Rechtsruck, Krise und Lage von Frauen

von Kai Zumar, Revolution, FIGHT! März 2024

Für Linke, Frauen, queere Menschen, rassistisch Unterdrückte und andere gesellschaftlich Unterdrückte und Menschen, die in Armut leben, fängt 2024 als gut geölte Rutschbahn in die Hölle an. Der Klimawandel droht nach wie vor, unseren Planeten buchstäblich höllisch heiß zu machen. Mit der Wirtschaft geht es bergab, Rechte sind auf dem Vormarsch, und alles scheint in deprimierender Perspektivlosigkeit zu versinken. Hinzu kommen Kriege und Auseinandersetzungen weltweit. Es wird weiterhin von einem sinkenden Produktionsniveau, Stagnation und Rezession, steigender Arbeitslosigkeit und hoher Inflation in Deutschland ausgegangen. Weltweit sieht es nicht besser aus, wie auch der ökonomische Kollaps von Halbkolonien wie Sri Lanka oder Pakistan verdeutlicht.

Wirtschaftskrise

„Schlechter war die Stimmung in diesem Punkt zuletzt im Jahr der Finanzkrise 2009“, meinte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Ende 2023. Dass direkt die Krise 2008/2009 zur Sprache kommt, ist kein Zufall. Denn die weltweite Wirtschaftskrise, die wir immer mehr beobachten können, ist direkte Folge dieser damals nicht voll aufgelösten Krise. Eine massive Blase auf den Hypotheken- und Hausmärkten war 2008 geplatzt, als sich Rückzahlungsausfälle häuften. In der Folge kam es zu einer enormen globalen Profitkrise. Doch während es üblicherweise zu einer Erholung kommen kann, wenn eine Reihe an Firmen pleitegeht und es damit zu einer Vernichtung (Außerdienststellung) von ihrem fixen Kapital (z. B. Maschinen) kommt, woraufhin der Anteil an menschlicher Arbeit in der Produktion und damit die Profitraten wieder steigen, wurde diese Entwicklung 2008/9 aufgeschoben. Erreicht wurde das durch Niedrigzinspolitik, die Abwälzung der Krisenkosten auf die Arbeiter:innen und internationale Koordination. Losgetreten und befeuert durch die Coronapandemie und die Energiekrise rollt die jetzige Krise als Folge dieser Politik über uns hinweg. Für Frauen hat schon die Pandemie nicht nur einen unfassbaren Anstieg an häuslicher Gewalt und ein Eingesperrtsein mit ihren Tätern, sondern auch überdurchschnittlich oft Entlassung und Prekarisierung bedeutet, was sie zusätzlich ökonomisch abhängiger macht, als sie es ohnehin oft sind. Hinzu kam dann noch eine heftige Mehrfachbelastung dadurch, dass Frauen einerseits besonders oft in „systemrelevanten“ Jobs und im Gesundheitssystem arbeiten, das ohnehin kaputtgespart ist und wo sie Ansteckung noch mehr ausgesetzt sind, und andererseits, dass durch geschlossene Kindergärten und Schulen sowie Homeoffice viel mehr Reproduktionsarbeit in den privaten Familienhaushalt und damit die Frau in eine reaktionäre Geschlechterrolle als Hausfrau gedrängt wurden. Die Rückbesinnung auf die bürgerliche Kleinfamilie wirkt sich auch durch steigende Gewalt gegen LGBTQ+-Menschen aus. Viele von ihnen mussten lange Lockdowns mit queerfeindlichen und/oder gewalttätigen Familienmitgliedern verbringen und waren gezwungen, sich tief im Schrank zu verschanzen. statt frei und geoutet zu leben. Für viele trans Personen bedeutete die Krise des Gesundheitssystems noch längere Wartezeiten oder die Aussetzung von lebensrettenden Operationen und Behandlungen, während Schutz- und Therapieangebote weiterhin völlig unzureichend sind. Wie in einem Spießroutenlauf ging es nach der Zeit der Lockdowns weiter mit Inflation und einer Krise, die sowohl von ihrem Wesen her als auch in ihren Auswirkungen weitaus umfassender ist als 2008. Für Frauen, die öfter in sozialen Bereichen, anderen schlecht bezahlten Jobs und besonders in einigen Halbkolonien überdurchschnittlich oft im informellen Sektor arbeiten, macht eine Inflation von bis zu 8,8% in Deutschland 2023 und weitaus höher in anderen Teilen der Welt schnell den Unterschied zwischen gerade noch durchkommen und hungern müssen aus. Besonders, wenn man dann noch alleine Kinder großziehen muss. Auch queere Menschen, die überdurchschnittlich oft arm, arbeitslos oder wohnungslos sind, werden besonders hart von der Krise getroffen. Die Lösungsansätze von 2008 waren für Arbeiter:innen und gesellschaftlich Unterdrückte nicht viel besser. Doch sie jetzt einfach zu wiederholen, geht auch nicht. Die mitgeschleppten Probleme der letzten Krise machen das unmöglich. Die Nullzinspolitik ist erschöpft, Quantitative Easing hat zu viele Nebenwirkungen, die Kosten sind nicht komplett auf Arbeiter:innen abwälzbar und die internationale Konkurrenz, entgegenstehende Kapitalinteressen und daraus entstehende militärische Konflikte verhindern internationale Koordinierung.

Geopolitische Lage

Solche politischen, wirtschaftlichen und militärischen Konflikte können wir gerade in großem Ausmaß an vielen Stellen beobachten – seien es der Handelskrieg zwischen China und den USA, der Genozid gegen die Palästinenser:innen oder der immer noch andauernde Ukrainekrieg. Als Folge von unsicheren Produktions- und Handelsketten durch die Pandemie und die globale Rezession verlagern die imperialistischen Zentren wichtige Industrien des nationalen Kapitals immer mehr in ihre eigenen Einflusszonen zurück und betreiben so eine Politik des „Reshoring“. Das sehen wir beispielsweise an der Wiedereinführung von Zollschranken oder den Versuchen Chinas, eigene Alternativen zu dem internationalen Zahlungssystem SWIFT zu etablieren. Dieses Reshoring äußert sich auch in vermehrter imperialistischer Blockbildung. In einer Welt, in der jede Ressource und jedes Fleckchen schon von irgendwem/r kontrolliert wird, versuchen einzelne Kapitalfraktionen verzweifelt, während der Rezession ihren Einfluss zu behalten oder auszuweiten, um sich ihren Platz in der internationalen Konkurrenz zu sichern. Zunehmend nimmt dieser Kampf um die Neuaufteilung der Welt militärische Formen an. Doch viele dieser Kriege sind geopolitische Konflikte von Imperialist:innen, bei denen für Arbeiter:innen nie was drin ist. Von welchem Imperialismus sie unterdrückt und ausgebeutet werden, macht kaum einen Unterschied. Für sie bedeutet Krieg die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage, oft Nahrungsmittelknappheit, noch mehr Ausbeutung und, sich für fremde Interessen erschießen zu lassen. Doch auf Frauen und queere Menschen haben auch Krieg und Flucht oft noch extremere Auswirkungen. Darum gilt es, besonders Kämpfe gegen nationale Unterdrückung wie in Kurdistan oder Palästina zu antiimperialistischen, revolutionären Befreiungskämpfen auszuweiten, in denen Frauen eine führende Rolle für ihre eigene Befreiung einnehmen. Neben einer allgemeinen Verschlechterung der Lebensbedingungen kommt es in Kriegssituationen oft zu einem enormen Anstieg an Gewalt gegen Frauen und queere Menschen. Besonders Vergewaltigungen als massenhaft angewendete, verbrecherische Kriegstaktik, um einer ganzen Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe nachhaltig zu schaden, kommt fern von jeden Beteuerungen über Menschenrechte und Schutz der Zivilbevölkerung oft vor (z. B. Ruanda 1994, Nanking 1937, Bosnien und Herzegowina 1992 – 1995). Konsequenzen hat das für die meisten Täter nicht, obwohl die UNO (erst) 2008 in einer Resolution zu einem sofortigen Stopp von sexueller Gewalt in der Kriegsführung aufrief. In dem UNO-Bericht dazu von 2023 wurde festgehalten, dass diese Verbrechen weiter eine relevante Rolle in der Kriegsführung spielen, im Kontext sich zuspitzender Konflikte sogar zugenommen haben, sie weiterhin auch von UNO-Soldat:innen ausgeübt werden und nach wie vor die meisten Taten unbestraft bleiben. Noch extremer als während Corona trifft auch der Zusammenbruch des Gesundheitswesens im Krieg Frauen und LGBTQ+-Menschen besonders stark, nicht nur weil sie häufig in diesem Bereich arbeiten. Oft gehen die Zahlen von Geburtensterblichkeit drastisch in die Höhe. Dazu kommt, dass eine Frühwitwenschaft durch Krieg die ohnehin bestehende Altersarmut von Frauen verstärkt. Auch werden im Krieg oft Kinderbetreuung, Bildung oder Sozialdienste ausgesetzt, wodurch Frauen mit noch mehr unbezahlter Reproduktionsarbeit zurückgelassen werden als sonst. Doch nicht nur die zuhause Gebliebenen haben es schwer, auch auf der Flucht zeigt sich sexuelle Unterdrückung gegen Frauen und queere Menschen. Etwa die Hälfte der über 27 Mio. Menschen, die gerade auf der Flucht sind, sind Frauen. Auch hier erfahren sie häufig sexuelle Gewalt und tragen Verantwortung für Kinder und Familien. Auch queere Menschen erfahren oft Gewalt auf der Flucht. Die auch nur unzureichenden Schutzversuche der UNO für geflüchtete Frauen wie die Einrichtung von geschlechtergetrennten Sanitäranlagen bieten diesen Land erreichen, werden Verfolgungen aufgrund sexueller Orientierung oder des Geschlechts oft de facto nicht anerkannt. Rechtsruck Doch auch abgesehen von spezifischer Unterdrückung wird die Situation für Geflüchtete ja immer schlechter. Die AfD in Deutschland würde am liebsten wieder die Rassentheorie auspacken und nicht nur Geflüchtete, sondern gerne gleich alle, die kein „reines, deutsches Blut“ haben, abschieben. Schweden erlässt ein Gesetz, nach dem alle im sozialen Bereich Arbeitenden gezwungen sind, Menschen ohne Papiere, die ihre Hilfe aufsuchen, an den Staat zu melden. Die EU schafft fröhlich das Asylrecht nach und nach ab und verweigert Geflüchteten Grundrechte. Es scheint, als gäbe es keine Ecke mehr auf der Welt, aus der nicht Meldungen über neue rechte Regierungen oder rassistische Gesetzgebungen kommen. Analog zu der Wirtschaftspolitik des Reshorings und der Blockbildung greift auf ideologischer Ebene eine neue Welle des Nationalismus um sich. Wir erleben eine allgemeine Entwicklung nach rechts, die sich aus der Schwäche der Linken und der Wirtschaftskrise speist. Die Krise führt zu Abstiegsängsten beim Kleinbürger:innentum und zur Prekarisierung vieler Arbeiter:innen. Mangels irgendeiner fortschrittlichen Perspektive wenden sie sich zum Teil an Rechte, die versprechen, das Gefühl, es gäbe zu wenig, damit zu beantworten, dass halt noch weniger geteilt wird (was faktisch Rassismus und Umverteilung nach oben bedeutet). Auch das binnenmarktorientierte Kapital wendet sich den Rechten zu, die ihre Interessen viel eher vertreten als die der Kleinbürger:innen oder gar Arbeiter:innen. Es ist also kein Zufall, dass AfD, Sverigedemokraterna (rechte Regierungspartei in Schweden) oder die Fratelli d’Italia gerade jetzt so stark sind. Und es ist auch kein Zufall, dass die Rechten in Italien Mussolinis alte Parole „Dio, patria, famiglia“ (Gott, Vaterland, Familie) wieder aufwerfen oder die AfD dafür ist, dass Kinder die ersten drei Jahre zu Hause von der Mutter betreut werden, während sie gleichgeschlechtlichen Paaren gerne Kinderkriegen und Heiraten verbieten würde.

Reproduktionsarbeit

Es ist kein Wunder, dass Krise und Rechtruck mit einer Rückbesinnung auf die bürgerliche Kleinfamilie und damit Angriffen auf die Rechte von queeren Menschen (siehe Transfeindlichkeit, besonders in den USA, Russland, Großbritannien …) und von Frauen (z. B. Kürzungen von Geldern für Frauenhäuser, Abtreibungsrecht) einhergehen. Denn die bürgerliche Kleinfamilie ist der Ort, an dem im Kapitalismus die Arbeitskraft reproduziert wird. Wer morgens brav zur Arbeit erscheinen soll, wurde irgendwann geboren, erzogen und hat Bildung erfahren, braucht einen vollen Magen, eine saubere Wohnung, in der sie/er leben und schlafen kann, gewaschene Klamotten etc. Und wer putzt die Wohnung, erzieht die Kinder, kocht Essen, geht einkaufen, wäscht Geschirr und Kleidung? Frauen wenden im Durchschnitt in Deutschland 52,4 % mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf (bei 34-Jährigen sind es sogar 110,6 %). Ganz schön praktisch für die Kapitalist:innen, die dadurch nicht für die Reproduktionsarbeit verantwortlich sind und mehr Profite machen können. Ideologien wie die Erzählung von der perfekten Hausfrau und dem umsorgenden weiblichen Wesen halten diese Arbeitsteilung (bzw. Mehrarbeit der Frauen) genauso aufrecht wie Regelungen wie z. B. die Bedarfsgemeinschaft für den Empfang von Sozialleistungen oder Ehegattensplitting. Und besonders in einer Krise gilt es für die Kapitalist:innen, Arbeitskraft so billig wie möglich, bestenfalls kostenlos zu mobilisieren. Sexistische Erzählungen kommen darum in Krisenzeiten oft mehr auf und rechtfertigen die unbezahlte Hausarbeit und das Abschieben von Frauen in prekäre Arbeitsverhältnisse. In Deutschland arbeitet momentan fast die Hälfte aller Frauen in Teilzeit (bei Männern sind es 12,7 %). In den fünf schlechtest bezahlenden Branchen arbeiten auch überdurchschnittlich viele Frauen, beispielsweise im Lebensmitteleinzelhandel mit über 80 %. Von ihnen wird erwartet, dass sie den Haushalt schmeißen, während sie gleichzeitig der Lohnarbeit nachgehen müssen, um sich über Wasser zu halten. Die Familie als ökonomische Instanz wird so immer unattraktiver. Das möchten die Rechten gerne ändern. Allerdings nicht, indem sie Hausarbeit vergesellschaften und damit Frauen von dieser Doppelbelastung befreien. Außerdem sollen alle staatlichen Unterstützungen bitte nur für „klassische“ Familienmodelle (á la eine deutsche Mutter, ein deutscher Vater und deren leibliche Kinder) zur Verfügung stehen. Doch dieses Beharren auf sexistischen Erzählungen und der bürgerlichen Kleinfamilie, in der die Frau abhängig vom Mann ist, ist gefährlich. Zum einen sind da die Mehrbelastung, die ökonomische Abhängigkeit, die mit der Krise noch steigt, und fehlende Selbstbestimmung über den eigenen Körper sowie die sexuelle Gewalt. Aber da hört es nicht auf. Frauen werden täglich ermordet, einfach weil sie Frauen sind. Parallel zum Anwachsen sexistischer Ideologien ist auch die Zahl an Femiziden in den letzten Jahren immer noch erschreckend hoch. Mehr als 135 Frauen sind es weltweit täglich, die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen, zumal diese Statistik nur von Morden in der Familie oder Partner:innenschaften ausgeht. In Deutschland wird etwa jeden dritten Tag ein Mädchen oder eine Frau in einem Femizid ermordet. 2022 wurden so viele Frauen in einem Jahr ermordet wie noch nie. Österreich ist eines der wenigen Länder, in denen es regelmäßig sogar mehr ermordete Frauen als Männer gibt. Mehr als 70 % dieser Morde werden von (Ex-)Partnern begangen. Und auch in Ländern, in denen die allgemeine Mordrate sinkt, bleibt die Zahl der Femizide laut den (sehr unzureichenden) Studien relativ konstant. Neben den schon genannten Gründen, die aus Krise und Rechtsruck erwachsen, kommt hier noch dazu, dass die Krise auch die gesellschaftliche Position der Männer angreift. Viele können ihre zugeteilte Rolle als Ernährer und Familienoberhaupt nicht mehr spielen. Die ökonomische Abhängigkeit wächst und für Frauen und queere Menschen wird es sehr schwierig, den unter diesem Druck oft missbräuchlichen Familien- oder Beziehungsverhältnissen zu entfliehen.

