Mit Vergesellschaftung gegen die Klimakrise: Eine neue Strategie für die Klimabewegung muss her!

Ein Diskussionsvorschlag der kommunistischen Jugendorganisation REVOLUTION

Hitzerekorde, Jahrhundertfluten, Waldbrände, Nahrungsmittelknappheit, Trinkwassermangel und Artensterben: Allein in den letzten Monaten haben wir schon einmal einen kleinen Vorgeschmack auf das bekommen, was uns erwartet, wenn wir die Klimakatastrophe nicht so schnell wie möglich aufhalten. Die nächsten paar Jahre werden ausschlaggebend dafür sein, ob die Erderwärmung auf 1,5 Grad beschränkt werden und das Sterben von Millionen Menschen, Hundertmillionen Arten und die Verödung ganzer Erdregionen noch verhindert werden kann. Da die führenden Politiker_innen kein Interesse daran haben (siehe Ergebnisse des G7-Treffens in Elmau), bleibt unsere einzige Hoffnung die globale Klimabewegung. Leider steckt diese hierzulande gerade in einer Krise, die wir uns angesichts der drohenden Katastrophe jedoch nicht leisten können. Mit den Massenaktionen im Großraum Hamburg, den Klimacamps in Leipzig und im Rheinland, dem FFF-Interregionale Sommerkongress und der Großdemo zur Enteignung von RWE&Co. in Köln steht uns ein August im Zeichen des Klima-Aktivismus bevor, der vielleicht die letzte Chance bietet, noch rechtzeitig aus der Sackgasse der Klimabewegung herauszukommen. Mit diesem Papier möchten wir allen Klimaaktivist_innen, -Strukturen und -Organisationen von FFF bis „Letze Generation“ eine Strategie zur Diskussion vorschlagen, mit der wir glauben, unseren guten alten Slogan „Systemchange not Climatechange“ tatsächlich noch verwirklichen zu können.

Dafür versuchen wir in diesem Papier 3 Fragen zu beantworten:

  1. Warum steckt die Klimabewegung in der Krise?
  2. Welche strategische Ausrichtung braucht die Bewegung, um daraus zu kommen?
  3. Wie lässt sich das praktisch umsetzen?
  1. Warum steckt die Klimabewegung in der Krise?

Zuerst das Positive: Was wir geschafft haben ist, viele, und zwar wirklich sehr viele Menschen auf die Straße zu bringen und das Klimaproblem damit in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu tragen. FFF hat eine ganze Generation von Jugendlichen politisiert und ihnen dazu verholfen, wertvolle politische Kampferfahrungen in selbstorganisierten Strukturen und Aktionen zu machen. Auch wenn die Teilnehmer_innenzahlen der letzten Großmobilisierungen stetig gesunken sind, zählen die Klimagerechtigkeitsaktionen der letzten 3 Jahre nach wie vor zu den größten Aktionen überhaupt. Dennoch dürfen wir die Augen nicht vor dem Offensichtlichen verschließen: Wir haben keine einzige unserer Forderungen durchsetzen können. Millionen von Aktivisti haben sich der Bewegung angeschlossen, haben viel Gegenwind und Repression für ihren Aktivismus geerntet und viel Kraft, Energie und Arbeit in die Bewegung gesteckt. Und was haben wir dafür bekommen? Lausige Klimapakete, folgenlose internationale Konferenzen und eine Menge heißer Luft. Dies führte dazu, dass der Abstand zwischen unseren Aktionen größer und die Aktionen selbst kleiner wurden, sich viele von uns frustriert und überarbeitet von der Bewegung zurückgezogen haben.

