Messerattacke auf Linksparteimitglied: Liebe ersetzt keine Gegenwehr

VON GEORG ISMAEL

Am Montag wurde Julian Kinzel, Mitglied des Schweriner Kreisvorstandes der LINKEN und Mitglied bei solid, Opfer einer Messerattacke in Wismar. Drei Faschisten schlugen ihn mit den Worten „schwule Kommunistensau“ nieder und stachen 17 mal auf den Aktivisten ein.

Dieser Mordanschlag reiht sich ein, in eine Welle von Angriffen. Neu sind nicht nur der schamlose Einsatz von Messern bis zu Schusswaffen, sondern auch deren gezielter Einsatz gegen bekannte Linke. Genährt durch die Erfolge der rassistischen Mobilisierungen des vergangenen Jahres und das beinahe folgenlose in Brand stecken von Flüchtlingsunterkünften, sowie angreifen von Geflüchteten, hat die Gewaltgelüste der Faschisten nicht besänftigt, sondern beflügelt.

Der Übergriff in Wismar ist kein erschreckendes Einzelbeispiel. Er ist der gnadenlose Vorgeschmack auf eine faschistische Bewegung, die sich stark genug fühlt, linke Aktivist_Innen und Arbeiter_Innenorganisationen gezielt, geplant und direkt anzugreifen.

Wir verurteilen den Angriff auf Julian Kinzel und mit ihm stellvertretend auf die Linkspartei, sowie solid aufs Schärfste. Wir wünschen Julian eine baldige Gesundung, auf das er sich nicht einschüchtern lasse, von den faschistischen Übergriffen.

Doch wir glauben auch, dass es einer kritischen Auseinandersetzung mit seinen Worten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus bedarf, als er sagte „wir dürfen auf solche Attacken nicht mit Radikalisierung antworten. Unsere Antwort auf Hass muss Liebe, auf Dummheit Vernunft und auf Gewalt Solidarität sein. Somit ist Hass hier fehl am Platz. Lasst uns dieses Ereignis zum Anlass nehmen, solchen Ideologien durch mehr Menschlichkeit vorzubeugen. Nach meiner hoffentlich baldigen Gesundung werde ich dabei verstärkt mitwirken.“

Während man von persönlicher Größe sprechen könnte, nach einer derartigen Attacke derartiges zu sagen, muss eines klar festgehalten werden. Liebe, Vernunft und Solidarität sind wichtige und gute Eigenschaften, die sich eine linke Bewegung zu eigen machen sollte. Sie sind aber keine Mittel, um die faschistische Bewegung oder ganz praktisch eine scharfe Messerklinge zu stoppen.

1931 schrieb Kurt Tucholsky als Abschluss seines Gedichtes Rosen auf den Weg gestreut „Und verspürt ihr auch in eurem Bauch den Hitler-Dolch, tief, bis zum Heft: Küsst die Faschisten, küsst die Faschisten, küsst die Faschisten wo ihr sie trefft!“

Was vor rund 70 Jahren voll Sarkasmus von einem Sozialisten gegenüber der erstarkenden faschistischen Bewegung geäußert wurde, wird heute mit voller Überzeugung auf der politischen Bühne vor der Arbeiter_Innenbewegung präsentiert. Wie die Geschichte damals verlief, als sich KPD, SPD und Gewerkschaften nicht auf eine gemeinsame Einheitsfront, die auch gemeinsame Selbstverteidigungsorgane bedeutet hätte einigen konnten, wissen wir. Wir wissen nicht, wie die Zukunft aussehen wird, aber wir können eines mit Sicherheit sagen. Derartige Kommentare geben nicht nur keine Antwort, wie derartigen Übergriffen praktisch, der dahinterstehenden Bewegung politisch begegnet werden soll. Die ohnehin politisch und ideologisch schwache Arbeiter_Innenbewegung wird zusätzlich in Sätze, die sich in der bürgerlichen Presse zwar gut machen, aber auf der Straße, vor der Flüchtlingsunterkunft oder im Betrieb herzlich wenig taugen, eingelullt.

…wie viele Heime müssen noch brennen, wie viele Gewerkschaftshäuser und Linke Zentren noch beschmiert und angegriffen, wie viele weitere Mordversuche an Migrant_Innen und organisierten Linken, muss es noch geben, bis diese unverfrorene Verbürgerlichung in den Arbeiter_Innenorganisationen unter der Hitze der Ereignisse zu schmelzen beginnt?

Liebe Genoss_Innen der Linkspartei, liebt doch wen ihr wollt, aber das ist keine Antwort auf faschistische Übergriffe. Die einzige Antwort auf faschistische Übergriffe sind eigene Selbstverteidigungsorgane, die gezielte Auflösung faschistischer Versammlungen und die Entwaffnung ihrer Organisationen durch die Arbeiter_Innenbewegung. Dann könnt ihr eure Liebe haben. Es wird vermutlich nicht die Liebe der bürgerlichen Presse, die Liebe der bürgerlichen Parlamentskolleg_Innen sein, aber die Dankbarkeit all jener, die ein reales Interesse am Kampf gegen den Faschismus haben.

Während sich die Faschisten radikalisieren und der Staat nach rechts rückt, zur Mäßigung aufzurufen, heißt sich noch im Vorhinein von Auseinandersetzung der Möglichen Kampfmittel zu berauben. Die Realität ist keine wohlfeile Zusammenstellung von Moralvorstellungen, die nur mit feuriger Inbrunst vor der Gesellschaft vorgetragen müssen. Die Realität ist eine historische Krise des Kapitalismus, in der die Klassenkämpfe zum erneuten erstarken faschistischer Organisationen führen. Wir als Sozialist_Innen sind voller Optimismus, dass auch die Revolutionär_Innen stärker werden und letztlich siegen können – aber nur dann, wenn sie es auch wollen.



Anmerkung der Redaktion: Laut einem Artikel der Zeit vom 11.01.2016 stimmt die Art der Verletzung nicht mit den genannten 17 Messerstichen überein. Es wurde geäußert, dass der Tathergang somit nicht Julians Schilderung entspricht. Der Korrektheit wegen machen wir auf diesen Sachverhalt aufmerksam. Es ist jedoch auch anzumerken, dass in anderen Fällen die Behörden politische Straftaten nicht also solche anerkannten, um Statistiken zu schönen oder sogar Opfer zu Tätern gemacht haben.


Die drohende Gefahr durch die erschreckend schnell erstarkende Rechte und die Zunahme der Attacken auf Einrichtungen, Aktivist_Innen oder auf Menschen, die
nicht in ihr Weltbild passen, ist nach wie vor akut. Die Rückschlüsse dieses Artikels sind somit weiterhin brandaktuell.


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Zum PEGIDA-Song auf Amazon

Kurz vor Weihnachten hat PEGIDA eine eigene Hymne namens „Gemeinsam sind wir stark! (Die PEGIDA-Hymne)“ veröffentlicht. In den Amazon-Charts hat der Track Adeles „Hello“ überholt und chartet auf Platz 1 der deutschen Amazon Charts. Man kann also behaupten, dass das Lied eine gewisse Viralität hat. Amazon hat darauf reagiert: Bei allen Käufen spendet Amazon den Erlös „an eine gemeinnützige Organisation zur Unterstützung von Flüchtlingen“. Viele Linke finden das offensichtlich sehr gut und feiern Amazon dafür. Doch sollten Linke das Verhalten von Amazon wirklich für gut heißen oder nicht?

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Fakt ist: Amazon verkauft einen Song, der rassistische und sexistische Botschaften transportiert, für eine rechtsradikale Organisation wirbt und fördert damit den Aufbau von PEGIDA und ihren arbeiterInnenfeindlichen Demonstrationen.

Dass Amazon den eigenen Erlös an eine „Organisation für Flüchtlinge“ spenden will, ist ziemlich heuchlerisch im Anbetracht dessen, dass PEGIDA weiterhin den vollen Gewinn macht. Mit der Aktion schadet Amazon PEGIDA also nicht. Ganz im Gegenteil: PEGIDA rechnet laut eigener Aussage mit einem Gewinn von über 7000€ und dafür bietet Amazon auch noch eine Plattform.

Amazon profitiert auch selbst davon, dass sie den Erlös spenden. Durch die schlechten Arbeitsbedingungen, sowie das Drücken von Löhnen, usw. hat der Ruf von Amazon in den letzten Monaten und Jahren zurecht gelitten. Durch solche Spendenaktion soll der Ruf des Unternehmens wieder ein bisschen aufgebessert werden. Mehrere große Zeitungen, wie die FAZ oder Spiegel Online haben positiv darüber berichtet und auch auf Facebook ist die Aktion sehr viral. Allein der Post von „Rhetorische Perlen von AfD- und NPD-Anhängern“ wurde über 2000 Mal geteilt und über 12.000 Mal gelikt.

