AfD zerschlagen statt verbieten!

von Flo Rojo, REVOLUTION-Zeitung Januar 2024

Mehr als eine Viertelmillionen Menschen waren am 21.01.24 gegen die AfD auf der Straße und haben lautstark deutlich gemacht, was sie von Rassismus, Queerfeindlichkeit, Sexismus, Neoliberalismus und Antisemitismus halten! Dass diese Massenproteste plötzlich entflammt sind, ist kein Wunder, denn die AfD ist auf dem Vormarsch. Von radikaler Linke, Regierungs- und Oppositionsparteien bis hin zu verschiedensten bürgerlichen Akteuren steigt die Angst, dass die Rechtspopulist:innen in den anstehenden Landtagswahlen im Osten, bei der Europawahl und auch bei der Bundestagswahl nächstes Jahr Wahlgewinne erzielen werden. Migrant:innen, queere Menschen und Linke fürchten die Repressionen, die sich aus einer Regierungsbeteiligung oder starken Opposition der AfD ergeben könnten. Aus diesem Klima von Angst und Unsicherheit erwächst nun eine Forderung, die schnell an Popularität gewonnen hat: Das Parteiverbot der AfD. Doch wie sollten radikale Linke zu einem Parteiverbot stehen und kann ein solches die Rechten auf ihrem Vormarsch stoppen? In dem Artikel wollen wir darauf eingehen und eine Antwort liefern, wie ein wirklicher Kampf gegen die Rechtspopulist:innen aussehen sollte.

Kann man die AfD überhaupt verbieten?

Die Antwort darauf ist: theoretisch schon, auch wenn unklar ist, ob das Programm der AfD nicht zu schwammig formuliert ist, um ihr Verfassungsfeindlichkeit juristisch nachzuweisen. Dafür müssten die Bundesregierung, Teile des Bundesrats oder Bundestags erst einmal Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Wenn dieses entscheidet, dass die Partei gegen die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ agiert und somit verfassungsfeindlich ist, kann diese verboten werden. In der Geschichte der BRD wurden bis jetzt zwei Parteien verboten: die Nachfolgepartei der NSDAP (SRP) und auf derselben rechtlichen Grundlage kurz darauf auch die stalinistische KPD.

Die Geschichte hat uns somit einmal mehr vor Augen geführt, warum Kommunist:innen nicht für Parteiverbote eintreten sollten: Denn jede Ausweitung seines rechtlichen Handlungsspielraums zur Repression bietet dem Staat die Möglichkeit, gegen Linke vorzugehen. Hintergrund dessen ist das verquere Bild, es existiere eine „demokratische politische Mitte“, die von den extremistischen Rändern von rechts und links gleichermaßen bedroht werde und gegen die sich die Demokratie, beispielsweise mit Parteiverboten, verteidigen müsse. Damit wird zum einen Rechts und Links gleichgesetzt, so als ob es keinen Unterschied mache, ob Menschen Geflüchtetenunterkünfte in Brand setzen oder davor stehen, um eben das zu verhindern. Zum anderen verschleiert die Idee vom Hufeisen mit den extremistischen Rändern, dass rechte Ideen in eben jener „demokratischen Mitte“ produziert werden und allgemeine demokratische Rechte hingegen eine Errungenschaft linker Kämpfe ist.

Ein oft angeführtes Beispiel, um auch den möglichen Erfolg eines solchen Verfahrens zu untermauern, sind die Parteiverbotsverfahren gegen die NPD (heute: Die Heimat). Am Ende des zähen und jahrelangen Verfahrens kam das Bundesverfassungsgericht zu dem Entschluss, dass ein Verbot wegen der fehlenden Relevanz der NPD nicht umgesetzt werden muss. Die AfD unterscheidet sich natürlich in mehreren Punkten von der NPD. Entgegen der offen faschistischen NPD versucht die AfD rechtsextreme Positionen nicht durch faschistische Milizen auf der Straße, sondern durch den bürgerlich-demokratischen Staat zu drücken. Wie das praktisch aussehen kann, sieht man z.B. in der Meloni-Regierung in Italien. Darüber hinaus stellt die AfD durch ihren Einfluss und Größe ein viel größere Gefahr dar als die Nazi-Kleinpartei.

Doch was würde ein Verbot bringen?

Was viele Befürworter:innen des AfD-Verbots anführen, sind die Vorteile, die ein solches Parteiverbot mit sich bringen würde. Allen voran der Wegfall der Finanzierung, Vermögen und Räume, die sonst weiterhin extreme Rechte nutzen können. Darüber hinaus würden die Strukturen der Rechten angegriffen und auch die Teilnahme an Wahlen vorerst (!) erschwert werden. Doch obwohl wir uns dann erstmal nicht mehr das hässliche Blau der AfD ansehen müssten, hat das Ganze für uns mehr Nachteile als Vorteile.

Denn so ein Verfahren würde ziemlich sicher nicht in ein paar Tagen abgeschlossen werden, denn auch wenn das Verbot dieser Partei die Teilnahme an Wahlen verhindern würde, bis zu den Landtagswahlen im Osten und auch bei der Europawahl wird das Ganze nicht umgesetzt werden. Darüber hinaus werden die Hunderttausenden, die aktuell auf den Straßen sind, dadurch in eine passive Haltung gebracht, denn es erscheint so, als sei der einzige Weg, der AfD Einhalt zu gebieten, in den bürgerlichen Staat und seine Gerichte zu vertrauen. Doch spätestens seit den staatlichen Verstrickungen in die rassistischen Morde des NSU oder der faktischen Abschaffung des Rechts auf Asyl durch die aktuelle Bundesregierung wissen wir, dass der bürgerliche Staat keinen Verbündeten im Kampf gegen Rechts darstellen kann. Im Kapitalismus ist der Zweck des Staates die Absicherung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse. Wie rechtspopulistisch oder wie faschistisch die Politik dieses bürgerlichen Staates in der konkreten historischen Situation ausfällt, hängt letztlich von diesem Zweck ab, nämlich der Absicherung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse. So kann derselbe Staat, der heute noch „vielfältig“, „demokratisch“ und „solidarisch“ sein will, in einer revolutionären Situation, in der die organisierte Arbeiter_Innenklasse diese Eigentumsordnung bedroht, seine faschistische Fratze offenbaren.

Der Kampf gegen die AfD kann also nicht mit Staat und Kapital, sondern nur gegen diese erfolgreich sein. So ist die AfD nicht Ursache des gesamtgesellschaftlichen Rechtsrucks, sondern ein Produkt dessen. Somit ist also auch nicht der Rechtsruck weg, nur weil die AfD potenziell von der Bildfläche verschwinden könnte. Die Ursachen des Rechtsrucks liegen vielmehr in den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise 2007/2008, der Niederlage linker internationaler Massenbewegungen, der Passivität der Gewerkschaften angesichts der sozialen Angriffe und den gesellschaftlichen Abstiegsängsten der kleineren Kapitalfraktionen und des Kleinbürgertums. Der Rechtsruck lässt sich also nicht verbieten, er lässt sich samt seinen materiellen Ursachen nur mithilfe einer organisierten antikapitalistischen Perspektive überwinden.

Wer fordert das Verbot eigentlich und warum?

Nach Offenbarung des Geheimtreffens in Potsdam bildeten sich Bündnisse von Jusos, Grüner Jugend, Gewerkschaften bis hin zu zahlreichen NGOs, um unter Mottos wie „Demokratie stärken“ Demonstrationen und Kundgebungen zu organisieren. Wie schon an dieser Forderung zu sehen ist, verharren diese in einem recht bürgerlichen Rahmen und greifen die AfD schlichtweg als undemokratische Kraft an. Diese Darstellung nutzen die anderen bürgerlichen Parteien, um sich als die „Besseren“ oder die „wahren Demokrat:innen“ zu profilieren, während erst am letzten Donnerstag das Asylgesetz durch die Bundesregierung verschärft wurde. Die AfD konnte nur stark werden, in einem politischen Klima, in dem eine Ampelkoalition und vorherige Bundesregierungen Rassismus verbreiten, Geflüchtete entmenschlicht und migrantische Kämpfe (wie zB. die palästinensische Solidaritätsbewegung) kriminalisieren. Während sich Grüne, SPD, FDP und Teile der CDU am Rassismus der AfD abarbeiten, haben sie, wo immer sie in der Regierungsverantwortung standen, Forderungen der AfD umgesetzt. Der bürgerliche Staat kann den Rechtsruck in der Gesellschaft selbst nicht aufhalten, sondern ist Teil seiner Grundlagen. Genauso wie der tagtägliche Schrecken, welcher der bürgerliche Staat mit sich bringt, ob Abschiebung, Polizeigewalt, Ausbeutung am Arbeitsplatz oder Unterdrückung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen.

Doch was braucht es dann?

Zusammengefasst liegt der Erfolg der AfD nicht an der Partei selbst, sondern ist nur ein Symptom der gesellschaftlichen Entwicklung nach rechts, welche ihren Ursprung in der Krise und der Schwäche der politischen Linken hat. Ihre soziale Basis hat die AfD im krisengeschüttelten und von Abstiegsängsten bedrohten Kleinbürgertum und auf den binnenmarktorientierten kleineren Teilen des Kapitals. Doch auch unter prekarisierten Arbeiter:innen bekommt die Partei Zulauf. Nach der Pandemie und der damit einhergehenden Wirtschaftskrise ebenso wie der Inflation nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges sind viele Teile der Gesellschaft ärmer geworden. Wir sehen eine Welt in Trümmern sowie Lohn- und Jobverlust bei großen Teilen den arbeitenden Bevölkerung, während die Linkspartei es nicht auf die Reihe bekommt, ein ordentliches Programm gegen Krieg und Krise aufzustellen. Durch fehlende Angebote der Linken wenden sich dann die verunsicherten Kleinbürger:innen und Arbeiter:innen bei der Suche nach der Ursache des Problems den Rechten zu, die ein utopisches „Zurück“ zur Vergangenheit versprechen. Doch diese ganze Ordnung, die den Rechtsruck erst hervorgebracht hat, wird tagtäglich aufrechterhalten durch eben den bürgerlichen Staat, welcher jetzt angebettelt wird, die Probleme, die er selbst schafft, zu bekämpfen.

Doch nur, weil eine illusorische Forderung wie das AfD-Verbot die aktuellen Massenproteste dominiert, heißt das auf gar keinen Fall, dass wir ihnen den Rücken zukehren. Vielmehr müssen wir dort in voller Stärker am Start sein und die Perspektive einer Arbeiter:inneneinheitsfront im Kampf gegen die AfD aufwerfen. Als Jugendorganisation müssen wir uns den Rechten schließlich in den Weg stellen, wo immer sie auftauchen. Doch allein durch Blockadeversuche und große Demos werden wir sie noch nicht aufhalten können. Wir müssen den Kampf gegen Rassismus auch mit sozialen Forderungen, wie höheren Mindestlöhnen für alle oder bezahlbarem Wohnraum verknüpfen, um auch die materiellen Ursachen des Rechtsrucks anzugreifen. Gleichzeitig darf Antirassismus kein Lippenbekenntnis sein, sondern benötigt Organe des Selbstschutzes von Betroffenen und Unterstützer:innen. Die einzige Kraft, die dem Rechtsruck durch ihre besondere Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess die Grundlage entziehen kann, ist die organisierte Arbeiter:innenklasse. Obwohl bereits in vielen Anti-AfD-Bündnissen Gewerkschaften dabei sind, dürfen diese es nicht beim symbolischen Unterzeichnen des Demoaufrufs belassen. Vielmehr müssen die Gewerkschaften ihre Basis aktiv zu den Protesten mobilisieren und zum Streik gegen die sozialen Angriffe aufrufen. Doch die bewusstesten Teile der Arbeiter:innenklasse organisieren sich nicht nur in Gewerkschaften, sondern auch in der Linkspartei und linken SPD-Gliederungen. Diese müssen wir zur gemeinsamen Aktion mit Migrant:innenorganisationen und der radikalen Linken gegen AfD, Asylrechtsverschärfungen und Sparpläne auffordern. In der gemeinsamen Aktion gilt es sie von einer revolutionären Perspektive zu überzeugen und mit ihrem reformistischen Bewusstsein zu brechen. Was es letztlich braucht ist ein revolutionäres Programm der Jugend und Arbeiter:innenklasse, welches eine echte Perspektive gegen den Rechtsruck und somit der Krise bietet.

Wir fordern:

  • Unabhängige Antidiskriminierungsstellen an Schulen, Unis und Betrieben!
  • Offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für alle!
  • Massive Lohnerhöhung und automatischer Inflationsausgleich in Form einer gleitenden Lohnskala!
  • Investitionen in Bildung, Gesundheit und Soziales finanziert durch die Gewinne der Reichen, die aktuell noch einmal so richtig Profit aus der Krise schlagen!
  • Für demokratisch aufgebaute antirassistische Selbstschutzkomitees!
  • Kampf der AfD heißt Kampf dem Kapital! Für ein revolutionäres Programm der Jugend und Arbeiter:innenklasse!



Leipziger Kessel, Chatkontrollen und Letzte Generation oder:  Zuspitzung deutscher Repression

von Flo Rojo, Oktober 2023

4 Monate ist es her, seit in Leipzig rund 1300 Menschen für bis zu 11 Stunden eingekesselt und Jugendliche von Polizist_Innen krankenhausreif geschlagen wurden. Der dem vorausgehende Protest widmete sich thematisch dem, was den Demonstrant_Innen bevorstand: dem Kampf gegen die Zunahme staatlicher Repression. Hierbei spezifisch gegen das Urteil im Fall Lina E. und die Einschränkung des Rechts auf Versammlungsfreiheit an diesem Wochenende. Dieses Ereignis, welches als neue Qualität des Angriffs des deutschen Staates wahrgenommen wurde, ist jedoch nur ein Symptom eines allgemeinen Trends zunehmender staatlicher Härte. Dem gingen dieses Jahr schon die exzessive Gewalt der Räumung Lützeraths zugunsten der Kohlekonzerne und das konsequente Verbot jeglicher Proteste im Zuge des Jahrestags der Nakba (Vertreibung hunderttausender Palästinenser_Innen aus Palästina) voraus. Am ersten Juni-Wochenende richtete die Polizei dann mit rund 3.000-4.000 Einsatzkräften eine 48-Stunden-lange Kontrollzone in der Leipziger Innenstadt ein und untersagte jegliche Anmeldung von politischen Versammlungen wie Kundgebungen oder Demonstrationen. Das ganze mündete dann im größten und längsten deutschen Kessel der letzten Jahre sowie etlichen Strafverfahren.

Diese allgemeine Zuspitzung staatlicher Repression beobachtete auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, in dem sie die BRD zum ersten Mal in ihrem Bericht zu Polizeigewalt und Versammlungsfreiheit als Problemfall aufzählte.

Hierbei ist die teils enorm gewaltvolle Auflösung von Straßenblockaden der Letzten Generation (LG) ebenfalls zentral für deren Einschätzung. Amnesty kritisiert hierbei vor allem den Einsatz von Schmerzgriffen durch die Polizei gegen die durchweg friedlichen Aktionen der LG. Auch juristische Konsequenzen werden immer härter, neben etlichen Fällen von 30-tägiger Präventivhaft (Inhaftierung bevor eine potentielle Straftat begangen wurde) in Bayern reicht die Teilnahme an drei Straßenblockaden der LG nun schon für eine achtmonatige Haftstrafe, wie der Fall Caroline S. in Berlin zeigte.

Obwohl wir den Staat natürlich nicht „nach weniger Schlagstock“ fragen sollten und jegliche Repression als zu viel erkennen müssen, zeigt die Zunahme der juristischen und physischen Gewalt des Staats eine gefährliche Entwicklung. Dies steht im Sinne des internationalen Rechtsrucks und ist wahrscheinlich erst der Beginn von intensiverer Verfolgung von Aktivist_Innen und Kriminalisierung von (linkem) Protest durch die BRD.

