Griechenland: An einem Wendepunkt

Viele Hoffnungen waren mit den Wahlen vom 25. Januar in Griechenland verknüpft. Die gesamte klassenbewusste ArbeiterInnenschaft und Jugend Europas blickte auf dieses Ereignis. Die Niederlagen der ökonomischen Abwehrkämpfe der vergangenen fünf Jahre mit über 30 Generalstreiks in Griechenland verlagerten den Klassenkampf zunehmend auf die politische Ebene. Hunderttausende GriechInnen hofften mit der Wahl SYRIZAs einen politischen Sieg erringen zu können. Doch die ersten Illusionen wurden bereits in der Wahlnacht zerstreut, in der Tspiras, heutiger Ministerpräsident und Vorsitzender der linksreformistischen SYRIZA, erklärte, mit der rechtsnationalen ANEL eine Regierungskoalition einzugehen.

„Bescheidener Vorschlag“ oder fauler „Kompromiss“?

Natürlich war es im schon im Vorhinein abzusehen, dass SYRIZA und insbesondere ihre bürokratische Führung einen politischen Verrat begehen würde. Alle, die sich Pamphlete wie ein „Bescheidener Vorschlag“ von Yanis Varoufakis (Finanzminister, SYRIZA), „Revolution für Europa“ in dem auch Alexis Tsipras schrieb, sowie Erklärungen von Synaspismos (1), der aktuell führenden rechten Strömung in SYRIZA ansah, wusste, dass sie einen Kompromiss mit der Troika, dem griechischen Kapital und dem internationalen Imperialismus anstrebten.

Alle Organisationen, die dies verleugneten, haben den ArbeiterInnen und der Jugend Europas Sand in die Augen gestreut. Aber auch alle Organisationen, die während der Wahlen am Rande standen, SYRIZA zwar kritisierten, aber kein taktisches Verhältnis zu ihr bezogen, haben die ArbeiterInnen in der politischen Auseinandersetzung allein gelassen.

Der Umstand, dass wir als MarxistInnen den Verrat von SYRIZA voraussehen konnten, bedeutet aber noch lange nicht, dass die Massen dies auch so sehen. Jetzt, wo dieser Verrat in die Praxis umgesetzt wird, in dem Sinne, dass die Regierung seit dem 20. Februar, an dem das europäische Finanzministertreffen in Brüssel stattfand, alle ihre Versprechen wieder zurückgenommen hat; während sie beginnt, die Sozial-und Rentenversicherungen zu plündern, um die kapitalistischen Gläubiger zu bezahlen, bis der letzte Cent ausgepresst ist, verlieren sicher Viele ihre Hoffnungen in die jetzige Regierung und in SYRIZA.

Damit haben sie jedoch noch längst nicht alle Illusionen in den Reformismus, die bürgerliche Demokratie und die kapitalistische Herrschaft verloren. Es gibt keinen Automatismus, nach dem sich die Massen nun den „RevolutionärInnen“ anschließen werden, die während dieses Verrats isoliert am Rande standen. Stathis Kouvelakis, einer der FührerInnen der „Linken Plattform“ in SYRIZA stellte dazu Ende Mai fest (1), dass „der Stand der öffentlichen Meinung Unsicherheit widerspiegelt. Der Enthusiasmus und der Kampfgeist der ersten drei Wochen haben nun einem gemischten Bild platz gemacht: die Unterstützung für die Regierungsstrategie ist nach wie vor hoch, aber bedeutend unter dem Niveau der vorherigen Monate. Es ist still in den Straßen.“

Während Vielen klarer wird, dass sich hinter dem „Bescheidenen Vorschlag“, der durch eine „Linksregierung“ umgesetzt werden sollte, ein als Niederlage getarnter „fauler Kompromiss“, der durch eine Volksfrontregierung (2) durchgesetzt wird, steht, ist die Frage nach der Alternative nur eine, die im praktischen Kampf um eine alternative Führung im Klassenkampf beantwortet werden kann. (3)

Der bedeutendste Kampf um die Frage der Führung wird aktuell wohl in aller Schärfe in SYRIZA zwischen dem linksreformistischen Flügel um die „Linke Plattform“ und dem rechten Flügel um Synaspismos unter Tsipras geführt. Wie er entschieden wird, hat einen enormen Einfluss auf die kommenden Klassenkämpfe der gesamten Nation.

Konflikte in SYRIZA

Wir sollten keine Illusionen haben: Die „Linke Plattform“, die in etwa die Hälfte der aktuellen Minister und der 129 SYRIZA-Abgeordneten stellt, und die ZentristInnen (4) um die „Werktätige Linke“ (DEA) waren bisher nicht dazu bereit, gegen eine Regierungskoalition mit ANEL zu stimmen, votierten im Parlament für die Wahl des rechtskonservativen Prokopis Pavlopoulos zum Staatspräsidenten und akzeptierten bis jetzt die Dominanz des rechten Flügels der Partei.

Der wachsende Unmut an der Basis der rund 40.000 Mitglieder starken Partei und in der ArbeiterInnenklasse über den Ausverkauf der Wahlversprechen in den „Verhandlungen“ mit Schäuble und der Troika, zwingt diesen Flügel aktuell aber dazu, eine Auseinandersetzung mit Tsipras und Co. zu suchen. Auf dem Treffen des Zentralkomitees von SYRIZA vom 23./24. Mai kam es zu einer Kampfabstimmung, in der 75 der 171 Delegierten gegen den aktuellen Kurs der Führung stimmten. Sie stellten dem u.a. den sofortigen Stopp weiterer Kürzungen bei Gehältern und Renten, die Restrukturierung der Schulden, massive Investitionen in Infrastruktur und neue Technologien entgegen. Darüber hinaus erklärten sie, dass der Mindestlohn vor 2009 von 751 Euro unmittelbar wieder hergestellt werden solle, die gewerkschaftlichen Rechte wiederhergestellt, die Banken verstaatlicht und eine massive Besteuerung der Reichen umgesetzt werden müssten.

Uns sollte klar sein, dass diese Maßnahmen – die Forderung nach „Restrukturierung der Schulden“ zeigt dies eindeutig – nicht auf den Sturz des Kapitalismus, sondern auf einen für die ArbeiterInnenklasse günstigeren Kompromiss hinauslaufen sollen. Ein reformistisches Programm also, das selbst utopisch ist. Utopisch insofern, da die herrschende Klasse Griechenlands und das imperialistische Kapital der EU zu keinen dauerhaften Kompromissen bereit, ja aufgrund der Krise nicht in der Lage sind.

Selbst wenn der Kapitalismus international nicht in einer scharfen, historischen Krise wäre, würden solche Maßnahmen sofort die geballte Reaktion auf den Plan rufen. In diesem Sinne sind die strategischen Überlegungen der „Linken Plattform“ nicht nur utopisch, sondern würden auch in Niederlagen enden, wenn sie die Führung in den kommenden Kämpfen behalten würde.

Gleichzeitig würde ein Sieg der „Linken Plattform“ über die aktuelle Führung auch notwendigerweise neue Klassenkämpfe herauf beschwören. Die Verstaatlichung der Banken, ein Bruch mit der Troika und eine Kampfansage an die griechischen KapitalistInnen könnten nur mit Mobilisierungen der gesamten Klasse Bestand haben.

Obwohl wir keine Illusionen in die „Linke Plattform“ haben dürfen, ist es aber unsere Aufgabe, im Kampf gegen Tsipras und Synaspismos auf ihrer Seite zu stehen, sie aufzufordern, ihren Forderungen durch eigene Mobilisierungen in der Partei und auf der Straße Nachdruck zu verleihen, während wir ein revolutionäres Programm als Alternative zu ihren überholten reformistischen Konzepten vorschlagen.

Brecht mit Tsipras Politik!

Ein solcher Kampf kann und muss, will er konsequent geführt werden, auch mit dem politischen Bruch mit dem rechten Flügel der Partei und der Bürokratie verbunden werden. Die Parteidisziplin und die „formale Demokratie“ der Partei müssen den realen Interessen und Bedürfnissen der ArbeiterInnen Griechenlands untergeordnet werden.

Natürlich gilt es, SYRIZA und die Regierung gegen Angriffe der Imperialisten oder Umsturzversuche der Reaktion zu unterstützen. Aber das darf nicht mit einem Blankoscheck für die Politik der rechten Führung verwechselt werden.

Das würde auch bedeuten, in Parlamentsabstimmungen gegen Tsipras und die Regierung zu stimmen, wenn sie Gesetze und Maßnahmen durchsetzen, die die Kampfkraft der Bewegung schwächen oder einen Verrat an den bereits reformistischen und seit 2012 zurechtgestutzten, Wahlversprechen der Partei bedeuten. Es muss auch bedeuten, konkrete Forderungen an die Führung von SYRIZA, ja an die gesamte Regierung zu richten – Forderungen, die an die Versprechen vor der Wahl und an die aktuellen Abwehrkämpfe in den Betrieben, Universitäten, Schulen und auf der Straße anknüpfen. Es geht nicht nur darum, eine korrekte Politik vorzuschlagen, sondern aufzuzeigen, dass Tsipras und die Regierung nicht dazu bereit sind, für diese einzutreten. Auch sind das Parlament und die Auseinandersetzung in SYRIZA der größte Resonanzkörper für eine alternative Politik, den die ArbeiterInnenklasse aktuell in Griechenland besitzt.

Raus mit den kapitalistischen Ministern!

Eine solche Konfrontation wäre auch mit der Regierungsfrage überhaupt verbunden. Das Versprechen, eine „linke Regierung“ zu bilden, wurde durch die Koalition mit ANEL und die Einbindung parteiloser kapitalistischer Minister gebrochen. Diese Koalition ist nicht nur ein Moment der Demobilisierung der Kämpfe der ArbeiterInnen und Jugend, sie ist auch ein Zeichen an die Herrschenden, dass SYRIZA keine Bestrebungen hat, den Kapitalismus als solchen anzutasten.

Diese Regierung ist der Versuch, einen politischen Kompromiss, eine Versöhnung zwischen den Klassen herzustellen. Während sich die KapitalistInnen zum Zeitpunkt der Wahl nicht dazu in der Lage sahen, eine offene, im Zweifel auch gewaltsame, Konfrontation mit den griechischen ArbeiterInnen zu suchen, ist eines vollkommen klar: die Zeit, die sie durch diese Regierung gewinnen, die Demoralisierung, die diese Regierung unter den ArbeiterInnen schafft, werden sie nutzen, um kommende Auseinandersetzungen vorzubereiten. Es ist also nicht als Zufall anzusehen, dass der einzige Posten, den ANEL bekleidet, die Kontrolle über das Heer bedeutet und der Minister, der über die Polizei entscheidet, ein parteiloser Bürgerlicher ist.

Unser Slogan, der Slogan der griechischen ArbeiterInnen muss also, wie bereits in der Februarrevolution 1917 in Russland „Raus mit den kapitalistischen Ministern“ sein. Eine Syriza-Alleinregierung ohne die Beteiligung von ANEL
könnte sich nicht auf eine parlamentarische Mehrheit stützen. Das ist vollkommen korrekt. Sie würde zwangsläufig an den Rahmen der bürgerlichen Demokratie stoßen. Doch das tut bereits die aktuelle Regierung, wenn sei praktisch gemäß den Diktaten des internationalen Imperialismus, von IWF, Europäischer Zentralbank, der EU und nicht zuletzt der deutschen Regierung handelt.

„An diesem Regime fallen am deutlichsten seine bonapartistischen Züge auf: Unabhängigkeit der Macht von Parteien und Programmen, Liquidierung der parlamentarischen Gesetzgebung mittels außerordentlicher Vollmachten, eine Regierung, die sich über die kämpfenden Lager, d.h. faktisch über die Nation erhebt als ihr ‚Schiedsrichter’“. (5)

Solche Momente, die Trotzki bei seinem Studium der französischen Volksfront ausmacht, finden sich – wenn auch oft in Form imperialistischen Einflusses – auch in Griechenland.

Der Schiedsspruch kann nur zu Ungunsten der Massen in Griechenland ausgehen. Die Syriza-Regierung erkauft nicht ihnen, sondern den Herrschenden die Zeit, die sie brauchen, um einen reaktionären Sieg davonzutragen.

Nicht alternativlos

Aber es ist nicht so, dass die aktuelle Regierung alternativlos wäre. Eine Regierung, die sich auf die Mobilisierung der Klasse, die in 36 Generalstreiks und etlichen Fabrikbesetzungen gezeigt hat, dass sie fähig ist zu kämpfen, in der SYRIZA sich an die KKE und ANTARSYA (6) wenden würde, um gemeinsame Aktionen vorzubereiten, würde mehr praktische Sprengkraft entwickeln, als die kümmerlichen Verhandlungsversuche an den Schreibtischen deutscher Minister oder Brüsseler Bürokraten.

Keine Frage: eine solche Regierung unter der aktuellen Führung, wäre immer noch eine bürgerliche Arbeiter-Regierung. Sie wäre aber eine Regierung, die sich auf Mobilisierungen um Forderungen stützen würde, die unmittelbar das kapitalistische System in Frage stellen würden. Ob sie tatsächlich zu Stande kommen würde oder nicht, ist eine andere Frage. Sie wäre zwangsläufig ein „Zwischenschritt“, eine „Übergangsforderung“, die früher oder später auf die Frage Revolution oder Konterrevolution hinauslaufen müsste.

Aber die Forderung nach einer ArbeiterInnenregierung an SYRIZA, als auch an KKE und ANTARSYA, gestützt durch die Gewerkschaften und stattfindenden Kämpfe, vor den Augen der griechischen Massen, hätte unglaublichen „pädagogischen“ Wert, weil sie aufzeigen würde, dass die revolutionäre Linke eine alternative Machtperspektive anzubieten hat.

Die Troika, aber auch die griechischen KapitalistInnen haben gezeigt, dass sie zu keinerlei Kompromissen bereit sind. Noch ist die Situation so, dass die Vorbereitung von Offensiven seitens der ArbeiterInnen und der Jugend möglich ist. Was sie sich im Grunde erhoffen – und alle Umfragen bestätigen dies – ist eine solche Offensive von SYRIZA. Auch der dramatische Anstieg der Umfragen, die in den Wochen nach der Wahl SYRIZA bei über 45% Prozentpunkten sahen, können als solche gedeutet werden. Sie können darüber hinaus aber auch als eine Aufforderung gedeutet werden, sich der kapitalistischen Minister zu entledigen und allein zu regieren.

RevolutionärInnen müssen eine kompromisslose Politik einfordern, die die KapitalistInnen ihrerseits bereits betreiben; nicht zuletzt, weil sich das Kleinbürgertum, die BäuerInnen und „kleinen Leute“, die nicht Teil der ArbeiterInnenklasse sind, früher oder später nach Alternativen umsehen werden, die sie für kampffähiger halten. Sollte diese Alternative nicht innerhalb der ArbeiterInnenbewegung zu finden sein, wird die Karte des Faschismus in Form von Chrysi Avgi (7) oder einer Militärdiktatur gespielt werden – als „starke Hand“, die die Probleme im Namen „der Nation“ löst.

„Keine Opfer für den Euro“

Der Slogan „Keine Opfer für den Euro“, war einer der Gründe für die Wahlerfolge von SYRIZA 2012 und 2015. Mit Sicherheit stellte er den Versuch der Führung dar, die griechischen Massen zu gewinnen und gleichzeitig ein Zeichen der Entwarnung an Brüssel zu senden. Doch er kann auch eine kompromisslose, mutige Deutung haben. Es ist wichtig, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen, weil sie eine der zentralen Fragen ist, die griechische Bevölkerung und die Linke umtreiben.

Die Massen in Griechenland spüren, dass ein Austritt aus dem Euro eine ökonomische Katastrophe für das Land bedeuten würde. Dieses Szenario ist keine rein bürgerlich-mediale Hetze. Die Rückkehr zur Drachme, die mit einer riesigen Entwertung der Währung verbunden wäre, würde die Schulden, die in Euro und Dollar gehalten werden, schnell massiv vergrößern. Auch ein Schuldenschnitt würde nur dann erfolgreich sein, wenn er mit der Enteignung der kapitalistischen Wirtschaft, unter demokratischem Plan und mit einem Außenhandelsmonopol verbunden würde. Doch selbst dies würde eine sozialistische Wirtschaft nicht vor einem Handelskrieg, Investitionsstopps und möglicherweise auch gewaltsamen Interventionen schützen.

Die Perspektive des griechischen Widerstandes müsste deshalb viel enger mit der Frage der europäischen Revolution verbunden werden. Eine solche Perspektive würde auch die Frage nach einer gemeinsamen, europaweiten sozialistischen Ökonomie, mit einer gemeinsamen Währung aufwerfen. Es ist keine Frage, dass in diesem Zusammenhang der imperialistische Block der EU und ihre antidemokratischen, bürokratischen Strukturen zerschlagen werden müssten. Doch eine Revolution in Griechenland würde auch die Frage aufwerfen, welche gesellschaftliche Kraft in Europa den Euro kontrollieren sollte: die arbeitenden Massen oder die bisherigen Krisenprofiteure, die großen Monopole, Banken und KapitalistInnen.

Ob diese Frage unmittelbar mit einem europaweiten Sieg der ArbeiterInnenklasse einhergehen würde, ist in der aktuellen Situation sicher zu bezweifeln. Man darf der griechischen ArbeiterInnenklasse nicht das Versprechen machen, den Euro in jedem Falle beibehalten zu können.

