Woher kommt Sexismus?

Svea Hualidu, Revolution Deutschland, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 8, März 2020

Sexismus
zieht sich durch alle Bereiche unseres Lebens. Ob nun in der Schule, bei der
Arbeit oder auf dem täglichen Heimweg. Beispielsweise werden Geschlechtern
immer wieder bestimmte Eigenschaften zugeschrieben. Mädchen sollen immer schön
zurückhaltend, fürsorglich und freundlich sein. Jungs sollen hingegen immer
noch nicht über ihre Gefühle reden und die „starken Beschützer“ sein. Dadurch,
dass uns diese Werte durch Medien, Familie und unser Umfeld von Geburt an
vermittelt werden, stellen wir diese oft nicht in Frage.

Sobald
wir in die Schule kommen, werden diese Rollenverteilungen noch durch
nebensächliche Behandlung von der Rolle der Frau in der Geschichte verhärtet.
Frauen aus der Wissenschaft finden sich hier kaum bis gar nicht wieder. Mädchen
sollen gut in Kunst sein und werden für ihre Handschrift gelobt. Wenn sie sich
in einen naturwissenschaftlichen Kurs einschreiben, müssen sie sich dafür dumme
Sprüche anhören. In der Ausbildung oder an der Uni gehen die dummen Sprüche in
der Pause über Frauen, die sich sowieso nur schminken und von technischen
Sachen keine Ahnung haben, weiter. Das sind alles nur Beispiele für  Alltagssexismus. Dieser macht aber nur einen
Teil der Frauenunterdrückung aus. Denn gleichzeitig findet in unserer
Gesellschaft eine strukturelle Unterdrückung der Frau statt. So bekommen  Frauen 2020 immer noch 21 % weniger Lohn
als Männer insgesamt, 8 % mit der gleichen oder vergleichbaren
Arbeitsstelle. Dies führt dazu, dass sie nach der Schwangerschaft oder einem
Krankheitsfall in der Familie häufiger in Teilzeitarbeit gedrängt werden.

So
entstehen mehrere Nachteile: Frauen sind viel häufiger von (Alters-)Armut
betroffen, von ihrem Partner finanziell abhängig und müssen mehr im Haushalt
arbeiten. Daneben gibt es noch gesetzliche Hürden wie Einschränkungen/Verbot
der Abtreibung, während gleichzeitig sexuelle Straftaten kaum geahndet werden.
Klar ist also: Sexismus ist kein Hirngespinst und hat eine materielle Basis in
der Gesellschaft, die stetig reproduziert wird.

Feminismus

Vielen
Leuten ist Feminismus mittlerweile ein Begriff. Dabei gibt es unterschiedliche
inhaltliche Strömungen, die jeweils andere Ansätze entwickelt haben, wie man
gegen Frauenunterdrückung  kämpfen
sollte. Der Queerfeminismus wirft beispielsweise die Frage auf: „Wie definiert
man Geschlechter?“ und sieht das Hauptproblem in der Konstruktion sämtlicher
Geschlechternormen an sich. Der Radikalfeminismus hingegen sieht die Ursache in
der männlichen Natur, sucht die Lösung in der autonomen Organisierung von
Frauen. Intersektionalität fragt „Sind manche Frauen durch die Kombination
mehrerer Unterdrückungsmechanismen mehrfach unterdrückt?“, zeigt allerdings
keinen Lösungsansatz auf und setzt alle Unterdrückungen gleich. Der bürgerliche
Feminismus hat viele Spielarten, konzentriert sich in erster Linie auf die
rechtliche Gleichstellung aller Frauen. Dabei kann es auch dazu kommen, dass
die bürgerlichen Feminist_Innen rückschrittliche Positionen annehmen,
beispielweise Alice Schwarzer, die sich in ihrem Magazin EMMA ganz offen gegen
Sexarbeit und das Tragen eines Kopftuchs ausspricht. Diese Positionen lehnen
wir offen ab.

Alle
diese Spielarten haben mehrere Probleme. Zum einen gibt es selten eine
wirkliche Erklärung, woher Frauenunterdrückung eigentlich kommt. Zum anderen
betrachten sie meist alle Frauen als „Einheit“ und schreiben ihnen ein gleiches
Interesse zu. Das ist problematisch. Zwar ist es positiv, dass
Feminismusmagazine oder Self-Love-Instagramprofile sich mit den eigenen
Gefühlen von erlebter Unterdrückung auseinandersetzen, doch Worte formen leider
nicht die Realität. Diese wird von der ökonomischen Basis der Gesellschaft
geprägt. Da es unterschiedliche Klassen gibt, gibt es auch unterschiedliche
Interessen. So sind Frauenquoten in Chefetagen nur für einen kleinen Teil der
Frauen relevant und eben dieser hat auch ein Problem mit Forderungen, die eine
reale Verbesserung für alle darstellen würden wie bspw. kostenlose Abtreibungen
und Verhütungsmittel oder gleicher, höherer Lohn. Aber woher kommt denn nun
Frauenunterdrückung?

Entstehung der Familie und des Privateigentums

Am
Anfang der menschlichen Geschichte gab es eine klassenlose Urgesellschaft. Hier
waren alle Geschlechter gleichgestellt. Anthropologische Forschungen belegen,
dass sich erwachsene Frauen wegen Schwangerschaft und langer Abhängigkeit der
Kinder von der Mutter nicht an den langen Hetzjagden auf Großwild beteiligen
konnten. Diese war Domäne der erwachsenen, bewaffneten Männer. In dem Sinne
können wir von einer geschlechtlichen Arbeitsteilung sprechen, die genau wie
die noch ursprünglichere (Gebären, Stillen; Zeugen) biologische Ursachen hatte.
Frauen sammelten Früchte, Samen und andere Pflanzenteile und erbeuteten kleine
Tiere. Diese Arbeitsteilung der Jäger- und Sammlergesellschaften hatte so gut
wie nichts mit anderen physischen Unterschieden (Körperkraft, Ausdauer) zu tun.
Frauen trugen geschätzt 60 % zum Nahrungserwerb der Horden bei.

Mit
der Sesshaftwerdung, also ab der Jungsteinzeit, entwickelte sich dann Stück für
Stück ein Überschuss. Dies geschah insbesondere durch die Viehzucht und die
Durchsetzung des Ackerbaus (insbesondere in Verbindung mit Zugtieren zum
Pflügen). Eben jene Entwicklung ist hierbei hervorzuheben. Sie legte die Basis
für die Umgestaltung der Verhältnisse in Produktion (Ausbeutung,
Klassengesellschaft, Staat) und Reproduktion. Durch den erwirtschafteten systematischen,
dauerhaften Überschuss konnte erstmals ein Teil der Gesellschaft aus der
Produktion ausscheiden, sei es nur im Alter oder zeitlebens bei ehemaligen
Oberhäuptern (Häuptlingen). In diesem Zuge bildete sich auch die Familie
heraus. Diese unterschied sich von der heutigen dadurch, dass neben dem
Oberhaupt auch Haussklav_Innen oder Gesinde (nicht verheiratete Mägde und
Knechte) dazugehörten.

Auch
wenn die Übergangsperiode zur Klassengesellschaft mehrere Tausend Jahre
dauerte, so erwuchs sie aus dieser Formation und legte ebenfalls den Grundstein
für die Entstehung des Staates. Ein wichtiges Element hierbei nimmt der Übergang
zur Monogamie ein. Damit das Eigentum in an die eigenen Nachkommen vererbt
werden konnte, wurde diese essenziell. Diese war in erster Linie verbindlich
für Frauen, da durch die Monogamie die leibliche Vaterschaft der besitzenden
Männer gesichert werden sollte. Herauszustellen ist, dass
die Unterdrückung der Frau ab Entstehung der ersten Klassengesellschaften
unumkehrbar geworden ist und ihre Beseitigung darum die Errichtung einer
klassenlosen Gesellschaft erfordert.

Übergang
in den Kapitalismus

Mit
Beginn des Kapitalismus und der Entstehung des Proletariats hörte der Haushalt
auf, die grundlegende Produktionseinheit zu sein. Statt in der Familie selber
zu produzieren, musste es nach seiner Vertreibung von Grund und Boden, nach
Verlust seiner Produktionsmittel die eigene Arbeitskraft bei KapitalistInnen
verkaufen. Im Zuge des wachsenden Fortschritts, der Einführung von Maschinen im
Zuge der industriellen Revolution wurde es notwendig und möglich, mehr
Arbeitskräfte als nur Männer (Lohnarbeit von Frauen und Kindern) in die
Fabrikproduktion einzubeziehen. Zuvor, im Verlagssystem (Zwischenglied zwischen
Handwerk und Industrie), waren die Produzent_Innen schon keine Handwerker_Innen
mehr, weil sie allein von Aufträgen der Kaufleute vollständig abhängig waren,
aber noch keine Proletarier_Innen, weil sie formal noch über ihre
Produktionsmittel und Werkstatt verfügten. Mit dem Ruin des Handwerks wurden
sie zu Lohnabhängigen in industrieller Kooperation und Manufaktur. Die
Fabrikarbeit stellt für die Emanzipation der Frauen insofern einen Fortschritt
dar, als sie durch Mechanisierung etliche Schranken der nach Gewerk getrennten
Arbeitsteilung zwischen Männern, Frauen und Kindern einreißt und Aufhebung der
geschlechtlichen Arbeitsteilung vom technischen Prinzip, vom Stand der
Produktivkräfte her überhaupt ermöglicht. Muskelkraft spielt nur noch eine
untergeordnete Rolle.

Doch die kapitalistischen Produktionsverhältnisse verwandeln das
fortschrittliche Potenzial des Fabriksystems in eine Hölle für die
Arbeiter_Innenklasse, für die Frauen zudem noch in ein Fegefeuer. Da erstens
nämlich der Lohn von Arbeiter_Innen nur das enthält, was zur Reproduktion der
eigenen Familie notwendig ist und er im Fabriksystem auf die gesamte
Arbeiter_Innenfamilie verteilt wurde, sank der des Ehemannes, der zuvor die
Bestandteile für Gattin und nachwachsende zukünftige Arbeitskräfte enthielt.
Dies sparte den Kapitalist_Innen Geld und verschärfte auch die Konkurrenz
innerhalb der Klasse. Diese Abwertung des männlichen Arbeitslohns liegt dem
reaktionären proletarischen Antifeminismus zugrunde. Zum zweitens wurde die Arbeiter_Innenfamilie nun
als Ort, an dem die Arbeitskraft wieder hergestellt werden musste, zur zweiten,
aber unbezahlten Schicht für die Lohnarbeiterin.

Für die Arbeiter_Innenklasse  hat sie
also einen doppelten Charakter. Zum einen ist die Familie der einzige
„Ruheort“, zum anderen jedoch für die Frau eine Doppelbelastung. Sie musste
arbeiten und sich gleichzeitig um den Haushalt kümmern. So sparen die
Kapitalist_Innen zusätzlich viel Geld dadurch, dass sie die Reproduktion ins
Private auslagern. An Stellen, wo dies nicht (mehr) möglich ist wie
beispielsweise der grundlegenden Ausbildung, greift dann der bürgerliche Staat ein, um das
Interesse der gesamten Kapitalist_Innenklasse zu vertreten (allgemeine
Schulpflicht, Verbot der Kinderarbeit).

Auf der anderen Seite blieb Familie funktional für das Bürger_Innentum, um
die Vererbung innerhalb der herrschenden Klasse zu legitimieren. Das klassische
Bild der Arbeiter_innenhausfrau, was vor allem in westlichen, imperialistischen
Ländern präsent war, ist dabei etwas, das erst im späteren Verlauf der
Geschichte entstand. Für die Bürgerlichen und ebenso die besser gestellten
Kleinbürger_Innen war dieses zweifelhafte Ideal hingegen schon immer möglich.
Als sich dann vor allem in imperialistischen Ländern eine Schicht von
Arbeiter_Innen (Arbeiter_Innenaristokratie) durch erfolgreiche Streiks sowie
Extraprofite herausbildete, die besser verdient, wurde von ihr diesem Bild der
bürgerlichen Familie als Privileg nachgeeifert. Allerdings ist dies, wie wir
wissen, auch heute nur für einen kleinen Teil möglich.

All das beweist, dass Sexismus eine Klassenfrage ist und somit auch der
Kampf um die Frauenbefreiung einer um die Herrschaft einer Klasse über die
andere ist. Der Kapitalismus hat sich als unfähig und unwillig erwiesen, die im
Haushalt verrichtete Arbeit systematisch zu vergesellschaften. Er ist daher
unfähig, die Unterdrückung der Frauen zu beenden.

Doch
wie dagegen ankämpfen?

Für
die Praxis heißt das anzuerkennen, dass zwar auch die Männer der
Arbeiter_Innenklasse in einem gewissen Maß von Frauentundrückung profitieren,
allerdings keinen historischen Nutzen daraus ziehen. Vielmehr werden sie
dadurch an der Verwirklichung ihrer grundlegenden Klasseninteressen gehindert. Nur
ein gemeinsamer Kampf aller Proletarier_Innen gegen die herrschende Klasse kann
ein erfolgreicher sein. Als
Revolutionär_Innen müssen wir uns entschieden gegen jegliche Form der
Frauenunterdrückung stellen. Um diese jedoch effektiv zu beseitigen, müssen wir
sie an der Wurzel packen – dem Kapitalismus. Gleichzeitig muss klar
herausgestellt werden: Wir müssen den Kampf für eine bessere Welt mit Reformen
und konkreten Verbesserungen im Hier und Jetzt verbinden!

Beispielsweise durch einen gemeinsamen höheren
Mindestlohn oder das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper kann man
die existierende Spaltung innerhalb der Arbeiter_Innenklasse anfangen zu
beseitigen. Ebenso müssen diese Kämpfe an allen Orten unseres täglichen Lebens
und somit auch an denen, wo Politik stattfindet, geführt werden. Durch
Diskussionen am Arbeitsplatz, gewerkschaftliche Organisierung auch mit dem
Ziel, den Kampf gegen Frauenunterdrückung dort mit einzubringen,
antisexistische Veranstaltungen an Schulen und eine Schüler_Innengewerkschaft.
Komplett aufgelöst werden kann sie nur in einer klassenlosen Gesellschaft, in
der die Reproduktionsarbeit nicht mehr nur auf die Familie und somit die Frauen
ausgelagert wird. Ziel muss es sein, die tägliche Hausarbeit
gesamtgesellschaftlich zu organisieren. Durch beispielsweise Großküchen,
Waschräume sowie Kinder- und Angehörigenbetreuung, die kollektiv organisiert
wird.

Für den Kampf im Hier und Jetzt muss uns dabei klar sein, dass in der
heutigen Gesellschaft, in der wir alle nicht frei von unterdrückender
Sozialisierung leben, es auch in linken Organisationen Mechanismen bedarf, die
dem entgegenwirken. So brauchen wir jetzt schon kollektive Kinderbetreuung,
aktiven Umgang mit sexuellen Grenzüberschreitungen, Bewusstsein, Frauen und
sexuell Unterdrückte von technischen Aufgaben zu befreien sowie sie zu
ermutigen, aktiv nach außen zu treten. Auch Caucuses, also gesonderte Treffen
von sozial Unterdrückten, bei der sie sich über Erlebtes austauschen können,
sind ein notwendiges Mittel. Ebenso müssen Männer regelmäßig ihre
Sozialisierung und unterdrückendes Verhalten reflektieren.

Quellen: Hausarbeit https://www.beziehungen-familienleben.de/ergebnisse/wie-teilen-sich-maenner-und-frauen-die-arbeit-im-haushalt/




Was ist Antisemitismus und wie kann er bekämpft werden?

1. Gibt es heute überhaupt noch Antisemitismus?

AfD, FPÖ, andere Rechtspopulist_innen und auch viele große Zeitungen sprechen oft davon, dass es einen neuen Antisemitismus in Deutschland gäbe, der durch die vielen Geflüchteten wieder ins Land gekommen sei. Abschiebungsforderungen und antimuslimischer Rassismus sollen getarnt als ein angeblicher Kampf gegen „zugewanderten Antisemitismus“ (Wolfgang Schäuble) salonfähig gemacht und legitimiert werden. Tatsächlich beweisen neuere Studien, dass es einen Anstieg antisemitischer Straftaten gibt. Die Täter waren jedoch in den meisten Fällen nicht Migrant_innen sondern vorwiegend rechte Deutsche. Erinnert sei hierbei 2019 auf den Anschlag in Halle, 2018 an die Angriffe auf ein jüdisches Restaurant in Chemnitz, an die „Wer Deutschland liebt ist Antisemit“-Rufe in Dortmund, als auch an wiederholte Grabschändungen in jüdischen Friedhöfen oder Beleidigungen und Bedrohungen auf offener Straße oder im Internet. Anstatt sich diesen schrecklichen Vorfällen ernsthaft entgegenzustellen, wird Antisemitismus zum Kampfbegriff, um „Integrationsprobleme“ zu beschwören, Entsolidarisierung mit Geflüchteten zu bewirken, Repressionsmaßnahmen wie Abschiebungen zu rechtfertigen und linke Organisationen zu diffamieren. Opfer von rechter Gewalt werden so zu vermeintlichen Täter_innen gemacht. Dadurch wird suggeriert, dass es keinen Antisemitismus mehr gäbe, wenn man sich nur dem Islam, den Geflüchteten und der Palästina-Solidaritäts-Bewegung entledigen würde. In welchem Land der Antisemitismus zum millionenfachen Massenmord an Jüdinnen und Juden führte, dass es in Deutschland niemals ein Ende des Antisemitismus gab und welche ideologischen Kontinuitäten rechte Parteien bis heute davon mittragen, wird somit systematisch verwischt. Keine Rede ist von rechter Esoterik und antisemitischen Verschwörungstheorien, wie der von der „geheimen internationalen Macht jüdischer Großunternehmer wie Soros, den Rothschilds oder Facebook-Gründer Zuckerberg“ oder den angeblichen mächtigen jüdischen Bankiers in den USA, die heimlich das Weltgeschehen steuern. Keine Rede ist von Forderungen aus den Reihen der AfD nach einem „Schlussstrich mit dem Schuldkult“, dem „Denkmal der Schande“, der Forderung wieder „stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“ (Gauland 2018) oder der Bezeichnung der Nazi-Zeit als einen „Fliegenschiss“ (Gauland 2018) gegenüber der ansonsten so großartigen deutschen Geschichte (die im Übrigen voll von antisemitischen Pogromen ist). Um wieder „stolz auf Deutschland“ sein zu dürfen, wird die historische Schuld abgewehrt, auf andere geschoben (häufig sogar auf die Jüdinnen und Juden selbst) oder die Grausamkeiten des Holocausts verharmlost. Im Fahrwasser eines internationalen Rechtsrucks konnten sich antisemitische Theorien an vielen Orten auf der Welt wieder aus der Mottenkiste befreien. Während die polnische PiS-Partei einen fundamentalistisch-religiös argumentierenden Antisemitismus vertritt, bedient Victor Orbans Fidesz-Partei klassische antisemitische Verschwörungstheorien. Die ukrainische Swoboda-Partei kämpfte im „Euromaidan“ gegen eine von ihnen ausgemachte „jüdisch-russische Mafia“ und verehrt den Nazi-Kollaborateur und Kriegsverbrecher Stephan Bandera. Wo solche Ideologien hinführen, mussten wir im Oktober 2018 in den USA beobachten als ein faschistischer Terrorist in einem schrecklichen Blutbad in einer Synagoge elf Menschen erschoss. Indem der Antisemitismusbegriff jedoch immer weiter allein auf Kritik an der Politik der israelischen Regierung verengt und zum Kampf gegen den Islam und die Palästinasolidarität instrumentalisiert wird, geraten die Lebensrealitäten von in Europa lebenden Jüdinnen und Juden, von Shoa-Überlebenden weltweit und auch antisemitische Übergriffe in der Gesellschaft immer weiter aus dem Fokus. Die eigentliche Gefahr hinter der neuen Welle von Antisemitismus im Zuge des Rechtsruckes und auch der Zusammenhang zwischen deutschem Nationalismus und Antisemitismus werden somit verschleiert. Um dieser Gefahr ins Auge zu sehen und Antisemitismus heute erkennen, erklären und bekämpfen zu können, wollen wir uns im Folgenden erst einmal angucken, was Antisemitismus überhaupt ist, wie er entstanden ist und wie er funktioniert. Ferner wollen wir diskutieren, inwiefern der Staat Israel ein Schutzraum gegenüber Antisemitismus sein kann und was andere Strömungen innerhalb der Linken für Konzepte im Kampf gegen Antisemitismus anzubieten haben. Abschließend zeigen wir auf, wie wir Antisemitismus tatsächlich und nachhaltig bekämpfen können.

