Wie der Verfassungsschutz Einfluss auf unsere Bildung nehmen will

Im November 2019 veröffentlichte das hessische
Innenministerium eine neue Kampagne zur „Prävention gegen Linksextremismus“
namens „aufgeklärt statt autonom“. Im Zuge dessen wurden an alle hessischen
Schulen, die eine 9. und 10. Klasse haben, eine Reihe von Plakaten und
dazugehörigen Unterrichtsmaterialien geschickt. Wir haben uns das sogenannte
Bildungsmaterial mal genauer angeschaut, damit ihr das nicht machen müsst.

Auf den ersten Blick fällt schon einmal auf, dass auf jedem
Plakat kleine Bombensymbole verteilt sind. Text gibt es zwar nicht viel, aber eine
Bild von einer Bombe mit Zündschnur reicht eigentlich schon aus, um zu
erkennen, was das Innenministerium hier ausdrücken wollte. Auf den in
apokalyptischen Farben gestalteten Plakaten sind auch ab und zu reale Menschen
abgebildet, die zeigen, wie sich das Innenministerium seine „Linksextremisten“
vorstellt (oder gerne hätte): grimmig schauend, vermummt und mit
Molotowcocktail in der Hand. Neben viel dramatischer Symbolpolitik gibt es auf
einigen Plakaten sogar ein bisschen Schrift. An diesen Stellen wird es
allerdings noch finsterer: So wird zum Beispiel eine Statistik angeführt, auf
der die „Linksextremisten“ mit „Rechtsextremisten“ und „“Islamisten/Salafisten“
vergleichen werden. Natürlich kommt das Plakat zu dem Schluss, dass
„Linksextremisten“ die größte Gefahr für die Demokratie darstellen. Als Grund
dafür wird ihre zahlenmäßige Überlegenheit gegenüber den anderen
Extremistengruppen angeführt. Die Plakate konstruieren hier also drei
verschiedene, gewaltbereite, gefährliche Horden, von denen die
„Linksextremisten“ die schlimmsten seien. Das ist eine dreiste Verhöhnung der
seit 1990 in Deutschland ermordeten 200 Todesopfer rechter Gewalt

Hier liegt eigentlich die Kernaussage der Plakate: Links-
und Rechtsextremismus sollen miteinander gleichgesetzt, wenn nicht sogar die
Gefahren rechter Ideologie und Gewalt relativiert werden. Für das hessische
Innenministerium scheint es also keinen Unterschied zu machen, ob Menschen vor
einer Geflüchtetenunterkunft stehen, um diese abzubrennen oder ob sie davor
stehen, um die darin eingesperrten Menschen zu beschützen. Diesem
Extremismusbegriff liegt die sogenannte „Hufeisen-Theorie“ zugrunde. Sie geht davon
aus, dass es eine gute demokratische Mitte gebe, die von rechts und links durch
extremistische Ränder bekämpft wird. Damit wird nicht nur rechte Gewalt durch
die Gleichsetzung relativiert sondern auch suggeriert, dass es soetwas wie eine
„demokratische Mitte“ gäbe. Wenn wir uns allerdings mal anschauen, wie die
„Parteien der Mitte“ gerade Demokratieabbau vom Feinsten betreiben und wie sehr
rassistische und antisemitische Einstellungen in dieser sogenannten Mitte in
den letzten Jahren gewachsen sind, gerät dieses Bild schnell ins Wanken.
Zugrunde liegt diesem Extremismusbegriff die „freiheitlich-demokratische
Grundordnung“ (FDGO). Diese gilt als Synonym für Demokratie. Komisch nur, dass
der Begriff in der Verfassung gar nicht näher definiert ist. Definiert wurde er
erst in Gerichtsverfahren zu Parteiverboten in den fünfziger Jahren. Zur FDGO
wurden 8 Prinzipien erklärt, die angeblich das „Wesen der Demokratie“
beschreiben. Auffällig ist dabei, dass die Menschenrechte zum Beispiel nur sehr
vage erwähnt werden und sich die Prinzipien hauptsächlich auf Institutionen und
den Aufbau des Staates beziehen. Demokratie als eine Lebensweise sowie als
sozialer und politischer Kampf, der oftmals auch gegen den Staat stattfinden
musste und muss taucht hier nicht auf. Die „Hufeisen-Theorie“ und der mit ihr
einhergehende Extremismusbegriff wurden bereits in zahllosen Publikationen
wissenschaftlich eindeutig widerlegt und stellen nichts anderes als Kampfmittel
gegen Linke und die Arbeiter_innenbewegung dar.

Einer sozialistischen Gesellschaft wird auf den Plakaten
jegliche Vielfalt und Demokratie aberkannt. Freiheit, Antirassismus,
Umweltschutz, Gleichheit, Antisexismus und Solidarität werden als Beweggründe
für Menschen, die für Sozialismus kämpfen, mit den rassistischen Vernichtungsfantasien
von Nazigruppen gleichgesetzt. Auf dem Plakat zum Thema Antifaschismus wird
„Linksextremisten“ dagegen vorgeworfen, dass sie einen Zusammenhang zwischen
Faschismus und Kapitalismus herstellen würden. Abgesehen davon, dass dieser
Zusammenhang selbst für die CDU nicht von der Hand zu weisen ist, wird mit
seiner Leugnung auch die Unterstützung von Hitler durch das deutsche
Großkapital und dessen direkte Beteiligung am Holocaust verschwiegen. Auf einem
anderen Plakat wird den „Linksextremisten“ kurz zugestanden, dass es zwischen
Anarchismus und Maoismus schon gewisse Unterschiede gibt. Gleichzeitig wird
aber wieder betont, dass alle „Linksextremisten“ nur dasselbe Ziel haben: Die
gewaltsame Abschaffung der Demokratie, Massenmord und Staatsterror. Als Beweis
werden dafür ganz im Kalter-Krieg-Style die DDR oder die Volksrepublik China
angeführt, deren stalinistische Bürokratenherrschaft als Sinnbild des
Sozialismus herhalten muss. Zu jedem Plakat gibt es dann noch Arbeitsblätter,
in denen die Schüler_innen jedoch nicht nach ihrer Meinung gefragt werden,
sondern nur überprüft wird, ob sie die ideologischen Botschaften der Plakate
auch richtig verstanden haben.

Die Materialien des hessischen Innenministeriums stellen
einen klaren Verstoß gegen das Kontroversitätsprinzip des Beutelsbacher Konsens
dar. Ihr einziger Zweck ist es, Linke zu diskreditieren und zu kriminalisieren.
Offensichtlich ist auch die Handschrift des Verfassungsschutzes, die in den
Plakattexten auftaucht. Teilweise werden sogar genau dieselben Formulierungen
wie im Verfassungsschutzbericht verwendet. So beschreibt die Gewerkschaft GEW
die Plakatserie in einem wissenschaftlichen Gutachten auch als „didaktisierter
und illustrierter Verfassungsschnutzbereicht“ (vgl. GEW: Gutachten zur
Plakatserie „autonom statt aufgelärt“. Frankfurt 2020. URL:
https://www.gew-hessen.de/fileadmin/user_upload/bildung/themen/pol_bildung/200204_gutachten_aufgeklaert_statt_autonom_web.pdf).
Dort wird ebenfalls dazu geraten, die Unterrichtsmaterialien „unverzüglich aus
den Schulen zu entfernen“. Ferner warnt die GEW-Hessen davor, dass der
Verfassungsschutz immer häufiger als vermeintlich neutraler Akteur an Schulen
und auf Bildungsveranstaltungen auftritt. Neben Polizei und Bundeswehr will nun
also auch der Verfassungsschutz im Bildungswesen mitmischen. Dagegen müssen wir
uns wehren! Der Verfassungsschutz ist eine Institution mit großen
Machtbefugnissen, die sich jedweder demokratischer Kontrolle entzieht.
Insbesondere in Hessen war der Verfassungsschutz tief in die rassistische
Mordserie des NSU verstrickt. Es sagt schon sehr viel, über die politische
Ausrichtung des hessischen Innenministeriums, wenn es kurz nach dem von
Faschisten verübten Mord am hessischen Regionalpolitiker Walter Lübke erst
einmal „Bildungsmaterialien“ zur Prävention von „Linksextremismus“ in Auftrag
gibt. Linke Tendenzen bei Schüler_innen, verursacht durch Desillusionierung oder
Jugendbewegungen wie Fridays for Future scheinen die größere Gefahr für das
System darzustellen als rechte Mordanschläge.

Vom Innenministerium mit der Materialerstellung beauftragt
wurde die Arbeitsgemeinschaft „Jugend und Bildung e.V.“. Diese gehört zur „Eduversum
GmbH“, welche wiederum aus dem FDP-nahen „Universum-Verlag“ stammt. Dieser ist
bereits bekannt dafür Schulen, Lehrkräfte und Schüler_innen mit kostenlosen
Unterrichtsmaterialien vollzuspamen, die voll von neoliberalen und
unternehmensfreundlichen Positionen sind. Immer häufiger erstellen nicht nur
staatliche Repressionsbehörden sondern auch Unternehmen eigene
„Bildungsmaterialien“. So gibt es beispielsweise auch Arbeitsblätter der
Autofirma BMW, die Grundschüler dazu auffordert, kleine BMWs zu zeichnen. Hier
spielt nicht nur Marketing sondern auch Ideologie eine Rolle. Lehrer_innen
greifen leider angesichts Zeitmangels, wachsender Aufgaben und mangelhafter
Ausbildung immer häufiger auf die kostenlosen Angebote der Bourgeoisie zurück. Letztlich
verfolgt Schule im Kapitalismus ohnehin den Zweck Schüler_innen zu
funktionstüchtigen Mitgliedern der kapitalistischen Verwertungsgesellschaft zu
erziehen. Dennoch sollten wir uns gegen die Eingriffe von Verfassungsschutz,
Bundeswehr und Unternehmen in unsere Schulen wehren! Solche Plakate und
Arbeitsblätter gehören in den Müll und die Diskussion darüber in den Unterricht.
Unser Widerstand kann so auch zum Ausgangspunkt für eine neue Schule in einer
neuen Gesellschaft sein. Als sogenannte „Linksextremisten“ sind wir schließlich
keine Gefahr für die Demokratie, sondern die Bewegung für umfassende,
gesamtgesellschaftliche Demokratisierung. Eine Gefahr sind wir i lediglich für
ein Wirtschaftssystem- und Nationalstaatssystem, das sich uns dabei in den Weg
stellt!




„Schule ohne Rassismus“ – doch nicht so antirassistisch?