Es ist aber durchaus korrekt, die Euro-Problematik mit der Notwendigkeit eines europaweiten Widerstands zu verbinden. Es ist wichtig, die Frage in einen europäischen Kontext zu stellen. Es gilt, Aktionskonferenzen aller europäischen Gewerkschaften, ArbeiterInnenparteien und linken Organisationen gegen die Maßnahmen der aktuellen kapitalistischen VerteidigerInnen des Euros einzufordern und durchzuführen, die gemeinsame Massenstreiks gegen die stattfindenden Angriffe und Solidarität mit besonders betroffenen Ländern organisieren. Hier müssten KommunistInnen die Strategie der europaweiten Revolution für die Vereinigten sozialistischen Staaten von Europa darlegen. Der Slogan „Keine Opfer für den Euro“ könnte die Ablehnung der Kürzungen in Verbund mit der Ablehnung des Rückfalls in „nationale Lösungen“ in sehr populärer Form aufgreifen.

Aktionskomitees im Kampf „Klasse gegen Klasse“

Soll es tatsächlich zu einem derartigen Widerstand kommen, braucht es aber nicht nur gute Ideen, sondern auch Organe, die sie durchführen können. Dass die aktuelle SYRIZA-ANEL Regierung ein Hindernis dafür ist, haben wir bereits ausgeführt.

Eine Möglichkeit, diese Regierung zu sprengen wäre aber, eben SYRIZA dazu aufzufordern, Aktionskomitees in jedem Dorf, jedem Stadtteil, jedem Betrieb und auch in den Kasernen einzuberufen, die die Umsetzung der versprochenen Maßnahmen verteidigen und umsetzen könnten. Diese lokalen Aktionskomitees sollten sich VertreterInnen wählen, um sie auf höherer Ebene zu repräsentieren. Alle TeilnehmerInnen des Kampfes sollten sich darauf verpflichten, die Disziplin der Komitees anzuerkennen.

„Auf diese Weise entsprechen die Aktionskomitees vortrefflich den Aufgaben des Kampfes des Proletariats, um den Einfluss auf das Kleinbürgertum. Dafür aber erschweren sie ungemein die Zusammenarbeit der Arbeiterbürokratie mit der Bourgeoisie. […] Wirkliche Massenwahlen zu den Aktionskomitees werden automatisch die bürgerlichen Schieber aus den Reihen der Volksfront verdrängen.“ (8)

Der Kampf „Klasse gegen Klasse“, also die Notwendigkeit einer gemeinsamen Front, die die Gewerkschaften, die KKE, ANTARSYA und SYRIZA umfassen müsste, sollte sich aber „nicht um die formell-demokratische Vertretung aller und jeder Massen, sondern um die revolutionäre Vertretung der kämpfenden Massen“ (9) handeln.

Die Revolution vorbereiten!

In Griechenland stellt sich heute wie in kaum einem anderen Land Europas die Frage nach Revolution oder Konterrevolution. Die Ausgangsbedingungen sind, verglichen mit den „subjektiven“ Voraussetzungen, das heißt der Kraft der politischen Organisationen der ArbeiterInnenbewegung und dem Bewusstseinsstand der gesamten ArbeiterInnenklasse in Griechenland, vieler anderer europäischer Länder (noch) vergleichsweise günstig.

Wenn es aktuell ein Land in Europa gibt, in dem revolutionäre Politik nicht nur angebracht, sondern unerlässlich ist, so ist es Griechenland. JedeR, der etwas Anderes behauptet, hat nicht nur die Hoffnung auf eine reale Alternative zum kapitalistischen Würgegriff der heutigen Zeit verloren, sondern hilft mit seiner Passivität oder unkritischen „Solidarität“ gegenüber der reformistischen Führung SYRIZAs kommende Niederlagen für die ArbeiterInnenklasse Griechenlands und ganz Europas vorzubereiten.

Niemand kann versprechen, dass eine korrekte Politik auch unmittelbar zu Erfolgen führt, insbesondere mit den bescheidenen Mitteln, die RevolutionärInnen heute zur Verfügung stehen. Aber es geht darum, diese Mittel auszubauen. Das ist nur möglich, in dem gesagt wird „was ist“, aber auch, was notwendig ist und was Veränderungen im Wege steht. Die Politik der aktuellen SYRIZA-Führung und der reformistischen Bürokratie, die mit letzter Kraft auf den Regierungsbänken der bürgerlichen Demokratie thront, deren
Beine die Kapitalisten mit aller Kraft abzusägen versuchen.

Die Revolution vorzubereiten heißt also auch, den Kampf für eine ArbeiterInnenregierung zu führen, die nicht nur die ökonomische Grundlage der Gesellschaft verändert, sondern auch den Staat zerschlägt, der insbesondere in Griechenland, durch seine Bereitschaft für Militärdiktaturen, monarchistische und faschistische Regime bekannt ist, eben diese ökonomische Grundlage zu verteidigen.

Die Umsetzung selbst kleinster Reformen, die sich gegen das griechische und internationale Kapital richten, dürfen also nicht nur von Aktionskomitees und einer ArbeiterInneneinheitsfront organisiert werden, sie müssen auch mit der Agitation dafür in der Armee und dem Aufbau von Kampforganisationen der ArbeiterInnenbewegung (Milizen) verbunden werden, die diese Maßnahmen gegen die Angriffe der Polizei und der Faschisten verteidigen können.

Eine kommunistische Partei aufbauen

Diese Aufgabe kann nicht von SYRIZA, als Partei wie sie heute besteht, getragen werden. Doch zweifellos bieten die momentanen Auseinandersetzungen ein wichtiges Feld, in das RevolutionärInnen eingreifen müssten, um die kämpferischen ArbeiterInnen, die heute in SYRIZA organisiert sind, für eine alternative Führung zu gewinnen.

Die Mitglieder der KKE, die viele industrielle ArbeiterInnen organisiert, werden ihrerseits nur für eine alternative Politik zu gewinnen sein, wenn sie unter dem Druck einer breiteren Bewegung von ihrer sektiererischen und stalinistischen Führung, die ihrerseits auf eine nationale, letztlich kapitalistische, Lösung abzielt, gebrochen wird.

Die AktivistInnen von ANTARSYA, die mehr als 3.000 Mitglieder in Griechenland zählen und heute den fortschrittlichsten Flügel der ArbeiterInnenklasse und Jugend repräsentieren, könnten eine bedeutende Rolle in dieser Auseinandersetzung spielen. Doch dafür sind zwei Voraussetzungen unabdingbar: Erstens der Kurs auf ein gemeinsames revolutionäres Übergangsprogramm, das von den, sich selbst als TrotzkistInnen verstehenden, AktivistInnen von SEK (Sozialistische Arbeiterpartei, Schwesterorganisation von Marx21) und OKDE Spartacos (Sektion der Vierten Internationale) eingebracht werden müsste. ANTARSYA müsste zu einer wirklichen Organisation werden und nicht nur ein Block aus Organisationen sein. Zweitens: ein aktives Eingreifen nicht nur in die ökonomischen und gewerkschaftlichen Kämpfe, sondern auch in die politischen Auseinandersetzungen, die die Regierung, SYRIZA und die Organisierung von europaweitem Widerstand betreffen.

Ein rein gradueller, durch rein individuelle Gewinne gekennzeichneter Aufbau einer kommunistischen Partei, ist nicht nur generell eine Utopie, sondern insbesondere in Griechenland eine grobe Fahrlässigkeit, die außer acht lässt, dass breite Massen auch heute noch von der KKE und SYRIZA organisiert und beeinflusst sind.

Es gilt also, taktisch flexibel gegenüber diesen Parteien zu sein, ihnen klare Angebote für gemeinsame Aktionen zu machen und sie vor den Augen aller an ihren selbst gestellten Forderungen zu messen. Gleichzeitig muss eine alternative Führung aufgebaut werden, die die bestehenden Führungen einer schonungslosen Kritik unterzieht und ihre Aktivitäten nach den Bedürfnissen der griechischen ArbeiterInnen und nicht nach „den Möglichkeiten“ der kapitalistischen Verwertung ausrichtet.

Kommt am 20.6 zur bundesweiten Griechenland-Solidaritätsdemo nach Berlin / 13:00 Uhr / Oranienplatz / antikapitalistischer Block

Ein Artikel von Georg Ismael, REVOLUTION Berlin, zuerst erschienen in der „Neuen Internationalen Nr. 200, Zeitung der Gruppe Arbeitermacht“

www.arbeitermacht.de

Endnoten

(1) Synaspismos, Abspaltung der stalinistischen KKE, der traditionellen ArbeiterInnenpartei Griechenlands, 1992, die der Strömung der „EurokommunistInnen“ (d.h. dem Flügel, der stalinistischen Parteien, der eine „Sozialdemokratisierung“ und Abkehr von dem traditionellen Stalinismus aus Moskau befürwortete) zuzurechnen ist.

(2) https://www.jacobinmag.com/2015/04/ syriza-eurozone-default-exit-stathis/

(3) Unter Volksfrontregierung verstehen wir eine Koalition von ArbeiterInnenparteien mit bürgerlichen Parteien im Rahmen einer zugespitzten Krise, die in einer vorrevolutionären Situation gebildet wird. Sie charakterisiert in der Regel den Versuch der reformistischen Führung der ArbeiterInnenklasse, einen Kompromiss mit dem Kapital zur Rettung der bürgerlichen Demokratie herzustellen, während der Raum für Kompromisse schwindet und die Frage von Revolution oder Konterrevolution immer offensichtlicher wird. Zuerst trat der Begriff im Bezug auf das Bündnis und die spätere Regierung von kommunistischer Partei, sozialistischer Partei und den bürgerlichen Radikalen Mitte der 1930er in Frankreich auf.

(4) Zentrismus ist eine politische Strömung, die zwischen Revolution und Reform schwankt. DEA ist eine Abspaltung von SEK zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

(5) Trotzki, Frankreich an der Wende, in: Wohin geht Frankreich?, S. 77

(6) KKE (siehe 1); ANTARSYA (antikapitalistische Linke für den Umsturz) ist ein Block von aktuell neun sich als revolutionär verstehenden Organisationen mit maoistischer und trotzkistischer Tradition, das 2008 kurz nach den „Riots“ im Zusammenhang mit der Ermordung des Jugendlichen Alexandros Grigoropoulos zuerst vornehmlich als Wahlbündnis gegründet wurde.

(7) Chrysi Avgi, zu deutsch Goldene Morgenröte ist eine faschistische Partei in Griechenland, sie erhielt 6,3% der Stimmen in den Wahlen 2015.

(8) Trotzki, „Wohin geht Frankreich?“, Die Volksfront und die Aktionskomitees, S. 86

(9) Ebenda




Parlamentswahlen in der Türkei: Ende der Alleinherrschaft Erdogans – und dann?

Die Parlamentswahlen in der Türkei am 07. Juni 2015 fanden vor einem besonderen politischen Hintergrund statt. Die AKP (Adalet ve Kalkınma Partisi – Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) prägt seit ihrer Übernahme der Regierung vor 13 Jahren das Land mit ihrem islamistisch-konservativen Kurs. Erst im Februar 2015 verabschiedete sie im Parlament ein neues „Sicherheits“gesetz, nach dem Demonstrationen ohne gerichtlichen Beschluss verboten und Polizisten auf Demonstranten schießen dürfen. Um weitere repressive Gesetze beschließen zu können, plante Recep Tayyip Erdogan das Präsidialsystem einzuführen. Dafür wäre eine Zweidrittelmehrheit bei den nationalen Wahlen nötig gewesen.

Für viele Jugendliche und andere sozial Unterdrückte, beispielsweise KurdInnen, Frauen, AlevitInnen (1), AtheistInnen und Homosexuelle schien jedoch eine neue Partei der ersehnte Hoffnungsträger zu sein. Die HDP (Halkların Demokratik Partisi – Demokratische Partei der Völker) ist die einzige Partei mit einer männlichen und weiblichen Doppelspitze und fordert Gleichberechtigung und friedliches Zusammenleben für alle Menschen, die in der Türkei leben. Dieses Jahr trat die HDP das erste Mal zu den Wahlen an und musste die 10 Prozent Hürde überwinden (im Vergleich: in Deutschland sind es 5 Prozent) um ins Parlament einzuziehen. Die HDP wurde als die gefährlichste Oppositionspartei dargestellt. Nicht nur in den Medien wurde gegen sie gehetzt, auch gegen ihre Büros, ihre Wahlveranstaltungen und einzelne UnterstützerInnen gab es Anschläge, bei denen Menschen getötet und schwer verletzt wurden.

Bis zuletzt war noch unklar, ob die HDP diese 10-Prozent-Hürde überwinden würde, deshalb waren die erreichten 13,1 Prozent ein großer Erfolg, der in der Türkei ausgiebig gefeiert wurde. Die erste große Niederlage seit 13 Jahren musste jedoch die regierende AKP einstecken. Auch wenn sie mit 40,9 Prozent die Wahl klar gewonnen haben, müssten sie nun in einer Koalition regieren. An erste Stelle käme dafür die MHP (Milliyetci Hareket Partisi – Partei der nationalistischen Bewegung) in Frage. Dies ist eine nationalistisch-faschistische Partei, die bekannt ist für ihre militante Verteidigung des „Türkentums“ und ihre Kompromisslosigkeit in der Kurdenfrage. Dass sie über 5 Prozent mehr als bei den letzten Wahlen erhielt (von ca. 11 auf 16,3 Prozent) ist darauf zurück zu führen, dass sie sich als Bollwerk gegen die kurdische Bewegung darstellten, der sie die Spaltung des Landes und Kooperation mit „Terroristen“ unterstellen.

Die kemalistische (2) Partei CHP (Cumhurriyet Halk Partisi) ist nach wie vor zweitstärkste Partei im Parlament und käme auch als Koalitionspartner in Frage. Besonders unwahrscheinlich ist die Bildung einer Regierung ohne die AKP, die dann aus CHP-MHP-HDP bestünde. Falls sich jedoch in den nächsten 45 Tagen keine Regierung bildet, muss der Präsident zu Neuwahlen aufrufen. Dabei könnte die HDP wichtige Stimmen verlieren, die es aktuell verhindern, dass Erdogan das diktatorische Präsidialsystem einführen kann. Trotz seiner Niederlage ist die AKP nach wie vor mit großem Abstand die stärkste Partei und ihre politische Macht darf auf keinen Fall unterschätzt werden! Jedoch hat sich Präsident Erdogan, der eigentlich bekannt ist für seine überdimensionale Medienpräsenz, bisher noch nicht zum Ausgang der Wahlen geäußert.

Vor allem im Osten, in den kurdischen Gebieten, ist die HDP die stärkste Partei geworden. Obwohl sie auch Teile der türkischen Linken vereint und diese zu ihrer Wahl aufgerufen haben, ist ihr Einfluss im Westen der Türkei nach wie vor sehr gering. Ihre deutliche Unterstützung der KurdInnen sammelt einige fortschrittliche TürkInnen in ihren Reihen und ist ein Ansatz, um die nationale Spaltung in der Türkei zu überwinden. Jedoch lenkt dies auch ab von der tatsächlichen Spaltung, die zu Unterdrückung und Ausbeutung führt: die Spaltung in Klassen. Nicht allein ob man Türke oder Kurde ist, entscheidet über politische Fortschrittlichkeit. Die Jugendlichen und die Frauen werden durch die patriarchale Familie überall unterdrückt. Die ArbeiterInnen in Ankara werden an ihrem Arbeitsplatz genau so ausgebeutet wie die ArbeiterInnen in Mardin. Und an keinem Ort in der Türkei ist es leicht, sich als homosexuell zu outen. Obwohl die HDP sich offen gegen Frauenunterdrückung, Ausbeutung und für sexuelle Freiheit ausspricht, geht ihr Programm nicht an die Wurzeln des Problems. Natürlich muss man den Kampf der KurdInnen gegen den unterdrückerischen türkischen Staat unterstützen, der ihnen seit Jahren viele Rechte verwehrt, jedoch wäre ein autonomer kurdischer Staat nicht automatisch ein sozialistischer, der frei ist von all diesen Problemen. Ebenso wenig wird in keinem Parlament der Welt jemals über die Enteignung und Vergesellschaftung von Produktionsmitteln abgestimmt werden.

Es ist vergeudete Zeit, abzuwarten, welche Regierung sich die AKP zusammen bastelt und es ist gefährlich zu glauben, dass sich Erdogan moralisch belehren lässt. Für die Ziele, die die HDP erreichen will, ist ein revolutionärer Kampf unausweichlich. Der momentane Kurs der HDP, der auf eine bloße Reformierung und punktuelle Veränderung des Staates ausgerichtet ist, wird keine wesentlichen Erfolge erringen, sondern statt dessen zu einer großen Enttäuschung der WählerInnen führen.

Die HDP muss soziale Kämpfe im ganzen Land organisieren, die sich gegen die neoliberale Wirtschaft richten, gegen die Unterstützung von reaktionären Kräften wie dem Islamischen Staat und natürlich gegen die Unterdrückung sämtlicher Minderheiten in der Türkei. Die Basis dafür findet sich bereits in der Wählerschaft der HDP. Dieses große Potenzial, das vor allem in der Jugend liegt, muss durch ein revolutionäres Programm in die Tat umgesetzt werden, um eine gerechte, sozialistische Türkei aufzubauen.

Wir sagen deutlich:

  • Keine Beteiligung der HDP an einer Regierung mit Nationalisten, Islamisten und Faschisten!
  • Für einen säkularen Staat (Trennung von Staat und Religion)!
  • Aufbau einer landesweiten ArbeiterInnenpartei und Kampf um ein revolutionäres Programm in- und außerhalb der HDP!

Tek yol – Devrim! One solution – Revolution!