2. Was ist Antisemitismus?

Antisemitismus verstehen wir nicht als ein mystisches Schreckgespenst, das durch die Köpfe dummer* Menschen wabert, sondern als eine konkret erklärbare besondere Form des Rassismus, die zu einer historisch singulären Katastrophe führte. Nachdem mit den überseeischen Expansionsbestrebungen des europäischen Kapitalismus eine Legitimation für die Verbrechen der Kolonialist_innen geschaffen werden musste, wurde der moderne Rassismus geboren: Während im Zuge der Aufklärung das Konzept von allgemeinen Menschenrechten in Europa populär wurde, wurden Herrschaftsansprüche über andere Kontinente durch die Idee gerechtfertigt, zu einem „biologisch“ überlegenen „Herrenvolk“ zu gehören. Auf dieser Grundlage wurde eine pseudowissenschaftliche Rassentheorie konstruiert, aus der die europäischen Koloniasor_innen ein natürliches Recht ableiteten, Menschen mit anderer Hautfarbe auszubeuten, zu versklaven und zu ermorden. Rassismus diente und dient auch heute noch also als ideologische Verkleidung für die Ziele imperialistischer Politik: Wo früher das „deutsche Volk“ für „Lebensraum“ oder einen „Platz an der Sonne“ kämpfte, werden heute „westliche Werte“ gegen „andere Kulturkreise“ verteidigt. Antisemitismus diente zwar nicht der Beherrschung und Kolonisation eines Gebietes aber fußt als eine Form des Rassismus auch auf derselben Konstruktion des „weißen Herrenvolkes“. Dessen innere „Gesundheit“ werde durch die Jüdinnen und Juden als „Parasitenvolk“ gefährdet, indem eine „internationale jüdische Finanzmacht“ die „gesunden Nationalstaaten“ unterwandere. Da dies ein heimlich stattfindender geheimer Prozess sei, der nicht aufzuhalten ist und der „Natur des Judentums“ entspreche, fordert der Antisemitismus in letzter Konsequenz immer die „Befreiung der vergifteten Völker“ durch Auslöschung des Judentums. Während beispielsweise der Rassismus gegenüber People of Color von einer Art kulturellen Überlegenheit der „weißen Herrenrasse“ ausgeht, um Überausbeutung und Versklavung zu rechtfertigen, wird im Antisemitismus von einer Bedrohung der „weißen Herrenrasse“ durch angebliche „Weltherrschaftspläne der Jüdinnen und Juden“ ausgegangen. Anti-jüdische Pogrome, Massenmord, Vernichtungsphantasien und Verschwörungstheorien waren und sind die traurigen Konsequenzen dieser Ideologie. Wie jedem Rassismus geht es auch dem Antisemitismus um die Betonung der Differenz zwischen vermeintlichen „Rassen“ (oder „Ethnien“, wie sie nach 1945 bezeichnet wurden). Jüdinnen und Juden werden dabei zu „Fremden“ oder den „Anderen“. So wie es häufig in rassistischen Weltbildern der Fall ist, wurden den Jüdinnen und Juden Eigenschaften angedichtet, die immer genau das Gegenteil von dem darstellen, wie sich „das weiße Herrenvolk“ gerne gesehen hätte. Wenn die Jüdinnen und Juden – also „die Anderen“ – als gierig, hinterlistig, böse, feige, verweiblicht, heimatlos und schwach dargestellt wurden, wollte man damit eigentlich sagen, dass man selber gerecht, ehrlich, gut, männlich, „heimattreu“, loyal und stark sei. Diese Gegenüberstellung ist im Antisemitismus sehr zentral, obwohl sich im Laufe der Zeit und verschiedenen Epochen und Ausprägungen der Feindschaft gegenüber Jüdinnen und Juden verschiedene Formen von Antisemitismus herausgebildet haben. Besonders wichtig ist es hierbei zwischen dem religiös begründeten mittelalterlichen Antisemitismus und dem rassistisch begründeten modernen Antisemitismus, wie er in kapitalistischen Gesellschaften, wie auch dem Faschismus, aufzufinden ist, zu unterscheiden. Im Folgenden werden wir noch viel auf die Entstehung, Ausprägung und Funktionsweise des modernen Antisemitismus eingehen. Kurz und knapp kann man aber an dieser Stelle bereits sagen, dass beim Antisemitismus durch die ökonomische Krisenhaftigkeit des Kapitalismus erzeugte soziale Ängste verschiedener Bevölkerungsgruppen auf Jüdinnen und Juden als Feindbilder projeziert und mit universalistischen Verschwörungs- und Unterwanderungstheorien verknüpft werden. Hass auf Jüdinnen und Juden entsteht also meistens dann, wenn der Kapitalismus das Bedürfnis nach Aufstand und sozialer Veränderung in Teilen des Bürgertums und den verarmten Massen hervorruft und antisemitische Stereotype diesen Wunsch nach kollektivem Aufbegehren auf Jüdinnen und Juden, als die „eigentlichen Strippenzieher hinter dem System“, ablenkt. „Die Juden“ fungieren dabei als ein einheitliches homogenes Kollektiv, was sämtlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen zuwider läuft. Denn da die jüdische Geschichte vor allem eine Geschichte von Vertreibungen, Flucht und Umsiedlungen ist, haben sich in unterschiedlichsten Räumen auf der Welt verschiedene Ausprägungen der jüdischen Religion und jüdischer Identität gebildet. Ob Ashkenazim aus Europa, Sephardim aus Spanien, Mizrachim aus dem muslimischen Raum, Jüdinnen und Juden aus den USA oder kleinere Gemeinden aus Äthiopien und Indien, alle besitzen verschiedene Konzepte ihrer jüdischen Identität, eigene Sprachen, eigene Kultur und eigene Bräuche. Nur eine Minderheit der Jüdinnen und Juden auf der Welt lebt in Israel. Jegliche Theorien von einer gemeinsamen Abstammung, ähnlichen Genen oder einem über alle Grenzen und Zeiten hinweg zusammenhaltenden „Weltjudentum“ sind eine mythische und zugleich rassistische Konstruktion.

3. Wie ist Antisemitismus entstanden?

Natürlich können wir in der über Jahrhunderte hinweg reichenden Geschichte des Antisemitismus hier nicht auf jedes historische Detail eingehen, weshalb die folgende Schilderung vielleicht ein wenig schematisch wirkt. Es geht uns jedoch darum, mit der Methode des historischen Materialismus die allgemeinen sozio-ökonomischen Entwicklungen und geschichtlichen Triebkräfte zu verstehen. Somit wollen wir Antisemitismus als ein gesellschaftliches Produkt mitsamt seiner Produktions- und Reproduktionsbedingungen erfassen. In diesem Sinne hat der jüdische Trotzkist Abraham Leon, welcher 1944 in Auschwitz ermordet wurde, eine sehr gute Studie verfasst, an deren Erkenntnissen wir uns stark orientiert haben: Trotz vielfachen Vertreibungen und Umsiedlungen verhalfen verhältnismäßig (!) sichere Lebensbedingungen dem Judentum der Antike zu kultureller Blüte. Im europäischen Mittelalter wurden die Jüdinnen und Juden jedoch zunehmend in Berufszweige wie Handel, Geldverleih und spezialisiertes Handwerk gedrängt. Durch die Verbote wichtige Ämter auszuüben, Waffen zu tragen, Land zu besitzen und Zünften anzugehören, war der den Christ_innen als sündig geltende Geldverleih eine von wenigen Tätigkeiten, die die Jüdinnen und Juden überhaupt ausführen durften. Der sogenannte mittelalterliche Antisemitismus wurde im Zuge dessen als religiöse Ideologie gebraucht, um den sozialen Ausschluss der Jüdinnen und Juden zu legitimieren. Hier entstanden erste Bilder von Jüdinnen und Juden als den „Christusmördern“, den „Brunnenvergiftern“, „Kindermörder“, „den geizigen Wucherern“, „Ritualmördern“ und sonstige bullshit-Verschwörungstheorien – soviel zum Thema „jüdisch-christliches Abendland“. Diese sozio-ökonomische Sonderstellung, in die die Jüdinnen und Juden im feudalen Mittelalter gedrängt wurden, hat ihre Integration in die bestehende Klassengesellschaft verhindert und gleichzeitig bewirkt, dass die jüdischen Communities relativ isoliert ihre eigene Sprache, Kultur, Religion und Siedlungsgebiete behielten. Gerade in wirtschaftlichen Krisenperioden wurden blutige Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung in Europa angestiftet. Zu massenhaften Vertreibungen oder Massenmorden kam es jedoch eher selten, da das feudale Wirtschaftssystem auf die ökonomische Funktion der jüdischen Bevölkerung angewiesen war. Die große Katastrophe begann mit der schleichenden Auflösung des Feudalismus und seiner Ablösung durch ein neues Wirtschaftssystem, den Kapitalismus. Denn indem der Kapitalismus durch seine technologisch-industriellen Entwicklungen eine neue Klasse, das Bürgertum, an die Macht hievte, lösten sich feudale Strukturen wie der Ständestaat, die Herrschaft des Adels oder die Leibeigenschaft nach und nach auf. Auch die sozio-ökonomische Sonderstellung der jüdischen Communities wurde somit nach und nach untergraben. Während sich in Westeuropa der Kapitalismus blühend entwickelte und die jüdische Bevölkerung mehrheitlich Teil der Arbeiter_innenklasse oder des Bürgertums werden konnte, verlief die Entwicklung des Kapitalismus in Osteuropa eher stockend. Die vielen Krisen und die hohe Arbeitslosigkeit behinderten die Jüdinnen und Juden dabei, hier einen neuen Platz im kapitalistischen System zu finden. Dieser Prozess ging mit einer dramatischen Verarmung der jüdischen Communities und wachsendem Antisemitismus in Osteuropa einher. Infolgedessen flohen viele Jüdinnen und Juden nach Westeuropa. Doch auch hier geriet der Kapitalismus insbesondere in den 30ern Jahren in eine tiefe Krise. Die neu entstandene faschistische Bewegung in Deutschland knüpfte am mittelalterlichen Stereotyp der „jüdischen Wucherer“ an und konstruierte die Legende vom „jüdischen Finanzkapital“. Dieses „böse raffende Kapital“ wurde dem „guten deutschen schaffenden Kapital“ gegenüber gestellt. So war es den Faschist_innen möglich, den Frust und die sozialen Abstiegsängste, die kleine Unternehmen, Handwerker_innen, Selbstständige und Arbeiter_innen im Zuge der Wirtschaftskrise erlebten, von den Herrschenden abzulenken und auf die jüdische Bevölkerung zu richten. Die konsequenteste Gegnerin des Faschismus – die internationale Arbeiter_innenbewegung – wurde ebenfalls in das Konstrukt des „jüdischen Feinds“ integriert. Antisemitismus und Antikommunismus eint dabei die Vorstellung, das Judentum und die revolutionäre Arbeiter_innenbewegung seien eine gegen die „gesunden Völker“ gerichtete „jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung“, die die als natürlich gewachsen verstandene Ordnung der Nationalstaaten auflösen und die „Volksgemeinschaften“ mit ihrem „Gift“ zersetzen will. Dem herrschenden Bürgertum kam dieses Feindbild im Zuge der Verschärfung der Wirtschaftskrise und einer wachsenden revolutionären Arbeiter_innenbewegung, die ihre Macht zu bedrohen schien, ziemlich gelegen. Der Antisemitismus diente somit seit jeher auch als wirksame Waffe gegen den Marxismus. So wie die internen Probleme, dem „jüdischen inneren Feind“ angelastet wurden, wurde dieser auch auf eine äußere Bedrohung, den „jüdischen Bolschewismus“ projiziert. Nach Hitlers Machtübernahme hatte der Antisemitismus nun die Funktion, verschiedene Klassen ideologisch in einer Rasse aufgehen zu lassen und somit eine „deutsche Volksgemeinschaft“ zu konstruieren, die sich gegen den inneren und äußeren „jüdischen Feind“ verteidigen müsse. Die schreckliche Konsequenz dessen war der industrielle Massenmord an über 6 Millionen Jüdinnen und Juden. Doch auch tausende Jüdinnen und Juden setzten sich gegen den Antisemitismus auf verschiedenste Weisen zur Wehr. Viele erkannten den Zusammenhang von Antisemitismus und Kapitalismus und schlossen sich der kommunistischen Arbeiter_innenbewegung an, um diesen zu überwinden. In der Oktoberrevolution in Russland kämpften zum Beispiel tausende Jüdinnen und Juden siegreich gegen das brutale und antisemitische Regime des Zaren. Dies zeigt uns wie jüdische Arbeiter_innen in den Reihen der Bolschewiki für die Befreiung von Antisemitismus, Ausbeutung und Krieg gegen den Kapitalismus kämpfen konnten. Die darauffolgende stalinistische Degeneration der Sowjetunion hat jedoch den Antisemitismus wieder auf die Tagesordnung geholt, um von inneren Widersprüchen abzulenken und gezielt politische Gegner_innen auszuschalten. Auch zur Verfolgung von Trotzkist_innen wurden antisemitische Stereotype neu aufgewärmt. Die lange Geschichte des europäischen Antisemitismus ist leider auch heute trotz der historischen Katastrophe der Shoa nicht beendet. Wenn gleich nicht mehr offen mit dem Antisemitismus hausiert werden darf, tritt er heute eher verdeckt auf. Vor allem dort, wo nach verkürzten Lösungen für die kapitalistische Krise gesucht wird, ohne den Kapitalismus als Ganzes infrage stellen zu wollen. Besonders anfällig für verkürzte Kapitalismuskritiken sind meistens die Teile der Gesellschaft, die im Allgemeinen vom Kapitalismus profitieren aber in Wirtschaftskrisen vom großen Monopol- und Bankenkapital bedroht werden – also kleine Unternehmen, Selbstständige, Handwerker_innen und Kleinbürger. Doch auch in Teilen der Arbeiter_innenbewegung kann der Antisemitismus durch Niederlagen ihrer Führung fußfassen. Auch heute sind wieder Begriffe wie die „jüdische Zinslobby“ und die „dunkle jüdische Macht im internationalen Bankenwesen“ im Kontext der Auswirkungen der Wirtschaftskrise von 2008 von der Neuen Rechten zu hören. So fordert Marie Le Pens „Ressemblement National“ einen autoritäreren Staaten, der sich gegen den „gierigen Finanzmarkt“ verteidigen könne, damit die „kosmopolitische Wirtschafselite“ nicht die „natürliche Staatenordnung zersetze“. Auch in Deutschland gibt es Stimmen die verlauten, dass die „jüdische Weltverschwörung“ die „internationalen Eliten“ kontrolliere und somit eine „Fremdbestimmung Deutschlands“ anstreben. Auch der völkische Nationalismus der AfD mit seinem Bestreben einen „ethnisch einheitlichen Volkskörper wiederherzustellen“ und seinem Hass auf alles vermeintlich „Fremde“ wird sich in letzter Konsequenz auch gegen Jüdinnen und Juden richten. Getarnt hinter ihrer Solidarität mit Israel gehen bekannte Neonazis und Holocaustleugner in ihren Parteibüros ein und aus.