Unklar bleibt auch an welche Organisation Amazon das Geld spendet. Wahrscheinlich wird es nicht über eine Spende an eine Organisation, die praktische humanitäre Arbeit leistet, aber nicht die Fluchtursachen angreift, hinausgehen.

Amazon hilft also unterm Strich nicht den Refugees, sondern einer rechten Organisation. Konsequent wäre ein sofortiger Verkaufsstopp. Diesen sollten Amazon-ArbeiterInnen und Gewerkschaften von dem Konzern fordern. Sie sollten auch dafür eintreten, dass rassistische und sexistische Musik und Produkte endgültig aus der Produktpalette gestrichen werden und künftige Produkte von einem Ausschuss von ArbeiterInnen geprüft werden müssen, bevor sie verkauft werden dürfen.

Dies wäre auch ein erster Schritt in Richtung Arbeiterinnenkontrolle indem ein politischer Kampf um die Entscheidungsbefugnisse im Betrieb geführt wird.

VON BEN STRINGER




Anhaltende Angriffe auf die kurdische Bevölkerung in der Türkei

VON SVENJA SPUNCK


Panzer in Diyarbakir


Im Osten der Türkei herrscht Krieg – und das nicht erst seit zwei Wochen. Bereits seit den Wahlen im Juni tyrannisiert das türkische Militär nicht nur die dortige Bevölkerung, sondern bombardiert auch Menschen im Nord-Irak und in Syrien. Dabei geht es vor allem um die Zerschlagung der kurdischen Unabhängigkeitsbewegung, deren größte Organisationen die PKK in der Türkei und die PYD in Nord-Syrien sind. Der Waffenstillstand zwischen der türkischen Regierung und der PKK wurde von Seiten der Regierung für beendet erklärt. Es herrscht seitdem regelrechter Bürgerkrieg in Städten und Dörfern, weit entfernt vom westlichen Ankara oder Istanbul.


Obwohl die Unterstützung für die kurdische Nationalbewegung abgenommen hat, wie man an den Wahlen erkennen konnte, erklärte die PKK Nusaybin, Diyarbakir und Sirnak zu autonomen Regionen. Die aus den Wahlen gestärkt hervorgegangene AKP will sich das natürlich nicht gefallen lassen und verhängt täglich Ausgangssperren in diesen Gebieten. Seit August gab es bereits 52 Sperren, von denen 1,5 Millionen Menschen betroffen waren. Wer sich dennoch auf die Straße wagt, und sei es nur, um bereits Verwundete ins Krankenhaus zu bringen, muss mit Erschießung rechnen. Bisher verloren 140 Zivilist_innen ihr Leben. Kein Tag vergeht, an dem die kurdischen Nachrichten nicht von toten Jugendlichen berichten, kein Tag, an dem die türkischen Medien nicht von angeblich kurdischen Terroristen sprechen.


Am 28. November wurde der kurdische Anwalt Tahir Elçi auf offener Straße in Diyarbakir erschossen, unmittelbar nachdem er bei einer Pressekonferenz erklärte, dass die PKK für ihn keine Terrororganisation sei und er wegen seiner Meinung viele Todesdrohungen bekomme. Obwohl die Schießerei gefilmt wurde, ist bis jetzt nicht klar, wer Elçi tatsächlich ermordet hat. Doch eins steht fest: Er wurde ermordet, weil er die Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung anprangerte – ob nun durch die türkische Regierung oder faschistische Banden.


In den letzten Tagen ist die Lage weiter eskaliert. Auf eine Ausgangssperre folgt die nächste und Panzer rollen durch die Straßen von Diyarbakir, wovon besonders die Nacht vom 14. zum 15. Dezember bisher am beunruhigendsten war. Der türkische Staat forderte per SMS Lehrer_innen und auch Gesundheitspersonal dazu auf, die kurdischen Städte zu verlassen und in ihre türkischen Heimatstädte zu fahren. Diesem Aufruf folgten viele; nur organisierte Gewerkschafter_innen und Kurd_innen blieben vor Ort, da die Gewerkschaften DISK und KESK in den Regionen zum Streik aufgerufen hatten. In der Türkei ist es gängige Praxis, regierungsnähere Türk_innen als Lehrer_innen in kurdische Städte zu schicken. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Lehrplan eingehalten wird und keine kontroversen Themen diskutiert werden. Nebenbei werden Schulen als Stützpunkte der Armee und als Waffenlager genutzt. Dies führt daher in der kurdischen Bevölkerung zu einer berechtigten Angst vor einem Massaker, bei dem es möglichst wenig Zeug_innen geben soll.


Regierungschef Ahmed Davutoglu ließ verlauten, dass auch er nicht von Ausgangssperren begeistert sei, diese jedoch dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen würden. Wenn es erforderlich sei, so fuhr er fort, würde man jedoch Haus für Haus „von Terroristen säubern“.
Sein Zynismus kennt kaum Grenzen. Seiner Logik zufolge bedrohen nicht Angriffe der Armee die Zivilist_innen, sondern dass die PKK Wohnhäuser als Stützpunkte nutzen könnte und somit die dort Wohnenden gefährden würde.


Gleichzeitig dürfen aber auch die strategischen und politischen Defizite der PKK nicht übersehen werden. Sie ist nach wie vor keine irgendwie demokratisch organisierte Kampfstruktur, die tatsächlich den kurdischen Befreiungskampf zu einem Ziel führen könnte. Der Personenkult um Abdullah Öcalan wird nach wie vor aufrecht erhalten; kurdische Jugendliche riskieren Repressionen durch den türkischen Staat, wenn sie Kundgebungen für den Inhaftierten organisieren, ohne dass dadurch ein tatsächlicher Fortschritt erlangt werden kann. Vor allem aber hat diese Partei letztlich keine andere strategische Option als irgendwie den gescheiterten „Friedensprozess“ wiederzubeleben.


They only call it class war when we fight back

Die aktuellen Ereignisse zeigen auch deutlich, dass es nach wie vor eine tiefe Spaltung im Land zwischen Ost und West, zwischen Land und Stadt, zwischen Kurd_innen und Türk_innen gibt – auch in der Linken. Die bis vor kurzem noch hoffnungsvoll betrachtete HDP äußert sich kaum zu den Geschehnissen, ruft symbolisch zum Frieden auf, ohne die Schuldigen des Krieges zu benennen und praktische Schritte zu unternehmen. Einige ihrer Abgeordneten fuhren in die betroffenen Gebiete und wurden ebenfalls von Sicherheitskräften angegriffen. Diesem folgt jedoch nicht mehr als eine empörte Rede im Parlament, welche die Mehrheit der AKP-Abgeordneten wohl recht wenig interessiert.


Die HDP beweist nun traurigerweise, was viele Linke und sozialistische Gruppen über sie sagen: sie sei ein Wahlbündnis gewesen und mehr nicht. Was sie jetzt fordern sollte, sind der sofortige Abzug des gesamten türkischen Militärs aus dem Osten des Landes sowie die Einstellung der Angriffe auf Syrien und den Irak. Eine politische und soziale Alternative muss her; die von der PKK verfolgte Guerilla-Taktik alleine wird die Spaltung des Landes nicht überwinden, geschweige denn stellt sie ein wirklich effektives Mittel gegen die hochgerüstete türkische Armee dar.


Demokratische Selbstverteidigungsstrukturen der Bevölkerung – von Kurd_innen bis Türk_innen – müssen gegründet werden, um sich dem Staatsterror der Erdogan-Regierung entgegenzustellen. Dies kann jedoch nur ein kurzfristiges Mittel darstellen im Kampf gegen die Regierung. Die türkischen wie kurdischen Arbeiter_innen und Jugendlichen müssen eine revolutionäre politische Alternative in Form einer revolutionären Arbeiter_innenpartei aufbauen. Diese könnte auch den kurdischen Widerstand im Osten mit dem Westen des Landes effektiv verbinden und so die Stützen des Erdogan-Regimes wirklich erschüttern, den Kampf zu dem machen, was er ist: nicht nur ein Kampf der Kurd_innen gegen die AKP-Regierung, sondern ein Kampf der Arbeiter_innenklasse gegen ihre Unterdrücker.





NPD: Verbieten oder zerschlagen?

