Heraus zum roten 1. Mai – keinen Fußbreit den FaschistInnen!

WARUM GERADE DER 1. MAI?

Der 1. Mai ist traditionell der internationale Kampftag der ArbeiterInnenklasse. Am 14. April 1889, zum 100. Jahrestag des Sturms auf die Bastille, wurde auf dem Gründungskongress der II. Internationale erstmals beschlossen, am 1. Mai eine internationale Manifestation der ArbeiterInnenbewegung durchzuführen, um den 8-Stunden-Arbeitstag zu fordern. Zeitgleich sollte an diesem Tag der Opfer des sogenannten Haymarket Riot von 1886 in Chicago erinnert werden.Mit der Entstehung der faschistischen Bewegung versuchte diese von Anfang an, den Kampftag der ArbeiterInnenklasse zu zerschlagen. Doch dies gelang ihr nicht durch Überfälle ihrer bewaffneten Schergen auf Kundgebungen und Demonstrationen der Gewerkschaften und der sozialistischen Parteien, sondern konnte in Deutschland erst mit dem Verbot der Organisationen der ArbeiterInnenklasse und der Zerschlagung der ArbeiterInnenbewegung als Ganzes nach der Machtergreifung der NSDAP umgesetzt werden. VEREINNAHMUNG DURCH DIE RECHTEN Seither versuchen die FaschistInnen den 1. Mai für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Gerade in den ostdeutschen Bundesländern gibt es seit Jahren eine Kontinuität bei den Versuchen, den Kampftag der ArbeiterInnenklasse politisch von rechts zu besetzen: NPD, JN, Der III. Weg und AfD inszenieren sich immer wieder an diesem Tag als angeblich soziale Alternative und als Vertreter der Interessen der Lohnabhängigen. Damit einher geht stets eine verkürzte, oftmals antisemitische, „Kritik“ am Kapitalismus. Es wird zwischen einem angeblich „schaffenden“, einheimischem Kapital und einem „raffenden“, ausländischem Kapital unterschieden. Das „raffende“ Kapital oder wahlweise auch die Globalisierung sei demnach verantwortlich für die sozialen Missstände, die vorherrschen, die willkürlich konstruierte „Volksgemeinschaft“ davon bedroht, die Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund von den „Eliten“ gesteuerte LohndrückerInnen usw. Davon, dass Arbeitslosigkeit, Armut, Niedriglöhne, Ausbeutung etc. unmittelbar mit der kapitalistischen Produktionsweise, also mit der privat organisierten Produktion für den Profit, zusammenhängen, und wir daher gemeinsam, international mit allen Lohnabhängigen, unabhängig von Herkunft und Konfession, zusammen für eine von den ArbeiterInnen kontrollierte und nach den Bedürfnissen der Menschen ausgerichteten Produktion kämpfen müssen, liest man bei den Rechten natürlich nichts. Stattdessen versuchen diese uns ArbeiterInnen mit ihrem Rassismus und Nationalismus untereinander zu spalten und gegeneinander aufzuwiegeln. Daher ist es unerlässlich, den Versuchen der Vereinnahmung des 1. Mai von rechts massenhaft und militant entgegenzutreten. FASCHISTISCHE MOBILISIERUNGEN UND AFD-WAHLKAMPFAUFTAKT Auch dieses Jahr werden bundesweit wieder etliche Aufmärsche rassistischer und faschistischer Parteien stattfinden. So will die rechtsradikale Partei „Der III. Weg“ in Chemnitz aufmarschieren. In Dresden rufen NPD und ihre Jugendorganisation JN unter dem Motto „Sozial geht nur National“ zur Demonstration auf. In Erfurt wollen die ostdeutschen Landesverbände der AfD mit einer angekündigten „Großdemonstration“ (erwartet werden bis zu 10 000 TeilnehmerInnen) ihren Wahlkampfauftakt in Sachsen, Thüringen und Brandenburg einläuten. Es ist kein Zufall, dass diese Demonstration ausgerechnet in Erfurt stattfindet. Hier wurde 2015 auch die „Erfurter Resolution“ beschlossen, woraufhin sich der völkisch-nationalistische Flügel um Björn Höcke gründete. 2015-2017 fanden in Erfurt beinahe wöchentlich AfD-Aufmärsche mit bis zu 5000 Demonstrierenden statt. Hierbei wurde auch der Schulterschluss mit offen faschistischen Kräften und Nazihools gesucht. Immer wieder kam es in diesem Zusammenhang auch zu organisierten Angriffen auf GegendemonstrantInnen.

WAS TUN?

Zum 1. Mai dürfen wir nichts unversucht lassen, um die Vereinnahmung und Instrumentalisierung unseres Tages durch NPD, III. Weg und AfD zu verhindern. Wir müssen ihre Aufmärsche blockieren und dürfen ihnen keinen Meter auf der Straße überlassen. Letztlich lassen sich organisierte faschistische Kräfte sowie der Siegeszug der AfD nur effektiv aufhalten, indem wir nicht nur am 1. Mai, sondern immer und überall, wo Rechte und RassistInnen offen auftreten, gegen diese ankämpfen. Wir müssen an den Orten, wo wir lernen, arbeiten und leben, also in der Schule, Uni, im Viertel und Betrieb antifaschistische Komitees aufbauen, uns vernetzen und Aktionskonferenzen organisieren. Um den Rechtsruck in der Gesellschaft zu stoppen braucht es die Basis und daher auch die gemeinsame Aktionseinheit aller Organisationen der ArbeiterInnenklasse, also der Gewerkschaften, linken Parteien und Organisationen. Um diesem Ziel einen Schritt näher zu kommen, aber auch, um eine revolutionäre und sozialistische Perspektive gegen den Rechtsruck und die herrschenden Verhältnisse aufzuwerfen, werden wir am 1. Mai in Dresden zusammen mit anderen Jugendlichen, sozialistischen Jugendorganisationen und Parteien eine antikapitalistische Demonstration durchführen. Diese geht vom Alaunplatz, wo das Picknick der Partei DIE LINKE stattfindet, zum Gewerkschaftshaus, wo der DGB gemeinsam mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Kretschmer (CDU) eine Kundgebung abhalten. Im Anschluss an unserer Demonstration werden wir uns den Protesten und Aktionen gegen den Naziaufmarsch von NPD und JN anschließen.

Zusammenfassung zum 1. Mai

Chemnitz: Aufstehen gegen Rassismus, 9:00 Uhr Karl-Marx KopfKundgebung des DGB: 10 Uhr Neumark

Dresden:Heraus zum revolutionären 1. Mai, 12 Uhr Alaunplatz

Erfurt:30.04.19 – Vorabenddemo/Mahngang „Erinnern heißt handeln“,

18 Uhr Bahnhofsvorplatz01.05.19 – Auftaktkundgebung der Gewerkschaftsdemo,

9:00 Uhr Hirschgarten/Staatskanzlei„Die AfD in die Zange nehmen“, ab 10 Uhr, Löberstr./Kaffeetrichter/Arnstädter Str.




Internationaler Frauenkampftag 2019: Eine Bewegung entsteht

von Jaqueline Katherina Singh,, zuerst veröffentlicht auf arbeiterinnenmacht.de

Millionen Frauen demonstrierten am 8. März gegen Ausbeutung, Unterdrückung, Diskriminierung, Sexismus und Gewalt.

In Spanien legten wie schon 2018 rund 6 Millionen Beschäftigte die Arbeit nieder. Der internationale Frauen*streik gipfelte dort erneut in einer massenhaften Beteiligung gewerkschaftlich organisierter Arbeiterinnen wie auch ihrer männlichen Kollegen. Ohne den Druck der betrieblichen Basis wäre es sicher nicht möglich gewesen, diesen Streik so massenhaft zu entfalten.

Die anarchosyndikalistischen Gewerkschaften CNT sowie CGT hatten ohnedies offiziell zu einem 24-Stunden-Streik aufgerufen. Die zwei größten, reformistisch geprägten Gewerkschaften, CC.OO und UGT, organisierten immerhin einen zweistündigen Warnstreik. In manchen Regionen, wie Kastilien-La Mancha, agierten sie linker und riefen zu einem ganztägigen Generalstreik der Frauen im öffentlichen Dienst auf. Im Baskenland und Katalonien scheint die Beteiligung besonders stark gewesen zu sein.

Zweifellos hat das Vorbild der spanischen Frauen auch die Bewegung in anderen europäischen Ländern inspiriert. In Italien, Belgien und anderen europäischen Ländern zeigten sich wichtige erste Ansätze von Frauenstreiks, zu denen auch linke Basisgewerkschaften aufriefen, während sich die großen Dachverbände CISL und UIL gegen die Bewegung stellten und den Frauenstreik sogar als „gegen die Frauen gerichtet“ denunzierten.

Besonders groß war die Bewegung auch 2019 in Lateinamerika. In Chile gingen allein in der Hauptstadt Santiago de Chile 200.000 auf die Straße. In Argentinien prägten ebenfalls Massendemonstrationen das Bild, die radikaleren Gewerkschaften riefen zu Streiks auf. In Brasilien demonstrierten Hunderttausende, auch wenn dort der Fokus der aktuellen Mobilisierung stärker auf den Streik- und Aktionstag gegen die sog. Rentenreform Ende März gelegt wurde.

In der Türkei setzten sich tausende Frauen gegen die Angriffe der PolizeischergInnen Erdogans auf die Demonstration in Istanbul zur Wehr. Landesweit gingen Zehntausende trotz massiver Repression auf die Straße.

Deutschland

Auch in Deutschland scheint der Frauenstreik angekommen zu sein. Bundesweit gingen rund 70.000 auf die Straße, in Berlin 20.000 bis 25.000, in Hamburg 10.000, in Leipzig 4.000, in Köln 3.000, München, Freiburg und Kiel je 2.000, in Kassel und Stuttgart je 1.000. Dies sind deutlich mehr als in den letzten Jahren, auch wenn von einem massenhaft befolgten politischen Streik (noch) nicht die Rede sein konnte. Immerhin stellten Beschäftige bei Amazon in Bad Hersfeld ihre tariflichen Auseinandersetzungen in den Kontext des Frauenstreiks, organisierten eine Betriebsversammlung – und zeigten damit auch einen Weg, wie Arbeitsniederlegungen am 8. März zu einer Realität werden können.

Die Zahlen der Demonstrationen sind jedenfalls ermutigend – und machen Lust auf mehr.

Dabei stellen sie nur einen kleinen Auszug der Aktionen von den Frauen dar, die am 8. März überall auf der Welt demonstriert haben. Insgesamt können wir beobachten, wie immer mehr und mehr Frauen auf die Straße gehen und für ihre Rechte demonstrieren. So gab es im Jahr 2018 in rund 177 Ländern Proteste, für 2019 liegen uns noch keine endgültigen Zahlen vor. Wenn wir die Gesamtsituation betrachten, dürfen wir freilich den Blick nicht nur auf den 8. März legen. Ausgehend von Bewegungen wie Ni Una Menos in Argentinien und dem Women’s March against Trump in den USA entstanden in Ländern wie Indien oder Brasilien Massenbewegungen gegen Angriffe auf die Rechte der Frauen, sexuelle und patriarchale Gewalt (bis hin zum massenhaften Femizid). Zusammen mit dem Frauen*streik bilden sie seit einigen Jahren den sichtbaren Ansatz einer neuen, internationalen Frauenbewegung.

