Die „Neue Frau“ im Klassenkampf

Alexandra Kollontai und die gesellschaftliche Rolle der Frau

Von Nina Gunic

Alexandra Kollontai, führendes Mitglied der bolschewistischen Partei in der Zeit der russischen Revolution 1917, spielte bei der Diskussion und Weiterentwicklung der marxistischen Theorie und Propaganda in der Frage der Frauenunterdrückung eine zentrale Rolle. Sie widmete sich unter anderem der gesellschaftlichen Rolle der Frau und welche Änderungen hier vom Standpunkt des revolutionären Klassenkampfes notwendig sind.

In ihrem Buch „Die neue Moral und die Arbeiterklasse“ (1920) prägte sie den Begriff der „ledigen Frau“ als den sich neu entwickelten Frauentypus um 1900. Die „ledige Frau“ oder auch „neue Frau“ entsprach der emanzipierten, selbständigen Rolle einer damals neu angebrochenen Generation von Frauen. Seit der Entstehung von Kollontais Werk sind inzwischen 80 Jahre der Frauenbewegungen wie auch des Klassenkampfes allgemein vergangen. Doch der Kampf der „neuen Frau“ um Gleichberechtigung ist noch lange nicht vorbei.

Betrachtet man das gesellschaftliche Bild der Frau im Kapitalismus von heute ergeben sich tiefe, unvereinbar scheinende Widersprüche in ihrem Wesen. Einerseits zeigt sich die Rolle der Frau in der Welt der Werbung als ins Extreme sexualisiertes, allerdings durch und durch passive „Objekt“. Die Frau, oft auch mehrere Frauen, werden der angeworbenen Ware beigefügt, auf die Art wie das konservative Frauenbild die Frau dem Manne als Anhängsel dient. Als Pendant zu der jungen Frau als passiv erduldendes Sexobjekt, gilt die perfekte Mutter und Hausfrau, die oftmals „nebenbei“ arbeitet und in jeder Lebenslage das gesellschaftlich erwartete, gepflegte Äußere wahrt.

Die kapitalistische Werbewelt, wie auch diverse Serien und Filme geben somit den Werdegang der jungen Frau als Lustobjekt hin zur matronenhaften, rigiden, jungen Übermutter oder Karrierefrau vor.

Neben den genannten Stereotypen gibt es auch etliche abgewandelte, im Grundsatz ähnliche Frauenmodelle.

Lebenszweck der spießbürgerlichen Frau: Die Emotion

Ein vereinendes Element jeglicher bürgerlicher Darstellung von Frauen, ist die Frage der zentralen Lebensauffassung der Frau von heute. Die vorgegebene Frau lebt als Geisel, als Sklave ihrer Emotionen. Die hauptsächlichen Lebensfragen, die eine Heldin im Film, in der Serie, im Roman zu haben scheint, drehen sich immer um Gefühle. Gefühle zu einem Mann (oder zu mehreren), Gefühle zu ihrem Kind, Gefühle bezüglich der Ausbildung, des Berufes, etc. beherrschen die Heldin und bestimmen ihr Handeln. Ihre Worte und Taten sind deswegen oft irrational, emotional und „kindlich“.

Doch wie schaut die Realität aus? Kollontai schreibt dazu:

Vorherrschen des Gefühls war einer der typischsten Eigentümlichkeiten der Frau der Vergangenheit, dieses Vorherrschen des Gefühls bedeutete gleichzeitig Schmuck und Mangel der Frau. Die Verschärfung der wirtschaftlichen Gegensätze in der Gegenwart, die die Frau in den aktiven Kampf um die Existenz gezogen haben, verlangen, daß sie ihre Gefühle besiegt, fordern, daß sie nicht nur die vielgestaltigen sozialen Hindernisse zu nehmen lernt, sondern daß sie auch ihren so wenig widerstandsfähigen, leicht nachgebenden erschlaffenden Geist durch ihren Willen stärkt.“ (Alexandra Kollontai: Die neue Moral und die Arbeiterklasse, S. 27)

