Konferenz von Jugend gegen Rassismus – Weitere Streiks, Demonstrationen und Kampagnen geplant

VON JAQUELINE KATHERINE SINGH


Am vorletzten Mai-Wochenende versammelten sich 50 antirassistische, zumeist Jugendliche Aktivist_Innen aus dem Bundesgebiet in Berlin. Rund einen Monat vorher hatte das Bündnis „Jugend gegen Rassismus“ deutschlandweit zu Streiks und Demonstrationen gegen Rassismus an Schulen, Universitäten und Ausbildungsstätten aufgerufen. Mehr als 8000 Jugendliche waren in 16 Städten dem Aufruf, der sich gegen die rassistische Bewegung von AFD bis PEGIDA, aber auch den staatlichen Rassismus und die Asylgesetzesverschärfungen der Regierung richtete, gefolgt.


Dieser Erfolg erklärt auch, dass neue Kräfte wie der Revolutionäre Jugendbund oder FOR Palestine sich Jugend gegen Rassismus angeschlossen haben. Andere Gruppen wie die linke Geflüchtetenorganisation sudanesischer Refugees (aus Hannover) haben Interesse an gemeinsamen Aktionen geäußert. Die Zersplitterung der antirassistischen Aktivitäten zu überwinden und zu einer bundesweiten, linken und antirassistischen Einheitsfront zusammenzuführen, ist einer der zentralen Anliegen von Jugend gegen Rassismus.


Die politischen Beschlüsse der dritten Konferenz gehen diesen Weg nun konsequent weiter. So wurde beschlossen, lokal in Berlin (und wenn möglich darüber hinaus) zusammen mit den sudanesischen Geflüchteten eine Demonstration am 9. Juli gegen Abschiebungen zu organisieren. Hierfür versuchen wir nun, in Berlin weitere Kräfte für diese Aktion zu gewinnen. Für die Großdemonstration unter dem Motto „Aufstehen gegen Rassismus“, die sich im speziellen gegen das Erstarken der rassistischen „Alternative für Deutschland (AFD)“ richtet, will Jugend gegen Rassismus bundesweit mobilisieren und die geplanten Massenmobilisierungen unterstützen. Es wird geplant, einen eigenen Jugendblock zu organisieren, welcher sich nicht nur gegen den Rassismus der AFD, sondern auch den des Staates und der Regierung stellt. Ein Block, der diesem Rassismus auf der Straße und im Parlament eine antikapitalistische Perspektive entgegenstellt.


Der Höhepunkt der bisher beschlossenen Mobilisierungsphase soll ein bundesweiter Schul- und Unistreik am 29. September sein. Noch in diesem Schuljahr sollen dazu in ganz Deutschland Informationsveranstaltungen, Vollversammlungen und Diskussionen an die Bildungseinrichtungen getragen werden. So wollen wir nicht nur antirassistische Positionen verbreiten und „Aufklärung“ betreiben. Aus diesen Debatten sollen lokale Aktionskomitees in Schulen und Universitäten, aber auch in Betrieben entstehen.


Schwächen erkennen, um Stärken auszubauen


Trotz dieser vielversprechenden Beschlüsse, sind uns die Schwächen von Jugend gegen Rassismus bewusst. Jugend gegen Rassismus ist vermutlich die Plattform im gesamten Bundesgebiet, die die weitgehendsten Forderungen aufstellt. Von vollen Staatsbürger_Innenrechten für alle, die in Deutschland leben wollen, bis zum nötigen Aufbau von antirassistischen Selbstverteidigungsstrukturen schlägt Jugend gehen Rassismus einen stimmigen Forderungskatalog für den Aufbau einer antirassistischen Jugendbewegung vor. Verbunden werden diese antirassistischen Forderungen klar und deutlich mit sozialen Fragen, wie beispielsweise der Forderung nach Abschaffung der Lager bei gleichzeitigem massivem sozialen Wohnungsbau, finanziert durch die Besteuerung der großen Banken und Konzerne.


Während es Jugend gegen Rassismus nicht an guten Forderungen mangelt, ist es nach wie vor eine kleine Initiative. Dass dies kaum auffällt im Vergleich zu anderen Initiativen, liegt mehr an der Schwäche der gesamten Linken, als an der Stärke von Jugend gegen Rassismus. Wir von REVOLUTION wollen diese Schwäche überwinden. Daher brachten wir erneut den Antrag ein, dass sich Jugend gegen Rassismus deutlich an Jugendorganisationen wie solid, die JuSos, die SDAJ, DIDF oder Ciwanên Azad, die Gewerkschaftsjugenden, sowie kleinere lokale linke Jugendgruppen wenden sollte, um sie aufzufordern sich der Initiative anzuschließen.
Ebenfalls gehen wir nicht davon aus, dass Jugend gegen Rassismus einen Alleinvertretungsanspruch als bundesweite Plattform genießt. Wir wollen Jugend gegen Rassismus nicht als Fetisch anderen bundesweiten Bündnissen entgegenstellen, sondern zu einer möglichst starken gemeinsamen bundesweiten antirassistischen Bewegung kommen.