Perspektive

So weit, so deprimierend. Doch all diese Umstände sind mehr als nur traurige Fakten. Uns als Revolutionär:innen zeigen sie Zusammenhänge auf, die wir zu ihrer Bekämpfung unbedingt verstehen müssen. Sie zeigen uns, dass wir wahrhaftig am Anfang einer „Zeitenwende“ stehen, wie Scholz es einmal ausdrückte. Und dass es an uns ist, dafür zu sorgen, dass sich die Zeit im Sinne der Arbeiter:innen, der Frauen, queeren Menschen, rassistisch Unterdrückten und all jenen wendet, die keinerlei Interesse am Fortbestehen des Kapitalismus und seiner Krisen haben. Gerade in solch umfassenden Krisen besteht im Rahmen des Möglichen unsere Pflicht und Aufgabe darin, dem voranschreitenden Rechtsruck und den drängenden Fragen und Problemen unserer Zeit eine fortschrittliche, linke Antwort auf die Krise entgegenzustellen. Das bedeutet, Bewegungen gegen die Abwälzung der Krisenkosten auf die Arbeiter:innen aufzubauen und sowohl Forderungen gegen die Unterdrückung von Frauen und queeren Menschen (z. B. Vergesellschaftung der Hausarbeit) als auch gegen Rassismus (z. B. offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für alle) aufzuwerfen und miteinander zu verknüpfen. Das bedeutet, dass wir demokratisch legitimierte Selbstschutzorgane aus der Arbeiter:innenbewegung brauchen, die sich gegen Sexismus und Rassismus sowie rechten Angriffen entgegenstellen können. Das bedeutet, dass Frauen und queere Menschen eine führende Rolle im Kampf um ihre eigene Befreiung einnehmen und gleichzeitig verstehen müssen, dass unsere vollständige Befreiung im Widerspruch zu den Interessen des Kapitalismus steht, alle unsere Kämpfe sich deshalb gegen diese Wurzel unserer Unterdrückung richten müssen. Und vor allem bedeutet das auch, den Imperialismus und seine Krisen als globales Phänomen zu betrachten, auf das es nur internationale Antworten geben kann. In jeder Bewegung gegen Krise, Krieg und Blockbildung müssen wir dabei für einen internationalistischen und antiimperialistischen Charakter eintreten. Jeden Konflikt, der einen fortschrittlichen Charakter trägt, etwa die Verteidigung Rojavas, die Befreiung Palästinas oder den Sturz des iranischen Regimes gilt es, in einen revolutionären Kampf gegen die „eigene“ Bourgeoisie und den Imperialismus zu verwandeln, in dem Frauen und LGBTQ+-Personen ihre Entrechtung beenden und Perspektiven für ein befreites Leben aufwerfen können. Im selben Atemzug gilt es, die Organe und Organisationen der Arbeiter:innenklasse unter Druck zu setzen und gegen die Krise zu mobilisieren: Vor allem die Gewerkschaften müssen sich gegen eine Abwälzung der Krisenkosten auf die Arbeiter:innen stellen und fordern, dass stattdessen die Reichen zur Kasse gebeten werden. Es ist unsere Aufgabe als Revolutionär:innen, diese Forderungen und Perspektiven in die aktuellen sozialen Kämpfe zu tragen und gemeinsam für eine Welt ohne kapitalistische Krisen und Ausbeutung zu kämpfen.




Den Rechtsruck aufhalten – aber wie?

Von Emilia Sommer, Revolution, FIGHT! März 2024

Die Umfragewerte der AfD sind so hoch wie nie. Sie stellt zum ersten Mal Bürgermeister:innen und plant auf Geheimtreffen massenhafte Abschiebungen. Gleichzeitig verabschiedete die Regierung ein Rückführungsgesetz, welchen ebendies erleichtert, und der  deutsche Staat geht mit extremer Gewalt gegen palästinasolidarische Menschen vor, führt Razzien durch und kriminalisiert Aktivist:innen. Auch wenn sie sich aktuell medienwirksam auf den Anti-AfD-Protesten zeigt, ist klar, dass die Ampel-Regierung mit ihrer Umsetzung rechter Forderungen den Rechtsruck aktiv befeuert und den Aufstieg von AfD & Co mit ermöglicht.

Ein internationales Problem

Auch international ist der Rechtsruck nicht zu übersehen: Ob Fratelli d’Italia in Italien, Geert Wilders in den Niederlanden, Milei in Argentinien oder die rechtspopulistischen „Schwedendemokraten“, alle zeigen, dass rechte Regierungen auf dem Vormarsch sind und eine kämpferische linke Perspektive noch immer auf sich warten lässt. Dabei schüren sie nicht nur Rassismus, sondern bringen auch für Frauen und Queers einen Rollback mit sich. So erließ  2020 das polnische oberste Gericht ein nahezu vollständiges Verbot von  Schwangerschaftsabbrüchen, viele US-amerikanische Bundesstaaten zogen nach und auch, wenn es in Deutschland seit knapp zwei Jahren nicht mehr strafbar ist, warten wir vergeblich auf Streichung des § 218, der diese nach wie vor kriminalisiert und lediglich duldet trotz großer Ankündigungen der Ampel. Doch die Liste geht noch weiter: In Italien stellte die Regierung kürzlich die Geburtsurkunden von Kindern in Regenbogenfamilien in Frage – also gleichgeschlechtlicher Eltern. Das Ziel: Nur der „leibliche“ Elternteil soll anerkannt bleiben. Dem oder der Partner:in wird demnach der Elternstatus entzogen. Das ungarische Parlament geht sogar so weit, ein Gesetz zu erlassen, welches dazu ermuntert, gleichgeschlechtliche Eltern wegen Verletzung der „verfassungsrechtlich anerkannten Rolle von Ehe und Familie“ bei den örtlichen Strafverfolgungsbehörden zu melden. Neben der Anzeige von Regenbogenfamilien erlaubt das Gesetz auch die anonyme Anzeige von „jedem/r, der/die die wahre Bedeutung von Familien, die in der ungarischen Verfassung definiert ist, leugnet oder ändert“.  All das führt uns zu der Frage: Was tun? So weitergehen kann es schließlich nicht. Doch bevor wir dazu kommen, müssen wir zuerst kurz anschauen, woher der Rechtsruck kommt und warum aktuell so viele rechts wählen.

Krise und Rechtsruck: die Ursache kennen

Dazu müssen wir zunächst einen Blick in die Vergangenheit werfen: Seit der Weltwirtschaftskrise 2007/08 hat sich die Konkurrenz zwischen den einzelnen Kapitalisten:innen und ihren Staaten verschärft. Es kam zu einer massiven Konzentration von Kapital. Gerade die größeren Monopole konnten davon profitieren, während kleinere Unternehmen nicht mithalten konnten. Kleinere Unternehmer:innen, auch gerne als Mittelstand bezeichnet, haben Angst, ihre Stellung zu verlieren und pleitezugehen. Getrieben von der Angst vor sozialem Abstieg fangen sie an, laut herumzubrüllen: Protektionismus, Nationalchauvinismus, Standortborniertheit, das sind ihre Argumente, um sich zu schützen. Kurz gesagt: Sie wollen das Rad der Geschichte zurückdrehen, um nicht ihren Reichtum zu verlieren. Sie wollen den globalen Kapitalismus also auf reaktionäre Art bekämpfen. Mit der Fokussierung auf Nationalstaat und Protektionismus geht auch einher, dass das Ideal der „bürgerlichen Familie“ gestärkt werden muss. Denn im Kapitalismus ist die Arbeiter:innenfamilie der Ort, wo unbezahlte Reproduktionsarbeit stattfindet. Ob nun Kindererziehung, Altenpflege, Waschen oder Kochen – all das reproduziert die Arbeitskraft der einzelnen Arbeiter:innen und sorgt gleichzeitig dafür, dass dem Kapital die Arbeitskraft nicht ausgeht. Oftmals wird diese unbezahlte Hausarbeit von Frauen verrichtet. Diese Arbeitsteilung wird dadurch gefestigt, dass sie weniger Lohn als Männer erhalten und sie somit nach einer Schwangerschaft eher zu Hause bleiben. So verdienen sie beispielsweise im Schnitt immer noch weniger als Männer trotz öffentlichem Diskurses über den Gender Pay Gap, machen deutlich mehr der Beschäftigten in sozialen Berufen aus und arbeiten immer noch doppelt so lang im Haushalt wie Männer. Im Kontrast dazu stehen erkämpfte Rechte von Frauen und LGBTIAs. Ob nun Legalisierung von Homosexualität, die Gleichstellungsgesetze, das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper – all das lehnen die Rechten mit aller Macht ab. Das traditionelle Bild der Frau als Mutter, emotionale Versorgerin und Pflegende trägt also aktiv zur Profitmaximierung bei, Sexismus hat eine materielle Grundlage und queere Partner:innenschaften, Identitäten und Familien stellen dieses klassische Bild infrage.

Warum wählen aktuell so viele Menschen rechts?

Natürlich gibt es dafür mehrere Gründe. An dieser Stelle wollen wir uns jedoch auf einen konzentrieren – die Finanzkrise 2007/2008. Im Rahmen dieser nahm nicht nur die Konkurrenz zwischen einzelnen Kapitalfraktionen zu. Es kam auch zu einer wachsenden Verelendung der Arbeiter:innenklasse. Damals wurden die Kosten der Krise auf diese abgewälzt: Viele wurden entlassen, vielerorts sind Löhne nicht gestiegen, während zugleich die Lebenshaltungskosten in die Höhe kletterten. Dagegen passiert ist nicht viel. Massenproteste wurden im Namen der Sozialpartnerschaft klein gehalten oder konnten nicht gewonnen werden wie in Griechenland. Das hat viele enttäuscht und so wendeten sie sich beispielsweise der AfD zu, die sich als Alternative zu den etablierten Parteien mittels Ablehnung der EU und rassistischer Hetze darstellen konnte. Doch statt dem was entgegenzusetzen, gab es eine Verschiebung nach rechts. Viele Parteien haben sich vor den Karren spannen lassen. Während Rechtspopulist:innen hetzten, verabschiedeten sie Gesetze und stimmten in den Chor mit ein. Vorbei ist die Willkommenskultur, jetzt haben wir einen Olaf Scholz der sagt „Wir müssen endlich konsequent abschieben”. Das ist kein Zufall: Getrieben von der Angst vor Wähler:innenverlusten bildet Rassismus gleichzeitig ein gutes Mittel, um von Einsparungen und fehlenden Lohnerhöhungen abzulenken. Migrant:innen werden zum Problem gemacht, nicht nicht die Unterordnung aller politischen Ziele unter die Interessen des Kapitals. Die Krise im Zuge der Pandemie befeuerte diese Entwicklung erneut. Doch so abgefuckt diese Entwicklung ist: Es liegt in unseren Händen, etwas dagegen zu tun. Aber was braucht es, um den Rechtsruck aufzuhalten?

Gemeinsam gegen den Rechtsruck!

Um den Vormarsch der Rechten zu stoppen, müssen wir eine Bewegung aufbauen. Dabei braucht es nicht nur einzelne Mobilisierungen, bei denen sich Regierungsvertreter:innen, die letzten Endes den Aufstieg der AfD mit zu verantworten haben, ggenseitig auf die Schultern klopfen können ganz nach dem Motto: „Jetzt waren wir auch im Widerstand!”, während sie einen Atemzug später Gesetze verabschieden, die mehr von uns abschieben. Wir brauchen mehr:

  1. Raus aus der Defensive: Gegen  Sparpolitik und soziale Unterdrückung!

Statt sich einfach nur an den Rechten abzuarbeiten und auf diese zu reagieren, müssen wir konkrete Verbesserungen erkämpfen. Das heißt, wir sind nicht nur gegen Abschiebungen, sondern für offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für alle. Wir fordern nicht nur Abrüstung, sondern lehnen jede Finanzierung des staatlichen Gewaltmonopols, also der Polizei und Bundeswehr, getreu dem Motto, „Keinen Cent für Militarismus und Repression“ ab. Auch treten wir nicht nur gegen die zahlreichen Sparmaßnahmen, sondern für den Ausbau des sozialen Wohnungsbaus, die Enteignung der Wohnungsspekulation, der großen Banken und Konzerne ein, für die Finanzierung unseres Gesundheits- und Bildungssystems durch Besteuerung von Profit und Vermögen der Reichen – unter Kontrolle der Arbeiter:innen, Mieter:innen, Lehrenden und Lernenden. Dabei ist es zentral, daran anzusetzen, was den Rechtsruck befeuert: Sparpolitik und Sozialpartnerschaft. Allerdings darf man auch nicht der Illusion verfallen, dass es nur ausreicht, die „sozialen Fragen“ zu betonen. Diese Forderungen müssen konsequent mit Antirassismus und -sexismus verbunden werden, denn nur in praktischen Kämpfen kann man den sich etablierenden Rassismus zu beseitigen anfangen. Widmet man sich in der jetzigen Situation nur den sozialen Fragen, vergisst man, dass soziale Unterdrückung spaltet, und kann sie schlechter bekämpfen:

  • Investitionen in Bildung, Gesundheit und Soziales, finanziert durch die Gewinne der Reichen, die aktuell noch einmal so richtig Gewinn aus der Krise ziehen!
  • Massive Lohnerhöhung und automatischer Inflationsausgleich in Form einer gleitende Lohnskala!

  1. Druck ausüben und klaren Klassenstandpunkt beziehen

Breite Proteste, wie wir sie mit #wirsinddiebrandmauer sehen, scheinen auf den ersten Blick wünschenswert. Doch die große Einheit, die die scheinbar größte Stärke des Protestes ist, macht gleichzeitig ihre größte Schwäche aus. Doch uns helfen weder Versammlung aller linken Kleinstgruppen, die die besten Forderungen aufwerfen, aber keine reale Verankerung auf die Straße bringen, noch riesige Proteste, die nur abstrakte, verwaschene Parolen wie „Menschenwürde” und „Toleranz” vor sich her tragen.

Deswegen treten wir für ein Bündnis vor allem aus den Organisationen der Arbeiter:innenklasse, also Gewerkschaften, Sozialdemokratie und linken Reformist:innen, ein. Diese in Bewegung zu setzen, ist zentral, da sie einen Großteil der organisierten Arbeiter:innen hinter sich herführen. Das ist ein entscheidender Punkt, wenn es darum geht, Verbesserungen zu erkämpfen. Dies wird nicht nur mittels Demonstrationen passieren, sondern man muss beispielsweise mittels Streiks Druck ausüben. Das heißt nicht, dass Kräfte wie die Grünen nicht mitlaufen können – nur sollte man für deren Beteiligung keine Kompromisse eingehen. Denn Rassismus und Sexismus sind nicht einfach nur beschissen. Sie schwächen auch das objektive Interesse aller Arbeiter:innen. Anstatt zusammen für eine bessere Lebensgrundlage einzutreten, bekämpft man sich gegenseitig („Teile und herrsche!“). Doch diese in Bewegung zu setzen, ist gar nicht so einfach. Deswegen muss man versuchen, in bestehenden Proteste zu intervenieren, und klar aufzeigen: Ihr wollt den Rechtsruck aufhalten? Dann lasst uns Verbesserungen für alle erkämpfen und mobilisiert richtig dafür! Wir brauchen nicht nur Floskeln, sondern konkrete Aktionen!