Warum?

Der Rechtsruck ist schließlich auch eine Ursache der immer stärkeren Angriffe auf Frauenrechte. Interessanterweise bleiben diese jedoch nicht unbeantwortet: Seit mehreren Jahren können wir erleben, wie Frauen sich zahlenmäßig stark gegen Einschränkungen des Selbstbestimmungsrechts über ihren eigenen Körper, Gewalt oder die sich verschlechternde ökonomische Situation wehren. Ob die Schwarzen Proteste in Polen, Ni Una Menos in Argentinien, Proteste gegen Vergewaltigung in Indien: alles sind Widerstandsmaßnahmen der letzten Jahre, die im Bewusstsein von Millionen Frauen präsent sind und teilweise Erfolge errungen haben.

Besonders herauszustreichen ist hier auch der Women’s March in den USA. Zum Amtsantritt Trumps initiiert, demonstrierten dort rund 3 Millionen Frauen. Dabei blieb es aber nicht: In anderen Großstädten auf der Welt solidarisierten sich Frauen und gingen unter dem gleichen Namen für Frauenrechte auf die Straße. Neben One Billion Rising stellt diese eine der größten  Aktionen dar, die zeigten, dass sich unter einem gleichen Slogan Proteste länderübergreifend koordinieren lassen und somit eine wichtige Grundlage für Vernetzungen und eine internationalistische Ausrichtung der lokalen Aktionen gelegt werden kann.

Wir als Organisation glauben, dass diese Proteste zwei größere Ursachen haben.

Auf der einen Seite gibt es Angriffe auf bereits bestehende, erkämpfte Rechte: Sparmaßnahmen wie Streichungen der Kitaplätze; Teuerung von Pflegeangeboten; Versuche, Abtreibungsrechte einzuschränken seitens der Regierung und der Rechten. Das heißt, ein Teil der Kämpfe ist defensiv.

Auf der anderen Seite gibt es auch immer mehr wachsende Proteste, vor allem in Asien. Dies hat mit einem generellen Wachstum der ArbeiterInnenklasse auf diesem Kontinent zu tun. Frauen werden dort mehr und mehr in die Produktion einbezogen. Damit wächst auch gleichzeitig ihre Doppelbelastung durch Lohn- und Reproduktionsarbeit (also Haushalt, Erziehung, Pflegearbeit). Gleichzeitig ermöglicht ihnen das mehr Zugang zu Bildung und eine gewisse ökonomische Unabhängigkeit, sodass ihre Lage nicht nur durch doppelten Druck und die Last erz-reaktionärer Unterdrückung geprägt ist, sondern auch Möglichkeiten schafft, vermehrt und aktiver für ihre Rechte zu kämpfen.

Das alles führt uns zu den Fragen: Wie können wir dieses Potenzial nutzen und den Kampf gegen Ungleichheit und Unterdrückung erfolgreich führen?

Es bedarf dazu einer internationalen Bewegung – einer, die die unterschiedlichen Probleme, die Frauen weltweit betreffen, zusammenfasst und eine gemeinsame Perspektive aufwirft. Ob nun von der Muslima, die das Recht hat, ihren Glauben so zu praktizieren, wie sie es möchte, über schwarze Frauen, die nicht länger der massiven Polizeigewalt und rassistischen Angriffen ausgesetzt sein wollen, bis hin zur pakistanischen Arbeiterin, die nicht länger für einen Hungerlohn arbeiten will, ob für geflüchtete Frauen oder die Pflegerin hier in Deutschland: Es ist unsere Aufgabe, für die unterschiedlichen Situationen die Gemeinsamkeiten in der sexistischen Unterdrückung deutlich zu machen und eine internationale Perspektive zu formulieren. Wenn wir diese aktuellen Kämpfe betrachten, dann lassen sich 5 konkrete Forderungsblöcke daraus ableiten:

  1.  Volle rechtliche Gleichstellung und Einbeziehung in den Produktionsprozess!
  2.  Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!
  3.  Für die Selbstbestimmung über den eigenen Körper!
  4.  Recht auf körperliche Unversehrtheit!
  5. Vergesellschaftung der Hausarbeit!

Das sind alles Forderungen, die sich auf viele grundlegende Problematiken beziehen, mit denen wir Frauen – und damit meinen wir in erster Linie die Masse der Frauen aus der ArbeiterInnenklasse, der Bauern-/Bäuerinnenschaft und den nicht ausbeutenden Schichten der städtischen Mittelschichten – zu kämpfen haben. Und um diese mit Leben zu füllen, müssen wir die Proteste, die es gibt, miteinander koordinieren. Es bedarf zweierlei: einmal einer Möglichkeit, wo sich die unterschiedlichsten Aktivistinnen austauschen können, denn es gibt bereits Kämpfe, die vernetzt und verbunden werden müssen. Aktionskonferenzen in Anlehnung an die Sozialforen könnten da eine Möglichkeit sein.

Der zweite Punkt ist die Basisorganisierung der Bewegungen vor Ort. Wir müssen uns dort, wo wir uns tagtäglich bewegen, organisieren, demokratische Strukturen geben – z. B. Vollversammlungen, um zu Aktionen zu mobilisieren und die Probleme international mit denen vor Ort zu verbinden, um nicht nur diejenigen zu erreichen, die sich bereits dafür interessieren. Damit das passiert, ist es ebenfalls wichtig, Druck auf bereits bestehende Organisationen wie beispielsweise Gewerkschaften auszuüben und dort aktiv einzugreifen. Der Frauenstreik in Spanien ist vor allem deshalb so groß, weil sich Gewerkschaftsgliederungen bewusst daran beteiligen und dafür auch mobilisieren. Denn nur wenn wir eine Bewegung sind, die ihre Basis auf der Straße hat und nicht nach einem Tag verschwunden ist, können wir unsere Forderungen durchsetzen!

Die Bewegung, die am 8. März weltweit sichtbar wurde, birgt das Potential, zu einer neuen proletarischen Frauenbewegung zu werden, einer, die die Befreiung der Frauen und LGBTIA-Menschen als Teil des Klassenkampfes betrachtet und mit einer revolutionären Perspektive verbindet. So kann sie zugleich auch zu einer Vorkämpferin für eine neue, revolutionäre Internationale werden.




Österreich: ein Jahr Schwarz-Blau

von Arbeiter*innenstandpunkt, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Vor einem Jahr, am 15. Dezember 2017, wurde die aktuelle ÖVP-FPÖ-Regierung angelobt. Kanzler und Vizekanzler nahmen das und ihre bisherigen Reformen vor kurzem zum Anlass für einträchtiges Eigenlob. Doch Reformen sind nicht immer gut – immer und überall lautet die Frage: „Wem nützt das?“

Dass die schwarz-blaue Politik zugunsten der Reichen und der Kapitalist*innen und auf Kosten der Lohnabhängigen, Arbeitslosen und sozial Schwächeren betrieben wird, haben wir in unseren Analysen zum Regierungsprogramm ausreichend dargelegt (zuletzt in der jüngsten Ausgabe unseres Theoriejournals „Revolutionärer Marxismus“ Nr. 50). So ist das zentrale Vorhaben der Senkung der Abgabenquote in letzter Konsequenz eine große Umverteilung von unten nach oben, wie eines der zentralen Projekte, der Familienbonus, zeigt. Das wird natürlich begleitet von Einsparungen, die vor allem jene treffen, die sich schlechter dagegen wehren können: die Arbeitslosen (AMS-Budgets, Haushalte des Arbeitsmarktservices), die Frauen (Förderungen von Frauenvereinen), die Geflüchteten (Integrationsmaßnahmen, Mindestsicherung), die Lehrlinge (Ausbildungsbeihilfe) etc. Zusätzliche Maßnahmen zur „Stärkung des Wirtschaftsstandorts“ treffen direkt die Kernschichten der Arbeiter*innenklasse, hier besonders die Ausweitung der Höchstarbeitszeit auf täglich 12 (wöchentlich 60) Stunden. Auch muss man festhalten, dass diese Politik unter kontinuierlichen rassistischen Vorstößen gegen Geflüchtete betrieben wird und die Möglichkeiten staatlicher Repression, insbesondere der Überwachung, ausgebaut werden.

„Der rot-weiß-rote Reformzug wird 2019 mit demselben Tempo unterwegs sein“, verkündet Bundeskanzler Sebastian Kurz feierlich. Dabei rückt er natürlich vor allem eines seiner „Prestigeprojekte“ in den Vordergrund – die Steuerreform. Dazu soll es Mitte Jänner eine Regierungsklausur geben. Im April soll ein passender Budgetrahmen geschaffen und im Oktober das entsprechende Doppelbudget beschlossen werden. Diese Steuerreform, geplant für 2020, muss als wesentlicher Teil der Abgabenquotensenkung verstanden werden. Auch wenn Kurz hier die Entlastung für kleinere und mittlere Einkommen ankündigt, sollte man sich keine Illusionen darüber machen, wem diese Reform tatsächlich nützen soll. Vermutlich wird sich innerhalb eines Gesamtpakets die schon angekündigte Halbierung der Körperschaftssteuer (Steuer auf Unternehmensgewinne) auf nicht entnommene Gewinne finden. Nicht unwahrscheinlich wäre auch eine Senkung des Höchststeuersatzes oder eine Reduktion der Steuerprogression.

Auf eine endgültige Umsetzung wartet auch das „Arbeitslosengeld neu“, das die Arbeitslosenversicherung auf ein Hartz-IV-Modell umstellen soll. Dispute zwischen ÖVP und FPÖ über das Ausmaß des Angriffs haben das Projekt bisher verzögert. Wird die Notstandshilfe tatsächlich abgeschafft, um Arbeitslose nach einiger Zeit mit Vermögenszugriff in die Mindestsicherung zu schicken, dann wäre das ein bedeutender Angriff nicht nur auf die Arbeitslosen, sondern auch auf die Arbeiter*innenklasse. Auf sie würde dadurch ein stärkerer Druck zur Hinnahme schlechterer Arbeitsbedingungen ausgeübt.

Es stehen also durchaus noch bedeutende politische Auseinandersetzungen bevor und weitere sind zu erwarten. Immerhin stellt sich die Frage, wie die Regierung ihr Ziel eines anhaltenden Nulldefizits garantieren möchte. Für das Budget 2018/19 war es vor allem die gute Konjunktur, die trotz Einsparungen mehr Einnahmen brachte. Aber die Spielräume für 2020/21 werden sich deutlich verengen. In ihrer gesamtwirtschaftlichen Prognose 2018 hatte die Österreichische Nationalbank schon ein Abflauen des Wachstums von + 3,1 % (2018) auf + 2,1 % (2019) und + 1,7 % (2020) konstatiert. Nun wurde aufgrund einiger Revisionen innerhalb der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung jenes für 2018 auf + 2,8 % korrigiert. Im kommenden Doppelbudget wird die Regierung also wohl auch zu zusätzlichen relevanten Sparmaßnahmen greifen, noch dazu da für Ende 2019 eine Pflegereform zur langfristigen Finanzierung angekündigt wurde – und die wird vermutlich nicht billig. Womöglich wird deshalb, obwohl noch nicht angekündigt, das Pensionssystem zur neuen Zielscheibe erklärt.

