Die Jugend nicht den Rechten überlassen!

von Jona Everdeen, September 2024

Innerhalb diesen Jahres kam es zu einer massiven Zunahme rechter Gewalt. Die Anreise zu einer Antifademo wurde am Ostkreuz, mitten im hippen Berlin-Friedrichshain, von Faschisten angegriffen, mehrere Antifas verletzt. Gegen die CSDs in Bautzen und Leipzig kam es zu Gegenprotesten durch Rechtsradikale, wobei diese in Bautzen in einem großen Mob durch die Stadt zogen. Auffällig bei den rechten Banden: Sehr viele der Angreifer:innen sind keine alten Nazikader, sondern Jugendliche. Doch warum folgen immer mehr Jugendliche rechter Agitation? Und was können wir gegen den Rechtsruck in der Jugend tun?

Die Rechte Szene formiert sich neu

Das traditionelle Bild des Neonazis mit der Bomberjacke und den Springerstiefeln gehört nun bereits seit längerer Zeit der Vergangenheit an. Teilweise durch linke Gegenprotesten, aber auch aufgrund innerer Zersplitterung und Perspektivlosigkeit, brach in den späten 00er und frühen 90er Jahren der Großteil der alten Rechten Szene und ihrer Subkultur zusammen, blieben lediglich einzelne Splitter davon sowie eine große Menge an alternden politisch inaktiven Faschos zurück. Die NPD erfuhr dann mit dem Aufstieg der AfD, die den Großteil ihres Wähler:innenpotentials verschlang, ihren (vermeintlichen?) Todesstoß.

Doch die darauffolgende relative Ruhe sollte nicht lange wehren. Mit dem 3.Weg wurde bereits 2014 eine neue Organisation gegründet, der es gelang, aus Teilen der NPD und der alten Kameradschaftsszene eine schlagkräftige faschistische Kraft auf die Beine zu stellen, die sich ideologisch auf ein strasseristisches Programm stützt. Mehr dazu in unserem Artikel „Der 3.Weg – Faschos und wie man sie bekämpfen muss“. Deutlich jünger als die faschistische Kleinstpartei selber ist jedoch ihre Jugendorganisation, die Nationalrevolutionäre Jugend (NRJ). Diese bildet inzwischen den dynamischsten Teil der Organisation und vor allem ihren militanten Kern. Die NRJ ist in Berlin für mehrere Angriffe und Einschüchterungen gegen Linke Aktivist:innen und Projekte verantwortlich, unter anderem wohl auch hauptsächlich für den Angriff auf die Antifas am Ostkreuz. Während es jedoch um die NRJ, zumindest in Berlin, nach einer staatlichen Razzia bei ihren Kadern etwas ruhiger geworden zu sein scheint, blieb die Ruhepause für Antifaschist:innen aus. Bereits kurz danach, beim Berliner CSD, trat eine andere Rechte Jugendorganisation auf den Plan: „Deutsche Jugend Voran“ (DJV).

Zusammen mit „Jung und Stark“ (JS) ist die DJV eine Art Vorfeldorganisation der Jungen Nationalisten (JN), der Jugendorganisation der eigentlich totgeglaubten NPD/Die Heimat. Vor allem auf sozialen Medien wie Instagram versuchen diese beiden (pseudo-)Strukturen zum Sammelbecken für sich nach rechts orientierende Jugendliche zu werden. Und zwar bislang mit Erfolg. Während die Mobilisierung gegen den Berliner CSD eher lächerlich wirkte und die 25 Jungfaschos außer einer Polizeikontrolle nicht viel zu sehen bekamen, sah es in Bautzen ganz anders aus: Dort gelang es einer von DJV und JS angeführten Nazimeute den CSD erheblich zu stören und zu bedrohen, auch weil die Sächsische Polizei damit kein Problem zu haben schien. Wie groß das Personenpotential von DJV und JS Stand jetzt ist, ist schwer zu sagen. Allerdings gibt es inzwischen in mehreren, vor allem ostdeutschen Städten Ortsgruppen und es ist davon auszugehen, dass dieses Phänomen nicht einfach wieder verschwinden wird. Auch muss beobachtet werden, inwiefern diese neuen rechten Jugendkräfte mit der NRJ zusammenarbeiten werden. Zumindest in Berlin haben sie wohl bereits gemeinsame Aktionen durchgeführt wie eben den Angriff am Ostkreuz. Allerdings ist das Verhältnis zwischen JN und NRJ wohl auch, zumindest wenn man den sozialen Medien von Mitgliedern dieser Organisation glauben schenkt, stark von Konkurrenz geprägt. Erwähnung finden muss außerdem noch die Anfang des Jahres gegründete „Elblandrevolte“ aus dem Raum Dresden. Diese kann de facto als Dresdener Ortsgruppe der JN betrachtet werden, vefügt aber, wohl auch aufgrund der scheinbaren organisatorischen Unabhängigkeit, über ein sehr großes Kontaktumfeld über die Strukturen der NPD/Heimat Jugendorganisation hinaus, und tritt sehr militant auf.

