Rechtsruck aber niemand auf der Straße?

Von Stephie Murcatto, Oktober 2024

Die AFD befindet sich auf einem historischen Höhenflug. Mit ihrer rechten Rhetorik dominiert sie die deutsche Politik, alle anderen Parteien passen sich an, die CDU rückt mit Friedrich Merz als Kanzlerkandidat und dem neuen Grundsatzprogramm weiter nach rechts und SPD und Co. lassen sich auf eine Diskussion über massive Abschiebewellen ein und fördern diese auch als Teil der Bundesregierung. Bei den letzten Landtagswahlen hat die AFD historische Erfolge erzielt und die Niederlage der Regierungsparteien hat sich verfestigt. Während sich die SPD noch einigermaßen behaupten konnte, sind Grüne und FDP in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht. Das Bündnis Sahra Wagenknecht, eine rechte Abspaltung der Linkspartei, lässt sich ähnlich wie Bundeskanzler Olaf Scholz auf eine rechte Abschiebedebatte ein und fördert diese aktiv.

Während vor einem halben Jahr noch Hunderttausende gegen die AFD auf die Straße gingen, sind die Straßen heute leer und still. Das meiste, was man sieht, sind die paar hundert üblichen Linken, die sich zu Antifa-Protesten auf der Straße versammeln. Größere Proteste und antirassistische Mobilisierungen gegen die rassistische Abschiebewelle der Bundesregierung hat es bisher nicht gegeben, ebenso wenig wie größere Mobilisierungen gegen die rassistische Rhetorik der AFD, die gerade mit Slogans wie „millionenfach abschieben“ ihren Wahlsieg in Brandenburg feiert. Die einzige größere Mobilisierung in den letzten Monaten, schaffte die #Widersetzen-Struktur, die vor allem durch die Mobilisierung innerhalb der Gewerkschaften einen großen Protest gegen den AfD-Parteitag in Essen organisierte. Die Jugend, die lange als linke Kraft in Erscheinung trat, orientiert sich zunehmend nach rechts und zur AFD. Rassistische Übergriffe auf migrantische Menschen häufen sich und werden in nächster Zeit wohl nicht weniger sondern eher mehr. Man fragt sich, wann wohl das nächste Hanau sein wird.

Aber warum ist niemand auf der Straße? Und warum gewinnt die AfD?

In Deutschland herrscht Krise. Die Reallöhne sinken immer weiter, große Unternehmen wie VW oder die Deutsche Bahn müssen massiv Arbeitsplätze abbauen. Die Inflation lässt die Preise steigen, und Sozialleistungen werden zunehmend gestrichen. Es wird massiv abgeschoben, demokratische Rechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit werden eingeschränkt. All dies geschieht im Kontext mit einer schwachen Linken, die nicht in der Lage ist, gesamtgesellschaftliche Alternativen zum derzeitigen Regierungskurs aufzuzeigen und für soziale Verbesserung und gegen Abschiebungen auf die Straße zu gehen. Dabei fällt immer wieder auf, dass auf aktuelle Probleme und Krisen die Linke keine konkreten Antworten und Lösungsansätze parat hat. Das spielt der AfD in die Hände. Die AfD schafft es, sich als oppositionelle Anti-Regierungspartei darzustellen, während sie in Wirklichkeit nur eine massive Verschärfung der aktuellen Politik der Regierung vertritt.

Die Kräfte, die noch Vertrauen innerhalb der Massen der Arbeiter:innenklasse genießen und eine Alternative zur AfD aufzeigen könnten, verraten ihre Basis. Reformistische Kräfte wie die SPD oder linksliberale Parteien wie die Grünen verfolgen eine Strategie des sogenannten „strategischen Wählens“. Ihr politischer Kampf beschränkt sich darauf, Menschen für Wahlen zu mobilisieren – oft nicht einmal mit ihrem eigenen Programm. So wird beispielsweise in bestimmten Bundesländern oder Regionen dazu aufgerufen, SPD oder gar CDU zu wählen, auch wenn man diese programmatisch gar nicht unterstützt, um der AfD „strategisch“ Wahlerfolge zu verwehren.

Das grundlegende Problem dieser Strategie liegt darin, dass sie auf der Logik des „kleineren Übels“ basiert: Die AfD ist schlimm, und die Ampel oder eine CDU-Regierung ist weniger schlimm – deshalb müsse man für diese stimmen, da es keine echte Alternative gebe. Doch diese Logik verkennt das eigentliche Problem: Es geht nicht darum, wie sich alles etwas langsamer verschlechtert, sondern wie es für die arbeitenden und unterdrückten Menschen tatsächlich besser werden kann. Auch die Beschränkung auf Wahlen als Strategie übersieht, dass Wahlen allein die AfD nicht aufhalten können und dass Wahlen an sich keine Verbesserungen bringen.

Wenn es dann größere Mobilisierungen von SPD, Grünen und Co. gibt, die richtig und wichtig sind, werden diese nach der gleichen Logik des kleineren Übels zur Unterstützung der aktuellen Regierungspolitik genutzt. Dazu wird eine „Brandmauer“ gegen die AfD zur Verteidigung „unserer“ Demokratie aufgebaut, unter der sich alle Demokrat:innen gegen die undemokratische AfD versammeln und gemeinsam mit einem klassenübergreifenden Programm protestieren sollen. Unter den Teppich gekehrt wird natürlich, dass SPD, Grüne und Co. selbst demokratische Rechte abbauen, Sozialleistungen kürzen und rassistische Abschiebepolitik ganz ohne die AFD durchsetzen. So wichtig es ist, dass SPD, Gewerkschaften und andere Organisationen der Arbeiter:innen, der Klasse und der Unterdrückten zu Protesten gegen die AfD aufrufen, so wichtig ist es auch, dass dies mit einem klassenunabhängigen Programm im Interesse der Arbeiter:innen und der Unterdrückten passiert.

Häufig wird im Zusammenhang mit dieser sogenannten Brandmauer ein Verbot der AfD gefordert. Dabei wird darauf vertraut, dass der bürgerliche Staat die Probleme für einen löst, anstatt die AfD gesellschaftlich zu bekämpfen, indem der Nährboden für rechte Ideologien ausgetrocknet wird. Aber bekanntlich trifft eine Ausweitung der repressiven Mittel letztlich immer die gesellschaftliche Linke, also würde ein AfD-Verbot am Ende auf uns zurückfallen. Dazu wird ein Verbot der AfD den gesellschaftlichen Rechtsruck nicht aufhalten und 30% der Wähler:innen werden nicht aufhören, rechts zu sein, wenn man ihre Partei verbietet. Die Politiker:innen und Unterstützer:innen der AfD werden sich einfach ein neues Zuhause in einer anderen Partei suchen oder so eine Partei gründen, dass diese nicht unmittelbar wieder verboten wird, und so sind wir wieder beim selben Problem, dass 30% der Wähler:innen sie unterstützen. Genau deshalb brauchen wir eine gesellschaftliche Bewegung gegen rechte Ideologie und für soziale Verbesserungen statt der Scheinlösung eines AfD-Verbots.

Aber was können wir tatsächlich tun?

Um wirklich gegen die AfD kämpfen zu können, müssen wir uns gemeinsam mit anderen Kräften unter klaren, gemeinsamen Forderungen zusammenschließen. Als kleine linke Gruppe können wir eigenhändig keine grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen herbeiführen. Wir müssen dazu aufrufen, gemeinsam mit den großen Kräften der Arbeiter:innenklasse – wie zum Beispiel der SPD, Linkspartei aber auch den Gewerkschaften und vor allem deren Jugendorganisationen – eine gemeinsame Einheitsfront zu bilden, um die AfD zu zerschlagen und gesellschaftliche Verbesserungen zu erreichen, damit wir der AfD ihre soziale Basis entziehen. Das bedeutet aber auch, dass wir deren Führungen unter Druck setzen müssen, gemeinsam mit uns und allen anderen fortschrittlichen Kräften der Arbeiter:innen und Unterdrückten unter klaren Forderungen gegen die AfD zu kämpfen – vorausgesetzt, sie sind wirklich die Antirassist:innen, als die sie sich darstellen, und wollen tatsächlich im Interesse der Arbeiter:innen und Unterdrückten handeln.

Dieser Kampf kann nicht nur über Wahlen geführt werden; er muss auf der Straße, durch Massenmobilisierungen und durch Streiks stattfinden – zum Beispiel, um die AfD dort aufzuhalten, wo sie an der Regierung ist, oder ihre Parteitage zu blockieren. Doch das Ziel darf nicht allein in diesen Kämpfen bestehen. Es geht darum, die Lage der Arbeiter:innen und der Jugend zu verbessern und gegen die Krise anzukämpfen. Dabei dürfen wir nicht davor zurückschrecken, die aktuelle Regierung klar zu kritisieren.

Wir müssen klare Forderungen aufstellen, unter denen wir gemeinsam im Interesse der Arbeiter:innen und Unterdrückten kämpfen können. Antirassistische Forderungen und Forderungen nach sozialen Verbesserungen sollten dabei im Vordergrund stehen. Besonders die Frage der Abschiebungen ist derzeit relevanter denn je. Unser praktischer Vorschlag für Forderungen ist dabei:

100 Milliarden für soziales und Bildung, besteuert durch die Reichen, sowie Stopp aller Entlassungen.

Keine Abschiebungen, weg mit den Asylgesetzverschärfungen. Für offene Grenzen und Staatbürger:innenrechte für alle.

Rechtsruck da bekämpfen, wo er auf kommt: Für Antirassistische Basisstrukturen in Schule, Uni und Betrieb sowie Selbstverteidigungsstrukturen

Vor Ort müssen wir Kämpfe führen und Komitees aufbauen, um gemeinsam für dieselben Forderungen zu kämpfen. Gerade diese Komitees können zur Basis für größere Streiks und eine breitere Bewegung gegen den Rechtsruck und den Rassismus werden. Wir müssen Antidiskriminierungsstellen vor Ort einrichten, denn wie wir täglich sehen, breitet sich der Rassismus in der Gesellschaft immer weiter aus.

Zudem müssen wir weiterhin für unsere demokratischen Rechte kämpfen, die zunehmend eingeschränkt werden – sei es das Recht auf freie Meinungsäußerung in Bezug auf den Genozid in Gaza oder das Versammlungs- und Streikrecht, das immer stärker beschnitten wird.

Genau solche Kämpfe müssen jedoch zusammengeführt werden. Deshalb schlagen wir vor, dass alle Menschen, die etwas gegen die AfD unternehmen wollen, zur Widersetzen-Strategiekonferenz vom 1. bis 3. November in Leipzig zu kommen, um sich dort praktisch zu vernetzen und erste Schritte zum Aufbau einer großen antirassistischen Bewegung zu setzen.




In der SPD brodelt es! Wie muss es nach den offenen Briefen weitergehen?

Von Brokkoli Bittner, Oktober 2024

Von Teilen der SPD sind gleich zwei offene Briefe veröffentlicht worden, die beide starken Zuspruch bekommen haben. In den Briefen wird der Bundestagsfraktion vorgeworfen, ihre sozialdemokratischen Werte verraten zu haben. Vor allem die kürzlich umgesetzte Überwachung aller deutschen Grenzen hat wohl zur Entstehung der Briefe beigetragen. Umgesetzt wurde das von der Sozialdemokratin Nancy Faeser umgesetzt, um so vielen Geflüchteten wie möglich die Einreise zu verweigern. Durch eine rassistische Vereinnahmung des Messerangriffs in Solingen wird versucht, diesen Beschluss zu rechtfertigen.

Es ist gut, dass diese Briefe geschrieben wurden. Die Politik der SPD richtet sich schon lange gegen die arbeitende Bevölkerung, vor allem gegen Migrant*innen. Das darf man nicht einfach hinnehmen. Aber an Scholz zu appellieren reicht nicht, um den Rassismus in der eigenen Partei zu beenden. Was muss also in der SPD und den Jusos passieren?

1. Für eine unabhängige Jugendorganisation!

Auffällig ist, dass der eine Brief von 120 Regionalverbänden der Jusos getragen wird, während der andere auch von Teilen des Bundesvorstands der Jusos unterstützt wird. In der Vergangenheit ist immer wieder aufgefallen, dass Jugendorganisationen ihre Mutterparteien unter Druck setzen und für eine progressivere Politik einstehen.