Resa Ludivine


An vielen deutschen Schulen hängt mittlerweile ein Schild mit der Aufschrift „Schule ohne Rassismus (SOR)- Schule mit Courage“, egal wie antirassistisch es innen drin abgeht.


Was Sache is?


Die Initiative ergreifen, Farbe bekennen- super Sache! Theoretisch. Mittlerweile gibt es 2.500 sog. Courage-Schulen in Deutschland.
Man unterschreibt einmal eine Liste, sucht ein_
E Pat_In und macht einmal im Jahr einen Projekttag. Außerdem erhofft man sich ein „antirassistisches“ Image, nicht weil der Großteil hinter Idealen wie Gleichheit steht oder Diskriminierung einfach scheiße findet, sondern weil niemand zugeben will das Diskriminierung wie Rassismus oder Sexismus allgegenwärtig sind und das auch an ihrer Schule gang und gebe ist.


Es ist also ein nettes Logo für die Schule, welches die Außenwirkung verbessert. Meint es die
erste Generation vielleicht noch gut und will sich wirklich in dem Themenfeld engagieren, heißt das trotzdem noch lange nicht, dass sich alle Lehrer_Innen noch alle Schüler_Innen auch dahinter stellen. Und auch dem sind Grenzen in Form der SOR-Koordnierung gesetzt, die lieber Themen und Aktionsformen vorgeben, als Eigenitiative unterstützen. Ganz nach dem Motto: im Bereich Schule kann es niemand geben der antirassistischer ist als sie. Sie versuchen den Maßstab zu setzen.

Die nachfolgenden Generationen, die damals nicht miterlebt haben wie 80% der Schule sich für das Label SOR ausgesprochen hat, haben es dann noch schwerer, wenn es überhaupt Menschen gibt, die sich für das Thema interessieren. Ebenso ist kritisch zu sehen, dass es oft eher eine Möglichkeit für die Lehrer_Innen ist, sich zu engagieren. Schüler_Innen bleiben eher außen vor und passiv. Zusätzlich sind Lehrer_Innen, zumindest in Berlin, zumeist auch nur Angestellte, sprich sie können in ihrem Engagement auch nur so weit gehen wie es die Schulleitung unterstützt, da sie sonst ihren Arbeitsplatz riskieren.

Insgesamt verschleiert es aber das Problem an vielen deutschen Schulen und das ist ein immanentes Problem. Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Behindertenfeindlichkeit usw. sind keine Probleme, die aus einem reinen rechtsextremen Weltbild entstehen, sondern überall. So auch an Schulen. Ein, oftmals auch noch von der Schulleitung, initiiertes Programm- in Form von SOR- wird dem auch keine Abhilfe schaffen. Nur fundierte Basisarbeit kann in der Schule dem entgegentreten. Denn es sind nicht nur Schüler_Innen, die Sprüche wie „Scheiß Schwuchtel“ raushauen, sondern auch Lehrer_Innen, die aufgrund rassistischer oder sexistischer Vorurteile Noten vergeben. Wie soll SOR dagegen etwas tun, wenn es doch nur eine von oben aufgezwungene und kontrollierte Form von Antidiskriminierung ist?

Was tun?

Baut unabhängige Basiskomitees an der Schule auf! Lehrer_Innen können hilfreich sein, aber die Arbeit vorort auch sehr hemmen. Daher ist eine unabhängige Arbeit wichtig. Außerdem bringt es viel mehr von Schüler_In zu Schüler_In das Thema anzugehen, Veranstaltungen oder Protest zu organisieren. Gerade wenn es Lehrer_Innen sind, die diskriminieren oder Rechtsextremismus verschweigen, um dem Ansehen der Schule nicht zu schaden. Dazu ist eine Debatte in der Schüler_Innenschaft viel lebendiger und nachhaltiger- mal ehrlich könnt ihr euch noch an all die „guten“ Ratschläge aus dem Ethikunterricht der 7. Klasse erinnern? Kontroverse Debatten und Aktionen von Schüler_Innen schaffen eine lebendige Diskussionskultur an der Schule zu schaffen und bringen inhaltlich viel mehr Input als irgendein Schild.




Extinction Rebellion: Ziviler Ungehorsam als Antwort auf die Klimakrise?

Jan Hektik

29.07.2019

Extinction Rebellion ist bekannt als radikaler Teil der Umweltbewegung und als enger Bündnispartner von FridaysforFuture. Gerade in Großbritannien und den USA sind sie im Fokus der öffentlichen Debatte. Doch wofür stehen sie? Was sind ihre Taktiken? Und was ihre Stärken und Schwächen? Mit diesen Fragen möchte sich dieser Artikel auseinandersetzen.

Was macht Extinction Rebellion?

XR ist eine auf öffentlichkeitswirksame Aktionen abzielende Bewegung, die vor allem in Großbritannien viele Anhänger_Innen und große Protestaktionen organisiert hat. Auch in Deutschland existieren ca. 30 Ortsgruppen von XR. Zunächst einmal muss man positiv hervorheben, dass durch XR viele Jugendliche aktiv auf die Straße gehen und in Konflikt mit dem bürgerlichen Staat treten, gegen den wir letztlich die Rettung unserer Lebensgrundlagen durchsetzten müssen. Weiterhin hat XR es geschafft, zumindest in Großbritannien eine große Öffentlichkeit zu erreichen und so die öffentliche Debatte maßgeblich zu beeinflussen. Dies geschieht vor allem in Aktionen zivilen Ungehorsams wie Straßenblockaden aber auch in künstlerischen Protestformen wie z. B. „Die-Ins“ (sich an öffentlichen Orten massenweise totstellen). In Großbritannien erreichten die Aktionen teilweise eine Größe von 6000 Teilnehmer_Innen und führten inzwischen zu hunderten, wenn nicht tausenden, Verhaftungen. Laut XR ist es sogar das Ziel Verhaftungen zu provozieren, um eine größere Öffentlichkeit zu schaffen. Weiterhin soll gewaltfrei agiert werden, damit die Öffentlichkeit sich eher mit den Protesten solidarisiert.

Die Positionen von XR

Bevor wir uns mit den Aktionsformen auseinandersetzen, geben wir zunächst die Forderungen von XR wieder:

1. Tell the Truth (Sprecht die Wahrheit)!

Die Regierung solle den Ernst der Lage anerkennen und einen „Klimanotstand“ ausrufen statt den Klimawandel zu leugnen oder das Problem herunterzuspielen. Außerdem solle in den Massenmedien darüber aufgeklärt werden.

2. Act Now (Jetzt Handeln)!

Die Regierung solle Maßnahmen ergreifen, um den Verlust an Biodiversität zu verhindern und einen Nettotreibhausgasausstoß von 0 bis zum Jahr 2025 zu erreichen.

3. Beyond Politics (Jenseits von Politik)!

Dies stellt darauf ab Bürger_Innenversammlungen einzuberufen, welche die Entscheidung über die Frage der Umweltpolitik treffen sollen und diese Entscheidung als Empfehlung an die Regierung aussprechen sollen.

Probleme der Taktik

So beachtenswert der Aktivismus ist, er hat auch Grenzen, denn diese Taktik kann momentan nur von einem begrenzten, privilegierten Kreis von Aktivist_Innen angewandt werden. Insbesondere Menschen mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus können es sich schlicht nicht leisten, verhaftet zu werden. Auch Menschen in bestimmten Berufen, mit offenen Verfahren oder auf Bewährung sind von solchen Aktionen ausgeschlossen.

Andererseits drückt sich in den Aktionen des zivilen Ungehorsams und den Forderungen eine Scheinradikalität aus. Die Aktionen wirken radikal und aufopfernd aber ersetzen bei XR konkrete Lösungsvorschläge. Diese werden dann doch der Öffentlichkeit, den Investor_Innen und Regierungen überlassen. „Beyond Politics“ bewegt sich unterm Strich völlig im Rahmen der bestehenden kapitalistischen Politik und die ersten zwei Forderungen gehen über Bitten an die Politik der Regierungen nicht einmal hinaus. Weiterhin ist die dritte Forderung undemokratisch, denn Bürger_Innenversammlungen stellen keine demokratisch gewählten Vertreter_Innen dar. Was wie breite Beteiligung wirkt, ist in Wirklichkeit eine Verschleierung der Kräfteverhältnisse im kapitalistischen Staat. Die Frage, welche Klasse den Ton im Staat angibt, wird ausgeklammert.

Es sind die Eigentümer_Innen von Stromkonzernen, Autokonzernen und Transportunternehmen, die in unserem System herrschen und deren Macht in der parlamentarischen Demokratie verschleiert wird. Sie haben insofern kein Interesse daran einen effektiven Klimaschutz zu schaffen, sobald er ihren Profitinteressen entgegensteht. Die heutige Klimakrise geht auf ihre Kappe – genauso wie auf die Kappe der Regierungen, die XR um eine Lösung der Klimakrise bittet.

Weiterhin ist die Umweltzerstörung ein globales Problem, welches nur international gelöst werden kann. Solange sich die Weltwirtschaft in den Händen konkurrierender kapitalistischer Blöcke befindet, wird keine internationale Zusammenarbeit beim Klimawandel möglich sein. Wir müssen die großen Energie-, Verkehrs- und Verschmutzungsindustrien enteignen und demokratisieren, ihre technischen Befugnisse und Vermögenswerte zusammenführen, um den Übergang zur nachhaltigen Produktion zu beschleunigen, ja überhaupt erst zu ermöglichen.

Welche Aktionsform?

Daher fordern wir massenhafte, kollektive Aktionsformen, die den Kern der verantwortlichen Industrien treffen: Streiks, Besetzungen, Massendemonstrationen. Auch eine Platzbesetzung wie sie XR in London ausgeführt hat kann sinnvoll sein. Es braucht aber vor allem demokratisch gewählte Organe von Arbeiter_Innen, Unterdrückten und Jugendlichen, welche die im Rahmen von FFF und XR begonnen Aktionen verstärkt international koordinieren und daraus Räte und Komitees entwickeln, die die Umstrukturierung der Industrie selbst vornehmen.

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage der Gewaltfreiheit. Da es hierbei um das Überleben der Menschheit geht, ist eigentlich klar, dass im Notfall leider Gewalt angewendet werden muss. In der Tat ist die Alternative dazu es weiter zuzulassen, dass Klimakiller unsere Umwelt zerstören, alles andere als gewaltfrei. Sie bedeutet nämlich massenhafte Vertreibung und letztlich die Zerstörung der Lebensgrundlage vieler Millionen Menschen.

