Der 2. Bildungsweg: Eine echte Chance oder Klassenerziehung für Erwachsene?

Von Joseph M., November 2025

Der “2. Bildungsweg” beschreibt Schulformen in Deutschland, in denen Erwachsene, die bereits aus der Schule raus sind, einen Hochschulabschluss wie z.B. den Hauptschulabschluss, die mittlere Reife oder das Abitur nachholen können.

Das können sie an Kollegs, an Abendschulen oder Berufs- und Fachoberschulen machen.

In Deutschland tun das jedes Jahr etliche Menschen und dieser Artikel beschäftigt sich damit, wie für Schüler:innen die Realität des 2. Bildungsweges aussieht, wie er sich in das kapitalistische Bildungssystem einordnet oder auch abgrenzt und wie Widerstand an diesen Schulen aussehen könnte.

Schule im Kapitalismus

Wir wissen, dass das Schulsystem durch den Staat von der herrschenden Klasse kontrolliert wird und den Zweck erfüllt, die Kapitalist:innen mit möglichst produktiven und braven Arbeiter:innen zu versorgen. Als ideeller Gesamtkapitalist führt der Staates die Schule als Institution und überprüft, dass die Kinder und Jugendlichen bestmöglich an die, sich im dauerhaften Wandel befindlichen, Anforderungen des Produktionsprozesse angepasst werden. Die Schule dient dabei nicht dazu, uns zu demokratischen, kritisch denkenden und kollektiv handelnden Menschen zu bilden, sondern den Status Quo der heutigen Klassengesellschaft zu erhalten.

Fast alle von uns haben eine Schule besucht und durften die heruntergekommenen Klassenräume, ekligen Schultoiletten und sexistische und rassistische Lehrkräfte kennenlernen, die auch noch das absolute Sagen haben.

Wir als revolutionäre Jugendorganisation fordern deswegen schon lange eine Bildung, die für alle zugänglich ist. Bei der die Schüler:innen den Unterricht mitgestalten können, bei der wir nicht aufgrund unserer Herkunft oder danach, wie viel Geld unsere Eltern haben, segregiert werden und, mit ungleichen Chancen, gegeneinander konkurrieren müssen. Und vor allem ein Gesellschaftssystem, in dem diese Art der Schule möglich ist“

Doch wie sieht die kapitalistische Bildung im 2. Bildungsweg aus?

Der 2. Bildungsweg ist für alle Erwachsenen ab 18 verfügbar, die einen Abschluss wie z.B das Abitur, einen Hauptschul- oder Realschulabschluss, eine Berufsbildungsreife (BBR) oder eine erweiterte Berufsbildungsreife (EBBR) nachholen möchten.

Grundsätzlich sind die Bildungsangebote wie z.B. das Kolleg, die Berufsoberschule oder das Abendgymnasium vom Staat gefördert und der bloße Besuch somit kostenlos. Das heißt aber nicht, dass die Lebenshaltungskosten für Miete und Essen auch gedeckt werden. Schüler:innen sind so immer noch wirtschaftlich von ihren Eltern abhängig, oder müssen sich ihr Geld irgendwie neben der Schule beschaffen. Man kann zwar, wenn ein Abschluss in Vollzeit nachgeholt wird, auch BAFÖG beantragen, doch wir wissen, dass BAFÖG oft nicht ausreicht und an unzumutbare bürokratische Hürden gekoppelt ist. Wenn man einen Schulabschluss nachholt, kann man dabei weniger oder gar nicht arbeiten. Hier zeigt sich also wieder eine Ausgrenzung nach Klasse: Hat man weniger Geld, wird es auch schwerer, nochmal zur Schule zu gehen.

Der Lerninhalt ist je nach Abschluss der gleiche, wie im 1. Bildungsweg. Er bleibt unflexibel und nicht nach den Bedürfnissen der Schüler:innen gerichtet. Auch hier muss stupide auswendig gelernt und wiedergegeben werden.

Unterdrückung und der Kampf dagegen

Im Vergleich zum 1.Bildungsweg sind die Schüler:innen jedoch erwachsen und tendenziell schon etwas unabhängiger von ihren Eltern. Vielleicht haben sie schon ein paar Jahre gearbeitet und sind wirtschaftlich eigenständiger, oder werden zumindest einmal nicht mehr juristisch bevormundet. Hier greift also die Thematik der Jugendunterdrückung weniger, wobei sie nicht aufgehoben ist. Wie beschrieben führt die fehlende Möglichkeit, selber regulär zu arbeiten, häufig zu finanzieller Abhängigkeit von den Eltern oder dazu, dass man mies bezahlte Minijobs annehmen muss und dadurch überausgebeutet wird.

Rassistische Lehrkräfte und autoritäre Schulleiter:innen gibt es jedoch wohl an jeder Schule und dagegen eine Gegenmacht aufzubauen, bleibt auch an den Schulen des 2. Bildungswegs wichtig! Dabei kann es jedoch eine zusätzliche Hürde sein, dass Schüler:innen freiwillig und ohne bindende Schulpflicht zu den Schulen des 2. Bildungswegs gehen. “Wenn es dir an der Schule hier nicht gefällt, warum machst du das dann freiwillig?”, ist etwas, was Schüler:innen schnell zu hören bekommen. Lasst euch von solchen Sprüchen nicht beirren! Es ist völlig normal und euer Recht, eine Schule ohne Unterdrückung oder Misshandlung besuchen zu wollen! Auch hier gilt es, sich mit den Mitschüler:innen zusammen zu tun, Gruppen zu bilden, Diskussionen zu führen und evtl. Aktionen zu planen, wie zum Beispiel eine Kundgebung. Konkrete Tipps, wie ihr Gegenmacht an eurer Schule aufbauen könnt, von denen viele auch auf Schulen des 2.Bildungswegs anwendbar sind, findet ihr in unserer Schularbeitsbroschüre.

Strukturelle Probleme bleiben bestehen

Während es ansich etwas Gutes ist, dass Hochschulabschlüsse auch in späteren Lebensjahren kostenlos nachgeholt werden können, drückt die Existenz des 2. Bildungsweges auch das Versagen des 1. Bildungswegs und des Bildungssystems im Kapitalismus aus. Schüler:innen verlassen die Schule früher, weil sie aus Geldnot arbeiten müssen oder sich im starren Frontalunterricht nicht wohlfühlen. Oder weil sie Repressionen von der Schulleitung und Diskriminierung von Lehrkräften erfahren. Weil die Bedürfnisse von Schüler:innen und eine freie Entfaltung ihres Lerntriebes auf Basis ihrer eigenen Interessen in der kapitalistischen Verwertungslogik einfach keinen Platz finden.

Und nicht nur das. Während schon genug Jugendliche in Hausaufgabenbergen versinken und ihre Schulen verrotten, gibt die Bundesrepublik lieber Milliarden für Aufrüstung und Krieg aus und schickt ihre Schüler:innen in den Wehrdienst, als mehr Lehrkräfte bereitzustellen, Schulen zu sanieren und gute Bildung zu ermöglichen, die Jugendliche wirklich fordert und mitnimmt, anstatt eine Qual zu sein, die man nicht früh genug beenden kann.

Deswegen wehren wir uns als kommunistische Jugendorganisation gegen das System, das dafür sorgt, dass Schule uns nur zu hörigen Arbeiter:innen erzieht. Die Forderungen nach gleichberechtigter Bildung und nach Mitbestimmung in der Unterrichtsplanung sind nicht im Kapitalismus umzusetzen. Wir sagen daher: Kampf dem Kapitalismus und seinem Bildungssystem!

-Für kostenlose Bildung für alle immer und überall!

-Schluss mit der kapitalistischen Bildung – Für Lehrpläne gestaltet durch Komitees von Lehrenden und Lernenden sowie Organen der Arbeiter:innenbewegung!

-Für 1100 Euro Taschengeld plus Warmmiete auf Staat sein Nacken, damit wir alle unabhängig von unseren Eltern uns so lange bilden können, wie wir selber es für nötig halten – Finanziert aus den Taschen der Superreichen und Profiten der Großkonzerne!

-Hunderte Milliarden für Bildung und Soziales, kein Mensch und kein Cent der Bundeswehr und der „Wehrhaftigkeit“ des Deutschen Imperialismus!




Was ist eigentlich antimuslimischer Rassismus und woher kommt er?

Von Dilara Lorin und Stephie Murcatto, April/Mai 2024, Revolution Zeitung 2/2024

„Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse!“

Dass die rechtsextreme AfD-Abgeordnete Alice Weidel diesen Satz im Bundestag gesagt hat, ist noch gar nicht so lange her. Lehrer:innen, die deine Hijab tragenden Mitschüler:innen verbal angreifen und fragen, ob sie dazu gezwungen wurden und das Kopftuch wieder abnehmen sollen, bis hin zu Sprüchen wie „Na bekommt dein Gehirn darunter noch Luft“. Oder die Wohnungssuche, bei der Vermieter:innen einen Lukas einem Hamid vorziehen, obwohl beide die gleichen Unterlagen vorlegen, was zu offener Diskriminierung und Benachteiligung führt und auf dem Arbeitsmarkt nicht anders aussieht. Dies sind nur Bruchstücke des antimuslimischen Rassismus, mit dem viele Menschen tagtäglich konfrontiert sind. Dabei hat sich die Lage in Deutschland seit dem 7. Oktober 2023 verschlechtert, indem alle Muslim:innen unter Generalverdacht gestellt werden. Vize-Kanzler Robert Habeck fordert in einer Ansprache alle Muslim:innen dazu auf, sich zum 7. Oktober zu verhalten und Israel als Staat anzuerkennen. Würde dem nicht Folge geleistet, könnten sie Gefahr laufen, ihren Aufenthaltstitel zu verlieren. Der Generalverdacht, der von allen Seiten der deutschen Politik kommt, ist ein Schlag ins Gesicht der 5,3 – 5,6 Millionen in Deutschland lebenden Muslimen (ungefähr 6,4 – 6,7 Prozent der deutschen Bevölkerung). Doch was ist antimuslimischer Rassismus und woher kommt er? Um dies zu verstehen, müssen wir uns zuerst anschauen, was Rassismus ist:

Was ist Rassismus?

Eines ist klar: Rassismus ist kein Produkt der „menschlichen Natur“ und auch nicht Ausdruck einer „tief verwurzelten Angst vor dem Fremden“. Vielmehr ist Rassismus eng mit der Entstehung bürgerlich-imperialistischer Nationalstaaten verbunden. In einer Zeit, in der der Kapitalismus einen Weltmarkt schuf und die Nationalstaaten neue Märkte erschließen mussten, wuchs aufgrund der kolonialen Ausbeutung das Bedürfnis nach Erklärungen, die die „Unzivilisiertheit“ dieser Menschen konstatierten und sie damit zu ewigen „Dienern des weißen Mannes“ machten. Damit war der Boden bereitet für die pseudowissenschaftliche Erklärung ihrer „Minderwertigkeit“ durch den Rassenbegriff. Rassismus übersteigt jedoch bloße sprachliche oder kulturelle Kategorisierungen und nutzt phänotypische Merkmale wie zum Beispiel Hautfarbe und Kopfform, um Menschen in vermeintlich feste Gruppen einzuteilen. Der Rassenbegriff diente als effizientes Werkzeug für bürokratische Grenzziehungen und demagogische Mobilisierung. Der Rassismus ermöglicht auch die Zuteilung unterschiedlicher Rechte je nach Zugehörigkeit zu einer „rückständigen“ oder „zivilisierten“ Nation oder Nationalität. Damit wird die ethnische Zugehörigkeit zu einem imperialistischen „Staatsvolk“ positiv und die zu allen anderen negativ bewertet, was zu einer Abwertung der Angehörigen unterdrückter Nationen führt. Rassismus ist tief in unserem gegenwärtigen Herrschaftssystem verankert. Die materielle Basis des Rassismus‘ in der Arbeiterklasse ist die massenhafte Überausbeutung in den Halbkolonien, die einem Teil der Arbeiterklasse in den imperialistischen Ländern einen gewissen Wohlstand zu garantieren scheint.

