Dem System den Stecker ziehen!

Zehntausende für sofortigen Atomausstieg

Am Samstag den 28. Mai 2011 gingen in 21 Städten Deutschlands über 160´000 Demonstrant_innen auf die Straße, um gegen Atomkraft und die Energiepolitik von Schwarz-Gelb zu protestieren. Die Demonstrationen fanden nicht zufällig gegen Ende Mai statt. Nachdem die Bundesregierung im März unter dem Druck der Ereignisse in Fukushima und den Massenprotesten in Deutschland sich für das Atommoratorium entschied, ist nun, nachdem die „Ethikkommission“ ihren Bericht vorgelegt hat, die Entscheidung über die künftige Atom-und Energiepolitik gefasst worden.

Kein Vertrauen in Schwarz-Gelb…

Bereits im März war vielen klar, dass das Atommoratorium nur eine politische Finte von CDU/CSU und der FDP war, um nicht all zu sehr bei den Landtagswahlen abgestraft zu werden. Darüber hinaus jedoch sollte der Widerstand gegen die Regierungspolitik auf der Straße geschwächt werden. Das Atommoratorium, unter dem die sieben ältesten Kernkraftwerke im März abgeschaltet wurden und ein weiteres in Krümmel, das bereits seit 2009 vom Netz ist, wird nun weiterhin bestehen bleiben. Die Atomkraftwerke sollen angeblich bis spätestens 2022 abgeschaltet werden. Was letztlich nur die Rückkehr zu dem faulen Atomkompromiss ist, den Rot/ Grün 2003 mit den Energiekonzernen aushandelten. Doch warum darf sich die Antiatombewegung damit nicht zufrieden geben?

Die Ethikkommission, die von Angela Merkel eingesetzt wurde und sich aus Vertreter_innen aus „Wirtschaft, Wissenschaft und Kirche“ zusammensetzt, schlug nun einen Ausstieg aus der Atomkraft innerhalb der nächsten zehn Jahre vor. Genauer gesagt wird dies wohl einen Ausstieg bis 2022 bedeuten. Unabhängigen Experten zufolge wäre jedoch bereits bis 2015 ein vollständiger Ausstieg möglich. Ein „vollständiger Ausstieg“ ist deshalb so wichtig, weil innerhalb der schwarz-gelben Koalition vor allem die FDP in Erwägung zieht, die Laufzeiten von älteren Kraftwerken einfach auf neuere zu übertragen. Diesem Vorschlag nach würde das letzte AKW eben nicht 2022 vom Netz gehen.

Auch die Alternative, die Schwarz-Gelb zum Atomstrom anbietet, ist reiner Hohn. Sie schlägt vor, bis 2022 rund 35% des deutschen Energiebedarfs durch erneuerbare Energien zu decken. Die momentane Energieerzeugung durch Atomkraft beträgt in etwa 22% , die von regenerativen Energien rund 17%. Wer nachrechnet erkennt recht schnell, dass dieses Angebot auch den Ausbau von Kraftwerken, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, einschließt. Auch zeichnet sich schon jetzt im Zuge der Novelle des Erneuerbare-Ernergien-Gesetzes (EEG) ab, dass bevorzugt erneuerbare Energien gefördert werden sollen, die für die großen kapitalistischen Energiekonzerne von Interesse sind. So sollen beispielsweise Offshore-Windparks, welche aufgrund ihrer enormen Investitionskosten nur für das Großkapital infrage kommen, stärker gefördert werden als Windkraftanlagen an Land. Nebenbei würde dies auch zu einer weiteren Verschiebung der ohnehin problematischen Erzeugungsüberkapazitäten nach Norddeutschland führen und den Ausbau der Windenergie im energiehungrigen industriellen Süden weiter blockieren. Die geplante weitere Reduzierung der Förderung von Solarenergie schlägt in die selbe Kerbe, da damit ebenfalls der Weg für eine Zentralisierung der Energieerzeugung unter Kontrolle der Energiekonzerne geebnet wird. Mittelfristig wird den jetzigen Atomkonzernen also eine rentable Alternative zu ihren Gelddruckmaschinen Atommeiler geschaffen.

