Freiburger Linke: Klassenkollaboration statt linke Einheit

Am 10.09 kam es in Freiburg zu einem Bündnistreffen um eine Kundgebung am 26.09 vor dem Stadttheater zu organisieren. Initiiert und eingeladen wurde zu diesem Treffen von der Linksjugend [‘solid] Freiburg, welche auf größtmögliche Breite wert legte. Es wurden neben etlichen linken Gruppen zusätzlich die Kirchenverbände, die CDU sowie die FDP aus Freiburg zum Treffen eingeladen. Mal ganz davon abgesehen, dass es absurd und geradezu zynisch ist im Zeichen der derzeitigen Entwicklung der Refugeeproblematik, Vertreter der Parteien auf dieses Treffen einzuladen, deren Politik maßgeblich an der Fluchtproblematik verantwortlich ist, verdeutlichte das Treffen auch, wie schnell sich ein breites, über Klassengrenzen hinweg reichendes Bündnis schnell ins eigene Bein schießt.

Die FDP nahm die Steilvorlage dankend an, sich als progressive Partei in der Refugeeproblematik darzustellen. Somit saß ein Vertreter von ihnen u.a. neben der Linksjugend [’solid], den Jusos, Einzelpersonen des Linken Zentrum Freiburgs (LIZ), des Offenen Antifatreffens (OAT) Freiburgs sowie eines Genossen von REVOLUTION an einem Tisch.

Der anwesende Vertreter der FDP machte gleich zu Beginn deutlich, wie ein möglichst breit aufgestelltes Bündnis zu politischen Zugeständnissen führen kann. Die FDP forderte, dass der Aufruf dahingehend umgeschrieben werden müsse, dass er nicht mehr die Flüchtlingsursachen der Refugees benenne. Nach einer Diskussion in welcher wir dagegen argumentierten und auch dafür plädierten, dass beteiligte Gruppen über Reden ihre unterschiedlichen politischen Vorstellungen und Perspektiven darlegen sollten, kam es zu einer Abstimmung. Anstatt eigene politische Positionen zu vertreten und auf eine proletarische Politik zu bauen, stimmten die meisten Anwesenden für den Vorschlag des FDP-Vertreters. Das Bündnis sprach sich mit einer klaren Mehrheit dafür aus, den Aufruf nach dem Wunsch der FDP hin umzuschreiben sowie politischen Organisationen nicht die Möglichkeit zu geben, eigene Reden zu halten.

Außer uns stimmten nur noch die Vertreter_in des OAT sowie eine Einzelperson des LIZ gegen den Vorschlag der FDP. Was schlussendlich bedeutet hätte, dass sich die FDP nicht am Bündnis beteiligte. Eine Tatsache, die leicht zu verkraften gewesen wäre und dem Bündnis politisch eine stärkere Schlagkraft gegeben hätte. Leider jedoch wurde von Seiten der Linksjugend [’solid], der Jusos und den anderen teilnehmenden Gruppen lieber ein klares Einknicken gegenüber der FDP zelebriert und die politischen Vertreter des Kapitals hofiert: die Vertreter des deutschen imperialistischen Kapitals, welche maßgeblich für die Flüchtlingsgründe vieler in Deutschland ankommender Refugees verantwortlich sind. Es war dadurch auch nicht verwunderlich, dass die Hauptforderung der FDP war, die Fluchtgründe aus dem Aufruf zu streichen.

Unserer Meinung nach war dieses Bündnistreffen ein Paradebeispiel dafür, wie hinderlich die Taktik der Klassenkollaboration (Einbeziehung so vieler Organisationen wie möglich über Klassengrenzen hinweg) im Kampf gegen Rassismus und Faschismus ist. Das heißt nicht, dass wir Kräfte, die ihre Basis nicht in der Arbeiter_innenbewegung gänzlich ausschließen – aber wir sollten nicht vor diesen einknicken, sondern sie ausnutzen. Sie sollten vor der Wahl stehen: Annahme unserer Forderungen oder Verlassen des Bündnisses. Alles andere bedeutet ein Ausbremsen, ja ein Verhindern proletarischer Forderungen.

Faschismus, Rassismus und ihre Wurzel der Kapitalismus können nicht effektiv bekämpft werden, wenn nicht die Ursachen – die kapitalistische Krise benannt und klare Alternativen und Perspektiven aus Sicht der Arbeiter_innenklasse und Jugend international erarbeitet und aufgezeigt werden.

Antifa heißt Klassenkampf!

Eine Stellungnahme von REVOLUTION Freiburg




Faschisten und Rassisten mobilisieren: No Pasaran!

Heidenau ist die Spitze des Eisbergs, der extremste Ausdruck einer rassistischen Welle, die immer bedrohlicher wird. Kein Tag vergeht ohne Brandanschlag, kein Tag ohne barbarischen Übergriff von Faschisten und Rassisten.

Rassistische Gewalt

Im Jahr 2014 verdreifachten sich im Vergleich zum Vorjahr die Angriffe von Neonazis auf Geflüchtete und deren Unterkünfte. Die Zahl der rechten Gewalttaten befindet sich mit 1029 Fällen (2014) auf einem neuen Höchststand seit 2008. In den vorherigen Jahren ging die Zahl der Gewaltdelikte kontinuierlich leicht zurück (2013: 837). Das Innenministerium dokumentierte im Jahr 2014 203 Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte. Allein in der ersten Hälfte des Jahres 2015 betrug diese Zahl bereits 202, somit ist eine dramatische Zuspitzung allein anhand dieser Zahlen abzuleiten (Quelle: Amadeu Antonio Stiftung).

Diese Tendenz drückt sich auch in den aktuellen rassistischen Bewegungen aus. Dort stehen wir einer zunehmenden Polarisierung bzw. gestiegenem Rückhalt durch Pegida, HoGeSa, neurechten Montagsdemonstrationen in ganz Deutschland gegenüber. Vereinzelte regionale Keimformen von faschistischen Bewegungen in Freital und Heidenau sind dabei nur die Spitze des Eisbergs und zeigen die Sprengkraft dieser rassistischen Politik. Wir haben es zwar noch nicht mit einer vereinheitlichen rassistischen bis faschistischen Bewegung zu tun, aber die Gefahr, dass sich eine solche bildet, ist real.

In Hamburg beispielsweise stehen wir am 12. September, am von ihnen selbst ernannten „Tag des deutschen Patriotismus“, einem braunen Flickenteppich gegenüber. Hells Angels-nahe RockerInnen, Teile der HSV-Hooliganszene, vereinzelte Kameradschaften, Teile der Hamburger AfD, bundesweit anreisende NPDlerInnen und die vier Splittergruppen der HoGeSa-Bewegung (Bündnis Deutscher Hools, Gemeinsam Stark Deutschland, Berserker Deutschland und HoGeSa selbst) haben sich hierfür erneut zusammengetan. Mit der AfD und Pegida versuchen sich diese als Sammelbecken für „verängstigte/s“, unorganisierte/s Kleinbürgertum und Mittelschichten sowie politisch rückständige Lohnabhängige anzubieten. Der Titel der Demonstration legt diese Vermutung nahe.

Auch innerhalb der AfD verläuft diese Zuspitzung nicht ohne Konfrontationen. Vor wenigen Wochen kam es deshalb zu einer Spaltung zwischen dem nationalprotektionistischen Flügel um Bernd Lucke und dem offen rassistischen Flügel um Frauke Petry, die die sächsische Landtagsfraktion und mittlerweile die Partei als Ganzes anführt. Rund um die Pegida-Demonstrationen konnte sich dieser Flügel in einige Städten an die Führung setzen, mancherorts öffneten sie sich zusätzlich gegenüber faschistischen Kräften. So auch in Leipzig.

Am 26. September plant der „Widerstand Ost/West“ einen Aufmarsch mit bis zu 5.000 RassistInnen. Hinter dem Projekt steht der frühere Anführer von Legida, Silvio Rösler. Die Demonstration wird von unterschiedlichen GIDA-OrganisatorInnen getragen und soll der Bewegung einen neuen Schub geben. Die VeranstalterInnen sprechen hierbei von einem „heißen Demonstrations-Herbst“. Angesichts der Masse von Brandanschlägen in Sachsen ist enormes Mobilisierungspotential zu befürchten.

Diese Zuspitzungen verdeutlichen uns eines: Wir befinden uns auch im Deutschland der Krisengewinnler, Großen Koalition und Klassenzusammenarbeit am Beginn einer gesellschaftlichen Polarisierung. Seit Beginn der kapitalistischen Krise von 2007/08, in der sich die Konkurrenz zwischen den imperialistischen Mächten deutlich verschärft hat und Krisenherde in den unterschiedlichsten Halbkolonien entflammten, sehen wir uns mit immer mehr reaktionären Angriffen konfrontiert. Ob aktuelle Asylrechtsverschärfung, Angriffe aufs Streikrecht oder Einführung der sogenannten „Herdprämie“ – alle verfolgen das gleiche Ziel: die Spaltung innerhalb des Proletariats. Weite Teile des Kleinbürgertums und der ArbeiterInnenklasse fürchten den sozialen Abstieg und laufen in die Arme dieser ideologischen RattenfängerInnen.

Einheitsfront

Im Kampf gegen die rassistischen Bewegungen können wir uns nicht auf den bürgerlichen Staat und seine Gewaltorgane verlassen. Schließlich schafft dieser zu einem großen Teil den Nährboden für eben diese Ideologie, vor allem aber ist er mit seiner imperialistischen Zurichtung der sog. „Dritten Welt“, der rassistischen Abschottung Deutschlands und der EU, der bewussten Spaltung entlang nationaler und rassistischer Linien mitverantwortlich für die Pogromstimmung in Teilen des Landes.

Um den Kampf zu organisieren, brauchen wir eine breite antifaschistische Einheitsfront der ArbeiterInnenklasse, von MigrantInnen, der Linken! Gerade angesichts der realen Bedrohung darf sich diese nicht auf die „radikale“ Linke beschränken, sondern muss auch die Massenorganisationen der ArbeiterInnenklasse – Gewerkschaften,  aber auch die bürgerlichen ArbeiterInnenparteien DIE LINKE und selbst die SPD – zur Aktion auffordern, ja zwingen.

Großmobilisierungen, wie wir sie in Dresden zu Beginn der Pegida-Demonstrationen sehen konnten, müssen gemeinsam geplant werden. Gegen die regelmäßigen Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte helfen nur demokratisch kontrollierte Selbstverteidigungsgruppen, getragen durch gemeinsame lokale Versammlungen der Basis.