Um das zu ermöglichen, setzen wir uns im Rahmen solcher Bündnisse – auch Einheitsfronent genannt – für volle Kritik- und Propagandafreiheit ein. Denn es muss möglich sein, gemeinsam Proteste zu organisieren und gleichzeitig Unterschiede sowie Differenzen zu äußern, damit auch innerhalb der gesamten Bewegung politische Vorschläge diskutiert werden.

  1. Rein in den Alltag: Für eine Basisbewegung an Schulen, Unis und in Betrieben!

Große Demonstrationen und Kundgebungen sind gut, aber reichen bei weitem nicht aus. Sie mögen vielleicht jenen, die schon überzeugt sind, Kraft geben. Aber das Ziel bleibt jedoch, mehr Menschen zu erreichen und überzeugen. Stattfinden kann das, indem man Kämpfe um reale Verbesserungen für alle organisieren hilft und diese an jene Orte trägt, wo wir uns tagtäglich aufhalten müssen: Schulen, Unis und Betriebe. Demonstrationen oder Kundgebungen können als Aufhängerinnen genutzt werden, um Vollversammlungen vor Ort zu organisieren, Aktionskomittees zu bilden, die die Forderungen der Bewegung erklären und gleichzeitig mit Problemen vor Ort verbinden. Deswegen ist es zentral, dass Organisationen, die den Protest unterstützen, nicht nur einen Aufruf unterzeichnen, Geld spenden und eine Pressemitteilung herausgeben, sondern auch ihre Mitgliedschaft dazu aufrufen, aktiv an Schulen, Unis und in Betrieben zu mobilisieren.

  1. International is’ Muss!

Der Rechtsruck ist nicht nur ein deutsches, sondern internationales Problem. Hinzu kommt, dass mit Deals zwischen unterschiedlichen Ländern oder gemeinsamen „Initiativen“ wie Frontex vor allem imperialistische Länder versuchen, sich die Probleme der Geflüchteten vom Leib zu halten. Wenn wir uns dem Rechtsruck entgegenstellen, Festungen wie die Europas erfolgreich einreißen wollen, bedarf es mehr als einer Bewegung in einem Land. Deswegen müssen wir das Ziel verfolgen, gemeinsame Forderungen und Aktionen über die nationalen Grenzen hinaus aufzustellen. Das kann anfangen, indem man gemeinsame Aktionstage plant und schließlich gemeinsame Strategie- und Aktionskonferenzen organisiert, in denen Aktivist:innen gemeinsam über die Perspektive der Bewegung entscheiden.

Bewegung alleine reicht nicht!

Doch die Aufgabenliste endet für uns damit nicht: Bewegung alleine reicht nicht aus. Sie kann es  nicht schaffen, die Wurzeln von sozialer Unterdrückung wie Rassismus, Sexismus oder LGBTIA+-Diskriminierung auszureißen, da diese mit dem kapitalistischen System verwoben sind. Deswegen besteht die Aufgabe für Revolutionär:innen innerhalb dieser Bewegung darin, einen klaren antikapitalistischen, internationalistischen Pol zu bilden und eine deutliche Perspektive aufzuzeigen. Wir treten für Verbesserungen im Hier und Jetzt ein, müssen aber gleichzeitig den Weg aufzeigen, wie wir zu einer sozialistischen Gesellschaft kommen. Deswegen werfen wir auf, dass bei Finanzierungsfragen dies durch Besteuerung der Reichen oder Enteignung passieren muss sowie die Kontrolle über Verbesserungen und, wie diese umgesetzt werden, bei Arbeiter:innen und Unterdrückten liegen sollte. Um dies zu realisieren, braucht es unserer Meinung nach eine internationale Organisation mit einem revolutionären Programm, das deutlich macht, dass es keine Spaltung aufgrund Herkunft, Geschlecht, Alter oder Sexualität geben darf, und das aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Nur so können wir unserer Unterdrückung auch in der Arbeiter:innenbewegung selbst entgegentreten und gleichzeitig dem Rechtsruck die Stirn bieten.

Wir fordern deshalb:

  • Aufbau einer antifaschistischen und internationalen Einheitsfront aus allen linken Organisationen und solchen der Arbeiter:innenklasse! Offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für alle!
  • Kampf dem Rechtsruck heißt Kampf dem Kapital: Für ein revolutionäres Programm der Jugend und der Arbeiter:innenklasse!
Schlaglicht:
Männliche Toxizität
Obwohl eine geschlechtliche Rollenverteilung im Sinne des Mannes als finanziellem Versorger der Familie und der Frau als Reproduktionsarbeiterin eine so zentrale Rolle im Kapitalismus einnimmt, führen die Veränderungen der Beschäftigungsverhältnisse gleichzeitig zu einer Krise der bürgerlichen Familie. Frauen werden seit Jahrzehnten mehr und mehr in die Produktion mit einbezogen, stehen oft in Vollbeschäftigungsverhältnissen und der „Girlboss-Feminism“ fordert mehr und mehr ihren Zugang zu Führungspositionen in Unternehmen. Obwohl es hier nach wie vor strukturelle Ungerechtigkeiten gibt, sind Frauen heute oft gut qualifizierte und gefragte Arbeitskräfte, die sich besser selbst versorgen können als beispielsweise noch in den 1950er Jahren. Für viele Männer stellt sich also heute immer drängender die Frage, welche gesellschaftliche Rolle sie besetzen sollen, wenn ihr traditionell anerzogenes Bild des alleinigen Versorgers immer obsoleter wird. Zu diesem Gefühl des Bedeutungs- oder Sinnverlustes kommt bei vielen die Wahrnehmung von Frauen als realistische Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und lässt sie in die Arme toxisch-männlicher Propaganda laufen. Anstatt sich für eine gleichberechtigte und ausbeutungsfreie Zukunft für alle einzusetzen, finden sie Gefallen an der Vorstellung, Frauen in ihre traditionelle, häusliche und unsichtbare Rolle zurückzudrängen, in welcher sie finanziell von ihnen abhängig sind und wo sich ihre Versorgerrolle wieder verwirklichen kann.



Sternzeichen Hammer und Sichel?! – Warum Himmelskörper, Kristalle & Co. uns nicht befreien werden

Von Erik Likedeeeler, März 2024

Für viele Menschen ist Astrologie ein lockeres, unverfängliches Gesprächsthema mit unendlich Diskussionspotential. Sternzeichen scheinen eine Möglichkeit zu bieten, andere Menschen in Kategorien einzuteilen, völlig ohne jemanden zu diskriminieren. In diesem Sinne ist Astrologie sogar weniger brisant als zahlreiche Religionen.

Ihre Zahnlosigkeit sorgt dafür, dass von nahezu jedem Weltbild eine Brücke hin zur Astrologie geschlagen werden kann. Hier liegt schon das erste Problem: Wollen wir wirklich, dass unsere Gespräche und unsere Weltsicht derart entpolitisiert werden?

In diesem Artikel wollen wir die Frage beantworten, warum es gerade für Jugendliche verlockend ist, ihre Unsicherheiten in Bezug auf Geld, Gesundheit und soziale Beziehungen mithilfe von Esoterik zu bewältigen. Außerdem wollen wir uns anschauen, wie diese Pseudowissenschaft unserem Kampf gegen den Kapitalismus schaden kann und wie wir damit umgehen können.

Warum unser Horoskop immer stimmt

Let’s face it: Die meisten von uns verfallen hin und wieder in magisches Denken: Wir sprechen von Murphy’s Gesetz, weil es ausgerechnet anfängt zu regnen, wenn wir unsere Jacke zuhause vergessen haben. Wir denken an Karma oder ausgleichende Gerechtigkeit, wenn einer Person, die etwas Schlimmes getan hat, etwas Schlimmes widerfährt. Oder wir überlegen, ob wir deshalb so harmonisch mit unserer Partnerin zusammenpassen, weil wir „füreinander bestimmt“ sind.

Als Menschen neigen wir dazu, Muster zu erkennen, Kausalketten zu bilden, unser Leben in lineare Erzählungen zu pressen und dabei alle Faktoren zu ignorieren, die nicht zu dem passen, was wir ohnehin über uns und die Welt glauben. Wir suchen nach Zeichen im Himmel, Linien auf unseren Handflächen und finden selbst in zufälligen Zahlenkombinationen Geheimbotschaften.

Diese Denkmuster macht die Astrologie sich zunutze. Horoskope bedienen sich vagen Formulierungen wie „es könnte so sein“ oder „du neigst dazu“. Oder sie machen Aussagen, die zwei Extreme in sich vereinen: „Manchmal bist du selbstbewusst, manchmal unsicher.“ Die meisten Menschen kennen beide Gefühle. Besonders, wenn das Horoskop positive Aussagen über unseren Charakter zu machen scheint, glauben wir sie gern.

Horoskope arbeiten mit Themen, die in unserem kapitalistischen Gesellschaftssystem ständig neue Zukunftsängste hervorbringen, zum Beispiel Geld, Gesundheit oder soziale Beziehungen. Da sie sich bei uns allen unterschiedlich ausprägen, wirkt das Horoskop, als wäre es individuell zugeschnitten worden. Kein Wunder, dass viele Menschen sich bei diesen Herausforderungen nach Rat und Vorhersagen sehnen. In den nächsten Absätzen werden wir uns diese Teilbereiche daher genauer anschauen.

Reichtum manifestieren? Ich liebe Geld und Geld liebt mich!

Täglich machen Jugendliche die Erfahrung, auf Widersprüche in der bürgerlichen Gesellschaft zu stoßen. Wie kann es sein, dass wir alle die Schmied:innen unseres eigenen Glücks sein sollen, während wir komplett von unseren Eltern, dem Staat oder der guten Laune unseres Bosses abhängig sind?

Da wir in einer Zeit aufwachsen, in der sich zahlreiche kapitalistische Krisen zuspitzen, ist es logisch, dass wir nach Erklärungen suchen, doch ausführliche Antworten werden uns meist verwehrt: Ständig bekommen wir zu hören, dass die ungleiche Verteilung von Ressourcen unvermeidbar wäre, quasi eine natürliche, schicksalhafte Ordnung.

All die Ungerechtigkeiten wirken undurchsichtig und zufällig. Uns wird gesagt, dass wir zu jung wären, um all das zu verstehen, geschweige denn, um Einfluss auf die Politik nehmen zu dürfen. Sogar die Selbstbestimmung über unseren Wohnort, unseren Körper und unseren Tagesablauf wird verweigert.

Für all das bietet Esoterik mechanische Scheinlösungen. Das erste eigene WG-Zimmer ist schimmlig, aber der Vermieter weigert sich, Geld für die Renovierung rauszurücken? Na gut, dann räuchern wir die bösen Geister eben mit Weihrauch weg. Das Bafög reicht nicht einmal für das Mensaessen? Macht nichts, dann manifestieren wir uns eben Geld herbei.

Der Stoff für die Klausur will nicht im Gedächtnis bleiben, weil der Leistungsdruck uns überwältigt? Kein Problem mit unserem neuen Heilstein! Wieso reist Taylor Swift mit dem Privatjet um die Welt, während wir in unserem unbezahlten Praktikum festhängen? Muss wohl dran liegen, dass sie Schütze ist (und noch dazu ISFJ)!

Kein Wunder, dass wir Komfort in der Astrologie finden: Die kapitalistischen Ungerechtigkeiten und Sinnlosigkeiten bekommen so einen Sinn und wir dadurch Orientierung. Solche Regelsysteme können uns den Anschein von Sicherheit geben, sowie das Gefühl, in Zeiten der Krise wenigstens einen Teil unseres Lebens kontrollieren zu können.

Wellness und Gesundheit

In der Pubertät beginnt der Körper, sich zu verändern, und der so erlebte Kontrollverlust kann Leidensdruck auslösen. Nicht selten kommt es vor, dass Jugendliche das Vertrauen in das kaputtgesparte, profitorientierte Gesundheitssystem verlieren, in dem sie schon früh mit Rassismus, Bodyshaming, sexueller Belästigung oder Behindertenfeindlichkeit konfrontiert werden.

Das Gesundheitssystem ist auf Krankheiten spezialisiert, die cis Männer betreffen, und der Rest von uns bekommt nicht das Gefühl, dass irgendjemand sich die Zeit für unsere Bedürfnisse nehmen will. Wenn wir mit starken Menstruationsbeschwerden zum Gynäkologen gehen, stehen Diagnosen wie Myome, Endometriose oder PCOS kaum zur Debatte. Stattdessen werden unsere Schmerzen auf sexistische Art mystifiziert, oder wir bekommen gesagt, dass wir uns nicht so anstellen sollen.

Von außen bekommen wir vermittelt, wir wären irrational und pubertär, und könnten unseren „verrücktspielenden“ Hormonen nicht vertrauen. So lernen wir, unsere inneren Signale nicht für wertvoll zu erachten und stattdessen auf Signale von außen zu hören.

Die Astrologie hat einfache Erklärungen für unser Unwohlsein parat: Kein Wunder, dass du vor Schmerzen fast ohnmächtig wirst, es ist schließlich gerade Neumond! Immerhin sind ein Mondzyklus und ein Menstruationszyklus nahezu gleich lang, da muss es doch einen Zusammenhang geben! (Spoiler: gibt es nicht.)

Auch unter psychischen Problemen wie Traumata müssen viele von uns von Klein auf leiden. Die staatlich geförderte Abhängigkeit von der Familie hält Jugendliche bei ihren gewalttätigen Eltern fest, und neben dem stressigen Alltag in der Schule oder bei der Ausbildung ist Erholung kaum möglich. Therapieplätze sind schwer zu finden und auch die psychologische Aufarbeitung befreit uns nicht von Jugendunterdrückung, Sexismus und Armut.

Es kann eine schöne Abwechslung sein, wenn das Horoskop uns eine Auszeit mit Selbstfürsorge „erlaubt“. Tipps wie „machen Sie mal Urlaub“ sehen auf den ersten Blick sinnvoll aus. Wenn wir unsere Aura gereinigt und uns eingeredet haben, dass wir eben übersensibel sind, weil wir Fische sind, haben wir immerhin ein paar Schuldgefühle verdrängt. Doch spätestens, wenn Depressionen und Schmerzen nach dem Urlaub mit voller Wucht zurückkehren, zeigt sich, dass diese Rationalität nur Fassade ist.

Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus?

Gerade in Sachen Geschlecht und Beziehungen werden Jugendliche oft mit einem Berg an Fragen alleingelassen. Die meisten von uns machen ihre ersten Erfahrungen mit Liebe und Sexualität, doch weder unsere Eltern, noch der Sexualkundeunterricht in der Schule schaffen es, uns dabei angemessen zu begleiten und aufzuklären.

Niemand erklärt uns, Geschlechterrollen zu hinterfragen, unsere Bedürfnisse zu kommunizieren, oder mit Zurückweisung umzugehen. Den ersten Schritt zu machen oder Konsens auszuhandeln, gilt als peinlich und schwach. Manchen von uns gibt es Zuversicht und Motivation, zu wissen, dass sie als Wasserzeichen gute Chancen bei einem Erdzeichen haben, oder gleich einen Liebeszauber durchzuführen.

Viele Frauen können mit patriarchal strukturierten Religionen wenig anfangen, weil sie dort unterdrückt oder vollständig ausgeschlossen werden. Astrologie hingegen ist häufig um eine Ästhetik der weiblichen Selbstermächtigung strukturiert. Sie gibt das Versprechen, eine spirituelle Weiblichkeit zu vermitteln. Die fürsorgliche, gebende und nährende Mutterrolle wird in „feministischen“ Horoskopen aufgewertet.

Deshalb kommt aus der Astrologie-Ecke häufiger der Vorwurf, hinter der Kritik an Horoskopen stünde reiner Sexismus. Doch der Mumpitz von „femininer Energie“ ist am Ende nichts anderes als alte Geschlechterrollen in neuem Gewand.