Denn auch die EU plant eine rechtliche Ausweitung der Möglichkeiten zur Strafverfolgung. Das sogenannte Chatkontrollengesetz, welches auf Basis von Bekämpfung der Kinderpornographie propagiert wird, soll nämlich vor allem die Verschlüsselung von Textnachrichten untergraben. Obwohl natürlich der Kampf gegen Kinderpornographie ein dringend notwendiger ist, ist es klar, dass dieses Gesetz vor allem der Erweiterung der Kompetenzen der Repressionsorgane wie der Polizei gilt. Somit wird sichere Kommunikation über Nachrichtendienste nun endgültig abgeschafft.

Doch weshalb sieht der Staat die Notwendigkeit, den Repressionsapparat hochzufahren?

Polizeigewalt gegen Demos und das Inhaftieren von Aktivist_Innen sind Mittel, um andere dissidente (also oppositionelle bzw. staatskritische) Elemente der Gesellschaft über das Erzeugen von Angst davon abzubringen, sich ebenfalls bzw. weiterhin an solchen Aktionen zu beteiligen oder sonst in irgendeiner Weise sich gegen den Staat aufzulehnen. Der bürgerliche Staat braucht so einen Effekt, da wir uns in einer Zeit multipler Krisen befinden, welche die Lebenssituation vieler Menschen drastisch verschlechtern. Soziale Krisen birgen nämlich das Potential für Aufstände, Rebellionen und (für Staat und Kapital) im schlimmsten Fall Revolutionen. Es zeichnet sich auch eine generelle Unzufriedenheit mit der Regierung in der breiten Gesellschaft ab. Obwohl durch die Schwäche der politischen Linken bisher nur für rechte Akteure diese spezifische Situation zum Vorteil ausfällt, sieht der Staat während der zunehmenden Prekarisierung/Verarmung der Bevölkerung eine Gefahr für seinen Selbsterhalt. Darin liegt am Ende auch der Kern der intensiven Kriminalisierung der Klimabewegung: Dadurch, dass die Auto- und Kohleindustrie starke Kapitalfraktionen in Deutschland darstellen, liegt effektiver Klimaschutz nicht im Interesse von großen Teilen des Kapitals und somit nicht in dem des Staats, der dadurch im internationalen Wettbewerb mit anderen kapitalistischen Staaten abgehängt würde.

Hierbei sollte auch die Frage aufgeworfen werden, warum nun mit Nachdruck über die 20 untergetauchten “Linksextremisten” gefahndet wird, während rund 640 untergetauchte Nazis anscheinend unmöglich zu finden sind. Obwohl Olaf Scholz und Annalena Baerbock selbst wahrscheinlich kein Interesse an der Etablierung einer faschistischen Gesellschaftsordnung haben, ist der Faschismus für den Kapitalismus mehr im Interesse als eine soziale Revolution, welche den Arbeiter_Innen, Jugendlichen und Unterdrückten die Macht übergeben und den Kapitalismus abschaffen würde. Somit steckt der Staat als Handlanger des Kapitals mehr Kapazitäten in die Bekämpfung von linken an Stelle von rechten Strukturen. Weswegen in einer Zeit des intensivsten Rechtsrucks die Repression gegen Kommunist_Innen, Anarchist_Innen und Linke generell hochgefahren wird.

Ein weiterer nicht zu vergessender Aspekt ist dabei die Rolle von Hetzkampagnen, also medialer Repression gegen Aktivist_Innen, welche z.B. im Falle der Letzten Generation auch dazu führen, dass Arbeiter_Innen Jugendliche im Kontext der Straßenblockaden zusammenschlagen. Diejenigen, die eigentlich ein gemeinsames Interesse an der Überwindung der kapitalistischen Ausbeutung von Mensch und Natur haben, werden gegeneinander aufgehetzt.

Doch was heißt das ganze nun für uns als Revolutionäre und Aktivist_Innen?

Es ist klar, dass wir uns nicht durch die versuchte Einschüchterung von Polizei und Staat unterkriegen lassen dürfen. Die Krisen zeigen erneut die akute Notwendigkeit der Überwindung der kapitalistischen „Ordnung“ und somit die des verschärften Klassenkampfes, um für Verbesserungen der derzeitigen Lebenssituation zu kämpfen und die Überwindung dieses Systems vorzubereiten. Es gilt sich also den Angriffen konsequent entgegenzustellen, bessere Strukturen/Sicherheitskonzepte zu erarbeiten und gemeinsam und geschlossen Kapital und staatlicher Repression den Kampf anzusagen- in Schulen, Unis und Betrieben!




Belagerung der Zerbster Mühle: Als Nazis 17 Antifas lebendig verbrennen wollten

von Jona Everdeen, Oktober 2023

Vor nun 33 Jahren wurde das Territorium der DDR durch die BRD einverleibt. Seitdem wird diese Zerschlagung des degenerierten Arbeiter_Innenstaat DDR und die Wiedereingliederung seiner Wirtschaft in den deutschen Imperialismus als „Wiedervereinigung“ nationalistisch verklärt und gefeiert. Leider handelte es sich eben nicht um eine Wiedervereinigung im progressiven Sinne, also den Sturz der DDR-Bürokratie sowie des BRD-Imperialismus und Errichtung eines vereinigten Rätedeutschlands. Der ideologische Hintergrund bildete wachsender Nationalismus. Schwarz-rot-gelbe Fahnenmeere, immer wieder mit einzelnen schwarz-weiß-roten Sprenkeln durchzogen, markierten diesen jüngsten Wendepunkt der deutschen Geschichte.

Viele der im Zuge der Niederlage des „sozialistischen“ Projekts DDR desillusionierte Jugendliche wurden von diesem Nationalismus erfasst und führten ihn weiter: Indem sie sich als militante Neonazis organisierten. Diese meist jugendlichen Nazibanden terrorisierten in den folgenden Jahren viele Regionen Ostdeutschlands und machten systematisch Jagd auf alle, die nicht in ihre menschenfeindliche faschistische Ideologie passten; die Baseballschlägerjahre waren angebrochen. Doch gegen diese Bewegung von Neonazis regte sich Widerstand, auch und gerade in der Jugend, und zwar nicht nur in den später dafür berühmt gewordenen Szenevierteln Berlin-Friedrichshain und Leipzig-Connewitz. Ein leider sehr vergessenes Beispiel für diesen mutigen Widerstand gegen zahlenmäßig häufig weit überlegende Gegner_Innen ist der Kampf um die Zerbster Mühle.

Zeit des Übergangs und Aufstieg der Neonazis

Zwischen dem Mauerfall und der tatsächlichen Eingliederung Ostdeutschlands lag ein Jahr des Übergangs, in dem die DDR schon kaum mehr die Staatsgewalt ausübte, die BRD hingegen noch nicht. In diesem Machtvakuum gelang es autonomen Linken vor allem in Ostberlin aber auch teilweise in anderen Städten eine neue Ära der Hausbesetzungen einzuläuten, da keine Staatsmacht so recht dagegen vorzugehen wusste. Doch mehr noch als Autonome profitierten andere Kräfte von dem zeitweiligen Wegfall einer einheitlich strukturierten Staatsgewalt: Neonazis.

Bereits in der DDR hatten sich Neonazis versteckt organisieren können, da die SED-Führung wegschaute und das Problem leugnete. Schließlich könne es ja im sozialistischen Deutschland keine Nazis mehr geben! In Wirklichkeit stellte deren Existenz tatsächlich ein Symptom der Unfähigkeit der Bürokraten dar, wirklichen Sozialismus aufzubauen und somit die Grundlage für faschistische Ideologie dauerhaft zu vernichten.

In der Zeit nach dem Mauerfall nutzten Neonazis aus Westdeutschland in großer Zahl die sich bietende Möglichkeit und fuhren in den Osten, um dort unter jenen Jugendlichen zu agitieren, die vom nationalistischen Taumel der BRD erfasst worden waren.

Später sollte die Realität der „Wiedervereinigung“ mit Kahlschlag der DDR-Wirtschaft durch die Treuhand sowie die Verneinung der DDR-Vergangenheit dafür sorgen, dass sich der rechten Agitation ein extrem fruchtbarer Boden bot.

Doch die Strukturen, die ihren Schrecken vor allem zwischen 1991-1993 voll entfalteten, entstanden bereits in dieser schicksalhaften Wendezeit, in der Neonazis sich daran gewöhnten, ungestört Jagd auf Migrant_Innen, Linke und allen, die ihnen sonst nicht in den Kram passten, zu machen.

Die Situation in Zerbst

Die Situation in der sachsen-anhaltinischen Kleinstadt Zerbst, gelegen zwischen Dessau und Magdeburg, war wohl relativ ähnlich wie vielerorts zu dieser Zeit. Zahlreiche Jugendliche schlossen sich rechten Banden an, für die wohlgemerkt meist Alkohol und eine Art gewaltaffines Abenteurertum zentraler waren als die tatsächliche faschistische Ideologie. Gleichzeitig entstanden aber auch alternative Subkulturen, die zwar ebenfalls nicht in erster Linie politisch links waren, aber diese wurden quasi nach links und zum Antifaschismus gedrängt, indem in ihnen sowohl der Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung wirkte, aber auch die Angriffe der Bürokratie, der nationalistischen Einheitsunterstützer_Innen und der rechten Jugendbanden.

Doch während es zumeist in Großstädten gelang, alternative Räume zu erkämpfen, gestaltete sich dies in Zerbst schwierig, da diese subkulturelle Szene kaum mehr als zwanzig Menschen umfasste und so wenig Möglichkeiten hatte, gegen die Rechten zu bestehen. Auch die Polizei versuchte, den Jugendlichen häufig etwas anzuhängen und interessierte sich wenig für Angriffe auf sie.

Die alternativen Jugendlichen gaben noch nicht auf, sondern besetzten die leerstehende Ketschauer Mühle am Stadtrand, in der Hoffnung, dort einen zumindest einigermaßen geschützten Freiraum zu haben.

Belagerung der Zerbster Mühle

Doch auch in der besetzten Mühle währte die Ruhe nicht lange und die Gruppe aus 13 bis 18 Jahre alten Jugendlichen musste sich hier regelmäßig gegen rechte Angriffe verteidigen, weshalb sie die alte Mühle immer stärker zu einer Festung ausbauten.

In der Nacht vom 2.- zum 3.Oktober 1990 jedoch sollte es nicht bei eher kleineren Scharmützeln bleiben, was allen Beteiligten schon lange vorher klar gewesen war. So schrieb die Lokalzeitung, dass Kämpfe zwischen „einer großen Anzahl rechtsgerichteter Jugendlicher aus Zerbst, Roßlau und Magdeburg mit linksgerichteten Jugendlichen aus Zerbst in der Ketschauer Mühle“ erwartet werden und die lokale Volkspolizei ließ im Voraus verlauten, dass sie nicht die Kräfte hätte, um dagegen irgendetwas zu unternehmen. Ein Freifahrtschein für die Neonazis.

Diese zogen dann auch mit Verstärkung aus der ganzen Region und somit einem 200-300 Menschen großen Mob zur Ketschauer Mühle.

Doch die Jugendlichen in dieser Mühle, gerade einmal 17 an der Zahl, ließen sich auch von der gewaltigen Menge an Angreifern nicht schrecken. Sie hatten sich vorbereitet ihre Mühle zu verteidigen, mit Stangen, Steinen und Molotow-Cocktails. Es gelang ihnen auch erstaunlich lange, das vollständig verbarrikadierte Gebäude gegen diese riesige Übermacht zu verteidigen, die mit Feuerwerkskörpern auf das besetzte Haus schoss und ebenfalls mit Steinen und Molotow-Cocktails warf. Doch letztendlich gelang es einigen der Angreifer_Innen, durch ein Loch ins Erdgeschoss zu kommen und dort mit Benzin ein Feuer zu entfachen.

Das Feuer griff schnell auf die oberen Stockwerke über und die Jugendlichen mussten sich bis aufs Dach zurückziehen, von wo sie immer noch Steine und Mollis auf die Angreifer unter ihnen warfen. Vermutlich wenige Minuten bevor die Flammen die Dachgiebel erreichten, und ebenso vermutlich wenige Minuten vor dem 3.Oktober, dem Tag der Wiedervereinigung, kam endlich die Feuerwehr. Die Jugendlichen mussten vom 18 Meter hohen Dach auf ein Sprungkissen springen, das gerade einmal für 5 Meter Höhe ausgelegt war, was zu teils schweren Verletzungen führte.

Die Polizei hatte das Geschehen die ganze Zeit über aus sicherer Entfernung verfolgt, die Justiz stellte die Verfahren gegen die wenigen ermittelten Beteiligten 1992 ein.

Berichtet wurde damals nicht über die Geschehnisse in Zerbst, die um ein Haar zum Tod von 17 Jugendlichen durch faschistischen Terror geführt hätten. Das hätte ja die nationalistische Euphorie getrübt. Entsprechend weiß heute kaum eine_R was in dieser Nacht geschah. Selbst in der linken Szene ist der heldenhafte antifaschistische Widerstand dieser Jugendlichen, die nichts als ein freies selbstbestimmtes Leben wollten und das Pech hatten nicht in der Rigaer Straße oder am Connewitzer Kreuz aufzuwachsen, so gut wie vergessen. 

Was wir aus dem Widerstand lernen können

Heute liegt die Hochzeit der Baseballschlägerjahre knapp mehr als 30 Jahre in der Vergangenheit. Doch erst kürzlich zeigten die Graffiti-Morddrohungen gegen die junge Solid-Aktivistin Pia in Eisenhüttenstadt sowie die Hetzkampagne gegen Lehrer_Innen, die auf rechte Umtriebe an ihrer Schule in der Lausitz hingewiesen hatten, dass die Gefahr durch faschistische Kräfte in Ostdeutschland keineswegs gebannt ist, gerade auch für linke Jugendliche.

Im Fahrwasser der rechtspopulistischen Hetze der AfD, die in den meisten Teilen Ostdeutschlands inzwischen bei 30% steht, gelingt es auch noch rechteren, faschistischen Kräften wieder zu erstarken, häufig aufbauend auf Strukturen, die schon in den Baseballschlägerjahren entstanden sind, und unter Beteiligung von Personen, die sich schon damals an Angriffen beteiligt hatten.

Und auch heute wieder gelingt es den Nazis, perspektivlose Jugendliche am Land anzusprechen und sie von ihrer menschenfeindlichen Ideologie zu überzeugen.

Dagegen gibt es für uns nur eine Option: Widerstand.

Wir müssen uns als Jugendliche zusammenschließen, wie es einst die Jugendlichen in Zerbst taten, und perspektivisch Strukturen zur Selbstverteidigung gegen faschistische Angriffe schaffen. Doch das allein genügt nicht. Auch müssen wir anderen Jugendlichen eine Perspektive aufzeigen, wie sie wirklich etwas an den elenden Lebensbedingungen ändern können, ganz besonders im immer noch stark benachteiligten Ostdeutschland. Dazu gehört es auch, für selbstbestimmte Freiräume zu kämpfen, in denen wir als Jugendliche uns unabhängig von Erwachsenen und dem uns umgebenen kapitalistischen System organisieren, bilden und aktiv werden können. Außerdem wollen wir eine Perspektive bieten, wie wir dieses System überwinden können und somit die Grundlage schaffen für eine Welt, in der wir Jugendlichen über unser Leben bestimmen und frei von kapitalistischen Zwängen sein können.

Wir fordern:

  • Kampf dem Faschismus – Für antifaschistische Selbstverteidigung, denn die Geschichte zeigt: Auf den Staat können wir uns nicht verlassen!
  • Für selbstorganisierte und selbstverwaltete Jugendräume in unseren Vierteln und an unseren Schulen!
  • Schluss mit jeder Diskriminierung auf Basis von Kleidung, Style oder Subkultur – Wir entscheiden, wie wir rumlaufen, nicht unsere Eltern, nicht die Schule, nicht der Staat!
  • Gegen die anhaltende wirtschaftliche Benachteiligung Ostdeutschlands in Folge der Treuhand – Nieder mit dem deutschen Imperialismus, her mit der deutschen Räterepublik! 



