Gen Z in Madagaskar – Wie weiter nach dem Putsch?

Von Yorick F.

In den letzten Wochen und Monaten gingen weltweit tausende Jugendliche auf die Straßen. Die sog. Gen Z Proteste sind eine der größten Protestwellen der Welt seit dem Arabischen Frühling und werden von Jugendlichen angeführt, welche sich nicht mit einem Leben unter dem Joch Kapitalistischer Ausbeutung, sozialer Unterdrückung und Imperialistischer auspressung von Menschen und Ressourcen zufriedengeben wollen. Neben Nepal, Indonesien, Marokko und Peru auch im ostafrikanischen Madagaskar.

Und dies unmittelbar mit einem scheinbaren Erfolg: der ehemalige Präsident Andry Rajoelina sah sich aufgrund der Protestbewegung gegen Ihn gezwungen mithilfe eines Französischen Militärhubschraubers aus dem Land zu fliehen und wurde durch den Chef eines Militärbataillons ersetzt, welches sich auf die Seite der Jugendlichen geschlagen hatte und zusicherte ihre Forderungen durchzusetzen.

Doch auch wenn die Flucht des Präsidenten und der Sturz seiner Korrupten Regierung ein Erfolg für die Bewegung ist, so bleibt unklar, ob der neue Präsident die Forderungen der Bewegung wirklich verwirklichen wird, oder ob er nur ein weiterer Agent des Imperialismus an der Spitze Madagaskars sein wird.

Der Anlass der Proteste war zunächst die katastrophale Wasser- und Strom Versorgung, sowie die hohe Arbeitslosigkeit in der Jugend, mit Forderungen wie „Wir wollen leben, nicht überleben“ zogen Jugendliche durch die Strazzen von Antananarivo. Plünderungen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von den Sicherheitskräften, selbst orchestriert wurden führten dazu, dass die Polizei brutal gegen die zunächst friedlichen Proteste vorging, mindestens 22 Menschen wurden dabei von der Polizei ermordet. Wie auch in Nepal war die massive Polizeigewalt, eines Staates der merkt, dass er ins Wanken gerät zentraler Punkt für die Radikalisierung und das Wachstum der Bewegung, die sich v.a. über Social Media und ohne klare Führung organisierten. Zu den Forderungen im Internet und auf den Demonstrationen kamen Forderungen nach Rücktritt des Präsidenten und einer Entmachtung der Regierung, Auflösung des Korrupten Verfassungsgerichtes und Senat, sowie nach Enteignung des zweitreichsten madagassischen Multimilliardärs Maminiaina „mamy“ Ravatomanga, Chef der Sodiat Gruppe, einer Kapitalfirma die v.a. an Logistik, Transport und Tourismus Geld verdient, Ravatomanga war zudem bis zu dessen Sturz bekannt als enorm mächtiger Geldgeber Rajoelinas und sitzt nach seiner eigenen Flucht kurz vor Rajoelinas Sturz, wegen Steuervergehen in Mauritius im Gefängnis.

Die Proteste schafften es in dieser neuen Qualität sich über die Hauptstadt hinaus auszubreiten, so auch nach Antsiranana wo sich erstmals Teile des Militärs zu den Protesten bekannten. Zudem schafften es die zuvor v.a. Jugendlichen DemonstrantInnen auch LehrerInnen und GefängniswärterInnen davon zu überzeugen mit ihnen zu Streiken, v.a. letztere Spielten eine wichtige Rolle, da sie sich weigerten weitere Gefangene in den Gefängnisse aufzunehmen und damit die Macht der Polizei Untergruben.

Die letztlich entscheidende Rolle spielte jedoch das Militär, dieses hat in Madagaskar, aufgrund der relativen Schwäche des bürgerlichen Staates im Vergleich zu z.B. eine bedeutende größere Macht und ein besonderes politisches Eigenleben. Insbesondere das sog. Capsat Bataillon, welches weniger ein wirkliches Kampfbatallion ist sondern vielmehr die Kontrolle über Waffen und Munition innerhalb der Armee inne hat, unter seinem Führer Michael Randrianirina, dem jetzigen Präsidenten, spielte eine zentrale Rolle. Dabei ist es nicht das erste Mal, dass Capsat eine zentrale Rolle in einem Militärputsch in Madagaskar spielt, 2009 war brachte Capsat Rajoelina im Kontext einer Protestbewegung gegen Preissteigerungen im Zuge der Weltwirtschaftskrise an die Macht, den selben Präsidenten, welchen Sie nun mit stürzten. Am 10. Oktober erklärte Capsat, sich offen der Protestbewegung anzuschließen und sicherte hu ihre wesentlichen Forderungen zu Übernehmen. „Unsere Kinder leiden, wir sind nicht hier um sie zu töten, oder zu schlagen. Wir erleben das gleiche Leid.“ Erklärten sie.