Nachdem das NPD-Verbot im März zuletzt gescheitert ist, war am 7. Dezember ein Antrag des Bundesrates beim Verfassungsgericht erfolgreich. Nun wird wieder über das Verbot der NPD verhandelt. Viele Linke sehen dies als Erfolg im Kampf gegen den Faschismus an. So äußerte sich die Linkspartei 2013 positiv gegenüber dem NPD-Verbotsverfahren und sagte dazu, dass es „dringend erforderlich“ sei. Doch ist das wirklich so? Sollen Linken wirklich für ein Verbot von Parteien durch den bürgerlichen Staat eintreten?


Was würde ein NPD-Verbot bringen?


Natürlich hätte das Verbot der NPD eine Auswirkung auf die Strukturen der Rechten. Sie würden ihre Häuser, Druckereien, die auch von anderen rechten Gruppen genutzt werden, und andere Geldwerte verlieren. Aber es würde ihre Organisation nicht endgültig zerschlagen. Nachfolgeparteien wie „Die RECHTE“, die vor allem in Dortmund stark ist, oder „Der III-Weg“, eine Partei, die aus dem verbotenen „Freien Netz Süd“ hervorgegangen ist, stehen schon bereit. Auch ihre Aktivist_innen würden sich politisch nicht zurückziehen, sondern umorientieren. Viele sind schon zur AfD oder zu kleineren Gruppen der Neuen Rechten abgewandert.


Angriff auf demokratische Rechte


In Deutschland besteht laut dem Grundgesetz Art 21, Abs. 2 die Möglichkeit, Parteien zu verbieten, „die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“. Das heißt konkret, dass alle Parteien verboten werden können, wenn das Bundesverfassungsgericht nach einem Antrag der Bundesregierung, des Bundesrats oder des Bundestags zu dem Schluss kommt, dass eine Partei verfassungsfeindlich ist. Dies trifft auf so gut wie alle linksradikalen Organisationen und auch Teile der Linkspartei zu.
Bis jetzt gab es in Deutschland zwei Parteienverbote. Im November 1951 wurde auf der oben beschriebenen Rechtsgrundlage die „Sozialistischen Reichspartei“, einer Nachfolgeorganisation der NSDAP, verboten. Im Jahr 1956 wurde auf derselben Rechtsgrundlage die größte linke Organisation, die KPD, verboten, ihre Mitglieder politisch verfolgt und eingesperrt. Dies stellte einen klaren Angriff auf die Rechte der Arbeiter_innen und auf die „Demokratie“ dar. Es verdeutlicht, dass die bürgerliche Demokratie keine Demokratie, sondern eine Diktatur des Kapitals ist, die, wenn sie es für nötig hält, mit aller Kraft gegen Linke vorgeht.


Heuchelei


Die Appelle von Seiten einiger linken Organisationen an den bürgerlichen Staat, er solle doch die NPD verbieten, bleiben bloße Illusionen. So beschränkte sich der „Kampf“ gegen die NPD von Seiten der Bundesregierung bis jetzt nur darauf, ein paar Anträge beim Bundesverfassungsgericht zu stellen. Im Gegensatz zu einem effektiven Kampf gegen die NPD, wurde diese durch V-Männer und V-Frauen in verschiedenen Orten komplett aufgebaut, sie wurde mit Geld aus der Parteienfinanzierung unterstützt und ihre rassistischen und LGBTQ-feindlichen Aufmärsche von den Bullen immer wieder durchgeprügelt.

Man kann also nicht davon sprechen, dass die NPD je entschlossen bekämpft wurde. Eher kann davon ausgegangen werden, dass der Staat als Handlanger des deutschen Kapitals kein Interesse daran hat, rassistische bis hin zu faschistische Kräfte vollkommen zu bekämpfen. Solche Kräfte können in Zeiten einer starken wirtschaftlichen Krise von hohem Nutzen sein, um den Kapitalismus zu retten. Hierfür müssen wir nicht weit in der Geschichte zurück gehen. Die derzeitigen Ereignisse in der Ukraine zeigen deutlich auf, dass die „demokratischen“, „westlichen“ Regierungen auch in der heutigen Zeit, kein Problem damit haben, faschistische Strukturen zu unterstützen und anzuerkennen, wenn es dem Kapitalismus und der jeweiligen Kapitalistenklasse dient.


NPD zerschlagen statt verbieten


Wir glauben nicht, dass linke Organisationen Illusionen in den bürgerlichen Staat verbreiten sollten. Aber eine Forderung nach einem NPD-Verbot tut genau dieses. Es erschafft die Illusion, dass ein kapitalistischer Staat wie Deutschland ein ausreichendes Mittel im Kampf gegen den Faschismus sei. In erster Linie muss rassistischen sowie faschistischen Ideologien in der Gesellschaft massenhaft entgegen getreten werden. Wir treten daher dafür ein, im Kampf gegen Organisationen wie der NPD, AfD und der PEGIDA-Bewegung, ihnen durch Massenmobilisierungen der Arbeiter_innenklasse auf der Strasse entgegenzutreten. Um ihnen aber nicht nur punktuell bei Aufmärschen effektiv Paroli bieten zu können, schlagen wir den Aufbau von lokalen Selbstverteidigungsorganen im Betrieb, der Schule und in jedem Stadtteil vor. Diese Selbstverteidigungsorgane bieten einerseits die Möglichkeit, sich vor Übergriffen von Rassist_innen und Faschist_innen zu schützen. Andererseits ermöglicht es auch, in die Offensive zu gehen und Mobilisierungen und Veranstaltungen dieser Organisationen zu unterbinden. Nur so können wir der Ideologie und menschenverachtenden Propaganda dieser Organisationen entgegentreten. Ein formales Verbot auf dem Papier hat hier keinerlei Wirkung.


von BEN ZIMMER

Nazis heben die Hand zum Gruß




Brutaler rassistischer Angriff in Witzenhausen bei Göttingen

Am Dienstag, den 10. November, wurde ein 20-jähriger, der offenbar aufgrund seines Äußeren für ein Refugee gehalten wurde, in Witzenhausen Opfer eines brutalen rassistischen Angriffs. Er war gegen 23.20 Uhr auf dem Nachhauseweg zwischen Witzenhausen und einem nahe gelegenen Dorf. Außerhalb der Stadt wurde er an einer dunklen, abgelegenen Stelle auf einem Feldweg von drei unbekannten Jugendlichen zuerst nach Feuer gefragt, um dann unmittelbar mit der Aussage „Euch Scheiß-Kanaken sollte man alle aufschlitzen!“und mit einer abgebrochenen Bierflasche angegriffen zu werden. Er erlitt dabei Schnittverletzungen im Gesicht und an den Armen. Noch am Boden liegend wurde auf ihn eingetreten. Nur dank 6-jähriger Kampfsporterfahrung konnte er sich aus der Situation retten. Hätte er das Bewusstsein verloren, so wäre er vermutlich erst am nächsten Tag dort gefunden worden.

Kein Einzelfall

Der Angriff von 10. November ist kein Einzelfall: bereits im August diesen Jahres ereignete sich ein rassistischer Angriff auf dem Erntefest in Witzenhausen. Im Beisein von hunderten feiernden Menschen wurde eine Gruppe von Flüchtlingen zuerst rassistisch beleidigt und ihr Betreuer anschließend bewusstlos geschlagen. Niemand mischte sich ein.
Diese Übergriffe reihen sich in eine massiv steigende Zahl von rassistischen Übergriffen in ganz Deutschland ein. Bereits bis Ende September gab es laut BKA 461 rassistische Übergriffe auf Geflüchtete in Deutschland, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist.

Die rassistische Saat, die von CDU/CSU, AfD und faschistischen Parteien gesät wird, geht auf. SPD und Grüne formulieren ihren Rassismus zwar freundlicher, stimmen den reaktionären Gesetzen und Kontrollen aber genauso zu. Während das Asylgesetz verschärft wird, die Grenzen teilweise geschlossen werden und massiv gegen Flüchtlinge gehetzt wird, erledigen Faschisten und Rassisten die Handarbeit. Es droht die Entstehung einer bundesweiten rechtspopulistischen und rassistischen Massenbewegung.

Dagegen ist der Aufbau einer Einheitsfront aller Organisationen der ArbeiterInnenklasse nötig! Nur eine Bewegung aus Refugees, MigrantInnen, Gewerkschaften, Linkspartei, SPD, antifaschistischen Organisationen und engagierten FlüchtlingshelferInnen kann die Rechten in Regierung und auf der Straße stoppen. Auch wenn wir kein Vertrauen in die Politik von SPD und sozialdemokratischen Gewerkschaftsführungen haben dürfen, die letztlich immer Verschärfungen der Asylgesetze zugestimmt haben, auch wenn die Praxis der Linkspartei an den Regierungen davon wenig unterscheidbar ist, so ist es auch kaum vorstellbar, wie eine Massenbewegung gegen Rassismus ohne die Mitglieder und AnhängerInnen dieser Kräfte aufgebaut werden kann.
Der Übergriff in Witzenhausen hat einmal mehr gezeigt, dass wir uns nicht auf die Hilfe der Polizei verlassen können. Um uns vor faschistischen Übergriffen zu schützen, müssen wir uns in Selbstverteidigungsgruppen und lokalen anti-rassistischen Aktionskomitees organisieren.

