Zentralregierung, was dieser die Zeit zur Vorbereitung eines Angriffes verschaffte, oder die Unterlassung einer Verstaatlichung der Zentralbank und ihrer Goldreserven. Aus dieser Entwicklung zogen Marx und Engels den Schluss, die Klasse könne den bestehenden Staat nicht einfach übernehmen, sondern müsse ihn zerschlagen, um ihn durch etwas gänzlich Neues zu ersetzen. In Folge dessen trat der Konflikt zwischen Anarchist_Innen und Marxist_Innen innerhalb der IAA deutlicher zu Tage. Die Anarchist_Innen wollten vollständig auf den Aufbau von politischen Parteien und der Errichtung eines staatsähnlichen Gebildes verzichten. Dagegen hielten es die Marxist_Innen für notwendig, diese als Kampforganisationen gegen die bewaffneten und in Parteien organisierten Kapitalisten zu schaffen. Die Anarchist_Innen wollten stattdessen, in kleinen im Untergrund arbeitenden Gruppen, über Anschläge und Attentate die Bevölkerung zum Aufstand bewegen. Statt diese Auseinandersetzung innerhalb der IAA in Diskussionen und mit Argumenten zu führen, bildeten sie geheime Zirkel innerhalb der IAA, die ohne Wissen der restlichen IAA versuchen sollten, die IAA zu übernehmen.

Ein solches Manöver ist genau wie die Vorstellung von geheimen Gruppen, jedoch höchst undemokratisch und macht ein Einwirken aller auf die getroffenen Entscheidungen unmöglich. Im Jahr 1876 fand schließlich der letzte Kongress der IAA statt. Danach gab es faktisch keine arbeitende Internationale mehr. Teile der anarchistischen Bewegung sehen sich jedoch immer noch als Teil der IAA, sodass sie bis heute formell besteht. Die IAA ist als erster Versuch der Schaffung einer Internationalen von großer Bedeutung, sie veröffentlichte eine Reihe wichtiger Resolutionen. Weiterhin machte sie klar, dass in einer Organisation eine offene Auseinandersetzung über die Ausrichtung geführt werden muss. Auch heute heißt das für uns: Klarheit vor Einheit!

Wir sehen die Spaltung mit den Anarchist_Innen nicht als Fehler an, hatten sie schließlich gänzlich andere Vorstellungen, was zu erreichen wäre und wie das umgesetzt werden sollte. Es spricht nichts dagegen mit Strömungen zusammenzuarbeiten, die derart andere Vorstellungen haben. Jedoch kann eine Organisation nicht entgegenstehende Ziele und Mittel verfolgen, ohne sich selbst zu behindern, im Kampf aber trotzdem Schulter an Schulter mit politischen Strömungen arbeiten!

Die 2. Internationale – Eine Masseninternationale kämpft um politische Klarheit …

In den frühen 1880iger Jahren gab es die ersten Versuche eine neue Internationale zu schaffen. Diese gingen jedoch vor allem von Kleinstgruppen aus. Engels setzte sich zu diesem Zeitpunkt gegen die Schaffung einer neuen Internationale ein. Sie wäre eine zahlenmäßig und auch politisch schwache gewesen. Er war der Meinung, man solle mit dem Ausruf einer neuen Internationale warten, bis sie auch handlungsfähig wäre, und eine Sogwirkung entfalten könne. In einer Zeit, in der es Bewegung und einen Aufschwung von fortschrittlichen Ideen gibt, kann ein solcher Aufruf tausende zu gemeinsamen internationalen Aktionen mobilisieren. Wählt man den Zeitpunkt jedoch schlecht, so verpufft der Effekt und die Chance wird verspielt.

1889 gab es jedoch ernsthaftere Bestrebungen größerer Organisationen und Parteien, die Schaffung einer Internationalen zu bewirken. Es war in den letzten Jahren zu einem Wachstum von Parteien und Gewerkschaften gekommen. Diese waren jedoch größtenteils von der Idee geprägt, man könne durch rein gewerkschaftlichen Kampf und über die reine Arbeit in Parlamenten eine endgültige Verbesserung im Kapitalismus erreichen und sich mit dem System arrangieren.(im folgenden als Reformismus bezeichnet). Die deutsche Sozialdemokratie und die Marxist_Innen, versuchten deshalb in die Gründung zu intervenieren, um diesen Kräften das Feld nicht kampflos zu überlassen. Im Jahre 1889 tagten also zwei Arbeiter_Innenkongresse, die die Frage der Schaffung einer Internationalen diskutierten. Ein Kongress der Reformist_Innen, welche mehr Deligierte, aber weit weniger Länder beinhaltete und ein Kongress der Marxist_Innen. Es wurde auch erfolglos versucht, die Kongresse zu vereinen. Die Begründung war einfach: Die zwei Kongresse vertraten derart unterschiedliche Ansichten, dass man nicht mehr von einem gleichen Ziel sprechen konnte. Nichtsdestotrotz wurde angestrebt, das beide Kongresse (bzw. Ihre Bewegungen) eine Allianz im Sinne eines gemeinsamen Kampfes eingehen sollten. Außerdem einigte man sich auf einige gemeinsame internationale Aktionen.