Was zeichnet antimuslimischen Rassismus aus?

Dabei handelt es sich um eine Form des Rassismus, der sich nicht nur gegen religiöse Sympathien und Praktiken richtet, sondern gleichzeitig Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft rassifiziert und dem Islam zuordnet. Antimuslimischer Rassismus und Islamophobie machen den:die „Muslim:in“ zu einer unveränderlichen Sache, sodass Menschen verschiedener Nationalitäten und sogar Glaubensrichtungen als „muslimisch“ charakterisiert werden. Somit trifft antimuslimischer Rassismus nicht nur Muslim:innen sondern auch diejenigen, die scheinbar „muslimisch“ aussehen oder Menschen sind, die aus einem Land mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung stammen. Dabei hat der antimuslimische Rassismus einen ähnlichen Zweck wie der Rassismus: Spaltung der Arbeiter:innenklasse und herausentwickeln einer prekären Schicht dieser, Trennung des Arbeitsmarktes und Legitimation von Kriegen und imperialistischen Interessen. Durch die Spaltung der Arbeiter:innenklasse wird einerseits eine einheitliche Masse der Ausgebeuteten verhindert und andererseits können jene Arbeiter:innen besser ausgebeutet werden, die aufgrund ihrer Rassifizierung nicht die gleichen Rechte erhalten. Die Verbindung der Diskriminierung von Arbeitsmigrant:innen mit ihrer rassistischen Brandmarkung als „Muslimin:innen“ stellt diese als „Gefahr“ für „zivilisierte“ Gesellschaften dar. Diese Charakterisierung wird zunehmend von Rechtsextremen aufgegriffen und mit Verschwörungsideologien verknüpft. Ein Beispiel dafür ist die sogenannte „Islamisierung des Abendlandes“, wegen der angeblich muslimische Einwanderung stattfindet, um die weiße Bevölkerung zu marginalisieren. So soll die Abschottung und Rückführung von Geflüchteten besser gelingen. Letztendlich sind alle Formen von Islamophobie und antimuslimischem Rassismus rassistische Ideologien, die der Unterdrückung von eingewanderten und geflüchteten Arbeiter:innen dienen sowie einen ideologischen Deckmantel für „humanitäre“ Interventionen in Halbkolonien oder die Unterstützung des zionistischen Staates rechtfertigen.

Wie ist der antimuslimische Rassismus entstanden?

In den letzten Jahren hat sich der Rassismus gegen Muslim:innen und die Islamophobie erheblich verändert, wodurch dem antimuslimischen Rassismus ein anderer Charakter verliehen wurde. Seit den 2000er Jahren können wir erkennen, dass der antimuslimische Rassismus eine dominierende Form des Rassismus in den imperialistischen Ländern eingenommen hat. Dies hat seine Ursache in verschiedenen historischen Entwicklungen. Eine davon ist der Zusammenbruch der Sowjetunion, der die Weltlage schlagartig verändert und die USA dazu veranlasst hat, die Welt neu ordnen zu wollen, um ihre Hegemonie und ihre Machtansprüche zu sichern. In den USA wurden in dieser Zeit immer mehr Bücher und Publikationen veröffentlicht, die Wege und Strategien für die Hegemonie der USA skizzieren. Dabei wurden vor allem andere imperialistische Länder wie China und Russland als Rivalen dargestellt und Strategien veröffentlicht, die verhindern sollten, dass diese Länder die Hegemonie der USA angreifen können. Eines dieser rassistischen Bücher war Huntingtons Clash of Civilisations (Kampf der Kulturen), das auch den „Islam“ als einen Imperialismus beschrieb, der sich zu einem globalen Rivalen entwickeln könnte, und das voller rassistischer Ideologie war. Dabei ist der Islam weder eine wirtschaftliche Einheit noch eine Nation oder eine Föderation von Nationen. Er ist kein Rivale um die Weltmacht. Aber er eignet sich gut als globaler Feind, der sowohl intern als auch extern ist. Nach den Angriffen am 11. September 2001 wird diese Ideologie dann genutzt, um den sogenannten „war on terror“ zu legitimieren und dutzende imperialistische Kriege wie in Afghanistan, auf vermeintlich muslimische Länder im Mittleren Osten, aber auch überall in der Welt zu legitimieren. Außerdem bietet es nicht nur eine ideologische Rechtfertigung für die Destabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens, sondern auch für die polizeiliche Überwachung und Stigmatisierung der muslimischen Bevölkerung. Dafür mussten der „Islam“ und der „Islamismus“ als einheitliches Gebilde konstruiert werden, um somit einen homogenen, gefährlichen und barbarischen Feind zu kreieren, dessen Anhänger:innen zu einer rückständigen Kultur gehören, die nicht in die moderne, demokratische Gesellschaft integrierbar ist. Dass im Islam selbst unterschiedliche Schulen und Glaubensauslegungen vorherrschen, beispielweise Unterschiede zwischen Schiiten und Sunniten, spielt dabei gar keine Rolle. Dabei wird oft von allem Islam als Islamismus gesprochen, ohne zwischen echtem Islamismus (politischem Islam) und dem Islam als bloßer Religion zu unterscheiden. So werden die in Deutschland stattfindenden Pro-Palästina-Demonstrationen von Robert Habeck als islamistisch bezeichnet, obwohl es sich bei den Organisatoren größtenteils um säkulare, linke Organisationen handelt.

Situation von Muslim:innen

Insgesamt gehört die Mehrheit der Muslim:innen in der EU zu den prekären Teilen der Arbeiter:innenklasse: So ist die Arbeitslosenquote unter türkischen Arbeiter:innen in Deutschland oder unter pakistanischen und bangladeschischen Arbeiter:innen in Großbritannien um 15 bis 40 Prozent höher als im nationalen Durchschnitt; man kann also sagen, dass die Arbeitslosenquote unter Migrant:innen und Muslim:innen (soweit getrennte Daten vorliegen) wesentlich höher ist als im nationalen Durchschnitt. Dadurch wird deutlich, dass Muslim:innen systematischer Unterdrückung, Diskriminierung und Stigmatisierung ausgesetzt sind, was als Folge Ghettoisierung mit sich bringt.

Auf dem Arbeitsmarkt und in der Schule erleben Migrant:innen und Muslim:innen alltägliche Diskriminierung und Unterdrückung aufgrund ihrer Herkunft und Religion, auch wenn es in vielen Ländern oberflächliche Antidiskriminierungsgesetze gibt, die nicht verhindern, dass z. B. die Arbeitssuche für Migrant:innen mit Kopftuch wesentlich schwieriger ist als für weiße Frauen ohne Kopftuch. Auch in der Schule ist es für Schüler:innen aufgrund ihrer sozialen Lage schwieriger, akademische Erfolge zu erzielen, was insgesamt dazu führt, dass Muslim:innen (und Migrant:innen insgesamt) tendenziell in schlechter bezahlten Sektoren arbeiten als weiße Arbeiter:innen.

Wir wollen im zweiten Teil der Artikelreihe zu antimuslimischem Rassismus genauer darauf eingehen, was wir tun können, um dagegen anzukämpfen. Welche Forderungen sollten wir im Kampf aufstellen? Wieso ist der Kampf für Religionsfreiheit für alle wichtig? Seid gespannt.




Einen Safe Space gibt es nicht! Was ist eigentlich das Caucusrecht und wozu brauchen wir es?

von Erik Likedeeler, September 2023

Wer sich unser Programm durchliest, wird schnell auf den Begriff des Caucusrechts stoßen. Aber was ist das eigentlich?

Bei einem Caucus handelt es sich um ein gesondertes Treffen von Menschen, die auf eine spezifische Weise unterdrückt werden, zum Beispiel durch Sexismus, Queerfeindlichkeit, Rassismus oder Behindertenfeindlichkeit.

In diesem Artikel wird erklärt, wie ein Caucustreffen ablaufen kann, warum wir Unterdrückung auch innerhalb linker Organisationen bekämpfen müssen und warum es „Safe Spaces“ im Kapitalismus nicht geben kann. Als Beispiel wird in diesem Text der Kampf gegen Sexismus genutzt, das alles lässt sich aber auch auf andere Unterdrückungsformen übertragen.

Was passiert bei einem Caucustreffen?

Ein Caucustreffen bietet die Möglichkeit, sich in einem geschützteren Rahmen über konkrete Probleme, Missstände und Vorfälle von Sexismus innerhalb der Organisation auszutauschen. Es werden Fragestellungen im Zusammenhang mit Sexismus diskutiert und gemeinsame Ideen und Lösungen ausgearbeitet. Der inhaltliche Aufbau des Treffens kann selbst bestimmt werden. Wichtig ist, dass alle Betroffenen vorher über das Treffen informiert werden und die Möglichkeit bekommen, sich zu äußern.

Anschließend können organisatorische, politische oder analytische Empfehlungen und Forderungen zurück in die Organisation getragen werden. Die Maßnahmen werden der Mitgliedschaft oder der Leitung vorgelegt, um den Kampf gegen Sexismus voranzutreiben. Ein Vetorecht gegen Beschlüsse der Leitung oder abgestimmte Entscheidungen der Mitgliedschaft hat der Caucus jedoch nicht. Prinzipiell bleibt aber erst einmal alles, was im Rahmen des Caucus besprochen wird, unter Verschluss. Den Teilnehmenden ist es nicht erlaubt, mit Außenstehenden oder Genoss_Innen, die nicht am Caucus teilnehmen dürfen, über dessen Inhalt zu sprechen. Am Ende einigen sich die Teilnehmenden gemeinsam auf die Punkte, die sie in die Organisation tragen wollen.

Wo könnte es überall ein Caucusrecht geben?

Einen Caucus könnte es fast überall geben – zum Beispiel in einer politischen Organisation, aber auch in Gewerkschaften, Parteien, an Schulen und in Betrieben. Das Recht auf solche Treffen gehört immer wieder zu unseren politischen Forderungen, denn es gibt kaum Institutionen, die dieses Recht verankert haben.

Manchmal gibt es zwar an Schulen oder Unis Treffen von Unterdrückten, aber diese haben meist keinen Caucus-Charakter. Vielmehr dienen sie der gegenseitigen Vernetzung und existieren abgespalten vom Rest der Studierenden oder Schüler_Innen. Sie werden von diesen nicht anerkannt und machen es sich nicht zum Ziel, politische Forderungen an sie heranzutragen.

Ein Caucus sollte so oft einberufen werden dürfen, wie es Bedarf danach gibt – am besten während der Arbeits- oder Unterrichtszeit, damit die antisexistische Arbeit nicht von der Freizeit abgeht.

Das Caucusrecht ist auch in unserem Programm abgedeckt, welches die Grundlage unseres politischen Handelns bildet. Dadurch erfahren neue Mitglieder von Anfang an von dieser Möglichkeit, und die Treffen bleiben nicht in einer „rechtlichen Grauzone“.

„Sexismus? Bei uns doch nicht!“

Viele Menschen sind davon überzeugt, sie selbst seien nicht sexistisch – oder wenn sie es einmal waren, dann haben sie das alles längst wegreflektiert. Als Marxist_Innen vertreten wir das Prinzip: „Das Sein bestimmt das Bewusstsein.“ In diesem Fall bedeutet das, dass wir in sexistische Verhaltensmuster zurückfallen können, solange wir in einer Gesellschaft leben, welche dieses Verhalten hervorbringt, fördert und belohnt. Das beweisen die vielen unaufgeklärten Fälle von Machtmissbrauch und Täterschutz innerhalb der linken Szene.

Sich über ein Problem bewusst zu werden bedeutet nicht, dass dieses Problem damit gelöst ist. Wir können uns nicht vollständig aus unserem Umfeld und unserer Sozialisation herausdenken. Deshalb behaupten wir auch nicht von uns selbst, dass wir frei von Sexismus wären. Die Augen vor Problemen zu verschließen, bedeutet im schlimmsten Fall, dass diese Probleme sich ungehindert weiter ausbreiten können.