Ein wichtiger Grund dafür liegt darin, dass zu viele uns daran geglaubt haben, dass die Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ auf unser Seite stünde und ein „Green New Deal“, ein grünerer Kapitalismus, möglich wäre. Wir haben es verpasst mit der gesamten Bewegung eine Debatte darüber zu führen, wie dieser vielzitierte „Systemchange“ denn eigentlich aussehen soll, ob dieser innerhalb des Kapitalismus gelingen kann und welche soziale Kraft ihn mithilfe welcher Aktionsformen durchsetzen sollte. Stattdessen hat sich die Bewegung so stark fragmentiert, dass nun Menschen wie Kathrin Henneberg, Emilia Fester und Nyke Slawik für die Grünen im Bundestag sitzen, während sich die anderen von den Bullen, die im Auftrag dieser Regierung handeln, aus dem Danni oder von der A100 prügeln lassen müssen. Der Großteil von dem, was von der Klimabewegung übrig geblieben ist, ist weiß* und hat einen akademischen Hintergrund (kommt also von Gymnasium/ Uni/ Hochschule oder hat Akademiker_inneneltern). Die Tatsache, dass die Anzahl der Aktivisti zuerst stagniert und dann stetig abgenommen hat, liegt also vor allem auch daran, dass wir es nicht geschafft haben, neue und bereite Teile der Gesellschaft außerhalb von klimabewussten Studis und Schülis für unsere Ziele und Aktionen zu gewinnen. Weder FFF, noch „Ende Gelände“, „Extinction Rebellion“ oder „Letzte Generation“ haben unsere Forderungen und Aktionen zum Klimaproblem mit den sozioökonomischen Interessen der Millionen von Lohnabhängigen politisch verknüpfen können.

  1. Welche strategische Ausrichtung braucht die Bewegung, um daraus zu kommen?

Es sind die führenden Industrienationen, die Sitz der lediglich 100 Firmen sind, die für über 70 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind. Aus Angst die eigene führende Stellung auf dem Weltmarkt in Gefahr zu bringen, wagt es keine dieser Regierungen, die Profite ihre Klimakillerkonzerne „zu sehr“ durch politische Umweltschutzmaßnahmen zu beschneiden. Der Kampf für die Erhaltung dieses Planeten ist also ein Klassenkampf, bei dem die Seite des Kapitals mit politischer Rückendeckung versucht, ihre Profite zu vermehren, während es unsere Aufgabe sein muss, die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen aufzuhalten. Demzufolge muss es auch die Perspektive der Klimabewegung sein, nicht einen „grüneren“ Kapitalismus zu fordern, sondern den Widerspruch zwischen kapitalistischer Marktlogik und nachhaltiger Lebensweise zu erkennen und aufzuheben. Unser strategischer Partner dafür ist die organisierte Arbeiter_innenbewegung. Ihre aktuelle Führung aus sozialdemokratischen Parteien und verknöcherten Gewerkschaften steckt mit dem Kapital unter einer Decke und hat nur leere Worte für den Klimaschutz übrig hat. Dennoch ist es ihre besondere Stellung in der kapitalistischen Produktionsweise, die ihr die soziale Macht verleiht, das System aus den Angeln zu heben. Denn wo gestreikt wird, kann kein Profit mehr fürs Kapital produziert werden, es wird also gezwungen, auf unsere Forderungen einzugehen. Daher müssen wir uns aktiv an die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie wenden, ihre Führung dazu auffordern den Burgfrieden mit dem Kapital zu brechen und der Ausbeutung sowohl des Menschen als auch des Planeten den Kampf anzusagen.

Verbesserungen statt Verzicht und Verboten

Die Regierung sagt, dass Verbote und individueller Verzicht die Lösung seien für die Energie- und Klimakrise. Bei steigenden Preisen sollen die Leute sparen und die Heizung runterdrehen, vielleicht halt auch ein bisschen frieren. Manche sagen sogar, es sei gut, dass die Preise steigen, dann würde weniger konsumiert. Gleichzeitig werden einige wenige immer reicher und die Regierung beschließt 100 Milliarden in die Bundeswehr (selbst ein großer Klimakiller) zu pumpen. Wollen wir unsere Klasse auf die Straße bringen, dürfen wir nicht in den Chor der Robert Habecks einfallen, die Frieren für Klima und Demokratie (eigentlich aber für die Interessen des deutschen Kapitals) propagieren. Stattdessen brauchen wir Forderungen, die nicht nur den Klimawandel stoppen, sondern auch mit konkreten Verbesserungen für die Arbeiter_innen verbunden sind:

  • Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, Schluss mit DB-Chaos, 9€-Ticket 4ever!
  • Ausbau der erneuerbaren Energien unter Arbeiter_innenkontrolle und kostenlose Deckung eines Grundbedarfs für jede_n!
  • Verstaatlichung der Lebensmittelindustrie, Preise senken und nachhaltige Agrarwende organisieren!