Gleichzeitig lässt sich nicht abstreiten, dass aktuell tatsächlich ein Großteil der Kritik an Astrologie von rechten Männern kommt, denen es darum geht, Frauen zu verspotten und ihre Zurechnungsfähigkeit in Frage zu stellen.

Dabei sind auch die Ideologien vieler Männer-Coaches von Alpha-Male bis NoFap-Nonsens verdächtig nah an der Esoterik angesiedelt und schlagen nicht selten die Brücke zum Rechtsextremismus. Umso wichtiger, allen genderspezifischen Ausprägungen der Esoterik eine fundierte, linke Kritik entgegenzusetzen.

Spätestens, wenn Astrologie genutzt wird, um sexistische Gewalt zu rechtfertigen, sollten wir hellhörig werden. Wenn wir von unseren Partnern grausam behandelt werden, dann lässt sich das weder durch „maskuline Energie“ schönreden, noch dadurch entschuldigen, dass sie Zwilling oder Löwe sind.

Können Horoskope nicht auch nützlich sein?

Viele Jugendliche befinden sich in Lebensphasen des Umbruchs, in denen unsere Identität ins Wanken gerät. Die Astrologie bietet neue Möglichkeiten, sich selbst in den Kontext des Universums einzufügen. Sternzeichen können sich wie unsere eigene, persönliche Nische anfühlen und uns Stabilität geben.

Wenn wir in einer Sackgasse feststecken, geben uns die sich erneuernden Phasen der Planeten die angenehme Illusion, auch wir könnten mit reiner Willenskraft in eine neue Phase eintreten, ein Glow-up erleben und eine neue Version unseres Selbsts werden.

Wenn der raue Arbeitsalltag uns das Gefühl gibt, dass es auf der Welt nichts Schönes oder Erstrebenswertes gibt, kann Astrologie den Anschein erwecken, etwas Magie in den Alltag zu bringen.

Häufig wird argumentiert, dass Horoskope das Potential dazu haben, Menschen durch positive Botschaften selbstbewusster zu machen, oder wie eine selbsterfüllende Prophezeiung zu wirken. Selbst wenn das nur der Placebo-Effekt ist, wäre das grundsätzlich eine lobenswerte Sache.

Aber ist es wirklich auf Dauer ermächtigend, sich von einem Horoskop derart entmündigen zu lassen und die eigenen Entscheidungen, Handlungen und Leistungen den „Prophezeiungen“ fremder Menschen zuzuschreiben?

Wir neigen dazu, unsere Hilflosigkeit durch eine Flucht ins Private zu überdecken, wenn kollektive, gesellschaftliche Veränderung uns unerreichbar erscheint. Es mag sein, dass Astrologie für manche ein Bewältigungsmechanismus ist, doch irgendwann wird der Placebo-Effekt an seine Grenzen stoßen.

Am Ende wird uns keine Mondphase der Welt vom Kapitalismus befreien, das kann nur ein konsequent geführter Kampf. Esoterik steht dabei ja gerade deshalb im Weg, weil ganz schicksalhaft alles so ist, wie es zu sein hat.

Astrologie ist keine Wissenschaft!

Trotz allem glaubt über die Hälfte der Menschen in Deutschland, die Himmelskörper stünden schicksalhaft in Zusammenhang mit dem menschlichen Leben. Doch die Tatsache, dass es in unterschiedlichen Kulturen der Welt zur Entwicklung von Sterndeutung gekommen ist, spricht nicht dafür, dass da „was dran sein muss“.

Sternzeichen sind je nach Kultur völlig unterschiedlich und stimmen nicht einmal in den Grundzügen überein. Vielmehr zeigt sich daran, dass Menschen in unterschiedlichen Kulturen verständlicherweise vom nahezu unerforschten Weltall fasziniert sind.

Immer wieder liest und hört man auch das „Argument“: „Der Mond bewegt das Meer und verursacht die Gezeiten, warum sollte er nicht auch den Menschen beeinflussen?“

Hier werden zwei unterschiedliche Disziplinen durcheinandergeworfen: Astronomie und Astrologie. Die Astronomie erforscht die Positionen, Bewegungen und Eigenschaften der Objekte im Universum mit naturwissenschaftlichen Methoden, während die Astrologie dies lediglich vorgibt.

Manchmal kommt die Behauptung auf, Astrologie sei eine Art Teildisziplin der Astronomie, aber auch das stimmt so nicht. Die beiden haben lediglich denselben Ursprung: Die Sehnsucht nach wissenschaftlicher und spiritueller Erkenntnis war lange miteinander verknüpft. Schon ca. 700 v. Chr. leiteten Menschen in Babylonien aus der Position der Sterne ab, wann günstige Zeiten zum Säen und Ernten waren. In der Römischen Antike sollen sogar einige Angriffe bei Kriegen nach Sternpositionen geplant worden sein.

Im 16. und 17. Jahrhundert geriet das geozentrische Weltbild ins Wanken, also die Vorstellung davon, dass die Erde der Mittelpunkt des Universums wäre. Entdeckungen von Kopernikus und Galileo Galilei sowie die Erfindung von Geräten wie dem Teleskop brachten die Spaltung von Astronomie und Astrologie ins Rollen. Auf der einen Seite stehen heute diejenigen, denen es um wissenschaftliche Forschung geht – auf der anderen Seite diejenigen, bei denen die Spiritualität an erster Stelle steht.

Natürlich findet auch Wissenschaft im Kapitalismus in den Interessen der herrschenden Klasse statt und auch Wissenschaftler:innen können falsch liegen, aber differenzieren sollten wir dennoch.

Keine Angst vorm rückläufigen Merkur

Überzeugte Esoteriker:innen könnten einwenden: „Woher wollen wir mit Sicherheit wissen, dass nicht der rückläufige Merkur für meine kaputte Mikrowelle verantwortlich ist?“

Bei der Wissenschaft geht es jedoch nicht darum, einzelne Anekdoten zu widerlegen. Korrelationen können nicht mit Kausalitäten gleichgesetzt werden – zunächst müsste eine statistische Signifikanz festgestellt werden.

Dazu könnten wir uns solche Fragen stellen: Sind während Merkurs Rückläufigkeit überdurchschnittlich viele technische Geräte kaputtgegangen? Können wir aus diesen Aufzeichnungen eine Vorhersage darüber erstellen, wie viel Prozent mehr Elektroschrott in der nächsten Rückläufigkeit zu erwarten ist?

Solche Studien haben wir leider nicht gefunden, und wir wagen zu behaupten, dass es eine ziemliche Zeitverschwendung wäre, sie durchzuführen. Stattdessen gibt es zahlreiche Studien, in denen gezeigt werden konnte, dass Astrolog:innen keine validen Aussagen über die Persönlichkeit von Testpersonen machen können – jedenfalls nichts, was über den Zufall hinausgeht.

Testpersonen sind nicht in der Lage, aus mehreren astrologischen Aussagen diejenige zu finden, die auf sie zutreffen soll. Übereinstimmungen gibt es höchstens, wenn die Testperson sich selbst mit Astrologie auskennt und weiß, welche Auswahl von ihr erwartet wird.

Auch Zukunftsvorhersagen aus Jahreshoroskopen treffen hauptsächlich dann zu, wenn sie sehr oberflächlich gehalten sind. So können selbsternannte Orakel sich dafür feiern, dank ihrer astralen Energie ein Erdbeben in Japan „vorhergesagt“ zu haben – herzlichen Glückwunsch, davon gibt es ungefähr 5000 pro Jahr.

Wie gefährlich ist Esoterik?

Häufig werden Horoskope rein aus Neugier, spielerischer Unterhaltung und harmlosem Zeitvertreib gelesen. Die Aussage, dass an Astrologie nichts dran ist, erscheint geradezu banal. Für viele gehört es dazu, nur so halb dran zu glauben und das Ganze nicht wirklich ernst zu nehmen.

Ihre unbegrenzte Verfügbarkeit ist es, die uns aufmerksam werden lassen sollte. Früher begegneten Horoskope uns hauptsächlich in Zeitschriften und bei AstroTV, mittlerweile sind sie überall auf Social Media verstreut. Besonders während der Lockdowns, als die Corona-Krise sich zuspitzte, suchten immer mehr Menschen darin Ablenkung und Orientierung.

Doch die Astrologie folgt keiner dialektisch-materialistischen Herangehensweise: Sie nimmt die Verhältnisse als unverrückbar wahr, die nur mystisch erklärt werden. Als Marxist:innen begreifen wir die Welt jedoch als eine, die in ihrem geschichtlichen Prozess verstanden werden kann und zwar aus sich selbst heraus, ohne eine darüber schwebende Kraft, die dies magisch lenkt. Die Menschen verhalten sich nicht nach der Logik ihres Aszendenten, Mond- und Sonnenzeichens, sondern nach der Logik ihrer gesellschaftlichen Verhältnisse. Um die vielen Krisen zu heilen, müssen wir also nach außen blicken und die Gesellschaft verändern, die in ihrem geschichtlichen Prozess von den Klassenkämpfen getrieben wird – und damit ungeschrieben ist und zum Guten beeinflusst werden kann, wenn wir als Kollektiv diesen Klassenkampf aufnehmen.

Falls man aber die Gesellschaft nicht aus ihrer eigenen Geschichte heraus versteht, muss man immer wieder auf Mythen ausweichen. Andere bürgerliche Strömungen müssen auch auf Mythen zurückgreifen, wie die Unendlichkeit der Nation, dem „American Dream“ oder der Natürlichkeit der Geschlechterrollen. Wenn Menschen den Glauben vor sich selbst und anderen ernsthaft rechtfertigen wollen, müssen sie immer tiefer im Esoterik-Loch versinken – so lange, bis sie einen Weg gefunden haben, die Widersprüche auszublenden. Auch die Verbindung zwischen Esoterik und Rechtsextremismus ist da keine, die wir ignorieren können, und sie ist erst recht kein Zufall. Als Faschist:innen und Esoteriker:innen Seite an Seite gegen die Corona-Impfung marschierten, zeigte sich, wie einfach sich die verschiedenen Formen von Irrationalismus zu einer Suppe verrühren lassen. Wer es geschafft hat, sich selbst von Astralprojektion und Globuli zu überzeugen, für den sind es keine so großen Schritte bis hin zum Glauben an „Great Reset“ und „Umvolkung“.

Der Kontakt mit anderen Astrologie-Fans hilft ihnen, die gefühlte Wahrheit zu intensivieren. In Extremfällen kann das sogar zur Verschuldung führen – egal ob man sich Mentorings von zwielichtigen Coaches oder überteuerte Heilsteine von Influencer:innen andrehen lässt.

Und was jetzt?

Wir wollen uns nicht über Menschen lustig machen, die auf esoterische Maschen hereingefallen sind. Nicht an Astrologie zu glauben ist auch keine Voraussetzung, in unserer Organisation mitzumachen. Doch ein Bewusstsein für die Probleme unserer Genoss:innen und die Solidarität untereinander könnte ihnen dabei helfen, nicht mehr auf Esoterik als Bewältigungsmechanismus angewiesen zu sein.

Auf der anderen Seite sollten wir solche Ideologien nicht verharmlosen. Beispielsweise basiert mit den Waldorfschulen eine weit verbreitete Bildungsform auf den Lehren eines Antisemiten und Esoterikers, und beides hat im Bildungssystem nichts zu suchen. Wenn uns organisierte Esoterik in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen begegnet, dann müssen wir sie konsequent bekämpfen!

Aktuell werden zahlreiche gesellschaftliche Probleme von Linken und Gewerkschaften nicht laut genug angeprangert, so dass Menschen eher das Gefühl haben, zwischen Esoterik und Rassismus zu ihren Lösungen zu kommen. Deshalb müssen wir es als unsere Aufgabe sehen, dafür zu sorgen, dass fortschrittliche Lösungen für die aktuellen Krisen alle Arbeiter:innen und Jugendlichen erreichen. Zentral wäre an dieser Stelle, für substantielle Verbesserungen in unserem Gesundheitssystem zu kämpfen, speziell für einen einfachen Zugang zu Therapieplätzen und Hilfegruppen und für eine Entlastung von Personal, um auf die Sorgen und Nöte der Patient:innen eingehen zu können.




Bomben „im Namen der Liebe“? Israels Pinkwashing von Vertreibung & Kriegsverbrechen

Von Sani Meier, REVOLUTION Zeitung, Januar 2024

Im November 2023 geht ein Foto des israelischen Soldaten Yoav Atzmoni auf Twitter viral: Vor den Trümmern des zerbombten Gaza-Streifens hält er eine Regenbogenflagge hoch, auf die er in Englisch und Hebräisch die Worte „In The Name of Love“ geschrieben hat. In der Bildbeschreibung erklärt er, die IDF (israelische Armee) sei die einzige Armee im Nahen Osten, die für demokratische Rechte einstehe und in der queere Menschen sein könnten, wer sie sind. Als dieser Artikel geschrieben wurde, hat die israelische Armee in zwei Monaten mehr als 20 Tausend Palästinenser:innen getötet, die jetzige Gazaoffensive gilt bereits jetzt als die zerstörerischste der Geschichte und über zwei Millionen Menschen droht der Hungertod. Wie soll also der Mord an den Palästinenser:innen deren Kampf für LGBTQIA-Rechte unterstützen?

Spoiler: Das tut er nicht. Der angebliche Kampf für die Rechte queerer Menschen soll hier als Rechtfertigung für die Bombardierung des gesamten Gazastreifens und den Massenmord an der palästinensischen Bevölkerung genutzt werden. Man nennt dieses Phänomen auch Pinkwashing: Staaten oder Institutionen nutzen augenscheinlich LGBTQIA-freundliche Politik, um moralisch verwerfliche Handlungen zu verbergen, herunterzuspielen oder sich als „die Guten“ darzustellen. Israel begibt sich in die Rolle des modernen und toleranten Staates, welcher den Fortschritt in die arabische Welt bringe – zur Not eben auch mit Gewalt. Eine Geschichte so alt wie der Kolonialismus. Das Bild, das hier von arabischen Menschen gezeichnet wird, ist zutiefst rassistisch, da es sie als durch und durch queerfeindlich und gewalttätig darstellt. Die israelischen Besatzer:innen stellen sich dem als angebliche Retter der queeren Community entgegen, welche ohne sie keine Chance auf ein sicheres Leben habe. Nicht ohne Grund löste das Foto auf Twitter einen empörten Aufschrei vieler queere Aktivist:innen weltweit aus.

Reale Verhältnisse

Blickt man in die Geschichte Palästinas zurück, so lässt sich erkennen, dass die ersten LGBTQIA-feindlichen Gesetze im Nahen Osten eigentlich dem westlichen Imperialismus zu verdanken sind. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges besetzten Großbritannien und Frankreich die Region und etablierten das Verbot von Homosexualität- „im Namen der Zivilisation“. Mit dem gleichen Argument setzt man heute die eigenen geopolitischen Interessen durch und nutzt queere Menschen als Vorwand.

Pinkwashing kann man aber nicht erst seit dem Beginn des Kriegs gegen Gaza in diesem Jahr beobachten, sondern gehört schon seit Jahrzehnten zur israelischen Staatspolitik. In den letzten Jahrzehnten hat die Regierung über 90 Millionen Euro in den schwulen/lesbischen Tourismus investiert, um das Image des Staates in der westlichen Welt aufzupolieren. Man stellt sich vor allem gegenüber Palästina als sicherer Hafen für homosexuelle Menschen dar, um von den eigenen Menschenrechtsverletzungen abzulenken. Während man sich damit schmückt, vor Verfolgung geflüchtete queere Palästinenser:innen aufzunehmen, duldet man sie in Wahrheit nur auf Zeit, bevor sie in Drittländer abgeschoben werden. Betroffene berichteten außerdem davon, vom israelischen Geheimdienst erpresst worden zu sein. Weigerte man sich, als Informant:in die eigene Community auszuspionieren, wurde mit dem Outing gegen ihren Willen gedroht. Auch in den Schulen werden Gelder für Weiterbildungen der Lehrkräfte und Workshops zum Thema geschlechtliche und sexuelle Diversität einseitig an jüdisch-israelische Schulen vergeben, während palästinensische Schulen, die ebenfalls unter die Befugnis des Bildungsministeriums fallen, leer ausgehen.