• Kommt deshalb am 12. September nach Hamburg sowie am 26. September nach Leipzig und lasst uns den Kampf gegen die FaschistInnen und RassistInnen gemeinsam organisieren!

• Faschismus zerschlagen! Militant, organisiert, massenhaft! Für den Aufbau von Selbstverteidigungskomitees in Schule, Uni, Betrieb und der Nachbarschaft!

• Rassismus an der Wurzel packen! Geflüchtete in die Gewerkschaften! Für den gemeinsamen politischen Streik um volle Staatsbürgerrechte für alle hier Lebenden!

• Für den internationalen Kampf der ArbeiterInnen gegen Faschismus, Rassismus, Homophobie, Ausbeutung und Unterdrückung!

Ein Artikel von Wilhelm Schulz, REVOLUTION Berlin




Interview mit einem Aktivisten: Rassismus, Proteste und Widerstand in den USA

Seit dem vergangenem Jahr kommt es in den USA immer wieder zu Demonstrationen mit Ausschreitungen und Rebellionen gegen die rassistische Polizei und Justiz. Auslöser sind größtenteils Gewalttaten oder Morde an People of Colour (PoC), die regelmäßig geschehen und genauso regelmäßig ungestraft bleiben. Die Opfer sind größtenteils schwarze Jugendliche – die Täter sind Weiße, häufig Polizisten.

Die Morde sind nur die Spitze des Eisberges einer systematischen, politischen und ökonomischen Unterdrückung, der nicht-weiße Menschen in den USA ausgesetzt sind. Über die fehlende Repräsentation in den Medien, die ungleichen Bildungschancen, der rassistischen Klassenjustiz und besonders der ungleichen Bezahlung wird geschwiegen. 2013 verdienten schwarze Männer im Vergleich 25 % weniger als weißen – schwarze Frauen verdienen übrigens 36 % und Latinas 46 % weniger.

Der Kapitalismus in den USA hat seit seiner Existenz eine rassistische Unterdrückung und Ausbeutung von People of Colour befördert und die Arbeiter_innenklasse entlang dieser ethnischen Linien gespalten.

Um von den spontan entflammten Aufständen zu einem Sturz des bürgerlichen Staates, seinen rassistischen Institutionen und des Kapitalismus zu kommen, braucht es unserer Meinung nach eine Kraft, die dieser Bewegung eine Perspektive zeigen kann – eine revolutionäre, multiethnische Arbeiter_innenpartei und Jugendorganisation. Da eine Organisation allerdings nie frei von der gesellschaftlichen Prägung ihrer Mitglieder ist, ist der Kampf gegen Rassismus innerhalb der Organisation ebenfalls notwendig. Ein Caucus – eine Art Schutzraum für Menschen, die diskriminiert werden – ist ein Mittel um konkrete Diskrimierungen zu bekämpfen.

Außerdem besteht die Notwendigkeit, dass die Probleme, die mit Rassismus verbunden sind, sein Ursprung und sein Zweck offen thematisiert werden müssen – sowohl innerhalb einer revolutionären Jugendorganisation, als auch in ihrer Außenwirkung. Sie muss die antirassistischen Kämpfe mit Antikapitalismus verbinden und z.B. darauf pochen, das Arbeitskämpfe gemeinsam geführt werden. Nur so kann ein Klassenbewusstsein geschaffen werden, dass die rassistische Spaltung der Arbeiter_innen und der Jugend überwindet.

Im Zusammenhang mit der antirassistischen Protesten von Baltimore im April führten wir ein Interview mit Stephen, einem Aktivisten der Baltimore People’s Power Assembly. Die Proteste in Baltimore wurden durch den Tod von Freddy Gray ausgelöst, welcher in Polizeigewahrsam tödliche Verletzungen am Rückenmark erlitten hatte.

Hallo, erzähl uns doch etwas über dich, wo du her kommst und was du machst.

Hallo, ich bin Stephen Ceci und ich arbeite mit einer Organisation namens Baltimore People’s Power Assembly (BPPA) zusammen. Meine Eltern waren im SDS (Students for a Democratic Society) tätig und in der Black-Panther-Bewegung aktiv. Ich selber bin seit 15 Jahren aktiv. Damals wurde ein afrikanisch-amerikanischer Mechaniker von der Polizei zu Tode geprügelt, weil er ein Auto auf der Straße reparieren wollte und Leute dachten er würde es stehlen. Seine hinterlassene Freundin ist nun bei uns Mitglied.

Erzähl uns doch etwas über das BPPA, eure Forderungen und Geschichte.

Nachdem Trayvon Martin erschossen wurde (Todestag: 26. 2. 2012, Anm. d. Red.), haben wir zusammen mit der durch Dr. King gegründeten Southern Christian Leadership Conference eine Demonstration organisiert und 10.000 Menschen sind gekommen. Danach haben wir dann das BPPA gegründet um gegen Polizeiterror, Rassismus und Massenverhaftungen aktiv zu werden.

Wir fordern gesellschaftliche Kontrolle der Polizei nachdem Model der Black Panther Party aus 1971, dass heißt, dass die Polizei aus der Community kommen soll, die sie schützt, der Polizeichef gewählt wird und es ein ziviles Gremium gibt, dass die Polizei kontrolliert. Das ist eine Übergangsforderung, als Schritt zur völligen Abschaffung der Polizei. Außerdem kämpfen wir für einen Mindestlohn von 15$ und für das Grundrecht auf eine Gewerkschaft.

Auf der organisatorischen Ebene versuchen wir mit dem BPPA den Prototyp eines Sowjets zu schaffen, weil ein Großteil der Bevölkerung jegliches Vertrauen in die Institutionen des bürgerlichen Staates verloren hat.

Kannst du uns etwas über die Polizeigewalt erzählen, die ihr jeden Tag erleben müsst?

Nun ja ich selber bin noch nicht von der Polizei angegriffen worden, aber in den vornehmlich afroamerikanischen Bezirken sagt einem die Polizei oft, man dürfe hier nicht sein und muss sofort verschwinden. Ich hatte mal eine Freundin, die in so einem Bezirk lebte. Da musste ich das mehrmals täglich über mich ergehen lassen. Außerdem gibt es eine Praxis namens „stop-and-frisk“, das heißt, dass die Polizei dich immer und überall anhalten und nach Drogen durchsuchen darf. Das machen die auch.

Vor 3 Jahren wurde zum Beispiel ein Mann von Knockers, Undercover-Cops, erdrosselt, die behaupteten er wollten Drogen runter schlucken. Die Autopsie zeigte, dass dies nicht der Fall war, aber trotzdem wurden die Polizisten nie vor Gericht gestellt. Es gibt unzählige dieser Geschichten hier. Ich hab sogar von Kindern, 11-jährigen, gehört, die von der Polizei aufgelesen, bedroht und in fremden Stadtteilen wieder abgesetzt wurden. Einfach so.

Für viele Leute ist die Polizei, wie eine Besatzungsarmee. Ein Großteil der Polizei kommt nicht mal von hier. Sie fahren mit dem Auto 1-2 Stunden, teilweise aus anderen Bundesstaaten an. Ganz oft sind die gewalttätigen Polizisten nicht von hier.

Hat sich das Verhältnis zur Polizei nach dem Aufstand geändert?

Die Polizei gibt selber zu, dass sie ihre Arbeit nicht richtig machen kann, da sie sofort von 30 Leuten umringt werden, sobald sie irgendwo auftauchen. Ich glaube, dass sie da ein wenig übertreiben, aber es stimmt schon, dass die Menschen noch skeptischer geworden sind.

Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal klarstellen, da die Rebellion in den Medien falsch dargestellt wird. Dies war ein Aufstand der Ärmsten und am stärksten Unterdrückten, hauptsächlich junge Schwarze. Bei Plünderungen, die stattfanden, ging es um lebensnotwendige Dinge. Ich hab gesehen wie Menschen Essen und sogar Windeln aus dem Supermarkt geholt haben. Was in den Medien nicht erwähnt wird ist, dass es Monatsende war und die meisten Menschen kein Essen mehr hatten.

Gab es Unterstützung von Seiten der Gewerkschaft und Linken Gruppierungen?

Leider hat die Gewerkschaftsbewegung in vielerlei Hinsicht durch Abwesenheit geglänzt. Es gab etwas Unterstützung, aber nicht so viel wie wir gern gesehen hätten. Es war jedoch auch ein spontaner Aufstand und obwohl die Linke diesen unterstützt hat, war sie nicht in der Lage ihn anzuführen, uns eingeschlossen. Wir haben oft das Gefühl, dass gerade die Jugend sich sehr bewusst über die Lage ist, jedoch nicht die Organisation hat um sich dagegen zu wehren. Wir versuchen das zu ändern, haben aber noch eine Menge aufzuholen.

Was hältst du für die wichtigsten Aufgaben der gewerkschaftlichen und politischen Linken?

Ich glaube die Linke sollte stärker mit der Black-Lives-Matter Bewegung zusammenarbeiten. Es ist wichtig, dass sie sich mit engagieren, Einfluss nehmen und vor allem diese Bewegung nicht alleine stehen lassen, die vom bürgerlichen Staat gezogenen Trennlinien überwinden und gemeinsam kämpfen!

Einleitung von Katherina Singh, Interview von Peter Wolf, REVOLUTION Berlin




Berlin: Solidarität mit Geflüchteten, Kampf dem rassistischen Mob!

Am Donnerstag, den 27.8., demonstrierten in Berlin etwa 1000 Aktivist_innen in Solidarität mit Geflüchteten in Deutschland und Europa. Während in Heidenau (Sachsen) seit mehreren Nächten Neonazis und Rassist_innen versuchen, einen von Asylwerber_innen bezogenen alten Baumarkt anzugreifen, kommt es in Berlin und ganz Deutschland immer wieder zu Brandanschlägen gegen geplante und bereits bezogene Unterkünfte von Geflüchteten.

Gleichzeitig werden Tausende von den örtlichen Senatsverwaltungen in Obdachlosigkeit und Illegalität gezwungen, weil weder Unterkünfte angeboten noch Asylverfahren aufgenommen werden. Das ist keine unvorhersehbare Notsituation in der der deutsche Staat tut, was er kann, sondern ein bewusstes Nicht-Wollen, eine kalte Eskalation der Situation. Auch wir von REVOLUTION, die wir im Moment ein antikapitalistisches Jugendcamp bei Berlin organisieren, nahmen mit einem starken Block an der Demonstration teil. Wir stellen uns bedingungslos auf die Seite der Geflüchteten und gegen den Rassismus von Staat und nationalistischen Mobs.