Trotz der offen unsozialen, neoliberalen, rassistischen und autoritären Regierungspolitik scheint das politische Kräfteverhältnis in Österreich seit Anfang der Legislaturperiode zwar nicht gänzlich unverändert, aber auf jeden Fall unerschüttert. In den regelmäßigen Wahlumfragen zeigt sich, dass die Stimmenverhältnisse von ÖVP, SPÖ und FPÖ seit den Wahlen ungefähr gleich geblieben sind. Der rechtskonservative Block ist also durchaus in der Lage, einen großen Anteil der österreichischen Bevölkerung ideologisch für seine politische Agenda zu gewinnen. Das bedeutet auch, dass der Widerstand einen langen Atem haben muss. Vor allem braucht er aber ein politisches Programm, mit dessen Hilfe der Charakter dieser Regierung entlarvt werden, das die Spaltungsmechanismen unter den Arbeitenden überwinden kann und eine Alternative zum scheinbar alternativlosen Kapitalismus aufzeigt. Nur durch ein solches entschlossenes Handeln können wir den gesellschaftlichen Rechtsruck an seinen Wurzeln bekämpfen!




Stellungnahme zu den Diffamierungsversuchen von Menschen aus der Linkspartei Leipzig und der „Jugend gegen Rechts“

Von der Ortsgruppe Leipzig

Aufgrund der anhaltenden Repressionen, Bedrohungen, Angriffen und falschen Anschuldigungen werden wir, Revolution, nun auch Stellung nehmen zu den Diffamierungen und Lügen, die gegen unsere Organisation verbreitet wurden.

Bevor wir zu dem inhaltlichen Teil kommen: leider wurden als Hauptquelle des hetzerischen Schreibens Thesen und Publikationen der Gruppe ArbeiterInnenmacht (im Folgenden: GAM) gewählt. Gleich zu Beginn des Pamphlets wurde angeführt, dass wir die Jugendorganisation der GAM wären. Das ist falsch. Wir sind sowohl programmatisch, finanziell als auch organisatorisch unabhängig von der GAM. Dass wir mit den Genoss_Innen der GAM zusammen arbeiten, ist richtig, aber es ist mehr als lächerlich, eine Gruppe für die inhaltlichen Auseinandersetzungen einer anderen Gruppe aus diversen Bündnissen entfernen zu wollen. Aus diesem Grund werden wir hier nicht weiter auf diese Quelle eingehen, da wir diese Texte, die aus den 1980er-1990er Jahren stammen, nicht selbst verfasst haben. Auf unserer Homepage finden sich einige Texte, die den Verfasser_innen Aufschluss über die Positionen unserer (!) Organisation zu den Themen Nahost-Konflikt und Antisemitismus gegeben hätten. Wir haben uns mit diesem Schreiben trotzdem noch einmal Zeit genommen, um ihnen exklusiv unsere Position ein weiteres Mal darzustellen. Eins sei aber noch gesagt: wir finden in der Tat auch, dass die Formulierungen in dieser Quelle teilweise sehr unglücklich gewählt sind, jedoch halten wir ihre grundlegenden Analysen für richtig.

Was ist eigentlich Antisemitismus ?

Wir, als kommunistische Jugendorganisation, kämpfen für eine befreite Gesellschaft und stellen uns gegen jegliche Unterdrückungsmechanismen. Dazu gehören bspw. Sexismus, Rassismus, Homophobie und auch Antisemitismus. Antisemitismus ist unserer Meinung nach aber nicht ein Phänomen, was allein aufgrund von Verblendung oder Böswilligkeit entstanden ist und entsteht, sondern etwas, das in einem größeren sozio-ökonomischen Kontext betrachtet werden muss.

Ob nun Übergriffe auf Synagogen, Jüd_Innen oder auch Verschwörungstheorien zum Thema „Weltjudentum“ – Antisemitismus erleben wir seit ein paar Jahren wieder besonders stark, seitdem es einen allgemeinen Rechtsruck in unserer Gesellschaft gibt. Dementsprechend sind auch laut polizeilicher Kriminalstatistik die antisemitischen Straftaten 2017 um 2,5 Prozent auf 1.504 Fälle gestiegen. Entgegen der Darstellung von Rechtspopulist_innen gehören zur Tätergruppe dieser Straftaten hauptsächlich weiße, deutsche Rechte.
Antisemitismus funktioniert im Kapitalismus als eine Form des Rassismus, indem systeminhärente Widersprüche auf Jüdinnen und Juden als „Sündenböcke“ ideologisch abgeleitet werden. Wir betrachten den Antisemitismus als eine Ideologie, bei der durch die ökonomische Krisenhaftigkeit des Kapitalismus erzeugte soziale Abstiegsängste verschiedener Bevölkerungsgruppen auf Jüdinnen und Juden als Feindbilder projeziert und mit universalistischen Verschwörungs- und Unterwanderungstheorien verknüpft werden. Dabei suggeriert der Antisemitismus, dass durch die Konstruktion einer angeblichen „jüdischen Finanzmacht“ mit Weltherrschaftsambitionen, die „natürlich gewachsenen und gesunden kapitalistischen Nationalstaaten“ unterwandert werden würden.

Der Antisemitismus reproduziert sich also aus konkreten gesellschaftlichen Widersprüchen heraus und kann dementsprechend auch nur bekämpft werden, indem das System, das ihn hervorbringt, als Ganzes aufgelöst wird. Diese Analyse steht der in vielen linken Kreisen weit verbreiteten Annahme entgegen, dass der Antisemitismus bestimmten Ethnien wie „den Deutschen“ oder „den Muslim_Innen“ genuin zugeschrieben werden könne.

Sicher, nur weil es Sozialismus gibt, würden nicht alle antisemitischen Ressentiments automatisch aus allen Köpfen gedrängt. Jedoch ist es die materielle Grundlage, die definitiv nötig sein wird, um Antisemitismus in seiner Struktur und seinen Reproduktionsbedingungen zu bekämpfen. Unser Kampf gegen den Kapitalismus ist für uns somit immer auch ein Kampf gegen Antisemitismus. Und wie Lenin so schön sagte:
„Nicht die Juden sind die Feinde der Werktätigen, die Feinde der Arbeiter sind die Kapitalisten aller Länder. Unter den Juden gibt es Arbeiter, Werktätige: sie bilden die Mehrheit. Was die Unterdrückung durch das Kapital anbelangt, sind sie unsere Brüder, im Kampf für den Sozialismus sind sie unsere Genossen.“

Unsere Solidarität mit Palästina ist und war niemals antisemitisch!

Da die herrschende Produktionsweise also den primären Grund für die Entstehung von Antisemitismus darstellt, halten wir die Gründung eines neuen explizit jüdischen Nationalstaates, wie es die Ideologie des Zionismus vorsieht, auch nicht für eine adäquate Lösung, die dem Problem gerecht wird. Die Existenz des israelischen Staates ist nur gesichert, solange imperialistische Schutzmächte wie die USA oder Deutschland einen ökonomischen Nutzen daraus ziehen. Das oft beschworene „brüderliche Band der westlichen Werte“ kann schnell reißen, wenn ein profitablerer Partner in der Region gefunden ist. Das Versprechen des Zionismus, die Jüdinnen und Juden wieder zum Subjekt ihrer eigenen Geschichte zu machen, ist also eine Farce. Der israelische Staat ist somit kein Schutzraum, sondern ein Käfig. Unserer Auffassung nach ist Israel, wie jeder andere bürgerlich-kapitalistische Nationalstaat auch, eine Klassengesellschaft, in der die Mehrheit die Lohnabhängigen selbst darstellen, die nichts haben, als ihre Arbeitskraft und deren Interessen denen der herrschenden Besitzenden diametral entgegenstehen.

Auch innerhalb der israelischen Gesellschaft gibt es eine Spaltung und rassistische Unterdrückung durch die , Aschkenasim, auch „Weiße“ genannt, da ihre Vorfahren aus Europa und Nord-Amerika kamen gegen die Mizrachim, also Jüdinnen und Juden, deren Vorfahren aus dem Nahen Osten stammen. Beispielsweise verdienten noch im Jahr 2004 die Aschkenasim im Durchschnitt 36 Prozent mehr als die Mizrachim, denen mangelnde Integration in die israelische Gesellschaft vorgeworfen wird.

Ferner machte die israelische Staatsgründung palästinensische Geflüchtete zu einer der größten Vertriebenengruppen weltweit. Während die Palästinenser_innen, die im Zuge des Gründungskrieges 1948 in die heutigen palästinensischen „Autonomiegebiete“ vertreiben wurden, heute in Freiluftgefängnissen leben, die noch dazu alle paar Jahre bombardiert werden, fristen diejenigen Palästinenser_innen, die eine israelische Staatsbürgerschaft ergattern konnten, ein Leben als Bürger_innen zweiter Klasse. Unsere Antwort kann nur Widerstand gegen die Besatzung und der gemeinsame Kampf aller Unterdrückten, über nationale Trennlinien hinweg, sein. Wenn wir sagen, dass wir gegen Rassismus und Fluchtursachen kämpfen, müssen wir auch gegen ein globales Wirtschaftssystem kämpfen, dass die Welt im Sinne der wirtschaftlich führenden Staaten in militärische Einflussspähren, abhängige Halb-Kolonien und wirtschaftliche Interessengebiete einteilt und somit aktuell 64 Millionen Menschen weltweit zur Flucht zwingt. Jede nationale Befreiungsbewegung (ob kurdisch, palästinensisch, belutschisch, in der Westsahara, …) richtet sich in irgendeiner Weise erst einmal (unabhängig von ihrer teilweise auch rückschrittlichen Führung) in selbstbestimmter Weise gegen diese gegenwärtige Aufteilung der Welt und verdient deshalb im Kampf gegen den Imperialismus – der wichtigsten Fluchtursache weltweit – unsere Solidarität.

Einige Kräfte aus dem Rojava-Soli-Bündnis, aus dem wir im Zuge des Diffamierungsschreibens ausgeschlossen wurden, haben diesen Punkt scheinbar noch nicht richtig verstanden. Sowohl die kurdische als auch die palästinensische Befreiungsbewegung werden durch die imperialistische Ordnung kapitalistischer Nationalstaaten an ihrer Verwirklichung behindert. Auch in Deutschland werden sie bspw. durch den Paragraphen §129b (Terrorgesetz) staatlich verfolgt. Seit jeher existierte Solidarität zwischen den beiden Bewegungen, die sich beispielsweise in gemeinsamen Ausbildungscamps für Guerilla-Kämpfer_innen ausdrückte. Wenn irgendwelche Deutschen in Leipzig auf die Idee kommen, diese Bewegung künstlich zu spalten, schwächt das nur ihre Schlagkraft und hat für uns wenig mit Solidarität zu tun.