Im Verlauf dieser gemeinsamen Mobilisierungen und aufgrund des Erfolges einiger internationaler Aktionen, wurde sich für den 1. Mai 1890 auf einen internationalen Streik für den 8 Stunden Tag geeinigt. Hierbei wurden die Bedingungen in den einzelnen Ländern berücksichtigt, sodass zwar überall Aktionen stattfanden, aber in manchen Ländern keine Streiks. Der 1. Mai 1890 war ein gigantischer Erfolg mit Massenstreiks und Demos in vielen Ländern und führte schließlich zur Gründung einer gemeinsamen Internationalen. Die 2. Internationale war ins Leben gerufen.

In den Jahren ihres Bestehens hatte diese mit einigen Problemen zu kämpfen. Am stärksten ins Gewicht fiel dabei wohl, dass die Sozialdemokratien in den europäischen Ländern immer mehr revolutionäre und sozialistische Forderungen und Positionen ablegten. Sie beschränkten sich auf rein gewerkschaftliche Forderungen. Vor allem der rechte Flügel der Sozialdemokratie, die so genannten Revisionist_Innen um Eduard Bernstein, vertraten die Ansicht, die parlamentarische Demokratie sei bereits eine über den Klassen stehende Institution und ermögliche die Befreiung der Arbeiter_Innen ohne das eine Revolution nötig sei.

… und scheitert!

Die Internationale versuchte diesem teilweise auch entgegenzuwirken, jedoch stieß sie dabei vor allem auf zweierlei Probleme: Erstens war das Sekretariat der 2. Internationale zwar befugt, Entscheidungen zu treffen und Resolutionen zu verabschieden, die nationalen Parteien kämpften jedoch stark dagegen an, sich von der Internationalen Anweisungen geben zu lassen. So bestand für sie keine Bindungswirkung, die der Entwicklung zum Reformismus hätte entgegenwirken können. Zweitens wurden zwar auf internationalen Kongressen Resolutionen verabschiedet, diese waren jedoch schwammig formuliert. Wie der Beschluss, auf jede Kriegserklärung solle mit Streiks und Aufständen geantwortet werden, der jedoch nicht zum Handeln verpflichtete.

Im Jahr 1914 musste die Internationale dann den Preis dieser Fehler bezahlen. Der 1. Weltkrieg brach aus und nahezu alle Parteien der 2. Internationale stimmten den Kriegen ihrer Länder zu und stellten so die Interessen ihrer Nation über die ihrer Klasse!
Dies führte immer mehr zum Abwenden der Internationale vom Internationalismus. Bis heute besteht die 2. Internationale formell weiter, jedoch hat eine Internationale ohne realen Internationalismus keinerlei Wert und dient so nur noch als Aushängeschild der Sozialdemokratie.

Hieraus lernen wir, dass ein Ausschweigen und hohle Kompromisse, die Meinungsverschiedenheiten nicht beilegen und lediglich dazu führen, dass sie am ersten Punkt großen äußeren Drucks zum Zerfall der Organisation führen. Es betont auch die Wichtigkeit, bindende Beschlüsse treffen zu können und eine feste Struktur zu haben, die auf internationaler Ebene den nationalen Interessen entgegentreten kann. Nur so können die Interessen der weltweiten Klasse gegen die nationalistische Propaganda verteidigt werden. Wir werden in der nächsten Ausgabe noch sehen, welche Lehren die später folgende dritte Internationale aus dem Verrat der zweiten zieht.

Opposition! – die Bolschewiki und die zweite Internationale

Schon vor dem Verrat der Parteien der zweiten Internationale durch die Unterstützung des ersten imperialistischen Weltkrieges hatte sich in den Debatten um die Ausrichtung der Arbeit und die Positionen zum Krieg eine linke Opposition gegen die Revisionist_Innen und Reformist_Innen gebildet. Nach dem Verrat erwies sich dies als wichtiger Faktor. Sie waren keinesfalls einheitlich in ihren Anschauungen, doch verband sie der Gedanke des Internationalismus und ihre Ablehnung des Krieges. Insbesondere die Bolschewiki intervenierten dort auf Grundlage der These Lenins, man müsse den nun stattfindenden und nicht mehr zu verhindernden Weltkrieg umwandeln in einen revolutionären Bürger_Innenkrieg. Er hatte die Vorstellung, man könne über Agitation in den Armeen die einfachen Soldaten zum Meutern gegen ihre Offiziere und Befehlshaber bewegen. So könne man die Gewehre von den Klassenbrüdern und Schwestern der anderen Nationen in Richtung der Herrschenden lenken und damit eine Revolution und somit auch ein Ende des Krieges erreichen.