Es gibt jedoch zwei gute Gründe, Jugend gegen Rassismus nicht einfach in Bündnissen wie „Aufstehen gegen Rassismus“ aufzulösen. Es gibt auch gute Gründe, sich Jugend gegen Rassismus anzuschließen. Die Initiative sticht mit entschlossenen Aktionsformen im Jugendbereich, insbesondere an Schulen, hervor, der von der radikalen Linken, geschweige denn den Reformist_Innen, sonst kaum Beachtung findet. Jugend gegen Rassismus ist ein vielversprechendes Mittel, nicht nur um einzelne Großdemonstrationen zu organisieren, sondern auch tatsächlich eine durch Streikkomittees an der Basis verankerte Bewegung aufzubauen.


Zweitens ist Jugend gegen Rassismus ein guter Pol für Organisationen, die sich nicht nur dem Rassismus von PEGIDA und AFD, sondern auch ihren sozialen Wurzeln – dem Kapitalismus – entgegenstellen wollen. Jugend gegen Rassismus wirft beispielsweise im Gegensatz zu „Aufstehen gegen Rassismus“ klar soziale Forderungen auf, greift auch den staatlichen Rassismus an und setzt ihm eine eigenständige politische Agenda gegenüber, die sich auf antiimperialistische Grundsätze und internationalistische Positionen stützt. Wer sich Jugend gegen Rassismus anschließt, stärkt nicht nur die antirassistische Bewegung, sondern auch den entschlossenen linken Flügel in ihr, der für die breitest mögliche Einheit, bei der klarest möglichen Politik der Jugend- und Arbeiter_Innenbewegung eintritt.


Abwesenheit des Reformismus, Konfusion des Zentrismus


Die Abwesenheit größerer reformistischer Jugendorganisationen ist ein Problem für Jugend gegen Rassismus, will es eine wahrhafte Einheitsfront im Jugendbereich werden. Es ist ein Problem, das sich in erster Linie aus der Passivität der reformistischen Organisationen ergibt, wenn es um gemeinsame Aktionen und den aktiven Aufbau einer Bewegung geht.


Revolutionär_Innen können sich aber nicht damit begnügen, auf der einen Seite ebenso passive Kritik zu üben, ohne diese Organisationen zur praktischen Aktion aufzufordern. Genauso wenig dürfen sie ihre Kritik oder Positionen zurückstellen, weil die breite „Masse“ noch nicht bereit für die Forderungen oder Aktionen wäre, wie Jugend gegen Rassismus sie organisiert. Die erste Position führt zu einem Minibündnis aus isolierten Kleingruppen. Die zweite Position führt zur Anpassung an den Reformismus, sowohl programmatisch als auch was die Passivität in der Aktion angeht.


Dieses Schwanken zwischen Sektierertum und Opportunismus ist typisch für zentristische Organisationen, schwanken sie doch selbst immer wieder zwischen revolutionärer Rhetorik und der Anpassung an Spielarten des Reformismus. So stellten die Revolutionär Internationalistische Organisation (RIO) und die Revolutionär Kommunistischen Jugend (RKJ) sowie die Sozialistische Alternative Voran (SAV) zwei Spielarten des Zentrismus dar. Die Sozialistische Alternative Voran (SAV) geht sogar soweit, sich lokal an manchen Aktionen im April beteiligt zu haben und war auch mit einigen Jugendlichen am ersten Tag der Konferenz anwesend. Der Initiative wollten sie aber weiterhin nicht als bundesweite Organisation beitreten. Die Begründung sei, dass die Stimmung unter Jugendlichen noch nicht so weit sei und Jugend gegen Rassismus von oben herab versuchen würde, eine Bewegung zu erzwingen. Wie sozialistisch eine Alternative voran gebracht wird, musste dann die Konferenz der SAV zeigen. Sie selbst beschränkt sich auf’s hinterherlaufen.


Bei allen Differenzen, die wir mit RIO und der RKJ auf der Konferenz hatten, muss bemerkt werden, dass sie im Gegensatz zur SAV Jugend gegen Rassismus mit aufbauen. Ihre Vorschläge auf der Konferenz bestanden jedoch darin, eher den Schulterschluss mit kleinen „radikalen“ Basisgruppen zu suchen und dies zu einem bundesweiten Schwerpunkt von Jugend gegen Rassismus zu machen. Grossmobilisierungen anderer antirassistischer Bündnisse können zwar besucht werden, aber als Schwerpunkt sollen diese nicht angesehen werden.