Hinzu kommt auch noch die JA, die Jugendorganisation der AfD, deren Mitglieder ebenfalls bei der Anti-CSD Mobilisierung in Bautzen anwesend waren, die allerdings nicht im selben Maße wie die offen faschistischen Organisationen in Erscheinung tritt sondern eher im rechten Wahlkampf und in sozialen Medien agiert. Doch die wichtigste Frage für uns: Wie gelingt es diesen Kräften überhaupt Jugendliche für faschistische Ideologie und Praxis zu mobilisieren?

Was zieht Jugendliche so an?

Die verstärkte Mobilisierung Jugendlicher durch rechte bis faschistische Kräfte, reiht sich ein in den gesellschaftlichen Rechtsruck, der im Zuge der schwelenden Krise massiv an Fahrt aufgenommen hat. Da das kapitalistische System nicht mehr in der Lage ist, seine Widersprüche selber zu lösen, und durch die Führungskrise der Arbeiter:innenbewegung und Linken eine schlagkräftige Bewegung fehlt, die eine reale Alternative zum System aufzeigen und erkämpfen könnte, gelingt es zunehmend rechtspopulistischen und teils faschistischen Kräften ihre nationalistischen, rassistischen und sexistischen Ideologien als „Lösung“ zu präsentieren. Die reale Unzufriedenheit über die heuchlerische und in erster Linie neoliberale Politik von Kräften wie den Grünen oder den Demokraten in den USA versuchen sie zu einem Kampf gegen „die Woken“ zu formen, die sie jedoch nicht deswegen angreifen, weil sie letztendlich den Interessen des Kapitals dienen, sondern wegen ihrer queerfreundlichen, antirassistischen und ökologischen Fassade.

Diese Ideologie wirkt zunehmend auch anziehend auf Jugendliche, insbesondere in ökonomisch abgehängten, eher ländlich geprägten Regionen. Diese Jugendlichen leiden besonders stark unter der Krise, haben entweder gar keine Perspektive oder nur die, ihr ganzes Leben für einen miesen Lohn harte Knochenarbeit verrichten zu müssen. Kein Wunder, dass das unzufrieden macht. Anders als in größeren Städten gibt es jedoch in Cottbus, Stralsund oder Bautzen kaum bis keine linken Strukturen, die eine Perspektive für diese Jugendlichen bieten könnten. Die vorhandenen reformistischen Strukturen wie SPD oder Linkspartei haben sich bereits durch ihre reformistische und fadenscheinige Politik bereits diskreditiert. Dadurch werden diese Jugendlichen häufig empfänglich für die Ideologie die Rechten. Diese verweist auf Rückbesinnung zu den traditionellen Werten wie Heimat und Familie, welche Stabilität geboten hätten, die durch die moderne „woke“ Ideologie zerstört worden sei. Damit wird die Unzufriedenheit umgelenkt, indem man ein rosiges „Früher“ zeichnet und die Sehnsucht danach dann in Traditionalismus und Nationalismus münzt.