Dresden: Bericht zu den antifaschistischen Aktionen zum 13. und 15. Februar!

Am 13. Februar 1945 wurde Dresden von der Royal Air Force bombardiert. Zum 75. Jahrestag versuchten Neonazis und die AfD, wie in den vergangenen Jahren auch schon, einseitig der Bombenopfer zu gedenken und diese für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Jedoch wird nicht nur von faschistischen Kräften und anderen Rechten, sondern auch von der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“, von der Stadtverwaltung und den bürgerlichen Parteien seit Jahren hartnäckig ein Opfermythos um das angeblich „unschuldige Dresden“ konstruiert, an den die Neonazis und RechtspopulistInnen mit ihren sogenannten „Trauermärschen“ und Gedenkkundgebungen nahtlos anknüpfen. Daher sollte man sich auch nicht über die Beteiligung von militanten Neonazis und faschistischen Kadern an den offiziellen Gedenkveranstaltungen der Stadt, wie an der undifferenzierten Verlesung der Namen aller Bombenopfer auf dem Heidefriedhof oder an der Menschenkette, wundern. Dass am 13. Februar beim Gedenken auf dem Friedhof undifferenziert Namen von Bombenopfern verlesen wurden, unter denen neben denen von ZivilistInnen auch viele NSDAP-Mitglieder und andere faschistische TäterInnen genannt wurden, ist für sich genommen schon bizarr. Dass aber Mitglieder von FDP (Stefan Scharf) und CDU zusammen mit der AfD beim Verlesen der Bombenopfer ausgerechnet dem stadtbekannten Neonazi Sebastian P. A. lauschten, stellte dabei die Spitze des Eisbergs dar. (1) Natürlich war vor allem die Bombardierung der ArbeiterInnen-Viertel durch die Alliierten zum Ende des Zweiten Weltkriegs ein unnötiges (aus heutiger Sicht) Kriegsverbrechen. Insbesondere, weil zu diesem Zeitpunkt die Rote Armee bereits vor Görlitz stand, also kaum mehr 100 Kilometer von Dresden entfernt war und immer weiter vorstieß. Jedoch stellt das einseitige Gedenken der Bombenopfer eine Form des Geschichtsrevisionismus dar, da dieses ausblendet, dass der Zweite Weltkrieg durch das faschistische Deutschland begonnen wurde und der Bombardierung Dresdens die Luftangriffe der Wehrmacht auf Städte wie Coventry und Rotterdam vorausgingen. Ein solches Gedenken kann nur als perfider Versuch einer Täter-Opfer-Umkehr verstanden werden.

Wir haben uns auch dieses Jahr wieder der AfD und den Neonazis in den Weg gestellt und uns an den antifaschistischen Gegenaktivitäten beteiligt. Am 13. Februar hatte die AfD wieder zu einer Kranzniederlegung auf dem Altmarkt mobilisiert, an der sich etwa 150–200 Rechte, unter ihnen auch militante Neonazis, beteiligten. An der Gegenkundgebung nahmen etwa gleich viele AntifaschistInnen teil. Durch den lautstarken Protest gegen die AfD konnte die Vereinnahmung der Bombardierung der Stadt an diesem Abend zumindest akustisch teilweise erheblich gestört werden.

Am 15. Februar fand dann der alljährliche „Trauermarsch“ der FaschistInnen statt. Dieses Jahr hatte der NPD-Kreis- und stellvertretende Landesvorsitzende Maik Müller die Demonstration angemeldet, die 14 Uhr am Skatepark in der Nähe des Hauptbahnhofs beginnen sollte. Aufgrund des 75. „Jubiläums“ der Bombardierung Dresdens und des gesellschaftlichen Rechtsrucks, unter dem auch faschistische Kräfte wieder erstarken, wurden dieses Jahr bis zu 1.500 TeilnehmerInnen erwartet. Tatsächlich beteiligten sich allerdings „nur“ etwa 1.000 Menschen am Fackelmarsch der Neonazis, darunter wie in der Vergangenheit auch schon viele aus den umliegenden Nachbarländern. Erfreulich hingegen war dieses Jahr die Beteiligung an den antifaschistischen Gegendemonstrationen und Aktionen. Laut dem Bündnis „Dresden Nazifrei“ nahmen hieran sogar bis zu 5.000 Menschen teil. Dies stellt für sich bereits einen enormen Mobilisierungserfolg dar, wenn man bedenkt, dass sich im Vorjahr gerade mal 1.000 Menschen an der antifaschistischen Gegendemo beteiligten. Hierdurch und durch das entschlossene Handeln vieler AntifaschistInnen konnte der Naziaufmarsch mittels Blockaden erheblich gestört werden. Trotz der 1.500 PolizistInnen, die an dem Tag im Einsatz waren und auch nicht gerade zurückhaltend und zimperlich im Umgang mit den AntifaschistInnen vorgingen, gelang es der Polizei nicht, den „Trauermarsch“ wie geplant durchzusetzen. Das Ziel der Neonazis, durch die Innenstadt zu laufen, konnte erfolgreich verhindert werden. Stattdessen mussten die FaschistInnen eine alternative, weitaus kürzere Route vom Skatepark über die Wiener Straße, Strehlener Straße hin zur Hochschule für Technik und Wirtschaft ablaufen, wo dann der Aufmarsch bereits endete. An der Abschlusskundgebung gab es dann schließlich Protest in Hör- und Sichtweite, an dem sich rund um den Hauptbahnhof so viele Menschen beteiligten, dass die Nazis unter massivem Polizeischutz von der HTW zum Hauptbahnhof geführt werden mussten.

Wir bewerten vor allem die antifaschistischen Aktionen am 15. Februar als erfolgreich. Dass es gelang, derartig viele Menschen zu mobilisieren und in die Blockaden mit einzubinden, war alles andere als vorher absehbar. Dass die Blockaden trotz der 1.500 Cops, die an dem Tag im Einsatz waren, standhalten konnten und somit den Neonazis den Tag vermiesten, kann nur als positive Entwicklung gesehen werden. Wir werden die Ereignisse vom 13. und 15. Februar auf unserem Auswertungstreffen am 24.02. noch mal ausführlich analysieren. Jedoch lässt sich jetzt schon sagen, dass wohl vor allem die Ereignisse in Thüringen um die Wahl von Kemmerich zum Ministerpräsidenten von AfD Gnaden der Mobilisierung gegen den Naziaufmarsch in Dresden in die Hände gespielt haben. Auch die Debatte über die unglückliche Entscheidung des #Unteilbar-Bündnisses, gleichzeitig am 15. Februar für eine bundesweite Großdemonstration in Erfurt wegen der Causa Kemmerich zu mobilisieren und der darauf folgende „Kompromiss“ des Bündnisses, sowohl zur Teilnahme an der Demo in Erfurt als auch zur Beteiligung an den antifaschistischen Gegenaktionen in Dresden aufzurufen, wird mit zum Mobilisierungserfolg beigetragen haben. Nicht zuletzt hat sich dieses Jahr ein neues Aktionsbündnis gegründet, um den faktischen Zusammenbruch des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ abzufedern und die Mobilisierung und Organisation der Gegenproteste zu organisieren. Es ist nicht auszuschließen, dass sich dieser neue Zusammenschluss von vielen linken Gruppen ebenfalls positiv auf die Mobi ausgewirkt hat und ein weiterer Grund für die rege Teilnahme darstellt.

Leider kam es wieder einmal gleich zu mehreren Angriffen auf uns und Vorwürfen uns gegenüber durch die sogenannten „Antideutschen“ und jene Linken, die deren Argumente unreflektiert teilen. Bereits auf der Auftaktkundgebung „Nazis stören“ am Hauptbahnhof, wo auch wir uns versammelten, kam es noch vor Beginn der eigentlichen Demonstration zu einem Übergriff durch vermeintliche Antideutsche auf uns. Eine Gruppe aus drei Menschen versuchte, unser Transparent zu entwenden, und zerrte minutenlang daran, konnte ihr Ziel jedoch nicht erreichen. Daraufhin wurde über den Lauti durchgesagt, dass antisemitische Gruppen (gemeint waren unter anderem die MLPD und wir) auf der Demo nicht erwünscht seien. Für diese Durchsage ist vermutlich die Gruppe HOPE verantwortlich, die uns auch schon in der Vergangenheit regelmäßig als antisemitisch diffamierte. Eine Begründung für diesen haarsträubenden Vorwurf wurde natürlich nicht mitgeliefert. Als wir das Gespräch mit dem Anmelder der Demonstration suchten, wurde behauptet, dass der Antisemitismus sich in einer angeblichen Solidarität mit der Hamas zeigen würde. Auf den Hinweis, dass sogar in unserem Programm wortwörtlich steht, dass die Hamas eine theokratisch-fundamentalistische, antisemitische und sexistische, reaktionäre Kraft darstellt, die den gemeinsamen Kampf der unterdrückten PalästinenserInnen mit der israelischen ArbeiterInnenklasse blockiert, wurde nicht weiter eingegangen. Es zeigte sich jedoch, dass unsere konsequente Ablehnung des bürgerlichen Nationalismus und unsere sozialistische Perspektive, die wir im Nahostkonflikt aufwerfen, das eigentliche Problem für die Antideutschen war. Dies als Antisemitismus zu diffamieren, entbehrt jeglicher Grundlage und zeigt die Schwäche in der Analyse von vielen Linken auf. Erwähnenswert ist auch, dass auf der Demonstration nur antikapitalistische Gruppen offen angegriffen wurden, während bürgerliche Parteien wie die Grünen und die verbürgerlichte SPD, die mit ihrer Politik mitverantwortlich für den Rechtsruck, die rassistische Abschiebepraxis und Asylgesetzverschärfung sind, überhaupt nicht kritisiert wurden. Im Verlauf der Demonstration und Blockaden hatten wir dann immer wieder Probleme mit Antideutschen und anderen Verwirrten, die meinten, uns den Verkauf von Zeitungen und das Verteilen von Flyern verbieten zu müssen. In den darauf folgenden Diskussionen kamen die absurdesten Argumente zum Vorschein. Neben unseren Fahnen störten diese übereifrigen „Linken“ sich vor allem auch an einigen GenossInnen, die eine Kufiya (arabische Kopfbedeckung) trugen, und versuchten teilweise, diese herunterzureißen. Danach holten diese Antideutschen wieder den Anmelder, der versuchte, die Blockade an der Prager Straße als Versammlung anzumelden. Dieser wollte uns das Verteilen unserer Flyer verbieten und drohte sogar damit, uns durch die Polizei von der Blockade entfernen zu lassen, falls wir uns nicht daran halten.

Wir weisen den Vorwurf, dass wir eine antisemitische Organisation sind, entschieden zurück. Unsere Solidarität mit der palästinensischen Befreiungsbewegung und das Eintreten für einen gemeinsamen, säkularen und sozialistischen Staat, in dem kein Mensch mehr aufgrund seiner Herkunft oder religiösen Überzeugung unterdrückt wird, hat absolut gar nichts mit Antisemitismus zu tun. Ganz im Gegenteil: Als KommunistInnen sind wir die entschlossensten GegnerInnen des Antisemitismus, da wir diesen nicht nur täglich auf der Straße, in der Schule, Uni und im Betrieb bekämpfen, sondern auch dessen Wurzel, den Kapitalismus.

Wir halten den Versuch, den antifaschistischen Gegenprotest noch vor Beginn der eigentlichen Demo zu spalten und uns durch absurde Vorwürfe öffentlich zu diffamieren, für einen schwerwiegenden politischen Fehler. Im Kampf gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft und gegen faschistische Aufmärsche brauchen wir eine gemeinsame Aktionseinheit, wenn wir erfolgreich sein wollen. Eine Spaltung nützt letztlich nur den Rechten und dem/der KlassenfeindIn, aber sicher nicht der Entwicklung einer schlagkräftigen antifaschistischen Bewegung. Gerade vor dem Hintergrund der allgemeinen Schwäche der Linken hierzulande, aber auch aufgrund der stetig stärker werdenden Repression und Kriminalisierung von Linken durch den bürgerlichen Staat sollten wir enger zusammenrücken und uns trotz vorhandener Differenzen zumindest auf der Straße solidarisch zeigen. Vorhandene Kritik und Diskussionen um die richtigen Inhalte sollten nicht verschwiegen oder abgewürgt werden, sondern müssen und können auch öffentlich geäußert werden. Jedoch bringen uns unbegründete, an den Haaren herbeigezogene Vorwürfe, Verbote, als Organisationen offen aufzutreten und die eigenen Inhalte zu verbreiten und zu bewerben bis hin zu körperlichen Übergriffen und Auseinandersetzungen, keinen Schritt voran. Vielmehr sabotiert ein solcher „Stil“ lediglich die Handlungsfähigkeit unserer Bewegung. Stattdessen müssen wir für eine bedingungslose Kritik- und Propagandafreiheit in der Aktionseinheit eintreten und uns kritisch-solidarisch miteinander über die richtigen Inhalte streiten. Falsche Positionen innerhalb der hiesigen Linken werden nicht durch Verbote und physische Übergriffe überwunden, sondern durch den Austausch von Argumenten. Wir waren bisher immer zu Diskussionen bereit und sind es auch nach wie vor, um die falschen Vorwürfe und vorhandene Vorurteile uns gegenüber aus der Welt zu schaffen. Dass wieder einmal nicht der solidarische Streit, sondern technische Angriffe uns gegenüber bevorzugt werden, können wir nur als Fehlen von vernünftigen Argumenten bewerten. Daher sind wir uns nach wie vor sicher, dass unsere sozialistischen Positionen richtig sind und dass nicht wir das Problem innerhalb der Dresdner Linken darstellen.

Am kommenden Montag ist Höcke bei Pegida als Gastredner angekündigt. Beim Gegenprotest wird sich zeigen, ob die Linke hier lernfähig ist oder aber ihren falschen Stil beibehält. Wenn sich am sektiererischen Verhalten von einigen „linken“ AktivistInnen nichts ändert, braucht sich auch keiner zu wundern, warum Pegida auch nach über 5 Jahren noch läuft und weiterhin regelmäßig 1.500 Rechte mobilisiert, während der Gegenprotest stets bei unter 50 TeilnehmerInnen stagniert.

Am 24.02. führen wir ein offenes Nachbereitungstreffen durch. Kommt vorbei, diskutiert mit uns über die Aktionen und darüber, wie wir die Bewegung weiter aufbauen können und welche Inhalte wir hierfür brauchen! Werdet auch über die bisherigen Aktionen hinaus aktiv und organisiert euch revolutionär!




Was ist Antisemitismus und wie kann er bekämpft werden?