Im Jahr 1915 kam es dann zur Zimmerwalder Anti-Kriegskonferenz, auf der nicht nur die linke Opposition, sondern auch Teile der zwischen den linken und rechten Teilen der Internationale stehenden Mitgliedern teilnahmen. Auf dieser Konferenz wurde zwar die Position Lenins abgelehnt, jedoch formierte sich dort die sogenannte „Zimmerwalder Linke“, die eigenständige Forderungen und Postionen veröffentlichte. Dies legte den Grundstein für die später entstehende III. Internationale.

In den Jahren des Krieges wuchs der Unmut der Arbeiter_Innen aufgrund des Schreckens des Krieges und des Ausbleibens des versprochenen „schnellen Sieges“. So konnte die Zimmerwalder Bewegung immer mehr Unterstützung unter diesen gewinnen und das ist einer der Gründe, wieso es dann auch 1918 zu massenhaften Meutereien und Aufständen in Deutschland kommen konnte, die eine Fortführung des ohnehin verlorenen Krieges unmöglich machten.

Wie selbst Vertreter wie Bauer (ein Sozialdemokrat aus Österreich) feststellen mussten, war es für eine offen bürgerliche Regierung unmöglich geworden, eine Regierung zu bilden. Hätte sie dies getan, sie wäre mit den Worten Bauers „binnen acht Tagen von Straßenaufruhren gestürzt und von ihren eigenen Soldaten verhaftet worden“. Europaweit kam es zu massenhaften Streiks und der Bildung von Arbeiter_Innen- und Soldatenräten. Die Revolution war auf dem Vormarsch. Nun fiel der SPD und der restlichen Sozialdemokratie der übrigen Nationen eine äußerst widerliche Aufgabe zu, denn sie sollte für die Kapitalist_Innen die Revolution aufhalten. Und das taten sie! In Deutschland spaltete sich die SPD darüber in 3 Parteien: Die Mehrheits-SPD (MSPD) trat klar für die Errichtung einer parlamentarischen Demokratie ein, die KPD (vorher Spartakus Bund) für eine Rätedemokratie. Die Unabhängige SPD (USPD) schwankte zwischen beiden. Über die Rolle der USPD und ihre Auswirkungen werden wir näher im zweiten Teil in der nächsten Ausgabe eingehen. Hier wird vor allem die Rolle der MSPD beleuchtet werden.
Diese setzte sich als stärkste Kraft in den Räten für ein Ende von Streiks, Aufständen, Fabrikbesetzungen und der Auflösung der Räte ein. Der Erfolg dieses Handelns zeigte sich dann auch im Bündnis der MSPD mit dem Militär (unter kaisertreuer Führung!), der Niederschlagung der Räterepublik in München und der Errichtung der Weimarer Republik.

So hatte die Sozialdemokratie ihre Aufgabe erfüllt, den Untergang der Revolution von 1919 besiegelt und somit die Befreiung der Arbeiter_Innen in Deutschland, Österreich und anderen Nationen verhindert. Die Revolution war zunächst aufgehalten.

Doch im Osten Europas formierte sich geführt von den Bolschewiki eine neue Hoffnung für die arbeitende Bevölkerung und die bisher größte Bedrohung des globalen Kapitalismus: Der erste revolutionäre Arbeiter_Innenstaat, die Sowjetunion.

Doch dazu mehr in der nächsten Ausgabe. Da wird es u.a.die Gründung und Entwicklung der Kommunistischen Internationale gehen, die sich zum Ziel setzte, den finalen Sturm der revolutionären Kräfte auf das Bollwerk der Reaktion zu führen und endgültig den Sieg des Sozialismus zu erkämpfen!




Ist eine Revolution heute noch möglich?