Enteignen, enteignen, enteignen!

Indem wir Energieproduktion, Verkehr oder Landwirtschaft demokratisch organisieren, kontrollieren und planen, entreißen wir sie der egoistischen und widersprüchlichen Marktlogik und können so ein Wirtschaften, orientiert an unseren Bedürfnissen und der Erhaltung des Planeten anstatt an der Vermehrung von Profiten, umsetzen. Dabei lässt sich auch beispielsweise die Spaltung zwischen Klimabewegung auf der einen und Beschäftigten in der Kohle- und Autoindustrie auf der anderen Seite überwinden, denn durch die Vergesellschaftung geht kein einziger Job verloren und da keine Profite für die Chefs mehr erwirtschaftet werden müssen, bleibt auch mehr für alle übrig. Neuere Ansätze wie „RWE&Co enteignen“ gehen deshalb bereits in die richtige Richtung und sollten weiter diskutiert und vertieft werden. Gleichzeitig bieten sich so auch neue Potenziale, um Kämpfe zu verbinden: Lasst uns den Immobilienriesen „Deutsche Wohnen“ enteignen, anstatt klimaschädliche und platzraubende Luxuswohnungen zu bauen. Lasst uns das Gesundheitssystem vergesellschaften, denn der Klimawandel produziert nicht nur tödliche Hitzewellen und Pandemien, die Privatisierung der Krankhäuser hat auch dafür gesorgt, dass die Pflegekräfte am Limit sind und den Kranken nicht mehr genügend Betten zur Verfügung stehen. Lasst uns an der Seite der Widerstandsbewegungen im globalen Süden die Agrar-, Lebensmittel- und Trinkwasserkonzerne vergesellschaften, die aktuell von massiven Preissteigerungen profitieren, während andere hungern. Der Kampf für die Vergesellschaftung der einzelnen Schlüsselstellen ist dabei nur der erste Schritt in Richtung einer neuen globalen Wirtschaftsweise, die auf der Basis von Nachhaltigkeit, demokratischer Planung und Bedürfnisorientierung die egoistische, klimaschädliche und zerstörerische Profitvermehrung des Kapitalismus hinter sich lässt.

Internationalismus muss

Die westlichen Industrienationen versuchen sich mit neuen Recycling-Verfahren und schicken E-Autos als besonders klimafreundlich darzustellen, während sie ihre Müllberge einfach im globalen Süden abladen und die Menschen in den Kobaltmienen schonungslos ausbeuten. Genauso versuchen sie uns nun ihren Krieg gegen Russland als Rettungsmission für das Klima zu verkaufen. Dabei reden „selbst“ die Grünen schon öffentlich davon, den Kohleausstieg erneut zu verschieben oder sogar in die Atomenergie wieder einzusteigen. An die Stelle des russischen Gases tritt die RWE-Braunkohle, das den Krieg im Jemen finanzierende saudische Öl und das Fracking-Gas aus den USA, von rußkotzenden Flüssiggastankern einmal um die halbe Welt geschippert. Als Klimabewegung können wir uns deshalb nicht einfach aus der Kriegsfrage heraushalten. Es gilt sich weder auf die Seite Putins, noch auf die Seite der NATO zu schlagen, sondern unseren Kampf gegen den Klimawandel als Kampf gegen das System aus konkurrierenden imperialistischen Nationalstaaten zu führen. Eine große Stärke unserer Bewegung ist dabei ihre internationale Vernetztheit. So lässt sich ein internationales System auch nur durch global koordinierten Widerstand bekämpfen.