1. Gibt es heute überhaupt noch Antisemitismus?

AfD, FPÖ, andere Rechtspopulist_innen und auch viele große Zeitungen sprechen oft davon, dass es einen neuen Antisemitismus in Deutschland gäbe, der durch die vielen Geflüchteten wieder ins Land gekommen sei. Abschiebungsforderungen und antimuslimischer Rassismus sollen getarnt als ein angeblicher Kampf gegen „zugewanderten Antisemitismus“ (Wolfgang Schäuble) salonfähig gemacht und legitimiert werden. Tatsächlich beweisen neuere Studien, dass es einen Anstieg antisemitischer Straftaten gibt. Die Täter waren jedoch in den meisten Fällen nicht Migrant_innen sondern vorwiegend rechte Deutsche. Erinnert sei hierbei 2019 auf den Anschlag in Halle, 2018 an die Angriffe auf ein jüdisches Restaurant in Chemnitz, an die „Wer Deutschland liebt ist Antisemit“-Rufe in Dortmund, als auch an wiederholte Grabschändungen in jüdischen Friedhöfen oder Beleidigungen und Bedrohungen auf offener Straße oder im Internet. Anstatt sich diesen schrecklichen Vorfällen ernsthaft entgegenzustellen, wird Antisemitismus zum Kampfbegriff, um „Integrationsprobleme“ zu beschwören, Entsolidarisierung mit Geflüchteten zu bewirken, Repressionsmaßnahmen wie Abschiebungen zu rechtfertigen und linke Organisationen zu diffamieren. Opfer von rechter Gewalt werden so zu vermeintlichen Täter_innen gemacht. Dadurch wird suggeriert, dass es keinen Antisemitismus mehr gäbe, wenn man sich nur dem Islam, den Geflüchteten und der Palästina-Solidaritäts-Bewegung entledigen würde. In welchem Land der Antisemitismus zum millionenfachen Massenmord an Jüdinnen und Juden führte, dass es in Deutschland niemals ein Ende des Antisemitismus gab und welche ideologischen Kontinuitäten rechte Parteien bis heute davon mittragen, wird somit systematisch verwischt. Keine Rede ist von rechter Esoterik und antisemitischen Verschwörungstheorien, wie der von der „geheimen internationalen Macht jüdischer Großunternehmer wie Soros, den Rothschilds oder Facebook-Gründer Zuckerberg“ oder den angeblichen mächtigen jüdischen Bankiers in den USA, die heimlich das Weltgeschehen steuern. Keine Rede ist von Forderungen aus den Reihen der AfD nach einem „Schlussstrich mit dem Schuldkult“, dem „Denkmal der Schande“, der Forderung wieder „stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“ (Gauland 2018) oder der Bezeichnung der Nazi-Zeit als einen „Fliegenschiss“ (Gauland 2018) gegenüber der ansonsten so großartigen deutschen Geschichte (die im Übrigen voll von antisemitischen Pogromen ist). Um wieder „stolz auf Deutschland“ sein zu dürfen, wird die historische Schuld abgewehrt, auf andere geschoben (häufig sogar auf die Jüdinnen und Juden selbst) oder die Grausamkeiten des Holocausts verharmlost. Im Fahrwasser eines internationalen Rechtsrucks konnten sich antisemitische Theorien an vielen Orten auf der Welt wieder aus der Mottenkiste befreien. Während die polnische PiS-Partei einen fundamentalistisch-religiös argumentierenden Antisemitismus vertritt, bedient Victor Orbans Fidesz-Partei klassische antisemitische Verschwörungstheorien. Die ukrainische Swoboda-Partei kämpfte im „Euromaidan“ gegen eine von ihnen ausgemachte „jüdisch-russische Mafia“ und verehrt den Nazi-Kollaborateur und Kriegsverbrecher Stephan Bandera. Wo solche Ideologien hinführen, mussten wir im Oktober 2018 in den USA beobachten als ein faschistischer Terrorist in einem schrecklichen Blutbad in einer Synagoge elf Menschen erschoss. Indem der Antisemitismusbegriff jedoch immer weiter allein auf Kritik an der Politik der israelischen Regierung verengt und zum Kampf gegen den Islam und die Palästinasolidarität instrumentalisiert wird, geraten die Lebensrealitäten von in Europa lebenden Jüdinnen und Juden, von Shoa-Überlebenden weltweit und auch antisemitische Übergriffe in der Gesellschaft immer weiter aus dem Fokus. Die eigentliche Gefahr hinter der neuen Welle von Antisemitismus im Zuge des Rechtsruckes und auch der Zusammenhang zwischen deutschem Nationalismus und Antisemitismus werden somit verschleiert. Um dieser Gefahr ins Auge zu sehen und Antisemitismus heute erkennen, erklären und bekämpfen zu können, wollen wir uns im Folgenden erst einmal angucken, was Antisemitismus überhaupt ist, wie er entstanden ist und wie er funktioniert. Ferner wollen wir diskutieren, inwiefern der Staat Israel ein Schutzraum gegenüber Antisemitismus sein kann und was andere Strömungen innerhalb der Linken für Konzepte im Kampf gegen Antisemitismus anzubieten haben. Abschließend zeigen wir auf, wie wir Antisemitismus tatsächlich und nachhaltig bekämpfen können.

2. Was ist Antisemitismus?

Antisemitismus verstehen wir nicht als ein mystisches Schreckgespenst, das durch die Köpfe dummer* Menschen wabert, sondern als eine konkret erklärbare besondere Form des Rassismus, die zu einer historisch singulären Katastrophe führte. Nachdem mit den überseeischen Expansionsbestrebungen des europäischen Kapitalismus eine Legitimation für die Verbrechen der Kolonialist_innen geschaffen werden musste, wurde der moderne Rassismus geboren: Während im Zuge der Aufklärung das Konzept von allgemeinen Menschenrechten in Europa populär wurde, wurden Herrschaftsansprüche über andere Kontinente durch die Idee gerechtfertigt, zu einem „biologisch“ überlegenen „Herrenvolk“ zu gehören. Auf dieser Grundlage wurde eine pseudowissenschaftliche Rassentheorie konstruiert, aus der die europäischen Koloniasor_innen ein natürliches Recht ableiteten, Menschen mit anderer Hautfarbe auszubeuten, zu versklaven und zu ermorden. Rassismus diente und dient auch heute noch also als ideologische Verkleidung für die Ziele imperialistischer Politik: Wo früher das „deutsche Volk“ für „Lebensraum“ oder einen „Platz an der Sonne“ kämpfte, werden heute „westliche Werte“ gegen „andere Kulturkreise“ verteidigt. Antisemitismus diente zwar nicht der Beherrschung und Kolonisation eines Gebietes aber fußt als eine Form des Rassismus auch auf derselben Konstruktion des „weißen Herrenvolkes“. Dessen innere „Gesundheit“ werde durch die Jüdinnen und Juden als „Parasitenvolk“ gefährdet, indem eine „internationale jüdische Finanzmacht“ die „gesunden Nationalstaaten“ unterwandere. Da dies ein heimlich stattfindender geheimer Prozess sei, der nicht aufzuhalten ist und der „Natur des Judentums“ entspreche, fordert der Antisemitismus in letzter Konsequenz immer die „Befreiung der vergifteten Völker“ durch Auslöschung des Judentums. Während beispielsweise der Rassismus gegenüber People of Color von einer Art kulturellen Überlegenheit der „weißen Herrenrasse“ ausgeht, um Überausbeutung und Versklavung zu rechtfertigen, wird im Antisemitismus von einer Bedrohung der „weißen Herrenrasse“ durch angebliche „Weltherrschaftspläne der Jüdinnen und Juden“ ausgegangen. Anti-jüdische Pogrome, Massenmord, Vernichtungsphantasien und Verschwörungstheorien waren und sind die traurigen Konsequenzen dieser Ideologie. Wie jedem Rassismus geht es auch dem Antisemitismus um die Betonung der Differenz zwischen vermeintlichen „Rassen“ (oder „Ethnien“, wie sie nach 1945 bezeichnet wurden). Jüdinnen und Juden werden dabei zu „Fremden“ oder den „Anderen“. So wie es häufig in rassistischen Weltbildern der Fall ist, wurden den Jüdinnen und Juden Eigenschaften angedichtet, die immer genau das Gegenteil von dem darstellen, wie sich „das weiße Herrenvolk“ gerne gesehen hätte. Wenn die Jüdinnen und Juden – also „die Anderen“ – als gierig, hinterlistig, böse, feige, verweiblicht, heimatlos und schwach dargestellt wurden, wollte man damit eigentlich sagen, dass man selber gerecht, ehrlich, gut, männlich, „heimattreu“, loyal und stark sei. Diese Gegenüberstellung ist im Antisemitismus sehr zentral, obwohl sich im Laufe der Zeit und verschiedenen Epochen und Ausprägungen der Feindschaft gegenüber Jüdinnen und Juden verschiedene Formen von Antisemitismus herausgebildet haben. Besonders wichtig ist es hierbei zwischen dem religiös begründeten mittelalterlichen Antisemitismus und dem rassistisch begründeten modernen Antisemitismus, wie er in kapitalistischen Gesellschaften, wie auch dem Faschismus, aufzufinden ist, zu unterscheiden. Im Folgenden werden wir noch viel auf die Entstehung, Ausprägung und Funktionsweise des modernen Antisemitismus eingehen. Kurz und knapp kann man aber an dieser Stelle bereits sagen, dass beim Antisemitismus durch die ökonomische Krisenhaftigkeit des Kapitalismus erzeugte soziale Ängste verschiedener Bevölkerungsgruppen auf Jüdinnen und Juden als Feindbilder projeziert und mit universalistischen Verschwörungs- und Unterwanderungstheorien verknüpft werden. Hass auf Jüdinnen und Juden entsteht also meistens dann, wenn der Kapitalismus das Bedürfnis nach Aufstand und sozialer Veränderung in Teilen des Bürgertums und den verarmten Massen hervorruft und antisemitische Stereotype diesen Wunsch nach kollektivem Aufbegehren auf Jüdinnen und Juden, als die „eigentlichen Strippenzieher hinter dem System“, ablenkt. „Die Juden“ fungieren dabei als ein einheitliches homogenes Kollektiv, was sämtlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen zuwider läuft. Denn da die jüdische Geschichte vor allem eine Geschichte von Vertreibungen, Flucht und Umsiedlungen ist, haben sich in unterschiedlichsten Räumen auf der Welt verschiedene Ausprägungen der jüdischen Religion und jüdischer Identität gebildet. Ob Ashkenazim aus Europa, Sephardim aus Spanien, Mizrachim aus dem muslimischen Raum, Jüdinnen und Juden aus den USA oder kleinere Gemeinden aus Äthiopien und Indien, alle besitzen verschiedene Konzepte ihrer jüdischen Identität, eigene Sprachen, eigene Kultur und eigene Bräuche. Nur eine Minderheit der Jüdinnen und Juden auf der Welt lebt in Israel. Jegliche Theorien von einer gemeinsamen Abstammung, ähnlichen Genen oder einem über alle Grenzen und Zeiten hinweg zusammenhaltenden „Weltjudentum“ sind eine mythische und zugleich rassistische Konstruktion.

3. Wie ist Antisemitismus entstanden?

Natürlich können wir in der über Jahrhunderte hinweg reichenden Geschichte des Antisemitismus hier nicht auf jedes historische Detail eingehen, weshalb die folgende Schilderung vielleicht ein wenig schematisch wirkt. Es geht uns jedoch darum, mit der Methode des historischen Materialismus die allgemeinen sozio-ökonomischen Entwicklungen und geschichtlichen Triebkräfte zu verstehen. Somit wollen wir Antisemitismus als ein gesellschaftliches Produkt mitsamt seiner Produktions- und Reproduktionsbedingungen erfassen. In diesem Sinne hat der jüdische Trotzkist Abraham Leon, welcher 1944 in Auschwitz ermordet wurde, eine sehr gute Studie verfasst, an deren Erkenntnissen wir uns stark orientiert haben: Trotz vielfachen Vertreibungen und Umsiedlungen verhalfen verhältnismäßig (!) sichere Lebensbedingungen dem Judentum der Antike zu kultureller Blüte. Im europäischen Mittelalter wurden die Jüdinnen und Juden jedoch zunehmend in Berufszweige wie Handel, Geldverleih und spezialisiertes Handwerk gedrängt. Durch die Verbote wichtige Ämter auszuüben, Waffen zu tragen, Land zu besitzen und Zünften anzugehören, war der den Christ_innen als sündig geltende Geldverleih eine von wenigen Tätigkeiten, die die Jüdinnen und Juden überhaupt ausführen durften. Der sogenannte mittelalterliche Antisemitismus wurde im Zuge dessen als religiöse Ideologie gebraucht, um den sozialen Ausschluss der Jüdinnen und Juden zu legitimieren. Hier entstanden erste Bilder von Jüdinnen und Juden als den „Christusmördern“, den „Brunnenvergiftern“, „Kindermörder“, „den geizigen Wucherern“, „Ritualmördern“ und sonstige bullshit-Verschwörungstheorien – soviel zum Thema „jüdisch-christliches Abendland“. Diese sozio-ökonomische Sonderstellung, in die die Jüdinnen und Juden im feudalen Mittelalter gedrängt wurden, hat ihre Integration in die bestehende Klassengesellschaft verhindert und gleichzeitig bewirkt, dass die jüdischen Communities relativ isoliert ihre eigene Sprache, Kultur, Religion und Siedlungsgebiete behielten. Gerade in wirtschaftlichen Krisenperioden wurden blutige Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung in Europa angestiftet. Zu massenhaften Vertreibungen oder Massenmorden kam es jedoch eher selten, da das feudale Wirtschaftssystem auf die ökonomische Funktion der jüdischen Bevölkerung angewiesen war. Die große Katastrophe begann mit der schleichenden Auflösung des Feudalismus und seiner Ablösung durch ein neues Wirtschaftssystem, den Kapitalismus. Denn indem der Kapitalismus durch seine technologisch-industriellen Entwicklungen eine neue Klasse, das Bürgertum, an die Macht hievte, lösten sich feudale Strukturen wie der Ständestaat, die Herrschaft des Adels oder die Leibeigenschaft nach und nach auf. Auch die sozio-ökonomische Sonderstellung der jüdischen Communities wurde somit nach und nach untergraben. Während sich in Westeuropa der Kapitalismus blühend entwickelte und die jüdische Bevölkerung mehrheitlich Teil der Arbeiter_innenklasse oder des Bürgertums werden konnte, verlief die Entwicklung des Kapitalismus in Osteuropa eher stockend. Die vielen Krisen und die hohe Arbeitslosigkeit behinderten die Jüdinnen und Juden dabei, hier einen neuen Platz im kapitalistischen System zu finden. Dieser Prozess ging mit einer dramatischen Verarmung der jüdischen Communities und wachsendem Antisemitismus in Osteuropa einher. Infolgedessen flohen viele Jüdinnen und Juden nach Westeuropa. Doch auch hier geriet der Kapitalismus insbesondere in den 30ern Jahren in eine tiefe Krise. Die neu entstandene faschistische Bewegung in Deutschland knüpfte am mittelalterlichen Stereotyp der „jüdischen Wucherer“ an und konstruierte die Legende vom „jüdischen Finanzkapital“. Dieses „böse raffende Kapital“ wurde dem „guten deutschen schaffenden Kapital“ gegenüber gestellt. So war es den Faschist_innen möglich, den Frust und die sozialen Abstiegsängste, die kleine Unternehmen, Handwerker_innen, Selbstständige und Arbeiter_innen im Zuge der Wirtschaftskrise erlebten, von den Herrschenden abzulenken und auf die jüdische Bevölkerung zu richten. Die konsequenteste Gegnerin des Faschismus – die internationale Arbeiter_innenbewegung – wurde ebenfalls in das Konstrukt des „jüdischen Feinds“ integriert. Antisemitismus und Antikommunismus eint dabei die Vorstellung, das Judentum und die revolutionäre Arbeiter_innenbewegung seien eine gegen die „gesunden Völker“ gerichtete „jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung“, die die als natürlich gewachsen verstandene Ordnung der Nationalstaaten auflösen und die „Volksgemeinschaften“ mit ihrem „Gift“ zersetzen will. Dem herrschenden Bürgertum kam dieses Feindbild im Zuge der Verschärfung der Wirtschaftskrise und einer wachsenden revolutionären Arbeiter_innenbewegung, die ihre Macht zu bedrohen schien, ziemlich gelegen. Der Antisemitismus diente somit seit jeher auch als wirksame Waffe gegen den Marxismus. So wie die internen Probleme, dem „jüdischen inneren Feind“ angelastet wurden, wurde dieser auch auf eine äußere Bedrohung, den „jüdischen Bolschewismus“ projiziert. Nach Hitlers Machtübernahme hatte der Antisemitismus nun die Funktion, verschiedene Klassen ideologisch in einer Rasse aufgehen zu lassen und somit eine „deutsche Volksgemeinschaft“ zu konstruieren, die sich gegen den inneren und äußeren „jüdischen Feind“ verteidigen müsse. Die schreckliche Konsequenz dessen war der industrielle Massenmord an über 6 Millionen Jüdinnen und Juden. Doch auch tausende Jüdinnen und Juden setzten sich gegen den Antisemitismus auf verschiedenste Weisen zur Wehr. Viele erkannten den Zusammenhang von Antisemitismus und Kapitalismus und schlossen sich der kommunistischen Arbeiter_innenbewegung an, um diesen zu überwinden. In der Oktoberrevolution in Russland kämpften zum Beispiel tausende Jüdinnen und Juden siegreich gegen das brutale und antisemitische Regime des Zaren. Dies zeigt uns wie jüdische Arbeiter_innen in den Reihen der Bolschewiki für die Befreiung von Antisemitismus, Ausbeutung und Krieg gegen den Kapitalismus kämpfen konnten. Die darauffolgende stalinistische Degeneration der Sowjetunion hat jedoch den Antisemitismus wieder auf die Tagesordnung geholt, um von inneren Widersprüchen abzulenken und gezielt politische Gegner_innen auszuschalten. Auch zur Verfolgung von Trotzkist_innen wurden antisemitische Stereotype neu aufgewärmt. Die lange Geschichte des europäischen Antisemitismus ist leider auch heute trotz der historischen Katastrophe der Shoa nicht beendet. Wenn gleich nicht mehr offen mit dem Antisemitismus hausiert werden darf, tritt er heute eher verdeckt auf. Vor allem dort, wo nach verkürzten Lösungen für die kapitalistische Krise gesucht wird, ohne den Kapitalismus als Ganzes infrage stellen zu wollen. Besonders anfällig für verkürzte Kapitalismuskritiken sind meistens die Teile der Gesellschaft, die im Allgemeinen vom Kapitalismus profitieren aber in Wirtschaftskrisen vom großen Monopol- und Bankenkapital bedroht werden – also kleine Unternehmen, Selbstständige, Handwerker_innen und Kleinbürger. Doch auch in Teilen der Arbeiter_innenbewegung kann der Antisemitismus durch Niederlagen ihrer Führung fußfassen. Auch heute sind wieder Begriffe wie die „jüdische Zinslobby“ und die „dunkle jüdische Macht im internationalen Bankenwesen“ im Kontext der Auswirkungen der Wirtschaftskrise von 2008 von der Neuen Rechten zu hören. So fordert Marie Le Pens „Ressemblement National“ einen autoritäreren Staaten, der sich gegen den „gierigen Finanzmarkt“ verteidigen könne, damit die „kosmopolitische Wirtschafselite“ nicht die „natürliche Staatenordnung zersetze“. Auch in Deutschland gibt es Stimmen die verlauten, dass die „jüdische Weltverschwörung“ die „internationalen Eliten“ kontrolliere und somit eine „Fremdbestimmung Deutschlands“ anstreben. Auch der völkische Nationalismus der AfD mit seinem Bestreben einen „ethnisch einheitlichen Volkskörper wiederherzustellen“ und seinem Hass auf alles vermeintlich „Fremde“ wird sich in letzter Konsequenz auch gegen Jüdinnen und Juden richten. Getarnt hinter ihrer Solidarität mit Israel gehen bekannte Neonazis und Holocaustleugner in ihren Parteibüros ein und aus.