Flo Wasser und Merlin Arnold­

REVOLUTION. Das ist nicht nur der Name unserer Jugendorganisation, sondern auch unser politisches Programm. Wir sind revolutionäre Kommunist_Innen und treten für die Zerschlagung des Kapitalismus ein. Vor 100 Jahren siegte die Oktoberrevolution in Russland und ist ein großer Referenzpunkt für Linke, die heute noch von Revolution sprechen. Daneben gab es auch eine Reihe anderer Revolutionen, viele davon schlugen fehl, zum Beispiel die Novemberrevolution in Deutschland. Diese großen Revolutionen, wie auch die in China fanden allesamt am Anfang, bzw. in der Mitte des 20. Jahrhunderts statt. Die Gesellschaft hat sich seitdem verändert, dennoch treten wir heute immer noch für eine revolutionäre Perspektive ein. Dabei kommt eine Frage immer wieder auf. Ob nun in Schule, der Diskussion mit Freund_Innen oder Eltern: Ist eine Revolution heute noch möglich?

Bei allen Veränderungen, die die Welt seit 1917 durchgemacht hat, bleibt eines: Wir leben immer noch in einer kapitalistischen Welt. Viele von uns sind gezwungen, nach der Schule ihre Arbeitskraft für schlecht bezahlte Jobs zu verkaufen, in der wenig Zeit bleibt, das zu machen, was Freude bereitet. In anderen Ländern der Welt gibt es Menschen, die noch nicht einmal von ihrer Arbeit leben können, hungern oder gezwungen sind, aus ihrer Heimat zu fliehen. Begleitet wird das von Umweltzerstörung, einer wachsenden rassistischen Bewegung, steigender Kriegsgefahr und systematischer Unterdrückung. Aber diese aktuelle, objektive Lage spiegelt sich nicht eins zu eins im Bewusstsein von einem Großteil der Menschheit wieder. Die meisten gehen arbeiten, beschweren sich nicht großartig oder sind, wenn sie was verändern wollen, aktiv in Parteien oder NGOs. Kurz gesagt: So ohne weiteres wird es eine Revolution nicht geben. Aber wie können wir das ändern? Der lange Weg, der vor uns liegt, besteht aus wichtigen Elementen, denen wir uns nun widmen wollen:

Wer macht die Revolution?

Marx bezeichnete seinerzeit das Proletariat, also die Arbeiter_Innenklasse, als revolutionäres Subjekt. Aber was meinte er damit? Um das zu klären, müssen wir den Begriff Subjekt näher betrachten. Es beschreibt im Ursprung ein räumlich und zeitlich begrenztes Wesen. Ein weiteres Merkmal ist, dass ein Subjekt denken und eigene Entscheidungen für sich treffen kann, also ein Bewusstsein für sich hat. Somit ist ein Subjekt ein Individuum, welches freie Entscheidungen treffen kann, die jedoch von anderen beeinflusst werden können. Im 19. Jahrhundert wurde der Begriff des Subjekts erweitert durch kollektive Subjekte. Aufgrund dessen werden auch Personengruppen wie die Jugend oder die Arbeiter_Innen als Subjekt bezeichnet.

Aber warum soll das Proletariat das revolutionäre Subjekt sein? Das hat mehrere Gründe. Zum einen hat das Proletariat international ein gemeinsames Interesse: Sich von der Ausbeutung zu befreien. Die Herrschenden haben zwar auch gemeinsam, dass sie daran interessiert sind, dass das nicht passiert, aber daneben versuchen unterschiedliche Kapitalist_Innen mehr Profit zu machen als andere und stechen sich dabei aus. Zum anderen ist die Arbeiter_Innenklasse eine Macht, ohne die der Kapitalismus nicht existieren kann, da sämtliche Güter, Produkte und Dienstleistungen durch den Verkauf der Arbeitskraft entstehen. Bevor das Proletariat jedoch ein revolutionäres Subjekt wird, ist es zunächst nur ein Subjekt, das langsam zu dem Bewusstsein kommt, dass die bestehende Ordnung nicht gut für es ist. Man sagt auch, dass es von „einer Klasse an sich“ zu „einer Klasse für sich“ werden muss.

Wie entsteht Bewusstsein?

Bevor man sich die Frage stellt, wie Bewusstsein entsteht, muss man sich die Frage stellen, was Bewusstsein ist. Das Wort Bewusstsein hat mehrere Bedeutungen. Wir befassen uns allerdings mit dem geistigen Bewusstsein. Es bedeutet demnach, dass man sich über das Wissen von bestimmten Fakten sowie der Erinnerung an bestimmte Ereignisse bewusst ist. Wenn wir also von Bewusstsein sprechen, meinen wir das politische Bewusstsein.