Kapitalistische Nationalstaaten werden jedoch keiner Bevölkerungsgruppe Schutz vor Verfolgung bieten können. Auch kein Israel. Deshalb treten wir im Kampf gegen Antisemitismus auch sehr wohl für demokratische Selbstverteidigungsstrukturen gegen antisemitische Übergriffe ein. Jedoch würden wir es niemals wagen, einen bürgerlichen Staat zu unterstützen, auch nicht, wenn sich dieser einen „jüdischen“ Anstrich gibt. Den palästinensischen Widerstand gegen die israelische Besatzung halten wir dagegen für legitim und notwendig. Das heißt jedoch nicht, dass wir Jüdinnen und Juden das Recht absprechen auf dem Gebiet des heutigen Israels zu leben. Nur der gemeinsame Kampf der israelischen und palästinensischen Arbeiter_Innenbewegung kann den Nationalismus auf beiden Seiten durch internationale Solidarität ersetzen.

Deshalb ist es auch unsere Pflicht, die rückschrittliche Führung der palästinensischen Befreiungsbewegung herauszufordern. Während wir uns jedoch bedingungslos hinter den Widerstand gegen die Besatzung und Militärinterventionen stellen, kämpfen wir innerhalb der Bewegung für die sozialistische Perspektive eines multiethnischen, säkularen Arbeiter_Innenstaates. Dazu braucht es soziale Forderungen und internationale Solidarität der Arbeiter_Innenklasse! Denn nur in einem säkularen und sozialistischen Arbeiter_Innenstaat kann ein friedliches und freies Zusammenleben unabhängig von Religion, Geschlecht und Hautfarbe möglich sein.

Uns ist auch bewusst, dass „Kritik“ am israelischen Staat oft antisemitisch motiviert ist oder für antisemitische Hetze missbraucht wird. Das lehnt REVOLUTION nicht nur ab, sondern geht auch aktiv dagegen vor. So stellen wir uns nicht nur regelmäßig antisemitischen Neonazis in den Weg sondern waren auch aktiv gegen die neue rechte „Friedensbewegung“ und bemüht reaktionäre, rassistische und antisemitische Kräfte von den großen TTIP Demonstrationen auszuschließen. Eine analytische Gleichsetzung der Politik des israelischen Staates mit dem Judentum – wie es Neonazis oder Neurechte häufig tun – halten wir für zutiefst falsch und verabscheuungswürdig. Genauso müssen jedoch auch die jeweiligen Negationen Antizionismus und Antisemitismus analytisch trennscharf voneinander unterschieden werden. Die Verfasser_innen der Hetzschrift gegen uns haben das offensichtlich nicht getan, was wir für sehr problematisch halten. Um die Lebensrealität der tatsächlich in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden oder das Schicksal von Millionen in Israel lebenden Israelis und Palästinenser_innen scheint es den Verfasser_innen wohl kaum zu gehen. Vielmehr benutzen sie das Judentum als Projektionsfläche, um uns als Antisemit_innen zu denunzieren, begrifflich in die Ecke von Neonazis und Rechtspopulist_Innen zu rücken und uns politisch mundtot zu machen. Diesen schlimmen Vorwurf lassen wir uns nicht gefallen!

Da der Antisemitismus im Zuge des Rechtsrucks stark zunimmt, müssen wir gegen den erstarkenden Rassismus und die FaschistInnen kämpfen. Das geht aber nur gemeinsam! Zusammen mit den Gewerkschaften, der Basis von SPD und Linkspartei, der radikalen Linken, der Jugend und der ArbeiterInnenklasse müssen wir eine Einheitsfront aufbauen und uns nicht gegenseitig sektiererisch bekämpfen und aus antifaschistischen Strukturen schmeißen. Vielmehr braucht es innerhalb dieser Strukturen Kritik- und Propagandafreiheit, also Kanäle für solidarische Kritik und kontroverse Diskussionen über die Ausrichtung unserer Politik. Spaltung und Diffamierung werden unsere Bewegung jedoch nur schwächen und dazu führen, dass die Rechten die Oberhand gewinnen. Das muss mit allen Mitteln verhindert werden. Denn im Kampf gegen Faschismus dürfen wir uns nicht auf Staat und Polizei verlassen. Innerhalb der Einheitsfront müssen wir auch kollektiv die Selbstverteidigung aufbauen, indem wir Selbstverteidigungskomitees errichten.

In Leipzig stellt sich diese Frage umso dringender, denn am 1. September sind in Sachsen Landtagswahlen und die AfD liegt laut derzeitigen Umfragen bei 25-27 Prozent. Eine Regierungskoalition zwischen CDU und AfD ist nicht unwahrscheinlich. Dazu kommt noch, dass das neue reaktionäre Polizeigesetz dann der AfD in die Hände fallen könnte und diese mit aller Härte und Autorität gegen uns Jugendliche, Geflüchtete, Migrant_Innen und Linke im Allgemeinen, aber auch Journalist_Innen vorgehen wird. Diffamierungskampagnen, Ausschlüsse und Verleumdungen sind das letzte was wir hier gerade brauchen können. Alle ernsthaften und aufrichtigen Antifaschist_innen fordern wir deshalb auf, gemeinsam Widerstand zu organisieren, statt diesen zu blockieren!




Revo vor Ort Spezial: Palästina

von Lars Keller

Wie schon 2017 besuchten wir Ende Oktober 2018 wieder mit einer kleinen Delegation das International Volunteer Camp (IVC) bei Ramallah in Palästina. Organisator ist die Independent Youth Union (IYU), eine sozialistische Jugendorganisation, welche in der West Bank sehr aktiv ist und mit welcher REVOLUTION seit einiger Zeit im Austausch steht.

Das IVC wurde neben uns auch von den Falken sowie der Sosialistik Ungdom Norwegen und Dänemark besucht. Das Camp bestand aus Workshops, in denen Themen wie Feminismus / antisexistische Arbeit, israelische Besatzung in Palästina oder die Politik der einzelnen teilnehmenden Gruppen behandelt wurden. Wir brachten uns mit einer intensiven Diskussion zur Einstaatenlösung im Nahost-Konflikt in das Camp ein. Den größeren Teil des IVC stellt aber die sogenannte „volunteer work“ dar, was z.B. das Streichen von Wänden auf einem Pausenhof in einer Schule bedeutete. Diese Praxis leitet sich aus der Intifada ab, als die palästinensische Bevölkerung sich gegen das israelische Regime erhob und das Alltagsleben durch volunteer work organisiert wurde. Nichtsdestrotrotz hätten wir uns natürlich ein Camp gewünscht, was ein deutlich größeres Gewicht auf politische Diskussionen legt.

Lohnenswert ist eine Reise nach Palästina dennoch, alleine schon, weil es für uns zu einem gelebten Internationalismus gehört. Im Austausch mit den Genoss_Innen der IYU bekamen wir eine Einsicht in eine Welt, von der man in Deutschland nur selten etwas mitbekommt. Während von den deutschen Medien über jede Rakete in Richtung Tel Aviv, fast schon über jeden Steinwurf auf israelische SoldatInnen „umfassend“ berichtet wird, erfahren wir umso weniger über die Situation in Gaza und der Westbank. Damit meinen wir nicht nur Hunderte Toten, Verletzten und politisch Inhaftierten, die der israelische Staat zu verantworten hat, die weiter vor sich gehende Vertreibung, den Landraub oder das Zerschlagen von Demonstrationen. Auch meinen wir nicht nur die rassistischen Übergriffe von Siedler_Innen auf Palästinenser_Innen.

Nein, das fängt schon mit der Lebensrealität an. Diese ist für viele in der Westbank prekär. Israel hat Zugriff auf die Wasser- und Stromversorgung und stellt den Strom auch mal für ein paar Tage ab, wenn in Dörfern Proteste stattfinden. Die israelischen Siedlungen zapfen den Dörfern teilweise das Wasser ab. Die Infrastruktur ist vielerorts in schlechtem Zustand, die ärztliche Versorgung ist unzureichend, vor allem in den Camps der Vertriebenen.

Die Lage in Gaza ist mit einem riesigen Freiluftgefängnis vergleichbar. Laut der Weltbank sind 80 % der dort lebenden Menschen auf internationale Nahrungsmittelhilfe angewiesen; die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 58 %. 1995 baute Israel einen elektrischen Zaun und eine Betonmauer um Gaza und unterbrach damit die Verbindungen zu den besetzten palästinensischen Gebieten im Westjordanland. Seit Beginn der Belagerung hat Israel drei große militärische Angriffe auf Gaza gestartet. Der letzte große Angriff fand 2014 unter dem Namen „Operation Schützende Klinge“ statt. Die israelische Armee tötete mehr als 2.100 PalästinenserInnen, darunter 1.462 ZivilistInnen und fast 500 Kinder. 11.000 wurden verwundet, 20.000 Häuser zerstört und eine halbe Million Menschen aus ihren Häusern vertrieben.

Auch heute hat Israel schon den nächsten großen Schritt im Visier. Beflügelt von Trumps Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt zielt das zionistische Regime auf eine Teilung der Westbank und ein komplett israelisches Jerusalem ab, was eine neue massenhafte Vertreibung bedeuten würde. Die Likud-Partei lässt bei all dem keine Gelegenheit aus, immer wieder auch die Annexion des gesamten Westjordanlandes ins Spiel zu bringen (Likud = dt. „Zusammenschluss“).

Nur der jahrzehntelange Widerstand der palästinensischen Bevölkerung hat bisher die vollständige Unterjochung, Besetzung und weitere Vertreibung verhindert. Die bürgerlichen Medien und die zionistische Propaganda stellen dies auf den Kopf. Nicht die fortgesetzte Aggression der Unterdrücker_Innen, nicht die Entrechtung und Vertreibung, sondern der Widerstand gegen dieses Unrecht gilt als Ursache des Konflikts. Die palästinensischen Massen erscheinen als „unruhestiftend“, weil sie sich nicht ihrem Schicksal ergeben. Dabei ist es in Wirklichkeit der zionistische Staat, der berechtigten und mitunter auch verzweifelten Widerstand immer wieder provoziert und hervorruft. Als Revolutionär_Innen sehen wir es als unsere Aufgabe an, den palästinensischen Widerstand zu unterstützen und über Grußbotschaften heraus auch programmatische Diskussion zu suchen. Denn ohne internationale Solidarität, Unterstützung und einer kollektiven Diskussion über die Forderung, die es bedarf, um das Unrecht zu beenden, kann sich die Situation vor Ort nicht verändern!

Einen ausführlichen Bericht, Interviews mit der IYU oder mehr zur Perspektive des palästinensischen Widerstandes findet ihr auf unserer Homepage.




Was ist Halbfaschismus?

