Corona-Impfstoff: Das Wundermittel gegen die Krise?

Von Marcel Möbius

Auch
wenn inzwischen wieder härtere Lockdown-Maßnahmen verhängt wurden,
lassen die internationalen Infektionszahlen leider wenig Raum für
Hoffnung auf ein Ende der Corona-Pandemie. Die USA, Brasilien und
Indien sind weiterhin Spitzenreiter der Neuinfektionen und
Großbritannien kämpft mit einer Mutation des ursprünglichen
SARS-Virus, die weitaus ansteckender sein soll als bisher. Insgesamt
haben sich weltweit bisher rund 70 Millionen Menschen infiziert,
wovon rund 1 Millionen an den Folgen starben. Die Folge dessen ist
eine enorme Belastung für die Arbeiter_Innen im Care-Sektor.

In
Deutschland sind die Infektionszahlen damit wieder auf einem
Höchststand, wie zuletzt im Mai diesen Jahres. Die zweite Welle ist
also voll angekommen und sie ist härter als die erste.

Konkurrenz
statt Kooperation:

Was den Impfstoff angeht: Während die Suche danach
lief, gab es kaum internationale Zusammenarbeit. Durch den
Konkurrenzdruck versuchte jedes Land, als erstes einen Impfstoff zu
entwickeln, um diesen dann möglichst profitbringend an andere
verkaufen zu können. Mittlerweile hat sich der Impfstoff des
deutschen Unternehmens Biontech in Zusammenarbeit mit dem
amerikanischen Partner Pfizer als wahrscheinlichster Kandidat für
die Zulassung in Deutschland herausgestellt.

Gegen SARS-CoV-2, das erst seit etwa Neujahr 2020
bekannt ist, sind binnen kurzer Zeit laut der
Weltgesundheitsorganisation WHO mindestens
214 (Aufstellung vom 08.12.2020)
Impfstoffprojekte weltweit angelaufen. In der Liste der Unternehmen
finden sich vorrangig Pharmakonzerne aus imperialistischen Staaten,
da es natürlich gewisse Grundbedingungen braucht, um ein solches
Projekt angehen zu können: Zum einen benötigt man große Mengen an
Kapital, um diese Forschung zu finanzieren. Zum anderen benötigt man
eine entsprechend gut ausgebaute Bildungs- und Infrastruktur, um
dieses Projekt effektiv angehen zu können, wozu man eben
entsprechend gut ausgebildetes Personal benötigt. Und natürlich
forschen die Pharmakonzerne nicht aus gutem Willen am Impfstoff: Zum
einen gibt es das ökonomische Interesse bürgerlicher
PolitikerInnen, die Wirtschaft nicht länger einschränken zu müssen,
sodass diese möglichst bald wieder ihre Produktion uneingeschränkt
aufnehmen kann. Zum anderen wollen die Unternehmen selbst, die die
Forschung vorantreiben, den Impfstoff möglichst gewinnbringend
verkaufen.

Zum Impfstoff selbst:

Bei dieser Corona-Variante erweisen sich vor allem
die RNA-Impfstoffe als effektiv. Der Impfstoffkandidat von Biontech
ist ein RNA-Impfstoff und verspricht eine Wirksamkeit von 95%,
nachdem er zwei Mal verabreicht wurde. Diese RNA-Impfstoffe gehören
zu den ersten ihrer Art, sodass es nicht sicher abzusehen ist, was
sie für Langzeitnebenwirkungen haben könnten, auch wenn deren
Wirkweise (mRNA) schon lange bekannt ist:

Diese Impfstoffe enthalten Teile der Erbinformation
des Virus in Form von RNA, die den Bauplan für ein oder mehrere
Virusproteine bereitstellen. Nach der Impfung wird die RNA von
einigen wenigen menschlichen Körperzellen aufgenommen. Die
Körperzellen nutzen die RNA als Vorlage, um die Virusproteine selbst
zu produzieren. Da aber nur ein Bestandteil des Virus gebildet wird,
ist ausgeschlossen, dass auf diesem Weg komplette vermehrungsfähige
Viren entstehen können. Die neu gebildeten, ungefährlichen
Virusproteine werden als Antigene bezeichnet, denn sie aktivieren das
Immunsystem und erzeugen so die schützende Immunantwort.

Der Impfstoff schützt uns nicht vor
kapitalistischer Ungleichverteilung:

Zwar darf man sich natürlich nicht durch
Verschwörungstheorien um Bill Gates, implantierte Chips oder
Ähnliches blenden lassen. Die Wirkungen der Impfstoffe werden gut
erforscht und ihre kurzfristigen Nebenwirkungen damit einhergehend
auch. Da die Wirtschaft allerdings nicht zu sehr gehemmt werden darf,
können keine Langzeitfolgen erforscht werden. Dies bedeutet ein
Risiko auf weitere langfristige Nebenwirkungen für die Bevölkerung,
das durch die Profitinteressen verschuldet wird. International
betrachtet zeigt sich dies noch deutlicher, da beispielsweise in
Russland im November bereits mit den Impfungen begonnen wurde. Bis
Jahresende 2020 sollen hier 400.000 Militärangehörige gegen das
Virus geimpft sein.