Ein Artikel von Svenja Spunk und Mahir Gezmis, REVOLUTION Berlin

1 Das Alewitentum bezeichnet eine religiöse Gruppe. Es gibt zwar eine historische Verbindung zum schiitischen Islam, jedoch bezeichnen sich auch viele Alewiten nicht als Muslime. Etwas 15 Prozent der Einwohner in der Türkei sind Alewiten, jedoch sind sie dort bis heute nicht als religiöse Minderheit anerkannt.
2 Der Kemalismus war die Staatsideologie der Türkei, die 1923 von Mustafa Kemal Atatürk gegründet wurde. Ein besonders wichtiger Aspekt ist der Laizismus, also die Trennung von Staat und Religion, aber auch der Nationalismus, welcher sich gegen ein multiethnisches Staatskonzept richtet, wie es im osmanischen Reich bestand. Der Kemalismus verankert das „Türkentum“ in der Verfassung, auf dessen Beleidigung Strafen erfolgen. Durch diese Staatsideologie wurden Grundsteine zur Unterdrückung vieler Minderheit in der Türkei gelegt, zum Beispiel der Kurd_innen oder Armenier_innen.




Der G7-Gipfel in Elmau 2015

Nach Heiligendamm 2007 kommt der G7-Gipfel Anfang Juni zurück nach Deutschland. Der Gipfel hat sich als Ziel gesetzt die drängendsten Fragen für die Interessen des Kapitals zu behandeln: Weltwirtschaft und Handel, Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungspolitik und Ernährungssicherung, Klima und Energie sind die dauerhaften Themen. Dieses Jahr steht nun auch die Flüchtlingsbewegung auf der Tagesordnung. Hauptziel des Gipfels ist eine gemeinsame Koordinierung der Politik zur Wahrung der jeweiligen Interessen des Kapitals – Dies bedeutet, wenn die Lösung darin besteht, das Millionen Menschen zunehmend verarmen, wird dies in Kauf genommen!

Doch schon seine Zusammensetzung zeigt, warum die G8/G7-Gipfel in der Vergangenheit solch großen Massenprotesten gegenüberstanden. Mit Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan, den USA und Kanada sind eigentlich alle Größen des westlichen Imperialismus vertreten. Die achte Kraft Russland, ist nach der Aneignung der Krim „bis auf weiteres“ von den Treffen ausgeschlossen worden. Die USA und EU haben ein Bedrohungsszenario aufgebaut welches Russland als den Aggressor darstellt. Dieser Konflikt ist Ausdruck des Wettkampfes der Machtblöcke Russland, China, USA und EU um die wirtschaftliche Stellung, Ressourcen und Einfluss. Ganz nach dem Prinzip „Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ wird das militärische Potenzial präsentiert: Der amerikanische „Dragoon Ride“, ein Konvoi mit 70 Radpanzern 1800 Kilometer durch Osteuropa endete Anfang April. Russland vollzieht Luft- und Marine Manöver beispielsweise in der Ostsee oder Truppenübungen an der ukrainischen Grenze. Weltweit sind die Rüstungsausgaben nach oben geschossen, vor allem in Osteuropa.

Die Krise des Imperialismus bedeckt die Welt mit Krieg

Tatsächlich gibt es diesem Kampf kein Böse und kein Gut. Die imperialistischen Staaten führen diesen Kampf mit allen Mitteln. Lüge, Propaganda, Einschüchterung politischer Gegner und sogar Mord. Fünf Milliarden Dollar haben die vereinigten Staaten laut der Vizeaußenministerin in die pro-westliche Opposition in der Ukraine investiert, zum Sturz der pro-russischen Regierung und der Etablierung eines „Europa offenen“ Systems. Beide Machtblöcke heizen in ihren Einflussgebieten nationalistische Strömungen an, um sich den Rückhalt der Bevölkerung in der Ukraine zu sichern.

Auch Deutschland unterstützte das Wahlbündnis für Poroschenko, welches auch von den Milizen des „Rechten Sektors“ getragen wurde. Diese begingen zu maßgeblichem Anteil das Massaker am 2.5.2014 im Gewerkschaftshaus in Odessa, bei dem 81 Menschen ums Leben gekommen sind. Die Armee, Polizei und Justiz in der Westukraine sind teils von offenen Faschisten durchsetzt, weshalb Mord oder Folter an politischen Gegnern meist unter den Teppich gekehrt wird. So wurde der Anführer des rechtsradikalen Asow-Bataillons Wadim Trojan sogar kürzlich zum Polizeichef von Kiew ernannt.

Natürlich sorgt solch eine doppelzüngige Außenpolitik immer wieder für Widerstand, wenn die imperialistischen Blöcke auf ihren Gipfeln zusammen kommen. Die Treffen in Prag und Seattle konnten von den Blockierenden erfolgreich abgebrochen werden. Die Reaktion der Gipfelorganisatoren auf die meist jugendlichen Massenproteste: Mittlerweil finden sie in dünn oder unbesiedelten Gebieten statt, um die Außenwirkung des Treffens nicht gänzlich von Gegenprotesten dominiert zu sehen.

Die Tagesordnung des Gipfels zeigt auf, wie weit sich Realität und Lippenbekenntnisse der Herrschenden inzwischen auseinanderbewegt haben. Sie tragen die Verantwortung für eine Politik, die in Südeuropa Millionen Menschen fast ohne soziale Sicherungssysteme und über die Hälfte der Jugend arbeitslos hinter sich lässt. Ganz zu schweigen von der Festung Europa. Zäune, Überwachungstechnik und Frontex lassen Zehntausende an den Außengrenzen sterben, während in der Öffentlichkeit heuchlerisch berichtet wird, man solle den kriminellen Schleußer-Banden das Handwerk legen. Wenn sie also von der Bekämpfung dieser Probleme sprechen, geht es zu aller erst darum, die eigene Positionen und den Wirtschaftsapparat zu sichern. Hierfür werden Schulden, bankrotte Unternehmen und Banken durch öffentliche Gelder gestützt – Gewinne und Besitz bleiben selbstverständlich Privat. Es findet unter den Augen der gesamten Weltöffentlichkeit ein Geldtransfer von Arm zu Reich statt. Der wohl größte „legale“ Raubzug der Geschichte wird uns noch als die einzig sinnvolle Politik verkauft, obwohl seit der Krise die globale Verschuldung weiter zugenommen hat. Und während man Tarifrechte zerschlägt und Sozialsystem zerstört, wird massiv Geld in den Aufbau des europäischen Sicherheitsapparates gesteckt – Die eigene Bevölkerung als eines der potenziellen Ziele. Nichts fürchten die Herrschenden mehr als der Aufstand der perspektivlosen Jugend in ihren eigenen Ländern.

Wenn wir den Blick in den Nahen Osten wenden, ist die Lage noch verheerender. Ägypten, der Irak, Libyen und Syrien sind von Massenarbeitslosigkeit, Hunger und Armut zerrissen. Die jahrelange Inszenierung eines religiösen Konflikts zwischen Schiiten und Sunniten, hat das Land zerrissen und einen Bürgerkrieg gestürzt. Die andauernden Kämpfe und der Sturz der Saddam-Regierung hinterließen ein Machtvakuum, welches von islamistischen Organisationen wie Al Qaida oder dem IS gefüllt wurden. Die weltweite Krise des Kapitalismus brachten auch die lokalen „verbündeten Regime“ in Libyen und Ägypten ins Wanken und ließ sie letztendlich einstürzen. Auch in Syrien herrscht nun offener Bürgerkrieg zwischen dem Diktator Assad, den reaktionär-fundamentalistischen Banden des Islamischen Staates (IS) und den Rebellen. Der Imperialismus hat dieses Feuer geschürt und heizt es mit den Waffenlieferungen an seine verbündeten Staaten weiter an. Perfider Weise liefert das NATO-Mitglied Türkei Waffen und Logistik an die Einheiten des IS, um die kurdische Autonomie-Bewegungen durch ihren zu ersticken. Diese humanitäre Katastrophe zu lösen bedeutet für den Imperialismus jedoch erst einmal: Die Flüchtlingsströme zu stoppen, stabile Vasallenstaaten zu etablieren und die Erdgas- und Öllieferung für den eigenen Markt sicherzustellen.

Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht

Äußern sich die Jugendlichen dieses Kontinents und tragen ihre Unzufriedenheit, ihre Meinung auf die Straße und vor die Türen der Herrschenden ist es schnell vorbei mit Grundrechten und körperlicher Unversehrtheit. Die, die Widerstand aufbauen, die für eine neue solidarische Gesellschaft kämpfen, werden durch mediale Hetze, wie etwa gegen Blockupy, als terroristisch eingestuft. Leo Trotzki schrieb zu seiner Zeit: „Gern würden sie alle Aktivitäten des Proletariats, die gegen die Interessen des Klassenfeindes gerichtet sind, als Terrorismus abstempeln.“
Und genau diese Taktik verwenden sie auch heute im Vorfeld des G7-Gipfels. Zum einen um eine allgemeine Abneigung und Distanzierung der Massen, den Protesten gegenüber,  herzustellen bzw. weiter zu festigen. Und zum anderen ’notwendige Maßnahmen für die „Sicherheit des Volkes“ zu legitimieren, wie die CDU/CSU besonders gern betont. Diese ‚Maßnahmen‘ sind nichts weiter als Repressionen des Staates, unter denen wir zusammen mit Jugendlichen auf der ganzen Welt zu leiden haben. Neben der Schaffung einer Anti-Terror Einheit in Deutschland, will die EU bündnisweite Polizei- und Armeeeinheiten aufstellen und nahezu alle Länder verschärfen ihre Gesetze gegen Demonstrationen.

Das aus den G8 die G7 geworden sind, hat ihren Einfluss nicht geschmälert, sondern ist eine Ausrichtung der Blöcke. Die internationale Koordinierung ihrer Politik ist gleichzeitig eine Kriegerklärung an uns. Denn der Kapitalismus beutet uns immer rücksichtsloser aus und verfeinert seinen Repressions- und Überwachungsapparat. Die Weltlage macht uns mit aller Schonungslosigkeit deutlich, dass die Überwindung der internationalen Krise, Hunger und Armut nur mit der Zerschlagung des kapitalistischen Systems und der damit verknüpften bürgerlichen Staaten einhergehen kann. Wir kämpfen deshalb als kommunistische Jugendbewegung für den Aufbau einer revolutionären Partei der ArbeiterInnen, für den Sturz des Kapitalismus und der Errichtung der Sozialistischen Revolution.

Unsere Ziele sind:

  • Für Massenmobilisierungen gegen die imperialistischen Absprachetreffen müssen die Gewerkschaften, Arbeiterparteien, linken Organisationen und Befreiungsbewegungen halbkolonialer Länder internationale Absprachen treffen, die verbindlich sind. Wir brauchen eine neue Arbeitereinheitsfront, die gegen die zunehmende Kriegsgefahr und die Auswirkungen der Krise politische Massenstreiks und unbefristete Generalstreiks organisiert.
  •  Die G7: nicht nur blockieren sondern zerschlagen. Wir fordern außerdem die unmittelbare Offenlegung aller Gehemiverträge und Absprachen, die auf diesen Treffen im verborgenen gemacht werden und Komissionen der Arbeiterinnenbewegung und der Gewerkschaften, die diese untersuchen.
  • Die Militärbündnisse von NATO, OVKS oder arabischer Liga gehören zerschlagen. Sie werden aber nicht durch Appelle an die Kriegstreiber aufgelöst werden, sondern nur durch eine antiimperialistische Arbeiter_innen und Jugendbewegung. Eine solche Bewegung muss sich auch an die proletarischen und bäuerlichen Soldat_innen richten, um sie gegen Krieg und Militarismus zu gewinnen, in Komitees und Räten für ihre demokratischen Rechte zu organisieren und sie im Kriegsfall gegen ihre eigene Regierung aufzubringen mit dem Ziel einer sozialistischen Revolution.
  • Dem System Imperialismus stellen wir die internationale Revolution entgegen, die die
    Unterdrückung der halbkolonialen Welt beendet und die Arbeiter_innen der imperialistischen Nationen befreit. Dieses Ziel kann aber nur durch den Aufbau einer neuen kommunistischen 5. Internationale und dem Aufbau einer revolutionären Jugendinternationale erreicht werden.

Ein Artikel von Mahir Gezmis und Carlson von und zu Dach, REVOLUTION Berlin




Umgruppierung – ewigwährender Selbstzweck oder potentielles Sprungbrett ?

Was ist Umgruppierung?

Die Umgruppierung ist ein zeitweiser Block von Gruppen und Aktivist_innen um durch gemeinsame Praxis eine größere Auswirkung, wenn zumeist auch nur exemplarisch, auf die Klasse zu ermöglichen, um dabei Unterschiede zu ermitteln und bestenfalls zu überwinden.

Zwei Faktoren sind dabei zentral für das Aufrechterhalten der Umgruppierung: Die programmatische Weiterentwicklung in Richtung eines revolutionären Programms und die Sogkraft auf kämpfende Teile der Klasse. Die Umgruppierung ist der Versuch neue Kräfte für den Aufbau einer Gegenmacht zu gewinnen, die den politischen Kampf der Klasse anführen kann, um das System zu zerschlagen. Dabei findet eine spezifische Auswahl der Kräfte statt, nämlich jene die sich in Neuorientierung befinden bzw. in Widerspruch zur bisherigen Praxis geraten, jedoch nicht unmittelbar gewinnbar sind. Diesen Kräften gilt es geduldig, aber nicht prinzipienlos, Aufmerksamkeit und die gemeinsame Aktion anzubieten. Das Prinzip ist dabei das bedingungslose Aufrechthalten des revolutionären Programms, wird dieses aufgeweicht (meist unter der Idee die Massen durch Verwässerung der Wahrheit schneller gewinnen zu können- aber wofür?), gerät das eigene Programm, das Fundament der revolutionären Praxis, ins Wanken und rutscht kontinuierlich nach rechts ab.

Zur Taktik der Umgruppierung bedarf es einer Reihe von den zuvor gehenden Erkenntnissen:

Zu aller erst die Schwäche, aktuell die Zersplitterung, der radikalen Linken darstellt. Zudem existiert auch eine Führungskrise innerhalb der Arbeiter_innenklasse. Zur Eroberung der gesellschaftlichen Macht und dem Aufbau der Diktatur des Proletariats bedarf es einer programmatisch gefestigten, demokratisch-zentralistischen Massenpartei, die die Kämpfe der Klasse anführt. Diese Notwendigkeit kann nicht von einem Umgruppierungsprozess ersetzt werden, sondern die Umgruppierung besteht nur zu dem Zweck des Erreichens der Einheit im Theorie und Praxis, gefestigt im gemeinsamen Programm.

Unter welchen Zielen gehen wir in Umgruppierungsprojekte?

Unser erklärtes Ziel ist es gesellschaftliche Relevanz, somit einen Einfluss auf die bestehenden Klassenkämpfe und die diese anführende Arbeiter_innenavantgarde zu entwickeln. Dafür müssen wir uns eingestehen, dass die führende Ideologie innerhalb der Klasse, die des Reformismus ist, also ein ´falsches Bewusstsein´. Das Bewusstsein ist etwas das innerhalb von Klassengesellschaften immer von den herrschenden Klassen geprägt wird. Diese festigt ihren materiellen Besitz und ihr Interesse des Erhalts dessen in eine ideologische Form (bspw. Gesetze). Würde die Arbeiter_innenklasse erkennen, dass sie in dieser Gesellschaft weder Recht noch Eigentum (außer ihre Arbeitskraft) besitzt, so würden sie die Pflicht erkennen ihrem (Klassen-)Bewusstsein, die notwendige materielle Basis zuzuführen- somit selbst herrschende Klasse zu werden.

Getragen wird eine solche Ideologie durch eben diesen Einfluss der Bourgeoisie in die Klasse. Sie –die Reformist_innen- versuchen die Lasten der Krise die die Bourgeoisie auf die Arbeiter_innen tagtäglich abwälzt, bestmöglich abzufedern und verwalten diese somit mit. In Zuge dessen versuchen sie lediglich einen Teil der Lohnabhängigen zu schützen, wodurch sie beispielsweise die Ausweitung der gewerkschaftlichen Organisierung oder die internationale Solidarität als Widerstandsmittel stoppen. Ihr wahres Interesse hinter dieser Politik ist die ledigliche Aufrechterhaltung ihrer über den Rücken der Klasse errungenen Privilegien.

In Zeiten tiefer Krisen, in der der Reformismus noch offensichtlicher keine Perspektive für die Klasse als Ganzes bieten kann und sich mehr und mehr entlarvt, kommt es vermehrt zum zeitweiligen nach links gehen zentristischer Kräfte. Aufgabe von uns ist es dabei diese für ein revolutionäres Programm zu gewinnen.

Notwendige Bedingungen

Bedingungen für Umgruppierungen sind die gemeinsame Erkenntnis und Übereinstimmungen zu zentralen Grundlagen, die fortwährend weiterentwickelt werden müssen. Bewähren müssen sich diese Lippenbekenntnisse jedoch in der gemeinsamen Praxis, nur so werden sie überprüfbar. Um den aus unterschiedlichen Traditionen kommenden Organisationen und den bisher unorganisierten Personen die gleichen Möglichkeiten, Rechte und Pflichten für eine gemeinsame Praxis zu bieten und eine gegenseitige (Selbst-)Kontrolle zu ermöglichen, braucht es gewisse Verbindlichkeiten. Im aktuellen Umgruppierungsprojekt in dem wir uns befinden, der Neuen Antikapitalistischen Organisation, waren diese ´zentralen Grundlagen´, wenn meist auch nur in einem Embryonalstadium, folgende: Die Notwendigkeit des revolutionären Bruchs mit dem Kapitalismus. Durchgeführt kann dieser lediglich von der Arbeiter_innenklasse werden. Geführt werden muss dieser Kampf auch in den Massenorganen der Klasse, wie bspw. den Gewerkschaften. Die Krise in der wir uns befinden ist eine historische, die eine qualitativ neue Stufe imperialistischer Konkurrenz schafft. Beantwortet werden kann diese Krise nur durch den revolutionären Internationalismus, somit den Aufbau einer internationalen Arbeiterpartei.