Durch ihre Rolle im Produktionsprozess bekommen Jugendliche die Auswirkungen der Krise als erstes zu spüren. In der anhaltenden Wirtschaftskrise seit 2008 ist für uns immer weniger Geld da. In der Schule und Uni, wo nichts produziert wird und kein Profit erwirtschaftet werden kann, setzt der Staat Sozialkürzungen meist zuerst um. Die Schule soll auch den Zweck der Erziehung erfüllen und uns Leistung und Konkurrenz als Naturzustand vermitteln. Diese kapitalistische Ideologie ist in den Köpfen der Jugend weniger fest verankert und die Widersprüche fallen uns schneller auf.

Wenn Jugendliche sich für Politik einsetzen, erfahren sie immer wieder Unterdrückung. Ihre Positionen werden nicht ernstgenommen, weder im Politikunterricht noch in den Parteien. Deshalb ist es wichtig, dass die Jugend ihre eigene Organisation hat, in der ihre progressiven Positionen nicht unterdrückt werden. Ein Kampf gegen die rechten Positionen der Mutterpartei muss mit dem Kampf für eine unabhängige Jugendorganisation verbunden werden.

2. Konsequente Kritik der sozialdemokratischen Strategie!

Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass eine sozialdemokratische Partei an vorderster Front den Rassismus aufleben lässt? Um das zu beantworten, müssen wir uns die Frage stellen, was ihre Strategie ist. Sozialdemokrat:innen wollen durch Kompromisse mit den Herrschenden kleine Verbesserungen erreichen. Reformen sollen dazu beitragen, dass wir uns Stück für Stück einer lebenswerten Welt annähern.

Diese Verhandlungen sind am besten bei sozialdemokratischen Gewerkschaften zu beobachten: Statt systematisch für die Kontrolle der Arbeiter:innen über ihren Lohn zu streiken, wird mit Konzernchefs über wenige Prozente debattiert. Wir stellen auch fest, dass die Kompromisse immer kläglicher werden. Statt einen Inflationsausgleich gibt es nur 5% mehr Lohn, was einen Reallohnverlust bedeutet.

Die Krise, in der wir uns befinden, bedeutet jedoch nicht, dass wir alle den Gürtel enger schnallen müssen. Krise im Kapitalismus heißt, dass bei Arbeiter:innen und Jugendlichen gespart wird, während Konzernbosse Milliardengewinne machen. Krise heißt auch, dass der Rassismus weiter angekurbelt wird, denn er soll die Begründung liefern, warum migrantischen Kolleg:innen noch weniger verdienen als weiße. Rassismus soll uns spalten, damit wir uns als Klasse nicht gegen die Herrschenden wenden. Er dient dazu, die wahren Krisenursachen zu verschleiern und die Schuld auf Geflüchtete zu schieben.

Dass die SPD rechte Forderungen wie Grenzkontrollen und Abschiebungen in die Tat umsetzt, ist ein Ausdruck der aktuellen Krise; sie verwaltet mit ihrer Politik dieses Elend mit. Es reicht jedoch nicht, die SPD als rassistisch zu bezeichnen. Wir müssen den Ursprung dieser rassistischen Politik angehen, die reformistische Strategie der Partei offen kritisieren und eine revolutionäre Perspektive zur Überwindung des Kapitalismus aufwerfen.

3. Für eine Kampagne gegen Rechtsruck und Sparpolitik!

Als Revolutionär:innen müssen wir mit den linken Teilen der Jusos über eine solche Perspektive diskutieren. Sie sind ein Teil der Jugend, der schon festgestellt hat, dass wir uns links organisieren müssen. Deshalb können sie auch für ein revolutionäres Programm zu gewinnen sein. Wer nach der Veröffentlichung des Briefs nur „Wer hat uns verraten?“ schreit, verschließt sich einem revolutionären Kampf mit Genoss:innen in der SPD.

Abseits der offenen Briefe muss Druck auf die SPD aufgebaut werden. Mit den linken Teilen der Partei muss eine Kampagne gegen den Rechtsruck durchgeführt werden, die auch die Politik der Ampel angreift. Das Ende der Sparpolitik und die Enteignung derjenigen, die an Rassismus verdienen, muss eine der Forderungen sein. Auch die Gewerkschaften und die Schulen müssen an dieser Kampagne beteiligt werden. Auf Parteitagen müssen eigene Kandidat:innen aufgestellt werden, die für klaren Antirassismus und einen entschiedenen Kampf für den Sozialismus stehen.

Wenn trotzdem keine Veränderung in der Partei entsteht, muss die Entscheidung für den geschlossenen Austritt fallen und es muss mit einer eigenen Organisation für eine solche Politik gekämpft werden. Häufig wird an dieser Stelle das Argument hervorgebracht: „Aber wenn alle Linken die Partei verlassen, dann überlassen wir die Partei doch den Rassist:innen!“ Doch wenn die Führung der SPD in der Lage ist, menschenfeindliche Politik zu machen, ohne, dass die Basis sie daran hindern kann – dann ist das auch keine linke oder sozialdemokratische Partei mehr, um die es sich zu kämpfen lohnt.

Quellen:

  1. https://eintreten-fuer-wuerde.de
  2. https://asylwende.wtf



5 Forderungen gegen Abschiebungen

Von Urs Hecker, April 2024, Revolution Zeitung 2/2024

CDU und Ampelregierung überholen sich zurzeit mit immer drakonischeren und menschenfeindlicheren Angriffen auf Geflüchtete und deren Rechte, seien es „Abschiebeoffensiven“ oder die kürzlich eingeführte Bezahlkarte. Außerdem werden migrantisierte Menschen besonders verfolgt, wenn sie sich gegen den deutschen Imperialismus und seine Unterstützung des Genozids an den Palästinenser:innen stellen.

All das dient dazu, uns als Arbeiter:innen und Jugendliche zu spalten und Geflüchtete noch stärker auszubeuten und zu unterdrücken! Es ist höchste Zeit, dass wir uns wehren und Widerstand gegen die Abschiebepolitik und den Rechtsruck formieren! Dieser Widerstand muss zielgerichtet und geschlossen sein, wenn wir gewinnen wollen. Dafür brauchen wir zentrale Forderungen, die unserem Kampf eine Richtung geben und darauf abzielen, eben jene Verhältnisse zu umzuwerfen, die Abschiebungen, den Rechtsruck und Rassismus hervorbringt! Wir haben daher 5 Forderungen zusammengetragen, die unserer Meinung nach hierbei zentral sind:

1. Gegen die Bezahlkarte! Recht auf Arbeit und gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

Sie wurde zuerst von der CSU in Bayern eingeführt und wurde seitdem von der rassistischen Hetze ins ganze Land getragen: Die Bezahlkarte. Die Ampelkoalition hat den Weg frei gemacht, auch die angeblich „fortschrittlichen“ Parteien Grüne und SPD.

Die Bezahlkarte ist eine beschränkte Prepaid-Kreditkarte, auf der Geflüchtete ihre zum Überleben notwendigen und bereits jetzt mickrigen Sozialleistungen erhalten sollen. Dabei sollen vor allem Bargeldentnahme und Überweisungen beschränkt werden. In Bayern können Geflüchtete nur noch 50€ im Monat abheben.

Auch enge räumliche Begrenzungen der Nutzbarkeit der Karte sind angedacht, was Geflüchteten ihre eh schon eigeschränkte Bewegungsfreiheit komplett rauben würde.
Grundsätzlich werden so die zentralen Rechte und Freiheiten der BRD und jeder anderen bürgerlichen Gesellschaft für Geflüchtete abgeschafft. So viel zum Grundsatz der wirtschaftlichen Privatautonomie: Entmündigung, Entrechtung und Schikane stehen auf dem Programm!

Geflüchtete werden aus jedem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, unter Generalverdacht gestellt und öffentlich gebrandmarkt. Jedes Bekenntnis zur „Menschenwürde“ dieses Staates und seiner parlamentarischen Parteien ist reiner Hohn. Angeblich soll die Bezahlkarte Überweisungen an Freund:innen und Verwandte im Ausland verhindern, um „Anreize“ für die Flucht zu mindern.
Doch imperialistischer Krieg, Klimakrise und das dadurch entstehende Elend sind Gründe für eine Flucht, nicht die rosige Aussicht auf einen Tod im Mittelmeer oder das Dasein als ausgeschlossene und unterdrückte Gruppe in Europa. Niemand flieht freiwillig!

Generell, wo wäre das Problem, wenn Geflüchtete Geldsummen an ihre Lieben überweisen, um das Elend für diese wenigstens kurz zu mildern?
Wir können uns sicher sein, dass dieser Angriff auf weitere marginalisierte Teile unserer Klasse ausgeweitet werden wird; FDP Politiker:innen wollen sie jetzt schon auf Bürgergeldempfänger:innen anwenden.

Wir müssen die Rechte von Geflüchteten und unserer gesamten Klasse gegen jeden Angriff verteidigen! Weg mit der Entrechtung in der Wirtschaft! Für das volle Arbeitsrecht für alle Geflüchteten, mit freier Verfügung über ihr Geld!

2. Für dezentrale Unterbringung! Vollumfängliche Unterstützung auf Kosten der Reichen!

Ein weiteres Mittel zur Schikane von Geflüchteten sind die Heime und Lager, in denen sie untergebracht und eingesperrt werden. Oft sind diese abgelegen auf dem Land, oder liegen vor den Städten. Die Geflüchteten befinden sich zusammengepfercht auf einem Fleck und müssen unter sich bleiben. Eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben bleibt unmöglich. In solchen Unterbringungsstätten fehlt es an vielem, vor allem an Platz.

Währenddessen schlagen Kommunen Alarm, dass sie selbst diese unwürdige Unterbringung nicht finanziell stemmen können. Oft wird gesagt, „wir“ könnten uns die Unterbringung Geflüchteter nicht leisten. Dabei gibt es freien Wohnraum und Geld (bei Reichen) zuhauf in Deutschland! Die Frage ist, für welche Interessen wir sie einsetzen. Zum Beispiel gibt es 1,7 Millionen leerstehende Wohnungen in Deutschland. Durch eine Enteignung dieser unter der Kontrolle von Mieter:innen, Wohnungslosen und Geflüchteten könnte schnell dezentraler Wohnraum für Geflüchtete zur Verfügung stehen! Langfristig bräuchte es natürlich einen massiven Ausbau des sozialen Wohnungsbaus.

Wie das möglich sein soll? Wir holen uns das nötige Geld bei den Reichen! Bei den Gewinner:innen von Krieg und Krise ist genug Geld vorhanden. Durch eine hohe Reichensteuer könnten wir verbesserte dezentrale Unterbringung für Geflüchtete und bessere Lebensbedingungen für unsere gesamte Klasse erkämpfen!

3. Gegen imperialistische Gesinnungstests! Antisemitismus ist kein „Importprodukt“!

Auch der vom deutschen Imperialismus unterstützte Genozid Israels in Gaza wird nach innen zum Angriff auf Geflüchtete genutzt. Sachsen-Anhalt hat als erstes Bundesland das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels zur Voraussetzung für eine Einbürgerung gemacht.

Doch Antisemitismus ist kein „ausländisches Problem“. Die mit Abstand größte Gefahr für Jüd:innen in Deutschland geht von Rechten aus. Mit diesem Vorwurf gegen Geflüchtete aus dem arabischen Raum will der deutsche Staat sein Image reinwaschen und die Arbeiter:innen spalten.

Die notwendige Ablehnung des genozidalen Apartheidsstaats Israel ist jedoch kein Antisemitismus! Für Palästinenser:innen und andere Araber:innen, deren Verwandte und Freund:innen durch Israel ermordet wurden, oder die selbst Unterdrückung durch Israel erfahren haben, ist diese Haltung nur logisch.

Wenn Palästinasolidarität mit Antisemitismus einhergeht, dann ist das ein Trugschluss aus der eigenen Unterdrückung, der weiterhin bekämpft werden muss. Doch es wäre ein komplett falscher Ansatz, Jüd:innen zu schützen, indem man „Antisemit:innen aus Deutschland raushält“. Dadurch wird der Antisemitismus, der insgesamt auf der Welt existiert, ja nicht weniger, und am Ende werden Jüd:innen dadurch nicht geschützt.

Rechte für Migrant:innen in Deutschland dürfen nicht an politische Überzeugungen gebunden sein, da ihnen so fundamentale demokratische Rechte entzogen werden und vor allem Linke Repressionen erfahren würden. Also weg mit dem Gesinnungstest!

4. Geflüchtete in den DGB! Für gemeinsame Kämpfe um ein besseres Leben!

Damit Rechte für Geflüchtete erkämpft werden können, müssen sie Teil dieser Kämpfe sein. Um sich auf Basis ihres Klasseninteresses zu organisieren, müssen Geflüchtete in Gewerkschaften vertreten sein. Als Grundlage braucht es eine Solidarisierung des DGB mit Geflüchteten!