Die jetzige Energiewende ist also zweierlei. Erstens ist sie immer noch ein eindeutiges Milliardengeschenk an die Betreiber von Atomkraftwerken, die schon viel zu lange eine lebensbedrohliche und ersetzbare Technologie verwenden. Zweitens ist es ein doppeltes Milliardengeschenk an genau die gleichen Energiekonzerne, die anstatt erneuerbare Energien zu erforschen und auszubauen, mit alten Technologien und Energiegewinnungsmethoden, wie Kohle-oder Gasverbrennung noch mehr Geld abschöpfen wollen.

Wer für den Atomausstieg bezahlen soll, ist für die Regierenden und das Kapital keine Frage. Eindeutig gaben alle zu verstehen, dass die Energiewende sich auf die Strompreise auswirken werde. Bereits jetzt machen indirekte Steuern 40% der Strompreise aus, die die Lohnabhängigen und die breite Bevölkerung bezahlen müssen.

Was Schwarz-Gelb jetzt also als Läuterung in Fragen Energiepolitik verkaufen will, ist nicht mehr als ein Kompromiss mit E.ON, Vattenfall, RWE und EnBW, die ihre Profite ab 2022 nicht in der Atomkraft, sondern in fossilen Brennstoffen und erneuerbaren Energien finden sollen. Doch selbst das ist, wie wir nach den Laufzeitverlängerungen 2003 und 2010 gesehen haben, keineswegs klar.

Energiepolitik und Klassenkampf?

Das gegen die Lobbypolitik von FDP und CSU/CDU gekämpft werden muss ist eigentlich allen klar. Auch die meisten Teilnehmer_innen der Demonstrationen wissen in wessen Sinne die Regierungskoalition Politik macht. Es sind die Energieriesen E.ON, Vattenfall, RWE und EnBW, für die dort die Atomkraft gerettet werden soll. Oder besser gesagt, es geht um die fetten Profite, die sich ein nicht unbedeutender Teil des deutschen Kapitals dadurch erhofft. Diese scheinbare Binsenweisheit versuchen viele Führer_innen der Bewegung jedoch zu verschleiern. Natürlich können auch sie schwer leugnen, dass es den Betreibern darum geht, sich die Gewinne zu sichern. Die eigentliche Frage, vor der die bürgerlich reformistischen Führungen Angst haben, ist, mit welchem Klassencharakter die Proteste gegen die Energiepolitik geführt werden.

Momentan wird der Protest von der Führung auf die bloße Frage der Atomkraft reduziert. In einigen Fällen diskutieren insbesondere die Grünen natürlich auch, dass man diese durch erneuerbare Energien ersetzen solle. Was aber überhaupt keine Rolle spielt, ist wer die „Energiewende“ bezahlen soll. Geschweige denn, wer in Zukunft entscheiden soll, was für Strom, durch wen, wo produziert wird. Nicht darüber zu sprechen heißt, die Energiegewinnung in den Händen derer zu lassen, die sie momentan kontrollieren: die Kapitalist_innen!

Es ist nicht erstaunlich, dass die Reformist_innen aus SPD und LINKE, sowie bürgerliche Parteien,wie die Grünen, kein Interesse daran haben diese Fragen aufzuwerfen. Bestürzend ist, dass es so wenige der „radikalen Linken“ gibt, die der Meinung sind, dass man diese Frage gezielt und offen in die ökologische Bewegung tragen muss. Die Frage der Energiegewinnung ist eine der zentralen Fragen der industriellen kapitalistischen Produktionsweise und damit auch eine entscheidende Frage für den Klassenkampf.