Natürlich sehen auch wir die katastrophalen Bedingungen, unter denen queere Menschen in Palästina auch heute noch leben müssen, denn gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Männern sind gesetzlich verboten und soziale wie religiöse Normen erschweren ein freies und selbstbestimmtes Leben, wenn man nicht heterosexuell und cis ist. Der Kampf für ein freies Palästina muss also auch ein antisexistischer Kampf sein. Doch queere Befreiung wird nicht dadurch erreicht, ein ganzes Volk zu töten und es im Anschluss als ‚befreit‘ zu erklären. Der israelische Staat hat kein Interesse daran, gegen die sexistische Unterdrückung von Palästinenser:innen zu kämpfen, da er diese ebenso unterdrückt wie das gesamte palästinensische Volk. Er vertreibt sie aus ihren Häusern, zerbombt ihre Dörfer, schneidet sie von lebenswichtiger Versorgung ab und seine Poilitiker:innen fordern öffentlich die ‚Auslöschung Gazas‘. Die gesamte israelische Besatzung der letzten Jahrzehnte ist darauf ausgelegt, eine (linke) politische Organisierung der Palästinenser:innen zu verhindern. Das Gebiet Palästinas ist durchsetzt mit illegalen Siedlungen und militärischen Checkpoints, welche die Bewegungsfreiheit der Bewohner:innen stark einschränken, sogar zwischen benachbarten Dörfern. Man trennt die Palästinenser:innen voneinander und verhindert so jedes Potenzial einer Massenmobilisierung. Dies gilt gleichermaßen für politischen Widerstand gegen die Besatzung, als auch für antisexistische Bewegungen. Um sich selbst befreien zu können, müssen (queere) Menschen in Palästina zuerst einmal überleben und nicht jeden Tag in Todesangst vor den Bomben der israelischen Armee überstehen. Ein wahrhaft freies Leben wird es nur jenseits von Besatzung, Vertreibung und Apartheid geben können. Wir müssen diese Kämpfe also zusammenführen: Für ein freies säkulares Palästina, in dem Menschen aller Nationen, Religionen, Geschlechter und sexueller Orientierungen zusammenleben können.




Rest in Power, Nex Benedict – erinnern heißt kämpfen! 

von Kissa Hauska, Februar 2024

Es ist schon wieder passiert. Ein weiterer trans Mensch wurde brutal getötet: Nex Benedict ist am 8. Februar verstorben. Nex‘ Tod lässt eine Lücke bei uns allen zurück und entblößt, wie die Zurücknahme von LGBTIA*-Rechten und der Rechtsruck zu einem tödlichen Ende führen.

Nex Benedict war 16, Jahrgang 2008. Nex ging in die zehnte Klasse (Sophomore in den USA) und identifizierte sich als two spirit, trans und gender nonconforming. Two-Spirit ist ein Übergriff, der verschiedene traditionelle Geschlechter und soziale Rollen bei indigenen Menschen in den heutigen USA und Kanada beschreibt. Two-Spirit ist dabei kein eigenes spezifisches Label, sondern ein Überbegriff, der in einigen Nationen genutzt wird.

Nex‘ Adoptivmutter, die auch gleichzeitg Nex‘ Großmutter ist, sowie Nex‘ Familie beschrieben Nex als einen Menschen voller Licht und Fröhlichkeit. Nex liebte es, Minecraft zu spielen, sich mit anderen über Rockmusik zu unterhalten und freundete sich mit jedem Tier an. Nex Familie, sowie Nex führten ihre Abstammung auf die indigene Bevölkerung Amerikas zurück, genauer auf den Cherokee Stamm. 

Was genau am 7. Februar in Nex‘ Schule in Oklahoma passiert ist, kann bisher nicht genau gesagt werden. Die Schule, die Polizei und Nex‘ Familie sagen alle Verschiedenes.Klar ist aber, dass drei Mädchen, welche schon monatelang Nex und Nex‘ Freund:innen gemobbt hatten, im Mädchenklo der Schule von Nex mit Wasser überschüttet wurden. Daraufhin griffen die drei Mädchen Nex und Nex‘ Freund:innen auf dem Klo an. Laut einem:r Freund:in von Nex wurde Nex‘ Kopf mehrmals auf den Fliesenboden geschlagen. Ab hier unterscheiden sich die Aussagen der Familie und der Schule.

Nex‘ Schule behauptet: Der „Konflikt“ wurde nach ca. 2 Minuten von Mitschüler:innen beendet und alle Beteiligten seien eigenständig zur Schulkrankenschwester gegangen. Diese meinte, allen gehe es gut, aber sie riet einer Person ins Krankenhaus zu gehen. Es ist aber nicht klar, ob das Nex war.

Nex‘ Freund:in erzählt jedoch, dass Nex nicht selbst laufen konnte und gestützt werden musste. Nex‘ Großmutter berichtet zudem, dass niemand sich um Nex gekümmert habe und die Schule auch keinen Rettungswagen rief. Stattdessen musste sie selber mit Nex ins Krankenhaus und erfuhr von der Schule nur, dass Nex für zwei Wochen suspendiert wurde. Die Schule hat, laut Polizeiangaben, den Angriff nicht gemeldet. Sie haben erst, als Nex schon im Krankenhaus war, davon erfahren. Nex wurde dann noch am 7. Februar aus dem Krankenhaus entlassen und ist nach Hause gegangen. Nex‘ Großmutter erzählt, Nex sei musikhörend eingeschlafen. Am nächsten Morgen, dem 8. Februar, sollte Nex zu einem weiteren Arzttermin, fiel aber noch zuhause bewusstlos zu Boden. Als der Krankenwagen eintraf, hatte Nex‘ Herz bereits aufgehört zu schlagen. Im Krankenhaus wurde Nex dann für tot erklärt.

Aktuell findet eine Autopsie der Leiche statt, um herauszufinden, warum Nex sterben musste. Doch Nex‘ Familie will außerdem noch eine unabhängige Autopsie beantragen, da sie der Polizei kein Vertrauen schenken.

Wie konnte das passieren?

Dieser Angriff kommt leider wenig überraschend. Schon 2022 wurde der Lehrer Tyler Wrynn, welcher LGBTIA*-Schüler:innen anbot, sie zu unterstützen und deren Familie zu sein, wenn sie nicht von ihrer biologischen Familie akzeptiert werden, von Nex‘ Schule „gemobbt“. Es gab eine Hetzkampagne gegen ihn, unter anderem von dem polarisierenden Twitter-Account „Libs of TikTok“ sowie Politiker:innen aus Oklahoma.

Oklahoma ist auch einer der Bundesstaaten, welche besonders die Rollbacks gegen LGBTIA-Rechte befeuert hat. Trans Menschen müssen dort auf die Toilette gehen, welche dem Geschlecht entspricht, welches ihnen bei der Geburt zugeteilt wurde. Dasselbe gilt für Sportteams, Umkleiden und vieles mehr. Jugendlichen sind zusätzlich jegliche geschlechtsangleichende Maßnahmen, wie zum Beispiel Hormonblocker, verboten.

Die Gewalt hat also System und zeigt sich für queere Jugendliche besonders stark in den Schulen. Während Politiker:innen immer mehr transphobe Gesetze beschließen, werden unsere Geschwister auf der Straße, in der Schule und zuhause gedemütigt, geschlagen oder sogar ermordet. Wenn wir uns dagegen wehren, wie Nex es tat, werden nicht die Täter:innen, sondern wir bestraft.

Wir können nicht darauf vertrauen, dass die Schule oder die Polizei versuchen werden, den Mord richtig aufzuklären. Schon jetzt zeigt sich, dass sie nur ihr Image retten wollen und nicht ernsthaft am Tod und am Leid einer weiteren trans Person interessiert sind. So empfahl ein Polizeibeamter Nex‘ Großmutter, keine Anzeige zu erstatten, denn „es wäre eine Schande für die Schülerinnen, wegen so einer Kleinigkeit einer Straftat beschuldigt zu werden.“ Aber selbst Mobbing ohne einen Todesfall ist keine Kleinigkeit und kann für die Betroffenen massive psychische Folgen haben. Doch in diesem Fall ist ein Mensch gestorben und die Polizei tut, was sie am besten kann: Todesfälle von marginalisierten Personen vertuschen.

Aber warum sollten sie sich auch für eine echte Aufklärung der Taten einsetzen? Die Polizei hat im Kapitalismus die Rolle, den bürgerlichen Staat und das kapitalistische System zu schützen und am Leben zu halten. Für den Kapitalismus sind Menschen wie Nex immer ein Stein im Weg, sie passen nicht in die bürgerliche Kleinfamilie. Diese ist notwendig für die Reproduktion der Arbeitskraft, indem die Geschlechterrollen klar verteilt werden und Frauen unentlohnter Hausarbeit zusätzlich zur Lohnarbeit nachgehen müssen. Sobald die nächste Krise beginnt, werden LGBTIA*-Rechte wieder zurückgenommen. Schließlich braucht das kapitalistische System eine ständig anwachsende Arbeiter:innenklasse, welche immer weiter ausgebeutet werden kann. Aber das ist nicht der einzige Sinn von LGBTIA*-Feindlichkeit: Durch die ständige Thematisierung lässt sich auch dafür sorgen, dass die Arbeiter:innenklasse ihr gemeinsames Interesse aus den Augen verliert und sich spalten lässt und zum anderen, dass die immer wiederkehrenden kapitalistischen Krisen und ihre massiven Auswirkungen auf den Lebensstandard und die Rechte der Arbeiter:innenklasse einfach in den Hintergrund gedrängt werden können. Die herrschende Klasse nutzt diesen Kulturkampf als Klassenkampf von Oben, um Unterdrückte und Ausgebeutete gegeneinander auszuspielen. Auch in Deutschland merken wir das aktuell, zum Beispiel mit Genderverboten in Schulen und Behörden in bestimmten Bundesländern oder Hetzkampagnen gegen Drag-Queens wie in Bayern.

Dazu kommt der aktuelle Rechtsruck, welcher sich nicht nur in den USA ausweitet. Dieser hat auch seinen Ursprung in der Krise, den Kriegen und dem damit ansteigenden Nationalismus und Konservatismus.

Was tun?

Gerade gab es die Verurteilung der Mörder:innen von Brianna Ghey, welche auch 16 Jahre alt und auch trans war, auch in der Schule gemobbt und auch von ihren Mitschüler:innen ermordet wurde. Es fällt schwer, die Fälle nicht zu vergleichen, sind sie sich doch so ähnlich.

Aber ein Urteil und Gefängniszeit für die Mörder:innen, ob bei Nex oder Brianna, bringen sie nicht zurück und verhindern nicht das Leid der LGBTIA*-Community und weitere Morde. Nein, nur eine Überwindung des Kapitalismus und der Klassengesellschaft, was die Ursprünge von Homophobie und Transphobie sind, kann uns Befreiung und Gerechtigkeit bringen.

Gegen Transphobie an unseren Schulen und im Alltag können nur wir was tun, wenn wir organisiert und antikapitalistisch kämpfen. Es braucht unabhängige Antidiskriminierungsstellen, welche nicht vom Staat oder der Schule geleitet werden. Dort sollte man von Betroffenem beraten werden und Unterstützung erhalten, wie man mit Diskriminierung umgehen kann. Außerdem braucht diese Stelle auch Befugnisse, um gegen die Diskriminierenden aktiv werden zu können. Zudem braucht es einen guten Sexualkundeunterricht, der über Konsens und auch marginalisierte Sexualitäten und geschlechtliche Identitäten aufklärt. Des Weiteren braucht es Selbstverteidigungskomitees, die organisiert gegen Gewalt vorgehen können, denn auf die Polizei als Beschützer ist kein Verlass. Nur organisiert und in Gruppen können wir unsere Befreiung erkämpfen.

In Gedenken an Nex Benedict und alle anderen trans Menschen, die sterben mussten. Wir werden für euch kämpfen und an euch erinnern.




Aufruf an alle Linken in FFF

von Jona Everdeen, Februar 2024

Bei FFF, der mit Abstand größten Gruppe der deutschen Klimabewegung, läuft wenig. Statt gegen die miserable Klimapolitik der Ampel auf die Straße zu gehen stellen sich Luisa und Co. meist faktisch hinter diese, mit Verweis darauf dass die Alternative ja noch schlimmer ist. Dass diese Politik des „kleineren Übels“ uns keinen Schritt nach vorne bringt sollte klar sein. Was jedoch jüngst das größte Aufsehen erregte ist der offene Bruch zwischen FFF DE und der internationalen Bewegung, da FFF DE lieber hinter dem deutschen Staat als hinter Fridays for Future steht. Darum kommt hier unser Vorschlag was linke Aktivist:innen innerhalb von FFF DE jetzt tun um der Bewegung neuen Elan zu geben und den Kampf für Klimagerechtigkeit wieder aufzunehmen:

Klimagerechtigkeit geht nur internationalistisch!

Die Führung von FFF DE distanzierte sich in letzter Zeit immer offener von Greta Thunberg, die die Bewegung einst ins Leben rief. Weil sie auf Demonstrationen eine Keffiyeh trägt und sich aktiv dafür ausspricht, dass der Kampf für Klimagerechtigkeit Freiheit für Palästina einschließen muss. Dabei steht Greta nicht alleine, sie hat die komplette internationale Klimabewegung auf ihrer Seite! Einzige Ausnahme: Deutschland (und teilweise Österreich). Während in anderen Ländern wie Schweden, Frankreich oder Britannien die Klimabewegung ein selbstverständlicher Teil der massiven pro-palästinensischen Proteste ist, steht ihre Führung in Deutschland hinter der „Staatsräson“, also Solidarität mit Israel. Wie bereits bei den Protesten gegen den Ukrainekrieg, wo es kaum Kritik an NATO und Aufrüstung gab, stehen auch hier Luisa Nebauer, Carla Reemtsma, Annika Rittmann und Co. auf der Seite des deutschen Staates. Auch dessen miserable Klimapolitik wird immer weniger kritisiert, so lobte Luisa Neubauer gar Scholz‘ Auftreten auf der jünsten Farce einer Klimakonferenz in Dubai!

Statt hinter der Außenpolitik des deutschen Staates muss die Klimabewegung hinter den Unterdrückten stehen! Der Kampf um Klimagerechtigkeit muss international geführt werden! Das bedeutet zum Beispiel, dass wir die Kämpfe, die in den halbkolonialen Ländern des Globalen Südens gegen den Umweltimperialismus geführt werden auch hier in Deutschland als Teil unseres Kampfes sehen. Solange das deutsche Kapital seine Produktion auf den räuberischen und zerstörerischen Ressourcenabbau anderswo stützt, solange internationale Energiekonzerne global fossile Brennstoffe extrahieren, solange die IDF mit deutschen Waffen die Lebensgundlage der Palästineser:innen zerstört, wird auch ein neuer Radweg in Berlin keine Kipppunkte aufhalten. Wir brauchen auch in Deutschland Solidaritätsstreiks mit internationalen Kämpfen und wir müssen die Verwicklungen der Bundesregierung aufdecken und beenden!

Klimagerechtigkeit heißt Klassenkampf

Die letzten Jahre haben uns gelehrt, dass bloße Appele an „die Politik“ nichts bewirken. Um wirklich Druck aufzubauen, müssen wir uns an der Basis organisieren: in Schule, Uni und vor allem im Betrieb. Nur ein Generalstreik ist in der Lage Klimagerechtigkeit gegen die Interessen der Lobbys und Konzerne, gegen den bürgerlichen Staat, der in ihrem Interesse handelt, durchzusetzen!

