Rollenbilder: Sie kotzt, er kotzt

Alle Tiere, von denen es zwei Geschlechter gibt, haben großes Interesse daran, das Geschlecht ihrer Artgenossen herauszufinden. Es würde zu lange dauern, alle Mitglieder der Gruppe anzubaggern, nur um dann mit der Hälfte gar nicht zur Arterhaltung beitragen zu können. Die Evolution hat so dafür gesorgt, dass auch Menschen sich rege damit beschäftigen, welchen Geschlechts ihre Mitmenschen sind. Bei femininen Jungen oder burschikosen Mädchen (Stichwort „Mannsweib“) kommt schnell die geflüsterte Frage: „Ist das jetzt ein Typ oder eine Frau?“ -Aber wozu? Versuchen diejenigen, die das fragen, herauszufinden, ob sie Kinder mit dem Wesen zeugen können? In den allermeisten Fällen nicht. Es wird einfach nur so gefragt. Weil wir überall lernen, dass es eine Rolle spielt.

Auch in der Sprache wird immer klargestellt, ob es um Frauen oder Männer geht. Das fällt erst auf, wenn Sprachen verglichen werden; da gibt es nämlich große Unterschiede in der Versessenheit auf sexuelle Einordnung. Im Finnischen beispielsweise gibt es für er und sie nur ein Wort. Wenn es wichtig ist, dass es um eine Frau geht, dann wird das eben dazugesagt. Genauso, wie dazugesagt wird, dass es um Rothaarige geht, ohne dass es getrennte Personalpronomen für verschiedene Haarfarben gäbe. Im Deutschen gibt es, neben ominösen Wörtern wie „herrlich“ und „dämlich“ (männlich und weiblich), getrennte Personalpronomen für sie und ihn, aber die Verben werden für beide gleich gebeugt (sie kotzt, er kotzt ebenfalls). Es ist schließlich unwichtig, von welchem Geschlecht der Teppich vollgekotzt wurde, wichtig ist die Sauerei*. Im Russischen gibt es auch getrennte Personalpronomen für ihn und sie, die in der Gegenwart auch gleich gebeugt werden. In der Vergangenheit aber unterschiedlich (он блевал, она блевала). Als ob es bei älterer Sauerei wichtig wäre, dass ein Mann schuld ist und keine Frau.

Es ist eher sinnlos, die Grammatik ändern zu wollen, aber ich finde wir sollten uns Gedanken machen, welche Rolle das Geschlecht der Anderen für uns spielt. Außer für die Fortpflanzung ist diese Spaltung zwischen den Menschen doch eher unwichtig und führt nur zu qualitativen Unterscheidungen. Also warum wird immer so gründlich getrennt?

*Wichtig ist wiederum, wer sauber macht: Das ist Aufgabe des Weibes, während der Mann nach Afghanistan zum Kämpfen fährt.

Ein Artikel von Lé, Gastbeitrag der linken Schüler_innengruppe Red Brain