Wie wir an der Bezahlkarte sehen können, sind alle Arbeiter:innen durch diese Angriffe bedroht. Schluss mit dem Kuschen der bürokratischen Gewerkschaftsführung vor der Ampelregierung; wir brauchen eine offensive Verteidigung der Rechte für Geflüchtete durch den DGB!

Außerdem können gemeinsame Kampferfahrungen die Grundlage zur Bekämpfung der rassistischen Vorurteile innerhalb der Arbeiter:innenbewegung sein. Wer zusammen für die gemeinsamen Interessen als Arbeiter:innen kämpft, überwindet gesellschaftliche Marginalisierung und ist in der Lage, den gemeinsamen Klassenstandpunkt zu erkennen. Damit wir eine kampffähige Klasse aufbauen können, sind Geflüchtete im DGB unerlässlich!

5. Offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für alle!

Viele Menschen auf der Flucht schaffen es nicht an ihr Ziel. Sie ertrinken im Mittelmeer, das von der EU und ihrer Grenzbehörde Frontex in ein Massengrab verwandelt wurde, oder sie werden an der Grenze abgefangen und in menschenunwürdige Lager gesteckt. Die bürgerlichen Staaten schrecken nicht davor zurück, beim „Verteidigen“ ihrer Grenzen über Leichen zu gehen.

Bewegungsfreiheit, sichere Fluchtwege und offene Grenzen sind bitter nötig! Grenzen existieren, weil sie für kapitalistische Nationalstaaten notwendig sind. Sie markieren die Grenzen des Binnenmarktes und sind der Rand des absoluten Machtbereichs der jeweiligen nationalen Bourgeoisie. Die Forderung der offenen Grenzen ist also eine Forderung gegen den bürgerlichen Nationalstaat. Sie kann nur gegen ihn durchgesetzt werden und geht auch über die Grenzen des Kapitalismus hinaus!

Bürgerliche Staaten teilen diejenigen, die sie beherrschen ein: in privilegierte Staatsbürger:innen und die, die es nicht sind. Diese rassistische Form der Diskriminierung basiert auf Herkunft oder Geburtsort. Sie besitzen kein Wahlrecht und ihr Bleiberecht ist oft unsicher, was sie zu deutlich leichter ausbeutbaren Arbeiter:innen macht. Dadurch schwächt der Staat die ganze Klasse, denn die gemeinsamen Interessen werden durch angebliche „nationale Interessen“ verdeckt und gegeneinander ausgespielt. Um die rassistische Diskriminierung endgültig zu überwinden, unsere Klasse ökonomisch zu stärken und gemeinsam kämpfen zu können, braucht es ein Kampf für gleiche Staatsbürger:innenrechte für alle!




Die Jugend nicht den Rechten überlassen!

von Jona Everdeen, September 2024

Innerhalb diesen Jahres kam es zu einer massiven Zunahme rechter Gewalt. Die Anreise zu einer Antifademo wurde am Ostkreuz, mitten im hippen Berlin-Friedrichshain, von Faschisten angegriffen, mehrere Antifas verletzt. Gegen die CSDs in Bautzen und Leipzig kam es zu Gegenprotesten durch Rechtsradikale, wobei diese in Bautzen in einem großen Mob durch die Stadt zogen. Auffällig bei den rechten Banden: Sehr viele der Angreifer:innen sind keine alten Nazikader, sondern Jugendliche. Doch warum folgen immer mehr Jugendliche rechter Agitation? Und was können wir gegen den Rechtsruck in der Jugend tun?

Die Rechte Szene formiert sich neu

Das traditionelle Bild des Neonazis mit der Bomberjacke und den Springerstiefeln gehört nun bereits seit längerer Zeit der Vergangenheit an. Teilweise durch linke Gegenprotesten, aber auch aufgrund innerer Zersplitterung und Perspektivlosigkeit, brach in den späten 00er und frühen 90er Jahren der Großteil der alten Rechten Szene und ihrer Subkultur zusammen, blieben lediglich einzelne Splitter davon sowie eine große Menge an alternden politisch inaktiven Faschos zurück. Die NPD erfuhr dann mit dem Aufstieg der AfD, die den Großteil ihres Wähler:innenpotentials verschlang, ihren (vermeintlichen?) Todesstoß.

Doch die darauffolgende relative Ruhe sollte nicht lange wehren. Mit dem 3.Weg wurde bereits 2014 eine neue Organisation gegründet, der es gelang, aus Teilen der NPD und der alten Kameradschaftsszene eine schlagkräftige faschistische Kraft auf die Beine zu stellen, die sich ideologisch auf ein strasseristisches Programm stützt. Mehr dazu in unserem Artikel „Der 3.Weg – Faschos und wie man sie bekämpfen muss“. Deutlich jünger als die faschistische Kleinstpartei selber ist jedoch ihre Jugendorganisation, die Nationalrevolutionäre Jugend (NRJ). Diese bildet inzwischen den dynamischsten Teil der Organisation und vor allem ihren militanten Kern. Die NRJ ist in Berlin für mehrere Angriffe und Einschüchterungen gegen Linke Aktivist:innen und Projekte verantwortlich, unter anderem wohl auch hauptsächlich für den Angriff auf die Antifas am Ostkreuz. Während es jedoch um die NRJ, zumindest in Berlin, nach einer staatlichen Razzia bei ihren Kadern etwas ruhiger geworden zu sein scheint, blieb die Ruhepause für Antifaschist:innen aus. Bereits kurz danach, beim Berliner CSD, trat eine andere Rechte Jugendorganisation auf den Plan: „Deutsche Jugend Voran“ (DJV).

Zusammen mit „Jung und Stark“ (JS) ist die DJV eine Art Vorfeldorganisation der Jungen Nationalisten (JN), der Jugendorganisation der eigentlich totgeglaubten NPD/Die Heimat. Vor allem auf sozialen Medien wie Instagram versuchen diese beiden (pseudo-)Strukturen zum Sammelbecken für sich nach rechts orientierende Jugendliche zu werden. Und zwar bislang mit Erfolg. Während die Mobilisierung gegen den Berliner CSD eher lächerlich wirkte und die 25 Jungfaschos außer einer Polizeikontrolle nicht viel zu sehen bekamen, sah es in Bautzen ganz anders aus: Dort gelang es einer von DJV und JS angeführten Nazimeute den CSD erheblich zu stören und zu bedrohen, auch weil die Sächsische Polizei damit kein Problem zu haben schien. Wie groß das Personenpotential von DJV und JS Stand jetzt ist, ist schwer zu sagen. Allerdings gibt es inzwischen in mehreren, vor allem ostdeutschen Städten Ortsgruppen und es ist davon auszugehen, dass dieses Phänomen nicht einfach wieder verschwinden wird. Auch muss beobachtet werden, inwiefern diese neuen rechten Jugendkräfte mit der NRJ zusammenarbeiten werden. Zumindest in Berlin haben sie wohl bereits gemeinsame Aktionen durchgeführt wie eben den Angriff am Ostkreuz. Allerdings ist das Verhältnis zwischen JN und NRJ wohl auch, zumindest wenn man den sozialen Medien von Mitgliedern dieser Organisation glauben schenkt, stark von Konkurrenz geprägt. Erwähnung finden muss außerdem noch die Anfang des Jahres gegründete „Elblandrevolte“ aus dem Raum Dresden. Diese kann de facto als Dresdener Ortsgruppe der JN betrachtet werden, vefügt aber, wohl auch aufgrund der scheinbaren organisatorischen Unabhängigkeit, über ein sehr großes Kontaktumfeld über die Strukturen der NPD/Heimat Jugendorganisation hinaus, und tritt sehr militant auf.

Hinzu kommt auch noch die JA, die Jugendorganisation der AfD, deren Mitglieder ebenfalls bei der Anti-CSD Mobilisierung in Bautzen anwesend waren, die allerdings nicht im selben Maße wie die offen faschistischen Organisationen in Erscheinung tritt sondern eher im rechten Wahlkampf und in sozialen Medien agiert. Doch die wichtigste Frage für uns: Wie gelingt es diesen Kräften überhaupt Jugendliche für faschistische Ideologie und Praxis zu mobilisieren?

Was zieht Jugendliche so an?

Die verstärkte Mobilisierung Jugendlicher durch rechte bis faschistische Kräfte, reiht sich ein in den gesellschaftlichen Rechtsruck, der im Zuge der schwelenden Krise massiv an Fahrt aufgenommen hat. Da das kapitalistische System nicht mehr in der Lage ist, seine Widersprüche selber zu lösen, und durch die Führungskrise der Arbeiter:innenbewegung und Linken eine schlagkräftige Bewegung fehlt, die eine reale Alternative zum System aufzeigen und erkämpfen könnte, gelingt es zunehmend rechtspopulistischen und teils faschistischen Kräften ihre nationalistischen, rassistischen und sexistischen Ideologien als „Lösung“ zu präsentieren. Die reale Unzufriedenheit über die heuchlerische und in erster Linie neoliberale Politik von Kräften wie den Grünen oder den Demokraten in den USA versuchen sie zu einem Kampf gegen „die Woken“ zu formen, die sie jedoch nicht deswegen angreifen, weil sie letztendlich den Interessen des Kapitals dienen, sondern wegen ihrer queerfreundlichen, antirassistischen und ökologischen Fassade.

Diese Ideologie wirkt zunehmend auch anziehend auf Jugendliche, insbesondere in ökonomisch abgehängten, eher ländlich geprägten Regionen. Diese Jugendlichen leiden besonders stark unter der Krise, haben entweder gar keine Perspektive oder nur die, ihr ganzes Leben für einen miesen Lohn harte Knochenarbeit verrichten zu müssen. Kein Wunder, dass das unzufrieden macht. Anders als in größeren Städten gibt es jedoch in Cottbus, Stralsund oder Bautzen kaum bis keine linken Strukturen, die eine Perspektive für diese Jugendlichen bieten könnten. Die vorhandenen reformistischen Strukturen wie SPD oder Linkspartei haben sich bereits durch ihre reformistische und fadenscheinige Politik bereits diskreditiert. Dadurch werden diese Jugendlichen häufig empfänglich für die Ideologie die Rechten. Diese verweist auf Rückbesinnung zu den traditionellen Werten wie Heimat und Familie, welche Stabilität geboten hätten, die durch die moderne „woke“ Ideologie zerstört worden sei. Damit wird die Unzufriedenheit umgelenkt, indem man ein rosiges „Früher“ zeichnet und die Sehnsucht danach dann in Traditionalismus und Nationalismus münzt.

Und auch das Auftreten der Rechten bis Faschisten wirkt ansprechend auf viele, vor allem männliche, abgehängte Jugendliche. So wird mit sportlicher Aktivität, vor allem Kampfsport oder Wandern, eine Möglichkeit geboten, in Kontakt mit anderen zu treten und der Anonymität und Vereinsamung zu entkommen. Durch das Suggerieren, man sei etwas Besonderes, weil man Deutsche:r sei und für „sein Vaterland einsteht“, wird Jugendlichen eine Identität gegeben, an der sie sich in der Krise festhalten können. Und durch die Ideologie des Kampfes gegen „die Woken“ und „die Ausländer“ wird ein Feindbild geschaffen, auf das die Enttäuschung und Wut über die eigene Perspektivlosigkeit gelenkt werden kann.

Rechte und Soziale Medien

Ein weiterer Faktor, der beim Rechtsruck unter Jugendlichen nicht vernachlässigt werden darf, ist die Rolle von Social Media. Insbesondere auf TikTok sind rechte Kräfte die politisch dominantesten. So hat die AfD eine höhere Präsenz auf TikTok als alle anderen Parteien zusammen. Eine gute Möglichkeit, sehr junge Menschen dort abzuholen, wo sie sind. Gerade auch in ländlichen Regionen, wo Social Media häufig die einzige Quelle für Politisierung darstellt.

Auch noch rechtere Kräfte, wie eben DJV und JS, mobilisieren ihre Unterstützer:innen zu großen Teilen über soziale Medien und verbreiten dort ihre rechte Hetze.

Um dagegen anzukämpfen ist es nötig, dass auch wir die Medien, auf denen wir selber uns privat sowieso viel herumtreiben, für politische Propaganda nutzen! Dass wir unsere Inhalte und unsere Mobilisierungen auf Insta, TikTok und Co. verbreiten, um Jugendlichen eine reale und solidarische Perspektive aus der Misere aufzuzeigen!