Aber wie entsteht der Prozess von der Klasse an sich für eine Klasse für sich? Bewusstsein entwickelt sich in Kämpfen. Beispielsweise Streiks gegen schlechte Tarifverträge und für eine bessere Lebensgrundlage. Diese sind aber oftmals von einer Form bürgerlichen Bewusstseins geprägt, weil diese ökonomischen Auseinandersetzungen auf den normalen Arbeitsverhältnissen beruhen und sie nicht in Frage stellen. Schärfere Auseinandersetzungen wie Generalstreiks oder politische Bewegungen können aber in die Richtung einer revolutionären Entwicklung drängen, da sie Fragen nach der weiteren Perspektive, nach Strategie, Taktik aufwerfen, die in „friedlichen“ Zeiten für die Masse von Azubis und Arbeiter_Innen (und der Gesellschaft insgesamt) überflüssig und unrealistisch erscheinen, ja erscheinen müssen.

Um das zu fördern, werfen wir als Organisation sogenannte „Übergangsforderungen“ auf. Statt bloßer Minimalforderungen, die sich nur auf die aktuellen Tageskämpfe beziehen oder Maximalforderungen wie „Sozialismus jetzt“, versuchen wir eine Brücke zwischen diesen beiden zuschlagen. Das heißt, wir verbinden Tagesforderungen mit einer Forderung, die in einer bürgerlichen Gesellschaft nicht erfüllbar sind, um die Menschen in einen Widerspruch zu bringen.

Neben der Übergangsprogrammatik ist die Selbstorganisierung ein elementarer Bestandteil bei der Entstehung von Bewusstsein. Die Selbstorganisierung in Komitees hin zu Räten und Milizen sind nicht nur mögliche Keimformen eines neuen Staates, sondern fördert auch die Eigenständigkeit und das politische Bewusstsein von den Aktiven in den Komitees. Kurz gesagt: Revolutionäres Bewusstsein fällt also nicht einfach so vom Himmel, sondern muss bewusst vorangetrieben werden, quasi in die Klasse und Bewegungen „hineingetragen“ werden. Damit dies klappt, bedarf es einer Organisation mit revolutionärem Programm. Dieses ist aber nicht in Stein gemeißelt und darf nicht als starres Regelwerk verstanden werden, sondern muss immer hinterfragt, in der Praxis überprüft und weiterentwickelt werden.

Und wann gibt’s jetzt die Revolution?

Die Frage sollte sich nicht darum drehen, wann genau eine Revolution stattfindet. Vielmehr sollte man sich fragen, ob die Revolution notwendig ist. Schließlich lassen sich Kräfteverhältnisse zwischen den Klassen, sowie die objektiven und subjektiven Faktoren nicht zeitlich schätzen. Sie können sich, gerade in der aktuellen Zeit, sehr schnell ändern. Eine 100 %-Garantie kann es leider auch nicht geben, dass, wenn alle objektiven Faktoren, wie wenn es beispielsweise genügend Leute gibt, die bereit dafür wären, den Kapitalismus zu zerschlagen, alles genauso funktioniert, wie man es sich vorgestellt hat. Aber ein Blick in die Welt, die nur so von Widersprüchen und Verelendung gefüllt ist, zeigt uns aber, dass wir nicht so weitermachen können wie bisher: Die Kriegsgefahr, die sich immer weiter zuspitzt oder die Armut, die tagtäglich hunderte Menschen verhungern lässt, sind nur zwei kleine Beispiele dafür. Dafür sind die Momente, in denen man revolutionäres Bewusstsein stark vorantreiben kann, nicht so selten, wie man glauben mag. Sogenannte „vorrevolutionäre“ Situationen gibt es auch jetzt, beispielsweise haben gerade in Brasilien im letzten Jahr mehr als 40 Millionen Menschen gestreikt. Oder in Frankreich, als es letztes Jahr die Proteste gegen die neue Arbeitsmarktreform gab, oder die bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich. Auch der Arabische Frühling oder die Proteste in Griechenland gegen die EU-Sparpolitik sind gute Beispiele dafür, wie eine Organisation mit einer guten Programmatik die Kämpfe hätte zuspitzen können. Ohne kämpferische Organisationen, die die Jugend und die Arbeiter_Innenklasse in die kommenden Kämpfe führen, ist keine Revolution möglich. Deswegen treten wir für den Aufbau einer revolutionären Jugendinternationalen ein, die diese Organisation sein soll. Natürlich, als kleine Gruppe kann man nicht gleich 100 000 Leute mobilisieren und Druck aufbauen. Aber man kann diese Chancen nutzen und versuchen, in die aktuellen Kämpfe zu intervenieren und eine Perspektive aufzuwerfen, die bewusst die Situation weiter zuspitzen würde, um andere von der eigenen Programmatik zu überzeugen, um diese letzten Endes in der Praxis zu überprüfen.