Weltweit fliehen Millionen Menschen vor den Auswirkungen des Imperialismus, vor den Kriegen die von Industrienationen begonnen oder angeheizt werden, vor Diktaturen mit denen die imperialistischen Staaten im Osten und Westen eifrig Handel treiben und vor der wirtschaftlichen Situation, die durch die globale Ausbeutung erzeugt wird.

Nur ein Bruchteil dieser Flüchtenden versuchen überhaupt nach Europa zu kommen doch an den Außengrenzen der EU werden sie ein zweites Mal zu den Opfern der menschenverachtenden Politik. An den Grenzen werden Zäune errichtet, Militärmarine und Spezialeinheiten bekämpfen diejenigen, die eine neue Zukunft suchen. Weil es fast keinem Geflüchteten möglich ist, legal um Asyl anzusuchen und weil auch das Asylrecht selbst den meisten Betroffenen kein neues Leben ermöglicht, entstehen erst die fürchterlich gefährlichen Fluchtrouten und die Tausenden Toten im Mittelmeer und LKW-Laderäumen.Die Schuld für die tausenden Toten tragen die weltweit mächtigsten Regierungen in doppelter Hinsicht, auf der einen Seite werden sie durch die imperialistische Ausbeutungs- und Kriegspolitik zur Flucht aus ihren Heimatländern gezwungen, auf der anderen Seite wird ihnen bewusst die Flucht in die imperialistischen Kernländer, insbesondere in die EU, verunmöglicht.

Die Demonstration richtete sich vor allem gegen das Grenzregime und die menschenunwürdige Behandlung der Geflüchteten in Deutschland. Wir von REVOLUTION klagten aber auch die Schuldigen an Kriegen, Folterregimen und Hunger an und bezogen klare Stellung gegen den Imperialismus und seine Agent_innen.

Das passte den Antideutschen, also Aktivist_innen die in bedingungsloser Solidarität mit dem Apartheidsstaat Israel stehen und oft auch die Feldzüge von USA und NATO unterstützen, gar nicht. Sie wollten die Gruppe, die 30 Aktivist_innen mobilisiert hatte, aktiv gegen rassistische Antiflüchtlingspolitik ist und seit Jahren in Berlin in Refugee-Schulstreiks Tausende Jugendliche auf die Straße bringt, mit Gewalt vertreiben. Aktivist_innen wurden gestoßen, Schläge angedroht, wir wurden als „Antisemit_innen“ und „Rassist_innen“ beleidigt und einem Genossen wurde sein palästinensischer Schal mit Gewalt abgenommen. Während ein Faschist die Demonstration ungestört abfotografierte und Polizist_innen nach einem Grund suchten, die Demonstration anzugreifen, hatten diese sogenannten „Antirassist_innen“ nichts besseres zu tun, als die Demonstration aufzuhalten. Die Solidarisierung mit Israel und die Forderung, daran keine Kritik zu üben, ist auf einer Flüchtlingsdemonstration besonders absurd. Viele der Asylwerber_innen in Deutschland sind aus dem Libanon und aus Palästina und mussten auch vor den israelischen Angriffen und der Blockadepolitik fliehen – viele Jugendliche aus dieser Region liefen auch auf der Demonstration mit.

Ohne die Forderungen, keine antiimperialistischen und internationalistischen Sprüche mehr zu rufen, unsere Kuffiyahs (palästinensische Schals) abzunehmen oder am Rande der Demonstration mitzulaufen, zu erfüllen, setzten wir unsere Intervention aber fort. Die Demonstration lief am LAGESO (Landesamt für Gesundheit und Soziales, verantwortlich für die Unterbringung von Geflüchteten) vorbei und begrüßte die etwa 100 Migrant_innen die auf der Straße warteten. Eine lautstarke, kämpferische und von migrantischen und deutschen Jugendlichen geprägte Demonstration endete schließlich am nächsten U-Bahnhof.

Aber wie auf vielen Redebeiträgen thematisiert wurde, der Kampf geht weiter, er findet jeden Tag statt. Es ist das Gebot der Stunde, eine Kampagne und eine Bewegung europaweit gegen die rassistischen Übergriffe und die staatliche Unterdrückung der Geflüchteten zu organisieren

In diese Bewegung wollen wir folgende Slogans und Forderungen tragen:

  • Die Öffnung der europäischen Grenzen und das Recht den Antrag auf Aufenthalt ohne Einschränkungen zu stellen
  • Die menschenwürdige Unterbringung aller in abschließbaren Unterkünften mit Küche und Bad, dafür die Enteignung von großen Hotelketten und leerstehender Wohnungen, sowie den massiven Ausbau von sozialen Wohnungen, um allen eine individuelle Wohnung zu ermöglichen.
  • Ein Abziehen der Polizei- und Militäreinheiten aus dem Mittelmeer und die Einrichtung einer Seenotrettungsaktion unter Kontrolle der Arbeiter_innen- und Jugendorganisationen
  • Den Aufbau einer gemeinsamen Bewegung von Antirassist_innen und Betroffenen gegen Rassist_innen auf der Straße und in den Parlamenten, sowie das Recht auf Selbstverteidigungsorganisationen gegen rassistische und faschistische Übergriffe.
  • Widerstand gegen die imperialistische Kriegs- und Wirtschaftspolitik mit Massenmobilisierungen auf der Straße und in den Massenorganisationen der Arbeiter_innen und der Jugend

Ein Artikel von Mo Sedlak, REVOLUTION Austria, erstmals veröffentlicht am 27. August 2015

www.onesolutionrevolution.at




Antifaschistischer Widerstand – Notwendig und legitim! Aber wie? Kritik und Perspektiven des Kampfes in Leipzig

In der Nacht vom 5.-6.August kam es zu einem Angriff auf das mittelständische Unternehmen der neuen AfD-Vorsitzenden Frauke Petry in Leipzig. Durchgeführt wurde dieser durch das zerschlagen der Scheiben und hineinwerfen von Buttersäure. Initiiert wurde das Ganze von der sogenannten Gruppe „Auftragskommandos Bernd Lucke oder besser – Autonome“. Der Angriff steht in Bezug auf die Zunahme von Brandanschlägen an Geflüchtetenunterkünften in der ersten Hälfte des Jahres 2015 (bereits 202 in der ersten Hälfte des Jahres 2015). So fand Anfang August ebenfalls ein Buttersäureanschlag auf eine dieser Notunterkünfte in Dresden statt. Es lässt sich hierbei von einer allgemeinen Zunahme der rassistischen Bewegung im Zuge der aktuellen Krise sprechen.

Rund um Pegida und die neurechten Mobilisierungen von Montagsdemos bis zu den Reichsbürgern konnte sich der rechte Flügel der AfD um Petry teilweise an die Führung dieser stellen. Innerhalb der AfD spitzte sich von da an der Konflikt zwischen dem offen rassistischen und dem nationalprotektionistischen (solche stehen bspw. für Schutzzölle ein) Teil der Partei zu. Dies führte vor wenigen Wochen zur Spaltung der Partei.

Von einer Klärung der Führungskrise der RassistInnen und FaschistInnen ist jedoch noch längst nicht die Rede. Die Parteienlandschaft von CDU/CSU – Alpha(Lucke) – AfD – pro Deutschland (hier Enden die rechtskonservativen und rechtspopulistischen Parteien) – NPD –Die Rechte und daneben Kameradschaftsverbände, autonome NationalistInnen, die rechte Hoolszene und viele weitere zeigen auf, wie versprengt die Bewegung ist. Dies sagt jedoch längst nicht, dass sicher dieser Status im Zuge schärferer Angriffe als Rammbock gegen die ArbeiterInnenklasse nicht in kürzester Zeit ändern kann. Die faschistischen Bataillone und Minister in der Ukraine sind dafür ein deutlicher Beweis. Keimformen dessen sehen wir aktuell in Freital. Dort kam es bereits zu bewaffneten Aufmärschen und einen Bombenanschlag auf einen linken Parlamentarier gegen ein dort
entstehendes Heim.

Der Wiederstand in Deutschland

Hierzulande stellt sich dem jedoch nur ein kleiner Teil entgegen, viele davon vertiefen sich in ziellose Feuerwehrpolitik. Breitere Einheitsfronten unter Einbezug größerer bürgerlicher ArbeiterInnenparteien wie SPD und Die Linke oder der Gewerkschaften sind kurzzeitig und die Seltenheit.
Unter diesen Ausgangsbedingungen stellen wir uns nun der Frage wie der Kampf dagegen zu organisieren ist. Und in eben diesem Rahmen betrachten wir die punktuellen Angriffe gegen einzelne RassistInnen und FaschistInnen wie auch Organe des bürgerlichen Staates als Sinnbild des staatlichen Rassismuses. Der Kapitalismus ist es, der den Ursprung dieser Gewalt erst schafft, es ist Gewalt wenn er uns einsperrt, unsere Rechte einstampft und uns tattäglich schikaniert. Ursprung der Gewalt ist die Ausbeutung der Arbeit und die Spaltung der Klasse um die kapitalistische Herrschaft aufrechtzuhalten. Nach rechts verteidigen wir diese Angriffe, kritisieren aber ihre Passivität gegenüber den mörderischen Herrschaftschaftsverhältnissen.

Die individuellen Angriffe organisiert in informellen Kleingruppen sind historisch ein Konzept des französischen Anarchisten Blanqui, dieser war einer der Führer des anarchistischen Flügels der Pariser Kommune. Unter dem selbsterklärten Ziel der „Propaganda der Tat“ soll Einfluss auf das Bewusstsein der Massen genommen werden, diese sollen sich ebenfalls dieses Mittels bedienen.

Dabei kommen jedoch einige Probleme auf. Bekanntlich bestimmt das Sein die Ausprägung des Bewusstseins. Das Bewusstsein kann sich nicht eigenständig zu einem revolutionären Entwickeln, dazu bedarf es des Einflusses einer revolutionären Perspektive von Übergangsforderungen getragen durch eine Partei der ArbeiterInnenklasse. Diese Erfahrungen müssen im gemeinsamen Kampf entwickelt werden.