Es brauchte eine Perspektive von Links!

Die Unzufriedenheit vieler Jugendlicher, die sich die Rechten zu Nutze machen, ist, anders als das „Bündnis der Demokrat:innen“ es gerne verkündet, absolut berechtigt! Insbesondere in ökonomisch abgehängten Regionen vor allem Ostdeutschlands, wo es für uns kaum Möglichkeiten gibt, weder beruflich noch freizeittechnisch. Und darum reicht es eben nicht aus, bloß auf „Moral“ zu verweisen, welcher von vielen Jugendlichen völlig zurecht als Teil des Problems wahrgenommen wird. Stattdessen müssen wir Jugendlichen aufzeigen, dass das System selber das Problem ist und nicht ihre migrantischen oder queeren Mitschüler:innen oder Ausbildungskolleg:innen! Und dass die Rechten mit ihrer Hetze in Wahrheit im Interesse des Systems handeln, das sie verbal angreifen und beschimpfen. Nämlich indem sie die Unterdrückten auf Basis rassistischer oder sexistischer Kategorien spalten und durch Nationalismus gegeneinander aufhetzen.

Wir müssen stattdessen eine Perspektive aufzeigen, wie wir das Problem an der Wurzel packen. Wie wir auf den Rechtsruck mit einer Gegenoffensive von links antworten. Nämlich in dem wir uns an den Orten organisieren, an denen wir uns sowieso, gezwungen vom System, tagtäglich aufhalten müssen: In der Schule, an der Uni und im (Ausbildungs-)Betrieb! Dort müssen wir Strukturen schaffen, die unsere Wut in Widerstand umwandeln und dem System den Kampf ansagen! Dabei die Faschos aus der Schule werfen und antifaschistischen Widerstand leisten gegen den Rechtsruck unter Schüler:innen und Lehrer:innen! Wir müssen aufzeigen, dass eine bessere Zukunft für uns alle möglich ist und wir dafür kämpfen müssen! Mit Streiks an Schule, Uni und Betrieb – Gegen das kapitalistische System und seine Verwalter:innen, ganz gleich ob grün, schwarz, blau oder braun!




Alle meine Nachbarskinder wählen AfD?

September 2024

Ich komme in die Schule und sehe meine Mitschüler:innen mit einem größeren Lächeln in der Fresse, als sie es nach jedem Deutschland-Sieg hatten. Gleich fragt mich einer ein bisschen angreifend, aber auch schadenfroh: „Na, was hältst du davon, dass Höcke alle weggehauen hat?“ Und in meiner anschließenden Mathestunde geht mir eine Frage nicht aus dem Kopf: Was ist los mit meinen Mitschüler:innen, Freund:innen, Leuten aus’m Sportverein oder anderen in meinem Alter? Wählt hier jeder irgendwelche Nazis? Und wenn ja, warum?

Wahl-Zahlen

Bei der U18-Wahl in Sachsen, wo über 9.000 Jugendliche ihre Stimme abgaben, wurde die AfD stärkste Kraft mit 34,5 %. Dahinter ging es weiter mit der CDU (16,2 %), der Linken (11,8 %), der SPD (8,5 %) und der BSW (4,8 %).
In Thüringen sieht es noch schlimmer aus, auch wenn hier nur 2.000 Jugendliche abgestimmt haben. Die AfD wurde stärkste Kraft mit 37,36 %. Dahinter folgen die CDU (17,79 %), die SPD (10,6 %), die Linke (8,82 %) und die BSW (6,98 %).
Bei den 18- bis 24-Jährigen in Thüringen ein ähnliches Bild: 37 % AfD und dann, mit 20 % weniger, die Linke.
Aber auch unabhängig von Wahlen merkt man die Stärke der Rechten im jungen Osten. So nehmen rechte Verbrechen vor allem im Osten zu. Es sind die CSDs im Osten, die junge Neonazis angreifen wollen. So spüren wir jeden Tag selbst, was ein starkes, junges, rechtes Ostdeutschland ist. Doch schaut man in die Presse, um eine Erklärung dafür zu finden, wird es verrückt. Es wird erzählt, dass man hier durch die DDR ja gar nicht wüsste, was Demokratie sei, und sie deshalb nicht schätze. Doch solch eine Erklärung ist sehr widersprüchlich, wenn wir uns angucken, wie die wählen, die nie die DDR kannten. Doch eine Erklärung, was die Jugend in die Fänge der AfD treibt, ist notwendig, um sie diesen wieder zu entreißen.

Was auffällt bei Unterschieden zwischen Ost und West, ist der massive Wohlstandsunterschied. Im Osten wird mehr gearbeitet, aber schlechter verdient. Im Osten ist die Arbeitslosigkeit höher. In den Osten trauen sich nicht mal die Kapitalist:innen. Das sind aber keine Risse, die sich einfach so entwickelt haben, sondern bewusst in Kauf genommene Folgen aus der Politik der BRD nach der Annexion der DDR. Nun könnte man vermuten, dass es vor allem diese ärmeren Leute sind, die die AfD wählen, weil die AfD behauptet, man selber habe nix, weil so viel für Migrant:innen ausgegeben wird. Und das ist auch einer der Wege, wie die Rechten Leute gewinnen wollen. Doch auf der Suche nach der sozialen Basis der AfD fällt auf, dass diejenigen, die durch die Wende alles verloren haben, danach meist Nichtwähler:innen sind. Die AfD wird eher von Leuten gewählt, die selbst das Elend jeden Tag nur sehen und Angst davor haben, ihre soziale Stellung zu verlieren. Zum Beispiel Lehrer:innen, Richter:innen, Ärzt:innen oder (Klein-)Bürger:innen.

Doch warum nun ausgerechnet die Jugend?

Die Angst in der Jugend vor sozialem Abstieg ist riesig, und zusätzlich sind Jugendliche auch besonders von staatlichen Investitionen abhängig.
Wenn also die AfD behauptet, es würde zu viel für Migration ausgegeben und und wir könnten deshalb nichts mehr für unsere Schulen ausgeben, ist das für Jugendliche ein noch größeres Problem als für Erwachsene, unabhängig davon, ob das Argument kompletter Quark ist.

Doch wie ist die soziale Situation von Jugendlichen im Osten überhaupt?
Kinder, deren Eltern Bürgergeld beziehen müssen, kommen zu 17 % aus dem Osten – das sind 3 Prozent mehr als im Westen.
Hier fällt auf, dass in Thüringen, Sachsen und Brandenburg der Anteil an Kindern, die in Familien mit Bürgergeld aufwachsen, eher gering im Osten ist. Dies unterstreicht, dass es viel mehr die Angst vor dem sozialen Abstieg ist als der soziale Abstieg selbst.
Bei Jugendlichen spielt die direktere Abhängigkeit von der vom Staat zur Verfügung gestellten Infrastruktur eine Rolle. Da Jugendliche eben in die Schule müssen und dadurch von den Investitionen in die Schulen abhängig sind. Auch hier wird die Angst des sozialen Abstiegs weiter bedient, weil schlechte Bildung auch eher schlechte Zukunftschancen bedeutet. Jugendliche sind empfänglicher für die Angst vor dem sozialen Abstieg. Dazu kommt, dass sie noch ein längeres Leben vor sich haben, in dem sie nicht sozial schlecht gestellt sein möchten.

Menschen mit Migrationshintergrund verantwortlich zu machen für Sozial- und Bildungsabbau ist natürlich nicht mehr als eine der Geschichten, die die rechten Rattenfänger erzählen, um uns in ihre Klauen zu bekommen. Tatsache ist, dass erstens die Ausgaben in der Migrationspolitik seit 2022 stetig abnehmen. Dass zweitens diese Ausgaben zum größten Teil darin fließen, die Migration zu bekämpfen und den Geflüchteten das Leben zur Hölle zu machen, z. B. indem der Grenzschutz innerhalb und außerhalb Europas ausgebaut wird, was uns dann auch noch als „Fluchtursachenbekämpfung“ verkauft werden soll. Und drittens wird ja bei der Bildung auch nicht erst gespart, seitdem mehr Menschen flüchten müssen. Bei Bildung wird schon immer gespart, wenn es zu Krisen kommt, weil es dem Staat eben nicht wert ist, Geld für Bildung auszugeben. Dieser Staat hatte nie das Interesse, uns wirklich etwas beizubringen. Wir sollen gerade so viel lernen, dass wir den nächsten Job ausführen können, und der Staat wird auch nur maximal so viel für unsere Bildung zahlen. Egal, wie viele Migrant:innen im Land sind. Die Angst der Leute vor sozialem Abstieg ist berechtigt. Wir müssen aber glaubhafte Vorschläge für eine richtige Sozialpolitik machen und nicht so tun, als würden Migrant:innen jemandem etwas wegnehmen. Dazu kommt ja auch: Wenn uns jemand in dieser Gesellschaft etwas wegnimmt, dann ist das kein Migrant, der nicht mal genug Geld zum Überleben bekommt, sondern dann sind es die Reichen, also die Teile der Gesellschaft, die durch die Arbeit anderer Geld bekommen, ohne jemals auch nur in der Lage gewesen zu sein, arbeiten zu müssen. Wenn uns jemand etwas wegnimmt, dann sind es die Teile der Gesellschaft, die durch das alleinige Besitzen von Raum von uns 600 Euro im Monat bekommen. Es ist doch unser Vermieter und unser Chef, der uns das Geld aus der Tasche zieht, und kein:e Migrant:in.

Lasst uns die jugendlichen Rechten stoppen!

Lasst sie uns bekämpfen, indem wir ihre Aufmärsche blockieren und Antidiskriminierungsstellen an Schulen aufbauen. Lasst uns ihnen den Nährboden entziehen, indem wir an Schulen selbstverwaltete Küchen und soziale Angebote aufbauen, damit sie auch sehen, dass das Geld da ist, wenn man es sich nimmt. Wir müssen aber auch endlich für bessere Löhne kämpfen. Denn wenn unsere Eltern weniger verdienen, bekommen auch wir weniger Taschengeld. Beim Taschengeld fällt dann schon auf, dass wir uns das Leben nicht mehr leisten können, und diese Angst treibt uns in rechte Arme. Sorgen wir also dafür, dass diese Angst nicht mehr entsteht. Gegen rassistische Hetze und für ein Leben, das sich lohnt und in dem wir nicht über Sneaker oder Mittagessen nachdenken müssen.




Nach Solingen: Rassismus entgegentreten!

Von Yorick F., September 2024

Am Freitag, den 23. August wurde um 21:37 das „Volksfest der Vielfalt“ in Solingen angegriffen. Drei Personen starben bei dem Angriff mit einem Messer und acht weitere wurden verletzt, vier davon schwer. Alle Verletzten sind jetzt glücklicherweise außer Lebensgefahr. Am Tag darauf stellte sich ein Tatverdächtiger der Polizei selbst.

Wir verurteilen das tragische Attentat zutiefst und unser Mitgefühl gilt den Opfern und deren Angehörigen. Doch müssen wir vor allem über das Nachspiel der Tat sprechen. Namentlich die bereits weitestgehend angetretene Kampagne zur innenpolitischen Verschärfung, weiteren Aufrüstung und die rassistische mediale sowie politische Reaktion.

Reaktion der Herrschenden

Das Ganze wird vor allem damit begründet, dass der aktuelle Tatverdächtige nach dem „Dubliner Übereinkommen“ eigentlich bereits nach Bulgarien abgeschoben hätte werden sollen, da er dort das erste Mal EU-Boden betrat. Damit soll suggeriert werden, dass Straßengewalt ein „importiertes“ Problem sei, welches durch Abschiebungen und die Streichung aller Sozialleistungen irgendwie überwunden werden würde. Doch das ist empirisch schlicht falsch, drohende Abschiebungen und gestrichene Sozialleistungen sind beides Maßnahmen welche sogar einen gegenteiligen Effekt haben, da sie Menschen in psychische Ausnahmesituationen bringen. Gleichzeitig gab es in den Tagen nach dem Attentat mehrere Messerangriffe von deutschen Täter:Innen, die jedoch zu keinem medialen Aufschrei geführt haben. Doch das wissen die, die entscheiden ganz genau, denn ihnen geht es nicht drum irgendwen vor Gewalt zu schützen. Es geht ihnen darum, ihr imperialistisches Projekt nach außen und nach innen abzusichern. Dazu dient diese Spaltung der Arbeiter:Innenklasse, wonach der Verlust des Jobs oder die scheiß Arbeitsbedingungen eben nicht die Schuld von dem Boss, sondern von den Geflüchteten sein sollen. Das führt dazu, dass man sich nicht zusammentut um sich gegen Politiker:innen und Bosse zu vereinigen. Auf der anderen Seite dient es auch dazu, außenpolitische Gräueltaten wie die Unterstützung des Genozids in Gaza zu rechtfertigen. Antimuslimischer Rassismus stellt sicher, dass durch Waffenproduktionen die Profite der deutschen Kapitalist:Innen gesichert sind.