Aprilthesen: 10 Thesen, die die Welt veränderten

Resa Ludivin

Die Oktoberrevolution hat 2017 ihr hundertjähriges Jubiläum. Im Zuge dessen ist es nicht nur wichtig, sich mit ihrem Ablauf auseinanderzusetzen, sondern auch mit dem Text, der sie maßgeblich ideologisch vorbereite, denn anders als so oft präsentiert, war die Oktoberrevolution nicht von Anfang an geplant und die Bolschewiki waren nicht alle der gleichen Meinung. Dafür dass die Revolution dennoch siegte, nahmen die Aprilthesen Lenins eine zentrale Rolle ein, weswegen wir hier genauer auf sie eingehen wollen.

Nachdem bereits im Februar des Jahres 1917 eine Revolution Russland komplett veränderte und die Zarenfamilie von der ersten Provisorischen Regierung abgelöst wurde, hatten die Bolschewiki unterschiedliche Positionen, wie sie sich zur aktuellen Lage verhalten sollten. Einige glaubten, dass zunächst eine bürgerliche Demokratie errichtet werden müsste, andere, dass man der aktuellen Regierung nicht trauen könne. Wiederrum andere wollten eben diese Regierung unterstützen. In diesem Zeitraum kehrte Lenin aus dem Exil zurück. Und mit ihm zehn Thesen, in denen er formulierte, wie sich die Partei und „das revolutionäre Proletariat“ seiner Meinung nach jetzt zu verhalten habe. Um seine Positionen führte er innerhalb der Bolschewiki einen politischen Kampf.

Die Revolution ist nicht vorbei!

Wichtigster Punkt war es, klarzumachen, dass die Revolution nicht bei der Absetzung des Zaren stehen bleiben konnte. Zwar war nun eine neue Regierung an der Macht, doch diese war so instabil, dass sie zwischen Februar und Oktober mehrfach wechselte. Das lag daran, dass sie versuchten, zwischen der besitzenden und der arbeitenden Bevölkerung einen Kompromiss zu machen. Das gelang ihnen aber nicht. Vorallem den Bedürfnisse der Ausgebeuteten konnten sie nicht gerecht werden. Weder das Versorgungsproblem konnten sie lösen, noch beendeten sie den Krieg. Und das obwohl gerade diese Forderungen den Zar stürzten. Lenin erkannte, dass nur wenn die Arbeiter_Innenklasse die Macht ergreife und die Wirtschaft unter ihrer Kontrolle stehe, man die nötigen bürgerlichen Reformen umsetzen könne.

Kämpft in den Sowjets, keine Unterstützung der Provisorischen Regierung!

Alle Macht den Sowjets! Doch zunächst mussten sich die Bolschewiki eingestehen, dass im April 1917 zwar Arbeiter_Innenräte vorhanden waren, aber die Bolschewiki darin nur eine kleine Gruppe darstellten. Sie mussten sich gegen andere politische Strömungen, wie vor allem Sozialrevolutionär_Innen und Menschewiki, durchsetzen. Ebenso wie bei den Frontsoldaten fordert Lenin hier die Aufklärung der Massen. Wichtig war es, sämtliche Widersprüche aufzudecken und ihnen die Illusion zu nehmen, dass die neue Regierung einen gesellschaftlichen Wandel in ihrem Sinne vollziehen würde, allem voran den Krieg zu beenden.

Um das zu erreichen, durfte man sich nicht von den Massen isolieren, sondern kämpfte in den Räten für die eigene Position. Man verschloss sich auch nicht bei falschen Entscheidungen der Sowjets (russ.: Rat, Komitee). Beispielsweise beschloss im Juni der Petrograder Sowjet, eine bewaffnete Demonstration zu machen. Das war zu diesem Zeitpunkt ziemlich vorschnell, weil das Kräfteverhältnis nicht für eine Revolution ausgereicht hatte. Dennoch unterstützten die Bolschewiki die Demonstration, kritisierten diese aber zeitgleich. Die Juliaufstände sorgten für eine kurzzeitige Demoralisierung und verstärkte Repression gegen die Arbeiter_Innen. Viele mussten ins Gefängnis. Doch in den Folgemonaten änderte sich die Situation wieder.

Die Tatsache, dass es zu diesem Zeitpunkt überhaupt Rätestrukturen gab, zeigt, dass bereits die Februarrevolution fortschrittlicher war als jede andere bürgerliche Revolution zuvor. Dies mag auch darin liegen, dass es bereits 1905 revolutionäre Aufstände in Russland gab. Der Erfolg und der Ausgang der Februarrevolution ist jedoch nicht zuletzt auf die Schwäche des Zarenreiches durch den ersten Weltkrieg zurückzuführen. Trotzdem weist Lenin darauf hin, dass die Errichtung einer parlamentarischen Republik rückschrittlicher wäre, als die bereits bestehenden Arbeiter_Innendeputiertenräte beizubehalten. Denn diese sind der Keim für mögliche Arbeiter_Innenregierungen.

