„Sicherheitsreformen” – Der Adler wetzt die Krallen

Der Charakter bürgerlicher Sicherheitsorgane

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Die in den letzten Jahren von statten gegangenen Ereignisse im Nahen Osten und Südeuropa haben auch in Deutschland die Frage der Sicherheitsorgane und deren Charakter aufgeworfen. Hat man die angestrebten Gesetzesänderungen, Umgestaltungen und „Innovationen“ etwas mitverfolgt, bietet sich jetzt einem die Möglichkeit diese auch mal in einen Kontext zu bringen. Speziell die Aufdeckungen rund um den Verfassungsschutz, den Nationalsozialistischen Untergrund sowie anderer rechten Gruppierungen, warfen die Frage auf, wer hier wen Schützt und was Sicherheit für die herrschende Klasse bedeutet.

Wir haben gesehen, dass der Verfassungsschutz mehr darin interessiert ist mordende Faschisten zu schützen als sie zu bekämpfen. Wir haben gesehen wie die bürgerlichen Parteien, lieber Untersuchungsauschüsse einrichten, in denen gezielt kein Ergebnis herauskommen soll, anstatt diese Institutionen zu schließen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Dies macht einmal umso mehr deutlich, dass das Kapital ein Interesse daran hat fas chistische Kräfte zu unterstützen und aufzubauen. Der NSU ist dafür nicht das erste und nicht das letzte Beispiel. Allein schon der Fakt, das der Verfassungsschutz, sowie der Bundesnachrichtendienst aus ehemaligen NSDAP- und Wehrmachts-Kadern aufgebaut wurde gibt zu denken.

Die Erklärung dafür trifft auf alle Sicheitsorgane des kapitalistischen Staates zu. Sie alle sind Organisationen die letztendlich den Herrschaftsanspruch der Kapitalisten, das Recht auf Eigentum an Produktionsmitteln verteidigen sollen. Zwar sind faschistische Kräfte hierfür nicht die erste Wahl, allerdings waren und sind sie es die in zugespitzten Krisensituationen, die Organisationen der Arbeiterklasse zerschlagen sollen, um die Gefahr einer sozialistischen Revolution zu bannen. Das war nicht nur in den 30ger Jahren so, neben vielen anderen Beispielen in der Geschichte, sieht man dies auch an den Todeslisten der NSU, auf welchen Gewerkschafter und linke Aktivisten standen. In Zeiten der Krise, in der die Illusion der bürgerlichen Demokratie immer weiter schwindet treten diese Mechanismen immer deutlicher zu Tage.

Zugespitzte Klassenkämpfe drängen das Kapital zum Aufrüsten

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Deutsche Aufstandsbekämpfungspolizisten

In Südeuropa spielt sich heute dieses Szenario ab. Das kapitalistische Wirtschaftssystem befindet sich in einer unausweichlichen und tiefen Krise, die Klassengegensätze spitzen sich zu und die verarmte Bevölkerung auf der Straße stellt immer offener die Frage, wer eigentlich die Macht in Händen hält: Die „demokratische“ Legitimation der bürgerlichen Regierung zerbröckelt. Auch in Deutschland fürchtet man ein solches Szenario und trifft entsprechende Maßnahmen. Um effektiv jede Form von Widerstand der Unterdrückten niederzuschlagen, mussten auch die Repressionsorgane für diesen Zweck aufgestellt und ausgerüstet werden.

Nach der Umstrukturierung des Bundesgrenzschutzes zur Bundespolizei, warf man die Idee in den Raum, diese doch auch noch mit dem BKA zu verbinden, was de facto einer erheblichen Machtkonzentration gleich käme. Diese Behörde würde eine Bandbreite an Befugnissen vereinen. Des Weiteren erwog man eine stärkere Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten – manche forderten die Behörden gleich ganz zu vereinen. Die mittlerweile aufgekommene Kritik an der Arbeit der Geheimdienste ließ dieses Thema jedoch unter den Tisch fallen. Im Zuge der NSU-Affäre kam an Stelle einer kompletten Offenlegung der Akten plötzlich die Forderung nach einer angeblich dringend notwendigen Reformierung- Statt den Rechten Sumpf in den Schnüffler-Behörden aufzudecken, wird jetzt nach einer „besserer“ Struktur verlangt.

