GroKo Oh no! – Wie weiter mit den #NoGroKo-Anhänger_Innen?

von Wilhelm Schulz, REVOLUTION Berlin

Am vergangenen Sonntag, dem 4. März, war es dann endlich so weit. Die SPD konnte die Ergebnisse ihrer Urabstimmung verkünden. Insgesamt beteiligten sich mit 362.933 abgegebenen Stimmen knapp 80% der Parteimitgliedschaft – diese ist momentan bei 463.723 Mitgliedern. Unter diesen stimmten 66,02 % für und 33,98 % gegen eine Neuauflage der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD. Thomas Oppermann, seit 2013 Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Parteibürokrat erster Reihe, sagte im Interview mit „Die Welt“, er rechne mit „55 Prozent Plus X“ an Zustimmungen.

Auch wenn das Ergebnis nicht so knapp ausfiel, so zeigt es doch, was für einen Wind sie durch die alte verknöcherte Partei geblasen hat. Dafür hatte die Parteiführung auch in den letzten Wochen hart und mit allen Mitteln gekämpft. In den hierzu einberufenden 12 Regionalkonferenzen, nicht zu verwechseln mit der #NoGroKo-Tour der Jusos, wurde zu Beginn jeder Veranstaltung mindestens eine Stunde lang über die positiven Errungenschaften des ausgehandelten Koalitionsvertrags gesprochen, bevor auch nur ein einzelnes Basismitglied zu Wort kommen durfte. In der Parteizeitung „Vorwärts“ wurde nur ein Interview veröffentlicht, in dem ein GroKo-Gegner zu Wort kommen durfte, Kevin Kühnert (Juso-Vorsitzender) im Schlagabtausch mit Lars Klingbeil (SPD-Generalsekretär). Die Gewerkschaften verschickten über ihre Mailinglisten vermehrt Lobeshymnen an den Koalitionsvertrag, interessant, dass diese ansonsten zur Bundestagswahl mit Floskeln wie „Geh wählen“ um sich werfen, aber in Zeiten der Not treu Wahlkampf für die SPD-Führung machen. Im Brief an die Mitgliedschaft, ein Kommentar der SPD an die Urabstimmenden, wurde einseitig für das „Ja“ geworben.

Und schlussendlich kursierte ein Argument über der Urabstimmung. Sollte es zu einem „Nein“ kommen, so führe dies ‚unausweichlich‘ zu Neuwahlen und stärke unmittelbar die AfD. Schwachsinn. Was die AfD langfristig stärkt, ist ein ‚weiter so!‘. Eine Fortsetzung der Politik im Interesse des deutschen Imperialismus im Interesse neuer Rekordgewinne. Andre Poggenburg, AfD-Vorsitzender Sachsen-Anhalt, sagte in seiner ketzerischen Rede zum politischen Aschermittwoch, dass die Einführung eines Heimatministeriums zeige, dass die AfD wirkt. Im Bereich Geflüchtete und Asyl versucht die kommende GroKo der AfD das Wasser abzugraben, dafür hat die SPD die Frage der CSU-Obergrenze extra unangetastet gelassen. Im Kampf gegen den Rechtsruck hilft die GroKo überhaupt nicht, auch nicht wenn die CDU eine Zusammenarbeit auf Bundesebene für die kommende Legislatur ausschließt, auf Länderebene machen sie dies partiell. So gab es im Berliner Abgeordnetenhaus eine gemeinsame Initiative von CDU, FDP und AfD mit der Forderung nach einem Auftrittsverbot türkischer Politiker zum Verfassungsreferendum vergangenen Sommer. Oder gemeinsame Kampagnen gegen Linksextremismus in Sachsen-Anhalt. Nein, gegen den Aufstieg der AfD braucht es die Einheit im Kampf der Organisationen und Parteien, die sich auf die Arbeiter_Innenklasse stützen, eine Offensive, die antirassistische und soziale Forderungen miteinander verbindet und diese nicht gegeneinander ausspielt.