Für uns bedarf es jedoch eines revolutionären Programms das, neben den oben genannten Punkten, klar und deutlich eine Handlungsanleitung zur Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln und zur Ergreifung der Staatsmacht von Seiten der Arbeiter_innen im hier und jetzt bietet.

Der enge Scheidegrad der Entwicklung der eigenen Organisation in einer Umgruppierung

Der Weg zu einem solchen Programm ist oft lang und steinig. Dabei verfallen Revolutionär_innen oft zwei abweichenden Pfaden. Viele verirren sich zugleich im Dickicht des Opportunismus, andere ins Sekierertum. Diese verfallen hierbei oft übereilt einen Ultimatismus der die Übernahme zentraler Programmpunkte als Bedingung festlegt. Dabei wird ignoriert, dass die Überwindung zentraler Differenzen ein sehr zeitintensiver und zugleich notwendiger Prozess ist, der sich nicht schablonenartig bemessen lässt. Die andere erwähnte Seite derselben Medaille, der Opportunismus, zieht die Grenze weit hinter ihren eigenen Prinzipien und opfert damit die zentrale Aufgabe von Revolutionär_innen: Die Flexibilität in der Taktik bei gleichzeitigem Festhalten an der Strategie! Beide Seiten finden sich jedoch in einem Punkt wieder, sie kapitulieren vor der Aufgabe ein solches Projekt für eine revolutionäre Praxis zu gewinnen.

Ein Artikel von Wilhelm Schulz, REVOLUTION Berlin

Gegenmacht: Arbeiter_innenstrukturen, die wenn sie stark genug ist, den bürgerlichen Staat stürzt

Zentrismus: Strömung, schwankend zw. Reformismus und revolutionärem Marxismus

Opportunismus: Anpassung an den Reformismus und damit Verwässerung des eigenen Programms und der Prinzipien

Sektierertum: Ablehnung der Zusammenarbeit mit reformistischen Massenorganistationen der Arbeiter_innen und damit Isolation der eigenen Politik innerhalb der „radikalen“ Linken




Verstärkte Repression: Spaltung und Unterdrückung

Zunächst mal: Repression, was ist das überhaupt? Wir könnten auch Unterdrückung dazu sagen. In diesem Fall die Unterdrückung, die die herrschende Klasse mittels des Staates ausübt. Den Repressionen eines kapitalistischen Staates liegt das Interesse zugrunde, die bestehende Ordnung aufrecht zu erhalten und die Interessen der Kapitalist_innen zu verteidigen und zu vertreten. Das gilt für eine bürgerliche Demokratie genauso wie für den Faschismus. Um dieses Ziel zu erreichen, wird repressiv gegen Widerstand vorgegangen und die Arbeiter_innenklasse – bewusst oder unbewusst – gespalten, z.B. entlang rassistischer Trennungslinien. Die rassistischen Polizeimorde an schwarzen Jugendlichen oder die Räumung von Flüchtlingscamps im letzten Jahr sind Beispiele dafür.

Einige dieser Repressionen laufen schon seit Jahrzehnten – z.B. jene Israels gegen die Palästinenser_innen. Andere treten erst auf, wenn sich etwa im Zuge einer Krise Widerstand gegen die bestehende Ordnung bildet. Vor allem seit dem Krisenausbruch 2008 haben soziale Bewegungen als Folge einer Verelendung breiter Teile der Bevölkerungen weltweit zugenommen.

Wir wollen hier einige exemplarische Beispiele für aktuell verschärfte Repressionsmaßnahmen geben.

Türkei: Ein weiterer Schritt Richtung Polizeistaat

Immer wieder gerät die türkische AKP-Regierung aufgrund von Repressionen ins Schussfeld, selbst von bürgerlichen Politkern. In der Türkei kommt es bei größeren Protesten immer wieder zu Toten durch die Polizei, so z.B. bei der Gezi-Bewegung 2013, den Protesten gegen die Arbeitsbedingungen in Bergwerken nach dem Grubenunglück von Soma 2014 oder vor allem bei verschiedenen kurdischen Demos.

Auch soziale Medien wie Twitter und Co. geraten immer wieder ins Visier des Staates und werden eingeschränkt und zensiert, was nun auch ohne Gerichtsbeschluss für 3 Tage legal ist.

Mit den neusten „Sicherheitsgesetzen“ der Regierung Erdogan ist aber eine neue Dimension, der Schritt zum Polizeistaat getan worden. Demos können ohne richterliche Instanz verboten werden. Wer einen Molotow-Cocktail mit sich führt darf erschossen werden, lange Haftstrafen stehen auf die Teilnahme an verbotenen Demos, in öffentlichen Gebäuden dürfen Polizeistationen eingerichtet werden und 48 Stunden unbegründete Isolationshaft sind auch kein Problem.

Von all diesen Maßnahmen werden die türkische Linke, Gewerkschaften, streikende Arbeiter_innen und vor allem der kurdische Befreiungskampf hart getroffen. Leider gibt es von deren Anführer_innen keinen nennenswerten Widerstand gegen die Gesetze.

Griechenland und Ukraine: Faschisten im Staat

An manchen Stellen bedienen sich die Herrschenden, aber nicht nur der eigenen, offiziell-staatlichen Kräfte, sondern spannen sich Faschist_innen vor den Karren.

Wie das gehen kann zeigen die Beispiele der Ukraine und Griechenlands, wobei die Lage in der Ukraine momentan zweifelsfrei die gefährlichere ist.

So paktierte und unterstützte der pro-westliche Teil der ukrainischen Oligarchie früh mit militanten, nationalistisch-faschistischen Kräften wie Swoboda und dem rechten Sektor um das Janukowitsch-Regime zu stürzen, ein eigenes zu errichten und um dann den Widerstand dagegen zu brechen. Beim Massaker von Odessa am 2. Mai letzten Jahres wurde das offen gezeigt.

Die faschistischen Kräfte stellen mittlerweile eigene Bataillone – darunter das berüchtigte Asow-Bataillon – beim Krieg gegen die Aufständischen und Zivilist_innen der Ostukraine. Zudem dienen sie auch im Polizei- und Geheimdienstapparat zur Unterstützung der neuen Regierung. Mittlerweile wird „die Verbreitung kommunistischer Propaganda“ mit harten Strafen geahndet, gegen Wehrdienstverweigerer wird ebenfalls vorgegangen.

Auch in Griechenland finden wir diesen Pakt in abgeschwächter Form. So konnten die Faschist_innen der „Chrysi Avgi“ linke Demos, LGBTIA und Migrant_innen in der Vergangenheit offenbar ungestraft angreifen. Auch findet eine polizeiliche Ausbildung der faschistischen Kräfte statt.

Zur Zeit finden in Griechenland zwar Prozesse gegen Mitglieder der Chrysi Avgi statt, jedoch wäre es eine gefährliche Illusion hier auf den Staat zu vetrauen. Wie die Ukraine bereits zeigte, ist ein Putsch schneller durchgeführt, als viele denken.

Das sollten vor allem die Anhänger Syrizas im Gedächtnis haben – auch wenn ihre Partei zur Zeit alles andere als eine ernsthafte Gefahr für das Kapital darstellt. Doch wenn Syriza irgendwann doch eine zu hinderliche Kraft für die (europäischen) Kapitalist_innen wird, ist es nicht ausgeschlossen, dass diese sich Faschist_innen vor den Karren spannen um die Abwälzung der Krise auf die arbeitende Bevölkerung zu sichern.

Spanien & Frankreich: Demonstrieren verboten?

Nicht nur in Griechenland, sondern auch in Spanien kam es zu großen Protesten gegen die EU-Sparpolitik. Immer wieder wurden in diesem Zusammenhang Demonstrationen verboten. Hierbei hat es sich die konservativ-neoliberale Rajoy-Regierung im letzten Dezember nun leichter gemacht.

Auf die Teilnahme an verbotenen Demos stehen 1000 € Strafe, verboten ist die Verbreitung von Videomaterial, welches Polizeigewalt zeigt. Weiter entscheidet künftig die Polizei – kein Gericht – was auf Demos gesetzeswidrig war und was nicht und kann Strafen von bis zu 600.000 € verhängen.

Da dieses Gesetz Tür und Tor für staatliche Willkür öffnet, ist das Gesetz vor allem eines: Die weitgehende Abschaffung des Demonstrationsrechts mit dem Ziel den Widerstand einzuschüchtern.

Aber nicht nur in Spanien, sondern auch in Frankreich scheint das Demonstrationsrecht in Frage zu stehen: Der Jugendliche Gaëtan wurde für die Teilnahme an einer Demo gegen den Polizeimord an einem Umweltaktivisten zu zwei Monaten Knast, 4 Monate Bewährung und 1.100 € Bußgeld verdonnert. Neben ihm wurde auch Andere eingesperrt.

Der Fall Gaëtan ist nur ein Teil der den Anschlägen auf Charlie Hebdo folgenden Repressionswelle. Die Ursachen von Terror sind Rassismus und Imperialismus – und genau das verstärkt die französische Regierung jetzt.

Deutschland und der G7-Gipfel: Repression in der Vorbereitung

Auch in Deutschland wird aufgerüstet – schließlich darf man die Ausschreitungen bei Blockupy nicht ungestraft lassen, da wurde das System in Frage gestellt. Wenn Flüchtlingsheime brennen, ist das natürlich nicht der Fall – da reagiert man lieber mit einer Asylrechtsverschärfung.

Außerdem steht im Juni ja der G7-Gipfel in Bayern an – darauf und auf den Protest will man sich gut vorbereiten. Also wurde nach Blockupy der Aufbau einer neuen „Antiterroreinheit“ angekündigt. Diese soll der Polizei unterstellt sein und wird wohl vor allem dazu genutzt werden, ungemütliche Linke zurechtzuprügeln.

Am Beispiel Blockupy und den G7 lässt sich übrigens ein für Repressionen sehr typischer Bestandteil erkennen – die Hetze zur Rechtfertigung. Da das Handeln von Staat und Polizei von der breiten Öffentlichkeit als gerechtfertigt wahrgenommen werden soll, werden auch schon mal Details weggelassen oder stumpf gelogen. In Frankfurt wurden über 80 Polizist_innen vom eigenen Tränengas verletzt, aber das das ein Eigenbeschuss war, erzählte die Polizeisprecherin nicht.

Auch die Proteste gegen den G7-Gipfel werden, ähnlich wie 2007 in Heiligendamm, bereits im Vorfeld kriminalisiert: In den letzten Wochen fand eine breite „Aufklärungskampagne“ in und um Garmisch statt, um zu verhindern, dass Landwirte den DemonstrantInnen Wiesen für die Errichtung eines Protestcamps zur Verfügung stellen. So wird bei der Bevölkerung eine Ablehnung gegen die Demonstrierenden erzeugt, noch bevor sich diese mit den Inhalten der Bewegung auseinander gesetzt hat.

Widerstand organisieren – aber wie?

Es bleibt die Frage, wie wir und die Arbeiter_innenklasse künftig Repressionen begegnen soll – denn wenn es zu Massenbewegungen, politischen Streiks und Betriebsbesetzungen kommt, wird das von der herrschenden Klasse stets bekämpft.

Militanz ist nichts, mit dem die eigene „Radikalität“ demonstriert wird, sondern sollte konkrete Ziele verfolgen und möglichst massenhaft und organisiert stattfinden, um diese zu erreichen.

Elementar ist hierfür einerseits die geeinte Aktion der organisierten Arbeiter_innenklasse um die größtmögliche Kampfstärke des Proletariats herzustellen – Revolutionär_innen müssen also stets Einheitsfrontangebote an Gewerkschaften und reformistische Organisationen machen. Die Ziele und Aktionen müssen hierbei von der Basis selbst beschlossen werden.

Andererseits sollten in den Kämpfen klare Strukturen etabliert werden. Das heißt: Demonstrationen brauchen zentrale Einsatzleitungen, die jederzeit wähl– und abwählbar sowie der Basis rechenschaftspflichtig sind, was auch ebenso für Streikleitungen gilt.

Unsere Bewaffnung und Kampftaktiken sollten den Gegebenheiten entsprechen – in Deutschland mögen Demoketten und Knüppelfahnen noch ausreichend sein, in Bürgerkriegen sind sie es freilich nicht mehr. Während in Spanien der Sparpolitik mit Streik begegnet werden kann, wären Streiks in den verbliebenen Betrieben der Ostukraine eine Schwächung des eigenen Widerstandes.

  • Freiheit für alle politischen Gefangenen! Sofortige Niederschlagung aller Verfahren!
  • Für die volle Meinungs- und Versammlungsfreiheit überall und jederzeit!
  • Für den Aufbau einer neuen Internationalen und einer Jugendinternationalen, um den Kämpfen eine revolutionär – sozialistische Richtung vorzuschlagen!
  • Lasst uns Arbeiter_innen- und Jugendkomitees aufbauen, lasst uns aus Komitees Räte machen! Lasst uns Milizen der Bewegung aufbauen, die gegen die Entdemokratisierung
    kämpfen und demokratische Errungenschaften schützen!
  • Für den Aufbau einer proletarischen Doppelmacht um die bürgerlich – repressiven Staaten zu bekämpfen und zu stürzen!

Ein Artikel von Lars Filder, REVOLUTION Fulda




Grundlagen des Marxismus: Der Staat – Teil 1: Der bürgerliche Staat

Für die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft durch eine soziale Revolution und eine Übergangsphase, die wir als Sozialismus bezeichnen, ist die Frage des Staates von zentraler Bedeutung. Sich mit ihr intensiv auseinanderzusetzen, ist für jede revolutionäre Organisation unerlässlich. Wir widmen dieser Thematik innerhalb unserer Rubrik „Grundlagen des Marxismus“ eine dreiteilige Serie. Sie soll einen Überblick über die Staatsfrage geben – warum entstand er, welche Interessen vertritt er und wie kann er für immer überwunden werden?

Marx und Engels haben ihre Staatstheorie nie in einem einheitlichen Buch niedergeschrieben. Sie berühren diese Frage in verschiedenen Texten, die zu unterschiedlichen Zeiten und Sachverhalten verfasst wurden, vor allem in „Der Bürgerkrieg in Frankreich“, Marx und Engels Kritiken an den Programmen der SPD, aber auch im „Manifest der kommunistischen Partei“. Später, kurz vor der russischen Oktoberrevolution 1917, veröffentlichte Lenin sein berühmtes Buch „Staat und Revolution“. In diesem legt er das marxistische Verständnis vom Staat anschaulich dar und untermauert es mit verschiedenen Zitaten von Marx und Engels.

Bürgerlicher Staat und Klassengesellschaft

Der bürgerliche Staat ist für Marx und Engels ein Produkt der Gesellschaft auf einer bestimmten Entwicklungsstufe der Produktivkräfte. Im Gegensatz zu den Gentilorganisationen, also den Urgemeinschaften, zeichnet er sich durch die Einteilung der Staatsangehörigen nach Gebiet aus. Er entsteht aus der Gesellschaft selbst heraus, stellt sich aber als Macht über sie. Er ist Ausdruck der Unversöhnlichkeit der Klassengegensätze innerhalb der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und daher umgekehrt ein Beweis, dass der Kapitalismus selber nicht fähig ist, die Klassengegensätze zu versöhnen. Er versucht die Klassenkämpfe zu mildern, damit das System nicht zerbricht, versucht also die Unterdrückung der Arbeiter_innen durch die Kapitalist_innen zu festigen und zu verschleiern. Der Staat ist somit ein Organ der Klassenherrschaft, da es den Konflikt der Klassen dämpft und Widerstand sanktioniert. Dieses scheint zwar über der Gesellschaft zu existieren, ist aber durch unzählige Fäden mit der Bourgeoisie verstrickt.

Engels schreibt dazu in seinem Werk „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“ 1894:

„Der Staat ist also keineswegs eine der Gesellschaft von außen aufgezwungene Macht; ebenso wenig ist er „die Wirklichkeit der sittlichen Idee“, wie Hegel behauptet. Er ist vielmehr ein Produkt der Gesellschaft auf bestimmter Entwicklungsstufe; er ist das Eingeständnis, dass diese Gesellschaft sich in einen unlösbaren Widerspruch mit sich selbst verwickelt, sich in unversöhnliche Gegensätze gespalten hat, die zu bannen sie ohnmächtig ist. Damit aber diese Gegensätze, Klassen mit widerstreitenden ökonomischen Interessen, nicht sich und die Gesellschaft in fruchtlosem Kampf verzehren, ist eine scheinbar über der Gesellschaft stehende Macht nötig geworden, die den Konflikt dämpfen, innerhalb der Schranken der Ordnung halten soll; und diese, aus der Gesellschaft hervorgegangene, aber sich über sie stellende, sich ihr mehr und mehr entfremdende Macht ist der Staat“1

Der bürgerliche Staat ist die monopolisierte, öffentliche Gewalt und muss die Gewalt unbedingt in seiner Hand monopolisieren. Denn ein bewaffnetes Volk würde auch einen bewaffneten Kampf, der sich feindlich gegenüberstehenden Klassen bedeuten und somit in einen Zustand verharren in der die Entwicklung nicht voran schreiten und in dem es keine festen Verhältnisse zur Unterjochung einer Klasse geben kann.

Dieser monopolisierten Gewalt bemächtigt sich die herrschende Klasse und macht sich so auch zur politisch herrschenden Klasse. Der Rest der Bevölkerung hat keinerlei demokratische Kontrolle über diese.