Das Ausmaß der Reaktion auf Solingen zeigt sich auch nochmal wenn die Grünen von einer „Zeitenwende im Inneren“ sprechen. Ein klarer Bezug zu Olaf Scholz ausgerufener „Zeitenwende“ der Außenpolitik nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Die Konsequenz war 2022 das Sondervermögen von 100 Milliarden für die Bundeswehr. Die kommenden innenpolitischen Maßnahmen sind dementsprechend als eine Aufrüstung des Inneren zu verstehen.

Die Radikale Rechte

Hier wird deutlich, dass der Rechtsruck eben nicht seinen Ursprung in der AfD und ihrem Erstarken hat. Vielmehr ist er unter anderem ein Resultat der Interessen des deutschen Imperialismus, welcher sich beim Kampf um die Neuaufteilung der Welt behaupten will und somit selbst nach Rechts rückt, was die AfD natürlich dankend als Wasser auf ihren Mühlen annimmt. Diese greift nämlich, wie eigentlich die gesamte Extreme Rechte, die imperialistische Ideologie, insbesondere den vorherrschenden antimuslimischen Rassismus und die Militarisierung auf und radikalisiert diese. Dass sie dabei auch Teile der Arbeiter:Innen mitreißt, liegt an der frappierenden Schwäche der Linken, eine praktische Antwort auf die vielfältige Krise des Kapitalismus anzubieten, woraus sich eine tiefe und seit Jahrzehnten anhaltende Führungskrise der Arbeiter:Innenklasse ergibt.

Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen hat sich gezeigt, dass Solingen ein weiteres Erstarken der AfD begünstigt hat, was für Linke und Migrant:Innen sowie andere Unterdrückte eine deutliche Gefahr darstellen dürfte- wenn auch unter anderen bürgerlichen Parteien wie den Grünen oder der CDU, die Sicherheit von Unterdrückten nicht wirklich mehr gegeben ist. Gleichzeitig blieb, wie zunächst befürchtet, eine breite militante rechte Mobilisierung, anknüpfend an die Aufmärsche rund um die CSDs in u.a. Bautzen und Magdeburg, zunächst aus. Das bedeutet aber nicht, dass rassistische Ausschreitungen, wie vergangenen Monat in England gesehen, zukünftig vom Tisch wären. Es bleibt zu erwarten, dass evtl. auch weiterhin Solingen bei Gelegenheit einen Mobilisierungspunkt der Rassist:Innen darstellen wird.

Wie dagegen ankämpfen?

Uns muss klar sein, dass der Kampf gegen Straßengewalt und religiösen Fundamentalismus vor allem einer für soziale und demokratische Rechte ist. Geflüchtete, die traumatisiert von Krieg und Verfolgung nach Europa fliehen, werden hier der permanenten Bedrohung durch Abschiebung ausgesetzt, in Massenunterkünften auf engstem Raum mit anderen Traumatisierten zusammengepfercht. Auch migrantisierte deutsche Staatsbürger:Innen, welche muslimisch gelesen werden, stellt man angesichts des Genozids in Gaza unter Generalverdacht und sie werden gedrängt, sich zur deutschen Staatsräson zu bekennen. In diesen Kanon reiht sich die aktuelle Debatte ein. Sie behaupten, dass v.a. Muslim:Innen oder jene, die sie als Muslim:Innen wahrnehmen, fremd in „unserer“ Kultur seien, sie müssen angeblich mit harter Hand zwangsintegriert oder abgeschoben werden.

Die rassistische Spaltung nimmt hierzulande eine Qualität an, der sich Gewerkschaften und die Arbeiter:Innenbewegung nicht verschließen dürfen. Sie fürchten sich jedoch davor, den Kampf gegen den aufkommenden Rassismus in den eigenen Reihen zu führen. Die neue Qualität droht, zur Normalisierung von Hetzjagden zu verkommen. Was wir brauchen, sind Kampagnen gegen antimuslimischen Rassismus an Schule, Uni und im Betrieb, die sich für offene Grenzen und volle Staatsbürger:Innenrechte für alle hier Lebenden einsetzen und der bürgerlichen Abschottungspolitik den proletarischen Internationalismus entgegenstellt. Wenn der rechte Mob vor Geflüchtetenunterkünfte mobilisiert, dann braucht es massenhaft organisierten Selbstschutz, demokratisch aufgebaut durch alle Organisationen der Arbeiter:Innen und Unterdrückten. So kann die Arbeiter:Innenbewegung die gezielte Isolierung von Geflüchteten durchbrechen und der rechten Gefahr etwas entgegenstellen!

Doch letztendlich braucht es Organisierung in Schule, Uni und Betrieb um gegen das Aufschäumen der Rechten und des Rassismus anzukämpfen. Dieser Kampf muss ein gemeinsamer für soziale Verbesserung sein, um den Rechten den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Denn sozialer Abstieg oder zumindest die Angst davor, führt in Zeiten der Krise dazu, dass bei den Rechten nach Antworten gesucht wird, wenn wir es nicht schaffen eine echte Alternative zu ihrem System der Ausbeutung und Unterdrückung aufzubauen. Lasst uns daher diesen Kampf gemeinsam führen und an den Orten wo wir täglich sein müssen aktiv werden!

Wir fordern:

  • AfD zerschlagen: Für eine Einheitsfront aus Schulstreiks, Massenaktionen und politischen Streiks gegen AfD, Abschiebungen und Sparpakete!
  • Schluss mit überfüllten Sammelunterkünften und sozialer Isolation! Volle demokratische Teilhabe und Staatsbürger:Innenrechte für alle!
  • Hunderte Milliarden für unsere Schulen, Jugendclubs, Wohnungen und Krankenhäuser statt Aufrüstung und finanziert durch die Besteuerung der Reichen!
  • Keine Abschiebung aus unseren Schulen – Rassismus und Staatsräson raus aus unseren Klassenzimmern!
  • Für demokratische und rechenschaftspflichtige Selbstverteidiungkomitees der Arbeiter:Innen und Unterdrückten! Von Jusos bis Migrantifa, alle rein da – nur mit der größtmöglichen Einheit können diese unsere Geschwister effektiv vor den Angriffen der Rechten schützen!




Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen: Rechtsruck geht weiter

von Valentin Lambert/Susanne Kühn, zuerst veröffentlicht in der Infomail 1263 der Gruppe Arbeiter:innenmacht, 1. September 2024

Schon nach den ersten Prognosen lässt sich ein erstes Fazit aus den Wahlen in Sachsen und Thüringen ziehen. Verwunderlich sind die Ergebnisse nicht. In Thüringen fällt das Ergebnis nach ersten Hochrechnungen (dimap, 19.59) folgendermaßen aus: AfD: 32,4 % (+9,0), CDU 23,8 % (+2,1), BSW 15,6 % (+15,6), DIE LINKE 12,9 % (-18,1), SPD 6,2 % (-2,0), Grüne 3,5 % (-1,7), FDP 1,2 % (-3,8). Für Sachsen stellt sich die Prognose wie folgt dar: CDU: 31,8 % (-0,3 %), AfD: 30,7 % (+3,2 %), BSW 12 % (+12), SPD 7,6 % (-0,1), Grüne 5,2 % (-3,4), DIE LINKE 4,1 % (-6,3), die FPD liegt bei 1,1%.

Drei Wahlsieger:innen

In beiden Ländern gibt es drei Wahlsieger:innen. Erstens natürlich die AfD, die in Thüringen zur stärksten Partei wurde und in Sachsen den zweiten Platz belegt. In beiden Ländern konnte sie vor allem bisherige Nichtwähler:innen mobilisieren. Rassismus und Rechtspopulismus schrecken offenkundig niemanden ab, im Gegenteil: Sie sind längst salonfähig in beiden Bundesländern.

Zweitens konnte sich die CDU in beiden Ländern behaupten, in Thüringen sogar leicht hinzugewinnen. Voraussichtlich kann sie in beiden zukünftig die Landesregierung anführen und weiter Fahrtwind für die Bundestagswahlen aufnehmen. Einziger Wehrmutstropfen: Sie wird zumindest in Thüringen nicht um eine Beteiligung des BSW herumkommen, in Sachsen könnte es eventuell zu einer Fortführung der CDU-SPD-Grünen-Koalition reichen.

Drittens das BSW, das in beiden Ländern gute Chancen hat, als Koalitionspartner der Konservativen in die Regierung einzutreten. An der politischen Bereitschaft von Wagenknecht und Co. fehlt es nicht, wie erste Interviews am Wahlabend zeigen.

Die Verliererinnen

Ebenso klar sind die Verliererinnen auszumachen. Die SPD blieb wie schon 2019 in beiden Ländern unter der 10-Prozent-Marke. Die Grünen schafften in Sachsen gerade so den Einzug in den Landtag, in Thüringen werden sie im zukünftigen Landesparlament nicht mehr vertreten sein. Das wohl einzig erfreuliche Ergebnis aus linker Sicht war bei diesen Wahlen das vernichtende Abschneiden der FDP, die gerade noch mehr als ein Prozent erreichte.

Doch auch DIE LINKE erlitt das erwartete Desaster. In beiden Ländern verlor sie in absoluten Zahlen mehr als die Hälfte ihrer Wähler:innen und rund zwei Drittel ihres Wähler:innenanteils.

Was bedeutet das Ergebnis?

Über die beiden Bundesländer hinaus kommt dem Ergebnis auch eine große bundespolitische Bedeutung zu.

1. Rechtsruck und Referendum für Rassismus

Die Ergebnisse verfestigen nicht nur den bundesweiten Rechtsruck der letzten Jahre. Nach den Morden von Solingen durchzog eine regelrechte rassistische Hysterie und Hetze das Land, das sich in weiteren Einschränkungen des Asylrechte, Verschärfungen von Grenzkontrollen und Erleichterungen von Abschiebungen manifestiert. Das Ergebnis von Thüringen und Sachsen stellt auch eine Art rassistisches Plebiszit dar, bei dem ausschließlich Parteien, die die Ampelkoalition bei den Themen Migration und Flucht von rechts angreifen, gewinnen konnten. Die Verluste der Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP, die in den letzten Jahren immer wieder die rassistischen Forderungen der Rechten aufgegriffen haben, verdeutlichen dabei, dass diese Anpassung an AfD und CDU (und neuerdings auch BSW) nichts bringt. Rassistische Wähler:innen wählen dann allemal lieber das rechte oder konservative Original als die grün-liberal-sozialdemokratische Kopie.

2. Abstrafen der Bundesregierung

Doch die Verluste der Regierungsparteien haben noch einen weiteren Grund: die Regierungspolitik selbst. Schon im Wahlkampf wichen die landespolitischen Inhalte immer mehr den Debatten um die bundespolitischen Versäumnisse der Ampelregierung. Dabei profitiert von der Dauerkrise, den weltweiten Konfliktherden und den sozialen Angriffen auf die Arbeiter:innenklasse vor allem die AfD, die sich gerade im Osten als pseudoradikale, völkische und extrem chauvinistische Pseudoopposition inszeniert.

3. Die Lage in den ostdeutschen Ländern

Die Verluste für die Regierungsparteien kommen dabei sicher nicht unverdient. Auch in den Landesregierungen haben sie den miserablen Status quo verteidigt und sind beim Verfall ganzer Regionen untätig geblieben. Regieren tun sie als „Verwalterinnen“ des weitgehend deindustrialisierten Ostens, dessen Bevölkerung weiter abwandert. Bis heute gibt es hier längere Arbeitszeiten bei geringeren Gehältern und Renten als im Westen. Gerade die ländlichen Regionen leiden nicht nur unter Abwanderung, sondern sind auch in der Entwicklung der Infrastruktur abgehängt. Die selektiven Ansiedlungen von industrieller Produktion und Logistik stellen eher kommerzielle Inseln in einer benachteiligen Region dar und keine „blühenden Landschaften“.

Gerade in den ostdeutschen Parlamenten wird die weitere „Zersplitterung“ des aktuellen Parteiensystems besonders deutlich. Die SPD, aber auch die DIE LINKE büßen ihre Massenbasis ein oder haben das längst getan. Auch die CDU ist von diesem Prozess erfasst, auch wenn sie sich bei den Wahlen vordergründig als „Volkspartei“ behaupten konnte.