Die Kampagne „Wir fahren zusammen“, die versucht die Brücke zwischen ÖPNV-Arbeiter:innen und der Klimabewegung zu schlagen, ist dabei ein guter erster Schritt, darf aber nicht der letzte bleiben! Damit die „Allianz“ nicht nur am Schreibtisch geschmiedet wird, sondern auch wirklich mit Leben gefüllt wird, ist es einerseits sehr richtig, dass FFF aktiv dazu aufruft, mit den streikenden Beschäftigten auf die Straße zu gehen. Andererseits könnte dies noch viel weitergehen, indem sich auch die Basisorgane einander zuwenden. Aktivistis könnten vor Betriebsversammlungen oder bei Betriebsgruppen sprechen, um Forderungen fürs Klima zu erklären, die in den Arbeitskampf einbezogen werden sollten. Und umgekehrt könnten streikende Arbeiter:innen an Schulen eingeladen werden, um über ihren Kampf zu berichten und die Schüler:innen zur Solidarität aufrufen. Das funktioniert natürlich am besten, wenn auch tatsächlich schon Basisgruppen existieren, kann aber ebenso gut als Mittel genutzt werden, diese aufzubauen.

Ein weiterer sehr wichtiger Schritt wäre, nicht nur zu den Beschäftigten im Nahverkehr, sondern auch und gerade Brücken zu schlagen zu den Arbeiter:innen, die in klimaschädlichen Bereichen lohnabhängig sind! Es muss gezeigt werden, dass anders als Konzernchefs und häufig auch Gewerkschaftsführungen behaupten, das Interesse an einer intakten Umwelt sowie am Erhalt von Arbeitsplätzen kein Widerspruch sind, sondern Hand in Hand gehen! Nur wenn die Arbeiter:innen die Produktion in ihren Betrieben selber in die Hand nehmen, so wie es die Arbeiter:innen bei GKN in Florenz taten, können sie ihre Arbeitsplätze sichern, indem sie die Produktion auf Produkte umstellen, die in einer nachhaltigen Wirtschaft benötigt werden! Nur eine demokratisch geplante Wirtschaft unter Kontrolle der Beschäftigten ist in der Lage die nötige Transformation durchzuführen! Solange die Betriebe in Unternehmer:innenhand sind, müssen die Arbeiter:innen bei jeder Konjunkturkrise um ihre Anstellung fürchten. Organisieren wir unsere Mitschüler:innen, Kommiliton:innen und Arbeitskolleg:innen für Klimagerechtigkeit, für soziale Gerechtigkeit, für eine bessere Gesellschaft!

Für die Durchsetzung bewegungsinterner Demokratie!

Ein weitere Punkt, der FFF DE prägt und viele Aktivist:innen demoralisiert hat, ist die nicht vorhandene interne Demokratie. Von dem, was sich FFF auf die Fahne schreibt, eine basisdemokratische Graswurzelbewegung zu sein, war bereits nach wenigen Monaten nicht mehr viel übrig. Öffentlich für die Bewegung sprach nicht, wer dafür von der Bewegung bestimmt worden wäre, sondern wer sich, wie Luisa Neubauer, erfolgreich in den medialen Mittelpunkt stellen konnte. AGs die über zentrale Aspekte der politischen Arbeit und Ausrichtung von FFF ohne Rücksprache mit der Bewegung entscheiden konnten basierten meist auf informellen Beziehungen und waren häufig sehr stark nach außen abgegrenzt, rein kam nur, wer die Leute kannte. Diese Strukturen festigten sich über die Jahre nur noch weiter. Wer intern diese Strukturen kritisierte und für eine andere Politik eintrat wurde zuerst belächelt und wenn er dann weiter machte irgendwann aktiv bekämpft so wie Hasan Özbay und unser Mitglied Jona Everdeen. Ausführendes Organ der FFF internen Repression ist dabei die sogenannte „Sicherheits AG“, die in FFF, die Aufgaben von VS, Polizei und Justiz in einem zu übernehmen scheint, und unliebsame Stimmen auf Basis von willkürlicher, nicht für die Mehrheit einsehbarer Gründe gerne mal aus Gruppen wirft. Diese AG die ähnlich intransparent ist wie viele andere, war auch für den Unvereinbarkeitsantrag gegen uns verantwortlich der zum größten Teil auf offenen Lügen basierte die ohne weiteres hätten widerlegt werden können.

Wir schlagen vor, diesem undemokratischen und intransparenten Apparat eine demokratische Bewegung entgegenzusetzen, in der zentrale Positionen nicht nur gewählt, sondern auch jederzeit abwählbar sind und Verantwortliche somit jederzeit rechenschaftspflichtig sind! Eine Bewegung, in der die demokratischen Mehrheitsbeschlüsse umgesetzt werden aber gleichzeitig auch oppositionelle Gruppen jederzeit das Recht haben ihre Meinung und ihre Positionen frei zu vertreten und auf Aktionen in Form von Flyern, Fahnen, Transparenten etc. zum Ausdruck zu bringen!

Für eine Strategiekonferenz der gesamten Klimabewegung!

Wir haben jetzt Punkte genannt die unserer Meinung nach zentrale Rollen in der derzeitigen Krise der Klimabewegung spielen, jedoch können nicht wir als kleine Jugendgruppe der deutschen Klimabewegung eine neue Strategie geben. Das kann sie nur selber! Darum rufen wir dazu auf eine Strategiekonferenz abzuhalten an der alle Teile der Klimabewegung teilnehmen! Um dafür einen ersten Grundstein zu legen organisieren wir am 24.Februar ein Vernetzungstreffen linker und internationalistischer Klimagruppen und -aktivist:innen! Dazu wollen wir euch alle herzlich einladen! Wenn ihr als Ortsgruppe Interesse an einer Veränderung von FFF und der Klimabewegung in Deutschland habt rufen wir euch auf Deligierte zu diesem Treffen zu schicken und auch wenn ihr als einzelne Aktivist:innen aus einer grünennahen Ortsgruppe in linker Opposition steht seid ihr ebenfalls aufgerufen zu kommen und euch mit anderen linken Aktivist:innen zu vernetzen! Auch Mitglieder anderen Klimaorganisationen wie Letzte Generation, End Fossil Occupy und Ende Gelände laden wir ein, an dem Treffen teilzunehmen!




Von Athen bis Berlin: Gerechte Bildung muss erkämpft werden!

Von Jona Everdeen, Februar 2024

Seit mehreren Wochen sind jetzt über 100 Universitäten in ganz Griechenland besetzt. Jeden Donnerstag demonstrieren zehntausende Studierende gegen ein neues Gesetz der rechtskonservativ-neoliberalen Regierung Mitsotakis, das vorsieht, künftig private Universitäten einzuführen und somit die öffentliche Bildung massiv zu untergraben. Wir solidarisieren uns mit diesen Protesten und rufen auf, eine europaweite Bewegung für gerechte Bildung und gegen die Folgen der neoliberalen Politik der EU aufzubauen!

Privatisierung als Folge neoliberaler Politik

Die Privatisierung der Bildung muss als weiterer Teil der massiven Privatisierungswelle betrachtet werden, die Griechenland in den letzten Jahren erlebte. So wurden u.a. schon Eisenbahn, Energieversorgung und Immobilien privatisiert. Diese radikale neoliberale Politik wurde Griechenland in Folge der Staatsschuldenkrise aufgezwungen. Mit Maßnahmen, die als Wirtschaftskrieg bezeichnet werden können, zwang die vom kürzlich verstorbenen Wolfgang Schäuble angeführte Troika die linksreformistische SYRIZA-Regierung dazu, eine brutale Austeritätspolitik zu akzeptieren. Hier taten die Reformist:innen wieder einmal, was sie am besten können: Die Arbeiter:innenklasse und Jugend verraten, indem sie entgegen der Referendumsentscheidung der Griech:innen vor dem Troika-Terror kapitulierten. Mit 61,31 % war die aufgezwungene Sparpolitik eigentlich abgelehnt worden, doch SYRIZA versprach viel, täuschte die griechische Bevölkerung sogar hinsichtlich des desaströsen Zustandes des Staates und machte letztendlich wenig. Die Folgen für Griechenland waren fatal und prägen das Land noch immer massiv: Proletarische und kleinbürgerliche Massen verarmten, da Lohnkürzungen und der Abbau von Arbeitsrechten erzwungen wurden. Die heutige rechte Regierung der Nea Dimokratia hingegen privatisiert ganz von alleine munter vor sich hin, so wie es eben jede bürgerlich-konservative Regierung tut. Für die griechischen Arbeiter:innen und Jugendlichen sorgte die Austeritätspolitik für eine massive Verschlechterung der Lebensbedingungen. Löhne sanken und Preise für Strom, Miete und Lebensmittel stiegen. Die massive Krise des bürgerlichen Staates soll also auf dem Rücken der Armen ausgetragen werden. Auch für das katastrophale Zugunglück von Tembi 2023, bei dem 57 Menschen starben, ist die neoliberale Privatisierungspolitik verantwortlich, da sie dafür sorgte, dass das Bahnsystem marode wurde. Die Ermöglichung von Privatisierung im Bildungssektor ist nun der nächste Schritt in dieser Reihe. Die Folgen für Jugendliche wären dabei katastrophal. So würden Investitionen in öffentliche Bildungseinrichtungen noch weiter zurückgehen und es würde eine riesige Kluft entstehen zwischen denen, die sich die Privatuni leisten können und denen, die mangels Geld gezwungen wären, weiter eine öffentliche Uni zu besuchen. Langfristig öffnet das Gesetz sogar die Möglichkeit dafür, dass höhere Bildung komplett privatisiert wird und sich nur noch Leute mit viel Geld leisten könnten, überhaupt zu studieren.

Das Problem ist ein internationales!

Griechenland ist durch die Eurokrise eines der Länder, das besonders stark von neoliberaler Austeritätspolitik, diktiert durch die EU, betroffen ist. Das liegt auch daran, dass es aufgrund der massiven wirtschaftlichen Abhängigkeit in einem halbkolonialen Verhältnis zu Deutschland und Frankreich steht. Doch alleine ist Griechenland mit dem Problem nicht. Im Gegenteil, ganz Europa und große Teile der Welt sind mehr oder weniger stark betroffen! Ob Deutschland oder Italien, Griechenland oder Österreich: In quasi jedem europäischen Land hat es, von der EU massiv befördert, zahlreiche Privatisierungen gegeben. Von Gebäuden über Infrastruktur, öffentliche Dienstleistungen wie das Gesundheitssystem bis hin zur Bildung. Die Angriffe auf Schüler:innen und Studierende nehmen dabei immer weiter zu, sei es auf die direkte und spürbarste Art durch die Privatisierung, oder aber auch etwas indirekter durch Unterfinanzierung, die zu maroden Schulgebäuden und viel zu wenig Personal führt. Auch Preissteigerungen für Mensaessen oder Lernmaterialien machen gute Bildung immer weiter zu einem Privileg der wenigen bessergestellten Schichten der Arbeiter:innenklasse und des Kleinbürger:innentums und der Reichen selbst. Dazu kann man zunehmende Repressionen gegen linkspolitische Meinungen und Aktivitäten an den Schulen und Universitäten beobachten, wie z. B. bei der Unterdrückung jeglicher Palästina-Solidarität in Deutschland oder Italien. Die strukturelle Krise des Kapitalismus zwingt die Staaten dazu, einerseits an der Bildung zu sparen, andererseits aber auch die Schüler:innen und Studierenden auf die verschärfte Ausbeutung am zukünftigen Arbeitsplatz vorzubereiten und dabei die Linie des Staates ideologisch zu festigen. Das ist zwar auch ein grundsätzliches Merkmal von Bildung im Kapitalismus, da so die vorherrschenden Ideen reproduziert werden, jedoch ist es in Krisenzeiten noch einmal massiver vonnöten, um jeglichen Widerstand zu brechen. Uns ist dabei bewusst, dass Bildung im Kapitalismus eben nie das Ziel hat, uns wirklich zu bilden und in unseren Stärken zu fördern, sondern nur gehörige Arbeiter:innen zu schaffen, welche sich ohne Aufschrei ausbeuten lassen sollen. Dass eine gerechte Bildung mit neoliberaler Politik also nicht vereinbar ist, sollte allen klar sein.

Doch was braucht es stattdessen?

Neben einer kompletten Verstaatlichung der Bildung, also dem sofortigen Stopp aller Bildungsprivatisierung und der Verstaatlichung aller bereits existierender Privatschulen und Unis sowie der Streichung jeglicher Gebühren für Bildung, braucht es deshalb auch ein komplett neues Bildungssystem. Eins, das von Lehrenden und Lernenden sowie Organen der Arbeiter:innenklasse demokratisch geplant und verwaltet wird, anstatt dass ein Bildungsministerium oder ein autoritärer Unisenat entscheidet, was und wie wir zu lernen haben! Dazu braucht es auch ein Ende des Konkurrenzsystems unter den Lernenden, das sich vor allem in der Benotung ausdrückt. Kostenloses Mensaessen, Unterrichtsmaterialien und Nachhilfe sind darüber hinaus nötig, damit wirklich niemand in Schule oder Uni aufgrund fehlender finanzieller Mittel benachteiligt wird und die Verdrängung ins Private nicht weiter patriarchale Strukturen fördert, welche Mütter durch unentlohnte Hilfe bei den anfallenden Hausaufgaben und das Schmieren von Pausenbroten zusätzlich ausbeuten! Zusammenfassend lässt sich sagen: Wir wollen und brauchen eine Bildung, die uns nicht für den Konkurrenzkampf des Kapitalismus und die harte Realität der Lohnarbeit im Kapitalismus formt, sondern uns ermöglicht, nach unseren Interessen und Fähigkeiten entsprechend weiterzubilden!

Für eine internationale Jugendbewegung in Kampfeinheit mit den Arbeiter:innen!

Die Angriffe auf unsere Bildung und somit direkt auf uns als Jugendliche, als Schüler:innen und Studierende, sind Ergebnis der kapitalistischen Krise und des Neoliberalismus. Diese Spielart des kapitalistischen Regierens ist international vorherrschend und wird durch die EU und BRD befeuert, wenn nicht gleich ihren Mitgliedern aufgezwungen. Er greift dabei nicht nur uns an, sondern auch und ganz besonders die Arbeiter:innen, deren Lebensbedingungen in Folge von Privatisierungen und anderen Spaßmaßnahmen immer schlechter werden. Um die Krise zu überwinden, die neoliberalen Angriffe zurückzuschlagen und eine gerechte Bildung zu erkämpfen, müssen wir darum eine Bewegung aufbauen, die sich neben uns als Schüler:innen, Auszubildende und Studierende auch und gerade auf die Arbeiter:innen und ihre Organisationen, die Gewerkschaften, stützt. Dafür müssen wir in den Gewerkschaften gegen die Taktik der Sozialpartnerschaft, des faulen Kompromisses mit Bossen und Regierung kämpfen. Wir müssen die reformistischen Parteien, die ihre Basis in der Arbeiter:innenbewegung haben, wie z. B. die Linkspartei in Deutschland oder SYRIZA in Griechenland, dazu auffordern, sich einer Einheitsfront gegen die neoliberalen Angriffe anzuschließen. Im gemeinsamen Kampf müssen wir dann aufzeigen, dass die reformistischen Führungen sie nicht von den Auswirkungen neoliberaler Politik und der tagtäglichen Hölle des Kapitalismus befreien werden können. Es reicht nicht, wenn dies nur in einem Land geschieht, besonders nicht innerhalb der EU. Denn es war die EU, angeführt von Deutschland, die SYRIZA 2014 zur Kapitulation und Annahme der Troika-Diktate zwang. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht nur in Griechenland, sondern auch in Deutschland Generalstreiks stattgefunden hätten, die Schäuble aus dem Amt gejagt und seine Austeritätspolitik auch in Deutschland beendet hätten! Um in Zukunft siegen zu können, Privatisierungen, Austerität und Kapitalismus zu beenden und eine gerechte Bildung sowie ein besseres Leben für uns alle zu erreichen, braucht es eine internationale Jugend- und Arbeiter:innenbewegung im engem Bündnis, welche geeint dem Kampf gegen „unsere“ jeweiligen Staaten und die EU führen! Hier in Deutschland als führende Macht in der EU gilt es sich besonders mit allen von deutscher Politik Betroffenen zu solidarisieren und sich gegen die „eigenen“ Imperialisten zu stellen. Nur eine europaweite Massenbewegung mit revolutionärer Führung kann die Basis dafür sein, das kapitalistisch-neoliberale Europa zu Fall zu bringen und durch die vereinigten sozialistischen Staaten von Europa zu ersetzen!