„Da der Staat entstanden ist aus dem Bedürfnis, Klassengegensätze im Zaum zu halten, da er aber gleichzeitig mitten im Konflikt dieser Klassen entstanden ist, so ist er in der Regel Staat der mächtigsten, ökonomisch herrschenden Klasse , die vermittelst seiner auch politisch herrschende Klasse wird und so neue Mittel erwirbt zur Niederhaltung und Ausbeutung der unterdrückten Klassen.“2

Um seine Funktionen auszuführen benötigt er außerdem ein Heer von verbeamteten Bürokrat_innen, die durch höhere Gehälter und allerlei Privilegien von den Interessen der restlichen Arbeiterschaft getrennt werden. Der Staat besticht also einen kleinen Teil der Menschen, damit dieser auch zuverlässig für ihn arbeitet, nur seine Interessen vertritt und sich nicht als Teil der unterdrückten arbeitenden Massen sieht. Ähnlich sieht es bei den Politiker_innen aus, welche auch Gehälter beziehen, die den Lohn der Arbeiter_innen deutlich übersteigen. Darüber hinaus kommen die meisten Politiker_innen aus der herrschenden Klasse selber, (Ex)Unternehmer_innen, aber auch Jurist_innen. Einfache Arbeiter_innen, die den ganzen Tag für ihre Kapitalist_innen schuften müssen, haben meist weder die Zeit, noch die Energie über ihre Arbeit hinaus in einer Partei aktiv zu werden und Politik zu machen. Zu Beginn einer Karriere in einer Partei ist es unmöglich ohne nebenher zu arbeiten, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Nur wer Andere für sich arbeiten lässt, hat Geld und Zeit Einfluss auf die Politik zu nehmen. Die enge Verflochtenheit von Politik und Wirtschaft zeigt sich auch im tagespolitischem Geschehen. Beispielsweise wenn Politiker_innen in Wirtschaftsvorstände wechseln oder von Unternehmen Hunderttausende kassieren für die Arbeit, die sie als Politiker_innen im Interesse der Unternehmen gemacht haben.

Auch das allgemeine Wahlrecht ist für Marx und Engels nichts als eine Farce, um die materielle Ungleichheit zu verschleiern, welche keine tatsächlichen gesellschaftlichen Veränderungen herbeiführt. Die wenigsten Lohnabhängigen sind in einer Gewerkschaft, noch deutlich weniger in einer Partei organisiert. Die Demokratie ist eine Demokratie für die Minderheit, für die Reichen, während das eigentlich Volk vom öffentlichen und politischen Leben ausgeschlossen ist.

Über den Charakter des Staates lassen Marx und Engels letztlich keinen Zweifel. In Marx Texten zur französischen Revolution bezeichnet er diesen als „öffentliche Gewalt zur Unterdrückung der Klassenherrschaft“, als „Maschine der Klassenherrschaft“, als „nationale[s] Kriegswerkzeug des Kapitals gegen die Arbeit“.3 Deshalb muss die Arbeiterklasse ihn zerschlagen, zerbrechen und anstatt seiner den proletarischen Staat errichten.

Teil 2: Proletarischer Staat und sozialistische Umwälzung

Ein Artikel von Lukas Müller, REVOLUTION Kassel

1Marx, Engels, MEW 21 S. 165
2Marx, Engels, MEW 21 S. 166/167
3Marx, Engels, MEW 17 S. 336




REVOLUTION und die Nationale Frage

April 2015

„Kommunist_innen scheißen auf Nationalismus“, das weiß doch Jede_r. Als eine revolutionäre kommunistische Jugendorganisation werden wir deshalb häufig mit der Frage konfrontiert, warum wir trotzdem einige nationale Kämpfe unterstützen.

1. Was haben also Kommunist_innen heute mit Nationalismus am Hut?

Nichts! Das heißt, fast nichts. Denn genauso wie wir gegen Nationalismus als eine rückschrittliche Ideologie kämpfen, kämpfen wir vor allem auch gegen jede Form der Unterdrückung! In vielen Teilen der Welt werden nationale Minderheiten (und in einigen Ländern sogar auch nationale Mehrheiten) von den Herrschenden brutal unterdrückt. Vielen wird es verwehrt ihre Sprache zu sprechen, ihre Kultur auszuleben und sich am politischen Prozess zu beteiligen. Zudem besitzen sie meistens keinen Anteil am Grund- und Produktionsbesitz und werden oft als Billigarbeitskräfte missbraucht. Es kam zu rassistischen Massakern und Völkermorden. Die kollektive Unterdrückung hat ein starkes nationales Bewusstsein in vielen Minoritäten entstehen lassen, welches eng in ihrem Kampf um Befreiung verwurzelt ist.

Viele kämpfende unterdrückte Nationalitäten sind den führenden imperialistischen Staaten ein Dorn im Auge, da ihr Widerstand Profite und Investments gefährdet und die imperialistische Vorherrschaft ernsthaft in Frage stellt. Antiimperialismus bedeutet also den ökonomischen und militärischen Machenschaften wie etwa deutscher, französischer, britischer, russischer, US-amerikanischer und chinesischer Kapitalist_innen hier wie dort den Mittelfinger zu zeigen.

Wir unterstützen deshalb bindungslos das Recht aller Völker auf nationale Selbstbestimmung, insofern dies den demokratisch bestimmten Wunsch der Mehrheit darstellt und die Gleichstellung aller Bevölkerungsgruppen im neu zu gründenden Staat gewährleistet werden kann. Wir erkennen damit die Notwendigkeit, dass der Widerstand gegen jeglichen äußeren Einfluss, Gewalt und Unterdrückung geleistet werden muss, auch wenn er das Banner des Nationalismus vor sich trägt.

2. Sollten Revolutionär_innen deshalb also jede nationale Unabhängigkeitsbewegung unterstützen?

Nein! Ganz so einfach ist die Nationale Frage dann doch nicht zu beantworten. Nicht jede Bewegung, die für ihre nationale Unabhängigkeit kämpft hält zwangsläufig eine rote Fahne hoch. Ebenso geht nicht jeder Autonomiebestrebung voraus, dass eine nationale Minderheit reell unterdrückt wurde und eine kulturelle und politische Selbstbestimmung deshalb erkämpft werden müsste.

Folgende Fragen müssen bei der Betrachtung einer nationalen Unabhängigkeitsbewegung beantwortet werden: Wie setzt sich die Bewegung zusammen? Welche Kräfte spielen die tragende Rolle? Aus welchen sozialen Klassen setzen sie sich zusammen? Was sind ihre Ziele? Wie ist die soziale Ausgangssituation? Also gibt es eine ökonomische Krise, rassistische Repression oder faschistische Angriffe und welche Autonomierechte existieren bereits?

Als Revolutionär_innen schicken wir jedoch keine Fragebögen an jegliche Befreiungsbewegungen und machen unsere Unterstützung von einer schriftlichen Antwort per Post abhängig. Wer ernsthafte revolutionäre Politik betreibt, bewertet Bewegungen an Hand ihrer politischen Praxis und nichts weiter! Deshalb, sollen im Folgenden einige aktuelle Unabhängigkeitsbewegungen auf der Basis ihrer politischen und militärischen Praxis genauer betrachtet werden. Wir wollen überprüfen, welche nationalen Kämpfe momentan unsere Unterstützung verlangen und welche wir wiederum ablehnen:

Schottland:

Mit gespannter Aufmerksamkeit wurde in Europa das gescheiterte Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich im September 2014 betrachtet. Unsere Genoss_innen von Workers Power (siehe: http://www.workerspower.co.uk/) aus Großbritannien plädierten an die schottischen Arbeiter_innen mit „No“ zu stimmen. Die Nationale Frage in Schottland begründete sich nämlich nicht auf einer Unterdrückung der schottischen Sprache und Kultur oder mangelnden politischen Partizipationsrechten. Vielmehr steckt die schottische Linke in einer tiefen Krise. Die vielen sozialen Kürzungsmaßnahmen und die steuerliche Abwälzung der Krisenlast auf die arbeitende Bevölkerung ließ viele Arbeiter_innen das Vertrauen in die Sozialdemokratie verlieren. Die pro-kapitalistische und nationalistische Scottish National Party konnte sich so mit Unterstützung der schottischen Superreichen als starke Oppositionskraft darstellen und das Referendum initiieren. Revolutionär_innen haben keine Illusionen in die Schaffung eines neuen kapitalistischen Staates unter Führung schottischer Geldsäcke und Nationalist_innen. Überdies würden 2 Staaten an dieser Stelle auch eine Spaltung der Arbeiter_innenklasse in 2 proletarische Bewegungen bedeuten und eine Hürde im gemeinsamen Kampf darstellen. Stattdessen werden wir gemeinsam Schulter an Schulter mit dem britischen und schottischen Proletariat für Sozialismus auf den britischen Inseln kämpfen und das House of Lords zum House of Workers machen!

Dennoch wäre die Abspaltung Ausdruck eines demokratischen Prozesses und des Wunsches der Mehrheit gewesen. Als Revolutionär_innen treten wir in vollem Maße und bedingungslos für das Selbstbestimmungsrecht der Völker ein. Das heißt, wenn sich ein Volk auf demokratischem Wege für die Abspaltung ausspricht müssen wir das unterstützen und auch (wenn nötig) gegen Angriffe verteidigen.

Israel/Palästina

Einige vermeintlich linke Organisationen unterstützen den Staat Israel in seiner systematischen und kriegerischen Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung. Sie argumentieren dabei, dass der zionistische Staat die Verkörperung der nationalen Befreiung aller Juden und Jüdinnen, die Jahrhunderte lang in Europa verfolgt und massenhaft hingerichtet wurden, sei. Ein nationaler Befreiungskampf (wobei Juden und Jüdinnen eine Religionsgemeinschaft und kein Volk und keine Nation darstellen)darf jedoch nicht in die Unterdrückung einer anderen Nation münden. Für uns ist Zionismus nichts weiter als eine rassistische Ideologie, die Juden und Jüdinnen als „Fremdkörper“ in Europa betrachtet und deshalb mit Hilfe des Imperialismus einen jüdischen Staat auf dem Gebiet des historischen Palästinas gründete. Revolutionär_innen lehnen jeden Antisemitismus aber auch jede Waffenbrüderschaft mit dem Imperialismus strikt ab! Erst recht, wenn das Resultat dessen die Unterdrückung der Palästinenser_innen, welche der Zionismus aus ihren Häusern vertrieben, durch einer Mauer abgeriegelt und bombardiert hat, ist. Wir unterstützen deshalb den nationalen Befreiungskampf der Palästinenser_innen gegen die Angriffe Israels. So sehr wir uns jedoch auch mit dem Kampf der Palästinenser_innen solidarisieren, so dürfen wir auch keine Illusionen in deren reaktionäre Führung aus Fatah und Hamas haben. Im gemeinsamen antiimperialistischen Kampf für nationale Selbstbestimmung, darf keine Minute auf die Unabhängigkeit der Revolutioär_innen verzichtet und die Forderung nach Sozialismus zurückgehalten werden. Wir wissen, dass ein Volk, das andere unterdrückt, sich selber nicht befreien kann und suchen deshalb auch den Schulterschluss mit allen Arbeiter_innen, Jugendlichen und afrikanischen Refugees auf der israelischen Seite, um zusammen für einen multi-ethischen säkularen Staat für alle Völker auf dem Gebiet des historischen Palästinas zu kämpfen.

Katalonien

Diese wirtschaftlich stärkste Region des krisengeschüttelten spanischen Staates führte im siebten Jahr der erbitterten Kürzungspolitik ein Referendum über die Abtrennung zur Errichtung eines unabhängigen Kataloniens durch. Trotz des Verbotes durch die staatlichen Repressionsorgane nahmen 2,3 Millionen Katalan_innen am Referendum teil und stimmten mit ca. 80% für ein unabhängiges Katalonien. Obwohl REVOLUTION keine Illusionen in ein unabhängiges kapitalistisches Katalonien hat, stellen wir uns gegen die anti-katalonische und kleinbürgerliche Haltung der spanischen Linken und unterstützen das Selbstbestimmungsrecht der Katalan_innen, welche insbesondere während der faschistischen Diktatur Francos brutal unterdrückt wurden. Wie in Schottland ist jedoch von der Abspaltung keine Verbesserung für die Arbeiter_innenschaft zu erwarten, stattdessen treibt sie einen Keil zwischen die spanischen Werktätigen.

3. Also führen nationale Befreiungsbewegungen ohne Umwege zum Kommunismus?

Jein! Nationale Befreiungsbewegungen können gerade in den ehemaligen Kolonien in ihrem Kampf gegen die seit jeher bestehende Abhängigkeit von den imperialistischen Staaten ein emanzipatorisches Potential gewinnen. Für uns ist es deshalb unerlässlich in diese Kämpfe zu intervenieren und die vorhandenen progressiven Kräfte zu stärken. Der Weg zum Kommunismus kann jedoch nicht isoliert in einem Land, sondern nur durch den gemeinsamen Kampf einer vereinten internationalistischen Arbeiter_innenklasse beschritten werden.

Deshalb stellen wir uns hinter jedes Bevölkerung dessen Mehrheit sich auf demokratischem Weg für die nationale Unabhängigkeit ausspricht, auch wenn dies bedeutet, zeitweise mit der unterdrückten nationalen Bourgeoisie bei schärfster Kritik zusammen kämpfen zu müssen. Auf der anderen Seite kann das auch eine Chance sein, die Arbeiter_innen von dieser wegzubrechen und eine Alternative zu Kapitalismus und anderen reaktionären Ideologien anzubieten.

Mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen, können wir nicht jeden nationalen Befreiungskampf unterstützen, sondern müssen uns strategisch für gezielte Interventionen entscheiden und unsere gesamten Kräfte und Möglichkeiten mobilisieren
(wie wir es beispielsweise mit gesammelten Spenden in Höhe von 90 000€ als Teil der Nao-Kampagne „Waffen für Rojava“ getan haben- siehe: nao-prozess.de). Bei jeder Unterstützung treten wir für die Autonomie von Revolutionär_innen ein und lehnen Taktiken wie Guerillakampf oder Terroranschläge gegen die Zivilbevölkerung entschieden ab. Stattdessen treten wir für den Aufbau einer proletarischen Massenbewegung ein, deren bewaffneter Arm im Notfall in der Lage ist, die Bewegung gegen Angriffe zu verteidigen.

Für revolutionäre Kommunist_innen steht jedoch fest, dass die Klasse der Arbeiter_innen, der Jugend und der Unterdrückten kein „Vaterland“ kennt. Nationalismus ist eine Ideologie der herrschende Klasse, welche vom eigentlichen großen Widerspruch, nämlich dem von Arbeit und Kapital, ablenken soll. Dem Proletariat soll weiß gemacht werden, dass sie dieselben „nationalen Interessen“ wie die Bourgeoisie hätten und so an ihre kapitalistischen Ausbeuter_innen gebunden werden.

REVOLUTION vertritt dagegen einen proletarischen Internationalismus, der keine Staaten und Völker, sondern nur Herrschende und Unterdrückte kennt und unter der Fahne der permanenten Revolution jeglichen Chauvinismus, Repression und Unterdrückung hinwegfegt! Obwohl Revolutionär_innen das Selbstbestimmungsrecht unterdrückter Nationen bedingungslos verteidigen, haben wir trotzdem keine Illusionen in die Schaffung neuer bürgerlicher Staaten. Insbesondere die Befreiungsbewegungen in den ehemaligen Kolonien werden sich unter der Führung einer neuen nationalen Bourgeoisie nicht von den Fesseln des Imperialismus lösen können. Der imperialistischen Strategie, Nationen aufzuspalten, um die entstehenden schwachen und instabilen Gebilde leichter beherrschen zu können, setzten wir die Alternative von Föderationen sozialistischer Staaten entgegen! Nur die Enteignung der Kapitalist_innen und eine internationalistische Ausweitung der demokratischen Planung kann eine dauerhafte Befreiung möglich machen.

Ein Artikel von Mahir Gezmis und Marvin Schutt, REVOLUTION Berlin

PS: Du fragst dich, welche Positionen zu den Kämpfen in der Ostukraine und Kurdistan haben? Dann wirst du hier fündig:

www.onesolutionrevolution.de/allgemein/im-noch-in-vollem-gang-ukrainekrise-buergerkrieg-ein-kurzupdate/

http://www.onesolutionrevolution.de/allgemein/das-pkk-verbot-zwischen-kommunist_innenverfolgung-und-nato-aufstandsbekaempfung/




Wahlen in Israel: Pest, Cholera oder Massenwiderstand!

Am 17. März diesen Jahres wurde die wahlberechtigte Bevölkerung Israels ein weiteres Mal dazu aufgefordert, sich zwischen Pest und Cholera zu entscheiden. Nach einer Regierungskrise im vergangenen Jahr ordnete der ultra-nationalistische israelische Premier Netanjahu Neuwahlen an, deren Ergebnis ihn nun in seinem Amt bestätigte.

Die Wahl

Prognosen diagnostizierten im Vorhinein ein Kopf-an-Kopfrennen zwischen Netanjahus Partei, dem Likud und dem vermeintlich „linken“ Bündnis namens Zionistische Union, einer Allianz aus den Sozialdemokrat_innen der Avoda und der liberal-nationalistischen HaTnua. Dass dieses Bündnis weder eine politische Alternative aufzeigt, noch irgendwie als „links“ bezeichnet werden kann, macht bereits der Name deutlich. Politische Differenzen zwischen den beiden konkurrierenden Parteien wurden zudem im Wahlkampf künstlich aufgebauscht. So forderte die vermeintlich „linke“ Politikerin der Zionistischen Union Tzipi Livni vor einigen Jahren noch die Errichtung von „Groß-Israel“ (also die vollständige Eroberung aller Gebiete zwischen Mittelmeer und Jordan) und galt seit jeher als begeisterte Verfechterin des Libanonkriegs. Während der Likud 30 der 120 Sitze im Parlament ergattern konnte, erreichte die Zionistische Union 24 Sitze.

Drittstärkste Kraft wurde mit 13 Sitzen die „Vereinigte Liste“ aus einer islamistischen Partei, einer arabisch-nationalistischen Liste und einer stalinistischen Partei.