Am 12. Oktober gelang es Capsat Rajoelina zu stürzen, dieser Floh mit französischer Unterstützung in einem Privatjet und löste zuvor das Parlament auf. Radrianirina erklärte daraufhin die Verfassung für ausgesetzt, sich selbst als Oberhaupt der Übergangsregierung und Wahlen in mindestens 2 Jahren.

Die Reaktion der Bewegung auf das Resultat des Putsches ist gemischt, die Freude, darüber, dass Rajoelina weg ist wird zwar von den meisten geteilt, jedoch ist unklar, wie viel Hoffnung man tatsächlich in Radrianirina und Capsat stecken kann, immerhin sind Sie auch treibende Kraft hinter Rajoelina gewesen, welcher 2009 vielen Jugendlichen als Hoffnungsträger galt, gleichzeitig ist unklar, wie die Beziehungen zwischen Capsat und dem madagassischen Kapital ist, dieses hatte nämlich durchaus ein Interesse daran, dass Rajoelina verschwand, dieser Stand zum einen für eine Integration in den Weltmarkt Madagaskars, damit auch einer Annäherung an Frankreich und die USA, aber auch für eine Erhöhung des Mindest-Abgabepreises von Vanillebäuer:innen an Großkonzerne, dieser dürfte nun wieder aufgeweicht werden. Auch ist die konkrete Reaktion der Imperialistischen Staaten bisher noch Unklar, zwar sollten die Verbindungen zu Frankreich und den USA zunächst massiv geschwächt worden sein, jedoch waren sie das auch 2009 bis Rajoelina große Teile Madagaskars an Konzerne aus imperialistischen Ländern, oder deren HandlangerInnen verkaufte.

Das Problem heißt Imperialismus!

Madagaskar ist eines der Ärmsten Länder der Welt, dies liegt an seiner Stellung im Imperialistischen Weltsystem. Madagaskar ist eine Halbkolonie, das bedeutet, dass es 1960 zwar eine Madagassische Unabhängigkeit von Frankreich gab, welches Madagaskar nach kriegerischer Unterwerfung der Merina-Monarchie über 65 Jahre als Kolonie auspresste, diese direkte politische Unabhängigkeit jedoch lediglich durch eine indirektere Ökonomische Ersetzt wurde. Madagaskar ist hierfür sogar ein besonders krasses Beispiel: seit 1960 hat sich das Madagassische BIP pro Kopf fast halbiert, das ist vorrangig Resultat der engen Umklammerung von ausländischem Kapital um die madagassische Wirtschaft: Madagaskar ist Hauptexportland für Vanille und Gewürznelken, besitzt lukrative Gold und Kobaltvorkommen und zieht viele TouristInnen an. Die Profite hiervon landen in den Händen ausländischer Konzerne aus, Japan, Indien, den USA und Frankreich sowie in denen der kleinen aber im vergleich zum Madagassischen Proletariat superreichen Bourgeoisie. Auch zentrale Punkte der Infrastruktur liegen in den Händen ausländischer Konzerne so eine zentrale Wasserpumpe die etwa 60% des Wassers für die Region Antananarivo fördert, diese ist unter chinesischer Kontrolle. Die USA reagierten u.a. darauf am sog. Liberation Day mit Zöllen und dem einfrieren von Hilfszahlungen an Madagaskar welches an die 200 Millionen US Dollar dadurch verlor.

Zudem werden immer noch einige Inseln vor der madagassischen Küste von Frankreich besetzt, welches dafür nebenbei International massiv Rückendeckung von Deutschland erhält.