Die Frage ist, welche Art von Gewalt und Aktionsform für uns sinnvoll ist. Sicher können „Die-Ins“ genauso wie die Aktionen von Ende Gelände kurzzeitig einen Ablauf in der Industrie oder im öffentlichen Leben stören und ein medienwirksames Symbol darstellen. Wirklich unter Druck setzen wird dies aber weder Regierung noch Konzerne. Erst eine massenhafte militante Streikaktion kann das tun. In diesem Sinne sollten die Schulstreiks fortgeführt werden und die Verbindung zu Arbeiter_Innen suchen. Die Polizei wird nicht dazu geneigt sein, solche Aktionen mit Samthandschuhen und Humor zu behandeln – aber diese können organisiert und kollektiv verteidigt werden.

Wie gehen wir mit XR um?

Wir glauben, dass es notwendig und richtig ist sich solidarisch mit XR zu zeigen, denn sie kämpfen für ein richtiges und notwendiges Ziel. Sie schaffen es tausende Jugendliche anzusprechen, zu politisieren und in einen Konflikt mit dem herrschenden System und seinen Repressionsorganen zu bringen. Wir fordern: Keine Repression gegenüber den Aktivist_Innen! Fallenlassen aller Verfahren und Freiheit für die politischen Gefangenen!

Gleichzeitig denken wir, dass andere Aktionsformen notwendig sind, um den Kampf gegen Umweltzerstörung weiterzutreiben. Es braucht nicht nur eine Radikalität in Aktionen, sondern vor allem in Losungen und Forderungen, wie wir einige oben angerissen haben. Deshalb bieten wir mit diesem Artikel XR und allen anderen Interessierten eine Diskussion über Aktionsformen und politische Ausrichtung an.




Antifa heißt CDU wählen? What the fuck?!

Peter Böttcher

Es gibt Tage, an denen Linke „verkehrte Welt“ zu spielen scheinen. Zum Beispiel, wenn sie staatliche Repression gegen andere Linke befürworten und bei Hausdurchsuchungen bei vermeintlichen Mitgliedern unliebsamer Gruppen ganz unverhohlen ihre Schadenfreude äußern. Oder aber eben, wenn sie sogar zur Wahl von CDU-Kandidaten aufrufen. So heißt es in einem Tweet der Linksjugend Görlitz (Ostsachsen) vom 15.06.2019: ,,Antifa heißt CDU wählen, jedenfalls in #Görlitz“. Hintergrund dessen war die am 16.06. stattgefundene Stichwahl zum Oberbürgermeister (OB) in Görlitz. Görlitz liegt an der polnischen Grenze und ist eine von vielen sächsischen Städten, in denen die AfD zur Kommunalwahl die meisten Stimmen erhielt. Der OB-Kandidat der AfD für Görlitz, Sebastian Wippel, erzielte im ersten Durchgang 36,4%. Der CDU-Kandidat Octavian Ursu kam im ersten Wahldurchgang Ende Mai auf gerade mal 30,3% der Stimmen. Der Grund für den Tweet der Linksjugend Görlitz war also die Angst davor, dass die Stadt beinahe bundesweit die erste geworden wäre, in der die AfD den Oberbürgermeister stellt. Franziska Schubert (Grüne) und Jana Lübeck (DIE LINKE) haben auf eine eigenständige Kandidatur in der zweiten Runde verzichtet und stattdessen zur Wahl von Octavian Ursu von der CDU aufgerufen. Somit standen sich zur finalen Stichwahl nur ein Kandidat der CDU und der AfD gegenüber. Neben den Parteien DIE LINKE und den Grünen riefen auch die SPD und Görlitzer Wählerbündnisse zur Wahl des CDU-Kandidaten Octavian Ursu auf. Die finale Stichwahl war sehr knapp und bis zuletzt ein Kopf-an-Kopf Rennen. Jedoch konnte sich Octavian Ursu mit 55,2% der Stimmen knapp gegen den AfD-Kandidaten Sebastian Wippel durchsetzen 44,8%. Das heißt, ein (Wahl-)Bündnis über alle Parteien hinweg hat letztlich den Sieg eines rechtspopulistischen OB-Kandidaten verhindert.

Als Linke CDU wählen – wirklich alternativlos?

LINKE- Politiker Mirko Schulze schrieb: ,,Ich habe es getan, zum ersten Mal in meinem Leben CDU gewählt, kein gutes Gefühl, aber heute wirklich alternativlos“. Doch ist der Aufruf zur Wahl eines CDU-Politikers durch eine linke Partei und ihren Jugendverband tatsächlich alternativlos? Wir sollten nicht vergessen, dass es die CDU war, die durch ihre neoliberale Politik, durch Sozialkürzungen, sogenannte „Sparmaßnahmen“, die Ausweitung von prekären Beschäftigungsverhältnissen wie Leih- und Teilzeitarbeit und eine Anpassung an die Programmatik der Rechtspopulist_Innen erst der AfD in die Hände gespielt hat. Auch ist es die CDU, die mit ihrer Politik maßgeblich für den Ausverkauf der ehemaligen DDR, für die massive Vernichtung von Arbeitsplätzen und auch für die krassen Lohnunterschiede zwischen Ost und West verantwortlich ist. Die CDU ist also selbst Teil des Problems und eben keine Alternative. Ihre neoliberale Politik ist der Heizkessel des Siegeszuges der AfD, ihre rassistische Rhetorik kaum von jener der Rechtspopulist_Innen zu unterscheiden und ihre Umsetzung von Forderungen der AfD und Verabschiedung rassistischer Gesetze bestätigt lediglich weiter die rechten Wähler_Innen. Eine Partei, die für die Abschiebung tausender Geflüchteter, für Repression gegen Linke, für eine unsoziale Politik und die Abwälzung der Krisenlasten auf die Lohnabhängigen, für die Verschärfung der Asylgesetze und Verabschiedung von autoritären Polizeigesetzen verantwortlich ist, sollte eigentlich von Linken nicht durch eine Wahlempfehlung gewürdigt werden. Eine solche Partei muss bekämpft statt gewählt werden.

Warum gibt es kein kleineres Übel?

Die Argumentation der Görlitzer Genoss_Innen ist: Die CDU sei übel, aber immerhin ein kleineres Übel als die AfD. Es stimmt zwar, dass die AfD in vielen Punkten die CDU an Ekelhaftigkeit noch überbietet, allerdings ist es dennoch ein Trugschluss, daraufhin für die Wahl der CDU aufzurufen. Um das zu verstehen ist es notwendig in Kategorien von Klassen zu denken. (FUSSNOTE: Andersherum ist es ebenso notwendig sich von diesen Kategorien zu verabschieden, um die CDU zu wählen). Die Arbeiter_Innenklasse ist das revolutionäre Subjekt im Kapitalismus, unsere Aufgabe muss es sein, sie zu organisieren, um den Sturz des kapitalistischen Systems zu erreichen. Aus verschiedenen Gründen ist das Bewusstsein der Arbeiter_Innen allerdings aktuell weit davon entfernt, stattdessen unterstützen auch viele Arbeiter_Innen die AfD. Einer der wichtigsten Gründe dafür ist aber, dass die „linken“ Arbeiter_Innenorganisationen wie SPD und LINKE es eben nicht geschafft haben, die richtigen Handlungsvorschläge an die Arbeiter_innen zu formulieren, sondern stattdessen einen Verrat an den Interessen der Arbeiter_Innenklasse nach dem anderen begangen haben. Jetzt jeglichen Inhalt völlig fallen zu lassen und sich der CDU, also einer Partei, die ganz klar den Klassenstandpunkt der Bourgeoisie vertritt, unterzuordnen, ist also das genaue Gegenteil von dem, was notwendig wäre, um das Vertrauen der Klasse zurückzugewinnen. Die CDU sagt Danke und holt morgen zur nächsten Repression gegen Linke und zu sozialen Angriffen auf Arbeiter_Innen aus.

Alternative

Stattdessen hätte die LINKE die eigene Kandidatur aufrecht erhalten müssen, auch wenn sie die Wahl verloren hätte. Sie hätte zur Wahl der LINKEN gegen die AfD aufrufen und unter einem klaren Programm, dass die drängendsten Probleme aufgreift, mobilisieren müssen. Ein solches Programm fordern wir von ihr auch zur kommenden Landtagswahl, wobei wir zur kritischen Wahlunterstützung der LINKEN aufrufen. Doch durchs Kreuzchensetzen allein wird sich der Rechtsruck nicht aufhalten lassen.

Nur durch den gemeinsamen Widerstand von Arbeiter_Innenorganisationen, LINKE, SPD, linken Gruppen und den Gewerkschaften gegen den Rechtsruck, Rassismus & die AfD, aber auch gegen die unsoziale, neoliberale und oftmals nicht minder rassistische Politik der Regierung ist das möglich.

Es braucht dafür Aktionskomitees in Betrieben, Schulen und Unis sowie eine Aktionskonferenz, auf welcher der antirassistische Kampf verstetigt und koordiniert werden kann. Wir von REVOLUTION haben einen Anfang gemacht und am 28.06. in Dresden einen Schulstreik unter dem Slogan „‚Fridays Against Racism – Schulstreik gegen Rassismus, Sexismus, Neoliberalismus & Umweltzerstörung“ organisiert und gezeigt, was Antifaschismus heißt: nämlich konsequenter Kampf auf der Straße gegen den Rechtsruck und den Kapitalismus! Dafür kämpfen wir auch auf der #unteilbar Demo in Dresden am 24. August in Dresden – schließ dich uns an!




Fridays for Future: Wie können wir gewinnen?

Lars Keller

29.07.2019

Nach rund einem halben Jahr Fridays for Future in Deutschland sind wir nicht mehr wegzudenken! Trotz allem Gelaber von wegen wir sollen das mit der Energiewende „den Profis“ überlassen, trotz diverser Drohungen von Schulleitungen und Kultusministerien, trotz aller Angriffe die wir uns anhören müssen, bloß weil man ein „total stromfressendes Smartphone“ nutzt.

In Aachen waren wir am 21.06 beim ersten gemeinsamen europäischen Klimastreik mit rund 40.000 auf der Straße – der bisher größte Erfolg. Einen Tag später trugen wir unseren Protest direkt vor die Haustür des Rheinischen Braunkohlereviers – der größten CO² Schleuder Europas. Zusammen mit einem Teil von Ende Gelände liefen wir am Tagebau Garzweiler II entlang ins von den Baggern bedrohte Keyenberg. Es gab sogar schon Streiks die über den wöchentlichen Freitagstermin hinausgingen und einige Tage andauerten!