Von Leonie Schmidt

In einer Phase des gesellschaftlichen Rechtsrucks ist es nicht wirklich verwunderlich, dass es weltweit immer mehr autoritäre Regierungen schaffen, an die Macht zu kommen. So beispielsweise Bolsonaro in Brasilien, Erdogan in der Türkei oder Putin in Russland. In diesen Fällen gibt es dann auch viele Linke, die diese Machthaber als Faschisten abstempeln oder auch den ganzen Staat gleich als faschistisch hinstellen. Es ist aber nicht nur im historischen Kontext relevant, nicht einfach mit dem Begriff Faschismus um sich zu werfen (so können beispielsweise die Verbrechen der NS-Zeit herunter gespielt werden), sondern selbstverständlich ist es auch für die Analyse der Phase des Klassenkampfes, in der wir uns befinden, und dementsprechend auch für die Wahl der Taktik wichtig, sich differenziert mit den Handlungen, Strukturen und Zielen der autoritären Regime zu beschäftigen. Hier unterscheiden wir zwischen Faschismus, Halbfaschismus und Bonapartismus.

Selbstverständlich müssen wir aber erst einmal klären, was Faschismus aus einer marxistischen Perspektive überhaupt bedeutet. Der Faschismus ist eine Bewegung, welche aus der Klassengesellschaft entsteht, genauer gesagt aus dem Kleinbürger_Innentum, welches ständig nach Aufstieg in höhere Klassen strebt und gleichzeitig aber vom permanenten Absturz ins Proletariat bedroht wird. Dies trifft besonders in Zeiten von großen Finanzkrisen zu. Auch bevor der europäische Faschismus in den 1930ern aufstieg, gab es eine große Finanzkrise, welche mit starker Inflation einherging.  Der Faschismus diente jedoch hauptsächlich Monopolkapitalist_Innen, da die Produktionsmittel und die Produktionsverhältnisse nun zu ihrem eigenen Vorteil gewaltsam geformt werden können. Während die faschistische Bewegung versucht, die Staatsmacht zu erkämpfen, hat sie auch antikapitalistische Züge,  aber nach dem Erkämpfen der Staatsmacht und der Zerschlagung der Errungenschaften und Organisationen der ArbeiterInnenklasse verfällt jegliche Bewegung und der Faschismus ersetzt das Parlament mit sich als bürgerlich-staatliche Bürokratie, dementsprechend werden auch nicht länger antikapitalistische Inhalte aufrecht gehalten. Faschistische Bewegungen gehen aber auch immer mit Rassismus, Homophobie und Sexismus einher, einerseits aus ideologischen Gründen, andererseits um die ArbeiterInnenklasse weiter zu spalten. Ebenfalls gibt es in faschistischen Organisationen oder Bewegungen auch paramilitärische Gruppierungen, die vor allem vor der Staatsübernahme politische Gegner_Innen ermorden oder verletzen wie bspw. die SA in der Weimarer Republik und selbstverständlich brauchen die FaschistInnen auch eine faschistische Partei.

Nun zum Halbfaschismus. An sich ist das kein guter Begriff, weil es eine gewisse Unsicherheit in der Analyse durchscheinen lässt, aber das auch nicht ohne Grund, denn die Zukunft der Länder oder Regierungen, die beschrieben werden, ist alles andere als glasklar. Das lässt sich am Beispiel Bolsonaro sehr gut betrachten: Er ist an der Macht in Brasilien, hat faschistische Positionen hinsichtlich indigenen Völkern, Frauen, Homosexuellen, spricht von Säuberungen und Genoziden. Er sabotiert antifaschistische Arbeit, indem er geschichtsrevisionistisch allen Unterrichtsstoff, der mit der NS-Zeit einher ging, verboten oder, wenn es sich um Materialen handelt, versucht hat, sie zu beschlagnahmen, wie beispielsweise Banner in einer Uni in Rio De Janeiro, die sich gegen Rassismus und Faschismus richteten. Er feierte auch seinen Wahlsieg zusammen mit seinen bewaffneten Anhängern, dem Militär und der Polizei, was ein grauenvolles Bild von Hass, Sexismus und Rassismus zu Tage brachte. Des Weiteren hat er, um die Wahl zu gewinnen, eine ganze Menge falsche Informationen gestreut. Er kämpft gegen die Organisationen der Arbeiter_Innenklasse und die brasilianische Linke, indem er zum Beispiel den Parteigründer der Linkspartei Lula Da Silva verhaften oder Debatten zum Thema Demokratie in einer Uni stürmen ließ. Er inszeniert sich als starker gewalttätiger Anführer, da er eine Vergangenheit im Militär hat. Das alles lässt nun auf Faschismus schließen. Und sicher ist Bolosnaro auch ein Faschist als Person an sich. Aber noch ist Brasilien kein faschistisches Land und hat auch keine komplett faschistische Regierung. Wenngleich Bolsonaros Partei sehr konservativ ist und er viele AnhängeInnen hat – von einer faschistischen Massenbewegung und einer faschistischen Partei ist sie dennoch nach wie vor etwas entfernt. Somit können wir die brasilianische Regierung als halbfaschistisch bezeichnen. Hierbei ist es sehr wichtig, dass wir den Halbfaschismus als eine Art Übergangsphase zum faschistischen Staat oder zur Niederlage der Faschist_Innen ansehen. Gelingt es Bolsonaro, die ArbeiterInnenbewegung Brasiliens zu zerschlagen und seine grauenvollen profitorientierten und menschenverachtenden Pläne durchzuführen, so können wir davon ausgehen, dass das fünft größte Land der Welt zu einem faschistischen Staat geworden ist. Gelingt es aber den Arbeiter_Innen sich zu organisieren, zu streiken, zu kämpfen und Bolsonaro zu stürzen, so konnte der Faschismus geschlagen werden, eh er sich überhaupt vollständig entfalten konnte. Das ist natürlich schwer und Bedarf auch mehr als nur ein paar Streiks, aber Bolsonaro ist sicherlich nicht unaufhaltsam (Mehr Infos in unserem Artikel „Nieder mit Bolsonaro“ in dieser Zeitung).

Wie bereits oben erwähnt, gibt es aber noch eine andere, für die marxistische Bewegung relevante Analyse autoritärer Regierungssysteme. Das ist der Bonapartismus. Im Gegensatz zum Faschismus und Halbfaschismus entspringt er nicht dem Kleinbürger_Innentum, sondern ist eine Form der Diktatur der Bourgeoisie, bei der sie in einer sehr instabilen Situation ihre politische Macht an einen autoritären Alleinherrscher abtritt, dieser kann sowohl rechts – konservativ sein wie bspw. Erdogan, aber auch vermeintlich links wie Hugo Chavez. Eine solche Situation kann zum Beispiel entstehen, wenn sich keine Fraktion der herrschenden Klassen entscheidend durchsetzen kann oder kein Kompromiss innerhalb der parlamentarischen Demokratie zwischen den Klassen und Fraktionen möglich ist. Dabei stützt sich das bonapartistische Regime auf Teile aller Klassen und Schichten – meist jene, die sich ihrer Klassenzugehörigkeit am wenigsten bewusst sind. Auf Seiten der Arbeiter_Innen drückt sich in der Unterstützung des Bonaparte eine gewisse Verzweiflung aus. Daher werden auch teilweise soziale Forderungen der Arbeiter_Innen erfüllt. Die Unterschiede zum Faschismus sind deutlich im Hinblick auf den Klassenkampf: Während der Bonapartismus eine Art Befriedung des Klassenkampfes und der Fraktionskämpfe innerhalb der Klassen sucht, so richtet sich der Faschismus mit aller Macht gegen die Arbeiter_Innenklasse mit dem Ziel, diese zu zerschlagen. Dabei stützt sich die faschistische Partei vor allem auf eine unabhängige, militante Bewegung des ruinierten Kleinbürger_Innentums. Der Bonapartismus stützt sich von Anfang an auf Teile des Staatsapparates und Teile aller Klassen. Es ist aber relevant, dass diese Systemanalyse nicht nur aufgrund der Frage, gegen wen wie häufig Repressionen angewendet werden, beantwortet wird. Dafür müssen wir uns immer die genauen Geschehnisse im Klassenkampf anschauen!

Eines ist klar: ob Faschismus, Halbfaschismus oder Bonarpatismus – bekämpfen können wir autoritäre Systeme, indem wir eine Einheitsfront mit allen linken und proletarischen Organisationen formen und gemeinsam gegen die Regierungen bis zum Sozialismus kämpfen!




Nieder mit Bolsonaro!

von Peter Böttcher

Im Oktober errang Jair Bolsonaro eine Mehrheit von 55% der Stimmen bei den brasilianischen Präsidentschaftswahlen. Nach seinem Sieg kündigte er massive Angriffe auf die brasilianische Bevölkerung an. Drohungen die Rechte von Frauen einzuschränken, politische Gegner zu kriminalisieren und zu inhaftieren und politische Bewegungen wie die der landlosen (MST) als terroristische Vereinigung zu brandmarken und militärisch gegen sie vorzugehen, wurden bereits ausgesprochen. Gemeinsam mit der Erweiterung der Befugnisse der Polizei und des Militärs, die ebenfalls angekündigt wurden, schafft Bolsonaro sich eine Grundlage, Säuberungsaktionen im ganzen Land durchzuführen. Wenn die organisierten Teile der Arbeiter_Innenklasse in Brasilien nicht unmittelbar agieren, dann werden sie zerschlagen werden!

 

Wie konnte es dazu kommen?

In den letzten Jahren war oft von massiven Korruptionsskandalen in Brasilen die Rede. Die ehemalige Präsidentin Dilma Roussef (PT) wurde 2016 nach einer schmutzigen Antikorruptionskampagne gegen sie und ihre Regierung aus dem Amt entlassen. Ähnliches passierte Anfang letzten Jahres. Der Vorgänger Roussefs Lula da Silva, ebenfalls Kandidat der PT und deutlich populärer als Roussef, wurde ebenfalls der Korruption bezichtigt. In einem zweifelhaften Prozess, der selbst von der internationalen bürgerlichen Presse massiv kritisiert wurde, wurde er ins Gefängnis gesteckt. Diese Vorgänge glichen einem scheinbar legalen Putsch, hatten zumindest ähnliche Auswirkungen. Die installierte Übergangsregierung unter Präsident Temer senkte Steuern für Reiche, wollte das Renteneintrittsalter erhöhen und erließ eine Reihe von umweltfeindlichen Gesetzen. Die Antwort der PT darauf hätte schwächer nicht ausfallen können: Statt Ihre Basis gegen diesen Skandal auf die Straße zu mobilisieren und andere linke Kräfte aufzufordern, es ihnen gleich zu tun, kandidierte Lula einfach aus dem Gefängnis erneut für das Amt des Präsidenten. In diesem Moment hätte die Einheitsfront aus allen Organisationen der Klasse diesen aus seiner Isolation holen müssen. Die Kandidatur wurde verboten, ein unpopulärer und in den Augen der Bevölkerung zum brasilianischen Establishment gehörender Kandidat übernahm, konnte jedoch nicht genügend stimmen sammeln, um sich gegen Bolsonaro durchzusetzen.