Das zweite Problem an dieser Taktik ist ein Fehlverständnis des Verhältnisses von Propaganda und Agitation. Kurz gesagt verstehen wir Agitation als wenig Worte für viele Menschen und Propaganda als viel Inhalt für wenige Leute. Auch wenn der Adressat (Frauke Petry) sehr deutlich war, so ist es das Subjekt, das darauf reagieren soll, nicht. Sofern mensch sich als revolutionär verstehen sollte, so ist das strategische Ziel, die Zerschlagung des bürgerlichen Staates bzw. den Aufbau einer neuen Jugendinternationale, durch die gewählte Taktik in jeder Aktion nicht aus den Augen zu verlieren, sondern ein Lenken in die angestrebte Richtung. Um dieses Ziel zu erreichen muss einem jedoch ebenfalls klar sein, wer erreicht werden soll – die ArbeiterInnenklasse im Schulterschluss mit den kämpferischen Teilen der Jugend. Sofern dies jedoch ins nichts gerichtet ist, fängt es höchstens die blinde Wut, die durch das kapitalistische System tagtäglich gestiftet wird, ab. Solange individuelle Attentate also blind gerichtet werden ohne organisatorische Perspektive, solange die bürgerliche Presse unsere Gewalt als den blanken Terror verkauft und den kapitalistischen Mord jeden Tag in Geschenkpapier verpackt ohne dass wir einen Gegenpol aufbauen, ist diese Gewalt immer mehr Gefährdung unserer selbst als Fortschritt. Dieser Gegenpol muss sich an die fortschrittlichen und kämpferischen Teile der Klasse richten und an der Stelle ansetzen, wo diese in Widerspruch zum herrschenden Bewusstsein treten.

Unsere Gewalt muss somit ins Herz dieses Systems treffen, das Privateigentum an Produktionsmitteln. Nur die Klasse die nichts anderes verkaufen kann als ihre Arbeitskraft und den Mehrwert, der diese Gesellschaft aufrechterhält, schafft, kann diese Fesseln sprengen, durch ihre organisierte Kraft.

Unsere Zielsetzung kann somit nur einen Slogan haben: militant, massenhaft, organisiert! Die gemeinsame Erfahrung in der Aktion in direktem Widerstand gegen die Bourgeoisie und ihre Gewaltorgane ist die stärkste Schule des proletarischen Klassenbewusstseins. Nur wenn der Wiederstand getragen wird durch die kollektive Entscheidung der Klasse in Räten und durchgeführt durch die dem unterstellten Gewaltorgane – die ArbeiterInnenmilizen-, kann eine antifaschistische Bewegung aufgebaut werden, die in der Lage ist den Faschismus und seine Wurzeln zu zerschlagen. Dort kann der Vergleich gegenüber der revolutionären Programmatik und dem versöhnlerischen Kurs von ReformistInnen vor den Massen gezogen werden.

Mit welcher Perspektive wir diesen Kampf führen wollen, werden wir am 26.September in Leipzig unter Beweis stellen, wenn FaschistInnen und RassistInnen wieder mobil machen gegen Geflüchtete. Wir laden alle fortschrittlichen Kräfte dazu ein mit uns gemeinsam dagegen zu kämpfen!

Ein Artikel von REVOLUTION Leipzig




Parlamentswahlen in der Türkei – ein bisschen Sand im Getriebe

Dies ist ein aktualisierter Artikel aus unserer aktuellen Zeitung, welche Ende Juli – also vor Erdogans Krieg in Kurdistan und Syrien –  erschienen ist. Den ursprünglichen Artikel findet ihr hier: http://www.onesolutionrevolution.de/allgemein/parlamentswahlen-in-der-tuerkei-ende-der-alleinherrschaft-erdogans-und-dann/

Die Parlamentswahlen in der Türkei am 07. Juni 2015 fanden vor einem besonderen politischen Hintergrund statt. Die AKP (Adalet ve Kalk?nma Partisi – Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) prägt seit ihrer Übernahme der Regierung vor 13 Jahren das Land mit ihrem islamistisch-konservativen Kurs. Erst im Februar 2015 verabschiedete sie im Parlament ein neues „Sicherheits“gesetz, nach dem Demonstrationen ohne gerichtlichen Beschluss verboten und Polizisten auf Demonstranten schießen dürfen. Um weitere repressive Gesetze beschließen zu können, plante Recep Tayyip Erdogan das Präsidialsystem einzuführen. Dafür wäre eine absolute Mehrheit bei den nationalen Wahlen nötig gewesen.

Für viele Jugendliche und andere sozial Unterdrückte, beispielsweise Kurd_innen, Frauen, Alewit_innen1, Atheist_innen und Homosexuelle schien jedoch eine neue Partei der ersehnte Hoffnungsträger zu sein. Die HDP (Halklar?n Demokratik Partisi – Demokratische Partei der Völker) ist die einzige Partei mit einer männlichen und weiblichen Doppelspitze und fordert Gleichberechtigung und friedliches Zusammenleben für alle Menschen, die in der Türkei leben. Viele Anhänger_innen der PKK wählten sie, deren politischer Arm BDP die HDP dominiert. Dieses Jahr trat die HDP das erste Mal zu den Wahlen an und musste die 10 Prozent Hürde überwinden (im Vergleich, in Deutschland sind es 5 Prozent) um ins Parlament einzuziehen. Die HDP wurde als die gefährlichste Oppositionspartei dargestellt. Nicht nur in den Medien wurde gegen sie gehetzt, auch gegen ihre Büros, ihre Wahlveranstaltungen und einzelne UnterstützerInnen gab es Anschläge, bei denen Menschen getötet und schwer verletzt wurden.

Bis zuletzt war noch unklar, ob die HDP diese 10-Prozent-Hürde überwinden würde, deshalb waren die erreichten 13,12 Prozent ein großer Erfolg, der in der Türkei ausgiebig gefeiert wurde. Die erste große Niederlage seit 13 Jahren musste jedoch die regierende AKP einstecken. Auch wenn sie mit 40,9 Prozent die Wahl klar gewonnen haben, müssten sie nun in einer Koalition regieren. An erste Stelle käme dafür die MHP (Milliyetci Hareket Partisi – Partei der nationalistischen Bewegung) in Frage. Dies ist eine nationalistisch-faschistische Partei, die bekannt ist für ihre militante Verteidigung des „Türkentums“ und ihre Kompromisslosigkeit in der Kurdenfrage. Dass sie über 5 Prozent mehr als bei den letzten Wahlen erhielt (von ca. 11 auf 16,3 Prozent) ist darauf zurück zu führen, dass sie sich als Bollwerk gegen die kurdische Bewegung darstellten, der sie die Spaltung des Landes und Kooperation mit „Terroristen“ unterstellen. Die kemalistische2 Partei CHP (Cumhurriyet Halk Partisi) ist nach wie vor zweitstärkste Partei im Parlament und käme zwar auch als Koalitionspartner in Frage, jedoch geht keine der anderen Parteien auf ihre Verhandlungsangebote ein. Die Bildung einer Regierung ohne die AKP, die dann aus CHP-MHP-HDP bestünde, hielten viele für Ausgeschlossen, jedoch äußerten sich einige HDP-Abgeordnete einer „Anti-Erdogan-Koalition“ gegenüber nicht nur ablehnend. Aus ihren Reihen kamen sogar Stimmen, die eine Regierung aus allen Parteien, also der „nationalen Einheit“ befürworteten. Falls sich bis Mitte August keine Regierung bildet, muss der Präsident zu Neuwahlen aufrufen. Dabei könnte die HDP wichtige Stimmen verlieren, die es aktuell verhindern, dass Erdogan das diktatorische Präsidialsystem einführen kann. Trotz seiner Niederlage ist die AKP nach wie vor mit großem Abstand die stärkste Partei und ihre politische Macht darf auf keinen Fall unterschätzt werden! Von ihrer Seite gibt es jedoch noch keinen klaren Favoriten für eine Koalition.

Vor allem im Osten, in den kurdischen Gebieten, ist die HDP die stärkste Partei geworden. Obwohl sie auch Teile der türkischen Linken vereint und diese zu ihrer Wahl aufgerufen haben, ist ihr Einfluss im Westen der Türkei nach wie vor sehr gering. Ihre deutliche Unterstützung der Kurd_innen sammelt einige fortschrittliche Türk_innen in ihren Reihen und ist ein Ansatz, um die nationale Spaltung in der Türkei zu überwinden. Jedoch lenkt dies auch ab von der tatsächlichen Spaltung, die zu Unterdrückung und Ausbeutung führt: die Spaltung in Klassen. Nicht allein ob man türkisch oder kurdisch ist, entscheidet über politische Fortschrittlichkeit. Die Jugendlichen und die Frauen werden durch die patriarchale Familie überall unterdrückt. Die Arbeiter_innen in Ankara werden an ihrem Arbeitsplatz genau so ausgebeutet wie die Arbeiter_innen in Mardin. Und an keinem Ort in der Türkei ist es leicht, sich als homosexuell zu outen, wie die aktuelle Polizeirepression gegen die Gay-Pride-Parade zeigt. Obwohl die HDP sich offen gegen Frauenunterdrückung, Ausbeutung und für sexuelle Freiheit ausspricht, geht ihr Programm nicht an die kapitalistischen Wurzeln des Problems. Sie hat letztlich einen kleinbürgerlichen Klassenstandpunkt, Teile von ihr sind zudem kurdisch-nationalistisch eingestellt.

Natürlich muss man den Kampf der Kurd_innen gegen den türkischen Staat unterstützen, der ihnen seit Jahren viele Rechte verwehrt, jedoch wäre ein autonomer kurdischer Staat nicht automatisch ein sozialistischer, der frei ist von all diesen Problemen. Ebenso wenig wird in keinem Parlament der Welt jemals über die Enteignung, Vergesellschaftung und Arbeiter_innenkontrolle von Produktionsmitteln abgestimmt werden.

Wie weiter?

Dass es gefährlich ist, abzuwarten, welche Regierung sich die AKP zusammen bastelt und in der Vorstellung zu verharren, dass Erdogan sich moralisch belehren ließe, zeigt die aktuelle Lage. In den letzten Wochen tauchten immer mehr handfeste Beweise für die Zusammenarbeit des Türkischen und Islamischen Staates in den Medien auf. Die syrisch-kurdische Stadt Rojava wurde erneut vom IS angegriffen, dieses Mal sogar von türkischem Staatsgebiet und Erdogan plant eine Militärintervention nach Syrien. Gleichzeitig bleiben Proteste in der Türkei gegen diesen Kriegseinsatz aus.