Wir unterstützen die antirassistischen Aktionen in Witzenhausen und rufen alle dazu auf, sich zu beteiligen.

Dienstag, 17. November, 15-18 Uhr: Antirassistische Mahnwache auf dem Marktplatz Witzenhausen

Donnerstag, 19. November, 18 Uhr, Bahnhof Witzenhausen Nord: Antirassistische Demonstration

Mittwoch, 25. November, 19:00 Uhr, TransitionTown-Haus, Brückenstraße
20, Witzenhausen. Offenes Treffen von REVOLUTION: Wie weiter gegen staatlichen Rassismus und faschistische Angriffe?

Rassismus Witzenhausen




Schul- und Unistreik: 6 Fragen – 6 Antworten

1. Was haben Schüler_Innen mit der Geflüchtetenbewegung zu tun?

Für einige mag es unlogisch scheinen, dass Schüler_Innen einen Streik für die Geflüchteten organisieren. Doch ist es nicht selbstverständlich, dass wir die Situation und die aktuellen Lebensbedingungen vieler Geflüchteter als empörend empfinden? Vielen der jungen Geflüchteten wird der Zugang zu den Schulen verwehrt. Wenn sie zur Schule gehen dürfen, sind sie auch dort vom alltäglichen Rassismus betroffen. Sie leben in ständiger Ausgrenzung und mit der Angst vor Abschiebung. Mit jeder neuen Asylrechtsverschärfung wird es wichtiger, sich den rassistischen Gesetzen und Bewegungen entgegenzustellen.

Doch auch migrantische Jugendliche, die hier geboren wurden sind von Rassismus betroffen. Kinder aus Familien, die in dritter Generation hier leben, müssen sich oft noch Sorgen um ihren Aufenthaltsstatus machen. Viele demokratische und bürgerliche Rechte bleiben ihnen verwehrt.

Sie dürfen nicht wählen, haben schlechtere Bildungschancen und eine oft unzumutbare Perspektive. Dagegen sollten wir uns als Schüler_Innen, egal welcher Herkunft, gemeinsam, solidarisch und internationalistisch organisieren. Insbesondere uns Jugendliche sollte doch die Zukunft interessieren. Wir haben allen Grund, gemeinsam mit den Geflüchteten gegen die unzumutbaren Umstände, unter denen sie leiden, auf die Straße zu gehen und die Ursache der Flucht zu erkennen und zu bekämpfen – das kapitalistische System.

2. Wie können wir die Bewegung unterstützen und den Streik zu einem Erfolg machen?

Als erstes können wir Aufmerksamkeit erregen. Es kann klein beginnen. Mit Diskussionen im Unterricht oder einfach dadurch, dass wir Mitschüler_Innen über den Streik, die Forderungen und die Situation der Geflüchteten informieren. Dafür gibt es Aufrufe unterschiedlicher Organisationen und des Bündnisses („Refugee Schul- und Unistreik“, an dem auch wir uns beteiligen), das für diese Aktion mobilisiert. Tretet in Kontakt mit dem Bündnis und lasst euch von Aktivist_Innen wie uns dabei helfen, an eurer Schule für den Streik zu werben. Dafür ist es sinnvoll, die Gesamtschüler_Innenvertretung zu nutzen. Wenn diese den Streik unterstützt, sollte sie eine Vollversammlung aller Schüler_Innen organisieren, auf der über die Ziele und die Organisierung der Aktion diskutiert werden kann. Am Besten ist es, wenn ihr auch ein Aktionskomitee aller Unterstützer_Innen an eurer Schule organisiert. Dort können politische Fragen diskutiert und weitere Aktionen geplant werden. Organisiert einen Stand, einen Projekttag, verteilt Flyer an eurer und anderen Schulen in der Nähe. Außerdem kann das Aktionskomitee ein guter Ort für Vernetzung mit anderen Schüler_Innen und linken Aktivist_Innen sein. Das Aktionskomitee kann auch gemeinsam gegen Drohungen und Repressionen seitens der Schulverwaltung oder der Schulleitung vorgehen.

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3. Warum streiken wir während der Schulzeit?

Die häufigste Aussage, die sich streikende Schüler_Innen von Eltern oder Lehrer_Innen anhören müssen, ist, dass eine Demonstration während der Schulzeit nur faule Schüler_Innen motivieren würde, die Schule zu schwänzen und sich einen schönen Tag zu machen, obwohl sie sich für die Forderungen gar nicht interessieren. Eine Aktion am Nachmittag oder am Wochenende würde doch ebenfalls Aufmerksamkeit erregen etc.

Aber: Eine politische Aktion außerhalb der Schul/Arbeitszeit ist kein Streik!

Wir tun dies, um den „normalen Betrieb“ außer Gang zu setzen. Denn wir wollen gegen die schlechten Bedingungen, unter denen die Geflüchteten leben, die Schulen bestreiken, deren Besuch ihnen verwehrt bleibt. Der Streik ist das beste Mittel, um politischen Druck aufzubauen. Gleichzeitig organisieren sich Schüler_Innen bewusst: Für ihre Forderungen, für die Forderungen der Geflüchteten und gegen den Senat, der uns am Streiken hindern will.

4. Dürfen Schüler_Innen streiken?

Das undemokratische Streikrecht in Deutschland verbietet politische Streiks für Arbeiter_Innen, um die Kapitalist_Innen und Politiker_Innen vor ihrer Macht zu schützen. Für Schüler_Innen gibt es kein Recht, aber auch kein Verbot zu streiken.

Im Grundgesetz ist das Recht auf freie Meinungsäußerung festgehalten, sowie das Recht, politische Forderungen mit Demonstrationen auf die Straße zu tragen. Natürlich versuchen die Regierung und die Bürokrat_Innen aus der Schulverwaltung, uns von unserem Protest abzuhalten. Doch umso besser wir organisiert sind, desto schwerer wird es ihnen fallen, uns daran zu hindern. In Spanien erkämpften Studierende ein offizielles Streikrecht – durch einen Streik! Einen Finger kann man brechen, aber fünf Finger sind eine Faust. Also lasst uns massenhaft organisieren und den Streik so groß wie möglich machen.

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Material gibt’s in den Buchläden „Schwarze Risse“ und „zur schwankenden Weltkugel“

5. Darf mein_e Lehrer_In mir eine Sechs geben?

Da wir als Schüler_Innen in Deutschland noch kein Streikrecht besitzen, kann der Streik wie ein unentschuldigter Fehltag und somit als „Sechs“ gewertet werden. Ihr solltet euch dadurch jedoch nicht an der Teilnahme am Streik hindern lassen.

Wir treffen eine politische Entscheidung, wenn wir zum Streik gehen. Wir brechen bewusst die Regeln eines Staates, der unsere Freunde und Mitschüler_Innen diskriminiert und zurück in Kriegs- und Krisengebiete deportiert.

Die Gewerkschaft der Lehrer_Innen (GEW) unterstützte in der Vergangenheit immer den Streik, dein_e Lehrer_In sollte es auch tun. Viele Schüler_Innen sind während der Lehrer_Innenstreiks für höhere Löhne zusammen mit ihnen auf die Straße gegangen. Das sollten die Lehrer_Innen nun auch mit uns Schüler_Innen tun. Aber falls du Lehrer_Innen hast, die euch mit Strafen drohen, dann mache das öffentlich oder kontaktiere uns. Im Grunde gilt das gleiche wie bei der Frage, ob wir überhaupt streiken dürfen. Wenn du einen Test an dem Tag hast und unentschuldigt fehlst, weil du streikst, könntest du eine Sechs bekommen.