Im Zuge der Weltwirtschaftskrise wurde die brasilianische Regierung von IWF und Investor_Innen dazu gedrängt, massive Kürzungen am brasilianischen Sozialstaat vorzunehmen, hohe Beiträge für Gesundheit und Rente waren das Ergebnis. Gleichzeitig entwickelte sich die PT nach rechts. Die Antiterrorgesetze, die zur WM in Brasilien 2014 ausgerufen wurden und hunderte Aktivist_Innen ins Gefängnis brachten, die Errichtung großer Staudämme im Regenwald oder aber der Ausverkauf der großen Bildungsproteste sind weitere Beispiele für diese Entwicklung. Gleichzeitig nahm die Arbeitslosigkeit und die Verarmung im Land massiv zu, der Anstieg von Gewaltverbrechen im Zusammenhang mit Banden und Drogenkriminalität waren die Folge. Gerade in den Favelas, den armen, meist Vorstadtbezirken, sinkt das Vertrauen in die PT als Partei der Arbeiter_Innenklasse in Brasilien, ist sie nicht einmal dazu in der Lage, ihre Bevölkerung von gewälttätigen Banden zu schützen.

Bolsonaro schlug daraus sein politisches Kapital. Mit einer Kampagne für einen Rechtsruck, für die Stärkung des Rechtsstaates, für eine Regierung mit „harter Hand“ konnte er verängstigte prekäre Teile der Klasse für sich gewinnen. Sein Wahlkampfstratege Steve Bannon konnte in einer klugen Kampagne mit falschen Nachrichtenmeldungen und niederträchtiger Hetze in sozialen Medien, aber auch in etablierten Printmedien Stimmung gegen die PT machen.  Der gleiche Wahlkampfstratege half auch Donald Trump ins Amt zu kommen. Bannon selbst behauptet, dass Bolsonaros Kapitalismus die USA und Brasilien näher zusammenführen werde.

 

Doch wofür steht Jair Bolsonaro genau?

In erster Linie ist er ein Vertreter der Interessen der Kapitalist_Innen. Neben seinen ultrarechten Positionen möchte er Brasiliens Wirtschaft stärken, um das Land so wettbewerbsfähig zu machen. Dass er dafür auch Unterstützung aus dem Ausland erhält, ist wohl kaum verwunderlich. Brasilien besitzt riesige Flächen, die kultiviert und somit für die Landwirtschaft nutzbar gemacht werden können, schon jetzt spielt Brasilien eine Schlüsselrolle im weltweiten Sojaexport und ist Spitzenreiter in der Sojaproduktion, was vor allem als Tierfutter verwendet wird. Auch an natürlichen begehrten Ressourcen mangelt es nicht: Neben Unmengen an Eisenerzen, die bereits abgebaut werden, hat Brasilien eigene Erdölvorkommen. Auch in der Produktion chemischer Erzeugnisse ist Brasilien im internationalen Vergleich ganz vorne mit dabei. Vor der Krise 2007/8 wuchs die brasilianische Wirtschaft um bis zu 8% im Jahr (eine der größten Wachstumsraten überhaupt).

Um sich eine Massenbasis zu verschaffen, die er mit einem rein wirtschaftsliberalen Programm niemals halten könnte, wirft er verschiedene rechte und teilweise sogar faschistische Forderungen auf. „Jede Aktion von MST und MTST wird als Terrorismus beurteilt werden. Das Privateigentum ist heilig“, so äußerte sich Bolsonaro kurz nach der Wahl. Diese Aussage richtet sich direkt gegen kämpfende Teile der Klasse, die sich nicht der Herrschaft des Kapitals und seinen Eigentumsverhältnissen unterwerfen wollen, die das Privateigentum an Produktionsmitteln infrage stellen wollen, so wie wir es ebenso tun. Indigenen Teilen der brasilianischen Bevölkerung will er die Schutzräume nehmen, den Regenwald  abholzen, um Platz für industrialisierte landwirtschaftliche Produktion zu machen. Außerdem möchte er Menschen mit nicht heteronormativer Einstellung aus dem wirtschaftlichen Prozess und dem gesellschaftlichen Leben fernhalten. Dabei versäumt er es nicht, seine Bewunderung für einen General (Carlos Alberto Brilhante Ustra) auszudrücken, der in den 70er Jahren Chef des brasilianischen Folterzentrums DOI-CODI und berüchtigt für seine unmenschlichen Grausamkeiten gerade gegenüber Frauen war. Sexismus, Rassismus, Homophobie, Neoliberalismus, Militarismus und Verbrechen gegen die Umwelt und der Kampf gegen die organisierte Arbeiter_Innenschaft, dafür steht Jair Bolsonaro.

Teile seines zukünftigen Kabinetts hat er schon vorgestellt. Wichtige Posten, die für Innere Sicherheit und Außenpolitik und zwei weitere Ministerien sollen an hochrangige Militärs gehen. Ein neues Superministerium für Wirtschaft und Finanzen soll von dem Multimillionär und Investmentbanker Paolo Guedes geführt werden. Justizminister soll Sergio Moro werden – er brachte Lula ins Gefängnis. All das riecht nach der Vorbereitung eines weiteren Staatsstreiches, diesmal mit einem rechtsradikalen Kandidaten, der faschistische Schlägerbanden und das Militär in der Rückhand hat.

Die PT schickte gegen ihn den Akademiker Fernando Haddad ins Rennen, der von vielen als Teil des etablierten, teils korrupten aber vor allem degenerierten politischen Establishments angesehen wird. Er konnte keine Perspektive für die drängendsten Fragen der brasilianischen Arbeiter_Innen liefern, die PT reflektierte ihren neoliberalen Schwenk unzureichend und war nicht dazu bereit, mit linken Teilen, mit der kommunistischen Partei oder Vertreter_Innen der Landlosenbewegung zusammenzuarbeiten. Sie machte Wahlkampf, wobei Haddad sich eher als Kandidat des rechten Flügels der PT zeigte. Zwar wollte er Kürzungen von der Übergangsregierung zurücknehmen, Angriffe auf das Rentensystem und Privatisierungsmaßnahmen waren aber ebenso Teil seiner Forderungen.

Nun steht die PT vor einem Scherbenhaufen. Der populäre Lula ist im Gefängnis, ihr Kandidat konnte sich nicht gegen Bolsonaro durchsetzen und die jetzige Regierung wird Unterstützung aus dem imperialistischen Ausland, vor allem aus den USA, aber auch von Kreditgebern erhalten. Denn neben den physischen Angriffen, die sogar schon im halben Jahr vor seiner Wahl ca. 5000 Aktivist_Innen, Linke, LGBTIA töteten, wird er eine massive liberale Agenda starten. Der Ausverkauf des Sozialstaates, die Privatisierung von Petrobras (Mineralöunternehmen in teilweise staatlichem Besitz), noch schnellere Rodung des brasilianischen Urwaldes und die Rücknahme von Arbeiter_Innenrechten werden folgen.

Die brasilianische Arbeiter_Innenbewegung muss nun alles dafür tun, um gegen diese Angriffe vorzugehen. Alle Organisationen der Klasse müssen sich gemeinsam in einer Einheitsfront die Zerschlagung des reaktionären Staatsapparats zum Ziel setzen. Den Angriffen von Bolsonaro muss sich entschlossen entgegengestellt werden. An die traditionell erfolgreiche Generalstreikbewegung anknüpfend müssen überall im Land politische Streiks die Wirtschaft lahmlegen. In koordinierten Aktionsräten müssen weitere Schritte geplant und mit einem zentralen politischen Programm umgesetzt werden. Die Gründung von Arbeiter_Innenmilizen muss unmittelbar erfolgen. Gleichzeitig müssen die Gewaltorgane des Staates dazu bewegt werden, die Waffen umzudrehen, nicht auf  die eigene Bevölkerung sondern auf die Regierung zu richten. Wenn sich Gewerkschaften, die Landlosenbewegung, die proletarischen Parteien nicht unmittelbar dafür entscheiden, eine Einheitsfront zu bilden, kann es bald schon zu spät sein. Wie eingangs erwähnt will Bolsonaro die Organe der Klasse zerschlagen, ihre Führer_Innen kriminalisieren und ihre Anhänger_Innen einlochen, jetzt abzuwarten, käme dem politischen Selbstmord gleich.

Auch auf internationaler Ebene müssen diese Angriffe angeprangert werden. Streiks in multinationalen Unternehmen, welche die brasilianische Regierung unterstützen, können ein Anfang sein, ebenso die Rechtspopulist_Innen im eigenen Land zu bekämpfen, die selbst Teil des Internationalen Rechtsrucks sind. Gegen die internationale Reaktion hilft nur eine international koordinierte Arbeiter_Innenbewegung.

Solidarität mit der brasilianischen Arbeiter_Innenklasse!

Nieder mit Bolsonaro!




Neutralität, Schule und AfD – Das geltende Recht ist den Rechten nicht rechts genug

von Jan Hektik

Mit dem Neutralitätsgebot der Schule und dem Beutelsbacher Konsens kämpfen Linke an der Schule seit Ewigkeiten. Ob als Schüler_In, der_die einen Vortrag halten möchte, in dem ein Rätesystem tatsächlich behandelt wird, oder als Lehrkraft, die zu antifaschistischen Protesten aufrufen will – immer wird es einem vorgehalten.  Doch was ist mit dem „Neutralitätsgebot“ eigentlich gemeint, was sagt der Beutelsbacher Konsens genau? Der Beutelsbacher Konsens, in den 1970ern entstanden, stellt einen Minimalkonsens (also das wenigste auf das man sich einigen konnte) über die Art, wie politische Bildung stattfinden sollte, dar. An sich wurde sich nur auf drei Grundprinzipien geeinigt: „Überwältigungsverbot (keine Indoktrination); Beachtung kontroverser Positionen in Wissenschaft und Politik im Unterricht; Befähigung der Schüler, in politischen Situationen ihre eigenen Interessen zu analysieren.“[1]  Das Überwältigungsverbot zielt auf die Mündigkeit der Schülerinnen und Schüler ab. Zentral ist hier die Vorstellung, dass jede und jeder eine eigene Einschätzung vornehmen und eine eigene Meinung bilden kann und auch soll. Deswegen ist es verboten, sie mit politischen Meinungen zu überrumpeln. Die Bildung eines selbstständigen Urteils soll nicht verhindert werden. Die Beachtung kontroverser Positionen, soll lediglich vorschreiben, dass Positionen in Wissenschaft oder Politik, die umstritten sind, auch umstritten dargestellt werden. Der Dritte Grundsatz soll die Lehrkräfte dazu anhalten, den Schülerinnen und Schülern eine Meinung nicht einfach nur zu präsentieren, oder vor ihnen eine Abwägung durchzuführen, sondern ihnen die Fähigkeiten zu vermitteln, eine eigene Einschätzung vorzunehmen, ihre eigenen Interessen wahrzunehmen und anhand dieser eine eigene Position zu beziehen. Wie so oft klingt das zwar ganz gut, sagt aber eigentlich wenig Konkretes. Also gucken wir uns doch mal an, wie das umgesetzt wird. Mit dem zweiten Grundsatz wird bei schulischen Veranstaltungen gerne argumentiert, man müsse, wenn man linke Gruppen sprechen lässt, auch rechte Parteien wie z.B. die CDU sprechen lassen. Andersrum, also wenn beispielsweise eine Wahlveranstaltung an der Schule mit CDU, SPD, Linkspartei und Grünen stattfindet, wird niemals die Forderung nach linkeren Meinungen aufgestellt. Auch wird dabei nicht beachtet, dass Neutralität immer die herrschenden Verhältnisse unterstützt. Wenn ich mich zu Fragen der Unterdrückung wie Rassismus oder Sexismus neutral verhalte, unterstütze ich die, die gerade stärker sind. Und dass sind die Rassist_Innen und Sexist_Innen. Wir sehen also hier, der Beutelsbacher Konsens wird vor allem GEGEN linkes, freiheitliches und soziales Denken benutzt.