Das heißt natürlich nicht, dass wir uns selbst einen Freifahrtschein ausstellen und mit dem Antisexismus warten, bis der Sozialismus kommt. Wir wollen nicht so tun, als wären wir unserer Sozialisation völlig hilflos ausgeliefert, oder als hätten wir gar keine Handlungsmöglichkeiten.

Damit wir als gesamte Arbeiter_Innenklasse zusammenarbeiten können, müssen wir unser Bestes geben, um Sexismus auch innerhalb der Arbeiter_Innenbewegung zu bekämpfen. Denn Unterdrückung dient auch dazu, uns zu spalten, uns gegeneinander aufzuhetzen und uns von unserem wahren Feind abzulenken: den Kapitalist_Innen.

Deshalb müssen wir sowohl präventiv arbeiten, als auch bereits geschehene Vorfälle aufarbeiten. Dabei ist uns immer bewusst, dass die Arbeit an uns selbst nicht ausreicht. Wir müssen das Problem an der Wurzel packen und patriarchale Strukturen mitsamt der Klassengesellschaft zerschlagen.

Separate Treffen – ist das keine Spaltung?

Um die Klassengesellschaft abzuschaffen, braucht es ein revolutionäres Programm mit Forderungen, hinter denen wir alle vereint stehen. Dauerhafte Vereinzelung je nach Identität ist dabei nicht hilfreich.

Aber es gibt Situationen, in denen es mehr Erfolg bringt, sich als Unterdrückte separat zu treffen: Sich eine eigene Vernetzung aufzubauen ermöglicht erst den Rahmen, in dem alle Aktivist_Innen gemeinsam handeln können. Dadurch kann auch verhindert werden, dass der Kampf gegen Sexismus zu einem unwichtigen Nebenziel erklärt wird.

Außerdem schützt das Caucusrecht unsere Organisationsform, den demokratischen Zentralismus. Das bedeutet, dass wir untereinander frei diskutieren und demokratisch über unsere Forderungen abstimmen, während wir nach außen gemeinsam auftreten und vereint hinter unseren Positionen stehen. Dieses gemeinsame Auftreten könnte zum Zerbrechen einer Gruppe führen, falls die demokratischen Rechte nicht abgesichert werden.

An wem bleibt die antisexistische Arbeit hängen?

Häufig bleibt die politische Arbeit zum Thema Antisexismus an denjenigen hängen, die selbst von Sexismus betroffen sind. Dadurch wird die Unterdrückung nicht gebrochen. Sie kann sich sogar noch verstärken, wenn unterdrückte Personen dadurch an ihrer politischen Arbeit gehindert werden und weniger präsent sind.

Deshalb ist es wichtig, dass sich nicht nur Unterdrückte zusammenfinden, sondern auch diejenigen, die nicht betroffen sind. Auch sie müssen Treffen einberufen, um sich mit der Rolle auseinanderzusetzen, die ihnen der Kapitalismus zuweist, sowie mit den Forderungen und Vorschlägen, die an sie herangetragen wurden. Oft finden deshalb bei uns zeitgleich zum Caucus antisexistische Reflexionstreffen statt, in welchem sich männliche Genossen mit ihrem Verhalten auseinandersetzen und gemeinsam Perspektiven aufwerfen.

Caucustreffen: Ein Safe Space?

Es bleibt die Frage, ob ein Caucus tatsächlich den geschützten Rahmen bieten kann, den man sich von ihm verspricht. Dazu sei Folgendes gesagt: Auch wenn ein Caucus die Möglichkeit gibt, offener und ungehemmter zu diskutieren, sollte nicht die Illusion entstehen, dass ein Caucus so etwas wie ein Safe Space oder eine Selbsthilfegruppe sein könnte.

Es gehört zum Wesen des Kapitalismus, dass man seine Ideologien nicht einfach abstreifen kann wie einen zu klein gewordenen Mantel. Unterdrückung kann auch verinnerlicht sein, das heißt zum Beispiel, auch Frauen können sich sexistisch verhalten. Und innerhalb eines antisexistischen Caucus könnte es weiterhin zu transfeindlichen, rassistischen oder behindertenfeindlichen Vorfällen, sowie zu Belästigung aller Art kommen.

Außerdem kann das Sprechen über Unterdrückung für alle Betroffenen belastend sein und unangenehme Emotionen und Erinnerungen an die Oberfläche bringen.

Fazit und Ausblick

Bisher haben sich Caucustreffen in unserer Organisation in der Praxis bewährt. Sie haben geholfen, das Bewusstsein für bestimmte Themen zu stärken, Debatten in neue Richtungen zu lenken, neue Positionen auszuarbeiten und das alltägliche Miteinander zu erleichtern.

Deshalb rufen wir auch andere linke Organisationen dazu auf, ihren Mitgliedern das Caucusrecht zu gewähren – denn nur so kann all ihren Mitgliedern und Sympathisant_Innen die politische Arbeit uneingeschränkt ermöglicht werden.




Intergeschlechtlichkeit: Was hinter dem I in LGBTIA steht

Von Erik Likedeeler, Mai 2023, REVOLUTION-Zeitung April/Mai 2023

Noch vor dem Beginn eines Lebens stellen sich viele werdende Eltern die Frage: „Junge oder Mädchen?“ Es werden Erwartungen gestellt an das Verhalten, das Aussehen und die Rolle des zukünftigen Kindes. Aber was, wenn der Körper des Kindes diesen Erwartungen nicht entspricht?

Als intergeschlechtlich werden Körper verstanden, die von außenstehenden Personen weder als männlich noch als weiblich identifiziert werden können. Intergeschlechtlichkeit zeigt sich zum Beispiel durch verschiedene Varianten der X- und Y-Chromosomen, durch im Körper liegende Hoden bei einem weiblich gelesenen Äußeren oder durch Geschlechtsteile, die als große Klitoris und als kleiner Penis interpretiert werden könnten.

In einer binärgeschlechtlich denkenden Welt ist die Situation intergeschlechtlicher Menschen von Diskriminierung, medizinischer Missachtung und bürokratischen Hindernissen geprägt. Die Tabuisierung des Themas unter dem Motto „Sag‘ es niemand anderem!“ übt starken Druck auf inter Personen aus.

In diesem Artikel soll es darum gehen, wie intergeschlechtliche Personen in Deutschland von Geburt an diskriminiert und misshandelt werden, und wie dagegen vorgegangen werden kann. Außerdem soll auf das dialektische Verhältnis zwischen dem „sozialen“ und dem „biologischen“ Geschlecht eingegangen werden. Hauptquellen sind „The state’s hands in our underpants“ von Theresa Anna Richarz und der Parallelbericht zum 5. Staatenabkommen der BRD zum Übereinkommen gegen Folter.

Was passiert bei Operationen an intergeschlechtlichen Kindern?

In Deutschland sind 95% der intergeschlechtlichen Menschen von medizinischen Eingriffen nach der Geburt betroffen. Seit den 1950er Jahren sind kosmetische Operationen an inter Säuglingen und Kleinkindern medizinisch institutionalisiert. Bestandteil der Operationen ist die Entfernung der hormonproduzierenden Keimdrüsen (Gonadektomie). Dadurch kommt es zu psychischen und körperlichen Folgeerkrankungen. Es werden lebenslange Hormonersatztherapien und Folgeoperationen erforderlich und die Person wird dauerhaft unfruchtbar.

Außerdem erfolgt eine Beschneidung der äußeren Geschlechtsorgane, die mit dem Verlust der erotischen Empfindsamkeit einhergeht. Für die Zwangszuweisung zu einem Standardgeschlecht messen Ärzt_Innen die Größe der Genitalien, um zu bestimmen, welche Rolle diese am ehesten beim traditionellen heterosexuellen Geschlechtsverkehr einnehmen könnten. In 85-90% der Fälle wird der Körper feminisiert. Ein Grund dafür ist die chirurgische Machbarkeit. Ein weiterer ist die sexistische Annahme, Frauen könnten eher ohne erfüllende Sexualität leben als Männer.

Während bei maskulinisierenden Operationen Größe und Funktion des Penis im Mittelpunkt stehen, geht es bei feminisierenden Operationen darum, den Körper auf Geschlechtsverkehr vorzubereiten. Es wird eine Neo-Vagina angelegt, welche regelmäßig durch das Einführen harter Gegenstände gedehnt werden muss, bis sie als penetrierbar gilt. Ohne das Einverständnis der betroffenen Person stellt das eine Misshandlung dar – die in vielen Fällen routinemäßig von den eigenen Eltern durchgeführt wird.

Ungefährliche Varianten der Geschlechtsentwicklung werden zu Störungen erklärt, die Angleichung an die Norm als Heilung dargestellt. Dahinter steckt der Gedanke, dass Menschen die Zweigeschlechtlichkeit am ehesten akzeptieren würden, wenn sie nie etwas von ihrer Intergeschlechtlichkeit erfahren. Laut einer in Hamburg durchgeführten Studie haben 50% der inter Personen, bei denen in der Kindheit irreversible operative Eingriffe vorgenommen wurden, Suizidgedanken.

Wie werden die Operationen rechtlich ermöglicht?

Die Einführung der Geschlechtsoption „divers“ wurde von der Hoffnung begleitet, Akzeptanz für intergeschlechtliche Körper zu schaffen. Doch die Aufmerksamkeit für das Thema hat nicht zum Ende der Operationen geführt. Meist werden die Eingriffe ohne medizinische Indikation verübt, ohne wirksame Einwilligung der Eltern und ohne Aufklärung über Risiken und Folgebehandlungen. Ärzt_Innen erwähnen selten, dass ein erfülltes Leben ohne Operation möglich ist.

In Deutschland ist es verboten, in die Sterilisation des eigenen Kindes einzuwilligen, doch bei intergeschlechtlichen Kindern kommt dieses Gesetz nicht zur Anwendung. In vergleichbaren Fällen wäre die stellvertretende Einwilligung in derart folgenschwere Eingriffe nur bei unmittelbar lebenserhaltenden Maßnahmen zulässig.

Seit Jahren besteht die Forderung, ein Operationsverbot durchzusetzen. 2021 wurde ein Gesetz dafür geschaffen, doch dieses zeichnet sich durch massive Lücken aus und lädt geradewegs dazu ein, umgangen zu werden. Mit Verweis auf ein angeblich erhöhtes Krebsrisiko darf weiterhin operiert werden, obwohl es keine Langzeitstudien gibt, die das beweisen.

Der Staat tut nichts, um diese Folter zu verhindern, sondern macht sich durch die Finanzierung mitverantwortlich. Gesetzliche Krankenkassen zahlen normalerweise nur für medizinisch indizierte Behandlungen, nicht für ästhetische Operationen. Doch die Standardisierung der Genitalien wird als dringend und medizinisch notwendig eingestuft.

Im Jahr 2000 wurde die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche von 30 auf 3 Jahre gekürzt. Viele inter Menschen erfahren erst zu einem viel späteren Zeitpunkt ihres Lebens von den Operationen. Auch hier zeigt sich Sexismus, denn die Beeinträchtigungen infolge einer Kastration werden bei weiblich kategorisierten Personen als weniger gravierend eingestuft. Außerdem ist es schwierig, Ansprüche geltend zu machen, denn Krankenakten sind oft unvollständig, „nicht verfügbar“ oder werden geschwärzt.

Das alles steht in krassem Widerspruch zum bürgerlichen Bild des „binären Geschlechts“. Dieses ist der ideologische Hintergrund, warum Intergeschlechtlichkeit so unterdrückt wird. Doch welches Verständnis von Geschlecht können wir dem entgegensetzen?

Wie kann ein marxistisches Verständnis von Geschlecht aussehen?