Verhindert ein Massaker in Rafah!

von Dave Stockton, Februar 2024

zuerst erschienen in der Arbeiter:innenmacht-Infomail 1245

Israel steht kurz davor, Rafah anzugreifen, eine Stadt an der ägyptischen Grenze, die zur letzten Zuflucht für mehr als eine Million Palästinenser:innen geworden ist, die aus dem nördlichen und zentralen Gazastreifen vertrieben wurden.

Obwohl Rafah zur „sicheren Zone“ erklärt wurde, werden Schulen, Krankenhäuser und Flüchtlingslager der Stadt seit Beginn des Krieges aus der Luft bombardiert. UN-Generalsekretär António Guterres beschrieb die Bedingungen, unter denen die Menschen in überfüllten Behelfsunterkünften, unter unhygienischen Bedingungen, ohne fließendes Wasser, Strom und angemessene Lebensmittelversorgung leben.

Westlicher Imperialismus

Krankheiten töten Kinder und Erwachsene, die durch die monatelange Hungersnot geschwächt sind, da Israel die Einfuhr von Lebensmitteln und Medikamenten in das Gebiet fast vollständig blockiert. Unter diesen Bedingungen haben die Vereinigten Staaten und neun weitere Länder, darunter das Vereinigte Königreich, einseitig die Finanzierung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNWRA eingestellt.

Nach dem wahllosen Abschlachten von rund 30.000 Zivilist:innen hat Präsident Joe Biden mit reichlicher Verspätung eingeräumt, dass „eine Menge unschuldiger Menschen verhungern … und das muss aufhören“. Natürlich könnten die USA Israels Krieg jederzeit stoppen, wenn sie wollten. Dennoch liefern sie weiterhin Israels an Kriegsmaschinerie und nutzen ihr Vetorecht, um es in der UNO zu schützen.

In „normalen“ Jahren stellt Washington Israel rund 3,8 Milliarden US-Dollar an Militärhilfe zur Verfügung, die direkt in die Bewaffnung der IDF-Besatzungstruppen fließen. Das israelische Fernsehen hat Aufnahmen ausgestrahlt, in denen die verheerenden Auswirkungen der von den USA gelieferten Bunkerbomben auf zivile Hochhäuser gezeigt wurden.

Da die USA nicht die Absicht haben, ihren Kampfhund an die Kandare zu nehmen, überrascht es nicht, dass Biden in Rafah zur „Zurückhaltung“ aufruft, ohne dass dies geschieht. Am 7. Februar erklärte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu, es gebe „keine andere Lösung als einen vollständigen und endgültigen Sieg“, und fügte hinzu, er habe den Truppen befohlen, sich in Rafah „auf den Einsatz vorzubereiten“.

Noch bedrohlicher ist, dass er Pläne für die „Evakuierung“ der Zivilbevölkerung bekanntgab. Netanjahu zufolge ist der „totale Sieg“ über die Hamas nur noch wenige Monate entfernt. US-Militärquellen, die in der New York Times zitiert werden, gehen jedoch davon aus, dass Israel nur ein Drittel der Hamas-Kämpfer:innen getötet hat und die Kämpfe im gesamten Streifen weitergehen.

Die Zionist:innen wissen, dass sie die Hamas oder die anderen militärischen Widerstandsorganisationen nicht „liquidieren“ können, ohne die Zivilbevölkerung zu liquidieren, deren Unterdrückung für einen unerschöpflichen Nachschub an neuen Rekrut:innen sorgt.

Ethnische Säuberung

Es ist diese einfache Wahrheit, die die gesamte Dynamik des israelischen Krieges in Gaza in eine Kampagne der ethnischen Säuberung, eine zweite Nakba, führt. Tatsächlich wurde dieses Ergebnis von israelischen Minister:innen, die zur Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung und ihrer Ersetzung durch israelische Siedler:innen aufgerufen haben, offen propagiert. Netanjahu selbst, dessen Regierung auf der Unterstützung dieser Extremist:innen beruht, hat erklärt, dass die Sicherheit im Gazastreifen in den Händen der IDF verbleiben müsse – also eine Rückkehr zur militärischen Besatzung.

Weltweit haben Massendemonstrationen, wie sie seit denen gegen die Invasion im Irak 2003 nicht mehr stattgefunden haben, Israels Verbündete, allen voran die USA, Großbritannien und Deutschland, zweifellos dazu gezwungen, ihre bedingungslose Unterstützung für den Krieg des Landes verbal zu drosseln.

Doch während Israels Verbündete aus Angst, ein Massaker in Rafah könnte das Pulverfass Nahost zum Explodieren bringen, zur „Zurückhaltung“ mahnen, weigern sie sich, einfache Maßnahmen zu ergreifen, die den Krieg über Nacht beenden könnten: Aussetzung aller militärischen und finanziellen Hilfen, Verhängung von Sanktionen und Durchsetzung wiederholter UN-Resolutionen.

Anstatt Israels rachsüchtige Kampagne der ethnischen Säuberung zu verurteilen, greifen sie die wachsende Solidaritätsbewegung an. Gesetzliche Verbote der BDS-Kampagne werden im Eiltempo durch die Parlamente gebracht, und unbegründete Anschuldigungen des Antisemitismus werden von den Medien der Bosse in einer Hexenjagd eingesetzt, um Kritiker:innen Israels zum Schweigen zu bringen.

Doch das Schicksal der Palästinenser:innen muss und darf nicht in die Hände ihrer Unterdrücker:innen gelegt werden. Mit einem Schlag könnte die ägyptische Arbeiter:innenklasse den Suezkanal schließen und die gesamte imperialistische Wirtschaft über Nacht hart treffen. Ebenso könnten die organisierten Arbeiter:innenbewegungen in den USA, im Vereinigten Königreich und in Europa ihre eigenen Sanktionen gegen Israel verhängen: sich weigern, alle Waffen und Waren zu transportieren, die aus Israel stammen oder für es bestimmt sind. Investitionen, Forschung und kulturelle Zusammenarbeit mit dem zionistischen Staat sollten von vornherein abgelehnt werden, nach dem Grundsatz: Keine Zusammenarbeit mit der Besatzung!

Am 16. Oktober 2023 hat die palästinensische Gewerkschaftsbewegung einen solchen Aufruf an die weltweite Arbeiter:innenbewegung gerichtet. Es ist ein beschämendes Armutszeugnis für die reformistischen Gewerkschaftsführungen, dass sie, von einigen wenigen ehrenwerten Ausnahmen abgesehen, keinen Finger krummgemacht haben. Viele haben sich sogar schwergetan, den Krieg unmissverständlich zu verurteilen.

Die Arbeiter:innenklasse in den Ländern, die Israel mit Waffen und diplomatischem Schutz versorgen, hat eine besondere Pflicht zu handeln. Dies ist nicht nur der Krieg Israels. Es ist ein kolonialer Krieg, der auch unter Beteiligung mehrerer westlicher imperialistischer Mächte geführt wird.

Der Sieg Israels in diesem Krieg stärkt die Position des westlichen Imperialismus und damit die Stärke, das Selbstvertrauen und die Kampfeslust unserer herrschenden Klassen. Deshalb ist der Kampf der Palästinenser:innen auch unser Kampf; deshalb müssen wir unsere Anstrengungen verdoppeln, um für internationalistische Aktionen der Arbeiter:innenklasse zu kämpfen, um den Krieg zu beenden und den Sturz der gesamten vom Imperialismus unterstützten Ordnung im Nahen Osten zu beschleunigen, beginnend mit der Zerschlagung des israelischen Staates, der Errichtung eines bi-nationalen demokratischen und sozialistischen Staates in ganz Palästina und durch eine sozialistische Revolution im Nahen Osten.




Wie befeuert der Nahostkonflikt Rassismus und Antisemitismus in Deutschland?

Von Urs Hecker, REVOLUTION Zeitung, Januar 2024

Seit dem 7.Oktober geht eine immer stärkere Welle des anti-muslimischen Rassismus durch Deutschland, welcher oft mit dem Kampf gegen den Antisemitismus begründet wird. In einem neuen Podcast titelt die Tageszeitung „die Welt“ „free Palestine“ sei das „neue Heil Hitler.“ Die CDU veröffentlicht einen Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm, in dem sie erklärt: „nur wer sich zur Leitkultur bekennt kann sich integrieren und ein deutscher Staatsbürger werden“ Zu dieser „Leitkultur“ soll laut CDU auch die Anerkennung des „Existenzrechts Israels“ zählen. Aber auch die „linken“ bürgerlichen Parteien beteiligen sich an der rassistischen Rhetorik. Neben der rassistischen Politik und Rhetorik der bürgerlichen Parteien und Medien, steigt aber auch die Zahl antisemitischer Aktionen. Es wurden zum Beispiel die Häuser von Jüd:innen in Berlin mit Davidsternen beschmiert.

Um Antisemitismus und Rassismus und ihre Funktion in der kapitalistischen Gesellschaft zu verstehen, müssen wir uns mit der Geschichte beider auseinandersetzen. Der „moderne“ Antisemitismus entwickelte sich aus dem Antijudaismus des Mittelalters. In der ständischen Gesellschaft des Mittelalters mit ihren starren ökonomischen Strukturen übernahmen Jüd:innen eine ökonomische Sonderrolle und waren vor allem als Kaufleute oder im Geldverleih tätig. In der neu entstehenden dynamischen kapitalistischen Gesellschaft verloren Jüd:innen ihre Sonderrolle und wurden immer mehr in prekäre Lebensbedingungen gedrängt. Sie wurden von den neuen Herrschenden von nun an als Sündenböcke verfolgt bzw. benutzt, um die Wut des von Abstiegsängsten geplagten Kleinbürger:innentums zu befriedigen und dem wachsenden und sich bewusst werdenden Proletariat seine revolutionäre Richtung zu nehmen. Der Kapitalismus wurde als eigentlich funktionierendes System dargestellt und die „fremden Jüd:innen“ seien Schuld an Verelendung, Korruption, Krise und Revolution. Besonders das zaristische Russland, in dem ein Großteil der jüdischen Bevölkerung lebte, verbreitete aufgrund der revolutionären Lage im Land besonders aggressiv Antisemitismus. So erfand seine Geheimpolizei die „Protokolle der Weisen von Zion“, wonach eine jüdische Weltverschwörung hinter den Revolutionen der Welt stecke. Und so popularisierte die weiße Reaktion die „jüdisch – bolschewistische Weltverschwörung.“ Diese Verschwörungsmythen fanden großen Anklang bei Reaktionären weltweit und wurden so in Deutschland mit dem generell grassierenden Antisemitismus verbunden zum Vernichtungsantisemitismus der Nazis, welcher in der Shoa seinen barbarischen Höhepunkt fand.

Rassismus wie wir ihn heute kennen entstand dagegen zuerst in den imperialistischen Ländern und ihren Kolonien, zusammen mit dem bürgerlichen Nationalismus. Er wurde zum einem genutzt, um Sklaverei sowie die Überausbeutung und Genozid an den indigenen Bevölkerungsgruppen zu rechtfertigen und zu begründen. Zum anderen war sein Zweck zusammen mit dem Nationalismus eine Identifikation der Arbeiter:innen mit ihren nationalen Bourgeoisien in den imperialistischen Ländern und ihren Siedlungskolonien zu schaffen. Dies gelang zuerst in den Siedlungskolonien, allen voran in den heutigen USA, da hier die einwandernden Arbeiter:innen von Landnahme, Genozid und Sklaverei profitierten und ihre Dasein als Lohnabhängige oft nur zeitlich beschränkt war. Nach einigen Jahren des Lohnarbeitens winkte das eigene durch Landraub in Besitz genommene Stück Land im Westen. Dieses kleinbürgerliche Bewusstsein breitet sich mit Beginn der imperialistischen Epoche in privilegierten Teilen der Arbeiter:innenklasse erst in Großbritannien und später in allen anderen imperialistischen Ländern, so auch Deutschland, aus. Die materielle Basis hierfür war, dass sich die imperialistischen Bourgeoisien durch die Stärke der Arbeiter:innenklasse gezwungen sahen, ihr Zugeständnisse zu machen, wovon die besonders gut organisierten Teile der Arbeiter:innenklasse stark profitierten. Diese Zugeständnisse waren und sind aber erst durch die besonders starke Ausbeutung anderer Teile der Arbeiter:innenklasse (meistens in den Halbkolonien und/oder aus diesen migrierte Arbeiter:innen) möglich. So ist zum Beispiel der „Sozialstaat“ durch Steuern auf die Superprofite finanziert, welche imperialistische Unternehmen in den Halbkolonien erzielen. Dies führte dazu, dass das falsche Bewusstsein des Nationalismus und der „gemeinsamen nationalen Interessen“ der Arbeiter:innen und „ihrer“ nationalen Bourgeoisie entstand. Dieser privilegierte Teil der Arbeiter:innenklasse in den imperialistischen Ländern, die sogenannte Arbeiter:innenaristrokratie, war und ist dominierend in den großen Arbeiter:innenparteien und Gewerkschaften, womit sich ihr falsches Bewusstsein auf den Großteil der Klasse ausbreiten konnte. In Deutschland richtete sich der Rassismus zuerst vor allem gegen die national unterdrückten slawischen Arbeiter:innen Ost- und Mitteleuropas, da diese vom deutschen Imperialismus national unterdrückt wurden und einen Großteil der frühen Arbeitsmigrant:innen darstellten. Dieser anti-slawische Rassismus spielte zusammen mit dem Antisemitismus eine zentrale Rolle in der Nazi-Ideologie und war entscheidende Rechtfertigung für den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. Als in den 50er und 60er Jahren immer mehr Arbeitsmigrant:innen aus südeuropäischen und westasiatischen Ländern in die BRD einwanderten, entwickelte sich auch ein starker Rassismus gegen diese, wobei sich hier vor allem auch der anti-muslimische Rassismus herausbildete, welcher durch den sogenannten „Krieg gegen Terror“ massiv befeuert wurde. Die sogenannten „Gastarbeiter“ besaßen so gut wie keine Rechte und wurden lange von den großen Gewerkschaften ausgeschlossen. Seitdem wurde der anti-muslimische Rassismus nur stärker in Deutschland, obwohl einige Rechte erkämpft werden konnten. Anti-muslimischer Rassismus genießt weiterhin eine hohe Popularität innerhalb des (Klein)Bürger:innentums und unter reaktionären Teilen der Arbeiter:innen.