Für die Ziele, die die HDP erreichen will, ist ein politischer Klassenkampf, sind Massenmobilisierungen notwendig. Der momentane Kurs der HDP, der auf eine bloße Reformierung und punktuelle Veränderung des Staates ausgerichtet ist, wird keine wesentlichen Erfolge erringen, sondern statt dessen zu einer großen Enttäuschung der Wähler_innen führen. Daher gilt es für die linken, proletarischen, kämpferischen Teile in der HDP aktiv eine Alternative zu dieser Politik zu entwickeln, einen Flügel aufzubauen, der für eine revolutionäre Arbeiter_innenpartei kämpft – und damit auch für einen Bruch mit der aktuellen Ausrichtung der HDP.

Dazu muss von der HDP gefordert werden, die sozialen Kämpfe im ganzen Land voranzubringen und zu organisieren, die sich gegen die neoliberale Wirtschaft richten, gegen die Unterstützung von reaktionären Kräften wie dem Islamischen Staat und natürlich gegen die Unterdrückung sämtlicher Minderheiten in der Türkei. Sie muss dazu Aufrufen Aktionskomitees zu gründen, die die Proteste koordinieren und die Verbindung zur türkischen Arbeiter_innenklasse suchen. Das türkische und kurdische Proletariat sollte im Falle eines türkischen Einmarsch in Syrien oder einer Alleinherrschaft Erdogans zum unbefristeten Generalstreik dagegen mobilisiert werden und Streikkomitees aufbauen. Zudem sollte die HDP zum Aufbau von Selbstverteidigungsstrukturen der Bewegung aufrufen, um bspw. Demos gegen die Polizei oder Frauen vor Vergewaltigungen zu schützen. Ein wichtiger Teil der gesellschaftlichen Basis dafür findet sich bereits in der Wählerschaft der HDP. Dieses große Potenzial, das vor allem in der Jugend liegt, muss nun durch ein revolutionäres, sozialistisches Programm gebündelt werden.

Wir sagen deutlich:

Kein Kriegseinsatz in Syrien! Keine Angriffe auf Kurd_innen – in keinem Land!
Keine Beteiligung der HDP an einer Regierung mit Nationalisten, Islamisten und Faschisten!
Für einen säkularen Staat (Trennung von Staat und Religion)!
Aufbau einer landesweiten Arbeiter_innenpartei und Kampf um ein revolutionäres Programm in dieser!

Tek yol- Devrim! One solution- Revolution!

Ein Artikel von Svenja Spunck & Mahir Gezmis, REVOLUTION Berlin

(1)Das Alewitentum bezeichnet eine religiöse Gruppe. Es gibt zwar eine historische Verbindung zum schiitischen Islam, jedoch bezeichnen sich auch viele Alewiten nicht als Muslime. Etwas 15 Prozent der Einwohner in der Türkei sind Alewiten, jedoch sind sie dort bis heute nicht als religiöse Minderheit anerkannt.
(2) Der Kemalismus war die Staatsideologie der Türkei, die 1923 von Mustafa Kemal Atatürk gegründet wurde. Ein besonders wichtiger Aspekt ist der Laizismus, also die Trennung von Staat und Religion, aber auch der Nationalismus, welcher sich gegen ein multiethnisches Staatskonzept richtet, wie es im osmanischen Reich bestand. Der Kemalismus verankert das „Türkentum“ in der Verfassung, auf dessen Beleidigung Strafen erfolgen. Durch diese Staatsideologie wurden Grundsteine zur Unterdrückung vieler Minderheit in der Türkei gelegt, zum Beispiel der Kurden oder Armenier.




Suruç: Der kurdische Befreiungskampf und seine Feind_innen

Die Revolution von Rojava

Am 19. Juli ist das Internet voll von Bildern glücklicher YPG/YPJ Kämpfer_innen, die den dritten Jahrestag ihrer Revolution feiern. Sie feiern eine Revolution, die im Norden Syriens, in Rojava, ein vom Assad-Regime autonomes Gebiet erkämpft hat und nun täglich gegen den Islamischen Staat und der türkischen Regierung verteidigt werden muss. Obwohl dem Gebiet fast jeglicher Versorgungsweg abgeschnitten wurde und bislang ihr einziger Verbündeter die Kurdische Arbeiter_innenpartei PKK ist, haben die Volksverteidigungskräfte der PYD erst kürzlich die vom IS besetzte Stadt Kobanê befreien können und tausenden jesidischen Flüchtlingen das Leben gerettet. Auch wenn ihre militärische Ausrüstung alles andere als modern ist, sind sie allen anderen Armeen aus der Region in Einem meilenweit voraus: In ihren Reihen kämpfen Männer und Frauen gemeinsam gegen den Faschismus des IS und immer mehr Genoss_innen organisieren internationale Brigaden, um den Kampf um Rojava zu unterstützen.

Attentat von Suruç

So war auch eine Gruppe von Jugendlichen der türkischen Organisation SGDF, Föderation Sozialistischer Jugendverbände, vor ein paar Tagen in die türkische Stadt Suruç an der syrischen Grenze gereist. Dort sollte ihr letzter Zwischenstopp sein, bevor sie die Grenze passieren wollten um beim Wiederaufbau der Stadt Kobanê zu helfen. Das letzte Bild zeigt die Jugendlichen lachend an einem Tisch im Garten eines Kulturzentrums sitzen, im letzten Video stellen sie sich gerade auf, um ein Transparent in die Höhe zu halten, auf dem steht: “Wir haben es zusammen verteidigt, zusammen werden wir es wieder aufbauen!”

Doch viele von ihnen werden Rojava nie zu Gesicht bekommen, denn wenige Sekunden später detoniert eine Bombe und reißt 32 Menschen in den Tod, viele werden verletzt. Ein 20 jähriger türkischer Student, der in einer Zelle des IS in der Türkei organisiert war, mischte sich unter die Gruppe und zündete seinen Sprengstoffgürtel.

Kollaboration zwischen IS und AKP

Zur gleichen Zeit gab es auch in Rojava einen Angriff, bei dem mehrere PYD-Mitglieder starben.

Für diese Attentate werden nun zwei Akteure verantwortlich gemacht: der IS und die türkische Partei AKP und ihr Präsident Erdogan, die bis zum Juni diesen Jahres seit 13 Jahren die Regierung stellten und sich momentan in Verhandlungen um eine Koalitionsregierung befindet. Seit Monaten tauchen immer wieder Hinweis im Internet auf, die auf eine Zusammenarbeit zwischen der Türkei und dem IS hinweisen, wie beispielsweise massenweise türkische Waffen und Munition im Gebiet des IS, Transporter des türkischen Geheimdienstes, die mit russischen Waffen beladen die syrische Grenze passieren, Fotos von IS Kämpfern, die seelenruhig und grinsend an der türkischen Grenze entlang spazieren und gemeinsam mit der türkischen Armee die Kurd_innen daran hindern, in die Türkei zu flüchten, während ihre eigenen Verwundeten in türkischen Privatkliniken behandelt werden.

Was darauf folgt, ist nicht etwa eine Untersuchung dieser Vorfälle, sondern die Einschränkung der Pressefreiheit und Entlassung von Juristen aus dem Staatsdienst.

Die Aufgaben der Linken

Was jedoch auch nicht folgt, sind Massenproteste gegen diese Verbrechen der Regierung. Die kurdisch dominierte „Demokratische Partei der Völker“ (HDP) war zwar in den letzten Monaten in den Medien sehr präsent, das lag aber eher am Wahlkampf an sich und der Tatsache, dass zum ersten Mal in der türkischen Geschichte eine Parlamentspartei für die Gleichberechtigung von Kurd_innen und anderen unterdrückten Völkern eintritt, zumindest verbal. Das reichte der AKP-Regierung aber schon aus, um sich bedroht zu fühlen, weshalb massive Hetz- und Einschüchterungskampagnen gefahren wurden die verhindern sollten, was sogar die HDP-Wähler_innen selbst überraschte: der Einzug ins Parlament mit 13,12 Prozent.

Doch seit den Wahlen ist es ruhiger geworden um die HDP. Aus dem anfänglichen Statement ihres Vorsitzenden Selahattin Demirtas, dass sie auf keinen Fall eine Koalition mit der AKP eingehen würden, wurde ein Angebot an Erdogan. Bevor es gar keine Koalition mit der CHP oder MHP gäbe, solle er sich doch noch einmal an die HDP wenden.

Statt mit diesem Firlefanz ihre Wählerschaft zu betrügen, sollte die Parteiführung der HDP endlich das Gebot der Stunde erkennen und über die nationalen Grenzen hinweg gegen Unterdrückung der Kurd_innen und für den Sturz der bürgerlichen Regierungen kämpfen. Die Kurd_innen im Osten der Türkei und im Norden Syriens stehen unter dem gleichen politischen Programm, dem Demokratischer Konföderalismus. Das „Modell Rojava“ ist zwar das fortschrittlichste in der Region, auch wenn wir das politische Programm dahinter als kein revolutionäres betrachten. Es beruht im Prinzip auf der illusorischen Vorstellung, dass man ohne einen Umsturz der syrischen und türkischen Regierungen einen autonomen kurdischen Staat in Kommunenform errichten könne. Doch die Zahnlosigkeit der HDP-Linie zeigt sich an dem Opportunismus ihrer Führung gegenüber dem türkischen Staat.

Erdogans Krieg in Syrien

Erdogans Regierung hat bereits 20.000 Soldaten mit Panzern an der syrischen Grenze stationiert. Sein Statement, dass er keinen kurdischen Staat an seiner Grenze zulassen würde, bedeutet dass er alles dafür tun wird, um den kurdischen Widerstand in der Türkei und in Syrien zu unterdrücken. Es kam bereits zu militärischen Angriffen auf syrisches Gebiet, auf PKK-Camps und Stellungen des IS. Durch die Angriffe auf den IS versucht Erdogan einerseits dem Westen zu signalisieren, dass er gegen die Islamisten kämpft, andererseits versucht er weiterhin die Kontrolle zu behalten. „Ausnutzen“ im Kampf gegen Kurd_innen und „bekämpfen“ wenn der IS dem türkischen Staat zu gefährlich wird  – so lautet die AKP – Politik im Bezug auf den IS.