Aus unserer Sicht besteht das Geschlecht aus drei Bestandteilen: Zunächst der biologische Körper (engl. sex), der einfach erstmal existiert und mit Eigenschaften, wie schwanger werden zu können, unsere Lebensrealität prägt. Wie oben schon angemerkt, ist das biologische Geschlecht nicht binär (XX- oder XY-Chromosom), sondern bipolar, also die Veranlagungen stehen immer irgendwo zwischen diesen Kategorien. Als zweites das soziale Geschlecht (engl. gender), was die Rollenverteilung ist, in die uns die Gesellschaft drängt und in die wir eingeordnet werden. Die Geschlechterrollen entwickeln sich auf einer gesellschaftlichen Ebene, überspitzen biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern und naturalisieren eigentlich soziale Prägungen. Die Rollen stehen momentan vor allem unter dem Vorzeichen des Patriarchats und als Individuum kann man diese Kategorie nicht einfach auflösen. Der dritte Aspekt ist die Geschlechtsidentität, also das Bewusstsein über das Verhältnis zwischen dem biologischen und sozialen Geschlecht. Wenn diese übereinstimmen, dann spricht man von Cisidentiät, falls es abweicht, spricht man beispielsweise von Trans- oder nichtbinärer Identität. Die Geschlechtsidentität ist über das menschliche Leben fluide, geprägt von vielen Einflüssen und letztendlich weder binär noch bipolar, sondern polypolar. Alle drei Aspekte wirken aufeinander, stehen also in einem dialektischen Verhältnis zueinander und bilden miteinander das Geschlecht.

In diesem Verständnis von Geschlecht grenzen wir uns von jenen queerfeministischen Theorien ab, die annehmen, dass Geschlecht ausschließlich eine soziale Kategorie wäre, die durch Sprache und Handeln performt wird. Dabei wird davon ausgegangen, Geschlechtlichkeit würde nichts mit anatomischen Begebenheiten zu tun haben. Der Körper wäre lediglich Ausdruck einer wiederholten Inszenierung, die vollständig dekonstruiert werden könnte. Diese Praxis bietet keine politische Perspektive, denn individuelle Verhaltensänderung durch Sichtbarmachung, Bildung und Aufklärung greifen den Kapitalismus als Ursache der patriarchalen Unterdrückung nicht an.

Im Kontrast dazu bauen radikalfeministische Ansätze das Geschlecht vor allem auf körperliche Faktoren auf. Aus dieser Essentialisierung leiten sie die patriarchale Unterdrückung als naturgegeben ab – auch daraus ergibt sich keine politische Perspektive. Die Einordnung von Frauen als eigene ökonomische Klasse offenbart ein fehlgeleitetes Verständnis von Materialismus.

Soziale Ungleichheit ist nicht auf die Verschiedenheit der Körper, sondern auf die materielle Grundlage der Gesellschaftsorganisation zurückzuführen. Geschlecht ist als Dimension von Ungerechtigkeit eingelagert in kapitalistische Produktionsformen. Nachhaltige Veränderung des Bewusstseins kann demnach nur im Klassenkampf gegen den Kapitalismus erreicht werden.

Wie zeigt sich das dialektische Verhältnis im Alltag?

Die Frage, ob Eigenschaften biologisch erklärbar sind, ist schwierig, denn wir können unsere Sozialisation nicht einfach wegdenken. Wie tief diese in den Körper eingeschrieben ist, lässt sich exemplarisch an der Stimme erkennen. Häufig wird davon ausgegangen, dass Männer mit einer niedrigen und Frauen mit einer hohen Grundfrequenz sprechen. In Wahrheit gibt es einen großen Frequenzbereich, der unabhängig vom Geschlecht genutzt wird. Einerseits wird der Klang der Stimme von physiologischen Merkmalen wie der Größe des Kehlkopfes bestimmt. Andererseits spielen auch verhaltensbedingte Faktoren eine Rolle.

In Medien wird Geschlecht durch Intonation und Stimme überzeichnet. In Studien wurden Kinder gebeten, Wörter zunächst normal auszusprechen und dann so jungen/mädchenhaft wie möglich. Bei einer normalen Sprechweise gab es keine Unterschiede, diese traten erst bei der Nachahmung auf. Ungefähr ab einem Alter von 7 Jahren lernen Kinder dann unbewusst, ihre Stimme an ihr zugewiesenes Geschlecht anzupassen.

Dabei spielen dynamische soziale Faktoren eine Rolle: Eine sogenannte Knarrstimme, die mit Härte und Robustheit assoziiert wird, gilt allgemein als männliche Tendenz, wird jedoch auch von aufsteigenden, berufstätigen Frauen verwendet. Insgesamt ist die Grundfrequenz von Frauen in den westlichen Gesellschaften den letzten Jahrzehnten gesunken.

Soziale Vorstellungen sind mächtig und prägen die Erinnerungsleistung: Visuelles Wissen über das Geschlecht des_der Sprechenden spielt bei der Sprachverarbeitung eine Rolle und beeinflusst, wie wir die Stimme eines Menschen in Erinnerung behalten. Wie man an diesem Beispiel sieht, ist die Trennung zwischen biologischem und sozialem Geschlecht nicht so einfach, und sowieso ist eine strikte Trennung zwischen Biologie und Sozialem immer verkürzend. Es zeigt auch, dass eine Binarität von biologischem Geschlecht nicht gegeben ist und wir uns dabei auf einem Spektrum befinden. Intergeschlechtlichkeit ist Ausdruck dessen.

Wir wollen für eine Gesellschaft eintreten, in der alle Menschen ungeachtet ihres Geschlechts gleichberechtigt und gefahrenfrei leben können. Deshalb fordern wir:

  • Das Verbot medizinisch nicht notwendiger, kosmetischer Genitaloperationen an Kindern. Geschlechtsangleichende Behandlungen nur mit Zustimmung der betroffenen Person, kostenfrei und ohne unnötigen bürokratischen Akt!

Doch formalrechtliche Verbote zu erringen, bringt wenig, wenn die praktische Wirksamkeit ausbleibt. Nur echte Akzeptanz von Intergeschlechtlichkeit kann dafür sorgen, dass das Operationsverbot kein symbolisches bleibt. Deshalb fordern wir zusätzlich:

  • Sicherstellung von aufklärungsbasierter Einwilligung, Information auch über Nichtbehandlung. Für selbstbestimmte Geschlechtsidentität, Sexualität, Fortpflanzung und Elternschaft für inter Personen!
  • Sensibilisierung und Fortbildung von Mediziner_Innen, Sicherstellung des Bewusstseins darüber, welche physischen, psychischen und sozialen Schäden nicht-indizierte kosmetische Operationen und Drüsenentfernungen zu Folge haben können. Zugleich auch Ausbau und Finanzierung von Beratungsangeboten für Eltern und Antidiskriminierungsstellen für Betroffene, unter Besteuerung der Reichen!
  • Aufarbeitung und Entschädigung vergangener Diskriminierung und Folter. Sicherstellung des Zugangs zur eigenen Krankenakte, Aufhebung der Verjährungsfristen.
  • Gegen die Pflicht, das eigene Geschlecht in offiziellen Dokumenten anzugeben. Für den Ausbau von geschlechtsneutralen Toiletten und Umkleiden im öffentlichen Raum.
  • Der Kampf für die Rechte von inter Personen muss Hand in Hand mit dem der Arbeiter_Innen gehen. Es braucht aber gleichzeitig auch den Kampf gegen jegliche LGBTIA-Feindlichkeit innerhalb der Arbeiter_Innenbewegung und das Recht auf Caucusse für Betroffene!
  • Menschen sind keine Sexobjekte! Kampf der bürgerlichen Sexualmoral, samt Binarität und Geschlechterrollen! Für die Vergesellschaftung der Hausarbeit!



Rätedemokratie – was ist das?

Von Stephie Murcatto

Die Klimagerechtigkeitsorganisation „Letzte Generation“ fordert „Gesellschaftsräte“, die aus gelosten Vertreter_Innen aus allen Bevölkerungsschichten bestehen und der Bundesregierung Empfehlungen aussprechen soll. Die Räte hätten dann aber keine gesellschaftliche Macht. Wir wollen hier unser Verständnis was Rätedemokratie ist und wie das funktioniert, als wesentlich demokratischere Alternative zur parlamentarischen Demokratie, wieder auflegen. Die Rolle der Rätedemokratie wäre dann auch nicht nur Maßnahmen gegen den Klimawandel auszuarbeiten, sondern die Räte würden beschließendes und ausführendes Organ zugleich sein. Dazu kommt auch noch, dass ein Rätesystem nicht nur aus zufällig gewählten Durchschnitten der Gesellschaft bestehen würde, sondern tatsächlich aus der ganzen Gesellschaft, damit diese dann auch als Gesamtes Entscheidungen treffen kann.

Wie ist eine Rätedemokratie aufgebaut?

Rätesysteme sind ein Stufenhaft aufgebautes System, in dem die Repräsentant_Innen direkt an die Wähler_Innen gebunden sind und als koordinierendes und ausführendes Organ dienen, also Entscheidungen treffen und diese durchsetzen. Dabei ist wichtig, dass gewählte Repräsentant_Innen also immer rechenschaftspflichtig und jederzeit wähl- und wieder abwählbar gegenüber ihrer Basis sind. Es gibt verschiedene Ebenen: In einzelnen Betrieben und Fabriken, in Branchen, auf Regional- und Stadtebene, auf Landesebene und Internationale Räte, die alle auf einander aufbauen.

Das heißt jetzt konkret, dass sich zum Beispiel eine Fabrik einen Rat gewählt hat, der die Interessen der Arbeiter_Innen dieser Fabrik vertritt. Die Mitglieder dieses Rates kommen aus der Arbeiter_Innenschaft dieser Fabrik und sind zuständig dafür zu sorgen, das alles innerhalb der Fabrik gut läuft. Wenn die Arbeitsbedingungen sich verschlechtern können sie z.B. auch Streiks organisieren, um sie wieder zu verbessern, sollten sie die Arbeitsbedingungen nicht eh kontrollieren.

Dann gibt es die nächste Stufe der Räte, die Stadt- und Regionalräte. Das wäre dann ein Rat, der aus Repräsentant_Innen all der verschiedenen Räte, die es innerhalb einer Stadt oder Region gibt zusammengesetzt werden würde. Also aus Repräsentant_Innen der Fabriken, der Büros, der Krankenhäuser, der Schulen, der Unis,… und allen anderen Räten innerhalb einer Stadt. Dieser Rat kann dann z.B. Stadtweise Entscheidungen mit den verschiedenen Räten organisieren und umsetzen wie die Reparatur von Straßen mit einem Rat von Bauarbeiter_Innen oder die Reparatur von Stromnetzen mit Elektroniker_Innen. Außerdem organisieren sie auch die Arbeiter_Innenmilizen, die dem Schutz der neuen Ordnung dienen, also die kapitalistischen Konterrevolutionsversuche abwehren, aber auch die Menschen schützen, z.B. vor sexistischen, rassistischen oder faschistischen Übergriffen. Im Gegensatz zur bürgerlichen Polizei werden auch sie gewählt, sind rechenschaftspflichtig und rekrutieren sich jeweils aus der Stadtbevölkerung. Besonders während der Revolution kommt natürlich auch das Organisieren stadtweiter Streiks zum umsetzen von politischen Forderungen, die dem Interesse der Arbeiter_Innenklasse dienen, dazu. Auf dem Land passiert das gleiche mit Regionalräten, die einige Dörfer bzw. Kleinstädte umfassen.

Eine Stufe nach oben gibt es landesweite Räte, wo Repräsentant_Innen, von jeder Stadt und jedem Regionalrat repräsentiert sind und somit Repräsentant_Innen von der gesamten Arbeiter_Innenschaft landesweit. Dieser Rat organisiert dann Entscheidungen auf einer landesweiten Ebene, wie zum Beispiel den Ausbau von öffentlichem Personenverkehr mit den verschieden Räten dieser Gebiete oder auch logistische Angelegenheiten, wie die Verteilung von den produzierten Gütern mit den Räten der Bahn. Zudem bestimmt er, was eigentlich produziert werden soll, durch demokratische Bestimmung mit allen Räten und über Umfragen in der Bevölkerung, was eigentlich gebraucht wird. Zusätzlich organisieren sich Arbeiter_Innen einer bestimmten Berufsgruppe in einem landesweiten Rat, der mitentscheidet und diese Entscheidung umsetzt. Das ist Sinnvoll, aus dem Grund dass diese Räte die Expert_Innen in den jeweiligen Themengebieten sind.