Die Massen auf den Straßen Antananarivo waren natürlich von teilweise anderen konkreten Problemen motiviert als Jugendlichen in den Straßen von Kathmandu, Jakarta, Rabat, oder Lima, jedoch Protestierten sie gemeinsam gegen die Auswirkungen des imperialistischen Weltsystems und seiner Krise, von der halbkoloniale Länder wie Madagaskar, oder Nepal besonders betroffen sind. Diese Krise, die besondere Betroffenheit der abhängigen Länder, sowie Handelskrieg und verschärfte Rivalität zwischen den imperialistischen Länden führen dazu, dass Jugendliche kaum noch Arbeit finden können, von der sie in Würde leben können. Gleichzeitig schwächt die Krise die halbkolonialen Staaten selbst enorm: Infrastruktur, sofern vorhanden, kann nicht mehr in Stand gehalten werden und die schwächelnde Basis der Ordnung wird versucht durch einen immer repressiveren Staat auszugleichen. Diese Entwicklung und die Wut über eine korrupte Politiker:innenkaste, die es sich gut gehen lässt während Land und Jugend ausbluten, ist trotz erheblicher konkreter Unterschiede die kollektive Erfahrung die Jugendliche in den Ländern der Gen Z Proteste gerade auf die Straßen treibt.

Die madagassische Jugend kämpft diesen Kampf also nicht allein, zu den kämpfenden Jugendlichen in Nepal und Indonesien gab es über das Internet wohl bereits direkte Kontakte, sowie finanzielle Unterstützung, solche Kontakte sind großartig! Jedoch haben sie noch keine feste Form mit der es möglich wäre Internationale Kämpfe der Jugend zuverlässig miteinander zu koordinieren und zu verbinden, diese Aufgabe kann unserer Ansicht nach nur eine Revolutionäre Jugendinternationale Seite an Seite mit einer neuen Revolutionären Internationale der ArbeiterInnenklasse leisten.

Die Aufgabe der Jugend in Madagaskar muss es nun sein Radrianirina keinen Vertrauensvorschuss zu geben, sondern gemeinsam mit der Arbeiter:innenklasse jetzt Rätestrukturen aufzubauen, welche in Stadtvierteln, Schulen, Plantagen, Fabriken und Dörfern in der Lage sind die Übergangsregierung zu kontrollieren und bewusst die Herausbildung einer Führung der Jugend und Arbeiter:inneklasse zum Ziel haben muss. Diese müssen auch das Recht haben VertreterInnen für eine Verfassungsgebende Versammlung zu stellen.

In den Imperialistischen Staaten ist es unsere Aufgabe solidarisch mit der madagassischen Jugend zu sein, das nicht nur durch Lippenbekenntnisse sondern praktisch, indem wir hier z.B. Forderungen nach der entschädigungslosen Erlassung aller Schulden Madagaskars und aller Halbkolonien stellen, sowie die Rückgabe aller bis heute von Frankreich mit deutscher Rückendeckung besetzten Inseln und unseren Kampf durch den Aufbau einer revolutionären Jugendinternationale direkt mit dem der Jugend Madagaskars zu Verbinden.

Forderungen:

Für die Bildung von Räten überall in Madagaskar, diese müssen VertreterInnen der Jugend und der ArbeiterInnenklasse für eine Verfassungsgebende Versammlung wählen dürfen!

Keine Ausländischen Interventionen durch Sanktionen, Militärhubschrauber oder ähnliches!

Sofortige vollständige Streichung aller Schulden Madagaskars und aller Halbkolonien international, Aufhebung aller Auflagen des IWF und keine Annahme weiterer Kredite, solange diese an Bedingungen geknüpft sind!

Massenhafte Reparationen durch Frankreich und allen Imperialistischen Ländern die an der Ausbeutung Madagaskars beteiligt sind zum Aufbau der Infrastruktur des Wassers und Elektrizitätsnetzes sowie der Krankenhäuser und Bildungseinrichtungen!

Bewaffnung der Bewegung der Jugend – Nicht der Militärapparat darf die alleinige Macht haben, wenn das Militär es ernst meint mir Ihren Versprechen an die Jugend sollte Sie auch gleichberechtigt Macht bekommen.

Für eine Verbindung zwischen dem Aufstand in Madagaskar und den Protesten in Kenia! Für eine Föderation sozialistischer Staaten in Ostafrika!

Für eine Verbindung der Gen Z Proteste Weltweit, für eine weltweite Debatte um Strategie und Führung einer weltweiten Bewegung, für eine Revolutionäre Jugendinternationale!