Aber können diese Lehrer_Innen einer ganzen Klasse eine Sechs geben oder sie alle als unentschuldigt einschreiben? Die Erfahrung zeigt, dass das nicht möglich ist. Androhungen von „Tadeln“ sind unberechtigt. Genauso wenig haben Direktoren oder Lehrer_Innen das Recht, dich am Verlassen des Schulgeländes zu hindern. Außerdem können dich deine Eltern auch aus politischen Gründen vom Unterricht entschuldigen. Das Argument der Aufsichts- und Schulpflicht gilt dann nur bedingt, denn es gibt auch ein im Grundgesetz verankertes Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

6. Ich habe gehört, dass der Streik von „linksradikalen Gruppen“ vereinnahmt wird. Stimmt das?

Es stimmt, dass linke Organisationen, Aktivist_Innen und Gewerkschafter_Innen den Streik mit organisieren. Die meisten der Organisator_Innen sind Jugendliche, Schüler_Innen, Auszubildende oder Studierende wie du. Auch du hast die Möglichkeit, dich an der Organisation der Streiks zu beteiligen, ob du in einer Gruppe organisiert bist, oder als Einzelperson. Aber die eigentliche Frage ist doch, ob dieser Streik berechtigt ist? Ist es falsch, gegen Abschiebung und gegen das rassistischen Asylgesetze zu demonstrieren? Ist es falsch, für gleiche demokratischen Rechte, ein Recht auf Arbeit und gute Bezahlung der Geflüchteten auf die Straße zu gehen? Warum organisieren denn diejenigen – ob Presse, Politiker_Innen oder möglicherweise einige Lehrer_Innen von dir – die das sagen, keinen Protest für die Geflüchteten? Sie tun das nicht, weil sie entweder nichts an der Situation ändern wollen oder weil sie selbst die rassistischen Gesetze unterstützen. So verbreitet die Springer-Presse den Rassismus herrschender Parteien völlig kritiklos. Aber wenn Linke und Kommunist_Innen wie wir, gegen diese menschenverachtende Politik demonstrieren, dann „vereinnahmen“ wir „die Jugendlichen“.

Dass einige den Protest als Vereinnahmung darstellen, zeigt nur, dass sie Schüler_Innen nicht zutrauen, eine eigene politische Meinung zu haben. Wir hingegen finden es gut, wenn sich Jugendliche politisch organisieren. Wir halten alle Schüler_Innen für fähig, sich ein eigenes Bild zu machen. Ganz im Gegenteil zu den Politiker_Innen, der rechten Presse und den Kapitalist_Innen, die sich gerade davor fürchten, dass wir eine eigene Meinung haben.

Wenn ihr also die Inhalte des Streiks gut findet, dann geht am 19.11. zusammen mit uns auf die Straße. Wenn ihr unsere Artikel interessant findet, dann macht euch selber ein Bild
über uns und besucht unsere Ortsgruppentreffen.

Ein Artikel von (Urspr. Georg Ismael), REVOLUTION-Berlin

REVOLUTION-Plenum, jeden 1. und 3. Dienstag des Monats ab 17 Uhr; jeden 2. und 4. Dienstag des Monats um 18 Uhr in der Admiralstraße 17 (nähe U-Bhf. Kotbusser Tor) in den Räumen der KPD-RZ







Austrittsschreiben: Fulda stellt sich quer

Letzten Winter hat sich in Fulda als Antwort auf einen drohenden PEGIDA-Ableger das Bündnis „Fulda stellt sich quer (FSSQ)“ gebildet. Dies begrüßten wir und waren von der Dynamik sehr erfreut, die z.B. dazu führte, dass eine antirassistische Großdemo in Fulda stattfand und „FUGIDA“ nie real aktiv wurde. Allerdings kritisierten wir von Anfang an die undemokratischen und intransparenten Strukturen des Bündnisses. Diese Tendenzen haben sich immer weiter verschärft sodass sich mittlerweile ein Großteil derer, die eigentlich in FSSQ selber aktiv werden wollte, resignierst zurückgezogen haben. Auch wir sehen uns nach den Geschehnissen, vor allem der vergangenen Wochen, genötigt Konsequenzen zu ziehen. Wir möchten diese nun trotzdem nochmal aus unserer Sicht schildern.

Bündnispolitik

Anfang Mai diesen Jahres veröffentlichten wir bereits unser Verständnis einer Bündnispolitik und eine solidarische Kritik an „Fulda stellt sich quer“ auf das es leider nie eine richtige Reaktion gab:
„Welche Bündnispolitik?
Zunächst wollen wir unser Verständnis von Bündnispolitik darlegen: Unserer Meinung nach sollten Bündnisse sich auf konkrete Aktionen (z.B. Demos) verständigen. Diese aktionistische Einheit bedeutet nicht, dass das eine politische Einheit ist. Politisch herrschen in Bündnissen stets Differenzen über verschiedene Fragen, Strategien und Ziele – ansonsten könnten wir ja alle in einer gemeinsamen Organisation sein und bräuchten gar kein Bündnis. Da das aber nicht so ist, ist es unbedingt notwendig Differenzen zu diskutieren und klar Kritik üben zu können. Ein weiteres, elementares Element eines Bündnisses ist die Demokratie und die daraus resultierende Transparenz. Gewählte Personen für Aufgaben sollten rechenschaftspflichtig sowie jederzeit wähl – und abwählbar sein. Auf Treffen müssen Protokolle geführt werden, um Entscheidungen nachvollziehbarer zu machen.
Dies schließt jedoch nicht aus, gemeinsame Forderungen und Ziele zu formulieren, aber es sollte vermieden werden, die eigene Politik zugunsten gemeinsamer, schwammiger Positionen aufzugeben. Da dieses Verwaschen von Positionen leider bei dem Aufruf zur Demo im Januar stattfand, unterstützten wir ihn nicht – dennoch beteiligten wir uns am Bündnis, sowie lautstark an der Demo
(…)
Die Aufrufe sind nicht demokratisch angesprochen, (…), die für Aufrufe verantwortlichen Personen wurden nie gewählt, genauso wenig wie bei Bündnistreffen nie Personen für Aufgaben (Homepage, Demoanmeldung) gewählt wurden und bei den Treffen auch nie eine gewählte Redeleitung oder Protokollführung existierte. Es stellt sich die Frage, aus wem das Bündnis FSSQ überhaupt real besteht.“

Versuch einer antirassistischen Demo

Das führte von Anfang an dazu, dass kaum jemand der Aktivistinnen und Aktivisten wirklich das Gefühl hatte, dass eine antirassistische Bewegung in Fulda entsteht, an der jede Person teilhaben und aktiv mitgestalten kann. Entsprechend inaktiv war der Großteil des Bündnisses in der Folgezeit.
Trotz alledem wollten wir das Bündnis weiterhin als Plattform für Mobilisierungen nutzen. Angesichts der sich immer weiter verschärfenden Flüchtlingsfrage und des deshalb durch Politik und Medien geschürten Rassismus hatten wir Anfang September die Idee am Tag der Geflüchteten eine Demo in Fulda zu veranstalten. Sie sollte Forderungen wie „Bleiberecht für alle“ oder „Volle Bürgerrechte für Geflüchtete“ in die Öffentlichkeit tragen. Auf dem kurz darauf folgenden Bündnistreffen einigten wir uns darauf eine Demo zu veranstalten. Was uns sehr irritierte und verärgerte war, dass vom Hauptinitiator nicht alle Bündnisteilnehmer auf das Treffen geladen waren, um sich unbequeme Diskussionen zu ersparen. Auch wurde kein Protokoll verschickt, um die anderen Gruppen in Kenntnis zu setzen und sie an der Planung teilhaben zu lassen. Es wurde uns z.B.versichert, dass „Welcome In“ Teil des Bündnisses ist, deren Mobilisierungskraft vor allem unter Flüchtlingen für ein derartiges Vorhaben unerlässlich ist. Dies war aber nicht der Fall. Besonders deutlich wird der Alleingangcharakter des Bündnisses durch den Hauptinitiator bei der Tatsache, dass es nun plötzliche doch eine antirassistische Demo in Fulda geben soll. An der werden wir uns trotz alledem beteiligen.

Fulda stellt sich quer Logo

Fulda stellt sich quer Logo

Passivität, Resignation

In der Folgezeit erfuhren wir, dass sich bereits viele Gruppen und Einzelpersonen aufgrund der untragbaren Zustände, die wir bereits seit langem kritisierten, von dem Bündnis losgesagt hatten. Der Hauptinitiator weigerte sich darüber hinaus die Bündnisteilnehmer über ein geplantes Organisationstreffen für die Demo einzuladen, obwohl dieses Treffen Beschluss des Bündnistreffens war. Plötzlich wollte dieser mit der Demo selber nichts mehr zu tun haben. Jegliche Hilfe durch die Strukturen von FSSQ wurde blockiert. Wegen dieser vollkommen verfehlten Informationspolitik und der beschriebenen Blockadehaltung konnten kaum Menschen erreicht werden und die Planung und Mobilisierung musste von uns abgebrochen werden.