  1. Wie lässt sich das praktisch umsetzen?

Die Klimacamps in Leipzig und im Rheinland, aber auch der Interregionale Sommerkongress in Darmstadt bieten gute Möglichkeiten dafür, einen solchen Strategiewechsel zu diskutieren. Die Klimacamps könnten als Vorbereitung dafür dienen, eine Klima-Aktionskonferenz vorzubereiten, in der alle Teile der Klimabewegung durch wähl- und abwählbare Delegierte repräsentiert sind. Die Wähl- und Abwählbarkeit der Delegierten ist dabei besonders zentral, um die Verselbstständigung von Führungspersonen zu verhindern (danke für nichts Luisa…) und eine basisdemokratische Kontrolle von unten gewährleisten. Die rassistischen Vorfälle innerhalb der Klimabewegung haben außerdem die Notwendigkeit aufzeigt, die Frage der Verschränkung von strukturellem Rassismus, (Neo-)Kolonialismus und Klima auf die Tagesordnung zu holen, sowie auch bewegungsinterne Schutzräume für POCs zu schaffen. Der Charakter einer solchen Konferenz sollte darauf ausgerichtet sein, ein gemeinsames Aktionsprogramm zu verabschieden, in dem wir uns auf gemeinsame Forderungen und Aktionen einigen. In Vergangenheit ging es auf Klimacamps und -konferenzen häufig um Vernetzung, Spiel&Spaß sowie interessante Workshops. Das ist auch nicht verkehrt, jedoch sollte im Zentrum der basisdemokratische Beschluss eines verbindlichen Aktionsprogrammes stehen, damit wir als Klimabewegung nach einer solchen Konferenz gestärkt auf dasselbe Ziel zugehen.

Um den oben beschworenen Druck auf Sozialdemokratie und Gewerkschaftet praktisch aufzubauen sind neben offenen Briefen auch Aktionen vor Gewerkschaftszentralen, Betriebstoren oder zu Parteiversammlungen nötig.

Gleichzeitig müssen wir anfangen unser Aktionsprogramm auch dort unter die Leute zu bringen, wo wir uns tagtäglich aufhalten: in unseren Schulen, Unis und Betrieben. Vor Ort müssen wir Basiskomitees aufbauen, die kontinuierlich Arbeit zum Klimaproblem machen und diese mit den sozialen Problemen vor Ort verknüpfen. Anstelle sich nur unter Gleichgesinnten zu bewegen, lohnt es sich durch Mobilisierungen, Vollversammlungen und kleineren Aktionen vor Ort die Debatte zu anderen Leuten zu bringen und unsere Themen sichtbarer zu machen. Das sorgt für eine stetige Auseinandersetzung und befähigt gleichzeitig viele von uns, sich mehr einzubinden. Vor allem, ist die Hemmschwelle, sich einzubringen, für viele dort wesentlich geringer. Lasst uns Vollversammlungen und Veranstaltungen an unseren Schulen und Unis organisieren, auf denen wir gemeinsam mit den Belegschaften und Gewerkschaften diskutieren. Gleichzeitig sollten wir als Schüler_Innen, Studis und Aktivist_Innen Streikversammlungen und Streikposten von Beschäftigten besuchen, um unsere Solidarität auszudrücken und gemeinsame Schnittstellen im Kampf für eine bessere Welt auszuloten.




Die Wohnungsfrage in Zeiten von Krieg und Rassismus

Aus: „Was hat der Krieg eigentlich mit mir zu tun?“

Gastbeitrag von Resa Ludvin

Du wohnst in Berlin, München oder Köln und hast massive Probleme, eine bezahlbare Bleibe zu finden? Da bist du nicht die*der Einzige und das ist nichts Neues. Der angespannte Wohnungsmarkt trifft in besonderen Maße Menschen mit geringem Einkommen, tatsächlichem oder vermeintlichen Migrationshintergrund (ja, Name und Hautfarbe bestimmen wesentlich über Zu- und Absage) und Alter. In all diesen Gruppen werden Flinta (das steht für Frauen*Lesben*Inter*Non-Binary*Trans*Agender) nochmal extra benachteiligt.