Doch was seit kurzem von der AfD initiiert wurde, ist neu und geht noch viel weiter. Ihr Hamburger Landesverband hatte die Plattform „Neutrale Schule“ gestartet. Diese soll Schüler_Innen und Lehrkräften ermöglichen, Lehrer_Innen zu melden, die sich kritisch über diese Partei äußern. Nach Hamburg planen die Rechtspopulist_Innen, die Plattform in 9 weiteren Ländern an den Start zu bringen: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt. In Berlin war sie bereits online, während in Brandenburg (noch) „technisch-juristische“ Probleme zu lösen waren. Zur Rechtfertigung ihrer Kampagne führt die AfD unter anderem die „Zustände“ an der Paul-Schmidt-Schule in Lichtenberg an. Dort habe eine Unter-18-Wahl unter Schüler_Innen stattgefunden, bei der sogar die FDP, nicht jedoch die AfD behandelt worden wäre. Dabei verschweigt die Partei geflissentlich, dass sie nicht aufgeführt wurde, weil sie auf die Anfrage, Informationen für die Wahl zur Verfügung zu stellen, nicht antwortete und deshalb nicht einbezogen wurde.

Widerstand dagegen gibt es bislang vor allem von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Nachdem juristisch wahrscheinlich wenig gegen das Portal auszurichten ist, hat die GEW dazu aufgerufen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Weiter als diese eher schwache Maßnahme ging die Aktivität von Lehrkräften in der Ausbildung. In Hamburg musste die Plattform zeitweise geschlossen werden, da massive Fake-Anzeigen eingingen und die Seite mit riesigen Uploads lahmgelegt wurde. Auch haben sich diese in Massen selbst auf den Seiten angemeldet. Auf der Website „Change.org“ wurde unter dem Motto „Mein Lehrer fetzt“ eine Petition an die Kultusministerkonferenz initiiert. Diese ist zwar nicht sonderlich aussagekräftig, erklärt sich aber solidarisch mit AfD-kritischen Lehrkräften.

Ziele der Rechten

Diese Plattformen sind jedoch nur ein Teil des Versuchs der AfD, auf Schulen einzuwirken. Im Landtag von Sachsen-Anhalt hat sie beantragt, die Landesmittel für das Projekt „Schule ohne Rassismus“ zu streichen, weil „dieses Netzwerk doch stark genutzt wird, um Stimmungsmache gegen demokratisch gewählte Parteien – in dem Fall gegen unsere Partei – zu betreiben“, wie Fraktionschef Oliver Kirchner gegenüber dem Deutschlandfunk erklärte.

Mit ihren Kampagnen verfolgt die AfD mehrere Ziele:

  • Einschüchterung linker und aller AfD-kritischen Lehrer_Innen und Schüler_Innen
  • Disziplinarmaßnahmen gegen Beschäftigte
  • Kontakt zu rechten Schüler_Innen, Eltern und Lehrer_Innen, um so selbst Strukturen aufzubauen.

Daher werden Petitionen oder auch das Lahmlegen von Servern auf die Dauer wirkungslos bleiben. Notwendig ist offensiver und kollektiver Widerstand gegen die rechtspopulistische Denunziation. Versammlungen der Beschäftigten, Schüler_Innen und Eltern sollten sich gegen die AfD-Plattform stellen, über deren reaktionären Charakter an der Schule aufklären und zugleich einen Kampf gegen die Einschränkung politischer Betätigung und Meinungsfreiheit an den Schulen aufnehmen. Dass sich die AfD auf das „Neutralitätsgebot“ an den Schulen beruft, ist darüber hinaus bis zu einem gewissen Grad selbst ein Witz, weil sie so einen Freibrief für Rassismus, Hetzpropaganda und Denunziant_Innentum erhalten will.
Aber das Neutralitätsgebot und der Beutelsbacher Konsens sind zugleich auch Einschränkungen linker politischer Betätigungsfreiheit an den Schulen. Sie richten sich auch gegen das Verteilen von Flugblättern linker Jugendgruppen, antirassistische oder antifaschistische Arbeit an den Schulen. Schließlich können solche Gesetze auch gegen offen politische Aktivitäten von Gewerkschaften, das Aufrufen zu politischen Protestkundgebungen während der Schulzeit herangezogen werden – und sei es nur zum Zweck der Einschüchterung. Lasst uns genau das tun, statt uns dem Staat oder der AfD zu beugen. Lasst uns Flyer schreiben und verteilen in Solidarität mit den denunzierten Lehrer_Innen. Lasst uns Diskussionsveranstaltungen dazu organisieren, was Neutralität in der Schule bedeutet und was für eine Bildung wir eigentlich brauchen. Wenn wir eine Schule der Lehrenden und vor allem Lernenden haben wollen, bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als sie aufzumischen. Eine Anleitung dafür haben wir gerade veröffentlicht (siehe „Revolutionäre Politik in die Schule tragen – Ein Leitfaden zum Klassenkampf“).

 

  • Nein zum AfD-Denunziationsportal! Weg mit allen Einschränkungen freier politischer Betätigung für Lehrer_Innen und Schüler_Innen!

  • Für eine Bewegung der Schüler_Innen und Jugendlichen gegen die AfD und den Rechtsruck! Für Versammlungen gemeinsam mit Lehrer_Innen, und sonstigen Beschäftigten, um eine gemeinsame Kampagne gegen die AfD, Rechtspopulismus und Rassismus zu organisieren!

[1]Zitat Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bpb.de/die-bpb/51310/beutelsbacher-konsens




Remembering means Fighting – Gemeinsam gegen staatlichen Rassismus

Christian Meyer

 Am 07.01.2019 jährt sich der Todestag des Geflüchteten Oury Jalloh. Über Tausend Menschen kamen 14 Jahre später in seinem Todesort zusammen, um zu gedenken und zu demonstrieren, denn Erinnern heißt Kämpfen! Oury Jalloh wurde damals verhaftet, weil er angeblich Passant_innen in Dessau (Sachsen-Anhalt) belästigte und betrunken gewesen sein soll. Dabei fragte er lediglich, ob er sich ein Handy zum telefonieren ausleihen könnte. Später geriet seine Zelle auf der Polizeiwache in Dessau in Brand. Oury war an Händen und Füßen an eine Holzbank gefesselt und war somit dem Brand hilflos ausgeliefert.

Schnell kam von offizieller Seite (von der der Polizei wie auch der Staatsanwaltschaft Halle/Saale) das Statement, dass Oury sich selbst angeblich angezündet hätte und bei dem Brand ums Leben kam. Dass das aufgrund der Faktenlage jedoch ein Ding der Unmöglichkeit darstellt, sollte eigentlich jeder_m auffallen, der oder die sich mit dem Fall befasst. Wie soll man sich selbst anzünden, wenn man mit beiden Händen gefesselt ist?

An der offiziellen Selbstmordthese kamen bereits vor 14 Jahren Zweifel auf und es kam zu einem Gerichtsverfahren, welches am Ende allerdings aus Mangel an Beweisen eingestellt wurde. In den darauf folgenden Jahren setzte sich die Initative in Gedenken an Oury Jalloh immer wieder dafür ein, dass ein Rechtsgutachten erstellt werden sollte, welches die Selbstmordthese widerlegen sollte. So kam es dann auch dazu und das Verfahren musste komplett neu aufgerollt und noch einmal verhandelt werden. Am Ende wurde jedoch erneut von Gerichtsseite die Selbstmordthese bestätigt.

Erst aufgrund massiven öffentlichen Drucks und weiterer Gutachten wurde im Jahr 2017 ein weiterer Prozess in Gang gesetzt, der endgültig Licht ins Dunkel bringen und die genauen Todesumstände klären soll. Ende des vergangenen Jahres erfolgte jedoch das endgültige Urteil, welches die Selbstmordthese weiterhin aufrecht erhält. In der Zwischenzeit hatte der bürgerliche Staat jedoch nichts Besseres zu tun, als Antirasisst_innen und Mitglieder der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh mit Reperessionsmaßnahmen zu überziehen.

Das wiederum und die stetigen Behinderungen der Ermittlungsarbeit lassen den Schluss zu, dass hier ein rassistischer Mord vertuscht werden sollte.

Ein Einzelfall? Keines Wegs.

Nun könnte man meinen, dass der Fall Oury Jalloh zwar bedauernswert ist und es sich eigentlich um einen klaren Justizskandal handelt, aber es eigentlich ein Einzelfall ist. Dem ist aber nicht so. Allein gegen die Polizeiwache in Dessau, auf der Oury Jalloh starb, gibt es in mehreren Fällen zumindest den Verdacht, dass hier Personen misshandelt und unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen sind. Dass dies jedoch die Ausnahme ist, ist allerdings ein eher scheinheiliges Argument, schließlich soll ja das Saubermann-Image der hiesigen Justiz nicht in Frage gestellt werden.

Dazu kommt, dass mit Ammad A. im vergangenen Sommer in der JVA Kleve in Nordrhein-Westfalen ein weiterer Gefangener auf dieselbe Art und Weiße wie Oury Jalloh ums Leben gekommen ist. Besonders bitter ist nicht nur die Tatsache, dass Ammad ein kurdischer Aktivist war, sondern er lediglich aufgrund einer Verwechslung eingesperrt war. Auch wenn sich hinterher der Innenminister von NRW bei den Angehörigen von Ammad entschuldigte, wirft dies ein weiteres mal ein schlechtes Licht nicht nur auf die Haftbedingungen, unter denen Gefangene hierzulande inhaftiert sind, sondern auch auf den Umgang mit in diesem Falle politischen Gefangenen.

Die Liste von rassistischen Skandalen im staatlichen Justizapparat lässt sich noch endlos fortsetzen. An dieser Stelle sei nur an die rassistische Mordserie des NSU erinnert, bei dem die Justiz ebenfalls kein allzu gutes Bild abgab. Statt den schrecklichen rassistischen Charakter dieser Mordserie zu erkennen, wurden die Opfer dem kriminellen Milieu zugeordnet, verhöhnt und zuallererst die Angehörigen verdächtigt und massiv unter Druck gesetzt. Erst nach dem eine deutsche Polizistin im Jahr 2007 ermordet wurde und es auch hier zu mehreren Ermittlungspannen kam wurde mehr oder weniger „zufällig“ die NSU-Mordserie aufgedeckt. Während zwei der fünf vermeintlichen Haupttäter starben, konnten die anderen drei gefasst werden und sitzen seit knapp fünf Jahren wegen Beihilfe zum zehnfachen Mord auf der Anklagebank.