Aber es gibt auch noch die nicht weniger relevante Internationale Stufe, wo Repräsentant_Innen der Arbeiter_Innenklasse von jedem Land zusammenkommen, um auf internationaler Ebene Entscheidungen zu koordinieren. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, bei allen nationalen Eigenheiten, immer noch das Gesamtinteresse des internationalen Proletariats zu vertreten. Sie kümmern sich z.B. um den Transport von Produkten auf einer internationalen Ebene, damit alle Fabriken das haben, was sie brauchen zum Produzieren. Außerdem verwalten sie auch international die Umsetzung der demokratischen Planwirtschaft, damit international alles verfügbar ist was gebraucht wird und es keine Unter- oder Überproduktion gibt. Außerdem müssen sie das Ziel der Weltrevolution immer im Fokus behalten, um den Rest der Klassengesellschaft abzuschaffen.

Bei all diesen Punkten ist es wichtig in Erinnerung zu behalten, dass die Repräsentant_Innen direkt aus der Arbeiter_Innenschaft kommen und deren einzige Aufgabe darin besteht, zu verwalten, zu organisieren und umzusetzen, was demokratisch bestimmt wird. Dabei verdienen sie nicht mehr als den durchschnittlichen Arbeiter_Innenlohn und sind jederzeit wählbar und abwählbar, sodass die Repräsentant_Innen die Interessen der Arbeiter_Innenklasse vertreten müssen und die vollständige Demokratie in diesem System erst entstehen kann.

Wie entstehen Räte und wie kommen sie an die macht?

Historisch gibt es verschiedene Beispiele von Räten als Parallelstruktur zum bürgerlichen Staat und davon, dass die Räte zur Regierungsform geworden sind. Zum Beispiel die Pariser Kommune, die Münchner Räterepublik oder die ungarische Räterepublik. Das nennenswerteste Beispiel sind jedoch die Sowjets (russisch für Rat) zur Zeit der Oktoberrevolution 1917 im ehemaligem Zarenreich, wo es überall im Land (aber hauptsächlich in den Städten) Sowjets gab, die parallel zur Zarenherrschaft mit dem Scheinparlament Duma und nach dessen Sturz parallel zur bürgerlichen provisorischen Regierung von Kerenski existiert haben. Aber zu diesem Zeitpunkt konnten sie noch keine richtige Macht ausüben.

Die Bolschewistische Partei hatte die Perspektive, die Sowjets an die Macht zu bringen, die ihren Kampf mit der Parole „Alle Macht den Sowjets“ führte und auch durch eine Revolution gemeinsam mit den Räten diese Parole konkret umsetzen konnte. Aber die Bolschewiki wollten nicht nur die Sowjets an die Macht bringen, sondern nutzen die Sowjets auch, um sich selbst an die Macht zu bringen, also quasi als Revolutionsorgan und als Möglichkeit ihre Perspektiven und Meinungen in die Arbeiter_Innenklasse zu bringen. Als dann unter Führung der Arbeiter_Innenklasse mit der Bäuer_Innenklasse zusammen die sozialistische Revolution in Russland ausbrach, wurde die Parole zur Tatsache und die Sowjets wurden zum Herrschaftsorgan der Arbeiter_Innenklasse und es gründete sich die Sowjetunion.

Das ist natürlich alles schön und gut aber heute haben wir solche Parallelstrukturen zum bürgerlichen Staat leider nicht. Die gehören aber aufgebaut! Dies kann meistens innerhalb von starken Bewegungen innerhalb der Arbeiter_Innenklasse passieren, wie zum Beispiel in der Klimabewegung. Bei Streiks können mit Streikposten und -komitees eine Grundlage für Räte gebildet werden. Damals in Russland entstanden die Sowjets zwischen 1905-1907 in der ersten russischen Revolution, die auch eine starke Arbeiter_Innenbewegung und große Massenstreiks beinhaltete, jedoch nicht zur Machtübernahme durch die Sowjets schritt. Die Bildung dieser Räte geschah auch da nicht von alleine, sondern musste unterstützt werden. Das ist, was wir als Revolutionär_Innen heute machen müssen. Wir müssen die Bildung von Parallelstrukturen zur bürgerlichen Regierung aktiv unterstützen, damit eine sozialistische Revolution überhaupt irgendeine Chance hat.




Grundlagen des Marxismus: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Wert und Preis?

Durch die Inflation steigen momentan die Preise für viele Gebrauchsgegenstände des alltäglichen Lebens, vor allem aber für Heizkosten und Sprit. Wir möchten in diesem Artikel die Grundlagen der Marx’schen Werttheorie erklären, und damit aufdecken, wo der Wert einer Ware herkommt und wie Wert und Preis zusammenhängen. Dazu fangen wir damit an zu klären, was eine Ware überhaupt ist.

Eine Ware entsteht nicht einfach aus dem Nichts. Zuerst muss ein Produkt durch Arbeit gefertigt werden. Aber ein Produkt ist nicht automatisch eine Ware, denn dafür muss es zwei Voraussetzungen erfüllen: Es muss einen Gebrauchswert für andere haben, das heißt, seine Funktion muss die Bedürfnisse eines anderen Menschen erfüllen und einen Nutzen haben. Der Gebrauchswert hängt stark von den physischen Eigenschaften des Produkts ab. So ist der Gebrauchswert eines Stuhles beispielsweise, dass man sich daraufsetzen kann, oder die eines Tisches, dass man darauf Dinge abstellen kann. Der Gebrauchswert kann jedoch von Individuum zu Individuum unterschiedlich sein. So hat beispielsweise eine Zigarette einen Gebrauchswert für Raucher:innen, für Nicht-Raucher:innen hingegen keinen. Die zweite Voraussetzung, die ein Produkt erfüllen muss, um als Ware zu gelten ist, dass das es anderen im Austausch übertragen werden muss. Damit ein Gebrauchswert eine Ware werden kann, muss er Gebrauchswert für einen anderen sein. Dafür muss ein Markt existieren, auf dem das Produkt im Austausch gegen andere Güter gehandelt wird.

Tausch von Produkten oder Wissen erfolgte zwar schon sehr früh in der Geschichte der Menschheit, aber lange nur zufällig, und ohne in die Arbeitsteilung der Gemeinschaft einzugehen. Erst als diese begann, mehr zu produzieren, als sie selbst verbrauchte, wurde die Produktion von Waren wichtiger, auch wenn sie noch lange einen untergeordneten Aspekt darstellte. Doch nur so konnte sich überhaupt erst der Tausch entwickeln, in dem das Mehrprodukt als Waren gehandelt werden konnte.

Für den Tausch braucht die Ware einen Maßstab, damit eine Person weiß, in welchem Verhältnis die Waren zueinander getauscht werden können. Paradoxerweise hängt dieser Tauschwert nicht quantitativ von dem Gebrauchswert ab. So hat zum Beispiel Brot einen hohen Gebrauchswert, jedoch häufig einen niedrigen Tauschwert, während beispielsweise ein Diamant nicht sehr nützlich ist, aber oft einen hohen Tauschwert besitzt. Marx vertritt die Arbeitswerttheorie, laut derer der Tauschwert einer Ware die Erscheinungsform ihres Werts ist. Letzterer entsteht durch die in sie investierte Arbeitszeit: Je mehr Arbeit die Herstellung einer Ware braucht, desto höher ist ihr Wert. Dabei muss aber der gesamtgesellschaftliche Durchschnitt beachtet werden, nicht die Herstellungszeit individueller Personen. Wenn Person A einen Stuhl derselben Qualität und aus dem gleichen Material in einer Stunde herstellt, Person B jedoch 3 Stunden dafür benötigt, bedeutet das nicht, dass der Stuhl von Person B wertvoller ist, nur weil sie länger gebraucht hat, um dasselbe Ergebnis zu erzielen.

Der Wert einer Ware wird also durch die zur ihrer Herstellung notwendige Menge an gesellschaftlich durchschnittlicher Arbeit bestimmt. Dies schließt auch die für die Arbeit nötigen Materialien und Werkzeuge ein. Die Werkzeuge wurden ja vorher selbst durch Arbeit geschaffen, auch wenn nicht zwingend durch dieselbe arbeitende Person. Genauso wurden die für die Produktion der Ware notwendigen Rohmaterialien vorher durch Menschen gefördert, vorverarbeitet und transportiert. Das bedeutet, dass in den Werkzeugen und Materialien schon Arbeit vergegenständlicht ist, sie also schon einen Wert besitzen müssen. Dieser Wert geht im Produktionsprozess anteilig auf die neue Ware über.

Wenn wir heutzutage eine Ware erwerben möchten, tun wir dies aber meistens nicht durch den Austausch mit anderen Waren, sondern nutzen dafür Geld. Wenn der Tauschwert einer Ware in Geld ausgedrückt wird, so stellt das den Preis da.

Jedoch sind Wert und Preis nicht dasselbe. Letzterer kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden. So ist er auch abhängig von Angebot und Nachfrage. Das ist das Problem, das wir momentan mit den Energiepreisen haben. Durch den Krieg und ausbleibende Gaslieferung erhöht sich der Preis, da weniger Gas zur Verfügung steht, aber die Nachfrage in etwa gleichbleibend. Das treibt den Preis in die Höhe. Da jede Produktion dadurch höhere Kosten hat, erhöht sich der Kostpreis der Kapitalist:innen, die dadurch niedrigere Profite einfahren. Deswegen steigern Sie den Preis, den wir letzten Endes im Laden bezahlen. Viele Kapitalist:innen nutzen diesen Vorwand aber auch aus, indem sie die Preise nicht nur um die Differenz zu Ihrem neuen Kostpreis erhöhen, sondern um ein Vielfaches dessen, um zusätzlichen Profit zu machen („Übergewinn“). Der Wert der Waren ist aber, solange es sich bei den veränderten Weltmarktpreisen nur um vorübergehende Schwankungen handelt, die ganze Zeit gleich geblieben, da die Arbeiter:Innen, die die Waren produziert haben, ja immer noch genau so lange brauchen wie vorher. Würden jedoch wichtige Rohstoffe für die Energieerzeugung dauerhaft teurer werden, würde sich letztlich auch der Wert der Waren erhöhen, weil Erdgas zum Beispiel sehr aufwändig aus Katar oder den USA nach Europa geschifft wird, anstatt durch die Pipeline aus Russland zu kommen.




Was ist eigentlich Radikalfeminismus?

von Leonie Schmidt

Im Januar kam es zu Angriffen von Radikalfeministinnen auf die Grünen-Abgeordnete Tessa Ganserer, da sie eine trans Frau ist und über die Frauenliste der Grünen in den Bundestag einzog. Dieser Shitstorm wurde unter anderem angeführt von der EMMA, der Zeitung von Alice Schwarzer. Man beschwerte sich darüber, dass es „biologischen Frauen“ so schwerer gemacht würde, in die Politik zu kommen, Tessa Ganserer wurde ihre Identität abgesprochen und für ihr Aussehen beleidigt. Auch selbsternannte Linke zogen mit. Das ist eine Entwicklung, die in den letzten Monaten vor allem online immer sichtbarer wird: Radikalfeministinnen greifen trans Personen an und versuchen Transfeindlichkeit innerhalb der Linken wieder salonfähig zu machen. Dieser Artikel soll einen Überblick über die theoretischen Grundsätze und Fehlanalysen dieser Strömung geben und aufzeigen, warum eine revolutionäre marxistische Bewegung sich klar gegen diese positionieren muss.