Die ganze Zeit der Existenz von „Fulda stellt sich quer“, besonders aber der Versuch eine Demo zu organisieren, hat bewiesen, dass ein Bündnis mit undemokratischen und intransparenten Strukturen keine organisationsübergreifende und Einzelpersonen einschließende Praxis von Aktivistinnen und Aktivisten entwickeln kann. Letztlich lief es immer darauf hinaus Aktionen des Hauptinitiators mitzutragen oder eben nicht. Raum für eigene Ideen, Kritik und eine gemeinsame Umsetzung gab es nie. Unsere Versuche darüber einen Diskussionsprozess anzustoßen und die Strukturen zu ändern hatten aufgrund der geringen Resonanz und der Egozentrik des Hauptinitiators keinen Erfolg. Somit war und ist FSSQ leider eher ein Hindernis im Aufbau eines antirassistischen Bündnisses, was den Namen „Bündnis“ auch verdient.

Konsequenzen und Perspektive

Deshalb tritt „REVOLUTION Fulda“ aus FSSQ aus. Wir werden keine Versuche mehr unternehmen in das Bündnis hineinzuwirken. Trotzdem wollen wir weiterhin von FSSQ organisierte Mobilisierungen gegen Rassismus und für Toleranz gegenüber Flüchtlingen in Fulda unterstützen.

Die Dynamik, die das Bündnis einst ins Rollen brachte und dann abwürgte, hat aber gezeigt, dass es in Fulda viele Organisationen und Einzelpersonen gibt die sich mit vielfältigen Aktionen für Geflüchtete und gegen Rassismus engagieren wollen. Für diese Menschen braucht es eine gemeinsame, offene Aktionsplattform. Der Zerfall von FSSQ setzt den Aufbau einer solchen Struktur auf die Tagesordnung. Der gewaltsame Hass gegen Andersdenkende nimmt in Deutschland Tag für Tag zu. Lasst uns diese Plattform in Fulda gemeinsam aufbauen!




Flucht und Imperialismus: Ein unlösbares Problem?

Simon Halter und Christian Gebhardt

In Europa befindet sich Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus und Rechtspopulismus seit einigen Jahren im Aufwind. Neben den etablierten Parteien wie der Front National in Frankreich, Vlaams Belangs in Belgien oder Jobbik in Ungarn, befindet sich auch die Rechte in Deutschland rund um die Alternative für Deutschland, PEGIDA, HoGeSa etc. in einer Umgruppierung und sucht nach Stabilität. Neben einem EU-kritischen Kurs, bietet auch die Flüchtlingsthematik seit einiger Zeit diesen Kräften eine Bühne um ihre Positionen und Einfluss zu verbreitern.

Derzeit befinden sich über 50 Millionen Menschen auf der Flucht und die Weltgemeinschaft auf der Suche nach einer Lösung. Dieses internationale Problem, hervorgerufen und befeuert durch die aufkommenden Krisenherde in der Welt, verlangt nach einer deutlichen und tiefgreifenden Lösung und kann nicht mit einmaligen Aktionen und Solidaritätsbekundungen aus der Welt geschafft werden. Der Imperialismus und seine zunehmenden innerimperialistischen Konflikte ist der zugrundeliegende Rahmen in welcher diese Lösungsansätze aus Sicht der internationalen Arbeiter_innenklasse gesucht werden muss.

Deutschland…

Hatte die deutsche Bourgeoisie sowie die deutsche Regierung noch Möglichkeiten die Krisenauswirkungen von 2008/2009 in Deutschland kleinzuhalten, treten nun durch die zunehmende EU-Krise sowie die Flüchtlingsströme Krisenauswirkungen auf, welche in einem national-protektionistischen Rahmen nicht mehr bewältigt werden können. Durch seinen imperialistischen Charakter versucht Deutschland mit seiner Politik die Stellung der deutschen Großkapitalisten gegenüber ihren Kontrahenten, in Europa auszuweiten. Diese Politik für die „Großen“, lässt die „kleinen“ Kapitalisten sowie das Kleinbürgertum im Regen stehen. Diese Umstände bereiteten das Aufkommen der AfD, bereitete die soziale Basis der PEGIDA-Bewegung vor und führte in gewissen Teilen der Bevölkerung zu einem Rechtsruck. Auf der anderen Seite bot die deutsche Linke, von der Sozialdemokratie über die Linkspartei bis hin zur radikalen Linken keinerlei Perspektive.

Im Moment sind die rassistischen Bewegungen rund um HoGeSa, PEGIDA und Co. nicht vergleichbar mit noch vor Ende letzten Jahres, jedoch heben sich radikaler Teile der Bewegung mit direkten Angriffen auf Geflüchtete hervor. Zählte die Polizei allein für das Jahr 2015 über 500 rassistische Übergriffe. Sachsen hebt sich besonders negativ hervor, gibt es dort im Schnitt täglich einen rassistischen Aufmarsch, einen Brandanschlag oder eine körperliche Tätigkeit.

Die (bis jetzt) traurigen Höhepunkte stellen Freital und Heidenau dar. Dort konnte der rassistische Mob offen Unterkünfte von Refugees angreifen, während die Polizei nicht genügend Leute da hatten und die (radikale) Linke sich im Totalversagen übte.

Auch die bundesweite Politik nimmt immer weiter rassistische Züge an, auch wenn sich Merkel kurzeitig mit ihrer initiierten “Willkommenskultur” bundesweit wie auch international hat feiern lassen. Wir dürfen nicht vergessen, dass während Spekulanten ganze Straßenzüge leer stehen lassen, Refugees in überfüllte Zeltlager oder Heimen untergebracht werden ohne auf ihre körperlichen wie geistigen Bedürfnisse einzugehen. Gesetze wie die Residenzpflicht, welches besagt, dass Geflüchtete sich nur in einem bestimmten Gebiet aufhalten dürfen oder das Verbot ihre Arbeitskraft zu verkaufen, sind rassistisch und werden mit aller Konsequenz, bis hin zur Abschiebung in Kriegsgebiete durchgesetzt. „Willkommen“ geht anders.

Die Festung Europa zerschlagen!

… und Europa

Während die EU die Grenzen um Europa immer schneller und aggressiver schließt und verbarrikadiert, suchen Refugees aus z.B. Syrien über den Landweg nach immer neuen Möglichkeiten ihren Situationen zu entkommen. Mazedonien gilt dabei als gutes „Schlupfloch“, da Griechenland die Grenze nicht mehr „sichern“ kann.

In der Stadt Gevgelija an der südöstlichen Grenze zu Griechenland überquerten 1500 Refugees die Grenze nach Mazedonien. Dabei kam es zum ersten Mal dazu, dass die Polizei versuchte die Geflüchteten mit Blendgranaten, Tränengas und nach Angaben mancher Quellen auch mit Schüssen aufzuhalten. Dies wiederholte sich nun erneut an der serbisch-ungarischen Grenze. Um das Land nicht von Geflüchteten „überschwemmen zu lassen“, baute Ungarn kurzerhand einen Zaun rund um seine Grenzen auf. So wurde es ganz deutlich, dass das offene und grenzfreie Europa nur für das Kapital in letzter Instanz gilt. Für Menschen in Not, gilt dies nicht. Jedoch gelangen immer mehr Menschen dennoch über die Grenzen. Entweder in dem sie massenhaft die Grenzkontrollen versuchen zu stürmen oder in Einzelaktionen die Zäune zerstören und sich einen Weg nach Europa bahnen. Die nächste Antwort der europäischen Regierungen ist das Einstellen des Zugverkehrs sowie das Aufheben des Schengenabkommens. Immer mehr Länder (allen voran Deutschland) beginnen ihre Grenzkontrollen zu verstärken um Refugees auf ihrer Flucht zu behindern. Dies zeigt ganz deutlich, dass die kapitalistischen europäischen Staaten Europas keinerlei Interesse daran haben die Flüchtlingskrise wirklich im Sinne der Geflüchteten zu lösen. Zu aller erst stehen die Interessen des Nationalstaates im Vordergrund.

Europas „Flüchtlingspolitik“

Doch die abschreckende und menschenverachtende Flüchtlingspolitik Europas fällt nicht vom Himmel. Noch zu Zeiten von Gaddafi (ehemaliges Staatsoberhaupt in Libyen) und vor seinem Sturz 2011, hatte Italien ein Abkommen mit Libyen. Dies beinhaltete, dass Gaddafi sich um das „Problem kümmert“ und im Gegenzug ca. 200 Mio. Euro pro Jahr bekam. Europas Hände waren somit rein, Gaddafi hielt Refugees in Nordafrika gefangen, brachte sie in die Wüste und lies sie dort sterben.