Auch wenn nicht davon auszugehen ist, dass der türkische Staat direkt in die Planung des Attentats von Suruç einbezogen war, bietet seine Politik die bestmöglichen Bedingungen dafür. Sicherlich ist die AKP-Regierung nicht erfreut darüber, dass der Kampf gegen fortschrittliche Kräfte wie den Jugendlichen der SGDF auf diese Art auf türkischem Staatsgebiet geführt und dadurch ein Bürgerkrieg provoziert wird. Die seit Monaten andauernden Gespräche über die Entwaffnung der PKK, die eher eine Erpressung als eine Verhandlung waren, sind nun wohl erst einmal hinfällig.

… und gegen den inneren Feind

Schon wenige Tage nach dem Attentat von Suruç wurden türkische Polizisten in Diyarbakir erschossen, dazu bekannte sich die PKK als Rache für das Attentat in Suruç.

Doch ein erschossener Polizist kann ersetzt werden und mit ihm wird wiederum der türkische Staat Vergeltung an der Bevölkerung üben. Am Freitag den 24.07. wurde eine landesweite Großrazzia durchgeführt, während der in Wohn- und Kulturzentren der PKK und der DHKP-C nicht nur rund 300 AktivistInnen verhaftet, sondern auch eine Frau erschossen wurde. Dass die PKK und DHKP-C gegen den bürgerlichen Staat verteidigt werden müssen, steht außer Frage, doch kritisieren wir ausdrücklich die Taktik von individualistischen Angriffen, welche die Befreiungsbewegung keinen Schritt voran bringt. Beide Organisationen stecken seit Jahren in einem politischen Kurs fest, der schon lange keine politischen und sozialen Erfolge mehr erzielt, gleichzeitig verhalten sie sich zueinander extrem sektiererisch. Die PKK versucht durch die HDP Einfluss durchs Parlament zu gewinnen, nur leider hat sich auch der HDP-Vorsitzende schon öffentlich bei den Familien der Polizisten entschuldigt, was wohl sicher nicht das Ziel der PKK war. Gleichzeitig werden Solidaritätsdemonstrationen in der ganzen Türkei mit massiver Polizeigewalt angegriffen, dafür entschuldigt sich niemand.

Den kurdischen Kampf ausweiten und verteidigen!

Statt diffuse und gefährliche Einzelaktionen gegen den mächtigen türkischen Staat durchzuführen oder mit ihm zu verhandeln, muss die HDP und mit ihr die PKK zu massenhaften Organen der türkischen und kurdischen Arbeiter_innenklasse werden. Der stetige Nationalismus auf beiden Seiten führt nur zu einer Spaltung und dadurch Schwächung gegen den eigentlich Feind: der Bourgeoisie, die den türkischen Staat als Regionalmacht im Nahen Osten ausbauen will und dabei ohne Rücksicht auf menschliche Verluste auch mit Syrien einen Krieg vom Zaun bricht – auch um Assad, den ehemaligen Verbündeten – loszuwerden.

An erster Stelle müssen Selbstverteidigungsstrukturen gegen den IS und das türkische Militär organisiert werden. Die Regierung verschwendet keinen Gedanken an die Sicherheit der Bevölkerung, sondern versucht durch Staatsterror Herr der Lage zu werden.

Die ökonomischen Bedingungen in der Türkei müssen zugunsten der Unterdrückten restrukturiert werden. Dies kann vor allem durch Streiks und Besetzungen der Großen Betriebe angestoßen werden und mit der Selbstverteidigung verbunden werden.

Doch was auch immer im Osten des Landes geschieht, solange der Westen in den großen Städten wie Istanbul und der Hauptstadt Ankara nicht ebenfalls gegen die Regierung mobilisiert, hat der Kampf in Kurdistan einen schweren Stand.

Eine Einheitsfront der linken Organisationen, in Kurdistan, in der Türkei aber auch in Europa muss für ein Ende des Staatsterrors, die Freilassung der politischen Häftlinge und die Legalisierung der PKK kämpfen und eine grundlegende Debatte um deren politische Führung und die Zukunft des kurdischen Befreiungskampfes führen.

Ein Artikel von Svenja Spunck, REVOLUTION Berlin




Suruç: Der kurdische Befreiungskampf und seine Feind_innen

Die Revolution von Rojava

Am 19. Juli ist das Internet voll von Bildern glücklicher YPG/YPJ Kämpfer_innen, die den dritten Jahrestag ihrer Revolution feiern. Sie feiern eine Revolution, die im Norden Syriens, in Rojava, ein vom Assad-Regime autonomes Gebiet erkämpft hat und nun täglich gegen den Islamischen Staat und der türkischen Regierung verteidigt werden muss. Obwohl dem Gebiet fast jeglicher Versorgungsweg abgeschnitten wurde und bislang ihr einziger Verbündeter die Kurdische Arbeiter_innenpartei PKK ist, haben die Volksverteidigungskräfte der PYD erst kürzlich die vom IS besetzte Stadt Kobanê befreien können und tausenden jesidischen Flüchtlingen das Leben gerettet. Auch wenn ihre militärische Ausrüstung alles andere als modern ist, sind sie allen anderen Armeen aus der Region in Einem meilenweit voraus: In ihren Reihen kämpfen Männer und Frauen gemeinsam gegen den Faschismus des IS und immer mehr Genoss_innen organisieren internationale Brigaden, um den Kampf um Rojava zu unterstützen.

Attentat von Suruç

So war auch eine Gruppe von Jugendlichen der türkischen Organisation SGDF, Föderation Sozialistischer Jugendverbände, vor ein paar Tagen in die türkische Stadt Suruç an der syrischen Grenze gereist. Dort sollte ihr letzter Zwischenstopp sein, bevor sie die Grenze passieren wollten um beim Wiederaufbau der Stadt Kobanê zu helfen. Das letzte Bild zeigt die Jugendlichen lachend an einem Tisch im Garten eines Kulturzentrums sitzen, im letzten Video stellen sie sich gerade auf, um ein Transparent in die Höhe zu halten, auf dem steht: “Wir haben es zusammen verteidigt, zusammen werden wir es wieder aufbauen!”

Doch viele von ihnen werden Rojava nie zu Gesicht bekommen, denn wenige Sekunden später detoniert eine Bombe und reißt 32 Menschen in den Tod, viele werden verletzt. Ein 20 jähriger türkischer Student, der in einer Zelle des IS in der Türkei organisiert war, mischte sich unter die Gruppe und zündete seinen Sprengstoffgürtel.

Kollaboration zwischen IS und AKP

Zur gleichen Zeit gab es auch in Rojava einen Angriff, bei dem mehrere PYD-Mitglieder starben.

Für diese Attentate werden nun zwei Akteure verantwortlich gemacht: der IS und die türkische Partei AKP und ihr Präsident Erdogan, die bis zum Juni diesen Jahres seit 13 Jahren die Regierung stellten und sich momentan in Verhandlungen um eine Koalitionsregierung befindet. Seit Monaten tauchen immer wieder Hinweis im Internet auf, die auf eine Zusammenarbeit zwischen der Türkei und dem IS hinweisen, wie beispielsweise massenweise türkische Waffen und Munition im Gebiet des IS, Transporter des türkischen Geheimdienstes, die mit russischen Waffen beladen die syrische Grenze passieren, Fotos von IS Kämpfern, die seelenruhig und grinsend an der türkischen Grenze entlang spazieren und gemeinsam mit der türkischen Armee die Kurd_innen daran hindern, in die Türkei zu flüchten, während ihre eigenen Verwundeten in türkischen Privatkliniken behandelt werden.

Was darauf folgt, ist nicht etwa eine Untersuchung dieser Vorfälle, sondern die Einschränkung der Pressefreiheit und Entlassung von Juristen aus dem Staatsdienst.

Die Aufgaben der Linken

Was jedoch auch nicht folgt, sind Massenproteste gegen diese Verbrechen der Regierung. Die kurdisch dominierte „Demokratische Partei der Völker“ (HDP) war zwar in den letzten Monaten in den Medien sehr präsent, das lag aber eher am Wahlkampf an sich und der Tatsache, dass zum ersten Mal in der türkischen Geschichte eine Parlamentspartei für die Gleichberechtigung von Kurd_innen und anderen unterdrückten Völkern eintritt, zumindest verbal. Das reichte der AKP-Regierung aber schon aus, um sich bedroht zu fühlen, weshalb massive Hetz- und Einschüchterungskampagnen gefahren wurden die verhindern sollten, was sogar die HDP-Wähler_innen selbst überraschte: der Einzug ins Parlament mit 13,12 Prozent.

Doch seit den Wahlen ist es ruhiger geworden um die HDP. Aus dem anfänglichen Statement ihres Vorsitzenden Selahattin Demirtas, dass sie auf keinen Fall eine Koalition mit der AKP eingehen würden, wurde ein Angebot an Erdogan. Bevor es gar keine Koalition mit der CHP oder MHP gäbe, solle er sich doch noch einmal an die HDP wenden.

Statt mit diesem Firlefanz ihre Wählerschaft zu betrügen, sollte die Parteiführung der HDP endlich das Gebot der Stunde erkennen und über die nationalen Grenzen hinweg gegen Unterdrückung der Kurd_innen und für den Sturz der bürgerlichen Regierungen kämpfen. Die Kurd_innen im Osten der Türkei und im Norden Syriens stehen unter dem gleichen politischen Programm, dem Demokratischer Konföderalismus. Das „Modell Rojava“ ist zwar das fortschrittlichste in der Region, auch wenn wir das politische Programm dahinter als kein revolutionäres betrachten. Es beruht im Prinzip auf der illusorischen Vorstellung, dass man ohne einen Umsturz der syrischen und türkischen Regierungen einen autonomen kurdischen Staat in Kommunenform errichten könne. Doch die Zahnlosigkeit der HDP-Linie zeigt sich an dem Opportunismus ihrer Führung gegenüber dem türkischen Staat.

Erdogans Krieg in Syrien

Erdogans Regierung hat bereits 20.000 Soldaten mit Panzern an der syrischen Grenze stationiert. Sein Statement, dass er keinen kurdischen Staat an seiner Grenze zulassen würde, bedeutet dass er alles dafür tun wird, um den kurdischen Widerstand in der Türkei und in Syrien zu unterdrücken. Es kam bereits zu militärischen Angriffen auf syrisches Gebiet, auf PKK-Camps und Stellungen des IS. Durch die Angriffe auf den IS versucht Erdogan einerseits dem Westen zu signalisieren, dass er gegen die Islamisten kämpft, andererseits versucht er weiterhin die Kontrolle zu behalten. „Ausnutzen“ im Kampf gegen Kurd_innen und „bekämpfen“ wenn der IS dem türkischen Staat zu gefährlich wird  – so lautet die AKP – Politik im Bezug auf den IS.