Aus der Bundespolitik erreicht uns angesichts der Mobilisierungserfolge von Fridays for Future nicht nur Kritik – von LINKE über Grüne und sogar bis hin zur CSU erreichen uns Komplimente von Berufspolitiker_Innen für unser „tolles Engangement“ und „Interesse an Politik“. Aber dieses ganze Geschwätz bringt uns nichts für unsere Zukunft. Das erkennen viele von uns. Immerhin ist die Untätigkeit dieser parlamentarischen Schwätzer_Innen etwas ernsthaftes gegen die Zerstörung unseres Planten und Klimas zu tun überhaupt erst der Grund, warum wir zu Tausenden auf die Straße gehen!

Diese Untätigkeit trifft auf alle Parteien im Bundestag zu. Die AfD macht es sich am einfachsten und leugnet den menschlichen Einfluss auf das Klima. Aber auch die anderen Parteien kommen nicht gut weg: Die Linke und SPD haben in Brandenburg dem Ausbau des Tagebaus Welzow zugestimmt, die Grünen die Abholzung des Hambacher Forstes abgesegnet und das unsinnige Stuttgart 21 unterstützt, die FDP und CDU erst den Ausstieg aus der Atomkraft zurückgenommen um dann nach dem Unfall von Fukushima das Ganze doch wieder umzudrehen. Außerdem beteiligten sich Grüne, SPD, CDU und FDP an dem faulen Kohlekompromiss (Ausstieg aus der Braunkohleverstromung erst 2038) – genauso wie die NGOs Greenpeace und BUND übrigens auch.

Was brauchen wir jetzt?

Viele in Fridays for Future stellen sich die Frage, wie die Bewegung weiterkommen und siegen kann – so auch wir. Doch was wollen wir überhaupt erreichen? Bundesweit tritt Fridays for Future für die Einhaltung des 1,5 Grad Zieles, Ausstieg aus der Kohle bis 2030 sowie Nettonull bis 2035 ein. Einige lokale Gruppen, wie z.B. Frankfurt am Main gehen bereits darüber hinaus und fordern die Gemeinden und Kommunen zum konkreteren Handeln auf. Es zeigt sich: Viele von uns geben sich nicht mit den wenigen bundesweiten Punkten von Fridays for Future zufrieden und treiben den Kampf auf lokaler Ebene weiter.

Weit verbreitet ist dabei das Mittel des „Klimanotstandes“. Derzeit läuft eine Petition diesen bundesweit durchzusetzten. Ziel ist, Kommunen dazu zu verpflichten, aktiv gegen den Klimawandel vorzugehen. Wir finden, dass das ein nettes Symbol ist, das aber noch viel weiter getrieben werden muss! Wenn Konzerne trotz aller Mahnungen nicht bereit sind, aus der Braunkohleverstromung auszusteigen, Banken weiter in Klimakiller investieren oder Industrien weiter Verbrennungsmotoren bauen, dann müssen wir die Chefetagen leider austauschen – und zwar durch wähl- und abwählbare Komitees aus den Arbeiter_innen und Wissenschaftler_innen (sowas nennt man auch Enteignung und Kollektivierung).

Das wäre die logische Konsequenz eines Klimanotstandes. Wenn für die Reichen der Profit über dem Klima steht, dann müssen wir halt dafür sorgen, dass das Klima Vorrang bekommt! Nur so kann eine ökologische Umstrukturierung der Gesellschaft erfolgen: Wir nehmen den Profit und das Kapital der Konzerne und Industrien und kontrollieren demokratisch zusammen mit den Arbeiter_Innen dieser Industrien, wie damit zum Beispiel die schnellstmögliche Energie- und Verkehrswende erfolgen und finanziert werden kann.

Das sehen leider viele Aktivist_innen in unserer Bewegung nicht so. In Aachen zeichnete sich allerdings auch eine Polarisierung in der Bewegung ab. Neben dem Pol um die Partei die Grünen, BUND, Greenpeace, campact usw. gab es auch einen sichtbaren antikapitalistischen Pol. Wir als eine der antikapitalistischen Kräfte hielten einige Workshops ab und diskutierten dabei auch die Frage von Revolution und Sozialismus als Lösung der Klimakrise. Es gab dabei viele Kritiken an unserer Position, aber auch Zustimmung. Bedeutend war aber nicht bloß der Inhalt der Diskussion, sondern auch die Diskussion selbst. Wir denken, dass eine lebendige, breite Diskussion um die politische Ausrichtung der Bewegung entscheidend für das Weiterkommen von Fridays for Future ist. So kann die Bewegung in der Basis verbreitert werden, sich gegen politische Angriffe rüsten und für Diskussionen mit Arbeiter_Innen und Gewerkschaften aufstellen.

Um‘s konkret zu machen: Wir sind dafür, dass Debatten und Abstimmungen nicht bloß auf Ortsgruppen oder Plena beschränkt sind, sondern bereits auf den Kundgebungen und Demos oder unmittelbar danach in Versammlungen stattfinden. Dort sollten auch die bundesweiten Delegierten gewählt werden, die wöchentlich gegenüber der gesamten Bewegung Bericht erstatten, was läuft und umgekehrt die Bewegung die Möglichkeit hat, wöchentlich die Delegierten neu zu bestimmen. Das schließt auch mit ein, dass transparent offengelegt wird, ob die Delegierten auch in NGO‘s, Organisationen oder Parteien aktiv sind. So bekommt auch die Führung einen demokratisch legitimierten Charakter und wird rechenschaftspflichtig gegenüber einer breiten Basis.

Auch braucht es bei der gegenwärtigen Bewegungsdynamik häufigere, regelmäßige bundesweite Konferenzen, die für alle sozialen Hintergründe von Schüler_Innen bezahlbar sind. Wenn bei Fridays for Future tausende auf die Straße gehen und Massenaktionen wie in Aachen durchgeführt werden, so bringt das auch eine hohe Arbeitsbelastung für führende, anleitende Aktivist_Innen mit.

Bisweilen zogen sich manche auch aufgrund von Überlastung raus. Auch hier schafft eine verbreiterte Demokratie und Debatte Abhilfe und zieht mehr Aktivist_Innen in die Aufgaben. Wöchentliche Abstimmungen, Berichte und Aufgabenverteilungen an die gesamte Bewegung können dafür sorgen, dass viel besser auf die Dynamik der Bewegung reagiert werden kann.

Wir müssen uns auch überlegen, wie wir auf vermehrte Drohungen über Bußgelder und Strafen von Schulleitungen und Kultusministerien antworten wollen. Auch hier liegt für uns die Lösung in einer möglichst breiten Verankerung der Bewegung auch in den Schulen selbst. Streikkomitees an Schulen können vor Ort Aktionen gegen Angriffe vom Direx durchführen. Wenn die Schulleitung unbedingt Fächer unterrichten will, die es nur Freitags gibt, dann zwingen wir sie halt dazu, dass Fach wann anders zu machen.

Kurz gesagt: Wenn sich 10.000 statt 500 lokal an Fridays for Future beteiligen, gibt‘s auch mehr Leute, die was machen, diskutieren und vorantreiben wollen. Eben das muss sich in der Führung einer Bewegung widerspiegeln und kann auch nicht durch WhatsApp und Telegram ersetzt werden – für diese virtuellen Gruppen haben nicht alle dieselben Ressourcen und eine strukturierte Diskussion ist wegen mehreren Themen gleichzeitig oft unmöglich.

Globaler Klimastreik – aber wie?

Der nächste große Mobilisierungsschwerpunkt für Fridays for Future ist der Globale Klimastreik am 27. September. Das bietet aus unserer Sicht gleich drei positive Möglichkeiten für die Bewegung:

Erstens, weil der Klimawandel ein globales Phänomen ist und daher nicht in einem Land isoliert bekämpft werden kann. Das ist uns allen natürlich bekannt.

Zweitens ist der Klimawandel aber nicht bloß ein weltweites Problem, er hängt auch unmittelbar mit Rassismus zusammen. Warum ist das so? Nun, wenn zum Beispiel Menschen aus der Subsahara wegen Dürre fliehen müssen und dann auf die Festung Europa treffen, dann ist das Rassismus. Wenn umgekehrt reiche Länder – wir würden sagen imperialistische Länder – Produktionen in arme Länder (Halbkolonien) auslagern, Müll dorthin exportieren, Raubbau an den dortigen Ressourcen betreiben, dann verschärft das wiederum umgekehrt die dortigen schlechten Lebensverhältnisse.

Deshalb müssen wir den Kampf gegen die Klimakatastrophe mit einem Kampf gegen Rassismus verbinden und ganz klar sagen: Grenzen auf! Klimawandel ist eine Fluchtursache! Zwangsläufig muss auch das ein internationaler Kampf sein um z.B. bessere Lebensverhältnisse und gegen Überausbeutung in der halbkolonialen Welt. Hierbei stehen uns wieder jene Konzerne entgegen, die von der Überausbeutung profitieren – auch hier sagen wir: Enteignung der Konzerne, Kontrolle der Arbeiter_Innen über die Produktion und weltweiter, demokratische Plan zum Aufbau der armen Länder in Verbindung mit einem Notprogramm gegen die ökologische Katastrophe.

Drittens ist der Aufruf zum globalen Klimastreik ein Aufruf zu einem Generalstreik. Der umfasst nicht bloß Schüler_Innen, sondern vor allem auch die, die all den Reichtum der Gesellschaft produzieren: Die Arbeiter_Innen. Der Klimawandel betrifft uns alle und zusammen können wir einfach mehr Druck ausüben. Zum Beispiel haben doch auch viele Lehrer_innen bereits gesagt, dass sie unsere Proteste unterstützenswert finden, doch was wäre, wenn unsere Lehrer_innen, Sozialarbeiter_innen, Sonderpädagog_innen, Erzieher_innen und Bibliothekar_innen nicht mündlich solidarisch sind, sondern selber streiken? Dafür muss die Bildungsgewerkschaft GEW sie zum Streik aufrufen. Auch die Gesundheitsberufe sind betroffen, denn mit der globalen Erderwärmung wird eine riesige Welle von medizinischen Notfällen auf Sie zukommen. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di rufen wir deshalb ebenso zum Streik auf wie alle anderen Gewerkschaften.

Nun stellt sich die Frage, wie können wir Arbeiter_Innen und ihre Organisationen für den globalen Streik gewinnen? Ein erster Schritt ist ein Aufruf einiger Linken in den Gewerkschaften, den Streik zu unterstützen. Wir können versuchen, ihn möglichst weit zu streuen und an lokale Gewerkschaftsinitiativen oder Büros zu versenden. Aber das allein wird nicht reichen. In Deutschland sind politische Streiks (also Streiks, die nicht direkt was mit Löhnen oder Arbeitszeit zu tun haben) illegal und die Führungen der Gewerkschaften sind viel zu feige dagegen anzukämpfen. Sie werden im Gegenteil versuchen, die Arbeiter_Innen vom Streik abzuhalten.