Aber was ist überhaupt Radikalfeminismus?

Der Radikalfeminismus ist eine Strömung des bürgerlichen Feminismus, welche sich in den 60er-70er Jahren entwickelte. Die Anhängerinnen kamen aus der Neuen Linken und der Bürgerrechtsbewegung und kritisierten, dass ihre Unterdrückung auch innerhalb der linken Bewegungen, genauso wie in der restlichen Gesellschaft anhielt. Somit prägten sie den Slogan „Das Private ist politisch.“ Anhängerinnen des radikalen Feminismus behaupten, dass die Unterdrückung von Frauen die erste und primäre Unterdrückung sei (im Gegensatz zur kapitalistischen Ausbeutung durch Besitzverhältnisse), sie machen ihre erlebte persönliche Erfahrung zur Politik. Relevante Themengebiete der radikalfeministischen Theorie beziehen sich stark auf den weiblichen Körper, bspw. Abtreibung, sexualisierte Gewalt, Prostitution, Schönheitsideale. Wenngleich sie Geschlechterrollen als das eigentliche Problem anerkennen und sie
diese abschaffen wollen, haben sie nicht grundsätzlich einen revolutionären, antikapitalistischen Ansatz, sondern sind
viel mehr auf einer sehr individuellen Ebene politisch aktiv. Zu Gute halten kann man der Bewegung, dass sie die gesellschaftsdurchdringende rape culture in eine breite Öffentlichkeit getragen hat und dass ihre Forderungen nach Abschaffung der Geschlechterrollen zumindest etwas radikaler sind, als für andere bürgerlichen Feminismen üblich.

Doch der Radikalfeminismus hat aus unserer Sicht viele Fehlanalysen und Probleme. Der eigentliche Hauptfeind laut ihrer Theorie ist der Mann, doch inzwischen greifen sie auch immer mehr trans Personen an. Das geht so weit, dass
RadFems in Großbritannien bspw. trans Personen auf Demos angreifen und von diesen verweisen wollen, oder eben wie bspw. bei Tessa Ganser, online shitstorms und Hassattacken lostreten.

Doch woher kommt diese Ablehnung von trans Personen?

1. Radikalfeministischer Materialismus
Wenngleich sie von einem materiellen Weltbild ausgehen, hat für sie Materialismus eine andere Bedeutung als für Marxist_Innen: materialistisch bedeutet in ihrem Sinne so etwas wie sichtbar, anfassbar etc., während der Materialismus im marxschen Sinne sich auch auf den Zusammenhang von unserem Sein und Bewusstsein bezieht. So sagen wir, dass das Denken der Menschen, und schließlich auch die sexistische Rollenverteilung aus den materiellen Verhältnissen der Gesellschaft entsteht. Das würden RadFems ablehnen, denn ihre Analyse der Frauenunterdrückung beinhaltet unter anderem essentialistische Ansätze.

2. Essentialismus und Ursprung der Frauenunterdrückung
Doch was ist Essentialismus? In diesem Kontext bedeutet es, dass Dingen eine ihnen tieferliegende Eigenschaft zugeschrieben wird, welche immer automatisch vorhanden ist. So schreiben Radikalfeministinnen Männern und vor allem ihren normativen Genitalien – Penissen – ein innewohnendes Bedürfnis nach Unterdrückung „biologischer Frauen“ nach. Auch wenn das teilweise abgestritten wird, ist es doch offensichtlich, da sich viele ihrer Kritiken gegen trans Personen auf die Existenz „eines Penisses in Frauenräumen“ fokussieren und in der Analyse der Frauenunterdrückung davon ausgehen, dass diese auch schon vor Klassengesellschaften aufgrund ihrer Biologie unterdrückt wurden. Das ist jedoch eine falsche Annahme, denn Körperlichkeiten der binären Geschlechter sind ein Mittel der Frauenunterdrückung, jedoch nicht ihr Grund. Aus einer marxistischen Sicht gehen wir davon aus, dass
der Grund für die Frauenunterdrückung im Besitzverhältnis der Produktionsmittel liegt und durch das Idealbild der
bürgerlichen Familie aufrechterhalten wird. Das bedeutet, dass die Reproduktion der Ware Arbeitskraft (Erziehung,
Hausarbeit, Care Arbeit etc.) ins Private gedrängt wird und somit für die Kapitalist_Innen kostenlos von Frauen erledigt
wird. Darauf bauen die Geschlechterrollen auf, die trotz der Liberalisierung der bürgerlichen Gesellschaft weiterhin
aufrechterhalten werden. Daraus erklärt sich auch trans Unterdrückung, denn trans Personen können nicht in die herkömmlichen Geschlechterrollen gepresst werden und stellen diese damit in Frage

3. Geschlechtsidentität, soziales und biologisches Geschlecht
Radikalfeministinnen leugnen die Existenz einer Geschlechtsidentität und behaupten, das soziale Geschlecht sei
gleichbedeutend mit Geschlechterrollen. Somit bleibt nur das biologische Geschlecht als Basis der Theorie. Wenngleich
wir ebenfalls die starre Unterteilung von biologischem und sozialem Geschlecht ablehnen, welche von Judith Butler
geprägt wurde, tun wir dies aus anderen Gründen: für uns ist das Geschlecht eine multifaktorielle Kategorie, bestehend
aus verschiedenen Aspekten, die sich gegenseitig bedingen aber auch in einem Widerspruch zueinander stehen. Wir
denken, dass das biologische Geschlecht durchaus existent ist, allerdings begreifen wir es als Spektrum zwischen den
binären Polen (männlich und weiblich). Diese beiden Pole werden durch die körperlichen Merkmale, und dem Verhältnis von Testosteron und Östrogen, bestimmt. Doch sowohl die körperlichen Merkmale, als auch die Geschlechterunterschiede durch Hormone entwickelten sich auch mit den Klassengesellschaften. So stieg der Östrogenanteil aller Geschlechter beispielsweise, und sank damit der Muskelaufbau, sobald die Menschen nicht mehr in der Natur um ihr tägliches Überleben kämpfen mussten. Und auch mit der jahrtausendelang anhaltenden Frauenunterdrückung und deren Drängung in die Hausarbeit und Kindererziehung sank der Testosteronanteil
der Frauen, ihre Brüste wuchsen und ihr Muskelaufbau ging zurück. Hier entstanden sowohl Geschlechterklischees,
als auch körperliche Unterlegenheit nicht von Natur, sondern aus der Unterdrückung der Klassengesellschaft, an die sich die Natur anpasste. So ist das biologische und soziale Geschlecht eng verbunden mit den gesellschaftlich auferlegten Geschlechterrollen, aber es gibt außerdem eine Geschlechtsidentität, welche aus dem Verhältnis zwischen biologischem Geschlecht und sozialem Geschlecht bzw. Geschlechterrollen entsteht und durchaus im Widerspruch zu diesen stehen kann. Die Geschlechtsidentität existiert also und wird sogar durch die Klassengesellschaft, insbesondere dem Kapitalismus bedingt. So schrieb der Wissenschaftler John D’Emilio beispielsweise in „Capitalism and Gay Identity“, dass der Aufstieg des Kapitalismus die materiellen Grundlagen für die Ergründung von Identität liefere. Als sich die Produktion immer mehr aus dem häuslichen Kontext in den der Fabriken und anderer Arbeitsplätze verlagerte, gewannen die Menschen die Möglichkeit, ihr Leben auch außerhalb der bürgerlichen Familie zu führen. Vorher konnte man zwar ein Mann sein, der Sex mit Männern hatte, aber die politische und persönliche Kategorie „schwul“ existierte nicht. Ein ähnlicher Prozess ist im Hinblick auf die Geschlechtsidentität zu beobachten.

4. Transfeindlichkeit und verschiedene Strömungen des Radikalfeminismus
Aus dieser theoretischen Grundlage und ihren Falschannahmen kommen die Radikalfeministinnen zu ihrem Ausschluss
von trans Personen, da sie ihre Geschlechtsidentität als nicht existent erachten und sie somit auch nicht respektieren
wollen. Allerdings gibt es auch hier verschiedene Grade an Transfeindlichkeit. Manche akzeptieren noch binäre trans Personen und verleugnen nur die Existenz nicht-binärer trans Personen (Menschen, die sich keinem der zwei Pole
männlich oder weiblich zuordnen wollen), da diese angeblich die binären Geschlechterrollen für cis Personen verfestigen würden, indem sie für sich selbst zusätzliche Rollen schaffen und somit die Richtigkeit der binären Geschlechterrollen auf cis Personen bestätigen würden. Manche schließen trans Männer in ihren Feminismus mit ein, da sie sie weiterhin als biologische Frauen sehen, andere grenzen sie aus, mit der Begründung, sie wären einfach misogyn und würden deswegen ihren Körper hassen. So oder so: Transfeindlichkeit ist im Rahmen des anti-sexistischen Kampfes zu verurteilen. Nicht binäre trans Personen und trans Personen ohne körperliche Dysphorie sind genauso trans wie binäre trans Personen und ebenso in den Befreiungskampf zu inkludieren.

Wie bereits dargestellt, gibt es auch im Radikalfeminismus verschiedene Theorien und Ausprägungen. Manche sind
zutiefst kleinbürgerlich wie bspw. Alice Schwarzer, andere extrem radikal (aber immer noch kleinbürgerlich) im Sinne,
dass sie jegliche sexuelle oder romantische Interaktion mit Männern als Kooperation mit dem Unterdrücker (Mann)
ansehen, wieder andere versuchen sich positiv auf den Marxismus zu beziehen, aber scheitern daran, da sie behaupten,
Frauen wären eine eigene Klasse und zusätzlich wäre zum Klassenkampf ein eigener Geschlechterkampf nötig. Frauen
sind jedoch keine eigene Klasse, da sie nicht alle den gleichen ökonomischen Bedingungen unterliegen und somit auch
nicht alle die gleichen Klasseninteressen vertreten können. Beispielsweise können Frauen der Bourgeoisie zwar von körperlicher Gewalt betroffen sein (und das ist auch zu verurteilen), aber durch ihren Status sind sie weniger ökonomisch abhängig und können sich bspw. von den Aufgaben der Reproduktionsarbeit freikaufen, indem sie Servicepersonal einstellen, was Frauen des Proletariats niemals könnten. Das gemeinsame Klasseninteresse zur Aufhebung der Frauenund LGTBIA-Unterdrückung ist dafür aber eines, was die Arbeiter_Innenklasse hat. Somit kann der Kampf der patriarchal Unterdrückten nur ein gemeinsamer der Arbeiter_Innenklasse sein. Denn erst die sozialistische Revolution wird die materiellen Grundlagen dieser Unterdrückungsformen und das Patriarchat aulösen können. Somit brauchen wir eine massenhafte, multiethnische Bewegung aller Unterdrückten unter Führung der Arbeiter_Innenklasse.

Wir fordern:

  • Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, kontrolliert durch Ausschüsse der arbeitenden Frauen. Gewerkschaften müssen
    verstärkt auf die Organisierung von Frauen hinarbeiten und Kampagnen für diese Forderung durchführen
  • Organisierte Selbstverteidigung von Frauen gegen sexistische und sexualisierte Übergriffe, auch gemeinsam mit anderen unterdrückten Gruppen und der Arbeiter_ Innenbewegung. Keine Frau darf der Gefahr von Vergewaltigung und Missbrauch ausgeliefert werden.
  • Schutzräume und Beratungszentren für Betroffene häuslicher und sexistischer Gewalt und familiärer Unterdrückung
  • Für die Vergesellschaftung der Hausarbeit – kostenlose und flächendeckende Kinderbetreuung, Wäschereien
    in Wohnblocks und Kantinen in Betrieben, Stadtteilen und Dörfern.
  • Für das Recht auf medizinische Geschlechtsangleichung an die soziale Geschlechtsidentität – kostenfrei und ohne unnötigen bürokratischen Akt!
  • Gegen eine erzwungene Einteilung von Mann und Frau. Es gibt Menschen, die können oder wollen sich nicht klar einem der beiden Geschlechter zuordnen.
  • Gegen die Plicht das eigene Geschlecht in ofiziellen Dokumenten anzugeben! Für den Ausbau an Unisex-Orten im öffentlichen Raum, wie Toiletten oder Umkleiden!
  • Zurückdrängung aller Formen der Rollenklischees, Diskriminierung und Ausgrenzung in der Jugend und Arbeiter_Innenklasse



Wovor schützt eigentlich der Jugendschutz?