Nach dem Sturz Gaddafis musste Europa handeln und verstärkte seine Grenzsicherungseinheiten, FRONTEX im Oktober 2011. FRONTEX dient offiziell der Koordinierung der Zusammenarbeit unterschiedlicher EU-Mitgliedsstaaten zum Zweck ihre Außengrenzen zu schützen. Die kürzlich gemachten Erfahrungen mit etlichen ertrunkenen Geflüchteten im Mittelmeer zeigt, dass FRONTEX nicht das Ziel verfolgt Flüchtlinge in ihrer Not zu helfen und sie sicher nach Europa zu bringen. Ganz im Gegenteil. Faktisch lässt FRONTEX Boote versinken, kämpft offensiv gegen Schlepperbanden und hat die Aufgabe, die Wege über das Mittelmeer nach Europa abzuriegeln. Es dient dazu den Fokus auf die Schlepperbanden als Hauptgrund des Unheils der Flüchtlinge zu lenken, anstatt auf die menschenverachtende Politik der EU.

Aber nicht nur praktisch, sondern auch ideologisch wird eine Kampagne gegen Geflüchtete geführt. Hierbei wird versucht, nicht nur die Bevölkerung in den europäischen Staaten und die Flüchtlinge zu spalten, sondern auch die unterschiedlichen Flüchtlingsgruppen untereinander. Hier wird versucht Flüchtlinge in „gute“ Kriegsflüchtlinge oder „böse“ Wirtschaftsflüchtlinge zu spalten. Wie dies Aussehen kann, haben wir schon in Berlin bei der Besetzung des Oranienplatzes gesehen. Hier war es der bürgerlichen Regierung gelungen, die Flüchtlinge in zwei Gruppen zu spalten, was schlussendlich dazu führte, dass ein Teil der Geflüchteten sich wegen wagen Versprechungen gegen einen anderen Teil hat ausspielen lassen. Diesen Spaltungsversuchen müssen wir klar entgegen drehten und hervorheben, dass nur ein gemeinsamer Kampf aller Geflüchteten zusammen mit der europäischen Arbeiter_innenklasse zum Ziel führen kann.

Lage von weiblichen Geflüchteten

Wie viele politische Themen, wird auch die Flüchtlingsthematik aus männlicher Sicht geprägt. In den Medien werden fast ausschließlich männliche Refugees interviewt und auch in den Medien wird häufig dargestellt, dass zum Großteil Männer nach Europa flüchten. Laut UNO sind jedoch 30 % aller Refugees Frauen und ca. 50% Kinder. Die meisten Frauen befinden sich jedoch in großen Refugeecamps außerhalb von Deutschland bzw. Europa und können oft nicht „weiter“flüchten, weil sie ihre Kinder versorgen müssen. Sie bleiben zurück und hoffen das die männlichen Teile ihrer Familie sie später nachholen können.

Neben Fluchtgründe wie Krieg, Folter oder religiöse Verfolgung, gibt es auch einige frauenspezifische Fluchtgründe, die Frauen in die Flucht zwingen, jedoch international nicht als Fluchtgründe anerkannt werden. Hierbei kann Genitalverstümmelung, Zwangsverheirat, Vergewaltigung, Witwenverbrennung, Zwangssterilisation oder Zwangsprostitution als einige Beispiele aufgeführt werden. Auch Frauen, die „kulturellen Normen“ nicht entsprechen oder gegen gewisse Kleiderregeln verstoßen sind oft Repressionen und Folter ausgesetzt. Beispielsweise in Saudi-Arabien, in das Unmengen deutscher Waffen verkauft worden sind, werden Frauen die kein Kopftuch tragen vor Gericht gestellt. Dabei liegt das Strafmaß im Ermessen des Richters und sind nicht selten Peitschenhiebe oder Haftstrafen.

Frauen, die flüchten sind einer deutlich stärkeren Unterdrückung ausgesetzt und brauchen neben dem Anerkennen von frauenspezifischen Fluchtgründen, individuellen Schutz und gesonderte Unterbringung, falls diese gewünscht ist.

Gegenwehr!

Um die Spaltung der Einwohner_Innen und Geflüchteten zu verhindern und sich nicht mit dem einfachen populistischen Argument: „Lieber Geld für Kitas als für Flüchtlinge“ fangen zu lassen, müssen die Kämpfe der Geflüchteten mit den Kämpfen der deutschen sowie europäischen Arbeiter_innenklasse verbunden werden. Die Thematik zeigt deutlich, dass es sich um eine politische Frage handelt, die auch politische Lösungen bedarf. Auch wenn humanitäre Kampagnen und direkte Hilfeleistungen für Refugees wichtig und richtig sind, darf dies nicht der ausschließliche Fokus der Bewegung sein. Die Refugee-Bewegung muss einen Schulterschluss mit den europäischen Arbeiter_innenbewegungen suchen. Die Lösung kann nicht sein, Flüchtlingen durch weiteren Sozialabbau zu helfen und die Arbeiter_innen für die Auswirkungen der kapitalistischen Krise bezahlen zu lassen. Die Krise, Kriege und Auseinandersetzungen, welche Flucht erst notwendig machen, haben die Kapitalisten verursacht, sie müssen dafür auch bezahlen!

Forderungen:
· Öffnung der Grenzen und Bereitstellung sicherer Fluchtmöglichkeiten! Fähren statt FRONTEX! Züge statt Zäune!
· Gegen alle Abschiebungen und „Auffanglager“! Gegen alle Einwanderungsbeschränkungen, „Ausländergesetze“ und Einschränkungen politischer Rechte! Für volle staatsbürgerlichen Rechte für alle!
· Für menschenwürdige Unterkünfte, kostenlose psychische sowie medizinische Betreuung!
· Verbindung der Kämpfe der Arbeiter_innenklasse und den Refugees! Für das volle Organisationsrecht aller Refugees in Gewerkschaften, Parteien sowie Jugendorganisationen der Arbeiter_innenbewegung.
· „Geld für Kitas UND Refugees statt für Banken“! Lasst diejenigen bezahlen, die für die Krise verantwortlich sind! Enteignung der deutschen und europäischen Kriegsmittelindustrie und Verstaatlichung unter Arbeiter_Innenkontrolle.
· Der Selbstschutz muss organisiert werden! Aufbau von Selbstverteidigungsstrukturen in jedem Stadtteil und Landregion aus Arbeiter_Innen, Jugendlichen, Migrant_Innen und Refugees!
· Aufbau und Vorbereitung einer bundesweiten antirassistischen Bewegung! Ein Anfang kann hier der für November geplante Schulstreik in Solidarität mit den Refugees in Berlin sein. Diese Idee sollte bundesweit aufgegriffen und mit den Kämpfen der Refugees und der Arbeiter_innen verbunden werden.




REVOLUTION vor Ort #1

Fulda

Fulda: Kundgebung gegen reaktionären Kongress

Von REVOLUTION Fulda

In Fulda fand vor kurzem der Kongress „Freude am Glauben“ statt. Dabei wurde offen für homo-, bi- und transgenderfeindliche Ideologien geworben. Gegen diesen Kongress hatte sich auch Protest organisiert an welchem REVOLUTION Fulda sich beteiligte. Unter dem Motto „Fulda ist bunt“ hatten sich ca. 30 Menschen versammelt um vor dem Esperanto zu demonstrieren. Gleich am Anfang tauchten einige alte Männer und Pfaffen auf um die Kundgebung mit ihren Kameras zu fotografieren. Unsere Kundgebung begann mit einer guten und informativen Rede, die hauptsächlich aufklären wollte. Es kamen nach und nach jüngere Gläubige und auf Grundlage unseres Flyers, den wir verteilt hatten, kam zu einigen Diskussionen. Einige junge Menschen wollten den Kongress verteidigen und haben sich relativ klar von dem offenen Hetzen gegen LGBTIQ-Personen und auch von Hetze gegen Geflüchtete distanziert, aber die bürgerliche Familie verteidigt und behauptet, dass „man leider nicht alle aufnehmen könnte“.

Auch wenn uns bewusst ist, dass kleine Kundgebungen nicht ausreichend sind um effektiv gegen Diskriminierung von LGBTIQ-Personen zu kämpfen, sehen wir die Kundgebung als kleinen Erfolg an.