4. Ist also jede verkürzte Kapitalismuskritik automatisch antisemitisch?

Nein, ist sie nicht. Richtig ist jedoch, dass der moderne Antisemitismus meistens als eine verkürzte Kapitalismuskritik auftritt. Das haben wir bereits historisch an der nationalsozialistischen Legende vom „guten deutschen schaffenden Kapital“ versus „böses jüdisches raffendes Kapital“ oder auch aktuell an den neu-rechten Verschwörungstheorien um den Unternehmer Georges Soros aufgezeigt. Jüdinnen und Juden werden hier mit der abstrakten Seite des Kapitalismus identifiziert und für seine negativen Folgen, wie Finanzkrisen und Kriege, verantwortlich gemacht. Der Kapitalismus wird dabei nicht in seiner Gänze als krisenproduzierendes Ausbeutungsverhältnis zwischen gesellschaftlichen Klassen betrachtet, sondern als ein grundsätzlich funktionierendes und gutes System. Obwohl im aktuellen Entwicklungsstadium des globalisierten Kapitalismus (Imperialismus genannt) die tatsächliche Warenproduktion und die Finanzsphäre untrennbar miteinander verflochten sind, versuchen Antisemit_innen die „Zins- und Finanzwirtschaft“ analytisch abzukoppeln. Der Kapitalismus sei also ein funktionierendes System, wenn da nicht die „gierigen jüdischen Banker_innen“ wären. Dabei projizieren sie geläufige Ansichten gegenüber der Finanzwelt, wie dass sie international, universal, undurchschaubar sowie gierig sei und hinter jedem weltpolitischen Ereignis die Strippen ziehe, auf die Jüdinnen und Juden. Jedoch ist nicht jede Kritik und jedes Aufbegehren gegen das kapitalistische System, automatisch antisemitisch. Einige selbsternannte „Linke“, wie die sogenannten „Antideutschen“, vertreten jedoch diese Ansicht. Ihrer Meinung nach sei jede Form von sozialer Organisierung und Protest auf der Straße etwas Gefährliches, da der Großteil der Bevölkerung nicht die Komplexität der kapitalistischen Warengesellschaft durchschaue und deshalb immer zu einer verkürzten Kapitalismuskritik (synonym dazu auch regressive Kapitalismuskritik, personalisierte Kapitalismuskritik oder struktureller Antisemitismus) neige. Diese verkürzte Kapitalismuskritik richte sich ihrer Meinung nach automatisch in letzter Konsequenz gegen Jüdinnen und Juden und führe zu antisemitischen Vernichtungsphantasien. Organisierter Widerstand auf der Straße ist in ihren Augen kein Instrument zur Befreiung sondern eine Gefahr. Leider macht es das kapitalistische System den Massen tatsächlich schwer, seine Funktionsweise zu durchschauen, deshalb richten spontane Proteste ihre Kritik meistens erst einmal gegen ein bestimmtes Symptom, eine Person oder eine Institution des kapitalistischen Systems ohne bereits das gesamte Kapitalverhältnis verstanden zu haben. Wenn man die Analyse der „Antideutschen“ teilt, dann wären zum Beispiel solche Bewegungen wie kollektive Aktion gegen Massenentlassungen oder Lohnkürzungen in Betrieben, Proteste gegen den Kohlekonzern RWE, Anti-Gipfelproteste, Antigentrifizierungsbewegungen wie „Deutsche Wohnen &Co. enteignen“ oder auch Proteste gegen die europäischen Spardiktate der Trioka wie zum Beispiel „Blockupy“ der pure Antisemitismus. Es stimmt natürlich, dass nicht einzelne Konzerne oder Regierungsvertreter_innen alleine für die Auswirkungen des Kapitalismus verantwortlich gemacht werden können, denn auch sie sind vom strukturellen Zwang des Kapitalismus (= Profit erwirtschaften, um nicht von der Konkurrenz plattgemacht zu werden) betroffen. Und es stimmt auch, dass diese Bewegungen ihre Ziele letztlich nur umsetzen können, wenn sie die Wurzeln der Probleme, gegen die sie protestieren, richtig analysieren und im kapitalistischen Ausbeutungszusammenhang suchen. Es ist aber total falsch zu glauben, dass nur Menschen, die meinen die kapitalistische Produktionsweise verstanden zu haben, ein Recht haben, auf die Straße zu gehen! Wir als Revolutionär_innen müssen uns deshalb in solche Bewegungen einmischen, intervenieren, damit sie nicht bei einer verkürzten Kritik stehen bleiben, und eine antikapitalistische Perspektive aufzeigen (Antisemitismus ist dabei, sollt er auftreten, auf das Schärfste zu bekämpfen), anstatt uns wie die „Antideutschen“ in der Unibibliothek zu verschanzen und nur zu rumzukritisieren.

5. Wenn es heute noch viel Antisemitismus auf der Welt gibt, sind dann der Staat Israel und seine nationale Ideologie des Zionismus die Lösung des Problems?

Der Zionismus ist als eine politische Idee und Nationalbewegung entstanden, um das Problem des modernen Antisemitismus zu lösen. Er greift das antisemitische Paradigma auf, dass die Jüdinnen und Juden in allen bestehenden Staaten ein Fremdkörper seien. Daraus schlussfolgert er, dass die Jüdinnen und Juden einen eigenen jüdischen Nationalstaat errichten müssten. Der Zionismus akzeptiert somit eine antisemitische Welt als Normalzustand und konnte deshalb zwar auf den Antisemitismus reagieren, ihn aber nicht bekämpfen. Den Jüdinnen und Juden versprach er, sie von der ewigen Vertreibung und Verfolgung zu erlösen und ihnen ein sicheres Zuhause zu bieten, das die Jüdinnen und Juden wieder selbst zum Subjekt ihrer Geschichte werden lässt. Der Kapitalismus, der den modernen Antisemitismus selbst erst hervorgebracht hat, sorgte durch seine internationale Entwicklung gleichzeitig dafür, dass der Zionismus seine Versprechen als Reaktion auf den Antisemitismus nie einlösen konnte. Denn in einer Welt, welche Mitte des 20. Jahrhunderts durch den globalisierten Kapitalismus bereits in Nationalstaaten eingeteilt war, können keine wirklich unabhängigen neuen Nationalstaaten mehr entstehen. Ähnliches haben wir auch in den ehemaligen europäischen Kolonien in Afrika, Asien und Südamerika gesehen. Sie können zwar formal politisch unabhängig sein, eine eigene Regierung haben etc. aber werden immer wirtschaftlich von einem stärkeren Staat abhängig sein. Auch die israelische Geschichte hat gezeigt, dass die Entwicklung dieses Staates nur durch die abwechselnde Unterstützung verschiedener Großmächte wie der Sowjetunion, Frankreich oder den USA möglich war. Unabhängigkeit und Sicherheit sehen anders aus, denn die Unterstützung durch eine wirtschaftliche und militärische Großmacht ist dem israelischen Staat auch nur solange gesichert, bis kein profitablerer Partner in der Region auftaucht. Erst recht in der aktuellen Phase in der wir eine Verschärfung um den Kampf um die Neuaufteilung der Welt erleben und sich neue Bündnisse bilden, kann ein heute noch israelfreundlicher Staat schnell bei veränderten internationalen Kräfteverhältnissen antisemitische Züge annehmen, dafür gibt es im Kapitalismus keine Garantie. Ferner ist es eine Illusion zu glauben, dass die Gründung eines neuen Nationalstaates, der auf der Vertreibung der dort ansässigen Bevölkerung – den Palästinenser_innen – beruht, seinen Bewohner_innen ein friedliches Leben garantieren könne. Natürlich haben sich die Palästinenser_innen gegen ihre Vertreibung gewehrt und tun dies auch heute noch, und zwar nicht weil sie so antisemitisch drauf sind und das Leiden der geflohenen Jüdinnen und Juden nicht anerkennen, sondern weil sich niemand gerne vertreiben lässt. Der israelische Staat muss sich also immer bis an die Zähne bewaffnen, um weiter existieren zu können, weshalb die israelische Gesellschaft selbst immer unter Militarismus und Unsicherheit leidet. Auch deshalb wird sie immer von der militärischen Rückendeckung einer anderen Großmacht abhängig sein, welche wiederum dabei ihre eigenen Interessen verfolgt. Immer mehr Israelis haben keinen Bock mehr auf Krieg, Militarisierung und ethno-nationalistischen Rechtsruck in ihrem Geburtsland und zeihen dem ein Leben außerhalb ihres „Schutzraumes“ vor. Seit einigen Jahren bereits wandern mehr Jüdinnen und Juden aus Israel aus, als neue einwandern. Viele davon tun dies aus ökonomischen Gründen. Für Israelis, die sich aus politischen Gründen nicht dem staatlich verordneten Nationalismus unterordnen wollen, war eh schon lange klar, dass sie nicht in einem „jüdischen Schutzraum“ leben. Linke Jüdinnen und Juden (wie von Breaking the Silence, Peace Now, Anarchists against the wall, Militärdienstverweiger_innen, linke Akademiker_innen, Kommunist_innen usw.), die sich gegen diese Zustände wehren, werden in Israel immer stärker gesellschaftlich gebrandmarkt, geächtet und als „Vaterlandsverräter“ und „innere Feinde“ beschimpft. Während also immer mehr Israelis ihrer „nationalen Heimstelle“ den Rücken zukehren, werden in Deutschland aber auch international immer mehr Stimmen laut, die Kritik an der israelischen Politik durch den Vorwurf des Antisemitismus zu delegitimieren versuchen. Wir finden es ziemlich verleumderisch zu behaupten, dass jede Kritik am rassistischen Charakter der israelischen Politik, antisemitisch wäre und „dem jüdischen Volk“ (was auch immer das sein soll; gemeint sind vermutlich alle Jüdinnen und Juden auf der Welt) das Recht auf Selbstbestimmung nehmen würde. Einerseits werden hier alle Jüdinnen und Juden der Welt für die Interessen des israelischen Staates instrumentalisiert und andererseits jüdische Selbstbestimmung auf die Solidarität mit Israel begrenzt. Dementgegen sollte vielmehr die Achtung vor der Vielfalt jüdischer Identitäten und die analytische Trennschärfe von Judentum und israelischem Staat die Grundlage für den Kampf gegen Antisemitismus darstellen. Dabei heißt die kommunistische Kritik am Zionismus, nicht das Selbstbestimmungsrecht der israelischen Arbeiter_innenklasse zu leugnen, sondern es in Verbindung mit der freien und gleichberechtigten Entwicklung der Palästinenser_innen einzufordern! Denn wie Marx schon einmal geschrieben hat: „Ein Volk, das ein anderes unterdrückt, schmiedet sich selbst die Ketten“. Und das sieht man in Israel zum Beispiel daran, dass Armut, Wohnungsmangel, Militarismus, Lebenshaltungskosten und Arbeitsbelastung massiv steigen, da der Staat etliche Millionen in die Besatzung der palästinensischen Gebiete stecken muss. Sozialleistungen werden gekürzt, um den Preis der Besatzung zahlen zu können. Israel ist genauso wie jeder andere kapitalistische Nationalstaat eine Klassengesellschaft, in der die Mehrheit die Arbeiter_innenklasse darstellt. Auch diese wird von den nationalen Kapitalist_innen unterdrückt und ausgebeutet. Die Unterdrückung der Palästinenser_innen dient den Kapitalist_innen als Absatzmarkt, als Reservoir billiger Arbeitskraft und als ideologisches Band, das die Klassengegensätze in Israel durch eine ausländische Bedrohung verwischen soll. Zudem vollzieht die israelische Regierung einen immer stärker werdenden Rechtruck, der sich in einer immer rassistischeren und aggressiveren Besatzungspolitik äußert. Israels rechts-nationalistischer Premierminister Netanjahu scheut in seinem Kampf gegen den „islamischen Terror“ dabei auch nicht davor zurück, sich mit offenen Antisemiten wie Victor Orban oder anderen Rechtspopulist_innen wie Le Pen oder Trump zu verbünden. Netanjahu verzeiht den Neuen Rechten bereitwillig ihren Antisemitismus, solange sie wenigstens überzeugte Zionist_innen sind. Gleichzeitig geht er immer schärfer gegen die kritischen Stimmen innerhalb und außerhalb Israels vor und forderte aus diesem Grund zuletzt sogar die deutsche Regierung auf, ihre finanzielle Unterstützung an das jüdische Museum in Berlin zu beenden. Die deutschen Bundesregierungen spielen sich seit Israels Staatsgründung 1948 als enge Vertraute und Beschützer_innen jüdischen Lebens auf. Um sich nicht mit den Problemen der Jüdinnen und Juden in Deutschland und historischen Kontinuitäten aus dem Faschismus auseinandersetzen zu müssen, konnten deutsche Politiker_innen immer brav auf Israel zeigen. Was uns dabei ideologisch als „Wahrnehmung einer historischen Verantwortung“ verkauft wird, diente letztlich dazu, Deutschlands schlechtes Nazi-Image aufzupolieren und einen ökonomisch und militärisch bedeutsamen Verbündeten in einer geostrategisch wichtigen Region zu haben. Dass Geldzahlungen und Waffenlieferungen als „Wiedergutmachung“ für über 6 millionenfachen Mord bezeichnet werden, ist für uns blanker Hohn! Wer das eigentliche Versprechen des Zionismus nach einem sicheren Zuhause für Jüdinnen und Juden einlösen will, muss eine kommunistische Alternative aufbauen – ob in der Diaspora oder im Nahen Osten! Für die Jüdinnen und Juden in Israel heißt das, gegen die Besatzung, gegen den kapitalistischen Staat und für die Perspektive eines säkularen multi-ethnischen Arbeiter_innenstaates zu kämpfen, in dem jeder Mensch unabhängig von seiner Religion und Hautfarbe in Frieden leben kann. Dafür müssen die israelische und die palästinensische Arbeiter_innenklasse erkennen, dass sie eigentlich dieselben Interessen und Ziele haben und dass sie nur die Ketten des Kapitalismus und Nationalismus davon trennen. Die Geschichte hat schon oft gezeigt, dass nationale Gegensätze im gemeinsamen Kampf für gleiche Ziele verschwinden können. Es wäre sogar rassistisch anzunehmen, dass dies in Israel nicht funktionieren sollte.

6. Aber gibt es nicht auch Kritik am israelischen Staat, die antisemitisch ist?

Es stimmt, dass sich hinter Kritik am israelischen Staat manchmal eine antisemitische Motivation verbirgt. Da nach der Shoa und der deutschen Niederlage im Zweiten Weltkrieg offene Hetze gegen Jüdinnen und Juden zum gesellschaftlichen Tabu geworden ist, versuchen einige Antisemit_innen ihre rassistischen Einstellungen in primitiver Kritik am israelischen Staat zu „tarnen“. Die israelische Besatzungspolitik gegenüber den Palästinenser_innen kommt ihnen da gerade recht, denn so versuchen sie deren Brutalität als etwas explizit „Jüdisches“ darstellen. Dies sehen wir bei faschistischen Neonazi-Organisationen und Parteien wie der NPD oder dem „Dritten Weg“, die in Israel das „Zentrum der zionistischen Netzwerke“ erkennen wollen, von wo aus eine „jüdische Lobby“ ihre dunklen Machenschaften verübe. Israel tritt hier synonym an die Stelle „des Juden“ in den klassischen antisemitischen Verschwörungstheorien. Auch im Islamismus (und teilweise auch im arabischen Nationalismus) taucht häufig ein auf Israel bezogener Weltverschwörungs-Antisemitismus auf, der wie zum Beispiel beim IS auch faschistische Tendenzen annimmt und dringend bekämpft werden muss. In vielen arabischen Ländern hat sich der Antisemitismus heute zur Massenideologie entwickelt, die interne Widersprüche im Interesse der herrschenden Klasse auf Israel als einen „äußeren Feind“ lenkt. Der Islamismus ist in der Region jedoch auch erst als Folge von Kolonialismus und imperialistischen Interventionen (siehe Afghanistan, Irak, Iran, Libanon, …) und Niederlagen der lokalen linken Bewegungen entstanden. Auch die Niederlagen der internationalen linken Kräfte trägt eine Mitschuld daran, da sie es nicht geschafft haben, ihre Antikriegspositionen durchzusetzen. Für die regionale Bevölkerung, die keinen Bock mehr auf ausländische Militärinterventionen hatte, erschien der Islamismus als glaubhaftester und konsequentester Widerstand dagegen. Der Islamismus ist also ein Produkt der imperialistischen Interventionen in der Region und des Fehlens einer kommunistischen emanzipatorischen Perspektive. Wer den Islamismus und den damit einhergehenden Antisemitismus bekämpfen will, muss also den berechtigten Widerstand gegen Besatzung und Fremdherrschaft im Nahen Osten unterstützen, eine kommunistische Perspektive aufzeigen und antisemitische Lügen entlarven. Antisemitische Ideen können unter Menschen, die in arabischen Staaten wohnen oder aus ihnen geflohen sind, verbreitet sein, sind aber nichts genuin Arabisches oder Muslimisches sondern kommen eigentlich aus Europa. Auch eine häufig biographisch begründete Gegnerschaft zur israelischen Politik ist nicht per se antisemitisch. Ob Kritik am israelischen Staat oder auch antizionistische Positionen antisemitisch sind oder nicht, lässt sich häufig an der Stoßrichtung der Kritik erkennen. Wird der Staat Israel mit den Jüdinnen und Juden im Allgemeinen gleichgesetzt sprechen wir von Antisemitismus. Er herrscht dann vor, wenn der Staat Israel als ein Ausdruck des verborgenen Interesses der „jüdischen Macht“ gesehen wird oder mit der „Finanzlobby“ in Verbindung gebracht wird. Antisemitisch ist auch die abstruse Vorstellung, die US-amerikanische Außenpolitik im Nahen Osten werde von einer jüdischen Lobby gesteuert. Es handelt sich ebenfalls um Antisemitismus, wenn die Verbrechen der Nazis mit der Behauptung verharmlost werden, dass der israelische Staat dieselben Methoden verwende. Der aktuell bei „Antideutschen“ und Rechtspopulisten im Trend liegende „3-D-Test“ erklärt jedoch nahezu jede Kritik an israelischer Politik für Antisemitismus. Der von einem rechts-konservativen israelischen Likud-Abgeordneten entwickelte Test definiert den antisemitischen Gehalt von Kritik an israelischer Politik anhand der 3 Kategorien Dämonisierung, Doppelstandards und Delegitimierung (vgl. Natan Scharanski 2003). Demnach sei die auch in der israelischen Linken gängige Bezeichnung Israels als Apartheitsstaat, seine Entstehung als Kolonialismus und auch die Infragestellung seiner Form als Nationalstaat zutiefst antisemitisch. Ebenfalls gilt es als antisemitischer Doppelstandard, wenn sich Kritik allein auf Israel bezieht, ohne die zehntausend Verbrechen anderer Staaten auf der Welt mit einzubeziehen. Dass diese Antisemitismusdefinition von einem rechten israelischen Politiker entwickelt wurde, ist kein Zufall. Immer aggressiver verwendet die israelische Rechte dieses Antisemitismuskonzept als Kampfbegriff, mit dem alle Gegner_innen ihrer Politik (ob Israeli, Palästinenser_in, die BDS-Bewegung, „Jewish Voice for Peace“, Menschenrechtsorganisationen oder linke Parteien und Organisationen) als Antisemit_innen gebrandmarkt werden. Anklang findet sie bei allen, die sich Vorteile von der aggressiven Politik der israelischen Rechten und einer Bekämpfung ihrer Gegner_innen versprechen, von Trump über die britischen Conservatives bis zur AfD. Ein solcher Antisemitismusbegriff, der sich allein auf Kritik an Israel beschränkt und dabei auch noch jede berechtigte Kritik als antisemitisch definiert, verkommt zur ideologischen Waffe einer geopolitischen Neuordnung des „Nahen Ostens“ und macht sich für die neue Rechte anschlussfähig. Tatsächliche Antisemit_innen werden nur zu einem Puzzleteil des „antisemitischen Konsens“ und dadurch unsichtbar gemacht. Ebenso legt die Behauptung, wer den israelischen Staat kritisiere meine eigentlich „die Juden“ eine Gleichsetzung von Israel und Judentum nahe. Dies war und ist wiederum das klassische Futter für antisemitische Verschwörungstheorien. Ferner scheinen die Diskriminierungserfahrungen von Jüdinnen und Juden, die nicht in Israel leben, sowieso kaum jemanden zu interessieren.