Glaubt man den bürgerlichen Medien, scheint diese Aufgabe der „neuen Frau“ kläglich gescheitert zu sein. Sie war und bleibt Sklave ihrer Gefühle, bleibt unsicher und wankelmütig, während der Mann seinen Zielen und seinem Ehrgeiz durchaus mit Aggression auch folgt. Und tatsächlich ist es ein durch die patriarchalen Strukturen der kapitalistischen Gesellschaft bedingtes Phänomen, dass eine Mehrheit der Frauen weniger aggressiv, weniger forsch und selbstbewußt agiert. Allein die Art und Weise, sich zu bewegen, ist bei vielen Frauen unsicherer und weniger raumgreifend. Frauen gehen eher zur Seite wenn ihnen ein Mann entgegenkommt, sie drängeln oft weniger, sitzen schmaler, usw. Dieses Verhalten wird auch stark dadurch gefördert durch die typische Frauenkleidung (oftmals feine, dünne Sachen, hochhackige Schuhe, Schminke usw.). „Darin“ muß man einfach mehr darauf achten, wie man sich bewegt, daß man vorsichtig ist, damit nichts zerreißt, verrutscht, die Haare richtig sitzen usw.

Von der Arbeiterin zur Revolutionärin

Der dennoch vorhandene große Bruch zur Vorgabe der bürgerlichen Propaganda ist folgender Kernpunkt: Die nie gezeigte Rolle der Frau als selbstbewußte Arbeiterin. Unabhängig davon, wie selten Frauen im Beruf gezeigt werden, unabhängig davon wie sehr die arbeitende Frau darüber definiert wird, daß sie in dieser Zeit nicht daheim ist, das Faktum der Identität als Arbeiterin bleibt.

Durch die Entwicklung der Arbeiterklasse und der damit einhergegangenen Schaffung eines neuen Frauentypus, der Arbeiterin, schuf das kapitalistische System die ersten Weichen zur Befreiung der Frau: Die Möglichkeit der ökonomischen Unabhängigkeit vom Mann.

Die Arbeiterin wird wie der Arbeiter vom kapitalistischen System unterdrückt. Sie arbeitet wie ihre männlichen Kollegen für den Profit der Kapitalisten, dient sogar oft als billigere, da schlechter bezahlte Alternative. Aber sie lebt nicht mehr als Anhängsel zum Mann. Sie ist kein von dem Willen und den Wünschen des Mannes abhängiges Weibchen, sondern eine zukünftige Mitstreiterin im Kampf gegen den Kapitalismus.

Genauso wie der Sprung der „Frau der Vergangenheit“ hin zur „Neuen Frau“ ein notwendiger Schritt auf dem noch andauernden Weg der Befreiung war und ist, ist dies nun der Sprung von der Arbeiterin hin zur bewußten, zur revolutionären Arbeiterin, zur marxistischen Revolutionärin. In dem Moment, in dem eine Arbeiterin zur Revolutionärin wird, in genau diesem Moment überwindet sie eine weitere Barriere in ihrer Befreiung von der patriarchal-kapitalistischen Unterdrückung. In genau diesem Moment wird sie zur aktiven Kämpferin gegen Kapitalismus. Genauso wie es unsere Schwestern vorgaben, die russischen Arbeiterinnen im Februar 1917, die in Massen durch die Wiborger Straßen schritten und mit donnernden Stimmen ihre Rechte einforderten, genauso müssen auch wir unsere Rechte erkämpfen.

Zusammen mit unseren männlichen Mitstreitern, den Arbeitern, bilden wir die donnernde Stimme der Revolution, das gleißende Schwert der Befreiung. Mögen uns die Kapitalisten heute in ihren Medien als beschränktes Wesen darstellen, schon morgen werden sie vor unserer geballten Faust erzittern. Keine Befreiung der Frau ohne gemeinsamen Kampf gegen Kapitalismus!

ProletarierInnen aller Länder – vereinigt euch!