Suhl

Suhl: Störaktion gegen den Naziaufmarsch

Von Revolution Berlin/ Fulda

Am 17. August lief Südiga nach ihrer Sommerpause wieder auf. Neben Genoss_innen von REVOLUTION Fulda, waren auch Genoss_innen von REVOLUTION Berlin dabei um gegen die Neonazis zu demonstrieren. Der Kundgebungsort der Nazis war direkt vor einer Aufnahmestelle für Geflüchtete angemeldet, was die Faschisten dazu veranlasste, ihre Reden auf „Englisch“ zu halten. Highlights davon waren: „This ist not anymore funny“, „The money is over“ oder „This Land is insolvent“

Die Gegendemonstration, welche positiverweise von vielen Geflüchteten geprägt war, hatte die Redner der Faschos ausgebuht, beschimpft und mit Parolen wie „Geflüchtete bleiben, Nazis vertreiben“ kommentiert. Der MDR gab einem Geflüchteten die Möglichkeit sich in einem Interview zu äußern: „Wir wollen hier leben, wir wollen hier bleiben. Wir wollen Frieden“ und bringt damit die simple Hauptforderung der Geflüchteten nach einem sicheren Leben gut auf den Punkt. Wir müssen jedoch klar feststellen, dass die Mobilisierung der Linken sehr schlecht war. Mit 150 Leuten kann man einen Naziaufmarsch nicht blockieren und ist einer derart aktuellen und politisch wichtigen Frage wie der Flüchtlingsproblematik nicht würdig. Hier müssen die großen Organisationen der Arbeiter_innenbewegung gefragt sein, den Aufbau einer antifaschistischen Arbeiter_inneneinheitsfront aufzubauen um koordiniert und mit Selbstschutz gegen die Angriffe von Faschisten und Rassisten auf Flüchtlinge und deren Unterbringungen vorzugehen.

Köln

Köln: Solidarität mit Griechenland

Von Revolution Bonn

Am 03.Juli kam es in Köln zu einer Demonstration im Rahmen des europaweiten Aktionstages für OXI! und in Solidarität mit Griechenland statt. Trotz der relativ kurzfristigen Entscheidung zur Demonstration waren ca. 600 Menschen auf der Straße, unter ihnen auch viele junge Griech_innen.

Wir von REVOLUTION waren auch mit einer kleinen Anzahl an Genoss_innen vor Ort und konnten auf der Demonstration hunderte Flyer verteilen. Unsere Flugblätter kamen vor allem bei Passant_innen gut an. Von der deutschen Oma bis zum somalischen Geflüchteten. Gefreut hat uns auch, dass wir nicht nur einmal nach einem größeren Stapel Flyer gefragt wurden um diese auch noch an Freunde oder Familie weiterzugeben.

Wir sagen weiterhin OXI! Nein! No! Hoch die internationale Solidarität!

Lasst das Kapital und nicht die europäische Arbeiter_innenklasse und Jugend die Krise bezahlen!




Türkei: Das Regime will Bürgerkrieg

Von Svenja Spunck

In den letzten Tagen spitzte sich die Situation in der Türkei drastisch zu. Im ganzen Land wurden Parteizentralen der HDP angegriffen oder gar in Brand gesetzt. Gleichzeitig bilden sich faschistische und nationalistische Mobs, die durch die Straßen laufen und pogromartig kurdische Geschäfte zerstören und Menschen kurdischer Herkunft angreifen. Allein in zwei Tagen wurden 400 HDP Büros angegriffen. In Istanbul wurde ein junger Mann sogar erstochen, weil er an einer Bushaltestelle auf kurdisch telefonierte.

Der Konflikt zwischen den Kurd_innen und türkischen Nationalist_innen existiert zwar schon seit der Gründung der türkischen Republik, doch wurde er in den letzten Jahren vor allem durch viele Zugeständnisse der Kurdischen Arbeiterpartei PKK und ihrer politisch legalen Kraft, der BDP, „friedlicher“. Doch nun müssen Menschen wieder Angst haben.

Seit dem Attentat von Suruç kommt es zu Massakern an der kurdischen Bevölkerung im Osten des Landes, die Stadt Cizre ist komplett vom Militär belagert, die Bevölkerung hat Ausgangssperre. Gleichzeitig greift das Militär diejenigen an, die sich oder ihre Familien verteidigen wollen. Allein in der Nacht, vom 10. zum 11. September, gab es 20 Tote.

Vor einigen Tagen machte sich eine Delegation von HDP-Abgeordneten auf den Weg nach Cizre. Ihre Busse wurden von der Polizei gestoppt. Sie liefen danach zu Fuß weiter, darunter auch die Vorsitzenden Figen Yüksekdag und Selahattin Demirtas. Auf dem Weg über die Landstraße und den Fluss Tigris wurde die Kolonne mehrmals von der Polizei angegriffen.

Erdogan und seine AKP nutzen die Konflikte gegen die Kurd_innen und in den kurdischen Gebiete außerhalb der Türkei bewusst aus, um die HDP zu delegitimieren, sie im Idealfall sogar zu illegalisieren und sich selbst als „stabilisierenden Faktor“ zu präsentieren.

Eine „Politik der Spannung“ soll Erdogan helfen, seine bei den letzten Wahlen gescheiterte Präsidialverfassung erneut durchzupeitschen. Sei es über eine Mehrheit der AKP, einen Ausnahmezustand oder ähnliches. Es ist jedenfalls eindeutig, dass die diktatorischen, bonapartistischen Züge des Regimes immer deutlicher hervortreten – und der Krieg gegen das kurdische Volk als Mittel dient, diese Entwicklung in den Augen zu legitimieren.

Repression in der Türkei

Die Strategie der HDP?

Demirtas wirft der AKP und dem Staat zurecht Kriegstreiberei und eine bewusste Ausnutzung der Situation vor. Doch bleibt es bei mahnenden und moralistisch abschellenden Worten. Die Führung der HPD hofft mit ihren offiziellen Stellungnahmen zur „Deeskalation“ beizutragen und sich als „Friedenspartei“ zu halten – und schwankt so zwischen Opposition und Opportunismus. Mit der Verkündung der Neuwahlen wurde eine Übergangsregierung gebildet, die aus AKP, einem (von seiner Partei deswegen ausgeschlossenen) MHP-Mitglied und zwei HDP-Abgeordneten (!) besteht.

Während Demirtas unter den Kurd_innen die PKK-Guerilla verteidigt, ruft er im Parlament zur Niederlegung der Waffen auf. Dies zeigt das ganze Dilemma nicht nur der Politik der HPD, sondern letztlich auch der PKK, die beide eigentlich den „Friedensprozess“ wieder beleben wollen, den Erdogan längst aufgekündigt hat. Das AKP-Regime will keine Verhandlungen, sondern die Kapitulation.

Was jedoch dringlichst gebraucht wird sind zum einen Selbstverteidigungsstrukturen, nicht nur für die HDP Büros, sondern auch für den Wähler_innen und Mitglieder, die auf offener Straße attackiert werden. Zum anderen muss aber auch die Debatte um die Perspektive des kurdischen Befreiungskampfes vorangetrieben werden. Es vergeht kein normales Gespräch unter den Menschen hier, das nicht nach fünf Minuten zur politischen Debatte wird. Jede_r ist betroffen, jede_r spricht vom Krieg und vom sehnlichen Wunsch nach Frieden und Menschlichkeit.

Doch diese kann nicht erbeten oder durch moralische Überlegenheit erreicht werden.

Man muss klar Stellung beziehen und zwar für die der Unterdrückten, die ihrer politischen Stimme beraubt werden. Der Selbstverteidigungskampf der Kurd_innen ist legitim. Auch die HDP sollte sich klar dazu äußern, statt um jeden Preis zu versuchen, bis zu den nächsten Wahlen ihr Mantra des unbewaffneten Widerstandes zu wiederholen.

Eine solche Position ist keineswegs mit einer Rückkehr zur Guerilla-Strategie gleichzusetzen. Der aktuelle Krieg gegen das kurdische Volk kann letztlich nur gestoppt werden, wenn Erdogan in der ganzen Türkei auf Widerstand trifft, sprich wenn die städtische Arbeiter_innenklasse und alle unterdrückten Schichten mobilisiert werden, mit Massendemonstrationen auf die Straße gehen, wenn die Gewerkschaften für Solidarität mit dem kurdischen Volk eintreten, wenn politische Streiks organisiert werden, wenn gegenüber den türkischen Soldaten agitiert wird, sich nicht als Kanonenfutter Erdogans missbrauchen zu lassen. Nur wenn die türkischen Arbeiter_innen ihre Gefolgschaft oder jedenfalls passive Hinnahme der AKP-Politik und des türkischen Nationalismus aufkündigen und den kurdischen Massen beistehen, werden sie auch in der Lage sich, sich gegen das Joch der Ausbeutung und Unterdrückung Erdogans zu erheben.