7. Wie analysieren andere Strömungen der Linken das Problem Antisemitismus und wie wollen sie ihn bekämpfen?

Bei unserer Recherche ist uns erst einmal aufgefallen, dass die meisten Strömungen innerhalb der deutschsprachigen Linken kein systematisches, wissenschaftliches und historisches Konzept davon haben, was Antisemitismus ist, wie er entstanden ist und wie man ihn bekämpfen kann. Stalinistische und maoistische Organisationen zum Beispiel verstehen Antisemitismus (insofern sie ihn überhaupt thematisieren) als einen sogenannten „Nebenwiderspruch“. Sie erkennen nicht seine dem Kapitalismus inhärenten materiellen Grundlagen sondern betrachten ihn lediglich als eine Manipulationsideologie der Herrschenden. Ihrer Ansicht nach gibt es im Kapitalismus lediglich einen Hauptwiderspruch, nämlich die Unversöhnlichkeit der Interessen von Kapitalist_innen und Arbeiter_innen. Alle anderen Unterdrückungsformen wie Sexismus, LGBTIA-Feindlichkeit und Rassismus stellen untergeordnete Nebenwidersprüche dar und müssten demnach nicht gesondert erwähnt oder gar bekämpft werden. Stalinist_innen gehen folglich davon aus, dass sich das mit dem Antisemitismus schon von selber erledigt, wenn wir nur den Hauptwiderspruch aufgelöst und den Kapitalismus abgeschafft haben. Das Beispiel vom ansteigenden Antisemitismus in der Sowjetunion unter Stalin zeigt uns, wie gefährlich diese falsche Analyse ist. Wer sich hingegen ernsthafter mit dem Thema Antisemitismus beschäftigt, sind die in diesem Text schon häufiger erwähnten „Antideutschen“. An dieser Stelle wollen wir jedoch klar machen, dass wir sogenannte „Antideutsche“, die die AfD als „einzige Stimme der Restvernunft im deutschen Bundestag“ (Thomas Maul, Autor der Zeitungen Jungle World und Bahamas) betrachten und imperialistische Kriegseinsätze befürworten, nicht als Teil der Linken ansehen. Dennoch konnte sich der Antisemitismusbegriff der „Antideutschen“ in Teilen des antinationalen Spektrums, in Teilen der Linkspartei und in einigen Antifa-Gruppen etablieren. Der grundliegende Fehler in der Analyse der „Antideutschen“ ist, dass sie kein historisch-materialistisches Verständnis davon haben, wie Antisemitismus entstanden ist und wie er funktioniert. Es ist ihnen demzufolge auch nicht ganz klar, was sie dem Antisemitismus eigentlich entgegnen können. Diese Hunde bellen zwar laut aber sie beißen nicht. Im vorangegangenen Text haben wir versucht wissenschaftlich aufzuzeigen, wie sich Kapitalismus und Antisemitismus gegenseitig bedingen und werden im Folgenden Wege zu seiner Bekämpfung vorschlagen. Für die „Antideutschen“ ist der Antisemitismus jedoch bloß ein böses Schreckgespenst, ein dunkler irrationaler Judenhass, der um den Globus wabert und die Menschen willkürlich mit seinem Vernichtungswillen infiziert. Insbesondere Deutsche und Menschen mit muslimischen Glauben seien dabei quasi biologisch anfällig dafür, antisemitisch zu sein. Anstatt seine sozio-ökonomischen Grundlagen zu analysieren, mystifizieren und naturalisieren „Antideutsche“ den Antisemitismus. In Anlehnung an Theodor W .Adornos Theorie des „autoritären Charakters“ haben ihrer Meinung nach Antisemitismus und der gesamte Faschismus kaum etwas mit materiellen Verhältnissen und sozialen Strukturen zu tun sondern sind eine bloße Folge eines falschen Bewusstseins, von Verblendung und mangelnder Bildung. Ihre Antwort ist demzufolge Kritik und Aufklärung. Wir sind uns da nicht ganz sicher, ob alle Antisemit_innen ihrer Einladung ins Uniseminar folgen werden. Neben der Tatsache, dass „Antideutsche“ mit ihrer sogenannten „Ideologiekritik“ Antisemitismus nie werden aufhalten können, führt ihre falsche Analyse dazu, dass sie sich sogar freiwillig auf die Seite des Kapitalismus schlagen. Sie verteidigen ein Ausbeutungssystem, das selbst die eigentliche Ursache für Antisemitismus darstellt. Nachdem der Faschismus in Europa gewütet hat und die Sowjetunion degeneriert und dann zerfallen ist, war für diese Strömung klar, dass die Arbeiter_innenklasse keine Befreiung mehr bringen könne und der Traum von einer besseren Welt zerplatzt sei. Aus diesem Gefühl der Ohnmacht und der Angst eigene Privilegien zu verlieren schlussfolgern sie, dass das Maximum an gesellschaftlicher Entwicklung bereits erreicht sei: Wenigstens sind wir Hitler los, die Unibibliothek ist beheizt und der Nebenjob bei der Bildzeitung ist sicher. Ihre Hingabe an den Kapitalismus führt auch dazu, dass sie jeden organisierten Protest gegen dieses System verachten und als verkürzte und damit antisemitische Kapitalismuskritik diffamieren. Sie gehen dabei von der falschen Annahme aus, zwischen Faschismus und Kapitalismus existiere ein Bruch, der es erfordere, die als „normal“ verstandene „demokratische kapitalistische Zivilisation“ gegen die „Barbarei“ zu verteidigen. Dabei erkennen sie nicht, dass die Barbarei ihre Ursachen letztlich im Kapitalismus hat. Faschismus ist für sie eine Meinung und nicht die totalitärste und brutalste Form kapitalistischer Herrschaft, die nur verhindert werden kann, wenn man den Kapitalismus gänzlich abschafft. In der Konsequenz führt ihre Sympathie für den Kapitalismus dazu, dass sie imperialistische Kriege wie die US-amerikanische Invasion des Iraks oder Buschs „war on terror“ füreine super Sachen halten. Einige forderten vor kurzem sogar, man solle den Iran bombardieren. Den israelischen Staat betrachten sie gemäß dieses Weltbildes als Schutzraum für Jüdinnen und Juden vor dem globalisierten antisemitischen Vernichtungswillen und als Bastion des kapitalistischen Fortschritts inmitten der „muslimischen Barbarei“. Hierzulande geht es den „Antideutschen“ darum, sich bedingungslos und unkritisch mit diesem Staat zu solidarisieren und ihn gegen die geheime Weltverschwörung der Islamisten im Schulterschluss mit der BDS-Bewegung und der antiimperialistischen Linken in den Kommentarspalten von Facebook zu verteidigen. Durch ihre Absage an Klassentheorie und marxistische Geschichtsphilosophie erkennen sie auch keine internen Klassenwidersprüche im israelischen Staat und demzufolge auch keine Perspektive für Emanzipation. Linke und antizionistische Jüdinnen und Juden betrachten sie demzufolge als „Marionetten der Antisemiten“ und als „selbsthassende Juden“. Wir empfinden dies als einen sehr fragwürdigen Paternalismus und finden es sehr bedenklich, wenn Deutsche wieder anfangen zu definieren, wer hier die „wahren Juden“ sind. Indem sich die meistens männlichen, weißen und aus gutverdienen Familien stammenden „Antideutschen“ mit ihren „wahren Juden“ identifizieren, versuchen sie die potentielle Schuld ihrer Nazi-Großeltern abzuwehren. Ähnlich wie es Antisemit_innen in umgedrehter Weise tun, abstrahieren auch die „Antideutschen“ vom konkreten Dasein „realer“ Jüdinnen und Juden und machen sie Projektionsfläche für ihre eigenen Widersprüche. Ihrem Unwillen und ihrer Unkenntnis darüber, wie die materiellen Verhältnisse denen der Antisemitismus entspringt bekämpft werden können, tun sie damit genüge, dass es tausende Kilometer entfernt ja einen israelischen Staat gibt, der für sie den „Kampf gegen Antisemitismus“ mit deutschen Waffen ausfechtet. Ihre deutschen Blitzkriegphantasieen projizieren sie so auf israelische Merkava-Panzer und deutsche Atom-U-Boote. Ihr nicht enden wollender Eifer in der Bekämpfung von pro-palästinensischer Solidarität und israelischen Linken, ihre grundlegend positive Haltung gegenüber dem Kapitalismus und ihre Unterstützung der militärischen und ökonomischen Interventionen der Bundesregierung und der Trump-Administration in „Nahost“ lassen die sogenannten „Antideutschen“ als letztlich ziemlich deutsch erscheinen. Auch in ihrem Engagement gegen die „Islamisierung“ und ihrem antimuslimischen Rassismus stehen sie der AfD wenig nach. Die grundlegend notwendige Absicht, ein zweites Auschwitz für immer verhindern zu wollen, gerät durch einen vollkommen ahistorischen, mystifizierten und auf Solidarität mit einem kapitalistischen Nationalstaat verengten Antisemitismusbegriff weit in den Hintergrund.

8. Wie können wir Antisemitismus bekämpfen?

Mit Analysen wie dieser hier, mit Aufklärungsprogrammen, kritischen Blogs, persönlichen Diskussionen und Bildungsarbeit ist schon einiges getan, um mehr Bewusstsein, Wissen und Awareness gegenüber Antisemitismus in unserer Gesellschaft zu schaffen. Wie dieser Text aber gezeigt hat, ist Antisemitismus nicht ausschließlich ein Problem des falschen Weltbildes oder mangelnder Reflexion. Wir haben erläutert, wie Antisemitismus immer ein Produkt von sozialen Strukturen, die sich aus Veränderungen in der ökonomischen Grundbeschaffenheit einer Gesellschaft ergeben, ist. Der moderne Antisemitismus ist ein Produkt der kapitalistischen Produktionsweise. Radikal gegen Antisemitismus zu sein, bedeutet auch radikal antikapitalistisch zu sein, denn radikal heißt, das Problem an der Wurzel anzupacken. Während in Zeiten des wirtschaftlichen Wachstums Antisemitismus eher selten offen zu Tage tritt, zeigt er seine wahre Fratze in Krisenperioden. Denn wenn die Profite global einbrechen, steigt die Konkurrenz zwischen den einzelnen nationalen Kapitalfraktionen untereinander. Doch wenn kapitalistische Nationalstaaten nach außen hin aggressiver agieren wollen, müssen sie nach innen härter durchgreifen und die Bevölkerung auf einen Feind einschwören. In diesen Situationen können dann Rechte mit ihrer rassistischen Hetze, antikommunistischen Drohungen und antisemitischen Verschwörungstheorien aus ihren Löchern kriechen und sich im politischen Diskurs breit machen. Das Kleinbürgertum und desillusionierte Arbeiter_innen werden von den kapitalistischen Krisen am härtesten getroffen und werden von sozialen Ängsten angetrieben. Wenn es dann kein Programm gibt, das diesen Menschen eine radikale, antikapitalistische, kommunistische Alternative aufzeigt, werden sie zu verkürzten und mitunter antisemitischen Erklärungen für ihre eigene beschissene Lebenssituation greifen und einen Sündenbock suchen. Die aktuelle Zunahme von antisemitischen Gewalttaten und verschwörungstheoretischem Blödsinn ist auch eine Reaktion auf die Wirtschaftskrise 2007/2008 und den damit einhergehenden Rechtsruck in vielen Ländern auf der Welt. Wichtigster Punkt auf der Agenda der neuen Rechten ist der Hass auf Geflüchtete und den Islam. Parteien wie die AfD haben deshalb große Sympathien für den israelischen Staat, den sie als westliche Bastion gegen den Islamismus betrachten. In diesem Sinne versuchen sie sich nun als „einzige Schutzmacht jüdischen Lebens“ (Weidel 2017) öffentlich darzustellen. Doch Antisemitismus interessiert die Rechtspopulist_innen nur, wenn er von Muslimen kommt und die vielen Antisemit_innen und Holocaust-Relativierungen in ihren eigenen Reihen werden gekonnt ignoriert. Wie sich der Hass auf Migrant_innen und Antisemitismus in einem nächsten Schritt verbinden können zeigen die Verschwörungstheorien über Goerge Soros, dem als Unternehmer jüdischer Herkunft die Steuerung und Finanzierung der Migrationsströme nach Europa vorgeworfen wird. Unterstützung findet diese antisemitische Theorie nicht nur in der ungarischen Regierung sondern auch in Teilen der österreichischen FPÖ, der britischen UKIP, der italienischen Lega Nord, der deutschen AfD und der US-amerikanischen Republikaner. Wenn wir heute gegen Antisemitismus kämpfen, müssen wir uns deshalb zu aller erst dem Rechtsruck entgegenstellen. Und damit sind nicht nur die AfD und die Identitären gemeint sondern auch die staatliche Abschiebepolitik und Aufrüstungsrhetorik (Merkel: „Deutschland muss wieder mehr Verantwortung übernehmen.“) steht für einen wachsenden deutschen Nationalismus. Antisemitismus zu bekämpfen bedeutet hier vor Ort also auch dem Nationalismus seine Grundlage zu entziehen und das deutsche Kapital als unseren größten Feind zu betrachten. Dafür brauchen wir ein antikapitalistisches Programm, das uns Jugendlichen einen Weg aufzeigt, wie wir unseren Kampf gegen Rassismus, Rechtsruck und Nationalismus zu einem Kampf für eine befreite Gesellschaft ausweiten können. Um die kapitalistische Produktionsweise durch eine neue ersetzen zu können, gilt es dabei die Arbeiter_innenklasse für unsere Ziele zu gewinnen, denn diese sitzt durch ihre ökonomische Stellung dort, wo es den Kapitalist_innen am meisten weh tut. Antisemitischen Vorurteilen und Stereotypen müssen wir dabei, wo immer sie uns begegnen, auf schärfste entgegenarbeiten. Denn der Kampf gegen Antisemitismus ist wie der Kampf gegen jegliche andere Unterdrückungsformen wie Sexismus, Rassismus und LGBTIA-Feindlichkeit ein notwendiger und integraler Bestandteil des Kampfes gegen den Kapitalismus als Ganzes. Wenn wir uns nicht gegen Antisemitismus organisieren, werden wir den Kapitalismus nicht abschaffen können und andersherum wird Antisemitismus immer weiter existieren, solange ihn die kapitalistische Produktionsweise anfeuert. Im Rahmen dessen müssen wir im Hier und Jetzt Forderungen aufstellen, die Antisemitismus entgegenwirken und die Widersprüche mit dem Kapitalismus zuspitzen. Dazu gehört die Verteidigung des Rechts auf die freie Ausübung von Religion und Kultur. Ebenso müssen wir das Recht auf Schutz gegenüber Angriffen auf jüdische Einrichtungen und Privatpersonen einfordern und antirassistische Selbstverteidigungsstrukturen organisieren. Trotzdem müssen wir dafür sorgen, dass auch Fluchtwege stets offen bleiben, damit Menschen, die flüchten müssen, woanders Schutz finden können. Die Forderung nach offenen Grenzen ist deshalb zentral im Kampf gegen Antisemitismus und eine wichtige Antwort auf die Fragen, die globale Migrationsströme heute aufwerfen. Wie wir schon gezeigt haben, kann jedoch auch kein kapitalistischer Nationalstaat vollständigen Schutz gegenüber Antisemitismus gewähren (auch nicht der Nationalstaat Israel), weshalb wir diese Forderung immer mit der Perspektive der Aufhebung von Kapitalismus und Nationalstaatlichkeit verbinden müssen. In Israel müssen wir deshalb für die Beendigung der Besatzung, das Rückkehrrecht aller Geflüchteter und eine kommunistische Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes eintreten, damit die dort ansässige Bevölkerung Ruhe und Frieden finden kann. Lasst uns den rechten Pseudokämpfen gegen Antisemitismus – ob von AfD oder „Antideutschen“ – eine revolutionäre antikapitalistische Perspektive auf der Grundlage einer marxistischen Analyse entgegensetzen, damit sich die Shoa niemals wiederholt!




Was ist eigentlich Greenwashing?

Was das eigentlich genau ist, lässt sich vereinfacht so beantworten: beim Greenwashing versuchen Unternehmen oder auch Regierung sich als umweltfreundlicher darzustellen, als sie es tatsächlich sind. Mit einem Ökolabel wollen sie von Verbrechen gegen die Natur und schlechten Arbeitsbedingungen ablenken und sich ein besseres Image geben. Seit, in relativ großen Teilen der Gesellschaft, der Ruf nach mehr Umweltschutz wie z.B. Ausstieg aus Kern -und Kohlenenergie, verbrauchsarme Autos, usw. laut wurde , wird Greenwashing verstärkt zu Werbezwecken oder zum Wähler_innenstimmenfang genutzt. Wer dieses alles andere als grüne Spiel betreibt, und wie, das wollen wir jetzt anhand einiger Beispiele zeigen.