Wir von REVOLUTION schlugen der Konferenz hingegen vor, sich als bundesweiten Schwerpunkt eine kritische Unterstützung dieser Grossmobilisierungen zu geben. Der Zusammenschluss mit „radikalen“ Basisgruppen kann lokal vor Ort, wo möglich verfolgt werden. Wir freuen uns daher, dass sich die Konferenz nach einer längeren Diskussion dazu entschloss, die Grossmobilisierung am 03.September zu unterstützen. Nur so kann Jugend gegen Rassismus die Spaltung der Linken in der Aktion überwinden und gleichzeitig offen für seinen Forderungskatalog eintreten sowie dem Ziel – dem Aufbau einer bundesweiten, Jugendbewegung – voran bringen.


Mit ihrem Vorschlag bewies RIO/RKJ, dass sie nicht in der Lage sind, wirkungsvolle Taktiken gegenüber dem Reformismus anzuwenden. Für sie stellt ein eigenständiger Block von Jugend gegen Rassismus auf der Aufstehen gegen Rassismus Demonstration bereits eine „Anbiederung“ an den Reformismus dar. Dass dies jedoch ein notwendiger Schritt ist, um die Einheit in der Aktion herzustellen und um gleichzeitig die eigenen Positionen in die Großmobilisierungen einzubringen und somit die reformistischen Führungen unter Druck zu setzten, wollen sie nicht verstehen. Sie schlagen stattdessen praktische Passivität gegenüber dem Reformismus, gepaart mit radikaler Rhetorik vor.



Ihr Vorschlag der Passivität gegenüber „Aufstehen gegen Rassismus“ stellte eine interessante Schnittstelle mit dem Vorschlag der SAV dar. Die SAV warnte Jugend gegen Rassismus davor, sich an der Demonstration zu beteiligen (auch wenn dies nicht per se ausgeschlossen wurde), da diese sehr undemokratisch und intransparent organisiert werden würde. Auch hier war der durchschimmernde Vorschlag der der Passivität gegenüber des Reformismus. Die SAV hat aber auch noch andere Gründe für das Aussprechen dieser „Warnung“. Sie fürchtet sich vor einem starken Block von Jugend gegen Rassismus auf der Demonstration. Je stärker Jugend gegen Rassismus auf dieser Demonstration vertreten sein wird, umso mehr steigt entweder die Wahrscheinlichkeit, dass der Druck ihrer eigenen Basis steigt, sich an Jugend gegen Rassismus zu beteiligen oder solid ihren Beschluss des Bundeskongresses wahr macht und sich aktiv an Jugend gegen Rassismus beteiligt. Zwei Seiten der gleichen Medaille: der zentristischen Passivität gegenüber dem Reformismus in Form von RIO/RKJ und der SAV.


Beides stellt ein prinzipienloses Verhalten dar und ist katastrophal für die Aktionseinheit. Würde sich vor allem die SAV aktiv gegenüber Jugend gegen Rassismus verhalten, würde sie nicht nur den sozialistischen Pol in der antirassistischen Bewegung stärken, auch die Chancen, solid als ganzes für die Aktionseinheit zu gewinnen wären ungemein größer. Und sollte sich solid anschließen, würden vermutlich auch Organisationen wie die SDAJ, Ciwanên Azad, DIDF etc. anhand der Dynamik sich ebenfalls anschließen müssen. Aber die SAV hat bisher zu große Angst, auf Tuchfühlung zu gehen, selbst eine aktive Rolle einzunehmen, selbst etwas aufzubauen. Sie begnügt sich bisher lieber damit, zu sagen, dass wenn „Jugend gegen Rassismus sehr groß wird, werden wir uns natürlich auch anschließen.“ Wir können nur hoffen, dass die SAV mit diesem „Voran ihr Massen, wir folgen euch.“ Konzept bricht. Wir würden sie mit offenen Armen in der gemeinsamen Aktionseinheit begrüßen.


Wir haben etwas zu sagen, wir müssen etwas tun.


Wir haben eine so ausführliche Kritik verfasst, nicht weil wir uns besonders profilieren wollen. Wir glauben, dass es ungemein wichtig für unsere Bewegung ist, durch Kritik die gemeinsame Aktion besser, schlagfertiger und effektiver zu machen. Für uns verbindet sich Kritik eben auch immer mit der gemeinsamen Aktion für gemeinsame Ziele, wo sie existieren.


Wir wollen Jugend gegen Rassismus in den kommenden Aktionen weiter aufbauen. Wir werden auch weiterhin für eine breite antirassistische Aktionseinheit aller linker, gewerkschaftlicher und migrantischer Jugendorganisationen eintreten.


Wenn ihr sowohl etwas zu sagen habt und etwas tun wollt, dann schließt euch Jugend gegen Rassismus an, mobilisiert gemeinsam mit uns für den 3. September nach Berlin und am 29. September bundesweit für Streiks, Demonstrationen und Kundgebungen in euren Städten.


Jugend gegen Rassismus