Für die Enteignung von Produktionsmitteln und Großgrundbesitzern!

Die Nahrungsmittelversorgung war zu dem Zeitpunkt aufgrund des Krieges miserabel. So wurde die Losung „Brot, Land, Frieden“, die sich eigentlich um minimale Bedürfnisse der Bevölkerung drehte, zur Übergangsforderung, die die bürgerliche Herrschaft in Frage stellte. Um die Versorgungsfrage zu klären, war die Übernahme der Verteilungshoheit sowie Enteignung des Grundbesitzes das einzige Mittel, um die Versorgung der Massen zu gewährleisten. Die Übernahme der Kontrolle der gesellschaftlichen Produktion sowie der gerechten Verteilung der Güter zählt bis heute zu einer der zentralen Forderungen von Kommunist_Innen und wurde auch in den Aprilthesen aufgeworfen.

Zusätzlich ergänzte Lenin die Aprilthesen auch um zentrale Forderungen für die Landbevölkerung. Nicht nur, weil die Basis der Regierungspartei der Sozialrevolutionär_Innen dort verankert war, sondern auch weil die Bäuer_Innen eine wichtige Gruppe für die Revolution darstellen würden. 1917 war Russland im Vergleich zu anderen Großmächten wie Deutschland oder Großbritannien weniger entwickelt, sowohl vom Stand der Menschenrechte wie vom Stand der Industrie. Da die industrielle Revolution nicht in dem Maße vollzogen war, waren der Großteil der Bevölkerung noch keine Arbeiter_Innen, sondern arbeitete auf dem Land. So machten sie knapp 80 % aus. Ohne sie auf ihrer Seite hätten die Arbeiter_Innen, die sich in den Städten sammelten, niemals die Macht halten können, nachdem sie sie ergriffen hätten. So wurden Bäuer_Innenräte unterstützt und die Enteignung der Großgrundbesitzer_Innen gefordert, unter denen die arme Landbevölkerung leiden musste.

Weg mit dem staatlichen Gewaltmonopol!

Auch musste die Spekulation und die Macht des Bankkapitals unterbunden werden, wofür Lenin die Forderung nach der Zentralisierung des Bankenwesens unter Kontrolle der Räte aufwirft. Das ist ein notwendiges Vorgehen, um aus einem kapitalistischen Staat einen Arbeiter_Innenstaat zu machen. Doch um solch einen nicht nur zu errichten, sondern auch dauerhaft die Macht zu behalten, bedarf es einer Abschaffung des bürgerlichen Gewaltmonopols. So lange die Armeen, Polizei oder andere Beamt_Innen nicht ersetzt werden, bleiben die Grundpfeiler eines jeden bürgerlichen Staates bestehen. Laut Lenin sollen diese Institutionen durch Beamt_Innen, die abwählbar sind und entlohnt werden wie ein_e Arbeiter_In sowie die Bewaffnung der Bevölkerung, beispielsweise als Arbeiter_Innenmilizen, ausgetauscht werden.

Die Bewaffnung der Arbeiter_Innen fand auch schon zwischen Februar und Oktober statt. Sinnvoll, wie sich herausstellte. Denn als die Bour­geoise immer mehr Angst vor dem Erstarken der Bolschewiki bekam und die Provisorische Regierung nichts dagegen unternehmen konnte, kam es im August zu einer Konterrevolution ihrerseits. Mit dem Generel Kornilow versuchten sie Petrograd anzugreifen. Die Arbeiter_Innenmilizen verteidigten die Stadt jedoch erfolgreich und der Einfluss der Provisorischen Regierung, gegen die sich die Konterrevolution auch wandte, erlosch.

Bruch mit dem Patriotismus, Schluss mit dem imperialistischen Krieg!