Autoland Deutschland

Wer sich mit Autos ein bisschen auskennt, weiß dass viele davon von deutschen Konzernen hergestellt werden: VW, BMW, Mercedes, Audi, Porsche… die Liste ließe sich noch länger fortsetzen -alleine zum VW Konzern gehören über zehn LKW und Automarken. Diese Industriemacht hat ein hohes Stimmgewicht in politischen Entscheidungen, denn im Kapitalismus vertreten Nationalstaaten und ihre Regierungen meistens nicht die Interessen der Bevölkerung, sondern der stärksten Unternehmen – in diesem Fall der großen Autohersteller. So wundert es uns dann auch nicht, dass der ehemalige Verkehrsminister (richtiger wäre Autominister) Alexander Dobrindt sich darum hinter die Autokonzerne stellte, als bekannt wurde, dass bei den Abgasen von Dieselmotoren kräftig manipuliert wurde, um die Autos als „grün“ zu verkaufen. Dobrindt sagte dazu: „Ein Imageschaden für deutsche Autos droht und das empfinde ich als furchtbar.“ Es geht ihm also nicht um uns, die die verpestete Luft atmen müssen, sondern um die Profite der Autokonzerne. Ein umweltfreundlicheres Verkehrsmittel wäre die Eisenbahn. 2016 gaben über 80% der Befragten in einer Umfrage an, dass viel mehr Güter auf die Schienen statt auf die Straßen gehören. Einer der Hauptgründe dafür war laut den Befragten der Umweltschutz. Doch der Anteil der Schiene am Güterverkehr liegt seit über 10 Jahren bei höchstens 18%. Auf den verstopften Autobahn verpesten dafür umso mehr Diesel – LKWs die Luft, wobei sie auch noch von der vor einigen Jahren reduzierten Maut profitieren.

BP und RWE

Die zwei bekanntesten Fälle von Greenwashing verdanken wir dem Ölkonzern British Petroleum und dem deutschen Energiekonzern RWE. Mitte der 2000er Jahre versuchte sich der britische Ölkonzern BP daran, dem schwarzen Brennstoff ein grünes Image zu geben. Anstatt „British Petroleum“ nannte sich das Unternehmen nun „Beyond Petroleum“, was so viel wie „jenseits des Erdöls“ heißt. Dazu noch ein passendes grünes Logo und schon ist das grüne Image fertig. Groß angekündigt wurden Investitionen in erneuerbare Energien, eigens dafür wurde die Unternehmenssparte „Alternative Energy“ gegründet. In der Tat wurden von BP auch erneuerbare Energien aufgebaut, doch der Versuch einen Ölkonzern als grün zu verkaufen, scheiterte als sich der Golf von Mexiko (Meer südlich der USA) im Jahre 2010 schwarz färbte. Eine Ölbohrplattform von BP war in Brand geraten und gesunken, was blieb war ein wochenlang anhaltender Öl-Strom aus dem Meeresboden. Um den Imageschaden für BP klein zu halten wurden Schweigegelder bezahlt und Fotos gefälscht. Das Öl wurde übrigens auf besonders „grüne“ Weise auf der Wasseroberfläche verbrannt oder mit Chemikalien im Meer gelöst.

Das Unternehmen RWE versuchte sich 2009 mit Werbung als „grüner Riese“ zu etablieren: der Energiekonzern drehte eine Spot dazu mit Windkraftanlagen und grünen Landschaften. Zur selben Zeit war RWE einer der Hauptverantwortlichen für den deutschen CO2– Ausstoß und gerade mal 2% des RWE Stroms wurden damals durch erneuerbare Energien gewonnen. Übrigens verbrennt RWE auch heute weiterhin jährlich tausende Tonnen von Kohle.

Grüne Revolution statt grünes Werbe-Image

Im Kapitalismus werden Konzerne die von der Zerstörung der Umwelt profitieren, niemals über schein-grüne Manipulation und Gelaber hinaus kommen. Dazu gehören Energieunternehmen genauso wie die Autoindustrie oder auch politische Gruppen und Parteien. Sie betreiben Greenwashing, weil es ein bestimmtes Interesse an Umweltschutz gibt, dass ich auf den Markt und an in der Wahlurne nieder schlägt. Beim Greenwashing geht es nie um den Schutz der Umwelt, sondern um Profite und Stimmen. Das alles bestimmende Moment in unserer Gesellschaft ist weder Nachhaltigkeit noch der Schutz unserer lebensnotwendigen Umwelt. Über allem steht die Profitlogik des Kapitalismus, dessen Konkurrenzdruck alle Unternehmen dazu zwingt mehr und mehr Profit zu erwirtschaften. Wer mit den Ressourcen nachhaltiger umgeht und echten Umweltschutz betreibt, hat automatisch eine Konkurrenz-Nachteil, weil das teurer ist und geringere Profite erwirtschaftet werden. Langfristig führt dass ein Unternehmen in die Pleite. Sicher gibt es einige Momente, wo eine umweltschützende Maßnahme mit Profitinteressen einhergeht, aber unterm Strich ist es viel profitabler z.B. weiter auf Braunkohle zu setzen oder Müll einfach irgendwo abzukippen. Den Lebensraum von uns Menschen langfristig zu erhalten, kann im Kapitalismus nie verwirklicht werden. Es braucht eine sozialistische Revolution, die eine demokratische Planwirtschaft erkämpft, die einen tatsächlichen Umweltschutz umsetzen kann und durch gezielten Ausbau erneuerbaren Energien, durch den Vorzug einer Verkehrswende und durch einen nachhaltigen Umgang mit Naturressourcen. Erst ein demokratisches Wirtschaftssystem, was sich an den Bedürfnissen der Menschen und nicht am Profit orientiert, kann die fortwährende Zerstörung unseres Planeten aufhalten. Für uns ist Umweltschutz aber dennoch nichts, was wir irgendwann im Sozialismus umsetzen wollen.

Wir fordern:

  • Lasst uns gemeinsam den Kampf für den Umweltschutz und die Entlarvung des Greenwashing als profitable Lüge der Kapitalist_Innen aufnehmen!
  • Enteignung der Verkehrsunternehmen und Autoindustrie! Stellt sie unter Arbeiter_Innenkontrolle!
  • Kostenlose und flächendeckend ausgebaute öffentliche Verkehrsmittel für alle!
  • Für den Ausstieg aus der fossilen Energiegewinnung und den Einstieg in regenerative, grüne Energien durch die Kontrolle der Lohnabhängigen!



Was ist eine Internationale und warum gibt es so viele davon? Teil 1

Teil 1 – Der Aufbau einer Internationalen und ihre Ausweitung zu einer Massenpartei – Die IAA und die 2. Internationale

VON JAN HEKTIK

„Der Kampf um Befreiung ist International“ diesen Spruch hört man auf Demos und Aktionen oft, doch wie soll ein solcher Kampf überhaupt stattfinden? Viele Menschen würden diese Frage beantworten, indem sie sagen:“der Kampf muss in jedem Land stattfinden.“ Auf die Frage, wie und ob denn die Kämpfe in verschiedenen Ländern verbunden sein sollen, kommt die Idee einer internationalen Vernetzung. Doch reicht das wirklich aus? In einer Zeit in der die internationale Rechte gemeinsame Blöcke in Parlamenten bildet und gegenseitig Mobilisierungen unterstützt. In so einer Zeit kann die Antwort eigentlich nur lauten:“Das ist nicht genug!“

Und nicht nur die radikale Rechte handelt international. Auch die Bosse und Großunternehmen sind international aufgestellt. Lobbyist_Innen in Brüssel, Washington und den Metropolen Europas treten längst für Konzerninteressen ein, die nicht mehr an nationale Interessen gebunden sind. Ein Konzern wie Nestle hat Standorte auf der ganzen Welt und setzt seine politischen Ziele auch in aller Welt geplant und koordiniert durch. Doch was können wir dem entgegensetzen?

Schon Marx und Engels haben sich diese Frage gestellt, denn bereits vor über 150 Jahren bildeten sich kapitalistische Vereinigungen, die weltweit aufgestellt waren. Dies machte einen internationalen Kampf nötig.
So entstand die Idee einer Internationalen, im Sinne einer Weltpartei, die nicht nur lose Absprachen trifft. Die Idee war es, dass dadurch Kriege verhindert werden und massive Angriffe auf die Rechte von Arbeitenden bekämpft werden könnten.
Diese Idee auszuweiten und eine internationale Weltpartei, die für Frieden, Freiheit und Sozialismus auf der ganzen Welt kämpft, zu schaffen, machten sich Marx, Engels und auch viele andere zur Lebensaufgabe. Im Folgenden soll versucht werden, die Entwicklung der inzwischen vier Versuche des Aufbaus einer solchen Organisation zu beschreiben und die Fehler und Erfolge dieser zu betrachten, um daraus für die Zukunft zu lernen.

Die IAA – Die erste Internationale als Versuch internationale Kämpfe zu verbinden

Mitte des 19.Jahrhunderts hatte sich die kapitalistische Produktionsweise immer mehr ausgebreitet. Dadurch erhöhte sich zwangsläufig auch die Anzahl der Arbeiter_Innen und damit auch die Konflikte zwischen diesen und den Fabrikbesitzer_Innen massiv. In der Folge gab es einen gigantischen Zuwachs von gewerkschaftlicher Organisierung, Streiks, Arbeitskämpfen und einer Bewegung für bessere Arbeitsbedingungen und politische Rechte. In dieser Entwicklung sahen Marx und Engels die Chance, eine Internationale zu gründen, und nutzten ihre Kontakte in die Bewegungen in anderen Ländern, um diese offiziell 1864 zu gründen. Die erste Internationale erreichte eine Reihe von Erfolgen, die vor allem auch auf eine politische Tradition britischer Gewerkschaften zurückzuführen ist. Diese Unterstützung war auch praktischer Natur, zB bestreikten Textil- und Hafenarbeiter_Innen die Einfuhr von Baumwolle aus Sklavenarbeit sowie Betriebe, die sie nutzten. Aufgrund des frühen Stadiums der Entwicklung war die Arbeit hauptsächlich auf Ausweitung der Internationale und der Streikbewegung ausgerichtet. In diesem Rahmen wurden viele politische Organisationen der Arbeiter_Innenklasse wie Parteien oder revolutionäre Organisationen zusammengefasst. Das Ziel war in jeder Nation möglichst nur EINE dafür große politische Organisation der Klasse, in Form einer sozialdemokratischen Partei, zu haben.. In dieser sollte die Stoßrichtung des Kampfes der Klasse diskutiert und entschieden werden. In der Internationalen zeigten sich jedoch schon bald diverse Konflikte über die Ausrichtung der Arbeit. Einige Stimmen wollten vor allem eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und einen rein wirtschaftlichen Kampf. Andere Stimmen wollten auf die politische Herrschaft der Arbeiter_Innen abzielen. Gleichzeitig waren auch die Formen des Kampfes um diese Umsetzung der politischen Ziele umstritten.

Ziemlich bald stellte sich heraus, dass in der IAA zwei verschiedene Lager bestanden. Sie hatten unterschiedliche Vorstellungen in der Umsetzung und auch des zu erreichenden Ziels: Die eine Strömung ging als die Anarchist_Innen um die Ideen von Bakunin und Proudhon in die Geschichte ein. Die andere wurden Marxist_Innen genannt und sammelten sich um die Ideen von Marx und Engels. An diesem Konflikt sollte die IAA schlussendlich auch zerbrechen. Dies wurde vor allem nach dem Deutsch-Französischen Krieg sichtbar. Dort stürzten die Arbeiter_Innen von Paris die Herrschenden und hielten Wahlen ab. Die gewählten Verteter_Innen waren jederzeit abwählbar und durften nicht mehr Geld als der Durchschnitt der arbeitenden Bevölkerung bekommen (das war 1870/71! und beinhaltet mehr demokratische Rechte als wir heute haben!). Der Aufstand entstand durch die Entscheidung der Regierung, die Kanonen zur Verteidigung aus Paris zu entfernen. Sie wollte den Arbeiter_innen die Waffen abnehmen, doch anstatt dem Folge zu leisten, nutzten die Arbeiter_Innen diese, um die Kapitalist_Innen zu stürzen. Die Regierung machte daraufhin einen Deal mit den Deutschen und schlugen gemeinsam die Pariser Kommune nieder. Im Verlauf dessen und in den Hinrichtungen danach schlachteten sie Zehntausende ab. In der kurzen Zeit ihres Bestehens verwirklichte die Commune die Trennung von Kirche und Staat, die Abschaffung der Todesstrafe, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und den Aufbau einer bewaffneten Miliz von Arbeiter_Innen. Diese war im Gegensatz zum Militär demokratisch kontrolliert.

Sie beging jedoch auch eine Reihe von Fehlern, die zu ihrem Niedergang führte. Beispiele hierfür sind das Verzichten einer Offensive gegen die französische Zentralregierung, was dieser die Zeit zur Vorbereitung eines Angriffes verschaffte, oder die Unterlassung einer Verstaatlichung der Zentralbank und ihrer Goldreserven. Aus dieser Entwicklung zogen Marx und Engels den Schluss, die Klasse könne den bestehenden Staat nicht einfach übernehmen, sondern müsse ihn zerschlagen, um ihn durch etwas gänzlich Neues zu ersetzen. In Folge dessen trat der Konflikt zwischen Anarchist_Innen und Marxist_Innen innerhalb der IAA deutlicher zu Tage. Die Anarchist_Innen wollten vollständig auf den Aufbau von politischen Parteien und der Errichtung eines staatsähnlichen Gebildes verzichten. Dagegen hielten es die Marxist_Innen für notwendig, diese als Kampforganisationen gegen die bewaffneten und in Parteien organisierten Kapitalisten zu schaffen. Die Anarchist_Innen wollten stattdessen, in kleinen im Untergrund arbeitenden Gruppen, über Anschläge und Attentate die Bevölkerung zum Aufstand bewegen. Statt diese Auseinandersetzung innerhalb der IAA in Diskussionen und mit Argumenten zu führen, bildeten sie geheime Zirkel innerhalb der IAA, die ohne Wissen der restlichen IAA versuchen sollten, die IAA zu übernehmen.

Ein solches Manöver ist genau wie die Vorstellung von geheimen Gruppen, jedoch höchst undemokratisch und macht ein Einwirken aller auf die getroffenen Entscheidungen unmöglich. Im Jahr 1876 fand schließlich der letzte Kongress der IAA statt. Danach gab es faktisch keine arbeitende Internationale mehr. Teile der anarchistischen Bewegung sehen sich jedoch immer noch als Teil der IAA, sodass sie bis heute formell besteht. Die IAA ist als erster Versuch der Schaffung einer Internationalen von großer Bedeutung, sie veröffentlichte eine Reihe wichtiger Resolutionen. Weiterhin machte sie klar, dass in einer Organisation eine offene Auseinandersetzung über die Ausrichtung geführt werden muss. Auch heute heißt das für uns: Klarheit vor Einheit!

Wir sehen die Spaltung mit den Anarchist_Innen nicht als Fehler an, hatten sie schließlich gänzlich andere Vorstellungen, was zu erreichen wäre und wie das umgesetzt werden sollte. Es spricht nichts dagegen mit Strömungen zusammenzuarbeiten, die derart andere Vorstellungen haben. Jedoch kann eine Organisation nicht entgegenstehende Ziele und Mittel verfolgen, ohne sich selbst zu behindern, im Kampf aber trotzdem Schulter an Schulter mit politischen Strömungen arbeiten!

Die 2. Internationale – Eine Masseninternationale kämpft um politische Klarheit …

In den frühen 1880iger Jahren gab es die ersten Versuche eine neue Internationale zu schaffen. Diese gingen jedoch vor allem von Kleinstgruppen aus. Engels setzte sich zu diesem Zeitpunkt gegen die Schaffung einer neuen Internationale ein. Sie wäre eine zahlenmäßig und auch politisch schwache gewesen. Er war der Meinung, man solle mit dem Ausruf einer neuen Internationale warten, bis sie auch handlungsfähig wäre, und eine Sogwirkung entfalten könne. In einer Zeit, in der es Bewegung und einen Aufschwung von fortschrittlichen Ideen gibt, kann ein solcher Aufruf tausende zu gemeinsamen internationalen Aktionen mobilisieren. Wählt man den Zeitpunkt jedoch schlecht, so verpufft der Effekt und die Chance wird verspielt.

1889 gab es jedoch ernsthaftere Bestrebungen größerer Organisationen und Parteien, die Schaffung einer Internationalen zu bewirken. Es war in den letzten Jahren zu einem Wachstum von Parteien und Gewerkschaften gekommen. Diese waren jedoch größtenteils von der Idee geprägt, man könne durch rein gewerkschaftlichen Kampf und über die reine Arbeit in Parlamenten eine endgültige Verbesserung im Kapitalismus erreichen und sich mit dem System arrangieren.(im folgenden als Reformismus bezeichnet). Die deutsche Sozialdemokratie und die Marxist_Innen, versuchten deshalb in die Gründung zu intervenieren, um diesen Kräften das Feld nicht kampflos zu überlassen. Im Jahre 1889 tagten also zwei Arbeiter_Innenkongresse, die die Frage der Schaffung einer Internationalen diskutierten. Ein Kongress der Reformist_Innen, welche mehr Deligierte, aber weit weniger Länder beinhaltete und ein Kongress der Marxist_Innen. Es wurde auch erfolglos versucht, die Kongresse zu vereinen. Die Begründung war einfach: Die zwei Kongresse vertraten derart unterschiedliche Ansichten, dass man nicht mehr von einem gleichen Ziel sprechen konnte. Nichtsdestotrotz wurde angestrebt, das beide Kongresse (bzw. Ihre Bewegungen) eine Allianz im Sinne eines gemeinsamen Kampfes eingehen sollten. Außerdem einigte man sich auf einige gemeinsame internationale Aktionen.

Im Verlauf dieser gemeinsamen Mobilisierungen und aufgrund des Erfolges einiger internationaler Aktionen, wurde sich für den 1. Mai 1890 auf einen internationalen Streik für den 8 Stunden Tag geeinigt. Hierbei wurden die Bedingungen in den einzelnen Ländern berücksichtigt, sodass zwar überall Aktionen stattfanden, aber in manchen Ländern keine Streiks. Der 1. Mai 1890 war ein gigantischer Erfolg mit Massenstreiks und Demos in vielen Ländern und führte schließlich zur Gründung einer gemeinsamen Internationalen. Die 2. Internationale war ins Leben gerufen.