Aber wer braucht schon die formale Umstrukturierung? 2009 errichtete man in Köln die Zentralstelle für Telekommunikationstechnologien, welche alle eigenständigen Anlagen der verschiedenen Dienste ersetzen sollte – Praktischerweise dient diese Einrichtung nun als gemeinsame Schnittstelle für die Überwachungsarbeit.

Aber es gab auch andere Veränderungen. So hat verfolgt der Polzei-Apparat immer verbissener das Ziel seine operativen Einheiten die auf politischen Aktionen eingesetzt werden aufzurüsten. Für die Blockaden gegen die Nazi Demonstration in Dresden, wurden extra so genannte Pepperbal Pistolen angeschaft. Zusätzlich fordert die Polizei die Freigabe für Gummischrot, wie er in Frankreich und Spanien schon seit längerem zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt wird. Das die gesellschaftliche Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht für solche Einheiten seit Jahren in den meisten Bundesländern abgeblockt wird, wundert nicht.

Ausbau und Benutzung der Repressionsorgane

Doch nicht nur auf struktureller Ebene will man die Macht der Repressionsorgane ausbauen. Neben der Überwachung von 37 Millionen Emails im Jahr 2010 und der Durchführung sogenannter Online-Durchsuchungen mittels staatlicher Überwachungssoftware, soll nun auch ein sich bereits im Test befindliches, europaweit arbeitendes Sicherheitssystem namens INDECT zum Einsatz kommen. Mit Hilfe der Vernetzung öffentlicher Kamerasysteme, der Auswertung von Daten aus vorhandenen Datenbanken, Mobilfunkortung, speziell eingesetzten Überwachungsdrohnen und Informationen aus öffentlichen Netzwerken, soll ein so weit als möglich lückenloses Überwachungssystem geschaffen werden. Gedacht ist es nicht nur zur allgemeinen präventiven Überwachung, sondern dient auch gezielt als Fahndungs- und Verfolgungssystem. Der Einsatz dieses Projekt würde die operativen Fähigkeiten beträchtlich zunehmen lassen.

Innlandseinsatz der Bundeswehr beim G8 Gipfgel in Heiligendamm

Innlandseinsatz der Bundeswehr beim G8 Gipfgel in Heiligendamm, natürlich nur zur „auflärenden Unterstützung“

Wenden wir das Augenmerk auf eine weitere Institution von Sicherheitsinteresse: Das Militär. Seit langem arbeitete man nun schon daran, freie Handhabe zu erhalten, das Militär auch im Inland einsetzen zu dürfen.

Das Gesetz, welches den Handlungsspielraum und damit die Macht des Militärs einschränkte, wird nun immer mehr aufgeweicht. Zwar beschloss das Bundesverfassungsgericht lediglich, dass der Einsatz in katastrophalen Situationen erlaubt sei und man nicht gegen Menschenmengen vorgehen dürfe, doch kann sich jeder vorstellen wie leicht sich eine solche Gefahr konstruieren lässt. Schon zur WM 2006 und beim G8-Gipfel 2007 arbeitete Polizei und Militär zusammen, wurde Equipment, Infrastruktur und Personal angeboten und die praktische Zusammenarbeit erprobt – ganz zu schweigen von den ständig organisierten Katastrophenübungen zwischen Militär, Polizei, THW, Rotes Kreuz etc.