4. Ist also jede verkürzte Kapitalismuskritik automatisch antisemitisch?

Nein, ist sie nicht. Richtig ist jedoch, dass der moderne Antisemitismus meistens als eine verkürzte Kapitalismuskritik auftritt. Das haben wir bereits historisch an der nationalsozialistischen Legende vom „guten deutschen schaffenden Kapital“ versus „böses jüdisches raffendes Kapital“ oder auch aktuell an den neu-rechten Verschwörungstheorien um den Unternehmer Georges Soros aufgezeigt. Jüdinnen und Juden werden hier mit der abstrakten Seite des Kapitalismus identifiziert und für seine negativen Folgen, wie Finanzkrisen und Kriege, verantwortlich gemacht. Der Kapitalismus wird dabei nicht in seiner Gänze als krisenproduzierendes Ausbeutungsverhältnis zwischen gesellschaftlichen Klassen betrachtet, sondern als ein grundsätzlich funktionierendes und gutes System. Obwohl im aktuellen Entwicklungsstadium des globalisierten Kapitalismus (Imperialismus genannt) die tatsächliche Warenproduktion und die Finanzsphäre untrennbar miteinander verflochten sind, versuchen Antisemit_innen die „Zins- und Finanzwirtschaft“ analytisch abzukoppeln. Der Kapitalismus sei also ein funktionierendes System, wenn da nicht die „gierigen jüdischen Banker_innen“ wären. Dabei projizieren sie geläufige Ansichten gegenüber der Finanzwelt, wie dass sie international, universal, undurchschaubar sowie gierig sei und hinter jedem weltpolitischen Ereignis die Strippen ziehe, auf die Jüdinnen und Juden. Jedoch ist nicht jede Kritik und jedes Aufbegehren gegen das kapitalistische System, automatisch antisemitisch. Einige selbsternannte „Linke“, wie die sogenannten „Antideutschen“, vertreten jedoch diese Ansicht. Ihrer Meinung nach sei jede Form von sozialer Organisierung und Protest auf der Straße etwas Gefährliches, da der Großteil der Bevölkerung nicht die Komplexität der kapitalistischen Warengesellschaft durchschaue und deshalb immer zu einer verkürzten Kapitalismuskritik (synonym dazu auch regressive Kapitalismuskritik, personalisierte Kapitalismuskritik oder struktureller Antisemitismus) neige. Diese verkürzte Kapitalismuskritik richte sich ihrer Meinung nach automatisch in letzter Konsequenz gegen Jüdinnen und Juden und führe zu antisemitischen Vernichtungsphantasien. Organisierter Widerstand auf der Straße ist in ihren Augen kein Instrument zur Befreiung sondern eine Gefahr. Leider macht es das kapitalistische System den Massen tatsächlich schwer, seine Funktionsweise zu durchschauen, deshalb richten spontane Proteste ihre Kritik meistens erst einmal gegen ein bestimmtes Symptom, eine Person oder eine Institution des kapitalistischen Systems ohne bereits das gesamte Kapitalverhältnis verstanden zu haben. Wenn man die Analyse der „Antideutschen“ teilt, dann wären zum Beispiel solche Bewegungen wie kollektive Aktion gegen Massenentlassungen oder Lohnkürzungen in Betrieben, Proteste gegen den Kohlekonzern RWE, Anti-Gipfelproteste, Antigentrifizierungsbewegungen wie „Deutsche Wohnen &Co. enteignen“ oder auch Proteste gegen die europäischen Spardiktate der Trioka wie zum Beispiel „Blockupy“ der pure Antisemitismus. Es stimmt natürlich, dass nicht einzelne Konzerne oder Regierungsvertreter_innen alleine für die Auswirkungen des Kapitalismus verantwortlich gemacht werden können, denn auch sie sind vom strukturellen Zwang des Kapitalismus (= Profit erwirtschaften, um nicht von der Konkurrenz plattgemacht zu werden) betroffen. Und es stimmt auch, dass diese Bewegungen ihre Ziele letztlich nur umsetzen können, wenn sie die Wurzeln der Probleme, gegen die sie protestieren, richtig analysieren und im kapitalistischen Ausbeutungszusammenhang suchen. Es ist aber total falsch zu glauben, dass nur Menschen, die meinen die kapitalistische Produktionsweise verstanden zu haben, ein Recht haben, auf die Straße zu gehen! Wir als Revolutionär_innen müssen uns deshalb in solche Bewegungen einmischen, intervenieren, damit sie nicht bei einer verkürzten Kritik stehen bleiben, und eine antikapitalistische Perspektive aufzeigen (Antisemitismus ist dabei, sollt er auftreten, auf das Schärfste zu bekämpfen), anstatt uns wie die „Antideutschen“ in der Unibibliothek zu verschanzen und nur zu rumzukritisieren.

5. Wenn es heute noch viel Antisemitismus auf der Welt gibt, sind dann der Staat Israel und seine nationale Ideologie des Zionismus die Lösung des Problems?

Der Zionismus ist als eine politische Idee und Nationalbewegung entstanden, um das Problem des modernen Antisemitismus zu lösen. Er greift das antisemitische Paradigma auf, dass die Jüdinnen und Juden in allen bestehenden Staaten ein Fremdkörper seien. Daraus schlussfolgert er, dass die Jüdinnen und Juden einen eigenen jüdischen Nationalstaat errichten müssten. Der Zionismus akzeptiert somit eine antisemitische Welt als Normalzustand und konnte deshalb zwar auf den Antisemitismus reagieren, ihn aber nicht bekämpfen. Den Jüdinnen und Juden versprach er, sie von der ewigen Vertreibung und Verfolgung zu erlösen und ihnen ein sicheres Zuhause zu bieten, das die Jüdinnen und Juden wieder selbst zum Subjekt ihrer Geschichte werden lässt. Der Kapitalismus, der den modernen Antisemitismus selbst erst hervorgebracht hat, sorgte durch seine internationale Entwicklung gleichzeitig dafür, dass der Zionismus seine Versprechen als Reaktion auf den Antisemitismus nie einlösen konnte. Denn in einer Welt, welche Mitte des 20. Jahrhunderts durch den globalisierten Kapitalismus bereits in Nationalstaaten eingeteilt war, können keine wirklich unabhängigen neuen Nationalstaaten mehr entstehen. Ähnliches haben wir auch in den ehemaligen europäischen Kolonien in Afrika, Asien und Südamerika gesehen. Sie können zwar formal politisch unabhängig sein, eine eigene Regierung haben etc. aber werden immer wirtschaftlich von einem stärkeren Staat abhängig sein. Auch die israelische Geschichte hat gezeigt, dass die Entwicklung dieses Staates nur durch die abwechselnde Unterstützung verschiedener Großmächte wie der Sowjetunion, Frankreich oder den USA möglich war. Unabhängigkeit und Sicherheit sehen anders aus, denn die Unterstützung durch eine wirtschaftliche und militärische Großmacht ist dem israelischen Staat auch nur solange gesichert, bis kein profitablerer Partner in der Region auftaucht. Erst recht in der aktuellen Phase in der wir eine Verschärfung um den Kampf um die Neuaufteilung der Welt erleben und sich neue Bündnisse bilden, kann ein heute noch israelfreundlicher Staat schnell bei veränderten internationalen Kräfteverhältnissen antisemitische Züge annehmen, dafür gibt es im Kapitalismus keine Garantie. Ferner ist es eine Illusion zu glauben, dass die Gründung eines neuen Nationalstaates, der auf der Vertreibung der dort ansässigen Bevölkerung – den Palästinenser_innen – beruht, seinen Bewohner_innen ein friedliches Leben garantieren könne. Natürlich haben sich die Palästinenser_innen gegen ihre Vertreibung gewehrt und tun dies auch heute noch, und zwar nicht weil sie so antisemitisch drauf sind und das Leiden der geflohenen Jüdinnen und Juden nicht anerkennen, sondern weil sich niemand gerne vertreiben lässt. Der israelische Staat muss sich also immer bis an die Zähne bewaffnen, um weiter existieren zu können, weshalb die israelische Gesellschaft selbst immer unter Militarismus und Unsicherheit leidet. Auch deshalb wird sie immer von der militärischen Rückendeckung einer anderen Großmacht abhängig sein, welche wiederum dabei ihre eigenen Interessen verfolgt. Immer mehr Israelis haben keinen Bock mehr auf Krieg, Militarisierung und ethno-nationalistischen Rechtsruck in ihrem Geburtsland und zeihen dem ein Leben außerhalb ihres „Schutzraumes“ vor. Seit einigen Jahren bereits wandern mehr Jüdinnen und Juden aus Israel aus, als neue einwandern. Viele davon tun dies aus ökonomischen Gründen. Für Israelis, die sich aus politischen Gründen nicht dem staatlich verordneten Nationalismus unterordnen wollen, war eh schon lange klar, dass sie nicht in einem „jüdischen Schutzraum“ leben. Linke Jüdinnen und Juden (wie von Breaking the Silence, Peace Now, Anarchists against the wall, Militärdienstverweiger_innen, linke Akademiker_innen, Kommunist_innen usw.), die sich gegen diese Zustände wehren, werden in Israel immer stärker gesellschaftlich gebrandmarkt, geächtet und als „Vaterlandsverräter“ und „innere Feinde“ beschimpft. Während also immer mehr Israelis ihrer „nationalen Heimstelle“ den Rücken zukehren, werden in Deutschland aber auch international immer mehr Stimmen laut, die Kritik an der israelischen Politik durch den Vorwurf des Antisemitismus zu delegitimieren versuchen. Wir finden es ziemlich verleumderisch zu behaupten, dass jede Kritik am rassistischen Charakter der israelischen Politik, antisemitisch wäre und „dem jüdischen Volk“ (was auch immer das sein soll; gemeint sind vermutlich alle Jüdinnen und Juden auf der Welt) das Recht auf Selbstbestimmung nehmen würde. Einerseits werden hier alle Jüdinnen und Juden der Welt für die Interessen des israelischen Staates instrumentalisiert und andererseits jüdische Selbstbestimmung auf die Solidarität mit Israel begrenzt. Dementgegen sollte vielmehr die Achtung vor der Vielfalt jüdischer Identitäten und die analytische Trennschärfe von Judentum und israelischem Staat die Grundlage für den Kampf gegen Antisemitismus darstellen. Dabei heißt die kommunistische Kritik am Zionismus, nicht das Selbstbestimmungsrecht der israelischen Arbeiter_innenklasse zu leugnen, sondern es in Verbindung mit der freien und gleichberechtigten Entwicklung der Palästinenser_innen einzufordern! Denn wie Marx schon einmal geschrieben hat: „Ein Volk, das ein anderes unterdrückt, schmiedet sich selbst die Ketten“. Und das sieht man in Israel zum Beispiel daran, dass Armut, Wohnungsmangel, Militarismus, Lebenshaltungskosten und Arbeitsbelastung massiv steigen, da der Staat etliche Millionen in die Besatzung der palästinensischen Gebiete stecken muss. Sozialleistungen werden gekürzt, um den Preis der Besatzung zahlen zu können. Israel ist genauso wie jeder andere kapitalistische Nationalstaat eine Klassengesellschaft, in der die Mehrheit die Arbeiter_innenklasse darstellt. Auch diese wird von den nationalen Kapitalist_innen unterdrückt und ausgebeutet. Die Unterdrückung der Palästinenser_innen dient den Kapitalist_innen als Absatzmarkt, als Reservoir billiger Arbeitskraft und als ideologisches Band, das die Klassengegensätze in Israel durch eine ausländische Bedrohung verwischen soll. Zudem vollzieht die israelische Regierung einen immer stärker werdenden Rechtruck, der sich in einer immer rassistischeren und aggressiveren Besatzungspolitik äußert. Israels rechts-nationalistischer Premierminister Netanjahu scheut in seinem Kampf gegen den „islamischen Terror“ dabei auch nicht davor zurück, sich mit offenen Antisemiten wie Victor Orban oder anderen Rechtspopulist_innen wie Le Pen oder Trump zu verbünden. Netanjahu verzeiht den Neuen Rechten bereitwillig ihren Antisemitismus, solange sie wenigstens überzeugte Zionist_innen sind. Gleichzeitig geht er immer schärfer gegen die kritischen Stimmen innerhalb und außerhalb Israels vor und forderte aus diesem Grund zuletzt sogar die deutsche Regierung auf, ihre finanzielle Unterstützung an das jüdische Museum in Berlin zu beenden. Die deutschen Bundesregierungen spielen sich seit Israels Staatsgründung 1948 als enge Vertraute und Beschützer_innen jüdischen Lebens auf. Um sich nicht mit den Problemen der Jüdinnen und Juden in Deutschland und historischen Kontinuitäten aus dem Faschismus auseinandersetzen zu müssen, konnten deutsche Politiker_innen immer brav auf Israel zeigen. Was uns dabei ideologisch als „Wahrnehmung einer historischen Verantwortung“ verkauft wird, diente letztlich dazu, Deutschlands schlechtes Nazi-Image aufzupolieren und einen ökonomisch und militärisch bedeutsamen Verbündeten in einer geostrategisch wichtigen Region zu haben. Dass Geldzahlungen und Waffenlieferungen als „Wiedergutmachung“ für über 6 millionenfachen Mord bezeichnet werden, ist für uns blanker Hohn! Wer das eigentliche Versprechen des Zionismus nach einem sicheren Zuhause für Jüdinnen und Juden einlösen will, muss eine kommunistische Alternative aufbauen – ob in der Diaspora oder im Nahen Osten! Für die Jüdinnen und Juden in Israel heißt das, gegen die Besatzung, gegen den kapitalistischen Staat und für die Perspektive eines säkularen multi-ethnischen Arbeiter_innenstaates zu kämpfen, in dem jeder Mensch unabhängig von seiner Religion und Hautfarbe in Frieden leben kann. Dafür müssen die israelische und die palästinensische Arbeiter_innenklasse erkennen, dass sie eigentlich dieselben Interessen und Ziele haben und dass sie nur die Ketten des Kapitalismus und Nationalismus davon trennen. Die Geschichte hat schon oft gezeigt, dass nationale Gegensätze im gemeinsamen Kampf für gleiche Ziele verschwinden können. Es wäre sogar rassistisch anzunehmen, dass dies in Israel nicht funktionieren sollte.