In den Jahren ihres Bestehens hatte diese mit einigen Problemen zu kämpfen. Am stärksten ins Gewicht fiel dabei wohl, dass die Sozialdemokratien in den europäischen Ländern immer mehr revolutionäre und sozialistische Forderungen und Positionen ablegten. Sie beschränkten sich auf rein gewerkschaftliche Forderungen. Vor allem der rechte Flügel der Sozialdemokratie, die so genannten Revisionist_Innen um Eduard Bernstein, vertraten die Ansicht, die parlamentarische Demokratie sei bereits eine über den Klassen stehende Institution und ermögliche die Befreiung der Arbeiter_Innen ohne das eine Revolution nötig sei.

… und scheitert!

Die Internationale versuchte diesem teilweise auch entgegenzuwirken, jedoch stieß sie dabei vor allem auf zweierlei Probleme: Erstens war das Sekretariat der 2. Internationale zwar befugt, Entscheidungen zu treffen und Resolutionen zu verabschieden, die nationalen Parteien kämpften jedoch stark dagegen an, sich von der Internationalen Anweisungen geben zu lassen. So bestand für sie keine Bindungswirkung, die der Entwicklung zum Reformismus hätte entgegenwirken können. Zweitens wurden zwar auf internationalen Kongressen Resolutionen verabschiedet, diese waren jedoch schwammig formuliert. Wie der Beschluss, auf jede Kriegserklärung solle mit Streiks und Aufständen geantwortet werden, der jedoch nicht zum Handeln verpflichtete.

Im Jahr 1914 musste die Internationale dann den Preis dieser Fehler bezahlen. Der 1. Weltkrieg brach aus und nahezu alle Parteien der 2. Internationale stimmten den Kriegen ihrer Länder zu und stellten so die Interessen ihrer Nation über die ihrer Klasse!
Dies führte immer mehr zum Abwenden der Internationale vom Internationalismus. Bis heute besteht die 2. Internationale formell weiter, jedoch hat eine Internationale ohne realen Internationalismus keinerlei Wert und dient so nur noch als Aushängeschild der Sozialdemokratie.

Hieraus lernen wir, dass ein Ausschweigen und hohle Kompromisse, die Meinungsverschiedenheiten nicht beilegen und lediglich dazu führen, dass sie am ersten Punkt großen äußeren Drucks zum Zerfall der Organisation führen. Es betont auch die Wichtigkeit, bindende Beschlüsse treffen zu können und eine feste Struktur zu haben, die auf internationaler Ebene den nationalen Interessen entgegentreten kann. Nur so können die Interessen der weltweiten Klasse gegen die nationalistische Propaganda verteidigt werden. Wir werden in der nächsten Ausgabe noch sehen, welche Lehren die später folgende dritte Internationale aus dem Verrat der zweiten zieht.

Opposition! – die Bolschewiki und die zweite Internationale

Schon vor dem Verrat der Parteien der zweiten Internationale durch die Unterstützung des ersten imperialistischen Weltkrieges hatte sich in den Debatten um die Ausrichtung der Arbeit und die Positionen zum Krieg eine linke Opposition gegen die Revisionist_Innen und Reformist_Innen gebildet. Nach dem Verrat erwies sich dies als wichtiger Faktor. Sie waren keinesfalls einheitlich in ihren Anschauungen, doch verband sie der Gedanke des Internationalismus und ihre Ablehnung des Krieges. Insbesondere die Bolschewiki intervenierten dort auf Grundlage der These Lenins, man müsse den nun stattfindenden und nicht mehr zu verhindernden Weltkrieg umwandeln in einen revolutionären Bürger_Innenkrieg. Er hatte die Vorstellung, man könne über Agitation in den Armeen die einfachen Soldaten zum Meutern gegen ihre Offiziere und Befehlshaber bewegen. So könne man die Gewehre von den Klassenbrüdern und Schwestern der anderen Nationen in Richtung der Herrschenden lenken und damit eine Revolution und somit auch ein Ende des Krieges erreichen.

Im Jahr 1915 kam es dann zur Zimmerwalder Anti-Kriegskonferenz, auf der nicht nur die linke Opposition, sondern auch Teile der zwischen den linken und rechten Teilen der Internationale stehenden Mitgliedern teilnahmen. Auf dieser Konferenz wurde zwar die Position Lenins abgelehnt, jedoch formierte sich dort die sogenannte „Zimmerwalder Linke“, die eigenständige Forderungen und Postionen veröffentlichte. Dies legte den Grundstein für die später entstehende III. Internationale.

In den Jahren des Krieges wuchs der Unmut der Arbeiter_Innen aufgrund des Schreckens des Krieges und des Ausbleibens des versprochenen „schnellen Sieges“. So konnte die Zimmerwalder Bewegung immer mehr Unterstützung unter diesen gewinnen und das ist einer der Gründe, wieso es dann auch 1918 zu massenhaften Meutereien und Aufständen in Deutschland kommen konnte, die eine Fortführung des ohnehin verlorenen Krieges unmöglich machten.

Wie selbst Vertreter wie Bauer (ein Sozialdemokrat aus Österreich) feststellen mussten, war es für eine offen bürgerliche Regierung unmöglich geworden, eine Regierung zu bilden. Hätte sie dies getan, sie wäre mit den Worten Bauers „binnen acht Tagen von Straßenaufruhren gestürzt und von ihren eigenen Soldaten verhaftet worden“. Europaweit kam es zu massenhaften Streiks und der Bildung von Arbeiter_Innen- und Soldatenräten. Die Revolution war auf dem Vormarsch. Nun fiel der SPD und der restlichen Sozialdemokratie der übrigen Nationen eine äußerst widerliche Aufgabe zu, denn sie sollte für die Kapitalist_Innen die Revolution aufhalten. Und das taten sie! In Deutschland spaltete sich die SPD darüber in 3 Parteien: Die Mehrheits-SPD (MSPD) trat klar für die Errichtung einer parlamentarischen Demokratie ein, die KPD (vorher Spartakus Bund) für eine Rätedemokratie. Die Unabhängige SPD (USPD) schwankte zwischen beiden. Über die Rolle der USPD und ihre Auswirkungen werden wir näher im zweiten Teil in der nächsten Ausgabe eingehen. Hier wird vor allem die Rolle der MSPD beleuchtet werden.
Diese setzte sich als stärkste Kraft in den Räten für ein Ende von Streiks, Aufständen, Fabrikbesetzungen und der Auflösung der Räte ein. Der Erfolg dieses Handelns zeigte sich dann auch im Bündnis der MSPD mit dem Militär (unter kaisertreuer Führung!), der Niederschlagung der Räterepublik in München und der Errichtung der Weimarer Republik.

So hatte die Sozialdemokratie ihre Aufgabe erfüllt, den Untergang der Revolution von 1919 besiegelt und somit die Befreiung der Arbeiter_Innen in Deutschland, Österreich und anderen Nationen verhindert. Die Revolution war zunächst aufgehalten.

Doch im Osten Europas formierte sich geführt von den Bolschewiki eine neue Hoffnung für die arbeitende Bevölkerung und die bisher größte Bedrohung des globalen Kapitalismus: Der erste revolutionäre Arbeiter_Innenstaat, die Sowjetunion.

Doch dazu mehr in der nächsten Ausgabe. Da wird es u.a.die Gründung und Entwicklung der Kommunistischen Internationale gehen, die sich zum Ziel setzte, den finalen Sturm der revolutionären Kräfte auf das Bollwerk der Reaktion zu führen und endgültig den Sieg des Sozialismus zu erkämpfen!




Was ist eigentlich Imperialismus?

VON FELIX RUGA, Juni 2017

Wir sprechen häufig vom Imperialismus, um gewisse Zusammenhänge in unserer jetzigen Gesellschaft zu beschreiben. An sich ist der Imperialismus das „höchste Stadium des Kapitalismus“, was so viel bedeutet wie, dass über die jüngere Geschichte hinweg alle Gesetze und Bewegungen des kapitalistischen Systems auf die Spitze getrieben wurden, sodass sich selbst teilweise positive Merkmale ins aller negativste verkehren.

Beispielsweise hat die Konkurrenz unter den Kapitalist_Innen verbunden mit der ständigen Konzentration des Geldes in wenigen Händen (je mehr Geld man hat, desto mehr Geld kann man machen) dazu geführt, dass sich nun in vielen Wirtschaftsbereichen (Auto-, Nahrungsmittelindustrie, Internet,…) so wenige, riesige Konzerne gebildet haben, dass sie sich untereinander absprechen können und kleine Unternehmen in diesen Wirtschaftsbereichen kaum noch eine Chance haben. Dies bedeutet faktisch eine Monopolbildung, die gerade aus der Konkurrenz erwachsen ist und damit den wirtschaftlichen Fortschritt mindert, weil die großen Konzerne nicht mehr darauf angewiesen sind, andere Unternehmen zu übertrumpfen, indem sie bessere Produkte für einen besseren Preis liefern.

Ein weiterer wichtiger Aspekt am Imperialismus ist der Kampf um die Neuaufteilung der Welt: In den dominanten Ländern (=Imperialist_Innen) hat es der Kapitalismus geschafft, den gesamten Markt aufzuteilen. Jedes Stückchen Land und Ressource hat einen Besitzer und Benutzer, jeglicher Bedarf an Waren ist gesättigt, alle wirtschaftlichen Nischen sind besetzt. Um zu wachsen, sind die hiesigen Kapitalist_Innen darauf angewiesen, ins Ausland zu investieren, wo es noch was zu holen gibt. Der Staat als Interessenvertreter des Kapitals versucht, Einflussgebiete zu erschließen. Zum Beispiel reißt momentan der deutsche Staat mit der Troika den griechischen Markt an sich. Doch die Erde ist endlich und Märkte erschöpfen sich irgendwann und der Kampf um einen „Platz an der Sonne“ muss immer verbissener geführt werden. Finanzielle Erpressung und Abhängigmachung schwächerer Staaten, gezielte Destabilisierung feindlicher Einflussgebiete, gewaltsame Eingriffe in widerständige Staaten und schlussendlich der Krieg unter den Imperialist_Innen werden zum notwendigen Mittel, um im Weltsystem des Imperialismus nicht hinten runterzufallen. All diese Praktiken gehen immer zum Leid der Arbeiter_Innenklasse und in den unterdrückten, schwächeren Ländern (=Halbkolonien) ist die Ausbeutung dadurch mehrfach so stark, wenn nicht nur die eigenen Chefs dich schröpfen, sondern auch noch ein Großteil der Gewinne wieder zurück in die imperialistischen Länder fließen oder gar noch Krieg in deinem Land geführt wird.
Dies macht die internationale Solidarität mit den unterdrückten Völkern unabdingbar und den isolierten Kampf wirkungslos. Wir sind Internationalist_Innen, weil wir erkannt haben, dass alle Menschen, die unter dem Imperialismus leiden, gemeinsam gegen diesen kämpfen müssen!




Internationaler Rechtsruck – seine Grundlagen verstehen, um ihn zu bekämpfen!

VON JAQUELINE KATHERINA SINGH


Wenn wir uns in der Welt umschauen, kann uns ein Schauer über den Rücken laufen. In Deutschland hat’s die AfD bei fast allen Wahlen zweistellig in den Landtag geschafft, während die etablierten Parteien einen deutlichen Stimmverlust erlitten. Neben dem massiven Anstieg von Übergriffen auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte in den letzten 2 Jahren, häufen sich auch Angriffe auf Linke, sowie auf Büros von Gewerkschaften, Linkspartei, SPD und anderen linken sowie migrantische Einrichtungen. Begleitet wurde dies mit Asylgesetzverschärfungen, die letztendlich in eine große Abschiebekampagne seitens der Regierung mündete.


Doch nicht nur in Deutschland hat sich die Lage verändert. Schauen wir in der Welt umher, sieht’s in anderen Ländern nicht viel besser aus. Werfen wir einen Blick nach Frankreich: Seit 2009 wird die Front National einflussreicher und der staatliche Rassismus nimmt zu. Der antimuslimische Rassismus ist besonders stark ausgeprägt, wie das die Debatte zum Burka-Verbot oder die physischen Angriffe auf Muslima nach dem Terroranschlag auf Charlie Hebdo zeigen.


Auch in Polen, sieht’s da nicht besser aus. Seit 2015 ist die rechtskonservative Prawo i Sprawiedliwość (kurz: PiS, dt: Recht & Gerechtigkeit) an der Regierung und verabschiedet reaktionäre Gesetze. Erst griff sie die Pressefreiheit an, im Herbst 2016 wurde versucht Abtreibungen zu verbieten. Von der Geflüchtetenpolitik des Landes will man lieber schweigen. Hinzu kommt eine starke faschistische Szene, die Linke systematisch angreift.


Auch in anderen europäischen Ländern sehen wir eine starke Rechte. Während in Österreich die FPÖ, eine rechtspopulistische Partei, stark zulegt und es nur eine Frage von 2% war, ob sie den Bundespräsidenten stellen, streifen in der Ukraine faschistische Milizen umher. Ebenfalls in Ungarn ist ein Rechtspopulist an der Regierung mit der faschistoiden Jobbik im Rücken und auch in Schweden oder Finnland haben die Rechten gut zugelegt. Doch dabei hört es nicht auf. Auf dem Großteil der Welt können wir einen Rechtsruck verzeichnen. Von den USA bis zu den Philippinen können wir beobachten, wie Rechtspopulist_Innen Erfolg haben. Klar ist: Dem Rechtsruck müssen wir uns entgegenstellen. Aber wie?


Warum ist das so?


Wenn wir uns effektiv wehren wollen, müssen wir auch verstehen, wie dieser Rechtsruck zustande kommt. Dazu müssen wir uns anschauen, in was für einer Welt wir eigentlich leben.


Um dies gleich zu beantworten: Aktuell leben wir im Stadium des Imperialismus. Dieses ist quasi die „höchste“ Stufe des Kapitalismus. Es gibt einen internationalen Weltmarkt samt einer internationalen Arbeitsteilung. Das heißt, dass weltweit gehandelt wird und deswegen nicht jedes Land Alles für sich selber herstellen muss. Wichtiger noch: Überhaupt nicht in der Lage ist mit der Produktivität dieser internationalen Arbeitsteilung standzuhalten. Außerdem gibt es zwei Formen von Ländern: imperialistische und unterworfene. Aus dem Schulunterricht kennen die ein oder anderen den Begriff der „Kolonisierung“. Damals gab es Länder, die offen andere Länder, also Kolonien abhängig gemacht haben – wirtschaftlich und politisch. Imperialistische Länder machen in einer gewissen Weise das gleiche. Sie halten unterworfene Länder, auch Halbkolonien genannt, wirtschaftlich abhängig. Jedoch politisch formal unabhängig. Oberflächlich erscheinen die meisten Halbkolonien als eigene Staaten. Schaut man sich aber an, wem die Firmen gehören, welche Zuschüsse der Staat bekommt und wie verwoben die Beziehungen mancher Politiker_Innen sind, wird schnell klar: komplett unabhängig agieren die Länder nicht.
Natürlich gibt’s noch mehr was wir zum Thema Imperialismus sagen sollten. Aber das würde den Rahmen des Artikels sprengen. Deswegen gehen wir an dieser Stelle nur noch auf zwei weitere, für den Rechtsruck relevante Punkte ein.


Einer dieser Punkte ist die fortschreitende Monopolisierung. Konzerne fusionieren, kaufen auf und übernehmen das Game in die Hand, während kleinere Firmen und Händler verdrängt oder aufgekauft werden. Das ist ein Prozess, der innerhalb der kapitalistischen Produktionsverhältnisse nicht gänzlich aufzuhalten ist. Einer kleinen Bäckerei im Dorf ist es nämlich unmöglich in der gleichen Zeit so viele Brötchen herzustellen wie es eine Bäckereikette machen kann (samt Maschinen, Anzahl an Arbeiter_Innen, Rohstoffpreisen usw. usf.). So wird dann auch der Preis der Dorfbäckereibrötchen teurer und mehr Menschen gehen zur Bäckereikette, weil es günstiger ist. Das Ganze hat positive, wie auch negative Seiten. Ersteres ist, verständlicherweise schwer zu glauben, wenn man sich anschaut was Bayer, Monsanto oder Unilever so verzapfen. Aber mit der Monopolisierung geht eine Zentralisierung der Produktion einher und sie legt den Grundstein für eine globale, organisierte Planwirtschaft. Da die großen Konzerne allerdings in direkter Konkurrenz stehen, kann dieser positive Aspekt nur genutzt werden, wenn die Arbeiter_Innen die Produktionsmittel selber kontrollieren. Ist das nicht der Fall stehen die Konzerne in Konkurrenz zueinander, produzieren unnötig aneinander vorbei und die negativen Auswirkungen wie Umweltverschmutzung, Raubbau etc. kommen zum Vorschein. Logische Folge der anarchischen Produktionsweise.


Es gibt aber noch einen anderen Aspekt der Monopolisierung: Kleinere Firmen, auch gerne als Mittelstand bezeichnet, die Angst haben ihre Stellung zu verlieren und nicht mehr zu existieren. Getrieben von der Angst des sozialen Abstieges fangen sie an, laut herumzubrüllen: Protektionismus, Nationalchauvinismus, Standortborniertheit, das sind ihre Argumente um sich zu schützen. Kurz gesagt: Sie wollen das Rad der Zeit aufhalten um nicht ihren Reichtum zu verlieren; sich gegen die internationale, arbeitsteilige Struktur des Gesellschaftssystems stellen.


Ein weiterer Aspekt des Imperialismus ist der Kampf um die Neuaufteilung der Welt. Zwar ist die Welt schon in unterdrückte und imperialistische Länder aufgeteilt, aber die oben beschriebene Konkurrenz zwischen wirkt sich auch auf die Nationalstaaten aus, die vereinfacht gesagt auch Interessenvertreter_Innen der jeweiligen national vorherrschenden Kapitalfraktionen. Die imperialistischen Staaten und Bündnisse wetteifern darum, wer welchen Absatzmarkt beherrscht, wer welchen national untergliederten Teil der Arbeiter_Innenklasse zu welchem Profit ausbeuten kann und die Zugänge zu Rohstoffen kontrolliert. So wird der aktuell führende, aber auch schwächer werdende US-Imperialismus ökonomisch von China, der EU global herausgefordert, diese Konkurrenz geht auch von Russland in militärischen Fragen (bspw. Syrien, Ukraine) aus.