Wahlerfolg des Likud und der Mangel an Alternativen

Der Wahlsieg des Likud ist auf den ersten Blick ziemlich verwunderlich. Warum sollten sich israelische Wähler_innen freiwillig für Netanjahus Politik aus Sozialabbau, Wohnungsnot, Privatisierungen, Militarisierung und Krieg entscheiden? Nach seiner öffentlichen Verlautbarung, dass es mit dem Likud keinen palästinensischen Staat geben werde, kündigten ihm selbst einige seiner besten Freund_innen aus den Chefetagen der Unternehmen und des Militärs die Unterstützung, da sie auf Grund der wachsenden internationalen Isolation um ihre Profite fürchteten.

Zum einen liegen die Wahlerfolge des Likud an den massiven Zuströmen der rechtsextremen Wähler_innen, die ihre eignen politischen Bündnisse zugunsten Netanjahus im Stich ließen. Zum anderen ist der Sieg der Nationalist_innen ein klares Zeichen für das Versagen der Linken. Die zionistischen Sozialdemokrat_innen der Avoda waren in der Vergangenheit lange genug an der Macht, um zu beweisen, dass sie den ausgebeuteten Massen nichts anzubieten haben und im Krieg gegen die Palästinenser_innen keinen Schritt weiter zurückweichen. Die Mehrheit der Israelis entschied sich im Wahllokal deshalb für die offen kriegstreibende „Pest“ und ließ die „Cholera“ im liberalen Schafspelz knapp verlieren.

Der Rechtsruck der Sozialdemokratie ist kein israelisches Phänomen sondern lässt sich im Zuge der sich zuspitzenden Wirtschaftskrise und der Unfähigkeit des Reformismus auf der ganzen Welt beobachten (siehe Agenda 2010 / SPD). Neben massiven Angriffen auf die größte israelische Gewerkschaft Histadrut ist die Avoda jedoch auch für zahlreiche Kriege wie zum Beispiel den blutigsten aller Kriege, den 6-Tage-Krieg, verantwortlich. Eine weitere große Schwäche der „Linken“ ist es, ausschließlich die ökonomisch besser situierten Jüdinnen und Juden, die aus Europa emigrierten, anzusprechen. Die traditionell aus der kolonialistischen Siedlungsbewegung der Kibbuzniks entstandene Linke verstand sich seit jeher eher als Partei des „weißen“ Kleinbürgertums, weshalb sie den ärmeren Bevölkerungsteilen aus „orientalischen“ und äthiopischen Jüdinnen und Juden keine Perspektive anbot und diese schnell von den ultra-rechten Parteien aufgefangen wurden.

Der überraschende Wahlerfolg der klassenkollaboratorischen Vereinigten Liste ist vor allem Ausdruck des Protestes gegen die Anhebung der parlamentarischen Sperrklausel. Durch ein bürokratisches Manöver beschloss die vorherige Regierung nämlich die Mindeststimmenanzahl, die eine Partei für den Einzug ins Parlament erhalten muss, anzuheben, um so die vielen kleinen arabischen und linken Parteien ins Aus zu schießen. Deren unerwarteter Erfolg durch die Verbindung zur Vereinigten Liste ist ein zögerlicher Arschtritt für die israelischen Nationalist_innen, die während des Wahlkampfes Wahllokale in arabischen Ortschaften besetzten und teilweise sogar Übergriffe verübten. Netanjahu selbst warnte in rassistischer Manier: „Die Herrschaft der Rechten ist in Gefahr. Arabische Wähler strömen massenweise zu den Wahllokalen. Linke NGOs bringen sie Busse-weise dorthin“. Auch Israels Außenminister Liebermann bekundete öffentlich, dass man „illoyalen“ palästinensischen Israelis den Kopf abhacken müsse.

Es ist jedoch zu erwarten, dass sich die Volksfront aus Islamist_innen, arabischen Nationalist_innen und Stalinist_innen politisch kaum in der zionistischen Arena des israelischen Parlaments behaupten kann und sich durch ihre internen politischen Widersprüche selbst blockieren wird. Ihr Aufruf zu Solidaritätsmärschen gegen Besatzung und soziale Ungleichheit sind jedoch wichtige Schritte, um die unzufriedenen Massen auf die Straße zu bringen.

Perspektive

Vor dem Hintergrund dieser Alternativlosigkeit müssen Revolutionär_innen in die vorhandenen Bewegungen intervenieren und dort für den Aufbau einer sozialistischen Partei der Arbeiter_innen und der Jugend kämpfen. Da die zu erwartende Koalition aus Likud und noch weiter rechts stehenden Kräften die sich im Zuge der Krise des Kapitalismus immer weiter verschlechternde ökonomische Entwicklung auf den Schultern der Arbeiter_innen und der Jugend austragen wird, sind verstärkte Angriffe gegen die Arbeiter_innenschaft und die Jugend zu erwarten. Insbesondere werden sich die Lebensbedingungen der palästinensischen Bevölkerung bei ständig drohender Kriegsgefahr weiterhin verschlechtern. Allein im vergangenen Jahr kostete das grausame Bombardement des Gazastreifens über 2000 Palästinenser_innen das Leben. Siedlungsbau und Landnahme in den besetzten Gebieten provozierten zahlreiche Proteste, auf welche die israelische Regierung mit Massenfestnahmen und Häuserzerstörungen reagierte. Auch die auf israelischem Staatsgebiet lebenden Palästinenser_innen sind zunehmend der chauvinistischen Gesetzgebung und Angriffen auf den Straßen ausgesetzt.

Im Parlament kann der Kampf dagegen durch Listenbildungen und Wähler_innenstimmen nur partiell erfolgreich sein und wird früher oder später an den nicht wählbaren Repressionsorganen (Geheimdienst, Militär, Polizei) und der Willkür des zionistischen Staates scheitern. Die Beendigung von Besatzung, Siedlungskolonialismus, Unterdrückung und Ausbeutung kann nur auf der Straße und in den Betrieben geführt werden. Nur wenn sich die Palästinenser_innen zum Massenwiderstand gegen die israelischen Panzer erheben und sich dabei ihrer reaktionären und korrupten Führung aus Bürokrat_innen und Islamist_innen entledigen, kann ihr Leid beendet werden. Die Aufgabe der israelischen Arbeiter_innenbewegung ist es gleichzeitig Druck auf Gewerkschaften und Sozialdemokratie auszuüben und mittels eines Generalstreiks für den Stopp jeglicher Rüstungsproduktion einzutreten.

Keine Lösung: „2-Staaten-Lösung“

Kein Vertrauen sollte in die palästinensischen Unterhändler_innen gesetzt werden, die aktuell mit der UNO über einen Beitritt der palästinensischen Fraktion zum Internationalen Strafgerichtshof verhandeln. Während den zionistischen Staat Anklagen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit herzlich wenig interessieren, ist dieser von den westlichen Medien hochgelobte Schritt in Richtung „2-Staatenlösung“ eine Sackgasse. Die Gründung eines palästinensischen kapitalistischen Staates wird den palästinensischen Massen keine Perspektive bieten können und eine machtlose Marionette zwischen Israel, dem US-Imperialismus und den arabischen Regionalmächten sein. Auch im israelischen Wahlkampf war die „2-Staaten-Lösung“ schon lange kein Thema mehr und deren aussichtsloser Charakter offensichtlich. Bis auf die korrupten Bürokrat_innen der palästinensischen Autonomiebehörde glaubt keine politische Fraktion noch in irgendeiner Weise an die Gründung eines palästinensischen Ministaates. Wir als Revolutionär_innen haben keine Illusionen in solche Pläne, die dem kolonialistischen Siedlungsprojekt nur diplomatische Immunität im Zuge eines „permanenten Friedensprozesses“ verleihen! Wir treten stattdessen für den Aufbau einer revolutionären Arbeiter_innenpartei des palästinensischen und israelischen Proletariats ein, die im Schulterschluss mit der Jugend und allen anderen fortschrittlichen Kräften des Nahen Ostens für eine sozialistische Staaten im Nahen Osten kämpft!

Ein Artikel von Marvin Schutt, REVOLUTION Berlin




Nieder mit den G7! Mobilisieren, demonstrieren, blockieren!

Schon die Reduzierung der Gipfelteilnehmer zeigt die aktuellen Verhältnisse der imperialistischen Weltordnung auf: Moskau ist nicht mit dabei. Das imperialistische Russland befindet sich derzeit im Konflikt mit den USA und der EU. In der Ukraine erleben wir, was der Imperialismus unter „Neuaufteilung der Welt“ versteht. Die USA und die EU unterstützen die neue Regierung aus Oligarchen, Nationalisten und ihrem faschistischen Fußvolk. Da Putin nicht klein beigibt, darf er auch nicht zum G7-Gipfel nach Elmau.

Immerhin darf Russland noch zum G20-Treffen. Hier versuchen die imperialistischen „Kernländer“, ihre Interessen abzugleichen und anderen zu diktieren. Wichtigster Punkt der G20-Verhandlungen ist die Lockerung des Marktzugangs für das Finanzkapital, „Freihandel“ genannt, der z.B. durch das TTIP-Abkommen für die USA und die EU gelten soll. Gleiches findet derzeit auch in der APEC statt. Dieses pazifische Bündnis umfasst neben den USA und China auch Japan, Russland und Südkorea.

Der Imperialismus steckt seit dem Weltwirtschaftseinbruch von 2007/08 in einer tiefen Krise. Das bedeutet jedoch nicht, dass er einfach zusammenbricht. Im Gegenteil: er versucht, seine Krise auf Kosten der Ausgebeuteten und Unterdrückten zu „lösen“. Die Aussage des Milliardärs Warren Buffet ist inzwischen fast schon „berühmt“: „Es wird Klassenkrieg geben und meine Klasse – die der Reichen – wird diesen Krieg gewinnen“.

Während für die Bourgeoisie die Klassengesellschaft existiert und die Aufgaben „ihrer“ Klasse klar ist, ist dies leider auf Seiten der Linken und der Arbeiterklasse nicht der Fall. Das System Imperialismus zu nennen wird von manchen Linken abgelehnt. Aus der Krise konkrete politische Schlüsse und Forderungen für die ArbeiterInnenklasse abzuleiten, wird oft abgelehnt. Dass dieses System revolutionär bekämpft und gestürzt werden muss, sagen nur Wenige. Was dafür konkret nötig wäre, bleibt oft unklar.

Neuaufteilung der Welt

Die ArbeiterInnenklasse wie auch die BäuerInnen und die Jugend verlieren viele soziale Errungenschaften und stehen harten Angriffen des Kapitals gegenüber. Nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 2007/08 wurden die Lebensmittelmärkte vom spekulativen Kreditkapital geflutet. Die Folge waren Hungerproteste in über 40 Staaten.

Die Konkurrenz der imperialistischen Staaten und Blöcke ist neu entflammt. Die EU, die USA, Japan und die aufstrebende imperialistische Macht China konkurrieren um Märkte, Rohstoffe und Arbeitskräfte. Die EU ist bisher daran gescheitert, die USA als mächtigsten Wirtschaftsraum abzulösen, konnte aber den Euro als Weltwährung Nr. 2 etablieren und versucht weiterhin, Osteuropa, die Ex-UdSSR und den „Mittelmeerraum“ ökonomisch und politisch zu unterwerfen.

China versucht, Brasilien, Russland und Indien anzuführen, um die alten imperialen Verhältnisse herauszufordern. Auch Russland sucht neue Partner. Dies führt einmal zu weiterer Kooperation mit China, aber auch zu neuen Bündnissen mit der Türkei oder Brasilien.

In der Ukraine sehen wir, wie die Neuaufteilung der Welt funktioniert. Lt. US-Vizeaußenministerin Nuland wurden 5 Mrd. Dollar in die dortige Opposition gesteckt. Deutschland investierte in die „UDAR“-Partei Klitschkos und in das Wahlbündnis für Poroschenko. Dabei wurde bewusst mit nationalistischen und faschistischen Gruppierungen kooperiert. Diese bauten die Nationalgarde und das Asow-Bataillon auf. Die Milizen des „Rechten Sektors“, welche die neue Kiewer Regierung militärisch unterstützen, führten das Massaker von Odessa am 2. Mai 2014 durch. Dagegen erhob sich berechtigter Widerstand in der Ostukraine, welcher von antifaschistischen und auch russisch-nationalistischen Kräften getragen wurde und über den Russland versucht, seine Interessen in der Ukraine durchzusetzen.

Die USA und die EU wollen sich den Wirtschaftsraum der Ukraine einverleiben – mit den bekannten Nebenwirkungen: vollständiger Marktzugang für das Finanzkapital, Privatisierung der Staatsbetriebe, Abbau und Plünderung der Sozialsysteme – das sind die Aussichten des neuen Regimes in der Ukraine für die Massen. Dabei treten auch offene Widersprüche zwischen dem US- und deutschen Imperialismus zu Tage. Während die USA die Konfrontation mit Russland offen betreibt, ist der deutsche Imperialismus eher an einer strategischen Partnerschaft mit ihm (und damit auch den BRIC-Staaten) interessiert.

Dieser Konflikt führt auch zu mehr Aufrüstung. Die bürgerlichen Medien warnen vor den Expansionsgelüsten Russlands, während die Nato weitere Staaten der Ex-UdSSR aufnehmen will, z.B. Georgien und Aserbaidschan.

Die Zerstörung der Lebensgrundlagen

Seit der Krise 2007/08 haben die Großbanken und Konzerne und die meisten Bourgeois ihre Vermögen wieder steigern können. Speziell die großen Notenbanken der USA, Japans, der EU und Chinas warfen die Notenpresse an. So billig kam der Finanzmarkt selten zu Geld wie in den letzten 6 Jahren. 0%-Zinspolitik der FED oder auch die 0,05% der EZB halfen den „notleidenden“ Banken, schnell wieder den Kredithahn aufzudrehen. Damit ist auch die Kreditzufuhr für die Großkonzerne gesichert. Die Krise der billigen Kredite wurde durch noch mehr billige Kredite, diesmal aber nur für das Finanzkapital „gelöst“. So konnten die Börsen sich erholen und 2014 sogar neue Rekorde feiern. Dies steht in keinem Zusammenhang zu allen sonstigen Wirtschaftsindikatoren. Allein das billige Leihkapital, welches in die Börse gesteckt wurde, sorgte für neue Rekorde und für neue Vermögenszuwächse der Bourgeoisie. Während die Bourgeoisie also wieder zahlungsfähig ist, sind nun die meisten Staaten hoch verschuldet und Millionen Beschäftigte haben ihren Job verloren.

Gleichzeitig bedroht der Imperialismus die Lebensgrundlagen der Menschheit: z.B. die Trinkwasserversorgung, durch zunehmende Vermüllung und Verschmutzung der Umwelt, durch den Missbrauch von Agrarflächen usw. All dies geht zu Lasten künftiger Generationen und zeigt, dass diese Gesellschaft nicht nachhaltig und gemäß den menschlichen Bedürfnissen wirtschaften kann. Es kann daher auch keinen „grünen Kapitalismus“ geben.

Profitwirtschaft und nachhaltiger Umgang mit natürlichen Ressourcen schließen einander aus. Wir müssen darum für eine demokratisch-sozialistische Planwirtschaft kämpfen, die das Mensch-Naturverhältnis nachhaltig berücksichtigt, damit künftige Generationen auf diesem Planeten noch produzieren und leben können. Die Bourgeoisie investiert im „grünen Bereich“ nur, wenn ihre Vorteile gegenüber der Konkurrenz sicher sind – daher ist jede ökologische Frage auch eine Klassenfrage.

Sparpolitik

Auf den Finanzmärkten wurde wenig gespart: nur manche „Boni“ für die leitenden Angestellten wurde öffentlich diskutiert. Gespart wird an den staatlichen Systemen, im Sozialbereich, der Gesundheitspflege, der Rente und im öffentlichen Dienst.

In der EU wurde aus der Wirtschaftskrise schnell eine Krise der Staatsschulden. Schließlich hatten die Staaten ja „ihre“ Bourgeoisie und die dazugehörigen Banken und Großkonzernen mit Milliarden und Billionen gerettet. Speziell die EU kann als „Feldversuch“ für die Sparpolitik angesehen werden, v.a. Griechenland, Portugal, Spanien und Italien wurden rigorosen Austeritätsangriffen unterworfen. Ausgearbeitet vom deutschen Imperialismus und der EU- Bürokratie in Brüssel, wurde ihnen der „Fiskalpakt“ aufgezwungen, welcher vorschreibt, wie viele Schulden gemacht werden dürfen. Um das durchzupeitschen, wurden gewählte Regierungen in Griechenland und Italien durch „Expertenregierungen“ ersetzt, deren Spitzen Papademos und Monti nicht zufällig zuvor auch für die EZB bzw. die EU- Kommission tätig waren. Diese „Experten“ setzen dann die Sparangriffe durch, meist gestützt auf eine breite parlamentarische Mehrheit von bürgerlichen und „sozialdemokratischen“ Parteien.

In Griechenland wurde eine „Troika“ installiert, welche seit 2011 die finanztechnischen Staatsgeschäfte führt, Einsparungen und Privatisierungen vorantreibt und de facto von Berlin und Brüssel gesteuert wird. Die Sozialsysteme sind dort flächendeckend zusammengebrochen. Arbeitslosengeld gibt es nur noch für wenige Monate. In Griechenland müssen sich viele Haushalte zwischen Stromrechnung und Krankenversicherung entscheiden.

Diese Politik führte zur Massenarbeitslosigkeit in Südeuropa. Viele Firmen kollabierten und der Öffentliche Dienst wurde massiv abgebaut. Arbeitslosenquoten von 20-30% sind in Südeuropa die Regel. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt vielerorts zwischen 40-50%. Hier wird eine ganze Generation praktisch aussortiert. Diese jungen ArbeiterInnen sind jetzt auf Anstellung im europäischen Norden angewiesen.