6. Aber gibt es nicht auch Kritik am israelischen Staat, die antisemitisch ist?

Es stimmt, dass sich hinter Kritik am israelischen Staat manchmal eine antisemitische Motivation verbirgt. Da nach der Shoa und der deutschen Niederlage im Zweiten Weltkrieg offene Hetze gegen Jüdinnen und Juden zum gesellschaftlichen Tabu geworden ist, versuchen einige Antisemit_innen ihre rassistischen Einstellungen in primitiver Kritik am israelischen Staat zu „tarnen“. Die israelische Besatzungspolitik gegenüber den Palästinenser_innen kommt ihnen da gerade recht, denn so versuchen sie deren Brutalität als etwas explizit „Jüdisches“ darstellen. Dies sehen wir bei faschistischen Neonazi-Organisationen und Parteien wie der NPD oder dem „Dritten Weg“, die in Israel das „Zentrum der zionistischen Netzwerke“ erkennen wollen, von wo aus eine „jüdische Lobby“ ihre dunklen Machenschaften verübe. Israel tritt hier synonym an die Stelle „des Juden“ in den klassischen antisemitischen Verschwörungstheorien. Auch im Islamismus (und teilweise auch im arabischen Nationalismus) taucht häufig ein auf Israel bezogener Weltverschwörungs-Antisemitismus auf, der wie zum Beispiel beim IS auch faschistische Tendenzen annimmt und dringend bekämpft werden muss. In vielen arabischen Ländern hat sich der Antisemitismus heute zur Massenideologie entwickelt, die interne Widersprüche im Interesse der herrschenden Klasse auf Israel als einen „äußeren Feind“ lenkt. Der Islamismus ist in der Region jedoch auch erst als Folge von Kolonialismus und imperialistischen Interventionen (siehe Afghanistan, Irak, Iran, Libanon, …) und Niederlagen der lokalen linken Bewegungen entstanden. Auch die Niederlagen der internationalen linken Kräfte trägt eine Mitschuld daran, da sie es nicht geschafft haben, ihre Antikriegspositionen durchzusetzen. Für die regionale Bevölkerung, die keinen Bock mehr auf ausländische Militärinterventionen hatte, erschien der Islamismus als glaubhaftester und konsequentester Widerstand dagegen. Der Islamismus ist also ein Produkt der imperialistischen Interventionen in der Region und des Fehlens einer kommunistischen emanzipatorischen Perspektive. Wer den Islamismus und den damit einhergehenden Antisemitismus bekämpfen will, muss also den berechtigten Widerstand gegen Besatzung und Fremdherrschaft im Nahen Osten unterstützen, eine kommunistische Perspektive aufzeigen und antisemitische Lügen entlarven. Antisemitische Ideen können unter Menschen, die in arabischen Staaten wohnen oder aus ihnen geflohen sind, verbreitet sein, sind aber nichts genuin Arabisches oder Muslimisches sondern kommen eigentlich aus Europa. Auch eine häufig biographisch begründete Gegnerschaft zur israelischen Politik ist nicht per se antisemitisch. Ob Kritik am israelischen Staat oder auch antizionistische Positionen antisemitisch sind oder nicht, lässt sich häufig an der Stoßrichtung der Kritik erkennen. Wird der Staat Israel mit den Jüdinnen und Juden im Allgemeinen gleichgesetzt sprechen wir von Antisemitismus. Er herrscht dann vor, wenn der Staat Israel als ein Ausdruck des verborgenen Interesses der „jüdischen Macht“ gesehen wird oder mit der „Finanzlobby“ in Verbindung gebracht wird. Antisemitisch ist auch die abstruse Vorstellung, die US-amerikanische Außenpolitik im Nahen Osten werde von einer jüdischen Lobby gesteuert. Es handelt sich ebenfalls um Antisemitismus, wenn die Verbrechen der Nazis mit der Behauptung verharmlost werden, dass der israelische Staat dieselben Methoden verwende. Der aktuell bei „Antideutschen“ und Rechtspopulisten im Trend liegende „3-D-Test“ erklärt jedoch nahezu jede Kritik an israelischer Politik für Antisemitismus. Der von einem rechts-konservativen israelischen Likud-Abgeordneten entwickelte Test definiert den antisemitischen Gehalt von Kritik an israelischer Politik anhand der 3 Kategorien Dämonisierung, Doppelstandards und Delegitimierung (vgl. Natan Scharanski 2003). Demnach sei die auch in der israelischen Linken gängige Bezeichnung Israels als Apartheitsstaat, seine Entstehung als Kolonialismus und auch die Infragestellung seiner Form als Nationalstaat zutiefst antisemitisch. Ebenfalls gilt es als antisemitischer Doppelstandard, wenn sich Kritik allein auf Israel bezieht, ohne die zehntausend Verbrechen anderer Staaten auf der Welt mit einzubeziehen. Dass diese Antisemitismusdefinition von einem rechten israelischen Politiker entwickelt wurde, ist kein Zufall. Immer aggressiver verwendet die israelische Rechte dieses Antisemitismuskonzept als Kampfbegriff, mit dem alle Gegner_innen ihrer Politik (ob Israeli, Palästinenser_in, die BDS-Bewegung, „Jewish Voice for Peace“, Menschenrechtsorganisationen oder linke Parteien und Organisationen) als Antisemit_innen gebrandmarkt werden. Anklang findet sie bei allen, die sich Vorteile von der aggressiven Politik der israelischen Rechten und einer Bekämpfung ihrer Gegner_innen versprechen, von Trump über die britischen Conservatives bis zur AfD. Ein solcher Antisemitismusbegriff, der sich allein auf Kritik an Israel beschränkt und dabei auch noch jede berechtigte Kritik als antisemitisch definiert, verkommt zur ideologischen Waffe einer geopolitischen Neuordnung des „Nahen Ostens“ und macht sich für die neue Rechte anschlussfähig. Tatsächliche Antisemit_innen werden nur zu einem Puzzleteil des „antisemitischen Konsens“ und dadurch unsichtbar gemacht. Ebenso legt die Behauptung, wer den israelischen Staat kritisiere meine eigentlich „die Juden“ eine Gleichsetzung von Israel und Judentum nahe. Dies war und ist wiederum das klassische Futter für antisemitische Verschwörungstheorien. Ferner scheinen die Diskriminierungserfahrungen von Jüdinnen und Juden, die nicht in Israel leben, sowieso kaum jemanden zu interessieren.

7. Wie analysieren andere Strömungen der Linken das Problem Antisemitismus und wie wollen sie ihn bekämpfen?

Bei unserer Recherche ist uns erst einmal aufgefallen, dass die meisten Strömungen innerhalb der deutschsprachigen Linken kein systematisches, wissenschaftliches und historisches Konzept davon haben, was Antisemitismus ist, wie er entstanden ist und wie man ihn bekämpfen kann. Stalinistische und maoistische Organisationen zum Beispiel verstehen Antisemitismus (insofern sie ihn überhaupt thematisieren) als einen sogenannten „Nebenwiderspruch“. Sie erkennen nicht seine dem Kapitalismus inhärenten materiellen Grundlagen sondern betrachten ihn lediglich als eine Manipulationsideologie der Herrschenden. Ihrer Ansicht nach gibt es im Kapitalismus lediglich einen Hauptwiderspruch, nämlich die Unversöhnlichkeit der Interessen von Kapitalist_innen und Arbeiter_innen. Alle anderen Unterdrückungsformen wie Sexismus, LGBTIA-Feindlichkeit und Rassismus stellen untergeordnete Nebenwidersprüche dar und müssten demnach nicht gesondert erwähnt oder gar bekämpft werden. Stalinist_innen gehen folglich davon aus, dass sich das mit dem Antisemitismus schon von selber erledigt, wenn wir nur den Hauptwiderspruch aufgelöst und den Kapitalismus abgeschafft haben. Das Beispiel vom ansteigenden Antisemitismus in der Sowjetunion unter Stalin zeigt uns, wie gefährlich diese falsche Analyse ist. Wer sich hingegen ernsthafter mit dem Thema Antisemitismus beschäftigt, sind die in diesem Text schon häufiger erwähnten „Antideutschen“. An dieser Stelle wollen wir jedoch klar machen, dass wir sogenannte „Antideutsche“, die die AfD als „einzige Stimme der Restvernunft im deutschen Bundestag“ (Thomas Maul, Autor der Zeitungen Jungle World und Bahamas) betrachten und imperialistische Kriegseinsätze befürworten, nicht als Teil der Linken ansehen. Dennoch konnte sich der Antisemitismusbegriff der „Antideutschen“ in Teilen des antinationalen Spektrums, in Teilen der Linkspartei und in einigen Antifa-Gruppen etablieren. Der grundliegende Fehler in der Analyse der „Antideutschen“ ist, dass sie kein historisch-materialistisches Verständnis davon haben, wie Antisemitismus entstanden ist und wie er funktioniert. Es ist ihnen demzufolge auch nicht ganz klar, was sie dem Antisemitismus eigentlich entgegnen können. Diese Hunde bellen zwar laut aber sie beißen nicht. Im vorangegangenen Text haben wir versucht wissenschaftlich aufzuzeigen, wie sich Kapitalismus und Antisemitismus gegenseitig bedingen und werden im Folgenden Wege zu seiner Bekämpfung vorschlagen. Für die „Antideutschen“ ist der Antisemitismus jedoch bloß ein böses Schreckgespenst, ein dunkler irrationaler Judenhass, der um den Globus wabert und die Menschen willkürlich mit seinem Vernichtungswillen infiziert. Insbesondere Deutsche und Menschen mit muslimischen Glauben seien dabei quasi biologisch anfällig dafür, antisemitisch zu sein. Anstatt seine sozio-ökonomischen Grundlagen zu analysieren, mystifizieren und naturalisieren „Antideutsche“ den Antisemitismus. In Anlehnung an Theodor W .Adornos Theorie des „autoritären Charakters“ haben ihrer Meinung nach Antisemitismus und der gesamte Faschismus kaum etwas mit materiellen Verhältnissen und sozialen Strukturen zu tun sondern sind eine bloße Folge eines falschen Bewusstseins, von Verblendung und mangelnder Bildung. Ihre Antwort ist demzufolge Kritik und Aufklärung. Wir sind uns da nicht ganz sicher, ob alle Antisemit_innen ihrer Einladung ins Uniseminar folgen werden. Neben der Tatsache, dass „Antideutsche“ mit ihrer sogenannten „Ideologiekritik“ Antisemitismus nie werden aufhalten können, führt ihre falsche Analyse dazu, dass sie sich sogar freiwillig auf die Seite des Kapitalismus schlagen. Sie verteidigen ein Ausbeutungssystem, das selbst die eigentliche Ursache für Antisemitismus darstellt. Nachdem der Faschismus in Europa gewütet hat und die Sowjetunion degeneriert und dann zerfallen ist, war für diese Strömung klar, dass die Arbeiter_innenklasse keine Befreiung mehr bringen könne und der Traum von einer besseren Welt zerplatzt sei. Aus diesem Gefühl der Ohnmacht und der Angst eigene Privilegien zu verlieren schlussfolgern sie, dass das Maximum an gesellschaftlicher Entwicklung bereits erreicht sei: Wenigstens sind wir Hitler los, die Unibibliothek ist beheizt und der Nebenjob bei der Bildzeitung ist sicher. Ihre Hingabe an den Kapitalismus führt auch dazu, dass sie jeden organisierten Protest gegen dieses System verachten und als verkürzte und damit antisemitische Kapitalismuskritik diffamieren. Sie gehen dabei von der falschen Annahme aus, zwischen Faschismus und Kapitalismus existiere ein Bruch, der es erfordere, die als „normal“ verstandene „demokratische kapitalistische Zivilisation“ gegen die „Barbarei“ zu verteidigen. Dabei erkennen sie nicht, dass die Barbarei ihre Ursachen letztlich im Kapitalismus hat. Faschismus ist für sie eine Meinung und nicht die totalitärste und brutalste Form kapitalistischer Herrschaft, die nur verhindert werden kann, wenn man den Kapitalismus gänzlich abschafft. In der Konsequenz führt ihre Sympathie für den Kapitalismus dazu, dass sie imperialistische Kriege wie die US-amerikanische Invasion des Iraks oder Buschs „war on terror“ füreine super Sachen halten. Einige forderten vor kurzem sogar, man solle den Iran bombardieren. Den israelischen Staat betrachten sie gemäß dieses Weltbildes als Schutzraum für Jüdinnen und Juden vor dem globalisierten antisemitischen Vernichtungswillen und als Bastion des kapitalistischen Fortschritts inmitten der „muslimischen Barbarei“. Hierzulande geht es den „Antideutschen“ darum, sich bedingungslos und unkritisch mit diesem Staat zu solidarisieren und ihn gegen die geheime Weltverschwörung der Islamisten im Schulterschluss mit der BDS-Bewegung und der antiimperialistischen Linken in den Kommentarspalten von Facebook zu verteidigen. Durch ihre Absage an Klassentheorie und marxistische Geschichtsphilosophie erkennen sie auch keine internen Klassenwidersprüche im israelischen Staat und demzufolge auch keine Perspektive für Emanzipation. Linke und antizionistische Jüdinnen und Juden betrachten sie demzufolge als „Marionetten der Antisemiten“ und als „selbsthassende Juden“. Wir empfinden dies als einen sehr fragwürdigen Paternalismus und finden es sehr bedenklich, wenn Deutsche wieder anfangen zu definieren, wer hier die „wahren Juden“ sind. Indem sich die meistens männlichen, weißen und aus gutverdienen Familien stammenden „Antideutschen“ mit ihren „wahren Juden“ identifizieren, versuchen sie die potentielle Schuld ihrer Nazi-Großeltern abzuwehren. Ähnlich wie es Antisemit_innen in umgedrehter Weise tun, abstrahieren auch die „Antideutschen“ vom konkreten Dasein „realer“ Jüdinnen und Juden und machen sie Projektionsfläche für ihre eigenen Widersprüche. Ihrem Unwillen und ihrer Unkenntnis darüber, wie die materiellen Verhältnisse denen der Antisemitismus entspringt bekämpft werden können, tun sie damit genüge, dass es tausende Kilometer entfernt ja einen israelischen Staat gibt, der für sie den „Kampf gegen Antisemitismus“ mit deutschen Waffen ausfechtet. Ihre deutschen Blitzkriegphantasieen projizieren sie so auf israelische Merkava-Panzer und deutsche Atom-U-Boote. Ihr nicht enden wollender Eifer in der Bekämpfung von pro-palästinensischer Solidarität und israelischen Linken, ihre grundlegend positive Haltung gegenüber dem Kapitalismus und ihre Unterstützung der militärischen und ökonomischen Interventionen der Bundesregierung und der Trump-Administration in „Nahost“ lassen die sogenannten „Antideutschen“ als letztlich ziemlich deutsch erscheinen. Auch in ihrem Engagement gegen die „Islamisierung“ und ihrem antimuslimischen Rassismus stehen sie der AfD wenig nach. Die grundlegend notwendige Absicht, ein zweites Auschwitz für immer verhindern zu wollen, gerät durch einen vollkommen ahistorischen, mystifizierten und auf Solidarität mit einem kapitalistischen Nationalstaat verengten Antisemitismusbegriff weit in den Hintergrund.