Von Flo Schwerdtfeger

Das fragt man sich nachts, wenn man beim Fernsehen gekonnt die Warnung „Dieser Film ist für Zuschauer_Innen unter 16 Jahren nicht geeignet“ ignoriert oder sich im Internet einen Geburtstag in den 70ern erfindet.

Zumindest was die indirekte Kontrolle
des Jugendschutzes angeht, sind die Jugendlichen meist schlauer als
der Mechanismus, der sie schützen soll. Schwieriger wird es da,
Schnaps zu kaufen mit dem extra unrasierten Gesicht, um älter zu
wirken. Natürlich sofern die Person an der Kasse keine Brille trägt.

All das regelt in Deutschland der
Jugendschutz: die Abgabe von Alkohol und Tabak, der Zugang zu Filmen,
Spielen oder Gaststätten. Doch jede/r, der/die schonmal jugendlich
war, weiß, dass man bei Bedarf trotzdem an alles rankommt. Warum
sollten wir dennoch darüber reden und wie kann er sinnvoller
gestaltet werden?

Denn an sich kann man erstmal die Intention
des Jugendschutzes nachvollziehen. Es gibt einige Bereiche, in denen
es einen ziemlich eindeutigen Zusammenhang zwischen Alter und
Schädlichkeit gibt. Beispiele sind da Tabak und Alkohol, bei denen
es direkt an die biologische Entwicklung des Menschen gekoppelt ist.
Man soll eben seinen Körper während der Entwicklung nicht kaputt
machen. Darauf erst einmal einen guten Schluck Cola!

Im Gegensatz dazu stehen Filme und
Videospiele. Diese schaden weniger der Körperentwicklung, können
sich dafür aber auf die Psyche auswirken. Egal ob die Betroffenen
nicht mehr einschlafen können oder es einfach ohne Probleme an ihnen
vorbeigeht – es macht erstmal Sinn, nicht die derbsten Splatter-Filme
mit 11 anzuschauen.

Wo hakt’s am momentanen Jugendschutz?

Eines der größten Probleme ist, dass
er holzschnittartig funktioniert: Er richtet sich nicht an den/die
Konsument_In als Individuum. Das ist bei Filmen und Spielen schwer zu
verstehen. Es gelten ja die gewöhnlichen Abstufungen von 0, 6, 12,
16 und 18 Jahren. Besonders aber mit der eigenen Entwicklung kann man
selbst besser einschätzen, was man konsumieren möchte, ohne davon
verstört zu werden. Wer kennt nicht den Versuch, die Eltern zu
überreden, diesen einen Film oder das eine Game zu kaufen, obwohl
man noch gar nicht alt genug ist. Im Zweifelsfall macht man es dann
halt einfach geheim. Doch Verbote verhindern es zusätzlich, sich
beispielsweise mit den Eltern darüber zu unterhalten, weil man damit
zugeben würde, etwas Verbotenes getan zu haben. Falls es einen doch
überfordert, hat man also keinen Support und zur Verstörung
gesellen sich noch Scham, Angst und Entfremdung.

Interessanterweise hat der Kapitalismus
bei anderen Sachen gar nicht so ein großes Problem, Jugendliche zu
schädigen. Wenn es zum Beispiels um’s Arbeitsrecht geht, gibt es
tatsächlich zu wenig Jugendschutz: Schutz nämlich vor Ausbeutung,
wenn man in Ausbildung, Praktikum, FSJ und generell unter 18 keinen
Mindestlohn bekommt und für den arschigen Chef die Drecksarbeit
machen muss. Das kann einem mehr zu schaffen machen als der krankeste
Shooter. Und ironischerweise darf man bei der Bundeswehr schon mit 17
Schießen lernen, bei Call of Duty Schießenspielen gibt’s erst ab
18!

Wie könnte man es besser machen?

Jugendschutz scheint einen richtigen
Punkt zu haben. Erstmal sollte das zuständige Gremium verändert
werden. Es besteht derzeit aus Vertreter_Innen von Kunst, Kultur und
Medien, aber auch mehreren Religionsvertreter_Innen.
Unterrepräsentiert sind dabei Jugendliche selbst, die nur indirekt
über die Kategorien der öffentlichen oder freien Jugendhilfe dabei
sind. Wenn man aber über Jugendschutz bestimmen möchte, dann nur
mit Jugendlichen gemeinsam. Alles andere endet nur in den weltfremden
und konservativen Regeln, die wir jetzt haben.
Nur weil ein Alter
draufsteht, heißt es nicht, dass es für alle darunter total schlimm
ist und für alle darüber total unproblematisch. Und ohnehin nehmen
die meisten Jugendliche das höchstens als gutgemeinten Rat.
Dementsprechend müssten die festen Altersgrenzen abgeschafft werden
oder zumindest stark zurückgeschnitten werden. Beim Rest bräuchte
es Eigenverantwortung und die Befähigung dazu. Das bedeutet auch, zu
wissen, worauf man sich einlässt, also primär Aufklärung fernab
der Dämonisierung. Es kann aber auch heißen, das Konzept der
„Trigger-Warnung“ massiv auszuweiten, welches vor dem Zugriff auf
ein Medium spezifische Aspekte mit Zeitstempel benennt, die
potenziell (re-)traumatisierend sein könnten. Je nachdem, ob man
sich der Sache gewachsen fühlt, kann man sich dann selbst
entscheiden.

Ob mit oder ohne Verbote kann es
passieren, dass man sich etwas gibt, was man nicht erträgt oder
einordnen kann. Sich Support zu suchen oder Support anzubieten, ist
da die eigentliche Lösung, anstatt zu tabuisieren. Wenn man als
Erwachsener für Kinder und Jugendliche verantwortlich ist, sollte
man sowohl bezüglich deren psychischer Verfassung als auch der
konsumierten Medien achtsam und offen bleiben und beim Finden von
Grenzen beistehen.

Der Jugendschutz sollte vollkommen neu
gedacht und gemacht werden. Er setzt bislang vor allem auf
Bevormundung und Verbote, statt auf Eigenverantwortung der
Konsument_Innen. Das soll ein Ende haben!




Woher kommen eigentlich Verschwörungsideologien?

von
J.J.Wendehals

Bei
den “Querdenker”-Demos kommen aktuell so viele Leute auf die
Straße wie sogar die Rassist_Innen von Pegida selbst zu ihren
Hochzeiten nur hätten träumen können. Dabei handelt es sich zwar
keineswegs um eine einheitliche Masse aus knallharten Faschist_Innen,
aber es gibt doch ein ideologisches Dach, unter dem alle diese
verschiedenen Leute (auf eine infektionspolitisch nicht vertretbare
Nähe) zusammenkommen: Es handelt sich um (mal mehr und mal weniger)
wilde Theorien darüber wie mystische Kräfte oder Personen die
Geschicke der Welt lenken und sie gegen den “kleinen Mann”
lenken, der sein einfaches Leben unterhalten will. Wir nennen diese
Verschwörungsideologien.

Woran glaubt ein_e
Verschwörungsideolog_In?

Typischer
Weise richten sie sich gegen tatsächlich relativ einflussreiche
Personen wie Konzernchefs (Bill Gates) oder Regierungsangehörige
(Merkel, Obama) aber es gibt auch weitaus phantastischere Ziele
(Echsen, außer- oder überirdische Wesen) und offen rassistische
(Juden und Jüdinnen, Geflüchtete). In den einzelnen Theorien sind
dann diese verschiedenen Feindbilder oft miteinander kombiniert und
verflochten wie z.B. im Fall von antisemitischen Verleumdungen des
George Soros (ein Investor jüdischer Abstammung, der sein Vermögen
auch für Bildungs- und bürgerrechtliche Zwecke einsetzt) oder wenn
behauptet wird Bill Gates (eigentlich ein getarntes Echsenwesen)
stehe hinter der Coronapandemie, um damit Geld in die Taschen der
Pharmakonzerne zu lenken, an denen er beteiligt ist. So absurd und
lächerlich diese Theorien einstweilen wirken, so real sind aber
offenbar doch ihre Auswirkungen und Hintergründe, dafür sind die
Mobilisierungen in Berlin nur der aktuellste von vielen Belegen.
Schon der Hitlerfaschismus verband seinen Antikommunismus mit
antisemitischen Motiven, wenn er die Gefahr einer
“bolschewistisch-jüdischen Weltverschwörung” an die Wand malte
und hatte am Ende den unfassbaren Terror von Zweitem Weltkrieg und
Shoah zur Folge. Wir wollen also in diesem Text das Phänomen ein
wenig analysieren.

Was
ist die ideologische Struktur der Verschwörungstheorien?

Auch
wenn Bebel sagte, Antisemitismus sei der “Sozialismus der dummen
Kerls”, beschränken Verschwörungsideologien sich nicht darauf
Hirngespinste “dummer” Menschen zu sein. Als Ausgangspunkt haben
sie tatsächlich oft eine reale Ungerechtigkeit der kapitalistischen
Verhältnisse, so z.B. die sich öffnende Schere zwischen Arm und
Reich, die Profitmacherei in der Pharmaindustrie, Arbeitslosigkeit
oder das zu Grunde gehen von kleinen Unternehmen. Jedoch bleiben sie
unfähig die systematischen Ursachen dieser Missstände in der
Struktur des Kapitalismus’ zu erkennen. Stattdessen greifen sie zu
vereinfachten Modellen, die allerdings jene mystischen Elemente
benötigen, um eine lückenlose “Argumentation” bilden zu können.
Wenn beispielsweise nicht erkannt wird, dass die kapitalistische
Konkurrenz die Kapitalist_Innenklasse dazu zwingt, ihre Profite immer
weiter zu maximieren oder unterzugehen, dann muss das Verhalten der
Konzerne in dem bösartigen Charakter liegen, den gewisse Personen
haben sollen, die für diese Konzerne verantwortlich gemacht werden.
Oder eben darin, dass diese Personen von Echsen kontrolliert werden
usw. usf. Dies ist auch oft ein Punkt, an dem Antisemitismus Einzug
erhält in jene Ideologien, da das Bild vom “gierigen Juden”, der
für seine eigenen Ziele bereit ist “die ganze Gemeinschaft” zu
betrügen, schon seit vielen hundert Jahren genutzt wird, um die
verschiedenen Formen des Judenhass’ zu begründen, die über die
Geschichte aufgetreten sind. So auch die Nationalsozialist_Innen, die
unterschieden zwischen einem “schaffenden” Kapital und einem
(jüdischen) “raffenden” Kapital, das für die kapitalistischen
Missstände wie Arbeitslosigkeit und insbesondere die
Weltwirtschaftskrise Ende der 20er verantwortlich sei. Seitdem sind
Wirtschaftskrisen, die die kapitalistischen Widersprüche auf die
Spitze treiben, immer wieder ein fruchtbarer Nährboden für
Verschwörungsideologien gewesen, der seine Wirksamkeit besonders
dann entfalten kann, wenn durch Schwäche und Niederlagen der Linken
Raum dafür gemacht wird (Was hat eigentlich die Linkspartei zum
Coronamanagement der Bundesregierung zu sagen?).