Zudem gibt es momentan eine Massenbewegung auf den Straßen Deutschlands, die das Thema der Energieversorgung anspricht. Das sie dabei bürgerliche Illusionen in sich trägt und eine bürgerliche Führung hat, sollte aber Linke und Kommunist_innen nicht davon abhalten, in diese Bewegung zu intervenieren. Immerhin ermöglicht erst die Teilhabe an der Bewegung eine Kritik gegenüber reformistischen und bürgerlichen Positionen. Was wir wollen ist nicht die Grünen, SPD oder die LINKE zu decken. Wir wollen ihnen das Zepter aus der Hand nehmen! Dafür ist es aber unerlässlich, der Basis dieser Parteien die Unfähigkeit und den Unwillen ihrer eigenen politischen Führung zu zeigen, die Bewegung tatsächlich zum Sieg zu führen.

Weiter kämpfen, aber für was?

Wir denken, dass die grundlegende Intention der Bewegung, nämlich gegen die Atomkraft zu protestieren, richtig ist. Die Atomkraft ist eine gefährliche Technologie, die historisch ausgedient hat. Das ist auch der Grund, warum wir uns an dieser Bewegung beteiligen.

Wir glauben aber auch, dass die reine Ablehnung der Atomkraft nicht genug ist. Eine Alternative ist nötig, und diese besteht im Ausbau der erneuerbaren Energien und ihrer Erforschung. Die Problematik der Energieversorgung im Allgemeinen darf aber nicht losgelöst vom Kapitalismus betrachtet werden. Die bürgerliche Gesellschaft ist offensichtlich nicht dazu in der Lage, die erforderliche „Energiewende“ zu bewerkstelligen. Dort wo sie es versucht, leiden die Lohnabhängigen und Milliarden von Menschen. Wir erinnern uns an die Folgen, die die Herstellung und Förderung von sog. Biosprit in Bezug auf Lebensmittelpreise und Umweltzerstörung hatte und hat, oder an die Unfähigkeit der Industrienationen, den Klimawandel aufzuhalten.

Besonders in der Energieerzeugung stellt sich ganz akut die Frage, wer letztlich entscheidet, wie und auf wessen Kosten sie stattfinden soll. Sollen es die Kapitalist_innen sein, die auf Kosten der Arbeiterklasse und der Menschheit Energie erzeugen, oder soll es die Arbeiterklasse sein? Unserer Meinung nach kann die Antwort nur die Enteignung der großen Energiekonzerne und die Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle sein!

Unsere Antwort auf die kapitalistische Energiegewinnung ist keine individualisierte Energiegewinnung, wie es viele „ökologische Linke“ vorschlagen. In einer globalen Welt, die durch eine moderne Industrie gekennzeichnet ist, brauchen wir eine gesellschaftliche Organisationsform, die durch Räte und zentrale Strukturen gekennzeichnet ist. Das gilt nicht nur in der Energiegewinnung. Das bedeutet jedoch letztlich, dass die Frage
der zukünftigen Energiegewinnung enger mit der sozialistischen Revolution verbunden ist, als dies viele „radikale Linke“ glauben mögen. Es ist daher für uns nicht nur von großer Wichtigkeit innerhalb der Antiatombewegung für eine proletarische revolutionäre Perspektive zu kämpfen, sondern auch innerhalb der Arbeiter-und Jugendbewegung selbst, speziell unter ihren bewusstesten Schichten.

Eine sichere und saubere Energiegewinnung kann der Kapitalismus nie gewährleisten. Er zerstört willentlich die Natur und verunreinigt die knappen Ressourcen unserer Erde, um seine eigenen Profite zu sichern. Der Kampf gegen den Kapitalismus wird heutzutage immer mehr zu einer Überlebensfrage der Zivilisation, so wie wir sie kennen. Dabei sollten wir uns jedoch nicht in katastrophistischer Angstmache verfangen. Diese spielt nur den Kapitalist_innen in die Hände und desorganisiert den Widerstand. Eine andere Welt ist möglich und sie wird durch die organisierte, revolutionäre Arbeiterklasse und die unterdrückten Schichten wie auch der Jugend erkämpft werden.

ONE SOLUTION – REVOLUTION