Auch wenn nicht davon auszugehen ist, dass der türkische Staat direkt in die Planung des Attentats von Suruç einbezogen war, bietet seine Politik die bestmöglichen Bedingungen dafür. Sicherlich ist die AKP-Regierung nicht erfreut darüber, dass der Kampf gegen fortschrittliche Kräfte wie den Jugendlichen der SGDF auf diese Art auf türkischem Staatsgebiet geführt und dadurch ein Bürgerkrieg provoziert wird. Die seit Monaten andauernden Gespräche über die Entwaffnung der PKK, die eher eine Erpressung als eine Verhandlung waren, sind nun wohl erst einmal hinfällig.

… und gegen den inneren Feind

Schon wenige Tage nach dem Attentat von Suruç wurden türkische Polizisten in Diyarbakir erschossen, dazu bekannte sich die PKK als Rache für das Attentat in Suruç.

Doch ein erschossener Polizist kann ersetzt werden und mit ihm wird wiederum der türkische Staat Vergeltung an der Bevölkerung üben. Am Freitag den 24.07. wurde eine landesweite Großrazzia durchgeführt, während der in Wohn- und Kulturzentren der PKK und der DHKP-C nicht nur rund 300 AktivistInnen verhaftet, sondern auch eine Frau erschossen wurde. Dass die PKK und DHKP-C gegen den bürgerlichen Staat verteidigt werden müssen, steht außer Frage, doch kritisieren wir ausdrücklich die Taktik von individualistischen Angriffen, welche die Befreiungsbewegung keinen Schritt voran bringt. Beide Organisationen stecken seit Jahren in einem politischen Kurs fest, der schon lange keine politischen und sozialen Erfolge mehr erzielt, gleichzeitig verhalten sie sich zueinander extrem sektiererisch. Die PKK versucht durch die HDP Einfluss durchs Parlament zu gewinnen, nur leider hat sich auch der HDP-Vorsitzende schon öffentlich bei den Familien der Polizisten entschuldigt, was wohl sicher nicht das Ziel der PKK war. Gleichzeitig werden Solidaritätsdemonstrationen in der ganzen Türkei mit massiver Polizeigewalt angegriffen, dafür entschuldigt sich niemand.

Den kurdischen Kampf ausweiten und verteidigen!

Statt diffuse und gefährliche Einzelaktionen gegen den mächtigen türkischen Staat durchzuführen oder mit ihm zu verhandeln, muss die HDP und mit ihr die PKK zu massenhaften Organen der türkischen und kurdischen Arbeiter_innenklasse werden. Der stetige Nationalismus auf beiden Seiten führt nur zu einer Spaltung und dadurch Schwächung gegen den eigentlich Feind: der Bourgeoisie, die den türkischen Staat als Regionalmacht im Nahen Osten ausbauen will und dabei ohne Rücksicht auf menschliche Verluste auch mit Syrien einen Krieg vom Zaun bricht – auch um Assad, den ehemaligen Verbündeten – loszuwerden.

An erster Stelle müssen Selbstverteidigungsstrukturen gegen den IS und das türkische Militär organisiert werden. Die Regierung verschwendet keinen Gedanken an die Sicherheit der Bevölkerung, sondern versucht durch Staatsterror Herr der Lage zu werden.

Die ökonomischen Bedingungen in der Türkei müssen zugunsten der Unterdrückten restrukturiert werden. Dies kann vor allem durch Streiks und Besetzungen der Großen Betriebe angestoßen werden und mit der Selbstverteidigung verbunden werden.

Doch was auch immer im Osten des Landes geschieht, solange der Westen in den großen Städten wie Istanbul und der Hauptstadt Ankara nicht ebenfalls gegen die Regierung mobilisiert, hat der Kampf in Kurdistan einen schweren Stand.

Eine Einheitsfront der linken Organisationen, in Kurdistan, in der Türkei aber auch in Europa muss für ein Ende des Staatsterrors, die Freilassung der politischen Häftlinge und die Legalisierung der PKK kämpfen und eine grundlegende Debatte um deren politische Führung und die Zukunft des kurdischen Befreiungskampfes führen.

Ein Artikel von Svenja Spunck, REVOLUTION Berlin




Flucht und Rassismus: Proteste, Schwächen und Arbeit

Wie düster das Leben  von Geflüchteten diesseits des Mittelmeeres ist, stellt kein Geheimnis mehr dar. Zusammengepfercht warten sie mehrere Jahre in unmenschlichen Unterkünften auf die Bearbeitung ihres Asylantrages. Die Residenzpflicht zwingt sie dazu dort ihr Dasein zu fristen – um dann in 4 von 5 Fällen wieder in Kriegs- und Krisengebiete abgeschoben zu werden. Zusätzlich kommt die Angst vor Übergriffen hinzu -allein in diesem Jahr gab es bereits mehr Angriffe als in den Jahren 2012 und 2013 zusammen. Schuld daran ist die Hetze, die schon lange nicht mehr nur von Rechtsextremisten betrieben wird, sondern auch von CDU oder der SPD unter dem Deckmantel “ Versachlichung der Debatte’’ betrieben wird.

Die Proteste der Geflüchteten verhallen im Nichts oder werden mit leeren Versprechungen erstickt wie man am Beispiel der Bewegung um den Berliner Oranienplatz sehen kann.

Konkret fehlt den Geflüchteten ein Druckmittel um ihre Forderungen durchzusetzen. Ihre Aktionen sind zu isoliert und einfache Demonstrationen reichen nicht aus um der Regierung Feuer unter ihren Wohlstandsärschen zu machen.

Rassismus

Während die einen leiden, wird von anderer Seite noch mal gehetzt und die Angst geschürt. Mit rassistischen Klischees wird versucht, den Kampf, der eigentlich ein gemeinsamer sein sollte zu trennen. Marzahn-Hellersdorf ist ein Paradebeispiel. Angeblich besorgte Anwohner_innen wollen Kinder schützen, Drogenhandel verhindern und werfen mit ekelhaft rassistischen Klischees um sich. Damit spielen sie der Regierung in die Hände. Das Motto, die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen ist erwünscht.

Der Eine ist ein “Wirtschaftsflüchtling” aus Somalia, die Andere eine “Armutsmigrantin” aus Rumänien, wieder eine Andere ist vor dem Krieg aus Syrien geflohen. Ihre Gemeinsamkeit? Alle versuchen vor der imperialistischen Politik – auch jener Deutschlands – zu fliehen. Dass Deutschland drittgrößter Waffenexporteur ist, EU-Trawler, riesige Fischkutter, seit Jahren die Ostküste Afrikas leerfischen, EU – Agrarsubventionen in Afrika für Hunger sorgen und mit billigen Exportprodukten die dortige Wirtschaft zerstören oder dass man zuerst in Osteuropa den Markt für private, europäische Investoren öffnete, alles verkommen ließ und die Menschen erst Jahre danach hier unter eingeschränkten Bedingungen arbeiten durften, wird sehr gerne vergessen.

Aber Faschos, Rassist_innen und Regierung sind sich einig: Lieber verschleiert man die Ursachen und hetzt anstatt Verantwortung zu übernehmen. Und wenn man schon MigrantInnen aufnehmen muss, dann bitte nur qualifizierte. Dass sich hinter dieser Forderung ebenfalls nur ein wirtschaftliche Vorteilspolitik versteckt, ist wohl Jedem klar. Bestes Beispiel ist das Anwerbe-Abkommen aus den 50/60er Jahren mit der Türkei und weiteren Staaten. Wenn gerade mal Fachkräfte benötigt werden, lässt man sie in die deutsche Stube hinein. Integration braucht man erst gar nicht – denn lange bleiben sollten sie eh nicht, da sie die Sozialsysteme ‘’nicht unnötig belasten’’ sollen.

Kommt man aber ungelegen, wenn mal gerade keine günstige Arbeitskraft gebraucht wird, ist es egal, ob man über Spanien und Italien geflohen ist oder aus den östlichen Ländern der EU kommt.

Perspektive: Spaltung überwinden!

Wir Jugendlichen erleben eine Entrechtung, genau wie Geflüchtete und Arbeitsmigrant_Innen. Wir haben schlecht bezahlte Ausbildungen, unbezahlte Praktika oder Nebenjobs, die kaum vergütet sind und Einen in eine finanzielle Abhängigkeit von der Familie zwingen. Migrant_innen und Flüchtlinge wiederum ist legales Arbeiten gar oft verboten, was sie zur Annahme von Schwarzarbeit oder illegalen Drogendeal zwingt.

Eine zentrale Schwäche der bisherigen Bewegung war ihre Isolierung vom Rest der Arbeiter_innenklasse, obwohl Geflüchtete der unterdrückteste Teil dieser sind. Der DGB ließ letztes Jahr sogar Geflüchtete aus seiner Gewerkschaftszentrale räumen und wurden gar schon aus Gewerkschaften geschmissen.

Ein Weg aus diesem Dilemma bietet unter anderem die Forderung nach Aufnahme in die Gewerkschaften, sowie die Forderung nach Arbeitsrecht – eine Forderung für die die Gewerkschaften eintreten sollten!

Nicht nur, dass die Geflüchteten, die versuchen den Folgen der EU Außenpolitik zu entkommen oder aufgrund politischer Verfolgung fliehen, somit die Möglichkeit hätten, eine gewisse Selbstständigkeit zu erreichen. Nein, mit der Aufnahme in eine Gewerkschaft gäbe es die Basis für einen gemeinsamen Arbeitskampf – und  an diesem gäbe es von allen Seiten, auch von Seiten der deutschstämmigen Arbeiter_innen, durchaus Interesse. Arbeitsmigrant_innen werden schlechter bezahlt und das wiederum sorgt für Lohndrückerei, wovon die ganze Klasse betroffen ist – was wiederum zur Spaltung der Arbeiter_innen beiträgt, die ihren Kampf aber nur international gewinnen können. Es gilt also den zur Zeit stattfinden Rassismus zu bekämpfen und die Spaltung zu überwinden, denn: Rassismus lenkt vom Kapitalismus als der eigentlichen Ursache des sozialen Niedergangs ab und nützt somit nur der herrschenden Klasse. Aber anstatt den gemeinsamen Kampf anzustreben, verweigert die Gewerkschaftsführung die Zusammenarbeit – das zeigt, wie tief Alltagsrassismus und Sozialchauvinismus im Zuge der “Sozialpartnerschaft” mittlerweile in der Arbeiter_innenbewegung Verbreitung gefunden haben.