Auch die Arbeiter_Innen stehen uns teilweise feindlich gegenüber. Gerade die in der Kohleindustrie oder der Automobilbranche fragen natürlich: Wie behalte ich bei der Energiewende mein Einkommen. Da bringt‘s uns nix einfach zu rufen: „Es gibt kein Recht auf Kohlebagger fahren!“. Wir müssen uns im Gegenteil darüber klar werden, dass der schnellstmögliche Ausstieg aus der Braunkohle nur durch die Arbeiter_Innen passieren kann, wir allein als Schüler_Innen besitzen dafür leider nicht die Macht. Deswegen: Warum nicht mal eine Freitagskundgebung vor einem Braunkohlemeiler, einer Autofabrik oder einem Busdepot machen und die Diskussion suchen? Dabei müssen wir klar machen, dass wir die Bosse für die Energiewende zahlen lassen wollen und dass eine von den Beschäftigten selbst bestimmte Umstrukturierung der Produktion stattfinden soll. Oder warum nicht mal zu den Gewerkschaften gehen und sie auffordern, den Klimastreik einfach zu unterstützen und auf das eingeschränkte Streikrecht zu scheißen? Es gibt hierbei keine Garantie auf Erfolg, aber wir glauben, dass für Fridays for Futures eigene Zukunft als Bewegung entscheidend sein wird, von der Schüler_Innenbewegung zu einer Bewegung der Arbeitenden und Jugendlichen global zu werden. Also müssen wir zumindest probieren, die offensten, radikalsten, jugendlichsten Teile der Arbeiter_Innen zu gewinnen. Dass das möglich ist, beweisen die bereits jetzt schon vorhandenen Azubis und Arbeiter_Innen, die sich solidarisch mit der Bewegung zeigen.

Wir haben hier nur einige unserer Gedanken zu Fridays for Future zusammengestellt. Wenn ihr Bock habt sie mit uns zu tiefergehend zu diskutieren, schreibt uns an! Wir kommen auch gern zu Eurer Fridays for Future Aktion oder Ortsgruppe!




„Wir haben Forderungen in die Schule getragen und bei der Auseinandersetzung viel gelernt“

 

Interview mit zwei Schülerinnen des Lessing Gymnasiums Berlin zu Fridays for Future und Repression an der Schule

Wie seid ihr zu Fridays For Future gekommen und was ist dann passiert ?

Wie viele Menschen, haben wir natürlich die Rede von Greta vor einem Jahr mitbekommen. Ich dachte, sie sagt die Wahrheit aber im selben Moment war ich traurig, dass es wahrscheinlich eh wieder nichts ändern wird. Eine von uns hatte gefragt, ob wir nicht mal bei den Schulstreikaktionen vorbeigucken wollen Wir hatten erst Bedenken, dass es deswegen Probleme geben könnte, aber wir haben uns mit dem Klimawandel beschäftigt und unsere Eltern haben uns mitunter dazu ermutigt, an dem Kampf für unsere Zukunft teilzunehmen. Das erste Mal auf dem Streik waren wir im Februar. Es hat uns richtig gut gefallen, dass so viele junge Menschen da waren und wir lautstark durch die Straßen zogen. Schüler_Innen, die sich darüber unterhalten, was wir für unsere Zukunft tun können. Wir waren seitdem fast jedes Mal dabei und sind auch auf die Plena gegangen, die Dienstag nach der Schule stattfinden.

Dann fing es an, dass Einzelpersonen in Gesprächen mit der Schulleitung und Lehrer_Innen auf ihre Fehlstunden hingewiesen wurden. Es wurde diskutiert, ob es als entschuldigte oder unentschuldigte Fehlstunden gelten soll. Da es unsere eigene Entscheidung war, für das Überleben der Menschheit zu streiken und wir ja nicht krank sind, galt es als unentschuldigte Fehlstunde. Wir wurden mit Schwänzer_Innen gleichgesetzt, obwohl wir nur unser Recht auf Versammlungsfreiheit nutzen! Uns wurde dann mitgeteilt, dass wir weiter zu den Streiks gehen können, wenn wir eine Abmeldung abgeben, in der unsere Eltern die Schule von ihrer rechtlichen Aufsichtspflicht entbinden. Dies haben wir auch gemacht und sind weiter streiken gegangen. Uns wurde versichert, dass wir außer den unentschuldigten Fehlzeiten keine weiteren Konsequenzen zu befürchten hätten. Leistungen wurden achgeholt und Anfragen auf Ausgleichsunterricht gestellt.

Eine Lehrerin, die im 2. Halbjahr die Klasse übernommen hatte, bemängelte uns Schüler_Innen nur einmal im Unterricht gesehen zu haben und daher nicht wusste, wie sie uns benoten kann. Auch hier machten wir Ausgleichsangebote. Unser Schulleiter hat diese jedoch abgelehnt und der Elternvertretung eine E-Mail zukommen lassen, die uns nur durch Zufall und verzögert erreicht hat. Den Eltern wurde mitgeteilt, dass wir, die Schüler_Innen, die durch Fridays for Future regelmäßig im Unterricht fehlen, nun versetzungsgefährdet sind. Wir haben uns dann bei unseren Lehrer_Innen informiert und erfahren, dass einige bereits nicht mehr die Möglichkeit hätten, genug Stunden zu erreichen. 13 Schüler_Innen wurden für versetzungsgefährdet erklärt. Der Schulleiter hat in persönlichen Gesprächen gesagt, wir sollen uns bis Ende des Schuljahres in der Schule aufhalten und uns anstrengen, da das wohlwollend angerechnet werden könne. Ausgleichsangebote von Lehrer_Innen haben wir ausgeführt. In Sport mussten einige in den Pausen bei sengender Hitze Runden laufen und konnten daher keine Essenspause machen, sind nach der Schule länger geblieben, haben Projekte fertiggestellt, die Freitags gemacht werden sollten und extra Projekte erarbeitet. Alles ohne die Sicherheit wirklich versetzt zu werden.

Was habt ihr dagegen gemacht?

Das war absolut ungerecht! Es gab von Anfang an unsichere Aussagen und keine wirklichen Kompromisse. Fridays for Future konnten wir nur noch in unserer Freizeit unterstützen. Wir haben uns sehr missverstanden und machtlos gefühlt. Das eigentliche Thema des Streiks, die Klimakrise und unsere dahinschwindende Zukunft wurden bei dem ganzen Problem einfach komplett ignoriert. Ein „als Privatperson unterstütze ich euch ja, ABER…“ hilft da absolut nicht weiter, wenn Autoritätspersonen die Teilnahme an den Aktionen verbieten. Es gibt Lehrer_Innen, die die Problematik im Unterricht aufzeigen, andere Schulen machen Exkursionen und uns wird ’ne Versetzungsgefährdung reingedrückt. Es liegt allein an der persönlichen Einstellung der Lehrer_Innen und Schulleiter_Innen, wie mit uns umgegangen wird. Wir wollten auf jeden Fall was dagegen machen, wussten aber nicht genau wie. Fridays for Future hatte uns durch Anwälte über die Gesetze aufgeklärt und wir hätten tatsächlich auch klagen können. Am 1. Mai haben wir dann REVOLUTION kennengelernt und die Problematik mit der Organisation diskutiert. Zusammen entwickelten wir Ideen, was wir dagegen machen können. REVOLUTION hat uns dabei unterstützt, einen Flyer und offenen Brief zu schreiben. In diesem haben wir unsere Situation geschildert und die Frage aufgestellt, ob das Grundgesetz über der Schulpflicht steht. Im Grundgesetz ist nicht nur die Pflicht unserer Generation festgehalten, den Nächsten eine funktionierende Welt zu hinterlassen, sondern auch die Versammlungsfreiheit jedes Menschen festgeschrieben. Kann es als Schwänzen angesehen werden, wenn wir unsere Grundrechte nutzen? Es sollte niemand bestraft werden, seine Menschenrechte zu nutzen! Wir haben uns auch an unsere Schüler_Innenvertretung gewandt und eine Presseerklärung geschrieben, um öffentlich Druck zu erzeugen. Wir haben eine Kundgebung vor unserer Schule veranstaltet und zusammen ein Transpi für den Klimastreik erstellt. An der Kundgebung beteiligten sich auch Fridays for Future und Parents for Future. REVOLUTION hat dann von unserer Schule aus mit einem kleinen Teil an Schüler_Innen eine Zubringerdemonstration zum Großstreik im Mai gemacht, an der viele von uns auf Grund der Lage an der Schule leider nicht teilnehmen konnten. Auch eine Schulhofaktion wurde von unserem Schulleiter verboten – also sogar in der Pause Beschneidung des Versammlungsrechts. In der Presse wurde dann behauptet, dass unser Schulleiter Ausgleichsangebote eigenständig gestellt und unterstützt habe und als wir dann versetzt wurden, wurde das der Güte unseres Schulleiters zugeschrieben. Wir sagen dagegen: Niemand weiß, ob ohne unsere Aktionen alle versetzt worden wären. Wir haben es geschafft, dass sich die Betroffenen nicht alleine fühlten. Wir machten uns gegenseitig Mut und hätten uns auch bei einem „Sitzenbleiben“ unterstützt. Wir haben ganz klare Forderungen in die Schule getragen und bei der Auseinandersetzung mit Autoritäten, die uns unseren Protest verbieten wollen, viel gelernt. Bei Fridays for Future haben wir parallel eine Repressions-AG gegründet, die sich gegen Angriffe seitens autoritärer Personen, die ihre Machtstellung gegen uns einsetzen (Medien, Politiker_Innen, Schule, Eltern, Polizei), wehren wird. In dieser vernetzen sich Betroffene und solidarische Menschen, sowie Anwält_Innen.

Was wollt Ihr in Zukunft machen und wie könnt ihr dabei unterstützt werden?