8. Wie können wir Antisemitismus bekämpfen?

Mit Analysen wie dieser hier, mit Aufklärungsprogrammen, kritischen Blogs, persönlichen Diskussionen und Bildungsarbeit ist schon einiges getan, um mehr Bewusstsein, Wissen und Awareness gegenüber Antisemitismus in unserer Gesellschaft zu schaffen. Wie dieser Text aber gezeigt hat, ist Antisemitismus nicht ausschließlich ein Problem des falschen Weltbildes oder mangelnder Reflexion. Wir haben erläutert, wie Antisemitismus immer ein Produkt von sozialen Strukturen, die sich aus Veränderungen in der ökonomischen Grundbeschaffenheit einer Gesellschaft ergeben, ist. Der moderne Antisemitismus ist ein Produkt der kapitalistischen Produktionsweise. Radikal gegen Antisemitismus zu sein, bedeutet auch radikal antikapitalistisch zu sein, denn radikal heißt, das Problem an der Wurzel anzupacken. Während in Zeiten des wirtschaftlichen Wachstums Antisemitismus eher selten offen zu Tage tritt, zeigt er seine wahre Fratze in Krisenperioden. Denn wenn die Profite global einbrechen, steigt die Konkurrenz zwischen den einzelnen nationalen Kapitalfraktionen untereinander. Doch wenn kapitalistische Nationalstaaten nach außen hin aggressiver agieren wollen, müssen sie nach innen härter durchgreifen und die Bevölkerung auf einen Feind einschwören. In diesen Situationen können dann Rechte mit ihrer rassistischen Hetze, antikommunistischen Drohungen und antisemitischen Verschwörungstheorien aus ihren Löchern kriechen und sich im politischen Diskurs breit machen. Das Kleinbürgertum und desillusionierte Arbeiter_innen werden von den kapitalistischen Krisen am härtesten getroffen und werden von sozialen Ängsten angetrieben. Wenn es dann kein Programm gibt, das diesen Menschen eine radikale, antikapitalistische, kommunistische Alternative aufzeigt, werden sie zu verkürzten und mitunter antisemitischen Erklärungen für ihre eigene beschissene Lebenssituation greifen und einen Sündenbock suchen. Die aktuelle Zunahme von antisemitischen Gewalttaten und verschwörungstheoretischem Blödsinn ist auch eine Reaktion auf die Wirtschaftskrise 2007/2008 und den damit einhergehenden Rechtsruck in vielen Ländern auf der Welt. Wichtigster Punkt auf der Agenda der neuen Rechten ist der Hass auf Geflüchtete und den Islam. Parteien wie die AfD haben deshalb große Sympathien für den israelischen Staat, den sie als westliche Bastion gegen den Islamismus betrachten. In diesem Sinne versuchen sie sich nun als „einzige Schutzmacht jüdischen Lebens“ (Weidel 2017) öffentlich darzustellen. Doch Antisemitismus interessiert die Rechtspopulist_innen nur, wenn er von Muslimen kommt und die vielen Antisemit_innen und Holocaust-Relativierungen in ihren eigenen Reihen werden gekonnt ignoriert. Wie sich der Hass auf Migrant_innen und Antisemitismus in einem nächsten Schritt verbinden können zeigen die Verschwörungstheorien über Goerge Soros, dem als Unternehmer jüdischer Herkunft die Steuerung und Finanzierung der Migrationsströme nach Europa vorgeworfen wird. Unterstützung findet diese antisemitische Theorie nicht nur in der ungarischen Regierung sondern auch in Teilen der österreichischen FPÖ, der britischen UKIP, der italienischen Lega Nord, der deutschen AfD und der US-amerikanischen Republikaner. Wenn wir heute gegen Antisemitismus kämpfen, müssen wir uns deshalb zu aller erst dem Rechtsruck entgegenstellen. Und damit sind nicht nur die AfD und die Identitären gemeint sondern auch die staatliche Abschiebepolitik und Aufrüstungsrhetorik (Merkel: „Deutschland muss wieder mehr Verantwortung übernehmen.“) steht für einen wachsenden deutschen Nationalismus. Antisemitismus zu bekämpfen bedeutet hier vor Ort also auch dem Nationalismus seine Grundlage zu entziehen und das deutsche Kapital als unseren größten Feind zu betrachten. Dafür brauchen wir ein antikapitalistisches Programm, das uns Jugendlichen einen Weg aufzeigt, wie wir unseren Kampf gegen Rassismus, Rechtsruck und Nationalismus zu einem Kampf für eine befreite Gesellschaft ausweiten können. Um die kapitalistische Produktionsweise durch eine neue ersetzen zu können, gilt es dabei die Arbeiter_innenklasse für unsere Ziele zu gewinnen, denn diese sitzt durch ihre ökonomische Stellung dort, wo es den Kapitalist_innen am meisten weh tut. Antisemitischen Vorurteilen und Stereotypen müssen wir dabei, wo immer sie uns begegnen, auf schärfste entgegenarbeiten. Denn der Kampf gegen Antisemitismus ist wie der Kampf gegen jegliche andere Unterdrückungsformen wie Sexismus, Rassismus und LGBTIA-Feindlichkeit ein notwendiger und integraler Bestandteil des Kampfes gegen den Kapitalismus als Ganzes. Wenn wir uns nicht gegen Antisemitismus organisieren, werden wir den Kapitalismus nicht abschaffen können und andersherum wird Antisemitismus immer weiter existieren, solange ihn die kapitalistische Produktionsweise anfeuert. Im Rahmen dessen müssen wir im Hier und Jetzt Forderungen aufstellen, die Antisemitismus entgegenwirken und die Widersprüche mit dem Kapitalismus zuspitzen. Dazu gehört die Verteidigung des Rechts auf die freie Ausübung von Religion und Kultur. Ebenso müssen wir das Recht auf Schutz gegenüber Angriffen auf jüdische Einrichtungen und Privatpersonen einfordern und antirassistische Selbstverteidigungsstrukturen organisieren. Trotzdem müssen wir dafür sorgen, dass auch Fluchtwege stets offen bleiben, damit Menschen, die flüchten müssen, woanders Schutz finden können. Die Forderung nach offenen Grenzen ist deshalb zentral im Kampf gegen Antisemitismus und eine wichtige Antwort auf die Fragen, die globale Migrationsströme heute aufwerfen. Wie wir schon gezeigt haben, kann jedoch auch kein kapitalistischer Nationalstaat vollständigen Schutz gegenüber Antisemitismus gewähren (auch nicht der Nationalstaat Israel), weshalb wir diese Forderung immer mit der Perspektive der Aufhebung von Kapitalismus und Nationalstaatlichkeit verbinden müssen. In Israel müssen wir deshalb für die Beendigung der Besatzung, das Rückkehrrecht aller Geflüchteter und eine kommunistische Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes eintreten, damit die dort ansässige Bevölkerung Ruhe und Frieden finden kann. Lasst uns den rechten Pseudokämpfen gegen Antisemitismus – ob von AfD oder „Antideutschen“ – eine revolutionäre antikapitalistische Perspektive auf der Grundlage einer marxistischen Analyse entgegensetzen, damit sich die Shoa niemals wiederholt!




Bericht: Antirassistische Demonstrationen zum 5. Jahrestag von PEGIDA

Am 20.10. hat das völkisch-nationalistische, islamophobe Bündnis PEGIDA in Dresden eine Kundgebung zur „Feier“ ihres 5-jährigen Bestehens abgehalten. Es wurde im Vorhinein mit bis zu 7000 TeilnehmerInnen gerechnet. Tatsächlich beteiligten sich höchstens „nur“ 2000 Menschen an dem rassistischen Stelldichein. Auch dieses Jahr haben verschiedene Bündnisse und Organisationen, wie Herz statt Hetze, Dresden Nazifrei und Leipzig nimmt Platz zum Gegenprotest aufgerufen. Es gab insgesamt drei Demonstrationen, die allesamt zur zentralen Gegenkundgebung in Hör- und Sichtweite auf dem Neumarkt führten. An der Demonstration, die vom Hauptbahnhof aus losging, nahmen etwa bis zu 1000 Menschen Teil. An der Demonstration am Bahnhof Neustadt beteiligten sich ca. 500 AntifaschistInnen. Die kleinste Gegendemonstration war die am Bahnhof Mitte. Hier beteiligten sich vor allem Gewerkschafter und Mitglieder der Parteien DIE LINKE, SPD und Grüne und ihrer Jugendorganisationen. Obwohl diese Demo es schaffte, im Aufruf den Kampf gegen Rassismus mit dem Kampf gegen Sozialabbau und Mietenwahnsinn zu verbinden, war diese wohl die kraftloseste, ja fast schon langweilig wirkende Aktion an diesem Tag. Hieran nahmen lediglich etwa 100 AktivistInnen teil, statt Parolen zu rufen wurde überwiegend lieber den poppigen Tracks, die vom Lauti aus schallten, gelauscht.

Auf dem Neumarkt standen schließlich den 2000 RassistInnen insgesamt gerade mal 1000 GegendemonstrantInnen gegenüber. Der längst vollzogene Schulterschluss zwischen PEGIDA, Identitäre Bewegung und AfD war auch hier wieder anhand der zahlreichen Fahnen der NeofaschistInnen mit dem schwarz-gelben Lambda-Symbol und der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“ klar erkennbar. Neben allerlei gewohnt rassistischen Inhalten, die in den Reden verbreitet wurden, gab es auch wieder einmal zwei Buttersäureanschläge, die in Form von kleinen Ampullen über den Sichtschutz der PEGIDA-Kundgebung auf den Protest in Hör- und Sichtweite geworfen wurden. Die fehlende Bereitschaft der Polizei vor Ort, den Angriffen tatsächlich nachzugehen und den mutmaßlichen Wiederholungstäter zu fassen (in den vergangenen Jahren wurden regelrecht ständig Buttersäureampullen auf die Gegendemos geworfen), zeigt sehr deutlich auf, dass wir uns im antirassistischen Kampf nicht auf den Staat und seine Institutionen verlassen dürfen. Wir müssen uns als Lohnabhängige und Jugendliche selbst organisieren und dürfen den antifaschistischen Selbstschutz nicht dem Zufall überlassen. Gegen Angriffe von RassistInnen und FaschistInnen werden uns der bürgerliche Staat und seine von Rechten durchsetzten Organe nicht helfen. Ganz im Gegenteil stehen diese zu Teilen der PEGIDA-Bewegung nachweislich sehr nahe und fassen in Dresden selbst Holocaust-LeugnerInnen mit Samthandschuhen an.

Um PEGIDA ein Ende und dem gesellschaftlichen Rechtsruck etwas entgegen zu setzen, reichen zaghafte Demonstrationen in Hör- und Sichtweite nicht aus. Hierfür braucht es eine Bewegung, die in der ArbeiterInnenklasse verankert ist und die Mitglieder ihrer Organisationen auf ihrer Seite weiß. Wir müssen eindeutig noch mehr werden, uns organisieren und entsprechende Strukturen aufbauen, um das Fundament für eine Bewegung zu errichten, die dem Rechtsruck tatsächlich etwas entgegensetzen kann. Wir als unabhängige, kommunistische Jugendorganisationen wollen auch weiterhin unseren Teil hierzu beitragen. Darum werde auch du bei uns aktiv!

Kampf dem Rassismus bedeutet Kampf dem Staat und Kapital! One Solution: Revolution!




Gemeinsam gegen Rassismus und Repression: Angriffe auf linke Selbstorganisierung in Leipzig bekämpfen!

„Schämt euch, ihr Bubi-Chaoten“ titelt die Bildzeitung Leipzig am vergangenen Mittwoch, dem 15. September 2016. Aufgrund eines aktuell laufenden Gerichtsverfahrens nutzt die Bild-Zeitung eine weitere Chance, um linke Politik zu verunglimpfen (http://www.bild.de/regional/leipzig/angriff/polizeiposten-angegriffen-funkwagen-abgefackelt-47826570.bild.html). Aber nicht nur das. In ihrer Printausgabe vom selbigen Tag veröffentlichen sie ein Foto eines angeklagten Aktivsten. Dieser ist dort vollständig zu erkennen. Kurz danach wurden eine Reihe von recherchierten Fotos, Vorwürfe von angeblichen Straftaten, das angekündigte Wissen über Wohnorte, private Informationen und vieles Weitere auf der Facebook-Seite „Wir für Leipzig“ veröffentlicht, vermutlich um die Leser_Innen anzustacheln. Hierbei bildet die Bildzeitungsausgabe das i-Tüpfelchen. Der angebliche Hauptangeklagte, dem die Hetzkampagne offensichtlich gilt, wird hierbei der internationalen kommunistischen Jugendorganisation REVOLUTION zugeordnet. In diesem Kontext wurden auch die Plenartreffpunkt und -zeit von REVOLUTION Leipzig auf der Facebookseite veröffentlicht. Bei der Hetz-Seite handelt es sich um eine knapp 12.000 Likes große Plattform der NPD-Leipzig. Betrieben wird diese angeblich vom Leipziger NPD-nahen Stadtrat Enrico Böhm, dieser ist ebenfalls durch seinen guten Kontakt zur rechten Hoolszene bekannt und in der Vergangenheit häufiger straffällig geworden in Bezug auf Gewaltdelikte. Die Seite ist vor allem durch die Legida-Bewegung angewachsen, die dafür bekannt ist, der offen faschistoide Teil der Pegida-Bewegung zu sein.

Dieser Vorfall ist leider nur ein Beispiel für die brutaler und häufiger werdenden Angriffen der Rechten, speziell in Sachsen. Ziel ist es hierbei, die sich den Angriffen widersetzenden Aktivist_Innen in die Passivität zu drängen und zu isolieren. Dazu werden ihnen sogar lebensgefährliche Verletzungen angedroht. Dass sich die Springer-Presse hierbei als Denunziantin gibt, beschreibt sehr offen, wie sich diese zur neuen Qualität der rassistischen Bewegung positionieren könnte.

Doch warum genau jetzt?

Das Gerichtsverfahrens ist nicht das einzige Ereignis, das in diesen Tagen stattfindet. Am kommenden Samstag, dem 17. September, findet in Leipzig, wie auch in sechs weiteren Städten im Bundesgebiet, die Gegendemonstration zu den Freihandelsabkommen TTIP und CETA statt. Wir als REVOLUTION haben unsere Teilnahme angekündigt. Als die Identitäre Bewegung, eine völkisch-rassistische Frontorganisation, bekannt gab, dass sie ungebeten an der Demonstration teilnehmen und provozieren wolle, haben unsere Genoss_Innen in Leipzig offen dafür geworben, diesen reaktionären Kräfte die Teilnahme an der Demonstration zu verwehren und dies als Gesamtdemonstration zu verhindern. Organisationen wie die Identitäre Bewegung sind ein aktiver Teil der neuen rassistischen Bewegung und bauen sich über diese auf. Sie sind Nutznießer_Innen von offenen Angriffen auf Geflüchtete, Migrant_Innen, Linke, sexuell Unterdrückte und viele mehr. Sie sind es auch, die, wenn ihr Einfluss anwächst, gewerkschaftliche oder politische Organisationen direkt zerschlagen wollen. Sie sind somit nicht nur eine Bedrohung für ihre bisherigen Opfer, sondern auch für die Veranstalter_Innen der kommenden Anti-TTIP- und -CETA-Demo.
Es handelt sich somit zwar um einen unmittelbaren Angriff auf einzelne Aktivist_Innen sowie unsere Organisation. Solche Angriffe haben aber auch einen politischen Charakter. Sie richten sich gegen alle, dem aktuellen Rechtsruck entgegentreten wollen. Der Angriff verdeutlicht nochmal drastisch, dass die aktuellen sozialen Kämpfe unmittelbar auch die Frage des Antirassismus und Antifaschismus aufwerfen müssen, da sich die rassistische Zuspitzung langfristig auf unsere politische Handlungsfreiheit auswirkt. Angriffe wie in Bautzen sind dabei ein weiterer Ausdruck eben dieser neuen Qualität.