Jetzt ist Krieg und Tausende flüchten täglich aus der Ukraine nach Polen, Rumänien oder Deutschland. Sie alle brauchen ein Dach über dem Kopf. Sie brauchen eine menschenwürdige Unterbringung – sprich nicht nur ein Feldbett in einer Turnhalle oder Sammelunterkunft, sondern einen sicheren, bedarfsorientierten Rückzugsort, Internet, eine Ansprechperson für medizinische, aufenthaltsrechtliche Fragen und und und. Und je nachdem wie lange der Krieg geht, braucht es nicht nur kurzfristige Lösungen. Private Unterbringung, die es derzeit überall gibt, ist zwar eine ehrenwerte Geste der Solidarität, bedeutet aber auch Verantwortung. Nicht allen scheint klar, dass es keine „Wochenendgäste“ sind. Zumindest mehrere Wochen muss man damit planen, das jetzt zur Verfügung gestellte Bett oder Zimmer zu vergeben. Die Alternative für die Menschen heißt sonst Geflüchtetenunterkunft oder Schlimmeres. Je länger der Krieg dauert und je mehr Menschen aufgenommen werden, desto schlechter wird auch die Unterbringung sein. Bereits jetzt machen sich das die „Spanner“ und Menschenhändler_Innen zu Nutze, die an den großen Umsteigebahnhöfen warten und angeblich Wohnraum anbieten. Verzweifelte Frauen und Mütter gehen ihnen aufgrund nicht vorhandener Alternativen auf den Leim. Ihnen droht Gewalt und Ausbeutung. Wieder einmal zeigt sich hier die besondere Verbindung von Geschlecht und Krieg. Schon nach kurzer Zeit sind viele Wohngebiete unbewohnbar geworden, Familienangehörige gefallen. Ein längerer Aufenthalt der Menschen, ob gewollt oder ungewollt, wird daher immer wahrscheinlicher. Dafür braucht es Wohnraum. Nur ist der, gerade in Großstädten, angeblich knapp. Bezahlbar ist er auch nicht.

Teile und Herrsche

Rassismus auf dem Wohnungsmarkt ist allgegenwärtig. Der Nährboden ist auch ohne Krieg da, weil hier unterschiedliche diskriminierte Gruppen gegeneinander ausgespielt werden. Rassismus trifft Klassismus, am Ende freuen sich die profitorientierten Vermieter_Innen. Und Geflüchtete befinden sich sehr weit unten in der Nahrungskette. Nun besteht die Gefahr, dass selbst diese noch in „die Guten“ und „die Schlechten“ auseinanderdividiert werden. Weiße, europäische Geflüchtete stünden in dieser Hierarchie vor jenen, die auch aus der Ukraine geflüchtet sind, aber beispielsweise aus Afrika stammen und sich zum Studieren im Land aufhielten. Dann folgen erst die Geflüchteten aus anderen Ländern, die bereits hier in Unterkünften leben. In Berlin geht unter Helfer_Innenstrukturen das Gerücht herum, dass diese zu Gunsten der ukrainischen Geflüchteten die Unterkünfte verlassen müssten. Wenn das stimmt, hieße das für die Betroffenen eine dramatische Verschlechterung bis hin zur Obdachlosigkeit. Flucht ist allgegenwärtig. Während es in Europa eine Solidarität mit der Ukraine gibt- weiß und nah dran- gibt es überall auf der Welt andere Konflikte und unhaltbare Lebenssituationen, die Menschen zum Flüchten zwingen. Dabei geht das Sterben im Mittelmeer weiter. Diese Menschen stehen ganz unten.

Immer da, wo es von dem einen zu viel und von dem anderen zu wenig gibt, entstehen Konflikte. In diesem Fall Menschen, die Wohnraum suchen. Diese Menschen gegeneinander auszuspielen, beschleunigt die kapitalistische Wirtschaft und unterdrückt die Vereinigung dagegen. Die Ausgrenzungsmechanismen heißen Rassismus, Sexismus und Klassismus. Eine neue rassistische Welle, die sich gegen russischsprachige Menschen richtet, hat bereits begonnen. Menschen werden auf der Straße oder am Arbeitsplatz angefeindet. In Berlin gab es sogar einen Brandanschlag auf eine russisch-deutsche Schule. Je länger der Krieg dauert und je mehr Geflüchtete kommen, desto mehr wird sich dies ausbreiten. Erst wird es sich gegenüber Geflüchteten aus anderen Regionen der Welt richten, die dann unerwünscht sind. Letzten Endes besteht aber auch die Gefahr, dass er sich gegen Ukrainer*innen richten wird. Gegen „zu viele“ die kämen. Gegen andere politische, kulturelle oder religiöse Vorstellungen. Gegen Männer, die angeblich kämpfen müssten. Gerade das ist ein beliebtes Narrativ von Rechten und Reaktionären, die im gleichen Atemzug stolz auf militärische Wehrfähigkeit und Standhaftigkeit sowie auf ihre Vorväter (höchstwahrscheinlich dann auch Nazis) sind, die das zerstörte Land „alleine aufgebaut hätten“.