Wir denken, dass es im nächsten Jahr die gleichen Probleme geben wird und wir uns erneut dem Streikverbot gegenüber sehen. Daher wollen wir das Thema Klimawandel und andere wichtige politische Fragen an die Schule tragen. Dafür haben wir eine Schulgruppe gegründet (namens „Lessing wird politisch“), die das Klima an der Schule ändern will. ;D

Wir wollen die Diskussion „Schulpflicht vs Grundgesetz“ ausweiten, weil wir unsere Rechte eingeschränkt sehen und wollen eine basisdemokratische Schule schaffen (bedeutet für Autoritätspersonen, dass sie ihre Stellung in der Hierarchie verlieren). Mit Fridays for Future und der Repressions-AG wollen wir ein Konzept erarbeiten, wie wir an der Schule mit der Situation umgehen. Dazu sind auch Parents und Teachers for Future eingeladen uns zu unterstützen. Wir merkten, dass Politik an unseren Schulen keinen Raum hat. Uns wird zwar halbwegs beigebracht, wie das politische System funktioniert, aber tagespolitische Fragen und unterschiedliche Sichtweisen werden nicht diskutiert. Uns wird die Möglichkeit genommen, uns über die politische Entwicklung zu informieren und diese beeinflussen zu können, obwohl wir ja die sind, die länger mit den Folgen leben müssen. Zu einigen Themen sollen wir uns am besten nicht äußern, da das ja Konflikte hervorrufen kann. Das sehen wir anders, es ist wichtig Konflikte zu diskutieren, indem die Problematik herausgestellt wird, um Lösungen zu finden.

Wir wollen uns daher neben dem Klimawandel auch gegen Diskriminierung, Rassismus und Sexismus einsetzen.

Ihr könnt uns unterstützen, indem ihr euch informiert, euch über Privilegien und euren Einfluss im System bewusst werdet, das würde uns Arbeit abnehmen. Ansonsten sind Schüler_Innen an unserer Schule herzlich eingeladen mit uns zu diskutieren, ab Schulstart gibt‘s Treffen in der Schule. Kommt zur Repressions-AG von Fridays for Future, meldet euch bei uns unter lessingwirdpolitisch@gmx.net oder bei REVOLUTION, wenn ihr Probleme an der Schule habt, diskriminiert werdet und euch mit uns vernetzen wollt.

Wir freuen uns auf ein spektakuläres Jahr, in dem wir für unsere Rechte kämpfen!




Fridays for Future: Welche Strategie führt zum Sieg?

Jan Hektik

Seit Fridays for Future (FFF) hunderttausende Jugendliche weltweit auf die Straße bringt, ist der Klimawandel ein Thema, das überall und vermehrt diskutiert wird. Am 24. Mai gingen allein in Deutschland wieder über 300.000 SchülerInnen und erwachsene UnterstützerInnen auf die Straße. Weltweit sollen sich 1,8 Millionen Menschen beteiligt haben. Für den 21. Juni plant die Bewegung eine europaweite Massendemonstration in Aachen samt Unterstützung der Aktionen von „Ende Gelände”. Am 20. September soll ein weiterer Klimastreik samt Aktionswoche folgen, die mit einem weltweiten Generalstreik (Earth Strike) am 27. September abgeschlossen werden soll.

Alle seriösen wissenschaftlichen Erkenntnisse belegen, dass sich etwas ändern muss und zwar grundsätzlich und sehr schnell! Doch es ist auch klar, dass die etablierten Parteien – insbesondere CDU, SPD, FDP und AfD – dies weder durchsetzen wollen noch werden. Dass zumindest der Jugend dies klar ist, zeigt alleine die explodierende Bekanntheit des Videos von Rezo, welches beim Verfassen dieses Artikels 11 Millionen Views hatte. Folgerichtig mobilisiert FFF auch weiter auf der Straße und an den Schulen. Hierbei sind vor allem drei Aspekte maßgeblich für den Erfolg der Bewegung.

Aktionen auf der Straße

FFF mobilisiert die SchülerInnen aus den Klassenräumen auf die Straße und trägt den Protest sichtbar an die Öffentlichkeit. Die Jugendlichen bauen Druck auf, vernetzen sich und versuchen, die Bewegung zu verstetigen. Vor unseren Augen entsteht eine fortschrittliche neue Massenbewegung, die sich einer zentralen Überlebensfrage der Menschheit annimmt und die das Potential hat, zu einer dauerhaften, langfristig kämpfenden Bewgung zu werden. All dies verdeutlicht ihre Bedeutung.

Auch die Wahl des Mittels zeugt von einem richtigen Verständnis, wie man politische Veränderungen erkämpfen kann. Das Mittel des Streiks ist seit jeher die Waffe der Lohnabhängigen, der Ausgebeuteten, der Unterprivilegierten gegen Staat und Kapital, um wirklichen und gesellschaftlichen Druck aufzubauen. Leider richtet dieser, solange er nur durch SchülerInnen praktiziert wird, keinen wirtschaftlichen Schaden an. Solange „nur“ SchülerInnen streiken, stehen eben nicht alle Räder still. Deshalb geht es darum, auch die Lohnabhängigen und die Gewerkschaften für die Bewegung zu gewinnen – und zwar nicht nur als sympathisierende UnterstützerInnen, sondern als eine zentrale Kraft der Bewegung. Der Streik an der Schule muss zum Streik im Betrieb werden. Schon heute sind auch Tendenzen der Solidarität zu erkennen, z. B. hat die GEW dazu aufgefordert, den Streik der SchülerInnen solidarisch zu unterstützen. Entscheidend wird jedoch sein, dass sie selbst auch zum Arbeitskampf aufruft. Die gewerkschaftliche Mobilisierung, betriebliche Aktionen und Streiks beim globalen Klimastreik wären dazu ein wichtiger Schritt. Die DGB-Gewerkschaften sollten ihre Mitglieder zu einem Massenstreik an diesem Tag auf die Straße und vor die Betriebe mobilisieren!

Fokussierung auf die Jugend als Handelnde

Es ist auch besonders bedeutsam, dass es gerade die Jugend ist, die sich gemeinsam erhebt und ihren Protest auf die Straße trägt. Dies ist natürlich auch einleuchtend angesichts der Tatsache, dass sie die Folgen der Politik der „Alten“ – genauer der Regierungen und PolitikerInnen, die die Interessen des Kapitals vertreten -, ausbaden müssen. FFF legt dabei auch den Grundstein für das Entstehen einer neuen, massenhaften Jugendbewegung, die sich nicht nur der ökologischen Frage, sondern auch des gesamten Kampfes gegen Ausbeutung und Unterdrückung, gegen Rassismus, Sexismus und Imperialismus annehmen kann und sollte.

International

Die streikenden SchülerInnen haben die Notwendigkeit eines internationalen Kampfes erkannt. FFF war von Beginn an eine globale Bewegung, um ein globales Problem anzupacken. Und das ist gut so. Schließlich hält sich der CO2-Ausstoß auch nicht an Landesgrenzen. Folglich ist es auch besonders essentiell, internationale Proteste zu verbinden. Es wäre beispielsweise sinnvoll, eine internationale Aktionskonferenz einzuberufen, um die Proteste inhaltlich und aktionistisch miteinander zu verbinden und Strukturen zu schaffen, welche eine Koodination des Protestes ermöglichen. Die Mobilisierung nach Aachen stellt einen bedeutenden Schritt dar, die AktivistInnen aus verschiedenen Ländern nicht nur in einer Aktion zu verbinden, sondern auch direkte Netzwerke aufzubauen und in Aachen selbst über die Form und Notwendigkeit einer solchen demokratischen Koordinierung zu diskutieren.

Doch die Bewegung hat auch einige Schwächen, die genau wie ihre Stärken richtig erkannt und angegangen werden sollten und die es zu überwinden gilt.

Pariser Abkommen

Zunächst ist hier ihre Orientierung am Pariser Abkommen zu nennen. Sich Klimaziele zu setzen, ist zwar gut und richtig, aber absolut nicht ausreichend. Weder wird erwähnt, wie und durch wen die Ziele erreicht werden sollen. So bleiben sie – selbst wenn Länder wie die USA nicht ausgetreten wären – letztlich unverbindliche Absichtserklärungen, die ihre Grenze an den Profitinteressen des Kapitals finden. Angesichts der zunehmenden internationalen Konkurrenz und eines erbitterten Kampfes um die Neuaufteilung der Welt wollen natürlich alle bürgerlichen Regierungen dafür sorgen, dass Klimaschutz nicht auf die eigenen Kosten geht. Die Entwicklung der letzten Jahre bedeutet, dass die reichen, imperialistischen Länder denen des Südens die Kosten für den Klimaschutz aufhalsen wollen. Solange die Profitinteressen die Wirtschaft bestimmen, kann daher von einer nachhaltigen oder wirksamen „Umweltpolitik” keine Rede sein.

Die Bewahrung und Regeneration der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit, die Rettung einer lebenswerten Umwelt stößt im Kapitalismus an Systemgrenzen. Um  wirksame, globale Maßnahmen durchzusetzen, müssen die Konzerne und die großen VermögensbesitzerInnen enteignet und die Wirtschaft gemäß den Interessen der arbeitenden Menschen und den Erfordernissen ökogischer Nachhaltigkeit umgestaltet werden. Die Reichen müssen für die Rettung der Umwelt bezahlen, das kapitalistische System muss beseitigt und durch eine demokratische, sozialistische Planwirtschaft ersetzt werden.

Die Grünen

FFF scheint große Illusionen in die Grünen zu hegen. Wenn wir uns den Zusammenhang von Kapitalismus und Umweltzerstörung vor Augen halten, wird auch schnell klar, warum das problematisch ist. Mit den Grünen ist keine Politik gegen die Konzerne möglich. Sie wollen die Quadratur des Kreises und versprechen einen „Green New Deal“, der den Kapitalismus „zügeln“ und ökologisch umgestalten soll. Doch das ist eine Illusion, ein leeres Versprechen, wie die Grünen selbst beweisen, wenn sie an der Regierung sind. Die Landesregierung in Baden-Württemberg sucht den Schulterschluss mit den Automobilkonzernen, setzt auf private Elektroautos statt auf öffentlichen Verkehr – und erfreut sich der Beliebheit der Konzernchefs. In Nordrhein-Westfalen haben die Grünen an der Landesregierung der Rodung des Hambacher Forstes zugestimmt – und tun jetzt so, also hätten sie damit nichts zu tun. Und in der Kohlekommission haben sie einen faulen Kompromiss akzeptiert, der vor allem die Kohle der Kohlekonzerne vergoldet. Die Grünen haben – wie manche NGOs – auch immer wieder bewiesen, dass sie die Interessen des Kapitals über ihre Grundsätze stellen, sofern jene diesen zuwiderlaufen.

Genau deshalb ist es auch problematisch, dass viele führende Mitglieder von FFF bei den Grünen oder NGOs organisiert sind und faktisch die Kontrolle über alle wichtigen Entscheidungen ausüben. Damit untergraben sie nicht nur die Demokratie von FFF, sondern lenken auch die Bewegung in eine für das Kapital ungefährliche Richtung. Damit verunmöglichen sie, sofern sie erfolgreich bleiben, die Erreichung der Ziele, die sich FFF gesetzt hat. Dieser Bewegung zu helfen, sich von der politischen Dominanz der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kräfte zu befreien, ist Aufgabe revolutionärer Kräfte. Daher braucht es eine offene politische Diskussion über die verschiedenen Programme, Strategien, Taktiken – und vor allem über die Notwendigkeit, die Bewegung gegen den Verursacher der Misere zu richten – den Kapitalismus.