Es ist kein Zufall, dass dieser Prozess gerade im Osten stärker ausgeprägt ist, weil es dort eine schwächere Kapitalist:innenklasse gibt und die kleinbürgerlichen und Mittelschichten ein weniger stabiles Milieu darstellen, das weniger Vertrauen in „ihren“ Staat und „ihre“ Parteien entwickeln konnte als im Westen. Daher verfängt der Rechtspopulismus der AfD hier umso mehr. Er nährt sich zusätzlich aus der Enttäuschung und Frustration von politisch rückständigeren Arbeiter:innenschichten über die Politik von SPD und Linkspartei, für die die Grünen weniger als Alternative erscheinen als im Westen.

Die instabilere Wähler:innenbasis der „etablierten“ Parteien kommt in der aktuellen Lage nicht nur der AfD, sondern auch dem „linkskonservativen“ BSW zugute. Die AfD hat dabei zweifellos eine stabile soziale Basis gefestigt. Beim BSW wird sich in den nächsten Jahren zeigen, ob seine Erfolge von Dauer sind oder sich angesichts einer wahrscheinlichen Regierungsbeteiligung als Juniorpartner der CDU als politisches Strohfeuer entpuppen.

DIE LINKE – ein Debakel

Die Linkspartei zieht mit massiven Verlusten in den Erfurter Landtag ein. In Sachsen bleibt sie deutlich unter der 5 %-Hürde, auch wenn sie wahrscheinlich durch zwei Direktmandate in Leipzig dennoch in den Landtag einziehen kann.

Dieses Wahldebakel der LINKEN offenbart auch die Schwäche der linken Kräfte insgesamt mehr als deutlich. Auf viele Fragen wie Klimawandel, Aufrüstung, Sozialabbau, Pflegenotstand, Bildungsmisere und Perspektivlosigkeit findet sie keine überzeugende Antwort und stellt für die Massen keine radikale Alternative oder gar Opposition zum Kapital dar, auch wenn ihre Wähler:innenschaft sowohl in Sachsen wie Thüringen die politisch bewusstesten Schichten der Arbeiter:innenklasse und der Jugend darstellt, die sich subjektiv ernsthaft dem Rechtruck entgegenstellen will.

Kampf gegen rechts heißt Klassenkampf

Egal wie die Regierungsbildung in Thüringen und Sachsen ausgehen wird, so werden wir in beiden Ländern in den nächsten Jahren mit einem weiteren Rechtsruck inklusive offenem Rassismus auf den Straßen und Angriffen auf Migrant:innen, aber auch Antirassist:innen und Antifaschist:innen ausgesetzt sein.

Wer dagegen wirklich etwas bewegen will, muss bereit sein, für ernsthafte Veränderungen zu kämpfen – auch gegen Regierung und Kapital. Wer von der Brandmauer spricht, darf also zur Ursache des Rechtsrucks nicht schweigen und muss einen klaren Klassenstandpunkt vertreten.

Um das aktuelle Kräfteverhältnis tatsächlich zu ändern, müssten aktive Mitglieder dieser Organisationen aufgerufen und unterstützt werden, Versammlungen und Infoveranstaltungen zur Mobilisierung in ihren Betrieben, an Schulen und Universitäten zu organisieren und aktiv die Debatte um Rassismus und die ökonomische Krise, die diesen befeuert, zu führen. Demos – wie die Mobilisierung gegen den AfD-Parteitag – können dabei als Aufhängerinnen genutzt werden. Ziel muss es aber sein, in derem Zuge Aktionskomitees aufzubauen.

Um sich positiv abzugrenzen, bedarf es klarer Forderungen. Auch wenn es die ökonomische Krise ist, die den Rechten Aufwind verleiht, so sollte man nicht glauben, dass es ausreicht, sich auf Verbesserungen auf dieser Ebene zu beschränken. Mögliche Forderungen können sein:

  • Nein zu allen rassistischen Gesetzen! Stopp aller Abschiebungen! Offene Grenzen und volle Staatsbürger:innenrechte für alle, die hier leben!
  • Gemeinsamer Kampf gegen die gesellschaftlichen Wurzeln von Faschismus und Rassismus! Gemeinsamer Kampf gegen Inflation, Niedriglohn, Armut und Wohnungsnot!
  • Mindestlohn von 15 Euro/Stunde, Mindestrente und Arbeitslosengeld von 1.600 Euro/Monat für alle!
  • Hunderte Milliarden für Bildung, Umwelt, Renten und Gesundheit statt Aufrüstung – finanziert durch die Besteuerung der Reichen!

Darüber hinaus ist es Aufgabe von Revolutionär:innen, dafür zu kämpfen, dass die Forderung nach demokratisch organisiertem Selbstschutz gegen rassistische Angriffe auf die Tagesordnung gesetzt wird. Die mittlerweile regelmäßigen Anschläge auf Politiker:innen bei Wahlkämpfen zeigen, dass das keine tollkühne Fantasie ist, sondern bittere Notwendigkeit, wenn man – insbesondere auf dem Land und im Osten der Republik – linke Politik auch tatsächlich auf die Straße tragen will.

Perspektive

Diese Forderungen müssen nicht nur aufgestellt werden, man muss auch für diese aktiv kämpfen. Doch derzeit sind die Gewerkschaften eher Teil des Problems. Ihre Führungen sind personell eng mit SPD und Linkspartei verwoben und decken zum Selbsterhalt ihres bürokratischen Apparats wie eh und je deren Politik. Damit muss Schluss sein! Wenn wir den Kampf gegen rechts gewinnen wollen, müssen wir dafür eintreten, dass diese sich nicht länger an der sozialpartnerschaftlichen Verwaltung der Krise mitbeteiligen! Sie müssen stattdessen für echte Verbesserungen kämpfen, gegen Sparpolitik und Sozialabbau und diesen Kampf aktiv mit jenem gegen Rassismus verbinden.

Das bedeutet auch, dafür einzustehen, dass Geflüchtete in die Gewerkschaften integriert werden, und sich offen gegen alle Abschiebungen und Abkommen, die die Festung Europa aufrechterhalten, auszusprechen oder nicht davor zurückzuscheuen, Enteignung unter Kontrolle der Beschäftigten als Perspektive auf die Tagesordnung zu setzen, wenn einem/r entgegnet wird, dass leider kein Geld da ist für Sozialausgaben. Doch sowas fällt nicht einfach so vom Himmel, es muss praktisch erkämpft werden. Wir treten daher für den Aufbau einer klassenkämpferischen, revolutionären Organisation ein.

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Faschist:innen zurückdrängen – Pride verteidigen!

Flo Weitling, zuerst erschienen in Neue Internationale 285, September 2024

Protest gegen Pride Parades ist seit Jahren immer wieder Mobilisierungspunkt der Rechten. Hierbei führt der Hass auf das Feindbild Queers auch nicht selten zu Angriffen auf die CSDs. Was in den letzten Jahren jedoch noch meist vereinzelt passiert ist, entwickelt sich nun zu größeren Gegenprotesten, wie z. B. vor kurzem in Bautzen. Dort schafften es Kräfte wie die Jungen Nationalisten (JN, Jugendorganisation von Die Heimat, bis 2023 NPD), hunderte jugendliche Nazis unter dem Motto „Gegen Genderpropaganda und Identitätsverwirrung“ zu versammeln. Zusammen mit den Freien Sachsen brachten sie fast 700 Menschen auf die Straße. Die Videos des Aufmarschs, in welchen sie z. B. lautstark „Nazikiez“ skandierten, gingen schnell viral. Nun stellt sich die Frage: Wie können wir damit umgehen?

Warum dienen Prides als Angriffspunkt?

Die Nazikleinstpartei III. Weg schreibt: „Eine Familie, das sind Mann, Frau und Kinder“ und dass die Genderagenda eben diese angreifen würde, was dazu führt, dass „Gender-Propaganda und ihre politischen Äußerungen … unsere Kinder und die Jugend [gefährden]“. Für die Rechten stellen lesbische, schwule oder trans Menschen also Angriffe auf „ihre“ Familie dar. Das Durchbrechen von Geschlechterrollen, das Infragestellen von Heterosexualität als Normalität gefährden nämlich das klassische Bild der bürgerlichen Kleinfamilie. Das ist dabei nicht nur ein Problem der Rechten, sondern auch Kern der Queerunterdrückung überhaupt. Die klassische geschlechtliche Arbeitsteilung, bei der die cis Frau unbezahlt Reproduktionsarbeit (bspw. Waschen, Kinder Erziehen etc.) verrichtet, wird nämlich durch das klassische Familienbild ideologisch gerechtfertigt. Daneben spielen eindeutig geregelte Erbschaftsverhältnisse für die Herrschenden eine vergleichbare Rolle. Somit kommen die Faschist:innen zwecks Verteidigung der „deutschen Familie“ eben zu dem Entschluss, dass der „Kampf gegen die Regenbogenideologie auch auf der Straße geführt“ werden muss.

Die Rolle der Polizei

Ob Berlin, Bautzen oder Leipzig – bei den Aufmärschen spielte die Polizei eine Rolle dabei, dass die Faschist:innen nicht aktiv den CSD angriffen. Im Kontrast zu z. B. Palästinademos war das Polizeiaufgebot zwar recht klein und bot für die Faschist:innen weiterhin Möglichkeiten zum Angriff, dennoch wurden die Nazis z. B. in Leipzig daran gehindert, überhaupt den Bahnhof zu verlassen, und in Berlin alle Beteiligten verhaftet. Von vielen Kräften wird deshalb nun die Polizei als Schutzpatron für Queer Prides gehandelt. Doch ist das so sinnvoll und ausweglos wie oft dargestellt?

Die Polizei spielt in diesem System eine primäre Rolle: Verteidigung der Interessen des bürgerlichen Staats und somit des Kapitals. Somit ergibt sich auch, warum sie sich für die Sicherheit von Prides einzusetzen scheint, da der Staat eben das Interesse verfolgt, sich als Kämpfer für queere Rechte zu inszenieren. Wobei er sonst tagtäglich queerfeindliche Gewalt durchsetzt, meist auch durch die Polizei. Ob die Uniformierten auf „unserer Seite stehen“, kommt drauf an, ob der Staat gerade ein Partyevent in unserem Namen veranstalten möchte. Doch selbst da bekommst du schnell einen Schlagstock ins Gesicht, wenn du z. B. die Spekulation mit Wohnraum oder Unterstützung von Israels Genozid kritisierst. Das haben wir dieses Jahr beim CSD in Hannover (https://onesolutionrevolution.de/solidaritaet-mit-der-queeren-hausbesetzung-in-hannover-fuer-die-enteignung-von-wohnraum/) und der International Queer Pride in Berlin gesehen.

Im Kampf um queere Befreiung können wir uns somit nicht auf die Polizei verlassen. Da die Unterdrückung von queeren Menschen eben in den Grundfesten des Kapitalismus verwurzelt ist, kann deren Aufhebung nur durch die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung erreicht werden. Der Kampf um queere Befreiung kann also nur gegen die Polizei als Teil des bewaffneten Arms des Staates, welcher für die Aufrechterhaltung der Diktatur des Kapitals agiert, erfolgreich sein.

Wie verteidigen?

Doch auch wenn wir zu diesem Entschluss kommen, stehen wir weiterhin vor dem Problem, dass die Bedrohung durch Faschist:innen weiterhin auf der Tagesordnung steht. Wie können wir uns also effektiv gegen Angriffe von Nazis und Polizei schützen? Die Losung, die wir verbreiten sollten, lautet: massenhafte, militante und organisierte Selbstverteidigungsstrukturen. Diese Organe, welche Zusammenschlüsse von Organisationen der Arbeiter:innenbewegung und Unterdrückten sein müssen, können eben diese Funktion erfüllen. Hierbei ist es essentiell, dass es sich um demokratische Strukturen handelt, diese somit sich durch Wähl- und Abwählbarkeit und Rechenschaftspflicht auszeichnen. Dabei müssen wir dafür kämpfen, dass sich diese Organe nicht nur aus ein paar radikalen Linken zusammensetzen, sondern aktiv auf Gewerkschaften und reformistische Parteien wie Linkspartei und SPD zugehen, um die breite Masse der Arbeiter:innen dazu zu bringen, die Verteidigung so effektiv wie möglich durchzuführen. Das heißt: Wir müssen dringend auch auf Organisationen von Unterdrückten zugehen, also auf queere aber auch Migrant:innenorganisationen, da diese von den Angriffen der Faschist:innen tagtäglich betroffen sind. So können wir Schutz für Unterdrückte wirklich ermöglichen und der Übermacht der Staatsgewalt beginnen, etwas entgegenzustellen.

