Interview mit einer Genossin von Borotba

VORWORT VON FLO WASSER | GEFÜHRT VON LARISSA KACHÉ

Seitdem im Frühjahr 2014 die Euromaidan-Bewegung einen Staatstreich in der Ukraine durchführte, gibt es dort eine Regierung unter Beteiligung von Faschist_innen und Rechtspopulist_innen. Die Arbeiter_innenklasse hat sich auf schwerwiegende Angriffe einzustellen. Jüd_innen, Russ_innen und Pol_innen geraten ebenfalls in das Visier rechter Milizen. Der Ukrainische Staat geht mit aller Härte gegen die Arbeiter_innenbewegung vor und bekämpft vor allem die Linken in der Ukraine. So ist nicht nur die Kommunistische Partei verboten worden, sondern selbst das Zeigen kommunistischer Symbole wie Hammer und Sichel steht jetzt unter Strafe.

Doch es gibt auch Widerstand gegen das Kiewer-Regime. Wir stehen schon seit längerem in Kontakt mit der ukrainischen Organisation „Borotba“ und als Genoss_innen von „Borotba“ an unserem Sommercamp teilnahmen, nutzten wir die Gelegenheit sie zu interviewen:

Hallo M., stelle doch erst einmal deine Organisation vor.

„Borotba“ kann mit „Kampf“ übersetzt werden. Wir verstehen uns als Marxistisch-Kommunistische Organisation, die für die Interessen der Arbeiter_innenklasse in der Ukraine kämpft. Unsere Prinzipien sind der Antikapitalismus, der Antifaschismus und die Frauenrechte. Wir haben Büros und große Gruppen in Städten wie z.B Kiew, Odessa und Charkow.
In der Ukraine haben wir viele kurdische Einwander_innen aus der Türkei, mit denen wir zusammen Aktionen und Demonstrationen organisierten. Wir waren von Anfang an eine der größten Kräfte der Anti-Maidan Bewegung, weil wir diesen von Beginn an für bürgerlich und rechts hielten.

Unsere Organisation „Borotba“ wurde im Mai 2011 gegründet. 2012 hatten wir unsere Konferenz, auf welcher unser Programm diskutiert wurde. „Borotba“ wurde aus Teilen verschiedener Jugendgruppen gegründet, unter anderen die Jugendorganisation „Che Guevara“, die Bewegung „Jugend gegen Kapitalismus“ und der „Leninsche Kommunistische Jugendverband der Ukraine/Komsomol“, welcher der Jugendverband der „Kommunistischen Partei der Ukraine“ ist. Auch Teile dieser Partei liefen zu „Borotba“ über, weil sie nicht wirklich kommunistisch ist, sondern oligarchische und bürokratische Strukturen aufweist. Die Jugendlichen in der Partei wollten natürlich nicht Teil dieser Ideologie sein, sondern voranschreiten und etwas Eigenes aufbauen. Dementsprechend waren wir von Beginn an hauptsächlich eine Jugendorganisation, wir hatten aber den Anspruch, eine allgemeinere Partei für Arbeiter_innen zu werden.

In wieweit seid ihr von Repression und faschistischen Übergriffen betroffen?

Wir kämpften sehr mit wachsendem Faschismus in der Ukraine, wobei unsere Hauptgegner die rechtspopulistische „Swoboda-Partei“ und einzelne Nazis sind. 2014 wurde unser Hauptbüro in Kiew attackiert, und wir verlagerten unsere Hauptarbeit nach Charkow, woraufhin auch dort das Büro angegriffen wurde. Bei dem Massaker des „Marsches der Einheit“ in Odessa wurde ein Genosse getötet. Andrej Brashewski, ein 16-jähriger Schüler. Viele unserer Genossen wurden zu politischen Auswanderern, weil sie von Faschisten erkannt werden konnten und von ihnen entführt oder getötet wurden. Ich und einige Genossen stehen in einer öffentlichen Liste von Separatisten und Terroristen im Internet.

Wie steht es um die Lage der Jugend in der Ukraine und zu welcher politischen Orientierung dieser Jugend hat die Krise geführt?

Nach der Auflösung der Sowjetunion wurde der Grad der Bildung immer schlechter. Es wurde gegen Kommunismus und für Nationalismus propagiert. Dadurch wurde die ukrainische Jugend zu einer rechten Kraft. Mit dem Assoziierungsabkommen sollten ukrainische Universitäten dann auf europäischen Standard gehoben werden. Der Präsident Janukowitsch wollte da nicht mitziehen und begann Universitäten zu schließen und zu technisieren. Der Euromaidan startete dann eine Kampagne mit Hilfe des Bildungsministers, durch die den Oppositionellen und alten Lehrern verboten werden sollte zu unterrichten. Dabei kam es zu Korruption und der Fälschung von Daten. Denn eines der Hauptziele des Maiden ist es, Prozesse zur Ausreise nach Europa zu erleichtern. Von wegen, wir können euch nicht ernähren, wir haben keine Arbeit, geht nach Europa und arbeitet dort. Kinder von reicheren Familien unterstützen die Idee des europäischen Bildungsstandards und haben das Ziel, nach ihrer Ausbildung dort Arbeit zu finden. Auch Kinder armer Familien möchten in der EU arbeiten, aber sie schaffen es nicht, gute Jobs zu bekommen, sondern müssen sich mit schlecht bezahlter Arbeit zufrieden geben. Dadurch hatte der rechte Flügel sehr starken Einfluss auf Jugendlichen, da sie ihnen ein bisschen Macht und Schutz bieten. Ihnen wurde u.a. eingeredet, dass die Einwanderer ihnen die Arbeit stehlen würden. Menschen aus dem Südosten der Ukraine waren nicht politisch aktiv. So kam es, dass sie sich diesen rechtsextremen Gruppen anschlossen, die Macht und finanzielle Unterstützung seitens des Staates zu bieten hatten. Viele gehen auch zur Armee. Einige Kleingruppen versuchen dagegen zu mobilisieren, aber es ist schwierig.

Als die Ukraine den europäischen Vertrag unterzeichnete, schlossen einige Konzerne und es kam zu einer hohen Arbeitslosenrate. Die politische Orientierung der Jugend in der Ukraine hängt stark von ihrem ökonomischen Stand ab. Prekäre Lebenssituationen bieten einen Nährboden für fremdenfeindliches Gedankengut. Zusammen mit einer nationalistischen Bildung wird eine sehr rechte Jugendbewegung herangezogen.

Wir sind solidarisch mit dem antifaschistischen Widerstand in der Ukraine, der eine sehr schwere Mission hat. Für Organisationen wie „Borotba“ geht es nicht nur darum, das Kiewer-Regime und seine faschistischen Kettenhunde zu schlagen, sondern auch darum, den Einfluss russischer Nationalist_innen und den pro-russischen Teilen der ukrainischen Oligarchie in den Volksrepubliken zu vermindern.