Die Krisen verstärken sich

Zurück zu Rassismus auf dem Wohnungsmarkt und die Auswirkungen des Krieges: In einer Stadt wie Berlin gibt es viel Leerstand, da mit Wohnraum spekuliert oder er zweckentfremdet wird. Der Kampf um ihn hat bereits begonnen. Der Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage wird zum angeblich „unausweichlichen“ Vorwand, um den Preis in die Höhe und den Rassismus weiter voranzutreiben. Auch jetzt gibt es Hausverwaltungen, die offen sagen „Hier nicht mit Kopftuch“ oder „schwarze Menschen wollen wir hier nicht“. Obwohl das verboten ist, helfen hier weder Anzeigen noch Gerichte. Menschen werden aus ihnen Wohnungen parallel dazu herausgeklagt, zwangsgeräumt. Das trifft nicht nur linke Hausprojekte, sondern auch viele Menschen, deren Häuser verkauft oder saniert wurden. Wiederum sorgt das dafür, dass es Menschen mit geringerem Einkommen noch schwieriger haben, etwas Neues in der Stadt zu finden. Sie werden an den Stadtrand oder darüber hinaus verdrängt. Zur Unterbringung der Menschen aus der Ukraine werden gerade vom Staat sowie der Privatwirtschaft ungewöhnliche Objekte wie Hotels in der Stadt aktiviert. Die vertriebenen Mieter_Innen fragen sich dann zu Recht: „Und warum habt ihr einen Scheiß für mich getan?“. Der Mechanismus des Rassismus‘ greift. Die gebeutelte Arbeiter_Innenklasse wird dann von „bürgerlichen Helfer_Innen“ als zu wenig solidarisch und allgemein als rassistisch dargestellt. Ein gefundenes Fressen für rechte Strukturen. Vergessen wird dabei, dass die deutsche Arbeiter_Innenklasse keine rein weiße Gruppe ist. In Berlin sind die Kiezkämpfe um Wohnraum geprägt von der migrantischen Linken, die Hand in Hand über rassistische Deutungsmuster hinausgehen. Wo Rassismus ist, muss man ihn benennen und bekämpfen. Wir als Revolutionär*innen greifen hier im Besonderen die materielle Grundlage an und versuchen die Kämpfe der Menschen zu verbinden.

Die Besetzung in der Habersaathstraße in Berlin Ende 2021 hat gezeigt, nur wer kämpft kann auch siegen, anstatt sich jetzt Seit‘ an Seit‘ mit der Regierung zu stellen. Die im Bund rüstet auf und liefert Waffen, die lokale Regierung -zumindest in Berlin- hat es die ersten zwei Wochen nicht mal geschafft, Essen für die Ankömmlinge am Hauptbahnhof zu organisieren. In dem Haus in Berlin Mitte konnten nun ehemalige Obdachlose einziehen. Das ist der Spirit der Stunde. Es braucht nicht nur langfristig mehr Wohnungsbau, sondern auch kurzfristig Enteignung und Besetzung, um die vielen Menschen ohne Bleibe in der Stadt unterzubringen- unabhängig vom Aufenthaltstitel, Hautfarbe, Name, Religion oder Geldbeutel. Wohnen ist ein Grundrecht! Das geht nur wenn wir unsere Kämpfe und Kräfte verbinden. Daher fordern wir:

  • Eine Einheitsfront der Linken gegen Krieg und Rassismus!
  • Enteignung und Nutzbarmachung sämtlichen leerstehenden Wohnraums!
  • Entschädigungslose Enteignung der Wohnungskonzerne!
  • Staatlich geregelte Wohnungsvergabe statt spekulierender Privatwirtschaft!
  • Bezahlbaren Wohnraum für alle!
  • Gegen Rassismus, immer und überall!
  • Lasst uns unsere Kämpfe verbinden und gemeinsam die soziale Frage angehen!