Diese immerwährende Konkurrenz führt dazu, entgegen der Bedürfnisse und über den Bedarf produziert wird, woraus folgt dass es für einen immer kleineren Teil von Produzent_Innen Profite zu verteilen gibt. Nicht „nur“ gegenüber dem Proletariat (Arbeiter_Innen), sondern auch gegenüber den „Mittelschichten“. Diese kommen dann gegenüber dem Großkapital erneut in eine verstärkten Konkurrenz, bzw. müssen sie sich den gesteigerten Anforderungen dessen unterwerfen – als Betrieb, aber auch als kleinbürgerliche Schicht.
So werden die Kapitalist_Innen gezwungen immer nach einem Weg zu schauen, wie sie mehr Profit anhäufen können. Diesen erlangen die Kapitalist_Innen beispielsweise dadurch, dass sie Löhne kürzen oder in die Verbesserung der Produktionsmittel investieren. Ähnlich wie bei der Monopolisierung ist das eine Medaille mit zwei Seiten. Der Zwang die Produktionsmittel, also Maschinen, zu erneuern, bedeutet in einem gewissen Maß Fortschritt. Aber eben nur in einem gewissen Maß, da man dies nicht unendlich lange machen kann.
Irgendwann erreichen die Kapitalist_Innen den Punkt, an dem es zu teuer wird die Produktionsmittel zu erneuern und erneute Investitionen sich nicht mehr lohnen. Diesen Prozess nennt man „den tendenziellen Fall der Profitrate“, den Marx und Engels entdeckt haben.


Profit macht das Kapital mit der Ausbeutung der Ware Arbeitskraft (also mit Arbeiter_Innen, die ihre Arbeitskraft verkaufen). Diese ArbeiterInnen arbeiten mit Maschinen, sowie Rohstoffen (Produktionsmittel) und schaffen ungeheure Werte, wovon sie allerdings nur einen Bruchteil als Lohn bekommen. Je teurer die Produktionsmittel & Rohstoffe werden, je geringer der Anteil menschlicher Arbeit in der einzelnen Ware, daher sinkt die Rate, wenn auch nicht die Masse der Profite. Um also die jeweilige Profitrate (also wie viel Gewinn pro investiertes Kapital) zu erhalten. Auswege für diesen Prozess gibt es nicht viele für Kapitalist_Innen. Sie müssen versuchen andere aufzukaufen oder zu fusionieren. Auch Spekulationen bieten kurzfristig eine Möglichkeit den Prozess hinauszuzögern. Sind dann alle Möglichkeiten ausgeschöpft und Absatzmärkte erschlossen, greift man zu rabiateren Methoden. Dies kann man zum Einen durch Austeritätspolitik umsetzen, zum anderen aber auch durch wirtschaftlichen oder militärischen Krieg. In diesem werden die Produktionsmittel zerstört. Und die stärkere Kapitalfraktion kann verstärkt in neue Märkte eindringen, während die Verliererin noch eventuelle Reparationen und Wiederaufbauarbeiten trägt.


Wenn es dann keine wirklich gute linke Alternative gibt und es den Menschen schlechter geht, haben solche rechten Populist_Innen Erfolg. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise 2007/08 standen viele Banken kurz vor dem Bankrott. Viele hat wurden gerettet. Die Kosten dafür haben aber nicht jene getragen, die viel Geld besaßen. Nein, die Kosten wurden auf die Arbeiter_Innen abgewälzt. Praktisch wurden die Armen noch ärmer gemacht durch Leiharbeit, Kürzung bei Sozialleistungen,
sozialen Einrichtungen etc. In Griechenland beispielsweise gab es Zeiten, da konnten die Arbeiter_Innen sich entscheiden, ob sie entweder ihre Stromkosten oder ihre Krankenversicherung zahlten. Auch in den USA oder Spanien haben viele Leute Jobs verloren und es gab keine sozialen Sicherungen. Neueinstellungen fanden im Durchschnitt zu einem niedrigerem Lohnniveau statt.


Parteien, die eine dagegen die Stimme erhoben haben, gab es kaum. Gerade im Kern von Europa haben Sozialdemokrat_Innen wie die SPD dabei geholfen, die Kosten der Krise auf die Arbeiter_Innen abzuwälzen. Linke Reformist_Innen wie die Linkspartei haben es verpasst kräftig dagegen zu kämpfen. So scheiterten europaweite Streikversuche oftmals an der Blockade durch Gewerkschaftsbürokratien imperialistischer Nationen, siehe 14.11.12. Aktuell passen sie sich sogar dem Rechtsruck an und mobilisieren nicht aktiv gegen den staatlichen Rassismus oder jenen auf der Straße. Vielmehr versuchen sie die Wähler_Innen, die sie an die AfD verloren haben mir rechter Rhetorik wieder zu gewinnen.


Darüber hinaus gibt es in vielen anderen Ländern gar keine Parteien, die von sich behaupten, dass Interesse der Arbeiter_Innen zu vertreten. Das heißt insgesamt: Statt die wirklichen Probleme anzusprechen und zu benennen warum es den Leuten dreckig geht, gehen viele Parteien nach rechts und verschieben die Probleme. Man kann also sagen, dass die Arbeiter_Innenklasse sich also in einer Führungskrise befindet, da es keine größere Organisation existiert, die ihre Gesamtinteressen vertritt und eine klare Perspektive bietet.


Allerdings gibt es auch andere Beispiele. Als in in Griechenland die etablierten Parteien (PASOK und Nea Democratia) während der Krise an Stimmzahlen verloren, wurden nicht nur die Rechten stärker. Im Zuge der katastrophalen Situation im Land fanden die Reformist_Innen von SYRIZA in der Bevölkerung anklang. Die Partei versprach schließlich sich gegen die massiven Einsparungen zu wehren, die die Lebensgrundlage der Mehrheit im Lande zerstörten – und so wurde sie gewählt. Ähnliches konnten wir im letzten Jahr in Großbritannien beobachten. Jeremy Corbyn gewann die Wahl um den Vorsitz der Labour-Party als linker Reformist in einer sich stetig nach rechts bewegenden Partei, durch die massive Unterstützung der (neuen) Parteibasis.
An beiden Beispielen haben wir eine Menge Kritik, schließlich hat Corbyn Kompromisse mit dem Parteiapparat gemacht und SYRIZA sich dem Spardiktat entgegen ihrer Versprechungen gebeugt. Nichts desto trotz zeigen sie auf, dass „radikale Forderungen“ wie sie Bürgerliche nennen, Rückhalt in der Mehrheit der Bevölkerung finden können. Und die Sprengkraft des Verhältnisses von der Politik bürgerlicher Arbeiter_Innenparteien zu ihrer proletarischen Basis.


Was für eine Perspektive haben wir?


Zugegeben: Wirklich gut hört sich das Ganze nicht an. Der Rechtsruck geht mit zunehmender Militarisierung einher. Unterschiedliche Länder rüsten auf, Militärparaden oder schlicht und einfach das Werben für’s Sterben schleicht sich langsam in unseren Alltag. Hinzu kommt der zunehmende Rassismus. Er spaltet die Arbeiter_Innenklasse dadurch dass man Angst vor den Migrant_Innen, sowie Geflüchteten hat, die einem „Arbeit und Sozialleitungen“ wegnehmen wollen und fördert nationalen Chauvinismus.


Doch wir müssen das Ganze nicht einfach so hinnehmen! Es gibt Wege dieser tristen Zukunft zu entkommen. Als REVOLUTION treten wir dafür ein, dass es eine antirassistische Bewegung braucht, bestehend aus Gewerkschaften, Sozialdemokratie und linken Reformist_Innen, die sich dem Rechtsruck stellt. Aktuell sind es nämlich diese Organisationen, die einen Großteil der organisierten Arbeiter_Innen hinter sich führt. Denn Rassismus ist nicht einfach nur so beschissen. Er schwächt auch das objektive Interesse aller Arbeiter_Innen. Anstatt zusammen für eine bessere Lebensgrundlage zu kämpfen, bekämpft man sich gegenseitig (teile und herrsche). Deswegen ist es wichtig auch eigene Forderungen aufzustellen, wie nach bezahlbaren Wohnraum oder Mindestlohn für alle. Allerdings darf man auch nicht der Illusion verfallen, dass es nur ausreicht die „sozialen Fragen“ zu betonen. Diese Forderungen müssen konsequent mit Antirassismus verbunden werden, denn nur in praktischen Kämpfen kann man den sich etablieren Rassismus anfangen zu beseitigen. Widmet man sich in der jetzigen Situation nur den sozialen Fragen, vergisst man, dass Rassismus spaltet, kann ihn schlechter bekämpfen. Daneben muss auch die Frage der Selbstverteidigung aufgeworfen werden. Denn neben rassistischen Gesetzen, gibt es auch Rassist_Innen auf der Straße, die Migrant_Innen und Linke angreifen.


Aber eine Bewegung reicht nicht aus. Für uns Jugendlichen sieht unsere Zukunft echt beschissen aus: mehr Ausbeutung, mehr Überwachung, weniger Freiheiten und Perspektive. Es wird immer schwerer einen Ausbildungsplatz oder einen Job zu finden, von dem wir leben können ohne vorher den Spießrutenlaufen von unterbezahlten Praktika oder befristeten Jobs durchlaufen zu müssen. Für diejenigen, die weiblich, migrantisch oder geflüchtet sind, ist das Ganze nochmal ein Zacken härter. Nebenbei werden dann auch die Ausgaben für Bildungseinrichtungen gekürzt und in der Gesellschaft wird unser Selbstbestimmungsrecht über unseren Körper, sowie die eigene Sexualität eingeschränkt, oftmals geleugnet. Deswegen brauchen wir Jugendlichen eine eigene internationale Organisation mit einem revolutionären Programm. Ein Programm, das deutlich macht, dass es keine Spaltung aufgrund Herkunft, Geschlecht, Alter oder Sexualität geben darf und das aus den Fehlern der Vergangenheit lernt. Nur so können wir der Unterdrückung von Jugendlichen, auch in der Arbeiter_Innenbewegung selbst, entgegentreten. Wir müssen die aktuellen Problematiken mit einer revolutionären Perspektive verbinden und diese ins Bewusstsein der Menschen tragen. Konkret heißt das: Wir beteiligen uns an aktuellen Kämpfen wie Streiks oder Bewegungen und versuchen dort eine revolutionäre Perspektive rein zu tragen, insbesondere an den Orten an denen wir uns befinden, wie Schulen oder Betrieben.


Aber eine Organisation mit revolutionärem Programm braucht es nicht nur für uns Jugendliche. Als REVOLUTION ist uns nämlich bewusst, dass wir Jugendlichen nicht die einzigen sind, die unter dem System zu leiden haben und wir alleine nicht das System ändern können. Für uns ist die Arbeiter_Innenklasse die einzige Kraft, die eine Revolution anführen kann, wird doch durch ihre schöpferische Kraft der Großteil des gesellschaftlichen Wert produziert, den sich einzelne anschließend privat aneignen. Aus diesem Grund unterstützen wir die Anstrengungen, neue Arbeiter_Innenmassenparteien aufzubauen, die offen für ein revolutionäres, sozialistisches Programm kämpfen.


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Was ist eigentlich ein Schulstreik?

Schulstreik heißt Schule bestreiken. Das bedeutet Unruhe erzeugen, Stress machen, den immer gleichen Schulalltag durcheinander bringen, wach rütteln, action machen! Wenn wir Schüler_innen von verschiedenen Schulen uns an einem bestimmten Tag dafür entscheiden, nicht in die Schule zu gehen und uns stattdessen alle zusammen auf einem öffentlichen Platz für eine Kundgebung oder Demo treffen, ist das eine bewusste politische Entscheidung. Mehr noch: es ist ein Akt zivilen Ungehorsams oder sogar politischer Massenprotest!

Während uns Schule, Eltern, Lehrer_innen, Medien, Politiker_innen und Parteien ständig vereinnahmen und von ihren Meinungen überzeugen wollen, trauen sie uns Jugendlichen nicht zu, eigene politische Ansichten und Standpunkte zu haben. Aber wir wollen mehr als nur Ja und Amen sagen! Zusammen mit anderen Schüler_innen können wir gemeinsam diskutieren was uns ankotzt und was anders laufen muss in Schule und Staat. So können wir uns eigene politische Positionen geben und gemeinsame Forderungen formulieren. Durch den Schulstreik können wir die geordneten Verhältnisse, in denen wir ansonsten nicht gehört werden, einen Tag lang aus der Bahn werfen. Indem wir an diesem Tag – statt in die Schule – alle zusammen auf die Straße gehen, können wir uns und unseren Forderungen endlich eine Stimme geben und durch den Boykott des Unterrichts politischen Druck aufbauen. Eltern, Lehrer_innen und andere sind natürlich herzlich dazu eingeladen mit uns auf die Straße zu gehen, aber wo es lang geht bestimmen wir!


Hat früher auch geklappt!

Als sich der deutsche Staat 2008 dachte: „lass mal Geld sparen und das Abi um ein Jahr verkürzen“ gingen im selben Jahr am 12. November 100 000 Schüler_innen und Studis in ganz Deutschland auf die Straße. Ein Jahr später boykottierten sogar 270 000 von uns ihren Unterricht und ihre Seminare. Diese bundesweit organisierte Bildungsstreikbewegung konnte damals zwar nicht das sogenannte „G8-Abi“ verhindern aber einige Kürzungsmaßnahmen und Angriffe auf uns Schüler_innen abwenden. In Frankreich, Italien und Chile wurden zur selben Zeit sogar noch mehr Schulen und Unis anlässlich geplanter Bildungsreformen bestreikt.

Die Schulstreikbewegung gegen die Kürzungsprogramme zeigt, dass der Schulstreik eine wirksame Form des Widerstandes für uns Jugendliche sein kann. Wenn wir uns zusammenschließen und organisieren, können wir stark sein! Aber warum sollten wir jetzt streiken, wo gerade gar keine neuen Angriffe auf das Schulsystem geplant sind?


Refugee- Schul- und Unistreik

Eine Situation die gerade nicht nur uns Jugendliche sondern auch Frauen, Migrant_innen und vor allem Geflüchtete bedroht ist der Aufstieg von Pegida, AfD, Hogesa und Co. Diese rassistische Bewegung ist im letzten Jahr stark angewachsen und sorgt täglich für mehr brutale Angriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte. Der Staat schaut dabei fröhlich zu und reagiert auf den sozialen Rechtsruck mit noch mehr Asylrechtsverschärfungen und rassistischen Gesetzen. Während dagegen die Einen zusammen mit Kirche und CDU die zehnte „Mein-Kiez-bleibt-bunt“-Hüpfburgen-Bratwurst-Party feiern, fährt der Antifa-Feuerwehr-Bus jedes Wochenende von Naziaufmarsch in Kaff XY zu AfD-Parteistand in Kaff YZ. Wir können jedoch am besten dort Leute ansprechen, sie für unsere Ideen gewinnen, Aktionen starten und uns organisieren, wo wir uns tagtäglich und den Großteil unserer Zeit aufhalten müssen: in den Schulen! Bildung ist außerdem ein Grundrecht und bleibt vielen Geflüchteten zusammen mit anderen wichtigen Staatsbürgerrechten verwehrt. Die jugendlichen Geflüchteten, die dann doch zur Schule gehen dürfen, müssen permanent mit ihrer Abschiebung rechnen, werden in Sonderklassen zusammengepfercht und müssen sich rassistische Sprüche von ihren Lehrer_innen und Mitschüler_innen gefallen lassen.

Um dem etwas entgegenzusetzen, haben im letzten Jahr Schüler_innen und Studis aus verschiedenen Städten die bundesweite Plattform „Jugend gegen Rassismus“ gegründet. Um die gemeinsam diskutierten Forderungen durchzusetzen, fand zuletzt ein bundesweiter „Refugee- Schul- und Unistreik“ statt an dem sich in ganz Deutschland über 8000 Jugendliche beteiligten. Um jedoch eine starke antirassistische Jugendbewegung aufzubauen, müssen wir noch mehr werden, in noch mehr Städten streiken und noch mehr von uns auf der Straße und in den Schulen mobilisieren. Also Yallah!




Was ist Sexismus?

Gegen Sexismus kämpfen? Das scheint für die Mehrheit der Linken selbstverständlich. Von AntiimperialistInnen über Antideutschen bis hin zu einigen Bürgerlichen ist man sich einig: Dagegen gilt es vorzugehen. Doch wie sieht ein effektiver Kampf gegen Sexismus aus?

An dieser Stelle scheiden sich die Geister. Für die einen wird das Problem gelöst, indem einfach überall Frauenquoten eingeführt werden, für die anderen reicht es, oben ohne zu protestieren und Männern die Schuld zuzuweisen. Doch um einen effektiven Kampf gegen Sexismus zu führen, bedarf es einer konkreten Analyse, die uns die Wurzel der Unterdrückung aufzeigt.

Wie zeigt sich Sexismus?

Sexismus hat viele Gesichter und Facetten. Halbnackte Frauen in der Werbung, dumpfe Stereotype der Hausfrau, Karrierefrau oder der dummen “Schlampe”, die sich nur um ihr Aussehen kümmert. Street Harassement (sprich Belästigung auf der Straße), das mit unangebrachten Kommentaren oder starrenden Blicken beginnt und bis hin zu physischen Übergriffen geht. Unrealistische Schönheitsideale, die durch die Medien vermittelt werden, jegliche Vielfalt des menschlichen Körpers ausradieren und dafür sorgen, dass sich eine Frau unwohl im eigenen Körper fühlt und an ihm zweifelt, wenn sie in ein paar Punkten nicht mit dem präsentierten Ideal übereinstimmt. Nebensächliche Behandlung von der Rolle der Frau in der Geschichte, angefangen bei der Bibel und der Annahme, dass der alles erschaffende Gott als männliche Figur präsentiert wird bis hin zu unserem Geschichtsunterricht, in dem ausschließlich Männer Jäger sind und die Rolle von Wissenschaftlerinnen unter den Tisch fallen gelassen werden. Bedeutene Politikerinnen oder gar Revolutionärinnen werden per se nicht erwähnt. Und leider könnte man die Liste könnte ewig im Detail weiterführen, denn frauenfeindliche Witze, dumme Sprüche, körperliche Übergriffe sind salonfähig in unserer Gesellschaft — das ist die traurige Realität.