Die nördlichen EU-Staaten verschärfen im Gegenzug ihre Einwanderungsbestimmungen und betreiben rassistische Auslese an den Grenzen nach dem Motto „Wer als FacharbeiterIn oder AkademikerIn billig bei uns arbeitet, ist willkommen“. Die anderen werden als „Armutsflüchtlinge“ diskriminiert. Immer mehr Flüchtlinge kommen aus Afrika, dem Nahen und Mittleren Osten, deren Staaten heute kaum noch ein Überleben bieten können.

Die Geflüchteten haben 2014 Proteste in Deutschland und der EU organisiert, um auf ihre rechtlosen Zustände hinzuweisen. Kapital und Staat nutzen diese Verhältnisse zur weiteren Spaltung der Klasse, schüren Rassismus und Nationalismus. Die Proteste richteten sich v.a. gegen Lagerunterbringung, Residenzpflicht, Arbeitsverbot, Asylbewerber-Leistungsgesetz, Dublin-Abkommen und traten für Anerkennung, Bleiberecht und Arbeitserlaubnis ein.

Neben der sozialen und rassistischen Spaltung vertieft sich auch der Gegensatz zwischen den Geschlechtern. Es gibt ein massives ideologisches Rollback, was sich im Verbot der Abtreibung
in Spanien äußert oder auch in der „Herdprämie“ in Deutschland. Gleichzeitig werden Frauen weiterhin überausgebeutet. Während der Arbeitsmarkt ihnen oft nur prekäre Niedriglohnjobs bietet, brüstet sich die Politik mit ihrem Eintreten für die „Frauenquote“ in Vorständen und Aufsichtsräten. Doch nach wie vor lastet das Gros der unbezahlten Hausarbeit auf den Frauen, v.a.auf Müttern und Alleinerziehenden. Osteuropäische Frauen sind oft „moderne WanderarbeiterInnen“, arbeiten als Altenpflegerin u.ä. Berufen im sozialen Bereich in Westeuropa und finanzieren mit ihrem Gehalt ihre Familie zu Hause. Im globalen Maßstab sind Frauen noch schärfer an die Reproduktionsarbeit und Landwirtschaft gebunden und müssen ihre Familien unterhalten.

Der Kampf der Jugend, der Frauen und der Refugees sind wichtige Kämpfe für die radikale Linke und die ArbeiterInnenbewegung. Hier müssen wir gegen die bürgerlichen Spaltungen der Gesamtklasse vorgehen und Internationalismus und Solidarität beweisen und treten dabei für den Aufbau einer revolutionären Jugendbewegung und einer proletarischen Frauenbewegung ein.

Widerstand gegen die imperialistische Welt(un)ordnung

Die Massenbewegungen des Arabischen Frühlings von 2010/11 in Nordafrika, Nah- und Mittelost waren ein Aufbäumen gegen die imperialistische Ordnung. Millionen stürzten die alten Vasallenregime eines Mubarak, Ben Ali und Gaddafi stürzen. Die Rufe nach Demokratie und Gerechtigkeit erschütterten diese Weltregion.

In Syrien konnte die FSA nicht gegen das Assad-Regime siegen. Die fortschrittlichen Kräfte sehen sich jetzt gemeinsam mit den KurdInnen aus Rojava gleich drei konterrevolutionären Kräften gegenüber: dem Assad-Regime, den reaktionären Djihadisten und den imperialistischen Mächten.

Umso beispielhafter ist daher der Kampf der KurdInnen in Nordsyrien, welche in Rojava eine demokratische Selbstverwaltung aufgebaut, eigene Volksverteidigungskräfte inklusive Fraueneinheiten aufgestellt haben und eine progressive Alternative zum reaktionären Islamismus und den imperialistischen Marionettenregimen aufzeigen.

Auch in Europa protestieren Millionen gegen die Sparangriffe. Allein in Griechenland gab es dutzende Generalstreiks. Ende 2014 flammen Proteste in Italien und Belgien auf. Die EU ist nicht nur Zentrum der Krise, sondern auch ein potentieller Widerstandsherd.

Weltweit haben sich neue politische Bewegungen gebildet, wie die „Occupy“-Bewegung in den USA oder die „Indignados“ in Spanien. Aus letzteren ist eine neue Partei, Podemos, entstanden, welche möglicherweise 2015 die Wahlen in Spanien gewinnen kann. Die Krise des Imperialismus hat in vielen Weltregionen für Massenwiderstand gesorgt. Oft wurden ganze Generationen in diese Proteste und Aufstände gezogen wie beim Arabischen Frühling, bei „Occupy Wallstreet“ und den Protesten in Südeuropa, jedoch brachen sie meist schnell zusammen.

Was fehlte, war ein klarer Klassenstandpunkt und eine revolutionäre Perspektive für eine neue Gesellschaftsordnung – oft wurde nur an die leere Hülle der „Demokratie“ appelliert. Allen gebricht es an einer revolutionären Klassenperspektive: Forderungen nach einem gesamteuropäischen Generalstreik, nach klassenkämpferisch-antibürokratischer Basisopposition in Gewerkschaften und Betrieben, nach Arbeiterregierungen und nach Vereinigten Sozialistischen Staaten Europas fehlen vollständig.

Aufstieg der Rechten

In Europa existiert eine ganze Palette von Rechten: rechtskonservative MittelstandskleinbürgerInnen à la AfD in Deutschland, RechtspopulistInnen à la UKIP in Großbritannien, die ähnlich wie die rechtsextreme „Front National“ in Frankreich anstreben, die stärkste Kraft zu werden. Dazu kommt der offen faschistische Mob wie „Chrysi Avgi“ in Griechenland oder Jobbik in Ungarn. Die Rechten versuchen, die Krise für sich zu nutzen und können je nach Lage des Kapitals vor Ort von diesem auch immer mehr Unterstützung generieren. Es sind Teile des Kleinbürgertums und des Mittelstands, aber auch rückständige Teile der Lohnabhängigen, denen durch die imperialistische Konkurrenz die soziale Deklassierung droht. Diese Ängste spielen auch eine wichtige Rolle bei rassistischen Mobilisierungen wie Pegida. Sie sind Bewegungen, in denen sich auch offen faschistische Kräfte tummeln.

Die Linke darf sich im Kampf gegen Rechts nicht als „wahre Verteidiger“ der bürgerlichen Demokratie aufspielen. Stattdessen brauchen wir eine gesellschaftliche Alternative, müssen aufzeigen, wie wir gegen Kapitalismus, Rassismus und Armut kämpfen können und wie der Sozialismus die soziale Lage und Möglichkeiten der Massen verbessern kann. Die Linke und die ArbeiterInnenbewegung müssen lernen, sich selbst zu schützen und kein Vertrauen in den Staat zu hegen. Dazu gehört der Aufbau von Selbstverteidigungsstrukturen, der Schutz von Demos und Veranstaltungen und die Einbeziehung der ArbeiterInnenbewegung für solche Maßnahmen – das ist proletarischer Antifaschismus.

Für antikapitalistisch-revolutionäre Politik!

Die organisierte ArbeiterInnenbewegung hatte den Angriffen des Kapitals in dieser Krise wenig bis nichts entgegenzusetzen. Gewerkschaftsführungen und sozialdemokratische Parteien versuchen, die Sparangriffe und Kürzungen mitzuverhandeln, betreiben weiter nationalistische Standortpolitik und versagen beim Organisieren international koordinierten Widerstands. Wo sie Widerstand leisten, wie bei den Generalstreiks in der Textilindustrie Kambodschas 2013/14, treffen sie auf die Repression von Kapital und Staat.

Dort, wo Gewerkschaften berechtigte Forderungen aufgreifen, wie bei der Kampagne „Fight for 15 Dollar“ in den USA, gelingt es durchaus, Hunderttausende zu mobilisieren. Diese Beispiele, welche die Kraft der organisierten ArbeiterInnenklasse symbolisieren, fanden aber bisher nur wenig Nachahmer – vielerorts verweigerten die Führungen der ArbeiterInnenbewegung sogar das Mindestmaß an Verteidigungskämpfen.

So wandten sich einige Protestbewegungen, speziell in Europa, bewusst von den etablierten Organisationen der Klasse ab, betreiben stattdessen eine Politik für „mehr Demokratie“ und vereiteln damit einerseits die Möglichkeit, die Klasse zu mobilisieren lassen und andererseits, deren untaugliche Führungen politisch herauszufordern und zu bekämpfen.

Der Ruf nach „Demokratie“ kommt oft aus den „breiten“ Protestbewegungen oder Parteien, in denen verschiedene Schichten vertreten sind, denen es unter der bürgerlichen Demokratie vor der Krise gar nicht schlecht ging; oder er kommt von Linken, die meinen, mit dem Kampf für „mehr oder echte“ Demokratie mehr Menschen gewinnen zu können. So verständlich und richtig es auch ist, den scheinheiligen Charakter der heutigen Demokratie anzugreifen, so falsch ist es, die politische Perspektive auf den Kampf für Demokratie zu begrenzen.

Demokratie ist immer eine Form von Klassenherrschaft. Das A und O für die organisierten Arbeiterbewegung und für den Widerstand ist nach wie vor die Herrschaft des Reformismus über Massenparteien und Gewerkschaften: die Integration der Arbeiterschaft in „ihren“ imperialistischen Staat, die Kollaboration mit „ihren“ Unternehmern ist sein Geschäft, Sozialchauvinismus und Klassenverrat, Verteidigung des Kapitalismus sein Inhalt – bei SozialdemokratInnen wie (Post-)StalinistInnen!

Die radikale Linke hat auf diese Fragen keine oder nur abstrakte Antworten – sie ist orientierungslos. Oft wurde jeder „Occupy“- oder „Blockupy“-Bewegung weitgehend kritiklos hinterhergerannt. Ein antikapitalistisches und revolutionäres Profil war kaum zu finden. Ausgedrückt wird diese Entwicklung z.B. von SYRIZA in Griechenland. Gestartet mit der Ablehnung jeder Troika-Sparmaßnahme hat sie inzwischen kapituliert, akzeptiert insgesamt die Sparauflagen und schürt Illusionen in die „Reformierbarkeit“ des bürgerlichen Systems in Griechenland, obwohl das katastrophale Scheitern dieses Systems den Massen jeden Tag vor Augen geführt wird. SYRIZA ging nicht nur ohne Not eine Koalition mit der reaktionären ANEL ein, sie – wie ihre Schwesterparteien von der Europäischen Linken – hat bisher auch wenig bis nichts dafür getan, europaweit Protest und Widerstand voran zu bringen. Daher fordern wir einerseits den Bruch mit ANEL (was eine Minderheitsregierung bedeuten kann) und den EU-Diktaten, verteidigen SYRIZA andererseits aber gegen die Angriffe der Reaktion.

Für eine revolutionäre Jugendinternationale

Weltweit kämpfen Jugendliche an der Spitze von Bewegungen gegen Imperialismus, Krieg, Ausbeutung und Rassismus. Als Jugendliche sind sie vielfältiger Unterdrückung unterworfen als BilligarbeiterInnen, als Arbeitslose oder gar als Kanonenfutter im Krieg. Selbst in den „demokratischen Ländern“ werden ihnen bürgerliche Rechte vorenthalten.

Das ist die Zukunftsperspektive der Jugend im heutigen Kapitalismus. Der großen Mehrheit bietet er ein Leben, das noch schlechter wird als jenes ihrer Eltern. Kein Wunder, dass Jugendliche oft radikaler und kämpferischer sind. Zugleich erleben sie auch in der ArbeiterInnenbewegung und Linken oft genug Bevormundung und Diskriminierung ­ die Reproduktion der Unterdrückung der Jugend in der bürgerlichen Gesellschaft und in der Familie.

Daher brauchen Jugendliche auch eigenen Strukturen in Gewerkschaften und ArbeiterInnenorganisation, unabhängige, selbst organisierte Bewegungen, um Erfahrungen zu machen und die eigene Unterdrückung zu thematisieren. Vor allem braucht es aber eine revolutionäre Jugendorganisation und Jugendinternationale, und um das volles Potential im Kampf und beim Aufbau einer neuen revolutionären ArbeiterInneninternationale einzubringen.

Für revolutionäre Parteien und eine revolutionäre Internationale!

Dafür tritt
die Liga für die 5. Internationale in den Bewegungen und Umgruppierungen in der Linken und der ArbeiterInnenklasse ein. Wir brauchen eine „Wiedererarbeitung“ einer marxistischen Analyse des Kapitalismus und der kommunistischen Methoden und Taktiken, um die ArbeiterInnenbewegung für eine revolutionäre Politik gewinnen zu können. Dabei müssen wir darstellen, wie Proteste und Widerstand gegen die Krise revolutionär gelöst und weitergetrieben werden können, welche Möglichkeiten im Aufbau von Räten, im Aufbau von Selbstverteidigungsorganen, im Aufbau einer revolutionären Partei liegen.

Wir rufen alle linken und antikapitalistischen Kräfte auf, mit uns die Fragen des revolutionären Programms, des Parteiaufbaus und der Methoden und Taktiken dafür zu diskutieren und umzusetzen!

Wir brauchen revolutionäre Parteien, die gegen das Chaos des Imperialismus für eine sozialistische Gesellschaft kämpfen, die der Diktatur des Kapitals die Diktatur des Proletariats entgegensetzen. Eine revolutionäre Partei muss aufzeigen, wie eine demokratisch kontrollierte Planwirtschaft heute das Chaos des Imperialismus beenden kann. Rosa Luxemburgs Alternative „Sozialismus oder Barbarei“ ist aktueller denn je. Sie ist die Alternative, vor der wir heute stehen.

Wir brauchen eine revolutionäre Linke, die sich international organisiert, die Fragen des globalen Klassenkampfs diskutiert und zu gemeinsamen programmatischen und praktischen Schlussfolgerungen kommt – deswegen treten wir für den Aufbau einer revolutionären, der 5. Internationale ein.

Termine

4.6.-8.6.: Camps und Aktionen vor Ort
6.6.: Großdemo Garmisch-Partenkirchen
7.6.: Sternmarsch nach Elmau

Infos und Website des Aktionsbündnis „Stop G7″
http://www.stop-g7-elmau.info/

Ein gemeinsamer Aufruf von Arbeitermacht und REVOLUTION




Tsipras’ Kapitulation und die Aufgaben der Linken

Gerade einen Monat nach ihrem Erdrutschsieg haben die Syriza-Führung und die von ihr dominierte Regierung ihren Offenbarungseid geleistet.

Zuerst ging sie eine Koalition mit der rassistischen und anti-semitischen ANEL ein, eine Art Rückversicherung des griechischen Staatsapparates, der Großkapitalisten und der orthodoxen Kirche für den Fall, dass Tsipras weiter gehen sollte, als er selbst je wollte. Dann wurde der ehemalige Innenminister und ND-Mitglied Prokopis Pavlopoulos am 18. Februar auf Vorschlag von ANEL und mit Unterstützung der Nea Dimokratia zum Staatspräsidenten gewählt.

Und dann folgte die vollständige Kapitulation gegenüber der EU und dem deutschen Imperialismus. Außer kosmetischen Zugeständnissen, der „Umbenennung“ der Troika und einer begrenzten Wahl, welche Versprechen die griechische Regierung mehr, welche sie weniger bricht, blieb vom Syriza-Programm nichts übrig.

Hatte die neue Regierung kurz nach ihrer Wahl noch die rasche Umsetzung wichtiger Reformen versprochen und die Troika medienwirksam vor die Tür gesetzt, so überarbeitet sie jetzt täglich die „Kompromissvorschläge“, sprich die Kürzungsdiktate aus Brüssel und Berlin, um eine erste Kredittranche zu erhalten. Die Maulhelden des Neo-Reformismus verhalten sich ganz wie Schulkinder, die immer neu verbesserte Hausaufgaben an ihre Oberlehrer schicken, um nur ja nicht von der Schule zu fliegen. Die Schule sind EU und Eurozone und der Oberlehrer ist der deutsche Imperialismus – und die statuieren an Tsipras, Syriza und der griechischen Regierung gerade ein Exempel.

Beschönigung

Dass die griechische Regierung ihre vollständige Niederlage und Kapitulation allen Ernstes noch als „Sieg“, als „Erfolg“ verkauft, setzt den politischen Verbrechen, die sich die Syriza-Führung in den letzten Wochen geleistet hat, noch die Krone auf.

Natürlich täuscht sie mit solchen Akten von realitätsverleugnender Selbstgefälligkeit keinen ihrer Gegner, die allenfalls den Mantel des Schweigens gnädig darüber fallen lassen, um bei der nächsten Gelegenheit die griechische Regierung wieder als ihr Werkzeug zu benutzen.

Das aberwitzige Schönreden der eigenen Kapitulation ist nichts als Betrug und Täuschung der eigenen AnhängerInnen, Parteimitglieder, WählerInnen, UnterstützerInnen in Griechenland und ganz Europa.

Diejenigen, die Samaras und seine Bande zum Teufel jagen wollten und daher Syriza zu einem historischen Wahlsieg verhalfen, haben ein Recht auf Wahrheit, haben ein Recht zu wissen, was ist.

Von Tsipras und der Syriza-Führung werden sie das natürlich nicht erfahren. Die hat gute Gründe dafür, die Massen zu vertrösten, will sie doch selbst weiter im Amt bleiben – und dazu will sie das Vertrauen der Menschen nicht verspielen.