Wir fordern die Organisator_Innen der Demonstration am 17.9, darunter DIE LINKE, die SPD, den DGB und viele weitere auf, sich mit uns öffentlich zu solidarisieren. Lasst uns gemeinsam die Teilnahme offen rassistischer und faschistischer Organisationen, wie der Identitären Bewegung und der NPD verhindern. Wir appellieren an alle linken Gruppen und Aktivist_Innen, sich mit uns zu solidarisieren. Dies könnte am 17.9. beispielsweise so aussehen, dass wir gemeinsam in Blöcken laufen können, in denen auch nicht direkte politische Unterstützer_Innen unserer Organisation die Fahnen unserer Gruppe tragen oder unsere Materialien solidarisch verbreiten, damit nicht unmittelbar weitere Aktivist_Innen vermeintlich als Sympathisant_Innen unserer Gruppe „geoutet“ werden. Wir gehen davon aus, dass rechte Fotograf_Innen anwesend sein werden. Vor allem geht es aber darum, diesem Angriff keine unkommentierte Öffentlichkeit zu geben. Wir müssen in Leipzig und darüber hinaus den kollektiven Schutzes vor rassistischen und faschistischen Angriffen diskutieren. Denn betroffen sind immer einzelne, doch gemeint sind wir alle!

REVOLUTION-Germany

revo-springer-nazis




Leipzig: Faschistische Übergriffe in Connewitz ‪#‎le1101‬

Gestern versammelten sich zwischen 2500 und 3400 Anhänger_Innen des Leipziger PEGIDA-Ableger LEGIDA, um ihren Jahrestag zu zelebrieren. Nachdem sexistische Redner_Innen noch im Bezug zu den Vorfällen in Köln gegen nicht-weiße Menschen hetzten, gab es eine kurze Demonstrationsroute und ein Konzert der faschistischen Band „Kategorie C“.

Dabei ist es unseren REVOLUTION-Genoss_Innen aus Leipzig und Dresden gelungen, einen großen Block auf der Antirassistischen Demonstration, die vom Augustusplatz ausging, zu organisieren. Auch im nördlichen Teil der Innenstadt gab es antifaschistische Demonstrationen.
Während der Blockaden erhielten Antifaschist_Innen die Nachricht, dass Faschist_Innen heimlich nach Connewitz, ein linkes Viertel, mobilisierten. Dort wurden am Abend des 11.01.2016 von 200 rechtsradikalen Hools Geschäfte von nicht-deutschen Betreiber_innen zerstört und linke Zentren angegriffen.

Trotz der Angriffe gelang es REVOLUTION Leipzig, Antifaschist_Innen zu mobilisieren, um spontan durch den Kiez zu ziehen, sowie den linken Stadtteil Plagwitz und das linke Zentrum in der Gießer Straße zu verteidigen.

Die Anwesenheit der linken Gruppen und die massive Präsenz auf den Straßen schreckte die Faschist_Innen ab und trieb sie wieder in den Süden der Stadt. Doch auch dort organisierte sich antifaschistischer Widerstand und spontan entstanden antirassistische Verteidigungsgruppen, die durch sehr viele Viertel der Stadt marschierten und für Sicherheit sorgten. Dennoch täuscht das nicht darüber hinweg, dass diese Angriffe sehr überraschend kamen und es uns daher aufzeigt, wie dringend nötig der Aufbau von dauerhaft etablierten Selbstverteidigungsstrukturen, welche untereinander vernetzt sind, ist.

Pazifismus und der „gesunde Menschenverstand“ bieten keine Antwort auf organisierte, gewalttättige Faschist_Innen. Wir brauchen eine bundesweite, antirassistische Bewegung, die nur durch Organisierung und gemeinsame Perspektiven verwirklicht werden kann. Wir begrüßen daher die Entstehung des Bündnisses Jugend gegen Rassismus und sehen dies als möglichen Startpunkt einer bundesweiten, antirassistischen Bewegung an. Deshalb fordern wir alle Gruppen dazu auf, sich an diesem Bündnis sowie dem bundesweiten Schulstreik am 28.04.2016 zu beteiligen!

· Für eine antirassistische Jugendbewegung!
· massenhaft. militant. organisiert. Kampf dem Rassismus! Kampf dem Faschismus!

VON BEN ZIMMER

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Hier ist übrigens ein Bericht von Revolution Leipzig L.E, aus dem viele Informationen stammen.
https://www.facebook.com/RevoLeipzig/posts/1517012441928443




+++ Antifaschist in Athen ermordet +++

Pavlos Fyssas, ein 34jähriger griechischer Antifaschist, auch bekannt als Rapper „Killah P“, wurde letzte Nacht in Athen erstochen. Er war mit ein paar Freunden im Viertel Piraeus unterwegs, als ihn eine Gruppe von FaschistInnen entdeckte. Sie jagten ihn die Straße hinunter, an deren Ende zehn weitere AngreiferInnen auftauchten und Pavlos umzingelten. Kurz darauf  hielt ein Auto neben ihnen, der Fahrer stieg aus und stach ihm ein Messer ins Herz und in den Unterleib.
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Während des gesamten Szenarios war die DIAS (griechische Polizeieinheit mit Motorrädern) anwesend, die jedoch erst einschritt, als die meisten der AngreiferInnen schon geflüchtet waren. Zwar wurde der Mörder, der sich zur neo-faschistischen Partei Chrysi Avgi („Goldene Morgenröte“)bekennt, festgenommen und hat seine Tat auch schon gestanden, der Krankenwagen erschien aber erst nach 35 Minuten und im Krankenhaus von Nikea konnte nur noch Pavlos Fyssas’ Tod festgestellt werden.

Dieser Vorfall zeigt eines deutlich: Die FaschistInnen in Griechenland machen vor nichts mehr Halt und der Staat ist auf dem Rechten Auge blind.

Kein Wunder, denn die Hälfte aller EinsatzpolizistInnen gibt offen ihre Sympathien für Chrysi Avgi zu! Bereits letzte Woche wurden in derselben Gegend schon Mitglieder der KKE (Kommunistische Partei) brutal angegriffen, alles unter Billigung der Polizei.

All das sind keine „besonders schlimmen Einzelfällen“, es ist mittlerweile Alltag in Griechenland. In öffentlichen Verkehrsmitteln, auf dem Weg nach Hause oder zur Arbeit werden linke AktivistInnen, GewerkschafterInnen und vor allem MigrantInnen bedroht, angegriffen und terrorisiert.

Obwohl es auch vorher schon deutlich genug war, zeigt Pavlos Tod, wie notwendig die Organisierung von Selbstverteidigung gegen die FaschistInnen ist. Schon als unsere Solidaritätsdelegation von REVOLUTION letzten Juli in Athen war, nahmen wir an einer überwältigenden Demonstration pakistanischer MigrantInnen teil, deren Bezirk pogromartig angegriffen wurde. Schon damals zeigten die Baseballschläger, die die DemonstrantInnen dabei hatten, dass sie um ihr Leben fürchten und bereit sind, es zu verteidigen.

Aber was tut die Linke Griechenlands? Die Meinungen sind geteilt. Einige Gruppen organisieren Demonstrationen und Antirassismus-Konferenzen, andere wiederum behaupten, die FaschistInnen verlieren immer mehr an Einfluss und seien kaum noch ernst zu nehmen. Wir nehmen eine faschistische Partei, die nach Umfragen die drittpopulärste im Lande ist, ernst. Aber noch ernster nehmen wir die Forderungen all derer, die unter ihnen zu leiden haben.

Die Zeit der moralischen Empörung und der symbolischen Demonstrationen ist vorbei!

Was wir brauchen in Griechenland sind Selbstverteidigungsstrukturen, die von allen Gewerkschaften, linken und migrantischen Organisationen und Parteien organisiert werden, allen voran SYRIZA.

Die Instanzen des bürgerlichen Staates bieten keinen Schutz mehr vor solchen Angriffen, weil sie selbst darin involviert sind. Erneut wird deutlich, dass der Kapitalismus keine Lösungen für solche Probleme bietet, weil er selbst das Problem ist!

Während in den Medien darüber spekuliert wird, ob Chrysi Avgi ein möglicher Koalitionspartner für Nea Dimokratia wäre, werden unsere GenossInnen von ihnen auf der Straße ermordet.

Seit heute morgen finden in Griechenland Demonstrationen statt, gleichzeitig gibt es eine erneute Streikwelle. Diese müssen vorangetrieben, ein unbefristeter Generalstreik muss von den Gewerkschaften organisiert und der Sturz der Regierung voran getrieben werden! Die Situation in Griechenland schreit nach einem revolutionären Umsturz und einem Ende der Knechtschaft durch die herrschende Bourgeoisie.  Alle fortschrittlichen und revolutionären Kräfte müssen die sich entladende Energie bündeln und zu Macht verwandeln. Nur so können sie den Menschen wirklichen helfen, und den Weg zu einer gerechten Zukunft ebnen!

Wir solidarisieren uns mit den AntifaschistInnen und AntikapitalistInnen in Griechenland, die auf der Straße sind um ihre Trauer und ihre Wut auszudrücken!

Wir unterstützen euch, bei euren Bestreben, diesem menschenunwürdigen System ein Ende zu machen!

ONE STRUGGLE – ONE FIGHT!

Ein Artikel von Svenja Spunck, REVOLUTION Berlin




Dresden 2012: NO PASARAN!

Am mittlerweile 67. Jahrestag der Bombardierung Dresdens im 2. Weltkrieg sehen Faschist_innen aus aller Herren Länder erneut einen Anlass, sowohl Geschichtsrevisionismus zu betreiben, als auch alle anderen Facetten ihres Gedankenguts auf die Straße zu tragen. Vor allem wollen sie jedoch wieder Platz nehmen in der Gesellschaft – wollen sich Akzeptanz verschaffen für ihre Ansichten und den Eindruck erwecken, sie würden ja lediglich eine andere Meinung repräsentieren.

Dass die Meinung von Nazis aber unter keinen Umständen zu akzeptieren, sondern immer und überall zu bekämpfen ist, hat die Geschichte gelehrt –sollte man jedenfalls meinen. Augenscheinlich scheint jedoch genau das Gegenteil der Fall zu sein: Über Jahre hinweg wurden zahlreiche Morde an Migrant_innen als rassistische Gewalt verleugnet und einen politischen Hintergrund schloss man von vornherein aus. Nicht gerade verwunderlich: Bestand doch für den Staat die Gefahr, in der Öffentlichkeit damit konfrontiert zu werden, mit seinen Agenten und Spitzeln selbst in der Organisation und Finanzierung des rechten Sumpfes verstrickt zu sein.

Der kapitalistische Staat hält sich die Faschisten wie ein Ass im Ärmel, um in Zeiten von Krisen auf sie zurückgreifen zu können. Vielleicht kann er sich ja ihrer eines Tages noch mal bedienen um die organisierte Arbeiterbewegung, die Gewerkschaften und Parteien zu zerschlagen …

Der Staat als Antifa?

Dass die Regierung kein Interesse an der Zerschlagung der Nazistrukturen hat, zeigte sich auch in der direkten Aktion am Beispiel Dresden, wo massive Polizeigewalt gegen jene ausging, die verhindern wollten, dass die Faschist_innen in Deutschland wieder ungehindert marschieren.

Deshalb können wir uns im Kampf gegen Nazis auch nicht auf den Staat verlassen, sondern müssen uns in antifaschistischen Bündnissen selbst organisieren. Der bürgerliche Staat hatte keinerlei Interesse daran, gemeinsam mit der großen Masse an Demonstrant_innen, die Nazis an ihrem Aufmarsch zu hindern. Im Gegenteil: Er setzt alles daran, ihnen den Weg freizumachen, auch mit Gewalt! Doch wir waren zu viele, zu entschlossen und zu gut organisiertdurch militante Massenaktionen gelang es den Aufmarsch platzen zu lassen und die Nazis stundenlang am Bahnhof zu kesseln.

Auch die Lichterkette, zu der die Bürgermeisterin der Stadt letztes Jahr aufgerufen hatte, trug wohl keineswegs zu dem Erfolg bei. Weitab der Laufroute platzierte man sich zu einem stillen Protest. Diese Art von „Widerstand“ zeigt exemplarisch, was bürgerliche „Antifaschist_innen“ und sogenannte „Anständige“ dem braunen Pack entgegenzusetzen haben: Nämlich nichts.

Die sogenannte „Extremismus-Theorie“, die ebenfalls aus diesen Kreisen kommt, tut ihr Übriges dazu. Einzig die Diskreditierung antifaschistischen Protestes und der direkten Aktionen gegen Nazis ist dabei ihr Ziel. Linke sollen mit Rechten „wissenschaftlich“ begründet gleichgesetzt werden und daher wundert es auch nicht, dass in Zeiten, in denen sich Politiker aller Couleur mal wieder überlegen, wie sie die NPD verbieten können, aus der CSU Stimmen laut werden, die ein Verbot der Partei DIE LINKE fordern.

Dresden: Gegen Geschichtsrevisionismus!

Dass die Nazis mit ihrem üblichen Propagandamüll versuchen, die Bombardierung Dresdens durch die Alliierten als Holocaust darzustellen, ist eine Sache. Die andere Seite des propagandistischen Unfugs bilden die sogenannten Antideutschen, die sich fälschlicherweise als Antifas bezeichnen. Für sie sind die Deutschen per se ein sogenanntes Tätervolk und daher feiern sie den Bombenkrieg der Alliierten als große antifaschistische Aktion.

Das isttotaler Nonsens, denn imperialistischer Bombenterror gegen Zivilbevölkerung – ob in Dresden, in Bagdad oder in Teheran – hat mit Antifaschismus nichts zu tun und rassistische Ideologien, wie die des Tätervolks, haben in linken und kommunistischen Strukturen nichts zu suchen.

Einheit in der Aktion!

Um den Faschisten auch dieses Jahr wieder das Leben zur Hölle zu machen, brauchen wir die antifaschistische Einheitsfront, in der sich alle Antifaschist_innen, Migrant_innen, Kommunist_innen, DGB-Gewerkschafter_innen und Sozialdemokrat_innen aus SPD und Linkspartei organisieren, denn sie sind und waren immer Opfer des Faschismus. Sie sind diejenigen, die keine Hilfe vom bürgerlichen Staat erwarten können, also müssen sie begreifen, dass es auf die Einheit in der Aktion gegen den Faschismus ankommt. Wir rufen dazu auf, auch dieses Jahr wieder nach Dresden zu fahren, Faschist_innen zu blockieren und sie als große Masse militant zu bekämpfen!

Who’s streets? Our streets! SMASH FASCISM!

  • Naziaufmärsche blockieren, vertreibt die Faschist_innen mit militanten Massenaktionen von der Straße!
  • Gegen Faschist_innen können wir uns nicht auf die Polizei verlassen. Für das Recht auf Schaffung von Selbstverteidigungsstrukturen der Arbeiter_innen, Jugendlichen, Migrant_innen und der ansässigen Bevölkerung!
  • Kämpfen wir gemeinsam gegen Rassismus, Homophobie, Sexismus, Nationalismus und Faschismus! Gleiche Bürgerrechte für alle, unabhängig von ethnischer Herkunft, Nationalität oder Religion!
  • Für eine multiethnische, internationale Bewegung der Arbeiter_innen und Unterdrückten gegen den globalen Kapitalismus – für den Aufbau einer revolutionären Internationale der Arbeiter_innenbewegung und der Jugend!

Gemeinsam auf nach Dresden – Kein Fußbreit den Faschisten!