Wir kommen wir dahin?

Wir müssen jedoch auch der Realität ins Auge schauen und verstehen, dass SPD und DIE LINKE sich nicht direkt an dem Aufbau dieser Organe beteiligen würden. Aus der Perspektive von kleinen Gruppen, so wie wir es sind, müssen wir daran arbeiten, diese Kräfte unter Druck zu setzen, und diese Perspektive als unerlässlich aufzeigen. Gleichzeitig müssen wir jedoch praktische Arbeit leisten und uns den Faschist:innen entgegenstellen, wobei uns klar sein muss, dass das in unserem jetztigen Stadium nur beispielhaft passieren kann. und weiter die Forderung aktiv in die Linke tragen.

Doch Symptome zu bekämpfen, reicht an dieser Stelle nicht aus! Im Kampf gegen den Aufstieg der Faschist:innen müssen wir ebenfalls soziale Forderungen gegen die Krise und schlechten Lebensbedingungen aufwerfen, die den Kampf für Verbesserungen mit dem gegen den Kapitalismus verbinden. Denn reine Antifaarbeit wird die Faschist:innen nicht verschwinden lassen. Das können wir jedoch nicht nur abstrakt tun, sondern indem wir an den Orten, an denen wir uns jeden Tag aufhalten, organisieren, also der Schule, Uni und im Betrieb. Wir müssen auf die Ängste und Probleme, die unsere Mitschüler:innen, Kommiliton:innen und Kolleg:innen umtreiben, eingehen und dort für unsere Interessen kämpfen, um die Basis einer kräftigen Bewegung zu schaffen, die den Faschist:innen etwas entgegenstellt. Lasst uns also die Angst und Wut vor den Faschist:innen, der Polizei und schlechten Zukunftsaussichten in geordnete Bahnen lenken und ihnen organisierten Ausdruck verschaffen. Nur so ist es möglich, diesem Elend zu entfliehen und eine Gesellschaft zu errichten, welche für uns da ist und in der wir uns sicher selbst feiern können.




Überwachungsstaat BRD

von Flo Weitling, August 2024

Zwischen Schlagstock, Handschellen und Bußgeld

Blutig geschlagene Kinder auf Berliner Straßen, Hausdurchsuchungen, verbotene Demonstrationen und Kongresse. All das gehört zur Realität eines immer autoritäreren deutschen Staates. Wir sehen schon seit einiger Zeit einen Anstieg von Repression des deutschen Staates. Dabei findet die Zunahme nicht nur durch die Härte der Schläge seiner Prügelknaben statt, sondern auch in Form von juristischer Repression. Das zeigt sich z.B. wenn du 900€ blechen musst, weil du „From the River to the Sea“ auf einer Demonstration rufst (1). Doch auch das Verbot von Organisationen wie der „Palästina Solidarität Duisburg“ (2) und der durch Einreise- und politische Betätigungsverbote verhinderte Palästina-Kongress (3) sind Ausdrücke der immer weiter voranschreitenden Einschränkung demokratischer Rechte in Deutschland wie beispielsweise der Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit, was auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ihrem jährlichen Bericht feststellte. Sie spricht von übermäßiger Polizeigewalt und Einschränkung friedlicher Proteste. (4) Das trifft dabei nicht nur fortschrittliche Kräfte, sondern auch teilweise Reaktionäre, wie beim versuchten Verbot des Compact-Magazins oder der Beschlagnahmung der Imam-Ali-Moschee in Hamburg. (5)

Doch das ist Repressionskönigin Faeser und ihrem Innenministerium noch nicht genug: In den letzten Wochen haben sie nun zwei neue Regelungen vorgestellt, um ihren Apparaten noch mehr Werkzeuge in die Hand zu legen.

Legal einbrechen? Faeser machts möglich!

Mit dem Vorwand der „Terrorbekämpfung“ soll nämlich nun das Bundeskriminalamt (BKA) heimlich Wohnungen durchsuchen dürfen (6). Auch wenn das angeblich nur in Ausnahmefällen angewandt werden soll, stellt es eine deutliche Eskalation dar. Doch was heißt das genau?

In dem Entwurf zur Reform heißt es, dass es moderne Instrumente zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus brauche. So wie die Möglichkeit, verdeckt in Wohnungen einzusteigen, um Spy-Software in Smartphones oder Computern anzubringen. Hierbei wird man logischerweise weder davor noch danach informiert. Der Ausbau der BRD zu einem Überwachungsstaat würde damit neue Züge annehmen. Es wird zwar noch versichert, dass es sich nur um ein Mittel handelt, was im äußersten Notfall, wie im Falle von Terrorismusverdacht, eingesetzt werden wird, jedoch wird bekannterweise immer wieder der Terrorismus-Begriff ausgeweitet und genutzt um politische Gegner:innen zu diffamieren. Dadurch bleibt letztendlich die Frage offen, bei wem denn jetzt wirklich zum „Schutz vor Terrorismus“ BKA-Beamt:innen, ohne es zu wissen, auf der Couch sitzen.

Darüber hinaus trägt das, ganz im Sinne des Zeitgeistes, auch die Handschrift des antimuslimischen Rassismus, welcher nicht erst seit dem 7. Oktober immer massiver grassiert. Der „War on terror“ wird ideologisch von Rechten aber auch „demokratischen“ Kräften so weitergeführt, dass jede auf Basis äußerlicher Kriterien als muslimisch wahrgenommene Person (unabhängig davon, ob sie überhaupt muslimisch ist) automatisch unter Terrorismusverdacht steht. Und wenn man sich gegen Genozid und Unterdrückung ausspricht, ist man sowieso zumindest Terroristen-Unterstützer:in. Ob das dann aus Staatssicht schon ausreicht für die heimlichen Einbruch, werden wir sehen.

Für Staat und Medien stehen aber nicht nur Muslim:innen und Aktivist:innen aus der Palästina-Solidaritätsbewegung quasi automatisch unter Terrorismusverdacht, denn das Gleiche gilt auch für die kurdische Bewegung und die sog. „Klima-Terroristen“ der Letzten Generation.

Die vielen Gesichter von Social Media

Um auch besser überwachen zu können, ob und was die „Terrorist:innen“ denn so machen, hat sich das Überwachungsministerium vor einigen Wochen noch eine lustige Sache überlegt. Nun sollen bei Ermittlungsverfahren Videos von z.B. Überwachungskameras mit Beiträgen auf Social Media abgeglichen werden. Also in anderen Worten: Die Einführung von biometrischer Gesichtserkennung. (7) Es sollte auf der Hand liegen, dass diese Maßnahme a) realen, tatsächlich gefährlichen, Terrorismus nicht effektiv bekämpfen kann, da es die eigentlichen Ursachen des Terrorismus nicht bekämpft und b) den Repressionsorganen des Staates ein weiteres mächtiges Instrument in die Hand gegeben wird, welches dazu genutzt werden kann, jeden Mut zum Widerstand noch effektiver zu unterdrücken. Zwar wird wieder davon gesprochen, dass diese Technik nur eingesetzt werden soll, um Terrorismus und schwere Kriminalität zu bekämpfen, doch was damit am Ende gemeint ist, werden wir auch hier sehen. Nach der Durchsetzung von Abschiebungen wegen Likes auf sozialen Plattformen ist somit der digitale Raum immer weiter von Überwachung und Kontrolle durch Staat und Polizei betroffen. Das prophezeit eine dunkle Zukunft, wenn wir uns nicht beginnen, dagegen zu wehren.

Doch warum macht der Staat das?

Der Staat, den man als Herrschaftsinstrument der bürgerlichen Klasse, der Kapitalist:innen, verstehen muss, basiert auf der Aufrechterhaltung dieser Produktionsverhältnisse. Somit also darauf, dass die Arbeiter:innen ihre Arbeitskraft verkaufen und Mehrwert für die:den Kapitalist:in produzieren. Die Klasse der Arbeiter:innen hat das objektive Interesse der Überwindung dieser Gesellschaftsformation, wobei der bürgerlichen Staat versucht, sie klein zu halten, damit sie ihr Elend einfach hinnimmt. Hierzu zählt die ideologische Einbindung, welche wir jeden Tag in der Schule, wo wir, um meinen ehemaligen Politiklehrer zu zitieren, zu „treuen Demokrat:innen erzogen werden sollen“. Auch durch kleine Zugeständnisse sollen wir an den Staat und das System, was er schützt, gebunden werden.

Doch neben dem Zuckerbrot ist auch die Peitsche, in Form von Überwachung und Repression, ein Mittel, die Arbeiter:innen und Unterdrückten klein zu halten. Wenn sie Angst vor Gewalt, materiellen Verlust, sozialen Abstieg oder dem Knast haben, werden sie weniger wahrscheinlich den nächsten Aufstand organisieren oder sonst wie aus der Reihe der täglichen Verwertung fallen z.B. durch die Flucht aus der individuellen Ausbeutung durch Kriminalität. Wenn sie diesen Schritt jedoch trotzdem gehen, weil die Bedingungen zu schlimm geworden sind, sie noch zu ertragen, dienen diese Mittel dazu, alles unmittelbar und effektiv zu unterbinden.

Das im Blick lässt sich auch verstehen, warum gerade jetzt die Repression ausgebaut wird. Wir leben nämlich in einer Zeit der Krise. Menschen kämpfen mit sozialem Abstieg und die Wirtschaft stagniert, während wir eine Zuspitzung von Konflikten überall auf der Welt beobachten können.

Für die BRD spielt es also eine große Rolle, die Ausbeutung trotz ihrer Verschärfung aufrechtzuerhalten. Das bedeutet eben auch, sich gegen zukünftige Massenbewegungen und Aufstände auf den Straßen abzusichern, die das Fundament ihrer Macht angreifen und sie möglicherweise zu Fall bringen könnten, indem der Staat diese mit Repression, oder der Androhung solcher, im Keim erstickt.

Die derzeitige Ausformung dessen basiert auf dem Konzept alle „Feinde der Demokratie“ bekämpfen zu wollen. Dazu zählen (noch reaktionärere) bürgerliche Kräfte, welche die Knechtschaft unter dem Kapital anders verwalten wollen sowie Revolutionär:innen, welche dafür kämpfen, diese Ordnung abzuschaffen. Neben Angriffe auf Islamistische Kräfte gab es kürzlich auch Razzien gegen die Faschist:innen vom 3. Weg. (8) Dabei muss jedoch betont werden, dass das nicht heißt, der Staat hätte ein gleichmäßiges Interesse Revolutionär:innen wie Faschist:innen niederzuschlagen. Das sieht man auch an der Intensität, mit welcher nach über 60-jährigen Ex-RAF-Mitglieder gefahndet wird, während im Gegensatz über 600 „untergetauchte Nazis“ trotz Haftbefehl komplett unbehelligt bleiben. Denn auch wenn gerade die Diktatur der Bosse und Bänker noch eine demokratische Fassade zeigt, hat die Geschichte wiederholt gezeigt, dass diese sich nicht zu schade sind, um ihre eigene Stellung und somit das System aufrechtzuerhalten, auch zur Diktatur zu greifen und mit Faschist:innen zu paktieren. Denn auch im Faschismus werden die Arbeiter:innen geknechtet und die Kapitalist:innen werden immer reicher. Die Überwindung der Ausbeutung von Mensch durch Mensch wird für den bürgerlichen Staat und das Kapital immer eine größere Gefahr darstellen als seinen demokratischen Schein zu verlieren.

Doch auch wenn sowohl Faschismus als auch die bürgerliche Demokratie die Herrschaft des Kapitals zur Grundlage haben, wäre es falsch, bei jedem Abdriften der BRD oder anderer Staaten zum Autoritarismus direkt vom Faschismus zu reden. Denn auch die bürgerliche Demokratie ist ein Apparat zur Unterdrückung und nur weil dies in der Krise deutlicher zu Tage tritt, handelt es sich noch nicht um Faschismus. Faschismus ist eine sehr spezifische Art der bürgerlichen Herrschaft, mehr dazu aber an anderer Stelle, in unserem Artikel „Was ist Faschismus?“ (9)

Widerstand trotz alledem!