Und auch das Auftreten der Rechten bis Faschisten wirkt ansprechend auf viele, vor allem männliche, abgehängte Jugendliche. So wird mit sportlicher Aktivität, vor allem Kampfsport oder Wandern, eine Möglichkeit geboten, in Kontakt mit anderen zu treten und der Anonymität und Vereinsamung zu entkommen. Durch das Suggerieren, man sei etwas Besonderes, weil man Deutsche:r sei und für „sein Vaterland einsteht“, wird Jugendlichen eine Identität gegeben, an der sie sich in der Krise festhalten können. Und durch die Ideologie des Kampfes gegen „die Woken“ und „die Ausländer“ wird ein Feindbild geschaffen, auf das die Enttäuschung und Wut über die eigene Perspektivlosigkeit gelenkt werden kann.

Rechte und Soziale Medien

Ein weiterer Faktor, der beim Rechtsruck unter Jugendlichen nicht vernachlässigt werden darf, ist die Rolle von Social Media. Insbesondere auf TikTok sind rechte Kräfte die politisch dominantesten. So hat die AfD eine höhere Präsenz auf TikTok als alle anderen Parteien zusammen. Eine gute Möglichkeit, sehr junge Menschen dort abzuholen, wo sie sind. Gerade auch in ländlichen Regionen, wo Social Media häufig die einzige Quelle für Politisierung darstellt.

Auch noch rechtere Kräfte, wie eben DJV und JS, mobilisieren ihre Unterstützer:innen zu großen Teilen über soziale Medien und verbreiten dort ihre rechte Hetze.

Um dagegen anzukämpfen ist es nötig, dass auch wir die Medien, auf denen wir selber uns privat sowieso viel herumtreiben, für politische Propaganda nutzen! Dass wir unsere Inhalte und unsere Mobilisierungen auf Insta, TikTok und Co. verbreiten, um Jugendlichen eine reale und solidarische Perspektive aus der Misere aufzuzeigen!

Es brauchte eine Perspektive von Links!

Die Unzufriedenheit vieler Jugendlicher, die sich die Rechten zu Nutze machen, ist, anders als das „Bündnis der Demokrat:innen“ es gerne verkündet, absolut berechtigt! Insbesondere in ökonomisch abgehängten Regionen vor allem Ostdeutschlands, wo es für uns kaum Möglichkeiten gibt, weder beruflich noch freizeittechnisch. Und darum reicht es eben nicht aus, bloß auf „Moral“ zu verweisen, welcher von vielen Jugendlichen völlig zurecht als Teil des Problems wahrgenommen wird. Stattdessen müssen wir Jugendlichen aufzeigen, dass das System selber das Problem ist und nicht ihre migrantischen oder queeren Mitschüler:innen oder Ausbildungskolleg:innen! Und dass die Rechten mit ihrer Hetze in Wahrheit im Interesse des Systems handeln, das sie verbal angreifen und beschimpfen. Nämlich indem sie die Unterdrückten auf Basis rassistischer oder sexistischer Kategorien spalten und durch Nationalismus gegeneinander aufhetzen.

Wir müssen stattdessen eine Perspektive aufzeigen, wie wir das Problem an der Wurzel packen. Wie wir auf den Rechtsruck mit einer Gegenoffensive von links antworten. Nämlich in dem wir uns an den Orten organisieren, an denen wir uns sowieso, gezwungen vom System, tagtäglich aufhalten müssen: In der Schule, an der Uni und im (Ausbildungs-)Betrieb! Dort müssen wir Strukturen schaffen, die unsere Wut in Widerstand umwandeln und dem System den Kampf ansagen! Dabei die Faschos aus der Schule werfen und antifaschistischen Widerstand leisten gegen den Rechtsruck unter Schüler:innen und Lehrer:innen! Wir müssen aufzeigen, dass eine bessere Zukunft für uns alle möglich ist und wir dafür kämpfen müssen! Mit Streiks an Schule, Uni und Betrieb – Gegen das kapitalistische System und seine Verwalter:innen, ganz gleich ob grün, schwarz, blau oder braun!