Welche Klasse?

Große, ja entscheidende Teile des Kapitals haben kein Interesse an einem wirksamen Umweltschutz, da er ihre Geschäftsinteressen unmittelbar bedrohen würde. Die großen Öl-, Gas, und Bergbau-Konzerne, die Energiewirtschaft und die meisten großen Monopole setzen nach wie vor auf fossile Energieträger, weil sie fette Gewinne versprechen. Auch die Kapitale, die auf erneuerbare Energien bauen, sind in erster Linie am Profit und nicht an der Umwelt oder an Nachhaltigkeit interessiert. Schließlich führt das marktwirtschaftliche System der Umweltpolitik nicht nur zu aberwitziger Konzeptlosigkeit, sondern geradezu zu Verschwendung und zugleich dazu, dass gerade jene Länder und Bevölkerungsschichten, die am meisten von Klimawandel und anderen globalen Umweltproblemen (Wasserknappheit, Umweltverschmutzung, Müll, …) betroffen sind, über die geringsten Mittel verfügen, um etwas gegen die Probleme zu tun.

Dies liegt in der Natur des Kapitalismus, welcher durch seine Konkurrenz nur Profitstreben ermöglicht. Auch die kleinbürgerlichen Kräfte haben ein Interesse daran, die Last, die durch den Klimaschutz entstehen könnte, für die Masse der Lohnabhängigen und BäuerInnen möglichst gering zu halten.

Eigentumsfrage

Die einzige Kraft, die ein langfristiges, grundlegendes objektives Interesse am Klimaschutz hat, ist die ArbeiterInnenklasse, weil sie selber von Marktwirtschaft und Privateigentum an Produktionsmitteln ausgebeutet wird. Sie profitiert nicht von der Zerstörung der Umwelt, sondern leidet im Gegenteil sogar unter steigenden Preisen für Lebensmittel, Trinkwasser und sonstige knapp werdende Ressourcen. Sobald saubere Luft beispielsweise immer rarer wird, werden sich nur die reichsten Menschen die entsprechenden Filter oder Ähnliches leisten können. Umgekehrt stellen die Lohnabhängigen – im Bündnis mit den Ausgebeuteten auf dem Dorf – jene gesellschaftliche Kraft dar, die über das Wissen und die Kompetenz verfügt, die Produktion auf globaler Ebene sowohl im Interesse der ProduzentInnen wie im Sinne ökologischer Nachhaltigkeit zu reorganisieren.

Nur die ArbeiterInnenklasse ist in der Lage, einen weltweiten Plan zur Reorganisierung der Produktion mit Blick auf die Umwelt zu ermöglichen, während die nationalen Kapitale und ihre Staaten in Konkurrenz zueinander stehen und immer darauf bedacht sein werden, bloß nicht mehr für den Klimaschutz zu zahlen als die Kapitalistenklassen der anderen Nationen. Ein solcher Plan ist aber absolut notwendig. Keine noch so tolle Subventionspolitik kann die Produktionsweise radikal genug umstellen, um die Bedürfnisse der Weltbevölkerung zu erfüllen und gleichzeitig eine weitere Zerstörung der Umwelt zu verhindern. Zudem kann sie erst recht nicht die entstandenen Umweltschäden beseitigen.

Hierfür ist es absolut notwendig, die Produktionsmittel der Konzerne entschädigungslos zu enteignen und unter die Verwaltung der ArbeiterInnenklasse zu stellen. Diese Planung darf nicht wie in den stalinistischen Staaten von einer Bürokratie bestimmt werden, welche ihre eigenen Interessen im Kopf hat, sondern muss demokratisch beschlossen und umgesetzt werden. Nur so können die Interessen der überwiegenden Mehrheit der Weltbevölkerung zum Maßstab allen Wirtschaftens geraten.




Mobbing in der Schule – Aus Langeweile?

Von Maggy Rehfeld

Beleidigungen, Schubsen, Ausgrenzen: Laut einer PISA Studie¹ ist jede sechste Schüler_In Opfer von Mobbing oder hat, wie es der Psychologe Dan Olweus beschreibt, erlebt, dass „ein oder mehrere Individuen, wiederholte Male und über einen längeren Zeitraum negativen Handlungen von einem oder mehreren Individuen ausgesetzt sind“². Depressionen, unkontrollierte Aggressionen bis hin zu selbstverletzendem Verhalten und suizidalen Tendenzen, sind nur einige der drastische Folgen für die Opfer. Wer die betroffenen sind, wird in Deutschland nur sehr grob erfasst. Klar geht aus den Untersuchungen hervor, 8te bis 10te Klassen, also die Pubertät, sind die Brennpunkte und Jungs sind öfter Opfer und auch Täter als Mädchen. Soziale Hintergründe werden, wenn überhaupt, nur als Randnotizen erwähnt. Doch decken sich diese in einem Punkt. Soziale Schwäche und Minderheitspositionen, also z.B. Kinder aus einkommensschwachen oder migrantischen Familien, sind eindeutige Risikofaktoren dafür, von Mobbing betroffen zu sein.

Schulsituation

Generell ist es so, dass das kapitalistische System, welches auf Konkurrenz und Ausbeutung beruht, Abscheulichkeiten wie Mobbing hervorbringen muss. Die Erziehung, sei es im Elternhaus, Kindergarten und Schule ist absolut geprägt von diesem Gesellschaftssystem. Werfen wir dabei einen Blick auf die Schulen: Marode Gebäude, ein straffer Lehrplan, der durch permanenten Lehrermangel noch komprimierter wird, andauernde Tests, wie Klausuren,  PISA oder unangekündigte Leistungsabfragen erzeugen hier ein Klima permanenten Stresses. „Hauptgrund für Mobbing ist Langeweile in der Schule“ behauptet Manuela Richter-Werling im Interview mit der SZ³. Der Unterricht mag langweilig gestaltet sein, doch reichen schon wenige  Momente der Unaufmerksamkeit oder ein versauter Test und schon erwachen sie wieder, die Ängste vom sozialen Abstieg. „Kind lern fleißig, sonst wird nichts aus dir!“  heißt es da. Und scheinbar stimmt das, angemessen bezahlte Berufe werden immer weniger, mehr als die Hälfte der Jugendlichen sind als arbeitslos  gemeldet⁴ oder prekär beschäftigt ⁵, ganz analog zur allgemeinen Entwicklung in Deutschland. So entsteht zum Klima des Stresses zusätzlich ein Klima der Konkurrenz, denn anscheinend haben nur die Besten eine Chance auf Aufstieg und ein gutes Leben. Weiterhin zu beachten sind die Mitsprache und Mitbestimmungsrechte der Schüler_Innen. Klassen- und Schulsprecher_Innen dürfen dem Lehrkörper unverbindliche Empfehlungen aussprechen und Vollversammlungen einberufen. Doch weit darüber hinaus geht es nicht. Einfluss auf die Unterrichtsgestaltung und den vermittelten Stoff sucht man vergebens. Den Schüler_Innen wird die Unmündigkeit anerzogen, jeden Tag ab Punkt 8, immer schön im Takt, mit drögem Unterricht und doch gilt es immer bereit zu sein, um Bestleistungen abzurufen, die eine Chance auf eine vielleicht bessere, aber weit entfernte Zukunft versprechen. Doch Jugendliche leben im Hier und Jetzt, wollen sich frei entfalten, mitbestimmen und die Welt um sich herum erforschen. Diese krassen Gegensätze prallen im Schulalltag aufeinander und der entstehende Frust sucht sich ein Ventil. Und dort wo sich zu Hause kein ausgewogenes Umfeld befindet, weil beide Eltern arbeiten müssen, selbst seelische Probleme haben, geschieden sind oder anders verhindert sind, findet sich dieses Ventil in denjenigen, die noch unmündiger sind. Wer bereits nicht fest im Alltag der Schule steht, sei es wegen schlechter Noten, Integrationsschwierigkeiten, soziale oder kultureller Art, hat dann kaum noch eine Chance, sich gegen Mobbing zu wehren.

Hilfe

Die angebotene Hilfe fällt dagegen eher schwach aus. Oft sind Lehrer_Innen selbst (Mit-)täter_Innen oder das Vorgehen richtet sich ausschließlich gegen die Täter_Innen, wodurch die Opfer nur noch weiter ausgegrenzt werden. Das bringt nichts im Kampf gegen Mobbing! Den Opfern müssen Schutzmaßnahmen wie Caucusse, Selbstverteidigungskurse und kostenfreie psychologische Beratung angeboten werden. Um Mobbing präventiv zu verhindern, müssen die Ursachen bekämpft werden. Schüler_Innen müssen den Schulalltag aktiv mitgestalten dürfen und last but not least muss die Ursache für Stress Druck und Konkurrenz in der Schule, muss die Herrschaft des Kapitalismus zerschlagen werden.

 

1 PISA 2015 Results (Volume III): Students‘ Well-Being

2 Dan Olweus: Mobbning – Vad vi vet och vad vi kan göra. Liber, Stockholm 1986

3 Paul Munzinger „Hauptgrund für Mobbing ist Langeweile in der Schule“ SZ online 05.02.19

3 statista Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland

4 DGB Index gute Arbeit für junge Beschäftigte




„Elterntaxis“ an Schulen – wie umgehen mit einem ernstzunehmenden Problem?

Seit letztem Jahr spitzt sich in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern, eine Diskussion im Umfeld von Schulen immer weiter zu: Die Rede ist von einem Phänomen, welches mit Begriffen wie „Elterntaxis“, „Helikoptereltern“ oder „Generation Rücksitz“ beschrieben wird. Gemeint ist damit der seit Jahren anhaltende Trend, dass immer mehr Eltern ihre Kinder mit dem eigenen Auto bis direkt vor die Schule fahren, statt diese Fahrräder oder öffentliche Busse nutzen zu lassen. Besonders ausgeprägt ist das bei Grundschulkindern, hier kommen an manchen Schulen mittlerweile bis zu 1/3 der Schüler_Innen mit dem Elterntaxi zur Schule. Aber auch in der fünften, sechsten oder siebten Klasse existiert dieser Trend.