Dies führt direkt zur nächsten Diskrepanz im
Zusammenhang mit dem Impfstoff, da nicht überall zuerst gefährdete
Menschen geimpft werden sollen, sondern auch Polizist_Innen und
Angehörige des Militärs. Hier sieht man, wo die Prioritäten
bürgerlicher Politik liegen. Beispielsweise hat die bayerische
Landesregierung am 10. Dezember geäußert, zuerst Polizist_Innen
impfen zu wollen, wenn ab dem 03. Januar womöglich der Impfstoff zur
Verfügung steht. Der Aussage schlossen sich neben
Bundesinnenminister Horst Seehofer auch die Innenminister der
Landesregierungen von Hamburg, Baden-Württemberg und Niedersachsen
an. Die Gesundheit von Polizist_Innen ist für sie einzig und allein
so wichtig, um auch in Pandemiezeiten das Recht auf Profit und
Eigentum weiter durchsetzen zu können.

Noch stärker stellt sich die Ungleichverteilung des
Impfstoffes international heraus. Dies manifestierte sich beim
jüngsten,
digitalen G20-Treffen. Dort haben sich fast alle imperialistischen
Zentren gegen einen Antrag von Südafrika und Indien gestellt, der
durch China unterstützt wurde. Dieser Antrag widerspricht dem bis
heute gültige TRIPS-Abkommen, welches seit 1995 international das
Patent- und Eigentumsrecht bezüglich Medikamenten und Impfstoffen
garantiert, um die Profite der Pharmakonzerne durch den Verkauf oder
dem Gewähren von Produktionsrechten zu garantieren. Südafrika und
China hatten hierfür im Falle von COVID-19-Produkten eine
Ausnahmeregelung beantragt, die allerdings von den anderen
G20-Mitgliedsstaaten abgelehnt wurde.

Daneben,
dass sich China gerne mal als Anwalt der kleiner Länder darstellen
will, begründet sich dies dadurch, dass China bereits einen
Impfstoff besitzt und diesen billig und massenhaft auf dem Weltmarkt
verkaufen wollte, um selbst die größten Profite zu erlangen und die
anderen Staaten niederzukonkurrieren. Die anderen Mitgliedsstaaten
der G20 wollen vor allem zu einem hohen Preis sowie die Patentrechte
verkaufen und haben dies durch eine Öffnung der Patente bedroht
gesehen. Da eine Aussetzung abgelehnt wurde, werden sich
halbkoloniale Staaten den Impfstoff nicht leisten können, um ihre
Bevölkerung damit zu versorgen. In Staaten ohne gesetzliche
Krankenversicherung, wie den USA, wird dies auch für große Teile
der Arbeiter_Innenklasse bedeuten, dass sie keinen Zugang zum
Impfstoff haben werden. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass sich
imperialistische Länder wie die USA oder Kanada laut Informationen
der OECD bis zu 7,5 Mal mehr Impfstoff gesichert haben, als sie
Einwohner haben. Dadurch wird eine Bekämpfung des Virus‘ verhindert,
da er sich in vielen Ländern weiter verbreitet, mutiert und damit
weltweit gefährlich bleibt.

Hieran zeigt sich, dass alleine durch die Entwicklung
eines Impfstoffs die Widersprüche des Kapitalismus und die damit
verbundene Krise nicht gelöst werden können und dass das Problem
stets das Privateigentum an den Produktionsmitteln bleibt. Dieses
muss gebrochen werden, um die Versorgung der Arbeiter_Innenklasse mit
Medikamenten und Impfstoffen weltweit gewährleisten zu können. Es
braucht die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung
weltweit. Hier kann eine Produktion aufgebaut werden, die sich an den
Bedürfnissen der Patient_Innen orientiert. Räte aus Ärzt_Innen,
Pfleger_Innen und Patient_Innen sollten die Verteilung und
Koordinierung dessen übernehmen. Die Impfstoffforschung sollte nicht
an mehreren Orten parallel ablaufen, sondern durch die Räte
international koordiniert werden, um eine effektivere Forschung
gewährleisten zu können. Die Forschung wäre in einer
sozialistischen Gesellschaft nicht durch die Fortsetzung der
Produktion unter Profitzwang abgekürzt, sondern würde
Langzeitfolgen abschätzen um die gesundheitlichen Risiken für die
Bevölkerung zu minimieren.

Hierzu fordern wir:

  • Krankenversicherungen für alle international –
    jeder muss Zugang zu Medikamenten, Masken, Behandlungen und
    Impfstoffen erhalten!
  • Für die Aufhebung von Patentrechten auf
    Medikamente und Impfstoffe zur Versorgung der Weltbevölkerung ohne
    Rücksicht auf Profitinteressen!
  • Für die entschädigungslose Enteignung und
    Vergesellschaftung der Pharmaindustrie unter internationaler
    Arbeiter_Innenkontrolle!
  • Für die internationale Koordinierung der
    Impfstoffforschung durch ein Antikrisenkomitee aus Arbeiter_Innen
    (insbesondere aus dem Care-Sektor), Forscher_Innen und
    Patient_Innen!