Es
sei an sich durchaus möglich, so ist das Fazit dieser Theorien, ein
gutes Leben im Kapitalismus zu führen, wenn nicht gewisse böse
Elemente vorhanden wären, die dem immer wieder entgegen wirken,
entweder durch Zersetzung von innen oder Fernsteuerung von außen.
Demnach ist die logische Konsequenz auch nie der vollständige
Umsturz des kapitalistischen Systems, sondern immer nur die
Beseitigung dieses oder jenes spezifischen Phänomens, das für alles
Übel verantwortlich sei, wie einzelne Kapitalist_Innen, die Jüdinnen
und Juden oder Geflüchteten. Um das zu erreichen werden Appelle an
den Staat gerichtet (z.B. Merkel und Spahn sollen vor Gericht) und im
schlimmsten Fall wird zu „Selbstjustiz“ gegriffen wie bei
dem Anschlag in Halle.

Welches
Sein steht hinter diesem falschen Bewusstsein?

Als
Marxist_Innen spielen für uns jedoch nicht nur die ideologischen
Merkmale einer Bewegung eine Rolle, sondern vor allem auch die Frage,
wer vertritt diese Ideologie und in welchem Zusammenhang steht sie zu
den materiellen Verhältnissen, mit einem Wort was ist ihr
Klassencharakter? Zwar ist die Soziologie der “Hygienedemos” noch
wenig erforscht, allerdings zeichnet sich eine Tendenz ab, die auch
bei NSDAP und gewissen Teilen der AfD zu beobachten ist. Neben
besonders prekarisierten Teilen der Arbeiter_Innenklasse wird der
hauptsächliche Anteil durch das Kleinbürger_Innentum ausgemacht,
also z.B. Besitzer_Innen von kleinen Läden oder Betrieben aber auch
Selbstständige im Handwerk, in der Gastro- oder Kulturbranche. Das
Kleinbürger_Innentum steht im Kapitalismus zwischen den Fronten der
beiden Hauptklassen Bourgeoisie und Proletariat. Es kann daher auch
kein konsistentes Klasseninteresse entwickeln, sondern schwankt
vielmehr die ganze Zeit zwischen den beiden Polen von Bourgeoisie und
Proletariat. Wenn sich ihm auch immer wieder kleine Nischen öffnen,
in die das große Kapital (noch) nicht vorgedrungen ist (Beispiele
sind bei Start-Ups oder im Dienstleistungssektor zu finden), so ist
es doch der Konkurrenz eines großen Konzerns niemals gewachsen.
Insbesondere in Krisenzeiten ist es anfällig, es fehlen ihm
Verteidigungsmittel wie Rücklagen und viele werden zerrieben und in
das Proletariat hinabgedrückt.

Möglich
ist dann, dass Teile von ihm sich der Arbeiter_Innenbewegung
anschließen, die gegen die Abwälzung der Krisenkosten auf die
Bevölkerung ankämpft. Da das Kleinbürger_Innentum nämlich nicht
nicht nur Produktionsmittel besitzt, sondern sich gleichzeitig auch
selber ausbeuten muss, kann ihre Situation nur so positiv aufgelöst
werden. Aber diese Möglichkeit besteht natürlich auch nur, falls so
eine Bewegung überhaupt existiert und es schafft ein revolutionäres
Programm aufzuwerfen. Andernfalls können daraus große reaktionäre
Bewegungen werden, die gefährlich sind für die Arbeiter_Innenklasse
und alle anderen unterdrückten Gruppen.

Keinen
Boden, keine Straße den Rechten!

Als
Revolutionär_Innen ist es also unsere Aufgabe für die Entstehung
jener linken Bewegung einzutreten. Wir müssen die Gewerkschaften und
Arbeiter_Innenparteien unter Druck setzen, dass sie linke Antworten
auf die Angriffe der Herrschenden formulieren und für diese auf die
Straße gehen sollen, anstatt sich klein zu machen und die Interessen
der eigenen Basis zum Teilbedürfnis der Konzerne zu pervertieren,
wie es die IG Metall vormacht, wenn sie sich für die unsägliche
Abwrackprämie einsetzt.

Jenen
Verschwörungsideologien muss aber eine Bewegung der
Arbeiter_Innenklasse eine unmissverständliche Absage erteilen. Den
Rechten und Verwirrten sollten wir jetzt vor allem keinen Raum auf
der Straße lassen. Blockieren wir sie, wo sie mobilisieren und bauen
wir dabei eine Gegenbewegung auf, die die Fragen der Krise von links
beantwortet!




Was ist „Racial Profiling“?

Luisa Muth

Weltweit
werden Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, Hautfarbe oder
Religion rassistisch diskriminiert, erfahren Respektlosigkeit,
Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Gewalt. Rassismus ist eine
Ideologie, welche die Menschen in verschiedene „Rassen“ einteilt
und diese hierarchisch einstuft. Die Hautfarbe wird als bestimmender
Faktor eines Menschen gesehen und seine Wertigkeit danach
eingeordnet.

„Racism is a social disease.“

Es
durchzieht unsere Gesellschaft und Politik. Bereits im Grundgesetz
finden wir im Artikel 3 das Wort „Rasse“ vor. Die
Auseinandersetzung mit dieser Begriffsschwierigkeit hat im
deutschsprachigen Raum gerade erst begonnen. People of color
(Menschen, die in der Mehrheitsgesellschaft als nicht-weiß angesehen
werden und Rassismuserfahrungen machen müssen) sind überall von
Rassismus betroffen, ob in den (Berufs-)Schulen, an den
Universitäten, beim Amt, am Arbeitsplatz oder im Alltag. Rassismus
wird auf unterschiedlichste Arten und Weisen sichtbar: Von
herablassenden Blicken, über verbal diskriminierende Sprache bis hin
zu rassistisch motivierter Gewalt und Terroranschlägen wie zuletzt
im Februar in Hanau.

Auch
in staatlichen Strukturen ist Rassismus präsent: Vor allem in der
Polizei, die eigentlich für Sicherheit sorgen und unser
wohlgemeinter „Freund und Helfer“ sein sollte – und zwar für
alle Menschen, die hier leben – unabhängig von ihrer Herkunft oder
Hautfarbe. Dies sieht in der Realität jedoch oft ganz anders aus:
Racial Profiling ist leider ein alltäglicher Vorgang. Ob am Bahnhof,
in den Parks oder sonstigen öffentlichen Plätzen, an denen sich
viele Menschen aufhalten, werden Personen aufgrund ihres Aussehens
scheinbar willkürlich und ohne Grund durchsucht und ihre Personalien
werden aufgenommen. Dies bestätigen viele Aussagen von Betroffenen.
Allein ihre Hautfarbe wird als Anlass genommen, sie zu kontrollieren,
ohne dass sie sich etwas haben zuschulden kommen lassen.

Rassismus hat System

Dies wird auch bei den Vorfällen im Juni in Stuttgart erkennbar. Viele Journalist_Innen und die Polizei machten für die Ausschreitungen vor allem Deutsche mit Migrationshintergrund verantwortlich. Es zeigt uns, dass sie sogleich den Migrationshintergrund als Ursache dieses Verhaltens ausmachten. Wie schon bei anderen Vorfällen auch voreilige, auf Vorurteilen beruhende Reaktionen und Schlussfolgerungen der Polizei getroffen wurden, stellte sich auch dieses Mal dies als eine falsche Information heraus. Nur weniger als die Hälfte der Jugendlichen waren Deutsche mit einem Migrationshintergrund. Nun macht die Polizei die „Party- und Eventszene“ für die Ausschreitungen verantwortlich. Die gravierenden Falschinformationen der Polizei sorgten für starke Kritik.

Justiz
und Innenministerium wollten die Polizei auf rassistische Tendenzen
hin prüfen, welches Seehofer jedoch mit der Aussage „Racial
Profiling sei in der Polizei sowieso verboten und deshalb gäbe es
das dort auch nicht“, verhinderte. Damit ist die auch von der
Bundesregierung vorgeschlagene Studie wieder vom Tisch.

Rassismus
innerhalb der Polizei führt nicht „nur“ zu Racial Profiling und
vermehrter Gewalt gegenüber People of Color, sondern auch zu Mord.
In den USA gehören rassistisch motivierte Polizeigewalt und Morde
zum Alltag. Georg Floyd zählte zu einem der zahlreichen Toten durch
polizeiliche Gewalt. Damit wurde wieder das Leben eines Menschen
aufgrund seiner Hautfarbe sinnlos ausgelöscht.

Aber nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland fanden POC durch Polizeigewalt ihren Tod. Bis heute sind die Umstände des Todes von Oury Jalloh, Amad Ahmad oder Matiullah J. nicht aufgeklärt. Beamte decken Beamte, sogar wenn jemand getötet wurde und der Staat tritt die Gerechtigkeit mit Füßen! Bis heute gibt es keine unabhängige Beschwerdestelle, die in Fällen von Polizeigewalt neutral ermitteln könnte.

Woher kommt Rassismus?

Die
Ideologie des Rassismus war vorherrschend in der Epoche des
europäischen Kolonialismus und Imperialismus bis nach dem zweiten
Weltkrieg. Diese Ideologie diente der Rechtfertigung des
Kolonialismus, der Sklaverei, den Verbrechen der Nazis und der
Apartheid.

Das
Entstehen von Ungleichheiten und Hierarchien im Kapitalismus sollte
auch unter dem Blickwinkel von Rassismus betrachtet werden. Der
Kapitalismus etabliert sich daher über rassistische Hierarchien.
Der
Wille des Kapitals ist es, die Bevölkerung anhand von ethnischen,
religiösen und nationalen Unterschieden zu spalten, indem er
Misstrauen und Hass gegeneinander schürt, um so seine Herrschaft zu
sichern und einen Zusammenschluss aller unterdrückten und
ausgebeuteten Menschen gegen das Kapital zu verhindern und von den
gesellschaftlichen Problemen abzulenken. Die tatsächliche Teilung
der Gesellschaft auf Grundlagen der ökonomischen Klassen wird somit
auch verschleiert. Um es verständlicher auszudrücken: Eine
entlassene Person wird nicht gegen die Firmenleitung protestieren,
wenn sie für die Entlassung „die Ausländer“ verantwortlich
macht.

In
diesem Sinne sind auch z.B. die Aushebelung des Asylrechts und die
rassistische Hetze durch alle bürgerlichen Parteien zu verstehen.
Die Gesetzesverschärfungen werden mal eben mit der rassistischen
Aussage erklärt, dass man sich damit gegen die Massen von
„Terrorist_Innen“ unter den Flüchtlingen schütze. Mit dieser
rassistischen Lüge lassen sich auch vermehrte Überwachung und
Polizeibefugnisse rechtfertigen. Und mit der islamophoben These, dass
der Islam das Hauptproblem Deutschlands sei, lässt sich auch
insgesamt von den katastrophalen Auswirkungen der kapitalistischen
Politik Deutschlands ablenken und Kriege wie in Afghanistan, Syrien
oder Mali rechtfertigen.

Die
Polizei setzt die rassistische Regierungspolitik in die Tat um. Sie
schließt die Grenzen, greift „illegale“ Migrant_Innen auf und
führt Abschiebungen durch. Sie ist also mit der Aufgabe betraut,
gegen den deklarierten ausländischen Feind vorzugehen. Legitimiert
wird diese Politik mit dem angeblichen Schutz unserer Kultur und dem
Kampf gegen Terrorismus. Die Polizei ist daher einer der maßgeblichen
Ausdrücke dieser Politik.

Im
Kampf gegen den Rassismus und die Repressionen der Polizei fordern
wir:

  • Kein
    Racial Profiling! Hartes Aburteilen von Polizist_Innen, die Racial
    Profiling anwenden!
  • Schränkt den Handlungsraum der Polizei ein: Keine verdachtsunabhängigen Kontrollen, keine Inhaftierungen ohne Gerichtsverfahren, keine Begriffe wie „drohende Gewalt“!
  • Defund the police! Keine Finanzierung der Polizei. Das Geld brauchen wir für Sozialleistungen, Bildung oder sozialen Wohnugsbau!
  • Die Einrichtung unabhängiger Untersuchungsstellen für Vorfälle von (rassistischer) Polizeigewalt und Racial Profiling: Die Polizei darf sich nicht länger selbst überwachen!