Heute wird oft von „importierten Antisemitismus“ gesprochen, um Migrant:innen den Antisemitismus in Deutschland in die Schuhe zu schieben. Das ist großer Unfug und extrem gefährlich. Der Großteil aller antisemitischen Straftaten in Deutschland wird von Rechten begangen und zuletzt in der Corona-Pandemie gingen noch zehntausende Deutsche unter antisemitischen Parolen auf die Straße. Solidarität mit Palästina ist kein Antisemitismus, wie wir auch schon in anderen Artikeln erklärt und begründeten. Dennoch stimmt es, dass auch einige offen antisemitische Rechte sich vordergründig palästinasolidarisch geben. Sie Kritik am Staat Israel, um antisemitische Hetze zu verbreiten, indem sie Jüd:innen und den Staat Israel gleichsetzen. Oft wird Israel in der Tradition antisemitischer Verschwörungstheorien als Zentrum der jüdisch (-bolschewistischen) Weltverschwörung gesehen. Ihnen geht es also gar nicht um die Freiheit der Palästinenser:innen, sondern nur darum, Antisemitismus zu verbreiten.
Es soll hier jedoch nicht verschwiegen werden, dass auch einige palästinasolidarische Menschen antisemitischen Denkmustern anhängen, indem sie z.B Israel mit Jüd:innen gleichsetzen (wie es ja selbst der deutsche Staat tut) und/oder behaupten, die westlichen Imperialist:innen seien vom Zionismus gesteuert und damit die realen Verhältnisse auf den Kopf stellen. Diese Positionen resultieren aber, im Gegensatz zu den deutschen Rechten, aus berechtigter Wut gegenüber der israelischen Besatzungspolitik, im Zuge derer aber falsche Schlüsse gezogen und rechten und bürgerlichen Mythen geglaubt wurde. Wir wollen diese Einstellung hier aber natürlich nicht verharmlosen, sie ist falsch und stellt eine reale Gefahr für Jüd:innen dar. Sie ist aber nicht Teil der Palästinasolidarität als solcher und es ist unsere Aufgabe als Revolutionär:innen diesen Einstellungen in der Bewegung entgegenzutreten.

Trotz dessen nimmt der anti-muslimische Rassismus weiter zu! Wir erleben eine schärfere Einschränkung migrantischer Rechte, eine immer rassistischere Hetze der bürgerlichen Medien und den bundesweiten Aufstieg der AfD, wobei sich auch die klassischen bürgerlichen Parteien nach rechts bewegen und immer rassistischer vorgehen. Die außenpolitische Unterstützung für Israel wird im Inneren genutzt, um Migrant:innen pauschal Antisemitismus vorzuwerfen und somit ihre Entrechtung zu begründen. In Sachsen-Anhalt wurde vor kurzem das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels Teil der Voraussetzungen zur Einbürgerung von Migrant:innen, Faeser spricht davon, „kriminelle“ Migrant:innen abzuschieben und die CDU fordert, dass bundesweit ein Bekenntnis zu Israel Voraussetzung für eine Einbürgerung wird, bzw. dass Migrant:innen sogar ihre Staatsbürger:innenschaft entzogen werden soll, wenn sie sich palästinasolidarisch äußern.
Natürlich wird der Rassismus in Bezug auf Palästinasolidarität auch genutzt, um die „Heimatfront“ ruhig zu halten, Deutschland unterstützt Israels Genozid aus seinen imperialistischen Interessen heraus und will den Dissens so marginal wie möglich halten. Hier wird der Rassismus genutzt, um Palästinasolidarität als etwas Fremdes, nicht-Deutsches darzustellen und unseren Protest zu isolieren und die deutsche Mehrheitsgesellschaft dagegen aufzubringen. Auch migrantische Gruppen, die palästinensisch oder palästinasolidarisch sind, erfahren besonders harte Repression, wie Samidoun oder Zora.
Der Rassismus und die Entrechtung dienen dem deutschen Kapital. Denn so können sie migrantische Arbeiter:innen noch stärker ausbeuten, sie politisch kaltstellen und die Arbeiter:innenklasse als Ganzes weiter spalten, Solidarität unterbinden und die Kampffähigkeit massiv schwächen. In der aktuellen Krise ist das für das deutsche Kapital besonders nötig, weswegen sich diese Politik auch weiter verschärfen wird.

Wir müssen also konsequent gegen Rassismus und Antisemitismus kämpfen!

Dazu müssen wir uns gegen den bürgerlichen Staat, seine Staatsräson und gegen den generellen Rechtsruck der bürgerlichen Gesellschaft stellen! Beide Formen der Diskriminierung haben ihre materielle Basis im kapitalistischen System und können nur mit diesem überwunden werden. Wir müssen auch gegen das falsche rassistische und antisemitische Bewusstsein innerhalb der Arbeiter:innenklasse kämpfen! Dazu müssen wir hier in Deutschland den palästinensischen Befreiungskampf, antirassistische – und antifaschistische Kämpfe vorantreiben und unterstützen! Wir müssen diese in unsere Schulen, Unis und Betriebe tragen und den Schulterschluss mit Arbeitskämpfen, wie denen am Hamburger Hafen, suchen. Wir müssen eine revolutionäres Programm der Jugend und der Arbeiter:innen vertreten, denn nur im Kampf mit dem System können Rassismus und Antisemitismus besiegt werden!




Jugend gegen Abschiebungen! Für einen bundesweiten Schulstreik!

AfD raus aus unseren Schulen kicken!

Seit mehreren Wochen gehen Millionen von Leuten auf die Straße. Sie demonstrieren gegen die AfD, gegen die rassistischen Pläne der AfD. Warum müssen auch wir als Jugendliche uns an diesen Protesten beteiligen? Die Pläne, die die AfD hat, sind auch für uns besonders scheiße, denn den Ort, wo wir täglich hingezwungen werden, will sie uns zur Hölle machen.

Insgesamt wollen sie eine Schule erschaffen, die kein Raum für Schüler:innen ist, sondern die das Ziel hat, Arbeitskraft zu produzieren, egal wie sehr wir darunter leiden. Es liegt also im Interesse jedes:r Schüler:in, gegen die AfD aufzustehen. Der extreme Leistungsdruck, unter dem schon jetzt viele Schüler:innen zerbrechen, soll noch weiter verschärft werden. Zudem wollen sie Aufklärung verhindern, indem sie den ohnehin schon cis-heteronormativen und unzureichenden Sexualkundeunterricht weiter beschneiden wollen. Nicht zuletzt sollen wir in der Schule noch weniger über die deutschen Verbrechen zur Kolonialzeit und im Faschismus aufgeklärt werden. Und die AfD setzt sich dafür ein, dass unsere Freund:innen auf andere Schulen müssen, wenn sie kein perfektes Deutsch können oder Föderbedarf haben. Doch wir wollen nicht von unseren Freund:innen getrennt lernen. Wir wollen lieber eine Schule, die es schafft, sich um alle Schüler:innen zu kümmern.

Viele unserer Mitschüler:innen will die AfD aber nicht nur auf andere Schulen schicken, sondern am liebsten gleich ganz aus Deutschland raus. Laut der AfD ist der Islam kein Teil unserer Gesellschaft und hat hier auch keinen Platz. Dies hat sich mit dem Ausbruch des Gazakrieges zusätzlich verschärft. Dabei werden Muslim:innen als angebliche Terrorunterstützer:innen unter den Generalverdacht des Antisemitismus gestellt. So stellte die Berliner AfD einen Antrag im Senat, dass Berlin keine palästinensischen Geflüchteten aufnehmen solle, da diese den Antisemitismus in Deutschland stärken würden. Dass Gewalt und Hetze gegen Jüdinnen und Juden in Wirklichkeit vor allem ein Problem ihrer eigenen Wähler:innen ist, kehrt sie damit genüsslich unter den Tisch. Wir sehen also, wie unter heuchlerischen Vorwänden unsere migrantischen Freund:innen einfach abgeschoben werden sollen oder gar nicht erst nach Deutschland kommen dürfen. Gegen diese Ungerechtigkeiten müssen wir aktiv werden!

Für eine selbstverwaltete Antidiskriminierungsstelle an unseren Schulen!

Wenn Abschiebungen, Vorurteile gegen Muslim:innen und Gewalt gegen Queers zum Normalzustand werden, heißt das, dass die gesamte Gesellschaft nach rechts rückt. Davon sind leider auch unsere Schulen nicht ausgenommen. Entgegen der Ideologie, dass Schulen angeblich ein „neutraler Raum“ innerhalb der Gesellschaft seien, ist alles, was hier passiert politisch: Mitschüler:innen werden innerhalb einer Woche zu Hause abgeholt und abgeschoben. Mädchen wird abgesprochen, dass sie gut in Physik oder Informatik sein können. Die Schule missachtet unsere sexuelle Identität und nutzt unsere Deadnames. Das Tragen von Kufiyas wird verboten. Mitschüler:innen droppen Nazisprüche oder das N-Wort. Auf unsere Depressionen, Angststörungen oder neurodivergenten Bedürfnisse wird keine Rücksicht genommen. Diese ganzen Diskriminierungserfahrungen tragen dazu bei, dass wir nicht richtig lernen können oder sogar von der Teilhabe am schulischen Alltag ausgeschlossen werden. Häufig bleiben unsere Hilferufe ungehört und es gibt neben ein paar Pseudo-Vertrauenslehrer:innen kaum jemanden, an den wir uns wenden können. Wenn uns dieser traurige Normalzustand ankotzt, wird es also Zeit, dass wir selber aktiv werden.

Wir fordern deshalb die Bildung einer Beschwerdestelle gegen Diskriminierung an jeder Schule. Diese muss unabhängig von der Schulleitung sein und gemeinsam von wähl- und abwählbaren Schüler:innen und Lehrkräften kontrolliert werden. Dafür brauchen wir an jeder Schule eine Art Antidiskriminierungs-Awarenessteam, das jederzeit ansprechbar ist und in dem auch von Diskriminierung betroffene Menschen selbst dabei sind. Es muss möglich sein, dort auch anonym eine Beschwerde über diskriminierendes Verhalten an der Schule einzureichen. Bei Appellen an die Schulleitung darf es nicht bleiben, sondern die Antidiskriminierungsstelle braucht auch eigene Befugnisse, um auch selbst gegen die Diskriminierung aktiv werden zu können. Die Antidiskriminierungsstelle ist also keine „Schule-ohne-Rassismus-AG“, sondern ein Organ der kollektiven Selbstverwaltung, das die autoritäre Herrschaftspraxis von Regierung und Schulleitung aktiv in Frage stellt. Um das zu erreichen, müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, die wir an der Schule haben. Bewerbt ein erstes offenes Treffen, an dem ihr euch über Vorfälle in der Vergangenheit austauscht und diskutiert, wie die Antidiskriminierungsstelle genau aussehen soll. Stellt Anträge an die Schüler:innenvertretung (SV) und beruft eine Vollversammlung ein, das steht euch laut Schulrecht zu. Denkt auch darüber nach, Plakate in der Schule aufzuhängen und eine Kundgebung oder Kreativaktion zu starten, um auf euer Projekt aufmerksam zu machen. Wenn ihr genügend Mitschüler:innen hinter eurem Ziel gesammelt habt, kann das Thema Diskriminierung nicht mehr länger ignoriert werden. Kontaktiert uns, wenn ihr Unterstützung dabei braucht!

Dabei muss jedoch auch klar sein, dass eine solche Antidiskriminierungsstelle nicht ausreicht, um den Rassismus in der Gesellschaft und der Schule alleine zu bekämpfen. Diese Forderung muss eingebettet sein in ein Aktionsprogramm gegen die AfD, welches zum einen Antirassismus stark macht, zum anderen aber auch soziale Forderungen aufwirft, welche die Ursachen des aktuellen Rechtsrucks adressieren. Wir fordern deshalb:

  • Keine Abschiebungen aus unseren Schulen! Außerdem gut ausfinanzierte Inklusion statt rassistische Segregation in „Willkommens“-klassen!
  • Diskriminierungssensible Themen gehören in den Lehrplan: Ob nicht-heteronormative Beziehungsmodelle, Religionsfreiheit oder Kolonialismus! Für demokratische Kontrolle über einen diskriminierungssensiblen Lehrplan durch Schüler:innen und Lehrer:innen!
  • 100 Milliarden in Bildung und Soziales, statt für die Bundeswehr! Wir brauchen kleinere Klassen, mehr Personal gegen den Lehrer:innenmangel und renovierte Schulgebäude!

Jugend gegen Abschiebungen! Lasst uns einen bundesweiten Schulstreik gegen die AfD organisieren

Als Jugendliche müssen wir auf den Massenprotesten gegen die AfD präsent sein. Aber wir müssen dort auch deutlich machen, dass wir zwar klar die AfD ablehnen, jedoch auch die Ampelkoalition und ihre rassistische Abschiebungspolitik. Die perversen „Remigrations“-Pläne der AfD stellen eine Gefahr dar, doch gefährlich ist bereits unser rassistischer Alltag, in dem täglich Menschen abgeschoben oder auf der Straße bepöbelt oder angegriffen werden. Die AfD hetzt, aber die Ampel macht die passenden Gesetze dazu. Mit ihrer Zustimmung zur GEAS-Reform der Festung Europa haben die Grünen, die SPD und die FDP dafür gesorgt, dass das Asylrecht in der EU faktisch abgeschafft wird. Eine Forderung, wie sie die AfD schon lange aufgeworfen hat. So sollen Geflüchtete künftig an den europäischen Außengrenzen besser abgefangen und in Gefängnissen außerhalb der EU untergebracht werden. Ferner wird die Liste vermeintlich „sicherer Herkunftsstaaten“ erweitert, sodass das Ziel des Bundeskanzlers Olaf Scholz „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“ (2023) schnell eine schreckliche Realität werden wird. Und das ist sie schon heute, denn die Zahl der Abschiebungen aus Deutschland hat sich im Jahr 2023 verdoppelt. Die rassistische Abschiebepolitik der Bundesregierung ist umso zynischer, wenn man sich vor Augen führt, dass Deutschland sowie andere EU-Staaten daran schuld sind, dass Millionen Menschen fliehen müssen: durch Kolonialismus, Ausbeutung, Militärinterventionen, die Unterstützung von Diktatoren, Waffenexporte und Umweltzerstörung.

Wir können nicht zulassen, dass vielen Jugendlichen das Recht zur Schule zu gehen verwehrt wird oder sie aus unseren Klassen abgeschoben werden. Zehntausende Jugendliche in Deutschland haben keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis, sondern sind lediglich „geduldet“. Duldung heißt „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“. Und wer soll sich eigentlich auf Mathe konzentrieren, wenn total unklar ist, ob die Duldung nächste Woche noch verlängert wird? Gemeinsam mit euch wollen wir deshalb einen bundesweiten Schulstreik gegen Abschiebungen und AfD organisieren. Die Schule bestreiken bedeutet, den Unterricht zu boykottieren und stattdessen gemeinsam für ein politisches Ziel auf die Straße zu gehen. Ein Schulstreik legt zwar nicht wie andere Streiks die Produktion oder das öffentliche Leben lahm, aber er ist ein Akt des politischen Massenprotests und stört den „normalen“ Schulbetrieb. Und das ist auch wichtig und richtig, denn dieser Alltag aus Diskriminierung, kaputtgespartem Schulsystem und Abschiebungen ist nicht normal! Ein Schulstreik gibt uns eine Stimme, indem wir uns klar und deutlich gegen Abschiebungen und AfD positionieren, ohne viel Angst haben zu müssen, von der Schule zu fliegen. Es gibt zwar kein Recht auf Schulstreik, aber er ist auch nicht konkret verboten. Und so haben schon viele große Schulstreiks in der Vergangenheit, ob 2008 gegen die Bildungskürzungen, ob 2016 gegen Rassismus, oder ab 2019 in Fridays for Future gezeigt, dass wir durch unsere Streiks etwas erreichen können.

Klickt hier, um in unsere Telegram Gruppe zu kommen und werdet Teil der bundesweiten Vernetzung für einen antirassistischen bundesweiten Schulstreik!

Wir fordern alle Einzelpersonen, Organisationen, Bündnisse und Gewerkschaften, die die AfD und die Abschiebungspolitik der Ampel ablehnen dazu auf, sich daran zu beteiligen.

Wenn wir genug Leute sind, werden wir eine Aktionskonferenz einberufen, um dort die nächsten Schritte für den Schulstreik zu planen. Bis dahin: organisiert Aktionstreffen, stellt Anträge an die SV, beruft Vollversammlungen ein und schweigt nicht zu Rassismus und Abschiebungen an unseren Schulen!