Gentrifizierung – Sind die Yuppies schuld daran?

von Felix Robeson

Die Mieten steigen überall und in den Städten können sich viele ihre Wohnung kaum noch leisten. Gleichzeitig verändern sich die Viertel teilweise extrem. Wo gestern noch ein Discounter war, ist jetzt ein Biosupermarkt mit veganem Café und statt günstigem Wohnraum gibt’s  Luxusbuden. Und an all dem sind die Yuppies Schuld? So zumindest wird es uns immer wieder erzählt. Doch wer sind diese Yuppies überhaupt und was haben sie mit der Veränderung der Städte und der Gentrifizierung zu tun?

In der Schule…

Im Schulunterricht wird uns Folgendes über Gentrifizierung beigebracht: Ein Viertel ist runtergekommen und würde nur von relativ armen Menschen bewohnt. Da das Leben in den umliegenden Bezirken teurer werden würde, zögen dann immer mehr Studierende und Künstler_Innen in dieses Viertel, weil es dort billigen Wohnraum gibt. Als junge kreative Menschen würden sie eine Art Subkultur schaffen und wandeln somit den Charakter des Viertels vom heruntergekommenen Arbeiter_Innenviertel zum hippen Szeneviertel. Im Laufe der Zeit ziehe dieses Szeneviertel immer mehr vergleichsweise junge Menschen (Young Urban Professionals = Yuppies) an, die Karriere machen und viel Geld verdienen. Dadurch würden die Mieten steigen und die ursprünglichen Mieter_Innen und auch die, die das Viertel einst aufwerteten, würden aus den Vierteln verdrängt. So könne es in Berlin im Friedrichshain und im Prenzlauer Berg beobachtet werden und fände es aktuell in Kreuzberg und Neukölln statt. Also sind doch die, die zuziehen, Schuld daran, dass die, die hier schon wohnen, keine neue Wohnung mehr bekommen? So zumindest hört man es von bürgerlichen Theoretiker_Innen und auch erstaunlich oft aus der Linken. Dabei steigen die Mieten auch dort, wo die Yuppies nicht hinziehen.

Warum steigt die Miete?

Dass die Miete steigt, liegt daran, dass Kapitalist_Innen mit dem Vermieten von Wohnungen Gewinn erwirtschaften wollen, wobei der Zuzug in bestimmte Viertel ausgenutzt werden können. Ein extremes Beispiel stellt dabei die VONOVIA dar, die größte deutsche Immobiliengesellschaft. Von jedem Euro Miete fließen dort 38 Cent direkt in die Tasche der Eigentümer_Innen. Die VONOVIA ist dabei nur ein Beispiel, welches sich vergleichbar auf alle unternehmerischen Vermieter_Innen und Immobilienkonzerne anwenden lässt.

Schauen wir uns zunächst an, woraus die Miete besteht und wer davon profitiert. In der Miete ist zunächst die Grundrente enthalten, also das was für den Boden, auf dem das Haus steht, gezahlt wird. Weiterhin gehen die Bau- und Reparaturkosten (Betriebskosten) in die Miete ein, hier zieht z.B. die Bauindustrie ihren Profit heraus. Da für den Grundstückskauf und den Bau eines Gebäudes meist Kredite bei einer Bank aufgenommen werden, zieht auch die Bank in Form von Zinsen auf die Kredite Gewinn aus der Vermietung. Wenn wir diese Größen von der Miete abziehen, erhalten wir das, was in der Tasche des Vermieters landet. Da die Mieter_Innen seltenst in Besitz ihrer Wohnung kommen werden, leihen sie sich diese für Geld immer wieder neu aus, so dass der ursprüngliche Kostenpreis des Hauses mehrfach in Miete gezahlt wird.

Hinzu kommt die Krise des Kapitalismus: Viele Kapitalist_Innen investieren in den Immobilienmarkt, weil in der Industrie nicht mehr ausreichend Gewinne zu erwarten sind, obwohl normalerweise die Immobiliengeschäfte weniger einbringt. Daran sieht man die momentan Notlage und die Flucht in andere Sektoren. Der Run auf den Immobiliensektor wird also größer und die Kommerzialisierung steigt, wodurch sich die Lage anspannt.