Nur wenn es uns gelingt diese Kämpfe zu verbinden, ein Bewusstsein zu schaffen, dass nicht nur die Geflüchteten im Boot sitzen, dass die EU bereitwillig kentern lässt, sondern auch wir, können wir eine Bewegung sein, die genug Druck erzeugen kann, dem rassistischen, ausbeutenden System etwas entgegenzustellen. Von viel zentralerer Bedeutung wäre bei einem gemeinsamen Kampf aber auch, dass dieser ein Schritt zur Beseitigung der rassistischen Spaltung der Arbeiter_innenklasse wäre!

Wir fordern:

  • Schluss mit der Kriminalisierung: Sofortiges Arbeitsrecht und volle Staatsbürgerschaft für alle Geflüchteten und Arbeitsmigrant_innen
  • Weg mit rassistischen Positionen in Gewerkschaften und offenen, sowie versteckten Diskriminierungen im Alltag!
  • Schluss mit der Isolation der Bewegung! Für eine Solidarisierung mit den Geflüchteten und einen gemeinsamen Kampf aller Jugendlichen, Gewerkschaften, radikaler Linker, antirassistischer Arbeiter_innen und der LINKEN.
  • Geflüchtete in die Gewerkschaften, gegen die rassistische Spaltung der Arbeiter_innenklasse, für den gemeinsamen Arbeitskampf!

Ein Artikel von Katherina Singh, REVOLUTION Berlin




Prekariat und Jugend

Ein schöneres Wort für Unterschicht?

Prekariat -wieder mal ein kompliziertes Wort, dass sich ziemlich klug anhört und man irgendwo schon mal aufgeschnappt hat. Aber was versteht man eigentlich unter dem Begriff Prekariat? Was heißt es prekär, beschäftigt zu sein?

In erster Linie beschreibt prekär ein Arbeitsverhältnis. Nämlich: schlecht bezahlt, keine Sozialversicherung, befristet, kein Tarifvertrag, ungewisse Zukunftsaussichten. Die ständige Angst vor sozialem Abstieg, Unsicherheit aufgrund der Zeitarbeit gibt es aber dafür kostenlos dazu. Also könnte man sagen: Ja. Der Begriff der Prekariat beschönigt ein ungeschütztes Arbeitsverhältnis. Allgemein wird in der Soziologie auch so getan, dass es sich hierbei um eine neuere Form einer sozialen Gruppierung handelt. Dass das eine Lüge ist, scheint klar zu sein.

Zahlen, Zahlen und noch mehr Zahlen

In den letzten 10 Jahren nahm die Prekarisierung von Arbeitsstellen beständig zu. Jugendliche sind besonders betroffen. Als billige Arbeitskraft in Minijobs, Praktika oder als Leiharbeiter_in wird man gerne genutzt. Nebenbei drückt man so die Reallöhne der Beschäftigten, während man selber ausgebeutet wird. Laut des DGB Index für Gute Arbeit für junge Beschäftigte hat Jeder 5. hat eine unbefristete Arbeitsstelle.

Zum Einen hat man mit so genannten Strukturreformen die Jugendarbeitslosigkeit verringert und sie dafür in prekäre Arbeitsverhältnisse getrieben. Rund 14% der Jugendlichen verdienen weniger als 800€ im Monat. Mit der Agenda 2010 wurde der Arbeitsmarkt flexibler und es wurden mehr Anreize geschaffen.

Das heißt genauer: Wenn die Leistungen des Hartz4 Satzes nicht gekürzt werden sollen, darf man nur noch eine begrenzte Zahl an Jobs ablehnen. Schöner Anreiz, nicht? Die breite Auswahl an Zeit- und Leiharbeitsfirmen, sowie die Umwandlung von normalen Beschäftigungsverhältnissen zu schlecht bezahlten, befristeten Mini- oder Teilzeitjobs sorgen dann auch für ausreichend Flexibilität.

Zudem wird einem suggeriert, dass Praktika für den Lebenslauf notwendig sind und die Aufstiegschancen fördern. Bevor man eine Ausbildung anfangen will oder als Pflichtmodul in einem Studium stellen schlecht bis gar nicht entlohnte Praktika mittlerweile eine Pflicht dar. Teilweise können von 3 Monate bis sogar zu einem Jahr andauern. Hinzu kommen dann noch die Praktika in der Schulzeit -besonders bei Berufsschulen- und die, die man freiwillig in Sommer- und Semesterferien macht.

Einen besonderen Aspekt nehmen Migrant_innen ein. Der vorherrschende Rassismus wirkt sich so aus, dass sie den größten Teil der prekären Beschäftigten stellen. In der Schule, im Betrieb und an der Uni haben Migrant_innen die schlechtesten Bildungschancen -und werden zum Einen so vermehrt in prekäre Jobs gedrängt. Zum Anderen muss man in vielen Betrieben nur den falschen Namen haben um nicht für den Job oder Ausbildung angenommen zu werden, sondern für den Mini- oder Teilzeitjob für den man “eh nicht so gute Qualifikation” braucht. Ähnlich läuft es bei Frauen. Neben sexistischen Kommentaren und Belästigungen, denen man im Alltag ausgesetzt ist, sprechen die Zahlen für sich. Doppelt so viele weibliche wie männliche Jugendliche, sprich rund 40%, arbeiten prekär beschäftigt. Gut ein Fünftel aller weiblichen Angestellten unter 30 müssen laut des DGB Index für gute Arbeit auch in ihrer Freizeit unbezahlt für den Job arbeiten -bei den Männern sind es 9%.Die Quote an Frauen, die einen Gymnasial- oder Universitätsabschluss haben ist zwar höher als die der männlichen Absolventen. Dennoch arbeitet der Großteil der Frauen prekär in Teilzeit- oder Minijobs. Warum? Die Privatisierung der Hausarbeit sie zwingt zu Hause zu bleiben und was zum Familieneinkommen “dazuverdienen”. Dass sie oft nicht die Hauptverdienerinnen sein können ist klar -denn schließlich verdienen Frauen im Schnitt 23% und in gleichen Jobs bis zu 8% weniger als ihre männlichen Kollegen.

Was für eine Perspektive brauchen wir?

Die unten genannten Rechte sind gut und schön, aber reichen beiweitem nicht aus. Besonders in Krisenzeiten werden die Rechte der Arbeiter_innen immer beschnitten um die Profite der Kapitalist_innen zu wahren. Errungenschaften wie Mindestlohn etc. werden angegriffen, wie wir gerade in Spanien oder Griechenland sehen. Deswegen dürfen wir uns keine Illusionen in die Forderungen der Reformist_innen machen, sondern kämpfen für die Verbindung von Tageskämpfen mit einer revolutionären Perspektive. Die Kapitalist_innen nett darauf hinzuweisen, dass man für gute Arbeit gute Arbeitsbedingungen braucht, wird nicht dafür sorgen, dass es keine befristeten Arbeits- und Tarifverträge und einen Mindestlohn gibt!

Dabei ist gerade für prekär Beschäftigte die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn mit dem man seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, ein zentraler Punkt. Zum Einen um den Druck und die Angst vor sozialem Abstieg zu verhindern, zum Anderen um die Grunddversorgung aller Menschen zu gewährleisten.

Auch die gewerkschaftliche Organisierung und der Kampf gegen die Auslagerung von ganzen Abteilungen und Spaltungen in verschiedene Tarifeinheiten, ist zentral.

Unsicheres Arbeitsverhältnis, kaum Ansprüche auf Bezüge vom Staat, keine eigene Wohnung, Rassismus, Sexismus oder unbezahlte Praktika für Jugendliche und junge Arbeitende. Das sind keine Probleme die nur hier im Herzen des Imperialismus, in Deutschland, vorzufinden ist. Auf der ganzen Welt werden Jugendliche stärker vom herrschenden System ausgebeutet! Daran können wir allein nichts ändern. Wir brauchen eine Internationale Organisation, um diese Probleme überall lösen zu können. Neben der revolutionären Partei ist es deshalb  unabdinglich eine internationale Organisierung aller Jugendlichen aufzubauen. Deshalb treten wir für eine revolutiobäre Jugendinternationale ein, denn all diese Probleme haben einen gemeinsamen Nenner, den Kapitalismus!

EXKURS: Du bist Minijober_in? – Das sind deine Rechte!

Erstmal: Minijober_in bist du, wenn du im Monat maximal 450 Euro („geringfügig entlohnt“) verdienst oder du kurzzeitig beschäftig bist – maximal 50 Arbeitstage im Kalenderjahr.

Dass du die gleichen Rechte wie Vollzeitbeschätigte hast, werden dir die wenigsten Arbeitgeber_innen sagen. Dein Boss muss dich gleich behandeln – aber er kann dies mit Begründungen wie „ungleiche Qualifikation“  umgehen.

Trotzdem Gleichbehandlung? Was heißt das für mich?

-> Dir steht ein schriftlicher Arbeitsvertrag zu, spätestens nach zwei Monaten muss schriftlich vorliegen, wie das Arbeitsverhältnis (Dauer / Beginn, Ort, dein Name und der des Bosses, Tätigkeit, Lohn, Hinweis auf Tarifverträge, Arbeitszeit, Urlaubstage, Kündigungsfrist) aussieht.

-> Urlaub! Dieser berechnet sich so: Arbeitstage p. Woche x 24 / 6 = Urlaubstage. Auch hier gilt Gleichbehandlung!Lohn für gesetzliche Feiertage! Dein Boss darf dich den Feiertag auch nicht nach- oder vorarbeiten lassen!

-> Lohnzahlung für 6 Wochen bei Krankheit oder Schwangerschaft und Beschätigungsverbot! Zuschuss zum Mutterschaftsgeld!

->  Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld), wenn diese deinen VollzeitkollegInnen zustehen!

-> Schutz vor sofortiger Kündigung! Auch hier gilt die Gleichbehandlung! Es sind zur Kündigung unterschiedliche Fristen, je nach Beschäftigungsdauer, einzuhalten. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen.

-Minderjährig?

-> maximal 8h Arbeit pro Tag –

-> mehr Urlaub: mit 16 30 Tage, mit 17 27 Tage, mit 18 25 Tage

Quelle und weitere Infos auf www.minijob-zentrale.de

Ein Artikel von Katherina Singh, REVOLUTION Berlin