Dummerweise hilft diese Täuschung, solange sie erfolgreich ist, nicht nur der Syriza-Führung und der Regierung, sondern vor allem jenen, die sie zu bekämpfen vorgibt: dem europäischen Großkapital (und auch den griechischen Kapitalisten), der EU und dem deutschen Imperialismus. Ganz zurecht spekuliert die FAZ in einem Kommentar, dass Tsipras entweder als „Pausenclown“ endet, also als Ministerpräsident, der bald von links oder rechts gestürzt wird – oder als „echter Reformer und Modernisierer“, als zuverlässigerer Sachwalter des deutschen Imperialismus und der EU, als es die korrupten Seilschaften von ND und PASOK je waren.

In jedem Fall zeigt sich die groß-bürgerliche Presse hier weitsichtiger und realistischer als jene „Linken“, die Tsipras und seine Verhandler auch jetzt noch entschuldigen, schönreden usw.

Klar, wurden sie erpresst von der EU und den europäischen Regierungen. Klar, sind weder Frankreich noch ein südeuropäisches „Krisenland“ für sie in die Bresche gesprungen. Doch wer wundert sich darüber? Warum sollten Schäuble und Co. ihre Interessen nicht durchzusetzen versuchen? Warum sollte der Erz-Reaktionär Rajoy Tsipras Zugeständnisse machen, die er von der EU nicht erhielt? Warum sollte der russische Imperialismus Milliarden zur ungewissen Rettung der griechischen Staatsfinanzen verballern, wo er selbst vor einer veritablen Wirtschaftskrise steht und einen Ausgleich mit der EU, allen voran Deutschland, sucht?

Gescheiterter Reformismus

Die ganze Strategie, die verschiedenen kapitalistischen Regierungen gegeneinander auszuspielen, ist kläglich gescheitert. Stattdessen haben sie Tsipras vorgeführt.

Überhaupt ist mit der kläglichen Kapitulation nicht nur die Illusion in die EU und Euro-Zone vorgeführt worden, sondern auch die aberwitzige Vorstellung, die grundlegenden Klasseninteressen der europäischen Bourgeoisien am Verhandlungstisch zu neutralisieren.

Mit der Kapitulation – und das ist wohl die wichtigste Lehre der letzten Wochen – ist auch die Unvermeidlichkeit des Scheiterns der „Reformpolitik“, der sozialdemokratischen Strategie der europäischen Linksparteien offen zu Tage getreten. Varoufakis und die ganze Syriza-Führung treten offen dafür ein, den europäischen Kapitalismus zu stabilisieren durch die Erhöhung der Kaufkraft der Massen und staatliche Investitionsprogramme. So soll die Wirtschaft angekurbelt werden, so sollen Länder wie Griechenland wieder in die Lage versetzt werden, in eine ganze Periode des Wachstums zu treten, die sowohl die Profite der Kapitalisten wie die Löhne der ArbeiterInnen sichert.

Dummerweise geht es im Kapitalismus nie um das Wohl aller Klassen. Und erst recht utopisch ist diese Vorstellung in einer historischen Krisenperiode, wo der Kampf um die Neuaufteilung der Welt geführt wird, wo die dominierenden Kapitalgruppen aus den imperialistischen Ländern ihre Profite sicher durch den Ruin ihrer schwächeren Konkurrenten und durch Erhöhung ihrer Ausbeutungsrate.

Dieser Gegensatz lässt sich nicht „harmonisch“ ausgleichen, auch nicht durch den besten sozialdemokratischen Arzt am Krankenbett des Kapitalismus – er kann nur durch den Sieg einer der beiden grundlegenden Klassen der Gesellschaft gelöst werden.

In Griechenland hat nicht nur Tsipras kapituliert, sondern auch der Bankrott des sozialdemokratischen Krisenmanagements der europäischen Linkspartei wurde offenkundig. Das ist die erste Lehre aus den griechischen Ereignissen.

Die Syriza-ANEL-Regierung ist eine Volksfrontregierung, ein Bündnis einer reformistischen, bürgerlichen Arbeiterpartei mit eine erz-reaktionären offen bürgerlichen Partei. Doch selbst ohne ANEL steht Tsipras letztlich dem griechischen Kapitalismus und dem Europa der Imperialisten näher als der griechischen ArbeiterInnenklasse und Bauernschaft.

Natürlich ist es möglich, dass diese Regierung trotz der Politik von Tsipras in neue Konflikte mit dem Imperialismus gerät oder von den Massen oder ihrer eigenen Anhängerschaft gedrängt wird, entschiedener zu sein, als sie es selbst will. Im Fall eines Konflikts mit dem Kapital oder dem Imperialismus würden wir eine solche Regierung natürlich gegen die Reaktion weiter verteidigen.

Aktuell geht es aber darum, die Umsetzung der Vereinbarungen mit der EU, die Opferung der Verbesserungen für die Massen zu bekämpfen. Mit ihre Kapitulation ist die Syriza-Regierung zu einem Erfüllungsgehilfen der imperialistischen Institutionen und auch der deutschen Regierung geworden.

Wir unterstützen alle Versuche der griechischen Bevölkerung, die Regierung zum Bruch mit den Vereinbarungen mit der EU zu zwingen und vor allem alle Aktionen, die versprochenen Verbesserungen (z.B. Mindestlohn, Stopp der Privatisierungen) auch gegen die Vereinbarung mit den „Institutionen“, wie heute die Troika genannt wird, durchzusetzen.

Dafür gilt es diesen Pakt auf der Straße, in den Betrieben, in den Wohnvierteln, in Stadt und Land zu Fall zu bringen durch Demonstrationen, politische Streiks, Betriebsbesetzungen – und durch den Aufbau von Kampforganen wie Aktionskomitees zu bekämpfen.

Alle Kräfte in Syriza, die gegen die Politik ihrer Führung sind, sollten die Einberufung eines Parteitags fordern und die Mobilisierung gegen den Pakt unterstützen. Alle Abgeordneten, die gegen die Umsetzung des Abkommens mit der EU sind, sollten im Parlament dagegen stimmen. Die Linken in Syriza müssen Tsipras ihre Gefolgschaft aufkündigen – und den anderen linken Parteien (KKE, Antarsya) und den Gewerkschaften eine Einheitsfront gegen die Umsetzung der EU-Vorgaben vorschlagen.

So könnte dem demoralisierenden Effekt der Kapitulation von Syriza entgegengewirkt werden – und zugleich eine gesellschaftliche Kraft aufgebaut werden, die einen Ausweg weist.

Alternative

Das beinhaltet aber auch, dass die revolutionäre und antikapitalistische Linke dem neo-reformistischen Konzept der Syriza-Führung eine alternative Perspektive und Strategie entgegensetzen muss.

Es gibt nämlich eine Alternative zur Kapitulation von Syriza. Doch diese erfordert entschiedene Maßnahmen, die auch vor dem kapitalistischen Privateigentum nicht halt machen wie die sofortige Streichung aller Schulden, Ablehnung der Diktate der EU, die entschädigungslose Enteignung der Banken und Großunternehmen wie der orthodoxen Kirche unter ArbeiterInnenkontrolle, effektive Kapitalverkehrskontrollen, …

Es wäre natürlich abenteuerlich und naiv, solche Maßnahmen dem korrupten griechischen Staatsapparat anzuvertrauen – dazu müssten vielmehr Kontrollorgane der Gewerkschaften und Beschäftigten gebildet werden.

All das würde zu einer revolutionären Zuspitzung der Lage führen – und damit die Notwendigkeit einer ArbeiterInnenregierung auf die Tagesordnung stellen, die das Großkapital enteignet, die Wirtschaft auf Basis eines
demokratischen Plans reorganisiert, den bürgerlichen Staatsapparat zerschlägt und durch Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte ersetzt.

Kampf dem Imperialismus!

Als revolutionäre und anti-kapitalistische Linke hier in Deutschland gilt unsere Solidarität der griechischen Bevölkerung, die nun die Diktate der EU und die Kapitulation der Regierung ausbaden soll; sie gilt allen, die gegen den Ausverkauf ihrer Lebensinteressen Widerstand leisten; sie gilt vor allem jenen Anti-KapitalistInnen in Griechenland, die nicht jede Kröte „ihrer“ Regierung schlucken, sondern einen gemeinsamen Kampf auf der Straße, in den Betrieben, an Schulen und Unis organisieren.

Die Linke, Gewerkschaften, die ArbeiterInnenbewegung hier müssen das Diktat der EU und des deutschen Imperialismus ohne Wenn und Aber bekämpfen. Dazu schlagen wir als NaO vor, breite Bündnisse um drei konkrete Forderungen aufzubauen:

• Sofortige, ersatzlose Streichung der Schulden Griechenlands!

• Nein zu allen Spardiktaten! Nein zur Erpressung der griechischen Regierung!

• Die Banken und Konzern müssen für die Krise zahlen!

Ein Gastbeitrag von Martin Suchanek, Gruppe Arbeitermacht

Exkurs: [’solid], SDAJ und zwei Positionen zu Griechenland

Wir haben oben im Gastbeitrag der Gruppe Arbeitermacht gesehen, dass aller hoffnungsvoller Jubel um SYRIZA in einer durchaus voraussehbaren Kapitulation vor dem Imperialismus und auch vor dem einheimischen Kapital mündete.

Auch wir von REVOLUTION klinkten uns nach dem Wahlsieg in die Debatte ein und setzten uns intern mit den unterschiedlichen Positionierungen zum Thema auseinander. Zwei dieser Positionen wollen wir nun einer Kritik unterziehen, nachdem ihr oben die Position gelesen habt, die wir unterstützen.

[’solid] & SYRIZA

Das [’solid] sich zu internationalen Fragen äußert ist eher selten. Wenn aber die griechische „Schwester“ der LINKEN eine Wahl gewinnt, dann wird sich doch mal geäußert – und das leider nicht sonderlich „kritisch – solidarisch“, wie getönt wird, sondern eher nur solidarisch.

Man lehnt nach der Wahl zwar richtigerweise die Koalition SYRIZA’s mit der rechtskonservativen, rassistischen ANEL-Partei ab1, aber das war es eigentlich auch schon mit der Kritik. Mehr noch: Zwar findet der Bundessprecher_Innenrat von [’solid] die Koalition mit ANEL „scheiße“, aber stellt diese noch mit Verweis auf die Verweigerung zur Regierungsbildung der „Kommunistischen Partei“ KKE als alternativlos hin2.

Dabei hätte SYRIZA durchaus Alternativen gehabt: Minderheitsregierung oder auch ein Einheitsfrontangebot an die Basis der KKE um so Druck auf sie aufzubauen.

Ansonsten schürt [’solid] nach dem Wahlsieg illusionäre Hoffnungen: Der politische Kurswechsel, für den SYRIZA steht, ist eine große Hoffnung für alle Menschen in Europa – außer vielleicht für die Millionäre und Banken. In Griechenland erleben wir, dass die Menschen sich das Recht zu wählen – gegen die angebliche Alternativlosigkeit der „Rettungspolitik“ – genommen haben. Europa geht anders, die politischen Kräfteverhältnisse sind veränderbar, eine Alternative ist möglich […]3

Wie wenig der parlamentarische Weg und Wahlen taugen, um etwas gegen den Willen des EU – Kapitals durchzusetzen, zeigte sich bereits nach nicht mal einem Monat an der Regierung: SYRIZA führt das Sparprogramm weiter. Das parlamentarische System ist nur ein Ausdruck des Gesellschaftssystem Kapitalismus und vielfach mit der Bourgeoisie verknüpft. Die eigentliche ökonomische Macht – sprich die Konzernspitzen, etc. – sind nicht wählbar und die politische Macht im Parlament ist der ökonomischen unterlegen.

Illusionär ist auch die Haltung zur bestehenden EU: Das Ziel kann also kein Europa ohne Griechenland sein. Stattdessen braucht es einen radikalen Bruch innerhalb der bestehenden Europäischen Union und mit der derzeitigen neoliberalen Hegemonie.4

Hier geht es also weiter mit der wortradikalen aber reformistischen Suche nach Lösungen im bestehenden System. Es würde unseren Rahmen sprengen sich hier an der EU zu verausgaben, aber so viel sei gesagt: Die EU ist eine imperialistische Vereinigung, die sich aufgrund der Notwendigkeit (aus Kapitalsicht) gegründet hat anderen Imperialisten wie der USA im weltweiten Konkurrenzkampf etwas entgegenzusetzten. Gleichzeitig dominieren die stärksten Kapitale der EU (vor allem Deutschland) im innereuropäischen Konkurrenzkampf und nutzen die EU um diese Rolle zu behalten. Dementsprechend sind die Institutionen der EU ausgerichtet und abgesehen vom relativ zahnlosen Parlament auch nicht wählbar – und damit für linke Politik gänzlich unbrauchbar. Alles was Tsipras will ist in diesen Institutionen beim Aufteilen des Kuchens dabei zu sein.

Das alles passt ins reformistische Bild von [’solid], mit welchem wir uns hier ausführlich befassen: http://www.onesolutionrevolution.de/wp-content/uploads/2011/04/Solid-Polemik_Lukas_M%C3%BCller_2014.pdf

Bevor wir weiter unten unsere Perspektive umreißen, wollen wir noch einen Blick auf die Position der „Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend“ werfen.

SDAJ & KKE

Bei der SDAJ finden wir durchaus richtige Kritiken am reformistischen SYRIZA-Programm und ihrer Politik, aber man unterstützt das Sektiertum der KKE gegenüber SYRIZA, die – ganz nebenbei bemerkt – auch nicht revolutionär, sondern nationalreformistisch-poststalinistisch ist. Auch sie weigert sich den bürgerlichen Staat zu zerschlagen. Am Ziel des Sozialismus wird zwar festgehalten, doch es fehlt an Übergangsforderungen, d.h. an konkreten Forderungen und Schritten, wie die aktuelle Protestbewegung damit verbunden werden kann. Die KKE hat keine Orientierung auf Arbeitermacht, also auf proletarische Kampf- und (Doppel)machtorgane, auch fehlt eine Perspektive der Machtergreifung. So bleibt der Sozialismus der KKE nur ein Luftschloss und die Praxis reformistisch. Interessant ist auch, dass die KKE zwar eine Regierung mit SYRIZA ablehnt, aber vor Jahren eine Koalition mit der konservativen ND einging.

Zur Verweigerung der KKE sagt die SDAJ: Die Weigerung der KKE, sich an einer Regierung Tsipras zu beteiligen, ist daher kein blindes Sektierertum, sondern lediglich die Weigerung, die eigenen Prinzipien und Interessen der griechischen Werktätigen zu verraten.5

Nachdem die KKE selbst keine revolutionäre, sondern eine reformistisch Partei ist, gibt es für Revolutionär_Innen keinen Grund, warum sie keine gemeinsame Regierung mit SYRIZA bilden sollte.

Eine Regierung aus KKE und SYRIZA könnte wesentlich schlagkräftiger zugunsten der griechischen Arbeiter_Innen und die KKE könnte, da wo sie fortschrittlichere Positionen hat, Druck auf SYRIZA ausüben („getreu der eigenen Prinzipien“), vor allem jetzt nach der Kapitulation SYRIZA’s.

Doch selbst wenn sie keine gemeinsame Regierung bilden würde, so bleibt die Frage, wie sie sich gegenüber einer Alleinregierung von SYRIZA verhalten würde. Auch eine solche Unterstützung verweigert die KKE kategorisch – womit sie es Tsipras erleichterte, eine Koalition mit ANEL als „unvermeidlich“ zu verkaufen.

Die SDAJ und die KKE geben ja bekanntlich an, sich auf Lenin zu beziehen, aber dieser würde die KKE-Politik als „linken Radikalismus“ kritisieren. Die KKE betreibt mit ihrer sektiererischen Politik Selbstisolation, denn trotz der verlogenen (und sicher gut verschleierten) Politik von Tsipras und Varoufakis hat sie in Umfragen an Zuspruch verloren.

Zudem sei daran erinnert, dass in Griechenland mit der Chrysi Avgi durchaus eine faschistische Gefahr besteht und dieser mit einer Einheitsfront der organisierten Arbeiter_Innenklasse geschlagen werden kann. Die KKE lehnt das vehement bis hin zur kleinsten gemeinsamen Mobilisierung ab. Die KKE, bzw. die SDAJ haben bei der Bekämpfung des Faschismus offenbar nichts aus der Politik der KPD gegenüber der SPD beim Aufstieg des Faschismus gelernt.

Wie weiter?

Es bleibt die Frage, wie nun das SYRIZA-Abkommen mit dem EU-Kapital verhindert werden kann. Hier sind der linke Flügel von SYRIZA, als auch die KKE und die antikapitalistische Linke wie ANTARSYA oder die Anarchist_Innen gefragt. Es liegt bei ihnen die Politik SYRIZA’s zu kritisieren und in einer Einheitsfront die unzufriedenen Wähler_Innen gegen das Abkommen zu mobilisieren – z.B. durch Streiks und Demonstrationen. Weiter gilt es Basiskomitees aufzubauen, die Aktionen beschließen und Druck auf die Regierung ausüben. Revolutionä_Innen müssen in diesen Kämpfen intervenieren und die Frage eines revolutionären Programms aufwerfen, es verbreiten und versuchen die Unzufriedenen zu gewinnen.

Wir laden [’solid], SDAJ und auch alle anderen Interessierten ein mit uns über die griechische Frage zu diskutieren und gemeinsame Aktionen zur Unterstützung der griechischen Arbeiter_Innen und Jugendlichen durchzuführen.

Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!

Ein Artikel von Lars Filder, REVOLUTION Fulda

1Siehe: http://www.linksjugend-solid.de/hoffnung-fuer-griechenland-nach-dem-sieg-von-syriza-gedanken-vom-bundessprecherinnenrat-der-linksjugend-solid/
2Vergleiche:
http://www.linksjugend-solid.de/fragen-und-antworten-zur-aktuellen-lage-in-griechenland/
3Siehe: Ebenda
4http://www.linksjugend-solid.de/we-stand-with-syriza/
5http://www.sdaj-netz.de/blog/2015/01/zur-wahl-in-griechenland-zwei-wege/