Es ist verständlich, dass sich in Zeiten von Rechtsruck, Krise und Krieg die neue Kampfansage durch den Staat in Form von engmaschiger Überwachung und Repression wie der letzte Stoß anfühlen kann. Die Lage wird immer beschissener und man fühlt sich, als stünde man einer unantastbaren Übermacht gegenüber. Doch wie groß der Gegner gerade erscheinen mag, wir müssen uns erinnern, dass wir im Interesse der Massen kämpfen und dass dieses Elend nur durch entschiedenen Kampf beendet werden kann. Wir müssen konsequent für demokratische Rechte, wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit kämpfen, auch wenn wir wissen, dass diese im Kapitalismus stets nur so lange gelten können, wie sie das System nicht in Gefahr bringen. Wir müssen die Grenzen dieses Systems aufzeigen und warum unsere Interessen nicht innerhalb dessen umgesetzt werden können. Dabei dürfen wir uns nicht unterkriegen lassen, egal wie stark sie uns schlagen, egal wie lückenlos sie uns überwachen!

Wir fordern große linke Jugendorganisation wie Jusos, Linksjugend Solid und DGB-Jugend auf, sich mit revolutionären Kräften zusammenzuschließen, um den entschiedenen Kampf gegen diese Überwachung zu führen. Doch auch das müssen wir größer denken: Der Autoritarismus ist ein Symptom des Rechtsrucks und damit müssen wir mit dem Kampf gegen den Aufstieg der Rechten und die Krise verbinden, um letztendlich zu einer Jugendbewegung zu werden, die eine Perspektive bietet! Die zusammen mit der Arbeiter:innenklasse dafür kämpft, dass Ausbeutung und Unterdrückung ein für alle Mal ausgerottet werden!

Doch um das zu erreichen, müssen wir uns organisieren, an den Orten, an denen wir uns jeden Tag aufhalten müssen, wie z.B. der Schule. Hier verbringen wir als Jugendliche die meiste Zeit und sind umgeben von Menschen, die dasselbe durchmachen und nicht ohnehin schon in der Szene unterwegs sind. Genau an diesen Orten müssen wir beginnen, Gruppen aufzubauen, uns gegen die Ungerechtigkeiten direkt vor Ort zu stellen, um letztendlich die Keimzellen für eine solche Bewegung zu schaffen. Deshalb organisiert euch mit uns, um gemeinsam diesen Schritt zu gehen!

Quellen:

(1) https://www.tagesspiegel.de/berlin/from-the-river-to-the-sea-gericht-verhangt-erstes-strafurteil-wegen-propalastinensischer-parole-in-berlin-12153305.html

(2) https://www.land.nrw/pressemitteilung/innenministerium-verbietet-gruppierung-palaestina-solidaritaet-duisburg

(3) https://onesolutionrevolution.de/berliner-polizei-loest-palaestinakongress-auf-meinungsfreiheit-wird-zur-farce/

(4) https://taz.de/Amnesty-Bericht-zu-Versammlungsfreiheit/!6022070/

(5) https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Islamisches-Zentrum-Hamburg-legt-Klage-gegen-Verbot-ein,blauemoschee140.html

(6) https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bka-durchsuchungen-heimlich-100.html

(7) https://www.lto.de/recht/presseschau/p/2024-08-12-gesichtserkennung-faeser-basketballer-prozess-gallner-interview

(8) https://taz.de/Razzia-bei-Neonazipartei-Dritter-Weg/!6020758/

(9) https://onesolutionrevolution.de/grundlagen-des-marxismus-was-ist-eigentlich-faschismus/




Wir müssen endlich im großen Stil Abschiebungen verhindern!

Gegen jede Abschiebung – Gegen Spaltung zwischen Geflüchteten!

von Jona Everdeen, Juli 2024

Drei geplante Abschiebungen sorgten letzte Woche für öffentliche Empörung und konnten durch Protest vorerst verhindert werden. So sehr wir uns darüber freuen: Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir endlich alle Abschiebungen beenden können.

Abschiebungen durch Proteste gestoppt

Abschiebungen in den Iran, gerade von Oppositionellen, sind keine Ausnahme. Für besondere Wut sorgte die drohende Abschiebung einer 17-jährigen iranischen Kurdin und ihrer Großmutter durch ein Flughafenverfahren. Das ist ein Verfahren, bei dem innerhalb von zwei Tagen entschieden wird, ob eine Person einreisen darf oder nicht. Das geschieht auf willkürlicher Basis und dient dazu, längere rechtliche Asylverfahren zu unterbinden. Ein längeres Verfahren wurde abgelehnt, weil die zuständigen Beamt:innen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge meinten, der Anspruch auf Asyl sei „offensichtlich unbegründet“ und ihr würde „im Iran keine Gefahr drohen“.

Den Schreibtischtäter:innen war egal, dass die Jugendliche an den Protesten gegen das Mullah-Regime vor bald 2 Jahren beteiligt gewesen war. Im Iran drohen Aktivist:innen wie ihr schwere Strafen bis zur Hinrichtung. Deshalb protestierten Menschenrechtsaktivist:innen und Poliker:innen gegen die drohende Auslieferung an das Terrorregime. Am Ende musste das Innenministerium einschreiten und den beiden die Einreise gewähren.

Für Unverständnis sorgte auch der Fall von Robert A. Bevor seine aus Serbien stammenden Eltern nach Deutschland kamen, wurde er in den Niederlanden geboren. Der 31-jährige lebt seit 30 Jahren in Chemnitz. Dort ging er zur Schule und lernte einen Beruf. Arbeiten durfte er nicht, die Ausländerbehörde verweigerte es. Jetzt soll er nach Serbien abgeschoben werden, ein Land, in dem er nicht geboren wurde und dessen Sprache er nicht spricht. Zu Gute kam Robert, dass er sich in der Vergangenheit für die Grünen engagiert hatte. Diese organisierten gemeinsam mit dem Flüchtlingsrat Proteste in Dresden und Chemnitz und forderten, dass Robert bleiben darf. Das sächsische Innenministerium erfüllte die Forderungen vorerst und reichte einen Antrag bei der Härtefallkommission ein, um die Abschiebung zu stoppen.

Im Fall von Joel, einem 18-jährigen Abiturienten aus Hamburg, wurde bereits entschieden, dass er bleiben darf. Mit seiner Volljährigkeit war sein Aufenthaltstitel abgelaufen. Er sollte nach Ghana abgeschoben werden, getrennt von seinem Vater und seiner Schwester. Mitschüler:innen und eine Lehrerin protestierten dagegen und setzten eine Petition auf, die von 100.000 Menschen unterschrieben wurde. Größere Proteste hätten das Abschieberegime der rot-grünen Hamburger Regierung als Ganzes in Frage stellen können. Vermutlich aus Angst davor lenkte der Senat ein und empfahl einen Aufenthaltstitel gemäß der Härtefallregel. Die Begründung war, Joel sei so gut integriert, dass es falsch wäre, ihn abzuschieben.

Diese Fälle, in denen Abschiebung durch Proteste verhindert wurde, zeigen, was möglich ist, wenn Menschen sich zusammenschließen, um für ihre Mitschüler:innen, Kolleg:innen, Nachbar:innen und Freund:innen einzugestehen. Doch diese Siege dürfen nur der Anfang sein, um gegen die menschenfeindliche Asylpolitik von BRD und EU anzukämpfen. Auf die Unterteilung in „gute“ und „böse“ Ausländer:innen dürfen wir uns nicht einlassen. Jede Abschiebung ist falsch und muss gestoppt werden!

Es trifft immer „die Falschen“?

Die Fälle der letzten Woche haben eines gemeinsam: Es trifft Menschen, die sich in den Augen der deutschen Öffentlichkeit „gut integriert“ haben, oder die voraussichtlich „gut integrierbar“ sind. Klar gibt es zahlreiche ultra-reaktionäre Rassist:innen bei der AfD und beim Dritten Weg, die von Blut und Boden schwadronieren und für die keine Integration mustergültig genug sein kann. Doch die liberalen, sozialdemokratischen und Teile der konservativen Parteien lassen sich gnädigerweise zu Ausnahmen herab: Wer fließend Deutsch kann, einen guten Schulabschluss gemacht hat und brav arbeiten geht, der darf gerne bleiben.

Diese Logik folgt der Erkenntnis, dass Migrant:innen unabdingbar für die deutsche Wirtschaft sind: ohne migrantische Arbeitskräfte könnte sie ihre aktuelle Stärke unmöglich aufrechterhalten, geschweige denn weiterwachsen. Dass allzu viele wahllose Abschiebungen wirtschaftliche Interessen gefährden würden, ist der deutschen Bourgeoisie bewusst. Dementsprechend trugen große Teile der liberalen und konservativen Bourgeoisie die Empörung über die Deportationspläne der Potsdamer Konferenz mit.

Von der Bourgeosie werden Migrant:innen stets zu einem bestimmten Zweck eingesetzt: Als billige Arbeitskräfte, in Konkurrenz zu den gewerkschaftlich organisierten deutschen Arbeiter:innen. Für Migrant:innen ist es schwieriger als für Deutsche, sich über miese Arbeitsbedingungen zu beschweren und dagegen zu protestieren. Sobald sie das tun, sind sie keine „nützlichen“ Ausländer:innen mehr, keine „gut integrierten“. Mit der Abschiebung droht eine Repression, die für deutsche Arbeiter:innen von unbekannter Härte ist.

Bei wem die Ausbildung hin zur „nützlichen Arbeitskraft“ zu aufwändig wäre, oder wer die Anforderungen nicht erfüllt, der muss gehen. Dieser unmenschlichen Logik müssen wir aufs Schärfste widersprechen. Die Zwangsintegration in die Interessen des deutschen Kapitals zeigt deutlich, dass „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ nur eine hohle Phrase ist.

Offene Grenzen statt Überausbeutung!

Für das deutsche Kapital bedeutet „gute Integration“ die Disziplinierung zu braven Untertan:innen, die jeden Scheißjob widerspruchslos hinnehmen, egal wie scheiße die Bezahlung ist und wie viele Überstunden geleistet werden müssen. Wir halten mit noch so vielen Überstunden und noch so schlechter Bezahlung widerspruchslos hinnehmen.

Dieser knallharten Brutalität halten wir eine andere Perspektive entgegen: offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für alle, dort wo sie leben! Diese Forderung steht im Widerspruch zum Kapitalismus, denn dieser ist in seinem höchsten Stadium, dem Imperialismus, darauf angewiesen, ärmere Länder auszupressen. Daraus werden Extraprofite abgeschöpft, die durch die Ausbeutung der eigenen nationalen Arbeitskraft nicht erreichbar sind.

Diese Extraprofite entstehen aus der Überausbeutung der Arbeiter:innen und kleinen Bäuer:innen halbkolonialer Länder in Afrika, dem „Nahen Osten“, Süd- und Südostasien und Lateinamerika. Diese Überausbeutung ist darauf angewiesen, dass die Grenzen dicht sind. Denn wenn Menschen, die in Nigeria von deutschen Konzernen überausgebeutet werden, ohne Probleme nach Deutschland gehen könnten, dann würde das ganze System nicht funktionieren.

Schluss mit Nützlichkeitsrassismus!

Wir wollen eine Welt frei von Ausbeutung, in Deutschland, in Nigeria, überall auf der Welt! Eine Welt in der jede:r frei von ökonomischen Zwängen entscheiden kann, wo er oder sie leben will. Doch wie kommen wir dahin?

Für uns gilt es, an bestehende Kämpfe anzuknüpfen, um Strukturen zu schaffen, die Abschiebungen verhindern können. Wir müssen die Selbstorganisation Geflüchteter unterstützen und diese mit den Kämpfen der Arbeiter:innenbewegung zu verknüpfen. An die Gewerkschaften müssen wir die Forderung richten, Geflüchtete aufzunehmen. Dadurch wird ihnen ermöglicht, für ihre eigenen Rechte zu kämpfen, und es wird verhindert, dass die Bourgeoisie sie weiterhin als Lohndrücker:innen gegen deutsche Arbeiter:innen einsetzt.

An unseren Schulen müssen wir uns für gerechte und inklusive Bildung für alle organisieren. Es braucht Antidiskriminierungsstellen, die rassistische Unterdrückung bekämpfen, sowie die Aufhebung der Segregation in sogenannte „Willkommensklassen“. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass keine:r unserer Mitschüler:innen mehr abgeschoben wird!

Wir wollen nicht, dass irgendjemand sich in die bürgerliche Ideologie von Leistungszwang und deutscher Leitkultur integrieren muss. „Desintegriert euch!“ steht groß an einer Hausfassade in Neukölln geschrieben. Das ist es, was wir allen migrantischen Arbeiter:innen und Jugendlichen ans Herz legen: den gemeinsamen Klassenkampf!