Chaos, aufgeheizte Stimmung und Gefahr durch Autos

Die Straßen an Schulen sind in der Regel nicht ansatzweise auf die starke Verkehrsbelastung ausgelegt. Deshalb spielen sich dort morgens oft chaotische Szenen ab: Eltern parken und wenden auf dem Bürgersteig oder parken auf den Parkplätzen für Lehrkräfte, Autos halten mitten auf der Straße an um Kinder rauszulassen, es kommt immer wieder zu Stau, Schulbusse kommen nicht durch und Kinder laufen teilweise auf der Straße zwischen dem Chaos hindurch zur Schule. Damit einher geht eine massive Gefährdung der Schüler_Innen unter die Räder der Autos zu geraten. Zusätzlich berichten Lehrer_Innen davon, nicht pünktlich mit dem Unterricht anfangen zu können, weil sie vor der Schule im Stau stehen oder die Lehrer_Innenparkplätze zugeparkt sind.

Polizeipräsenz vor Schulen

An vielen Schulen wurden Schüler_Innenlotsen durch Polizist_Innen ersetzt, weil das Risiko in den Augen der Schulleitungen nicht mehr tragbar ist und die Stimmung morgens oft aufgeheizt. Andere Schulen reagieren mit dem Aufbau von riesigen Parkflächen einige Straßen entfernt von der Schule, sogenannte „Kiss-and-Go-Zonen“. Da viele Eltern ihre Kinder aber bis direkt vor die Schule fahren wollen, wurden diese Zonen oft ignoriert. Darauf haben einige Städte mit Sperrzonen im Umkreis der Schulen, also dem Komplettsperren des Straßenverkehrs außer für Lehrkräfte, reagiert, welche durch dauerhafte Polizeipräsenz oder stichprobenartige Kontrollen durchgesetzt werden. Ein nicht zu unterschätzender finanzieller Aufwand, angesichts Tausender Schulen in Deutschland.

Weiterreichende Folgen

Auch abgesehen von der Gefährdung durch Autos haben die Elterntaxis weitreichende Folgen: Pädagog_Innen und Psycholog_Innen sind sich einig, dass Kindern wichtige Erfahrungen für die Entwicklung der Selbstständigkeit verwehrt bleiben, wenn sie nie anders als auf dem Rücksitz des Autos ihrer Eltern zur Schule kommen. Dazu gehört die räumliche Orientierung, die Orientierung im Straßenverkehr, das Abschätzen von Gefahren und die Interaktion mit Klassenkameraden_Innen auf dem Weg zur Schule. Manche Schulen mussten daraus Konsequenzen ziehen und vergeben kein Hitzefrei mehr, weil viele Schüler_Innen den Weg nach Hause nicht kennen oder mit den Buslinien nicht vertraut sind. Ein weiterer Punkt ist die zusätzliche Belastung des Klimas durch CO2 Emissionen. Angesichts eines sich dramatisch zuspitzenden Klimawandels, welcher droht die Lebensgrundlage von Mensch und Natur nachhaltig zu zerstören, ist auch das ein nicht zu unterschätzendes Problem, trägt doch der morgentliche Berufsverkehr (bzw. Schulverkehr!) erheblich zu den CO2 Emissionen bei.

 

Und warum das Ganze?

Die Gründe für das Phänomen Elterntaxis sind höchstwahrscheinlich verschiedener Natur. Darauf angesprochen, antworten die meisten Eltern mit der Gefahr, die für Kinder vom Straßenverkehr ausgeht, wenn diese den Schulweg allein bestreiten. Das erscheint geradezu absurd, wo die Gefährdung doch hauptsächlich durch Elterntaxis erst entsteht. Diesen Widerspruch bringen vor Schulen angebrachte Plakate mit Sprüchen wie „Achtung liebe Kinder, hier fahren eure Eltern!“ gut auf den Punkt. Allgemein lässt sich feststellen, dass es heutzutage einen Trend zur Überbehütung von Kindern gibt. Auf der anderen Seite spielen sicher auch Zeitdruck und Stress am Morgen eine Rolle. Wer den ganzen Tag in der Schule oder an der Arbeit war und endlich Freizeit hat, wird sich wohl kaum früh schlafen legen, um dann wieder aufstehen zu müssen. Die wenige Freizeit in der kapitalistischen Gesellschaft führt zu wenig Schlaf – und wer mit dem Auto fährt statt Rad oder Bus, kann morgens länger schlafen. Außerdem ist die Verkehrsanbindung auf dem Land nach wie vor oft unzureichend oder in manchen Fällen praktisch gar nicht vorhanden. Und nicht zuletzt werden Jahreskarten für Busfahrten in vielen Bundesländern nicht für jede Altersstufe vom Staat getragen. Wo Eltern auf ein Auto angewiesen sind, aber ansonsten nur über knappe finanzielle Mittel verfügen, stellt sich wahrscheinlich oft die Frage „Warum zusätzlich noch Busfahrten bezahlen?“.

Was hilft wirklich?

Die angesprochenen Lösungsversuche der Schulen und Stadtverwaltungen sind dabei nur bedingt hilfreich. Vielmehr wird ein Teil der Probleme von der Schule auf Parkflächen in der Nähe ausgelagert. Das mag den Verkehr vor der Schule zwar entspannen und die Gefahr verringern, ändert aber nichts an der Tatsache, dass eine große Anzahl von Eltern ihre Kinder zur Schule fahren. Die Probleme werden nicht an der Wurzel gepackt. Abgesehen davon verschwindet für den Bau der Parkflächen oft das letzte bisschen Grün im Umfeld der Schule.

Um dem Problem auf den Grund zu gehen, sind wir der Meinung, dass wir durch einen massiven Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln, die kostenlos sein müssen, dem motorisierten Individualverkehr den Boden unter den Reifen wegziehen. Gezahl werden soll dies von den Automobilkonzernen, die sich ohnehin schon vielzulange auf Nacken von Klima und den Arbeiter_Innen Geld gescheffelt haben.

Die Meinung von Schüler_Innen findet in der Debatte zwischen Lehrkräften, Eltern, Polizei und Stadtverwaltung in der Regel kein Gehör. Aktivist_Innen von Fridays for Future haben deshalb bereits in mehreren Städten an ihren Schulen Demonstrationen gegen Elterntaxis organisiert, Blockadeaktionen von Parkplätzen/Straßen durchgeführt und mit Blick auf den Klimawandel dazu aufgerufen, Busse und Fahrräder zu nutzen. So z.B. im kleinen Radevormwald in der Nähe von Köln. Die Aktionen dort können als Vorbild dienen lokale Schüler_Innenkomitees aufzubauen oder vorhandene zu nutzen, um sich Gehör zu verschaffen, Forderungen aufzustellen und Aktionen zur Durchsetzung dieser zu organisieren. Damit das Problem an der Wurzel gepackt werden kann schlagen wir folgende Forderungen vor:

– Für den massiven Ausbau und die Verstaatlichung von öffentlichen Verkehrsmitteln, damit auch Dörfer gut angebunden sind und in Städten nicht ein einzelner Bus dutzende Haltestellen abklappern muss! Lasst die Verkehrsarbeiter_Innen und Pendler_Innen (also auch die Schüler_Innen) den Verkehr demokratisch planen!

– Für kostenlosen öffentlichen Personenverkehr, damit der Weg zur Schule keine finanzielle Frage ist!

– Für die Produktion von Aufklärungsmaterial über die Probleme und Alternativen von Elterntaxis, erstellt von Schüler_Innenkomitees, bezahlt von den Schulen/dem Staat!

– Schüler_Innenkomitees statt Polizei! SchülerInnen brauchen keine zweite Autorität, der sie sich unterordnen müssen, Schüler_Innen können Probleme an ihrer Schule selbst in die Hand nehmen!

– Wenn Eltern sehen, dass Schüler_Innen sich für ihre Interessen organisieren und kämpfen können, dann glauben sie vielleicht auch endlich, dass wir in der Lage sind auf dem Weg zur Schule auf sich aufzupassen!

– Statt Geld für Polizeieinsätze: Saniert die Schulen und bezahlt Aufklärungsmaterial!

– Für Demonstrationen & Blockaden gegen Elterntaxis an Schulen, um auf das Problem und die Forderungen aufmerksam zu machen!

– Für den weiteren Aufbau der Bewegung „Fridays for Future“!




Revo vor Ort: Bildungsstreik in Kassel

von der Kassler OG

1.000 Schüler_Innen auf die Straße – welche Stärken und welche Schwächen haben sich gezeigt?

Die Situation in den Kassler Schulen ist katastrophal. Es tropft von den Decken, die Bestuhlung ist in einem erbärmlichen Zustand; es mangelt materiell an allem. Doch nicht nur das: Zu wenig Lehrer_Innen sorgen für überfüllte Klassen und gestresstes Lehrpersonal. Die Bildungsqualität leidet darunter massiv. Deshalb sind bis zu 1.000 Schüler_Innen dem Unterricht ferngeblieben und dem Aufruf des Bündnis „Unsere Zukunft erkämpfen“ auf die Straße gefolgt. Dass die gewaltige Zahl vom Schulstreik letztes Jahr nahezu wiederholt werden konnte zeigt, dass die Probleme keineswegs gelöst wurden und Schüler_Innen verschiedenster Schulformen weiterhin bereit sind sich dagegen zu organisieren und zu kämpfen.

Nichtsdestotrotz weist der Aufruf des Bündnis erneut eine gewisse politische Schwäche auf. Die einzige Forderung die gestellt wird ist, dass die Stadt mehr Geld für Bildung ausgeben soll. Die Frage wieso der Bildungssektor chronisch unterfinanziert ist, nicht nur in Kassel, wird leider nicht gestellt. Wer genauer hinsieht erkennt, dass die Unterfinanzierung im Bildungssektor seinen Ursprung in unserem Wirtschaftssystem hat. Die Menschen sollen so schnell und billig wie möglich durch die Schulen und Unis und ausbeutbare Arbeitskräfte für die Wirtschaft werden. In einem Wirtschaftssystem, wo die gesamte Gesellschaft den Profiten der Konzerne untergeordnet ist, ist Bildung zwangsläufig unterfinanziert – denn Bildung kostet den Staat Geld und bringt nicht unmittelbar Geld ein. Dies muss unbedingt thematisiert werden, wenn man eine Perspektive über den Schulstreik hinaus aufzeigen will. Letztlich kann die Bildungsstreikbewegung nur siegreich sein, wenn sie mit ihren Forderungen über den Kapitalismus hinausgeht und den Kampf mit anderen Kämpfen z.B. für höhere Löhne, gegen Rassismus und Krieg usw. zusammenführt.

Trotz alledem freut uns die Masse an Schüler_Innen die, sich jeden Dezember in Kassel für bessere Bildung auf die Straße begeben und hoffen, dass es jedes Jahr mehr werden!