Auch hier zeigt sich, wie staatliche Institution zutiefst in die rassistischen Grausamkeiten verwickelt waren, was nicht nur geschredderte Akten, sondern auch auf vermeintlich ungeklärte Weise umgekommene Kronzeugen wie etwa Aussteiger aus der Nazi-Szene, welche in einem Zeugenschutzprogramm waren, oder auch ehemalige V-Leute, die ebenfalls auf mysteriöse Art starben, betrifft.

Alltagsrassimus und gesellschaftlicher Rechtsruck

Doch diese Todesfälle und Morde sind bei weitem nicht das Einzige. Seit nunmehr bald vier Jahren erleben wir ein rasantes Zunehmen an Alltagsrassismus. Vorläufer dieser sich zuspitzenden Situation, in der sich rechte Schlägertrupps auf den Straßen zu Angriffen auf Migrant_innen hierzulande zusammenrotten, zeichneten sich bereits im Herbst 2014 ab, als in Köln im Rahmen der sogenannten „HoGeSa“-Demos (Hooligans gegen Salafisten) knapp 5.000 Nazis sich zusammengetan hatten und randalierend durch die Kölner Innenstadt zogen.

Einen weiteren Höhepunkt bildeten dann 2015 die PEGIDA-Demos in Dresden so wie ihre Ableger im Bundesgebiet, bei denen sich zehntausende Beteiligten. Doch damit war es noch lange nicht vorbei. Auch in den vergangenen beiden Jahren setzte sich der gesellschaftliche Rechtsruck fort, einerseits durch rechte Mobilisierungen zu Kundgebungen und Demonstrationen (auch wenn diese kleiner ausfielen als noch zu den Hochzeiten von PEGIDA), andererseits aber auch durch die Wahlerfolge der AfD im Zusammenhang der „Flüchtlingskrise“.

In diesem Zusammenhang bleiben uns auch die rassistischen Hetzjagden im letzten Jahr in Chemnitz in Erinnerung, bei denen Migrant_innen, Asylbewerber_innen, Geflüchtete aber auch Linke und somit alle, die nicht in das reaktionär-rassistische Weltbild der „Kampfarier“ (rechte Hooligans) und ihrer anzugtragenden Parlamentsvertreter_innen passen, angriffen. Dass dabei die sächsische Polizei tatenlos zusah und mit der Situation angeblich „überfordert“ war, passt ganz gut ins Bild, denn schließlich wurde eine linke Demo zwei Wochen vor den Vorfällen in Chemnitz von einem hochgerüsteten Bullenaufgebot auf ziemlich brutale Art aufgelöst.

Der Alltagsrassismus spiegelt sich dabei allerdings noch durch andere Dinge wider, wie etwa bei den Rufen der Medien und diverser Politiker_innen aller Parteien (hier macht auch schändlicher Weise die Linkspartei in Person von ihrer Parteichefin Sarah Wagenknecht mit, wenn sie fordert, dass Migrant_innen, die ihr Gastrecht verwirkt hätten, abgeschoben werden müssen) oder auch durch rassistische Polizeikontrollen aufgrund des Aussehens oder aber auch tätliche Angriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte.

Genauso verhält es sich, wenn permanent über „die“ Geflüchteten hergezogen und behauptet wird, dass sie angeblich viel Geld, teure Kleidung und andere materielle Dinge bekommen würden, ohne dafür arbeiten zu müssen. Andererseits zeigt dies ebenso wie die Behauptung, Geflüchtete würden nur deshalb herkommen, um Arbeitsplätze oder Sozialleistungen wie etwa Hartz IV wegzunehmen, einen zunehmenden Sozialneid, der auch sozialchauvinistische Züge annimmt, wenn es etwa um die Sanktionierungen von angeblichen Missbrauch von Sozialleistungen geht. Der berechtigte Ärger über Sozialkürzungen, schlechte Arbeitsverhältnisse und zunehmende soziale Unsicherheit wird somit weg von den Verantwortlichen auf Migrant_innen, Geflüchtete, „den Islam“, „die Gutmenschen“ und „den Genderwahn“ gelenkt. Wenn dem keine antikapitalistische Kritik und Praxis entgegengehalten wird, kann eine solche Stimmung schnell die Grundlage für rassistische Angriffe und Morde werden.

Wie dagegen kämpfen?

 All dies zeigt eindeutig, wie wichtig der Kampf gegen den Rechtsruck innerhalb der Gesellschaft ist, auch wenn manche politische Organisationen das nicht wahrhaben wollen und stattdessen lieber vom „Rechtsruck der Regierung“ sprechen.

Doch das ist nichts weiter als die Weigerung, sich näher mit dieser Thematik und einem aktivem Kampf gegen den Rechtsruck auseinanderzusetzen.

Leider war die (radikale) Linke in den vergangenen Jahren nicht besonders erfolgreich darin, wenn es um den Aufbau einer breiten Massenbewegung der Arbeiter_innen, Jugendlichen, Geflüchteten und anderer unterdrückter Teile der Klasse ging. Die reformistischen Arbeiter_innenparteien SPD und Linkspartei und mit ihnen die Gewerkschaften hielten sich teilweise aus dem Thema Antirassismus heraus oder beteiligten sich, wie im Fall der SPD, an Abschiebungen von Geflüchteten in vermeintlich sichere Herkunftsländer. In manchen Fällen beteiligten sich einzelne Mitglieder an Bündnissen wie etwa „Aufstehen gegen Rassismus“, die allerdings mehr den Fokus auf die Ausbildung von „Stammtischkämpfer_innen“ legen, um mit Rassist_innen wie etwa denen von der AfD diskutieren zu können und sie davon zu überzeugen, dass sie mit ihren Ansichten daneben liegen als wie auf kollektive Aktionen wie Streiks, Demos, Kundgebungen und andere Aktionen etwa gegen Abschiebungen.

Wichtig ist es, den gemeinsamen Kampf gegen Rassismus zu diskutieren und zu koordinieren. Uns ist es nicht damit geholfen, wenn wir jede_r für uns unser eigenes Süppchen im antirassistischen Kampf kochen und nur deshalb die reformistischen Arbeiter_innenmassenorganisationen außen vor lassen, weil diese sich immer an die Spitze einer solchen Bewegung setzten und diese zahnlos oder handzahm werden lassen wollen.

Wir als Antirassist_innen brauchen diese Organisationen, nur dadurch können wir überhaupt eine wirksame Gegenwehr aufbauen, nicht, weil sie so besonders toll sind, sondern weil sie die Massen der Arbeiter_innenklasse organisieren und das wichtigste Instrument im Klassenkampf sind. Für uns als Antirassist_innen, die selber der Arbeiter_innenklasse angehören, geht es auch darum, den Kampf um die Führung innerhalb der Arbeiter_innenorganisationen zu führen und diesen zu unseren Gunsten zu entscheiden und nicht bloß tatenlos neben dran zu stehen und darauf zu beharren, dass sie uns ja eh wieder verraten werden wie sie das schon immer getan haben.

Des Weiteren rufen wir auch alle Gruppen dazu auf, sich an einer Aktionskonferenz zu beteiligen, welche nicht nur den antirassitischen Kampf, sondern auch den gegen die Angriffe auf unsere Sozialleistungen und unsere Errungenschaften, welche mühsam erkämpft wurden, koordiniert. Nur auf diese Art und Weiße, wenn wir alle gemeinsam den Kampf gegen die Ursachen von Flucht, Vertreibung und Rassismus aufnehmen, können wir erfolgreich sein.




Gegen die bürgerliche Hetze des Tagesspiegels – Gegen das Outing und die Denunziation von Akitivist_innen des Jugendwiderstandes!

Letzte Woche hat die auflagenstarke Berliner Zeitung „Tagesspiegel“ einen doppelseitigen Leitartikel unter dem Titel „Maos Schläger aus Berlin Neukölln“ veröffentlicht, in dem sie gegen die maoistische Gruppe Jugendwiderstand hetzt. Aber es bleibt nicht nur bei den üblichen Verleumdungen, Kommunist*innen wären böse böse Umstürzler_innen oder sogar bereit Gewalt gegen den „Rechtsstaat“ anzuwenden.

Diese Vorwürfe kennen wir und es ist nicht verwunderlich, dass eine große deutsche Zeitung mit viel Geld versucht, diejenigen, die sich gegen den deutschen Imperialismus richten, öffentlich diskreditieren will. Auch, dass die Solidarität mit dem palästinensischem Befreiungskampf und die Ablehnung des Staats Israels zum Anlass gemacht wird, um Linke als antisemitisch zu verleumden ist nichts neues, auch wenn es umso zynischer erscheint wenn sich parallel dazu der israelische Ministerpräsident Netanjahu mit dem Rechten und glühenden Anitsemiten Victor Orban trifft, der für ihn ein „wahrer Freund Israels“ ist.

Was aber eine Stufe der Repression darstellt, ist dass in dem Artikel auch die vermeintlichen Klarnamen, Arbeitsplätze und Wohnorte einiger Genoss*innen von JW veröffentlicht wurden. In Zeiten des Rechtsrucks und der Offensive der Faschist*innen vor allem in Neukölln, verurteilen wir es klar, linke Aktivist*innen zu outen und den Faschos und dem bürgerlichen Staat ans Messer zu liefern. Besonders erschreckend ist hierbei, dass sich der Tagesspiegel einen Großteil der Verleumdungen, aber auch die „Outings“ nicht selbst ausgedacht hat, sondern auf einem nach Selbstverständnis linken Blog „friedensdemowatch“ basieren.oder Statements von linken Aktivist_Innen basiert.

Auch uns trennt politisch viel vom Jugendwiderstand..Wir verurteilen klar die Angriffe auf andere Linke und die Bedrohung von Aktivist_Innen, da sie die Kritik- und Propagandafreiheit angreifen. Denn statt politischer Argumente siegt so eher die Muskelkraft. Auch glauben wir dass der Jugendwiderstand keine revolutionäre Analyse der Rolle von gesellschaftlichen Unterdrückungsformen wie Sexismus, Rassismus oder Unterdrückung von LGBT+ hat oder seine Programmatik uns zur Revolution bringt. Doch das Resultat von politischen Differenzen muss für andere Linke eine politische Kritik und Diskussion sein, im Notfall die Isolierung. Aber niemals der bürgerlichen Presse, Bullen oder Faschos zuzuarbeiten und Aktivist*innen zu outen. Gerade in Zeichen der Schwäche sollte klar sein wer der Klassenfeind ist und statt sich gegenseitig zu gefährden, müssen linke Kräfte zusammenarbeiten. Wir fordern deswegen auch alle anderen linken Organisationen zur Solidarität mit dem Jugendwiderstand gegen die Angriffe von Presse, Staat, Nazis und „Anti“-Deutschen auf!