Für eine neue Internationale! Eine weitere wichtige Forderung der Bolschewiki war die Beendigung des Krieges. Da der erste Weltkrieg von Großmächten geführt wurde, denen es hauptsächlich um ihre individuellen imperialistischen Interessen ging, charakterisiert Lenin ihn auch als imperialistischen Krieg. Spätestens beim Lesen des Friedensvertrags von Versailles oder der Tatsache, dass nach der Niederlage Deutschlands die Kolonien nicht in die Freiheit entlassen, sondern an andere Mächte abgegeben wurde, werden die imperialistischen Interessen, wie Ressourcen, territoriale Erweiterung und die Schaffung neuer Absatzmärkte, offensichtlich. Anders als bürgerliche Regierungen und Parteien hielten die Bolschewiki ihr Wort auch nach der Oktoberrevolution. Das neue Sowjetrussland unter den Bolschewiki forderte noch im Oktober die anderen Mächten auf, in Verhandlungen zu treten, und schloss bald einen verlustreichen aber notwendigen Frieden. Sie bedienten sich also der revolutionären Kriegstaktik, auch revolutionärer Defätismus genannt. Verkürzt besagt diese, dass im Falle eines Krieges zwischen imperialistischen Mächten Revolutionär_Innen für die Niederlage aller Imperialist_Innen eintreten sollten und damit vor allem dem eigenen Staat den Kampf ansagen. Ihre konsequente Haltung zum Krieg führte zusätzlich dazu, dass eine neuen Internationale her musste. Dies ergab sich aus dem Verhalten von SPD und den sozialdemokratischen Parteien anderer Länder im Jahr 1914: Sie stimmten nämlich für die Kriegskredite für den 1. Weltkrieg und verrieten somit sämtliche Ideale und die internationale Arbeiter_Innenklasse.

Was lernen?

Gleichzeitig mit der entscheidenden Bedeutung für den Klassenkampf in Russland haben die Aprilthesen einen großen Fortschritt in der marxistischen Theorie bedeutet. Vorher nahm man an, dass eine Revolution in den bereits fortgeschrittenen Ländern wie Deutschland oder Frankreich stattfinden würde, da diese schon eine bürgerliche Herrschaft hatten. Nicht aber im zaritischen Russland. Dass Lenin erkannt hat, dass man nicht einfach nur bei der Ferbuarrevolution stehen bleiben kann, sondern den imperialistischen Krieg nutzen muss, um ihn in einen Bürger_Innenkrieg umzuwandeln und das Proletariat an die Macht zu bringen, ermöglichte die Oktoberrevolution. In „Die Permanente Revolution“ geht Trotzki detailliert darauf ein, warum sowas wie unterschiedliche gesellschaftliche Etappen, die starr aufeinanderfolgen, nicht immer möglich und nötig sind. Darüber hinaus zeigen uns die Aprilthesen, wie wichtig es ist, ein revolutionäres Programm zu erarbeiten, dass auf die Fragen der Zeit eine revolutionäre Antwort gibt. Hätte man nicht diese Losungen aufgestellt, in den Räten gegen die Regierung gekämpft und weiter standhaft gegen den Krieg agitiert, wäre die Oktoberrevolution nicht möglich gewesen. Deswegen ist ein revolutionäres Programm, dass man in der Praxis überprüft und weiterentwickelt, wichtig. Gute Forderungen müssen aber immer einher gehen mit guter Praxis und einer Organisation, die sie durchsetzen kann.




Gute Frage, gute Antwort: Was ist eine bürgerliche Arbeiter_Innenpartei?

Ja, so komisch wie dieses Wort klingt, ist es auch: Eine Arbeiter_Innenpartei versucht, durch Klassenkampf die Masse der Lohnabhängigen zu organisieren und sie davon zu überzeugen, dass eine befreite Gesellschaft nur durch Abschaffung des Kapitalismus aufgebaut werden kann. Eine bürgerliche Partei macht das Gegenteil davon. Sie fühlt sich wohl im Kapitalismus und versucht, ihn zu erhalten wie beispielsweise die CDU, die in Deutschland ganz klar die Interessen der herrschenden Klasse vertritt. Der Charakter einer Partei bestimmt sich also dadurch, für welche Eigentumsverhältnisse sie kämpft.

Was ist dann aber eine bürgerliche Arbeiter_Innenpartei? Zum einen verteidigt diese die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse. Zum anderen hat sie aber eine „organische“ Verbindung zur Arbeiter_Innenklasse: also Verbindungen zu den Gewerkschaften und ein Großteil ihrer Wähler_Innenschaft sowie der Mitgliedschaft gehören der Arbeiter_Innenklasse an. Oftmals sind diese Parteien aus Kämpfen entstanden, wo klar wurde, dass es über die Gewerkschaften hinaus eine politische Interessenvertretung braucht. Sie vertreten auch oftmals die bessergestellte Schicht von Lohnabhängigen, der sogenannten „Arbeiter_Innenaristokratie“. Hierzulande sind SPD und Linkspartei Beispiele für solche Parteien. Sie stützen sich auf die Arbeiter_Innenklasse, machen aber trotzdem eine bürgerliche, pro-kapitalistische Politik.