Zurück zur Urabstimmung. Am selben Tag der Verkündung der Abstimmungsergebnisse trat Kühnert öffentlich auf. In einem Interview mit Phoenix sagte er etwas, das er während der #NoGroKo-Tour noch als möglich verkaufte, nämlich, dass eine Erneuerung der SPD unter der GroKo nicht möglich sei. Einen Tag später ruderte Kühnert bereits zurück und schrieb „Kein SPD-Erneuerung ohne uns!“. Daneben ergänzte df, dass es die SPD und nicht die Jusos war, die für eine gemeinsame Regierung mit der CDU/CSU stimmten. Bei diesen Worten müssen die Anhänger_Innen der #NoGroKo-Kampagne den Juso-Chef jetzt packen. Denn die 123.329 Nein-Stimmen drohen schnell in Schall und Rauch aufzugehen, also zu demoralisieren, inaktiven Mitgliedern zu werden, dass sich eine relevanter Teil ohne Anstoß nach links bewegt scheint unrealistisch. Was es braucht, ist einen offenen Kampf um die Führung der Partei auf dem kommenden Parteitag im April unter der Kampflosung „Volle Rücknahme der Agenda2010-Reformen“, eine oppositionelle Fraktion in der SPD.Denn der Fehler, der #NoGroKo-Kampagne darf sich nicht noch einmal wiederholen. Zwar war die Kampagne recht öffentlichkeitswirksam, doch es mangelte vor allem an einer klaren Perspektive.#NoGroKo? Ja! Aber wofür? Bleibt die oftmals ausgesprochene „Rückbesinnung auf die Sozialdemokratie“ eine leere Floskel, die nicht mit konkreten Forderungen gefüllt wird, wie eine klare Positionierung gegen Rassismus , Leiharbeit und Befristung oder für Wohnraum für Alle, dem Ausbau des sozialen Wohnungsbaus & Enteignung der leerstehenden Wohnungen, dann wird man Niemanden von der eigenen Position überzeugen können. Ebenfalls bedeutet ein offener Kampf auch, sollte die Fraktion ihn gewinnen, dass man die aktuelle Führungsriege aus der Partei werfen muss. Denn die Politik des Vorstands zeigt in allen Punkten, dass dieser nur im Interesse der Profite der deutschen Wirtschaft agiert, denn eine inhaltliche Neuausrichtung würde bedeuteten, dass man die eigenen Posten verliert. Außerdem müssen die Jusos ihre Unabhängigkeit von der SPD beschließen und mit dem Dasein einer Struktur innerhalb der SPD brechen, sie müssen sich hierfür unter anderem ein eigenes Programm geben. Wir schlagen hierzu eine offene Programmdebatte anhand ihres #NoGroKo-Papiers vor.

Solche Maßnahmen würden einen Ablösungsprozess von der SPD nach links einleiten. Uns als Revolutionär_Innen ist hierbei klar, dass dieser Prozess jedoch nur erfolgreich sein kann, wenn ein konsequenter Bruch mit dem reformistischen Programm der Partei stattfindet. Das bedeutet ein notwendiges Ende mit dem reinen Fokus auf den Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft, samt seines Staates. Alleinige Forderungen nach progressiver Besteuerung ändern nichts an den kapitalistischen Eigentumsverhältnisses. Was wir brauchen, ist ein revolutionäres Programm, das die brennenden Fragen des Alltags mit einem Programm zum Sturz des Kapitalismus verbindet. Denn eines ist klar. Auch das klassische sozialdemokratische Programm fand keinen parlamentarischen Weg zur Beseitigung dieses Gesellschaftssystems. Hierfür gilt es auf der Straße zu kämpfen und als solches müssen sich die Jusos jetzt verstehen, als Initiator_Innen einer Einheitsfront gegen die Angriffe der kommenden GroKo!