Bereits im Juni hat in Bremen eine Kompanie der Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte (RSUKr) ihren Dienst angetreten – weitere 26 folgen im Laufe der nächsten Monate. Diese 2700 Personen starke Reserviste ntruppe der Bundeswehr ist zwar dem militärischen Oberbefehl unterstellt, besitzt jedoch die Befugnis auch zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt werden zu können. Laut Rolf Gössner, dem Vizepräsidenten der Internationalen Liga für Menschenrechte, könnte die Einheit demnach auch zur Niederschlagung von Generalstreiks auf Infrastruktur und Versorgungseinrichtungen genutzt werden. Somit schafft man sich im Rahmen des Heimatschutze und in Bezug auf den europäischen Gesetzesrahmen die Möglichkeit, dass zuvor erwähnte Verbot zu umgehen. Nach bewerter Manier wird das Kind nicht beim Namen genannt: Heimatschutz statt Aufstandsbekämpfung.

Auch hier zeigt sich, dass unser ach so demokratisches Grundgesetz nur Bedeutung hat wenn es als Waffe gegen die Gegner des Kapitals eingesetzt wird.

Die Perspektive lautet Zerschlagung

Das Sicherheitskonzept der Bundesrepublik wandelt sich beständig, aber mit einer klar erkennbaren Ausrichtung. Unter dem Deckmantel des viel beschworenen Terrors, rüstet man den Repressionsapparat auf und erweitert ihn mit gezielten Befugnissen – bezeichnend daran ist, dass in den letzten nennenswerten Terror die Geheimdienste und Polizei selbst verstrickt sind. Will man diese voranschreitenden und teilweise schon abgeschlossenen Entwicklungen bewerten, gerät man unausweichlich zur Frage der Klasseninteressen.

demo vsEinerseits verdeutlicht sich hinter diesen Veränderungen klar eine nicht unerhebliche Angst der herrschenden Klasse, die Kontrolle über die Lage zu verlieren, sprich: Die Aberkennung ihrer Macht durch die breite Öffentlichkeit. Ihre Maßnahmen zur Krisenbewältigung haben offensichtlich einen Charakter, welcher den materiellen Interessen der Mehrheit der Bevölkerung widerspricht – Die Interessen von Politik und Kapital verlaufen entgegen denen der Arbeiterklasse, der Klasse der Lohnabhängigen. Um die gezielte Veramrung und den Niedergang ganzer Gesellschaften durchsetzen zu können, muss das Bürgertum also der Widerstand der Jugend und Arbeiterklasse bekämpfen.

Des Weiteren verdeutlicht sich in dieser Entwicklung auch der Klassenstandpunkt der Repressionsorgane. Sie als Teil der Arbeiterklasse zu betrachten, wäre ein verhängnisvoller Fehler. Sie sind in ihrer Funktion nichts weiteres, als der ausführende Arm der Politik des Kapitals. Die Konsequenz kann demnach nur sein, dass diese Institutionen, nicht in die Organisierung der Werktätigen miteingebunden werden dürfen. Die Polizei kann auf Grund ihres Standpunktes uns nur in den Rücken fallen, und muss deshalb aus der gewerkschaftlichen Organisierung ausgeschlossen werden. Keine falsche Solidarität mit den Sicherheitsorganen – In Südeuropa und Arabien zeigen sie ihr wahres Gesicht.

Die kapitalistischen Regierungen in Deutschland wie im Rest Europas rechnen mit einer Verschärfung der kapitalistischen Krise und bereiten sich offen darauf vor. Diese Entwicklung lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Egal welche Mechanismen und Beschlüsse uns als Verbesserung unserer „Sicherheit“ verkauft werden, sie werden entgegen unserem Willen sein. Jeder Angriff auf das kapitalistische System, sei es durch Generalstreiks oder Besetzungen durch Demonstrationen oder Blockaden wird mit allen mitteln des kapitalistischen Staates bekämpft werden. Die herrschende Klasse fürchtet nichts mehr als einen bewussten Klassenkampf und die sozialistische Revolution. Unsere Aufgabe besteht nun darin diesen zu führen und für die Revolution zu kämpfen, denn wir lassen uns nicht einschüchtern, denn wir sind die Mehrheit der Gesellschaft.

Ein Artikel von Baltasar Luchs, REVOLUTION Freiburg