Allerdings gilt es herauszustellen, dass eine institutionelle, strukturelle Benachteiligung der Frau existiert. Durchschnittlich verdienen Frauen in Deutschland ca. 25% weniger. Zum einen liegt das an dem Punkt, dass sie eher im Pflegebereich zu finden sind, der sowieso unterbezahlt ist. Zum anderen werden sie aber auch für gleiche Arbeit wesentlich schlechter bezahlt.

Frauen in Führungspositionen? Kaum zu finden. Durchschnittlich machen Frauen 29% aus. Und das obwohl in Ländern wie Deutschland, wesentlich mehr Frauen einen gymnasialen und Hochschulabschluss erworben haben als Männer und zur Universität gehen.

Auch die rückschrittliche Gesetzgebung in Bezug auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung ist wichtig zu erwähnen. Laut §177 Strafgesetzbuch liegt nur dann eine Vergewaltigung vor, die dann strafrechtlich verfolgbar ist, wenn keine Fluchtmöglichkeit besteht und wenn sich die Frau körperlich gegen den Täter währt. Tatsache ist aber, dass die meisten Vergewaltigungen nicht so ablaufen, dass eine Frau auf dunkler Straße weggeschnappt und in einen Wald gezerrt wird. Auch die unzureichende medizinische Versorgung in Bezug auf kostenpflichtige Verhütung und Abtreibungen sind Teil dieser Benachteiligung. Alle diese Tatsachen verweisen darauf, dass dem Sexismus zu eine strukturellen Unterdrückung zugrunde liegt, die sich in einer Benachteiligung auf materieller und institutioneller Ebene wiederfindet.

Wichtig ist es außerdem zu betonen, dass zwar alle Frauen von Sexismus betroffen sind, aber im unterschiedlichen Maße. Women of Colour (das heißt alle nicht-weißen Frauen) sind in stärkerem Maße von sexuellen Übergriffen und Arbeitslosigkeit betroffen, genauso wie trans und queere Frauen. (Eine trans Frau zu sein, schließt außerdem nicht aus lesbisch, bi- oder asexuel zu sein.) Sie verdienen im Schnitt weniger und sind öfter Ziel gewalttätiger Übergriffe.

Natürlich macht es auch die Klassenzugehörigkeit einen entscheidenen Unterschied aus. Eine doppelte Last in Beruf und Hausarbeit existiert nur für die arbeitenden Frauen – nicht für jene aus der herrschenden Klasse, die von der Ausbeutung anderen (inklusive anderer Frauen) leben.

Sexismus und Männer

Männer und Sexismus, was heißt das überhaupt? Wenn es darum geht, dass Jungs in der Schule schlechter sind oder öfter negative Verhaltensauffälligketen aufweisen, fällt das Wort zuhauf. In bürgerlichen Medien wird oft das Bild vermittelt, dass Sexismus etwas ist, das in beide Richtungen geht.

Ja, durch die Verankerung der Stereotype und der Darstellung der Frau als schwaches Geschlecht, haben auch Männer mit ihrem Rollenbild  zu kämpfen. “Du bist ein schwacher Mann, wenn du Gefühle zeigst” oder “Sei keine Pussy!” sind nur ein paar Beispiele dafür. Fällt man aus dem Stereotyp und hat andere Interessen als Sport, Musik (aber wenn du ein Instrument spielst, dann bitte ein richtig männliches. Nicht Harfe oder so’n Quark) oder keinen Bock auf den Kräftemessen hat, kann es schnell passieren, dass man als Weichei oder homosexuell abgestempelt hat. Dies ist jedoch kein Ausdruck sexistischer Unterdrückung oder gar von Sexismus, sondern der Unterdrückung des Individuums durch bürgerliche Normen.

Woher kommt denn nun Sexismus? Wie oben schon geschrieben: Möchte man einen effektiven Kampf gegen Sexismus führen, bedarf es einer Analyse, die nicht nur seine Folgen zeigt, sondern auch seine Ursachen kennt. In seinem Werk “Die Geschichte der Familie, des Privateigentums und des Staates’’ stellt Friedrich Engels mithilfe des historischen Materialismus Thesen zum Ursprung der  Frauenunterdrückung auf.  Mit der Entstehung des Privateigentums und der Klassengesellschaft beginnt auch die Unterdrückung von Frauen. Hier wird nun ein sehr kurzer Abriss von den wichtigsten Punkten in der Geschichte der Frauenunterdrückung gegeben.

Urkommunismus

In den früheren Gesellschaften existierte eine Art “Urkommunismus”. In diesem waren Frauen gleichgestellt, es gab keine systematisch diskriminierenden Geschlechterrollen und eine rollenpluralistische Arbeitsteilung, Vielweiberei und statt einer Familie eine Art Verwandschaftsgruppe, die ihren Besitz kollektiv verwalteten. Zudem wurde Subsistenzwirtschaft betrieben. Das heißt kurz gefasst: Arbeit wurde nicht nach dem Motto ‘’Frauen gehen sammeln und Männer jagen’’ getrennt, sondern nach jung und alt, sowie dem Können.

Jungsteinzeit

Nun ein kleiner Zeitsprung. Wenn wir uns an den Geschichtsuntericht zurück erinnern, gab’s dann auch irgendwann mal Menschen, die nicht nur gejagt und gesammelt haben, sondern Feldanbau/Ackerbau und Viehzucht betrieben und Werkzeuge entwickelten. Hier waren die notwendigen Arbeiten meistens geschlechtsunabhängig verteilt bzw. gab es keine Trennung von Produktion (Herstellung von Waren) und Reproduktion (Wiederherstellung der Arbeitskraft, Erziehung, Pflege).

Entwicklung der Klassengesellschaften

Dies ändert sich mit dem entstehenden privaten Grundbesitzes an Grund und Boden, welcher in den sesshaften Formationen sich durchsetzte. Hier gab es patriarchale und matriarchale Vererbungslinien, wovon die patriarchale die dominante Struktur wurde.

Diese Besitzstruktur veränderte grundlegend die sozialen Bindungen und ist eine Vorstufe der weiter später entstehenden bürgerlichen Familie, welche ihren Besitz auf ihrer Linie weitervererbt und damit monogame Bindungen entwickelt und verstetigt. Mit der Enstehung der Klassengesellschaft, sprich in der Antike, verfestigte sich auch die monogame Ehe (für die Frau). Durch den Wegfall von Clans/Verwandschaftsgruppen, kam dann die Privatisierung der Hausarbeit in der individuellen Familieneinheit hinzu. Nach deren Niedergang herrschte der Feudalismus in Europa. Hier wurde die monogame Ehe besonders durch die Ideologie des Christentums gefestigt.

Kapitalismus – Feste Trennung von Produktion und Reproduktionsarbeit

Und weil’s so schön ist: Nochmal ein Zeitsprung. Zur Zeit der industriellen Revolution wird uns beantwortet wie es zur festen Trennung von Produktion und Reproduktionsarbeit kam.

Der Haushalt hörte auf, die grundlegende Produktionseinheit zu sein. Man produzierte nicht mehr für sich selber, sondern arbeitete nur noch in kapitalistischen Fabriken und Landwirtschaftsbetrieben. Die Familie blieb erhalten, um Arbeitskraft zu reproduzieren. Um das zu erfüllen, mussten Frauen zuächst neben der Reproduktionsarbeit dezentral organisierte Heimarbeit (weben, nähen etc.) verrichten. Im Zuge der Entwicklung und Rationalisierung der Produktivkräfte wurden sie Schritt für Schritt in den Produktionsprozess integriert. Die Einführung von Maschinen in der Industrieproduktion erlaubte es allen Teilen der ArbeiterInnenklasse – egal welchen Geschlechts oder Alters – im Produktionsprozess nützlich zu sein. Zum einen, um die Löhne der Arbeiter zu drücken, da der Kapitalismus es schon damals als selbstverständlich ansah Frauen schlechter zu bezahlen und zum anderen um dem wachsenden Maß an gesellschaftlicher Arbeit gerecht zu werden. In dieser Zeit wurde kein Ausgleich zur Last der Reproduktionsarbeit geschaffen (doppelte Belastung), und auch heute scheint es selbstverständlich das häusliche Arbeit von Frauen neben ihrem Job getragen werden, oder dass Frauen nach der Geburt eines Kindes erstmal mit dessen Erziehung im Rahmen eine Mutterschaftsurlaubs beschäftigt werden. Allerdings konnte die Familie ihren ursprünglichen Zweck nicht erfüllen, da alle ihre Mitglieder gezwungen waren zu arbeiten. In Zuge von Reformen wurden dann Arbeitsschutzgesetze erlassen. Einschränkung der Arbeitszeit -besonders für Frauen und Kinder. Dies bedeutete,
dass die bereits existierende Trennung zwischen Hausarbeit und gesellschaftlicher Produktion verschärft und die Unterdrückung der Frauen dadurch verstärkt wurde.

Was ist der Unterschied unserer Position zum bürgerlichen Feminismus?

Bürgerlicher Feminismus, was ist das überhaupt? Alice Schwarzer und ihre Kolleginnen von der EMMA sind neben Femen ganz oben in der Rangliste der bürgerlichen Feminst_innen. Durch ihre Analyse vom Sexismus, von der man behaupten könnte, dass sie fast gar nicht existiert, kommen sie zu zahlreichen zweifelhaften Aussagen. Selbstbestimmungsrecht von SexarbeiterInnen? Ist Ihnen eine anscheinend fremde Sache.  Menschenhandel und Zwangsprostitution lösen sie lieber mit Verboten anstatt mit offenen Grenzen. Und nicht nur, dass sie die sexuelle Selbstbestimmung mit Füßen treten, nein, in vielen Artikeln äußern sie sich auch konkret rassistisch gegen den Islam, indem sie sagen, dass dieser per se und qualitativ anders als die christlichen Religionen Frauen unterdrückt.

Und was ist eigentlich mit dem Pop-Punk-Glitterfeminismus, der auf Twitter und Tumblr ausgelebt wird? Sich mit seinen eigenen Gefühlen in Bezug auf die erlebte Unterdrückung zu beschäftigen, ist als positiv zu betrachten. Allerdings fehlt in Magazinen wie dem Missy Magazin oft eine revolutionäre Perspektive, sowie brauchbare Analyse der Umstände. Denn Worte formen leider nicht die Realität, sondern die ökonomische Basis der Gesellschaft.

Wir abstrahieren die Unterdrückung der Frau nicht von der Unterdrückung des Proletariats im Zuge der Spaltung der Arbeiter_innenbewegung. Daraus lässt sich unsere Kampfform gegen Sexismus ableiten. Der proletarische Antisexismus, in dem wir uns nicht zur Aufgabe machen Unterdrückung über abgehobene Aktionen und Theorien zu bekämpfen, sondern indem wir in eigenen Frauengremien und gesonderten Treffen (Caucus) Probleme sexistischer Unterdrückung thematisieren, Propaganda zum Thema Sexismus erstellen und uns an konkreten Frauenkämpfen in Form von Kampagnen beteiligen.

Wie gehen wir mit Sexismus in der eigenen Organisation um?

Anders als andere Gruppen, beanspruchen wir nicht, dass wir frei von Sexismus sind -weil wir das noch nicht sein können. Wir sind in einer Gesellschaft groß geworden, die uns sexistisch geprägt hat. Das heißt allerdings nicht, dass wir uns damit ‘n Freifahrtschein in die Tasche stecken und mit der Frauenbefreiung warten bis der Sozialismus kommt. Das mag vielleicht die Taktik von Anderen sein, aber für uns gilt das Motto: Kein Sozialismus ohne Frauenbefreiung, keine Frauenbefreiung ohne Sozialismus!

Was das für uns konkret heißt? Sich mit den Problematiken, denen Frauen in unserer Gesellschaft ausgesetzt sind, zu beschäftigen und einen Raum frei von abfälligen Kommentaren und Belästigung zu schaffen um ein solidarisches Verhältnis zwischen allen Mitgliedern unserer Organisation zu gewährleisten. Auch quotierte Redner_innenlisten gehören dazu, sowie die absolute Parteilichkeit im Falle einer Vergewaltigung innerhalb der Organisation.

Ein Artikel von Katherina Singh, REVOLUTION Berlin




Strahlung, Radioaktivität, Kernschmelze – was ist das eigentlich?

Als es Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre erstmals gelang, mittels Atomenergie Strom zu erzeugen, waren viele Wissenschaftler der Meinung, alle Energieprobleme der Menschheit seien gelöst. Und in der Tat stellte die Kernenergie (Atomkraft, Atomenergie, Kernenergie, Nuklearenergie… alles dasselbe) rein physikalisch gesehen eine bisher ungeahnte Möglichkeit dar, Energie zu erzeugen.

Das Grundprinzip der Kernenergie steckt in Albert Einstein´s berühmter Formel E = m*c2. Diese Formel besagt, dass Masse (m) und Energie (E) äquivalent sind, d.h. dass sich Masse in Energie umwandeln kann (und umgekehrt). Das entscheidende steckt in dem c2. C steht für die Lichtgeschwindigkeit, die eine Naturkonstante ist. Sie beträgt ca. 300 000 km/s und ist somit unfassbar groß. In diese Formel muss sie auch noch in m/s eingesetzt werden, d.h. 300 000 000 m/s.

Daraus folgt, dass sich bereits eine winzige Menge an Masse, z.B. ein Gramm, in eine riesige Menge an Energie umwandeln kann.

Bis heute kennen wir zwei Prozesse, die Masse in Energie umwandeln können: Kernspaltung (Atomkraft) und Kernfusion. An der Kernfusion wird kräftig geforscht, doch momentan (und noch für einige Zeit) lässt sie sich nicht technisch nutzen. Der Prozess der Kernspaltung steckt hinter der Atomenergie. Bereits Ende des 19ten Jahrhunderts wurde entdeckt, dass es Elemente gibt, die instabil sind und „zerfallen“. Henri Becquerel, Pierre und Marie Curie und Ernest Rutherford sind berühmte Wissenschaftler_innen, die bei der Erforschung der Radioaktivität beteiligt waren (und das teilweise mit ihrem Leben bezahlt haben). Die Stabilität eines Atoms basiert auf einem Ausgleich der verschiedenen Kräfte, die in dem Kern und der Schale aufeinander einwirken. Wenn diese Kräfte nicht ausgeglichen sind, wird der Atomkern instabil. Das ist vor allem bei sehr „großen“ Atomen (mit vielen Protonen und Neutronen) der Fall (Uran, Radium, Plutonium…), kann aber auch bei anderen, uns sehr geläufigen Atomen auftreten, so z.B. bei Kohlenstoff, Kalium und Wasserstoff.

Wenn ein Atomkern instabil wird, sendet er Strahlung aus. Dabei werden einzelne Teilchen in dem Kern umgewandelt, mit dem Ziel, einen stabilen Zustand zu erreichen. Bei diesem Prozess wird besagte Energie frei. Bei Radioaktivität unterscheidet man zwischen Alpha-, Beta- und Gammastrahlung. Das Problem dabei ist, dass alle diese Strahlungen sehr gefährlich für alle Lebewesen auf dieser Erde sind. Sie sind sehr energiereich und zerstören organische Moleküle. Alle Lebewesen (so auch der Mensch) bestehen aus organischen Molekülen. Während wir ständig einer gewissen radioaktiven Strahlung ausgesetzt sind, können hohe (unnatürliche) Dosen unsere Zellen zerstören. Das wirklich gefährliche dabei ist, dass auch die DNA, die Erbsubstanz, zerstört oder beschädigt werden kann. Daraufhin verlieren die Zellen ihre Teilungsfähigkeit und/oder ihre Regulierung. Die Folge davon ist akut die sogenannte Strahlenkrankheit, chronisch entsteht Krebs.

In einem Atomkraftwerk wird nun dieser Prozess der Kernspaltung dazu genutzt, um Wasser zu verdampfen und damit Turbinen anzutreiben, die elektrischen Strom erzeugen. Die Stromerzeugung funktioniert wie in jedem anderen Kraftwerk auch, nur die Energiequelle ist eine andere. Anstatt Kohle oder Gas zu verbrennen, wird radioaktives Material verwendet. In einem Atomkraftwerk findet der Prozess der Kernspaltung kontrolliert statt. Das Gegenstück, der unkontrollierte Prozess, wurde während des 2.Weltkrieges in den USA entwickelt und den kennt ihr auch alle: die Atombombe.

Nun kann aber auch der Prozess in einem Kernkraftwerk außer Kontrolle geraten. Dann wird so viel Energie frei gesetzt (es wird immer heißer, deshalb wird auch ständig von Kühlung gesprochen), dass letztlich alles schmilzt: die „Kernschmelze“. Das radioaktive Material schmilzt sich sozusagen durch die Reaktorwände und tritt nach außen. Dann wird es freigesetzt und in der Umwelt verteilt. Durch die Strahlung werden wieder andere, bisher stabile Atome radioaktiv und die radioaktive Verseuchung nimmt ihren Lauf. Wenn es einmal so weit ist (wie jetzt in Japan) ist es unmöglich, den Prozess der radioaktiven Verseuchung aufzuhalten.

Aber an einem Atomkraftwerk ist nicht nur die Kernschmelze gefährlich. Der Abbau des radioaktiven Materials, der Transport, seine Aufbereitung, der Betrieb und die „Entsorgung“: es ist nicht möglich, ein Atomkraftwerk zu betreiben, ohne Radioaktivität in die Umwelt freizusetzen.

Deshalb sind wir von REVOLUTION der Meinung, dass die Atomkraft ausgedient hat! Es gibt genügend Alternativen. Sie werden nur aus Profitstreben nicht umgesetzt, nicht weil die Atomkraft eine eh sichere und perfekte Energiequelle sei, die am Rande bemerkt genau so erschöpflich ist, wie Kohle, Erdöl und Erdgas.