Dazu kommt noch die künstliche Wohnraumverknappung: Entweder man lässt Häuser leer stehen als „Spekulationsobjekte“ oder vermietet sie beispielsweise als Ferienwohnungen. Plötzlich stehen den Mieter_Innen weniger Wohnungen zur Verfügung. Für die wenigen verfügbaren Wohnungen können die Vermieter_Innen höhere Preise verlangen als bisher.  Es klingt im ersten Moment vielleicht absurd, aber je weniger Wohnraum verfügbar ist, desto besser ist es für den Gewinn der Kapitalist_Innen, denn der Bedarf an Wohnraum sinkt ja nicht. Wir stehen also vor dem Widerspruch, dass eben weil Kapital in die Städte fließt, die Wohnungskrise verschärft wird, zumal die Konzerne wie VONOVIA vor Allem bestehenden Wohnraum aufkaufen anstatt für neuen zu sorgen.

Ist das jetzt schon Gentrifizierung?

Nicht nur. Steigende Mieten machen dabei einen Teil der Gentrifizierung aus. Gentrifizierung umschreibt Verdrängung durch Aufwertung von Vierteln. Neben dem Gewinn aus der Miete gibt es in der Immobilienwirtschaft eine zweite Möglichkeit Geld zu verdienen. Dabei kaufen die Kapitalist_Innen Grundstücke (tw. Mit alten Gebäuden darauf) in Vierteln, die aktuell noch günstig sind, bei denen aber eine Aufwertung in den kommenden Jahren wahrscheinlich ist. Eine solche Aufwertung kann stattfinden durch das gezielte Bauen einzelner moderner Wohnhäuser für reiche Mieter_Innen oder auch durch staatliche Förderungen durch steuerliche Vergünstigungen beim Neubau oder Modernisieren oder durch die günstige Lage innerhalb der Stadt. In Berlin-Kreuzberg findet dieser Prozess in den letzten Jahren massiv statt. Teilweise hat sich der Preis für Grundstücke dort in den letzten 10 Jahren verzehnfacht. Oft werden diese Grundstücke gekauft, um sie nach Jahren der Wertsteigerung weiterzuverkaufen, ohne dass sie währenddessen bewohnt werden.

Der Strukturwandel im Kiez wird dabei durch die Politik oftmals gefördert. Nicht nur, dass öffentlicher Wohnraum (sprich der Staat ist Eigentümer durch eigene Gesellschaften) privatisiert wird und in die Hände von VONOVIA und Co gerät. Nachdem die Besitzer_Innen jahrelang nichts an den Immobilien gemacht haben, bekommen sie steuerliche Vergünstigungen, wenn sie nun doch ein neues Wohnhaus auf dem Grundstück errichten.  Aufgrund der hohen Preise der Grundstücke wird in diesen Vierteln nur noch für wohlhabende Menschen gebaut, zu großen Teilen auch Eigentum, da sich damit kurzfristig mehr Gewinn erwirtschaften lässt als mit Mietwohnungen. Dadurch wird die ehemals dort lebende Bevölkerung immer weiter aus dem Vierteln verdrängt. Besonders hart trifft es dabei Arbeiter_Innen mit niedrigen Löhnen und Arbeitslose, die sich die immer weiter steigenden Lebenshaltungskosten im Viertel nicht mehr leisten können. Neben den Mieten steigen in solchen Vierteln dann auch die Kosten für Lebensmittel und Dienstleistungen an. Wo früher der Discounter war, ist jetzt der besagte Biomarkt und teurer Einzelhandel. Die Yuppies, die in den Kiez ziehen, sind somit lediglich der Ausdruck der Gentrifizierung, nicht aber ihr Auslöser. Der Auslöser der Gentrifizierung ist die Spekulation und Gewinnmaximierung von Kapitalist_Innen durch unseren Wohnraum.

Gegen die Gentrifizierung können wir uns also nur wehren, wenn wir gegen die Kapitalist_Innen kämpfen, die sich durch unserer Miete bereichern und mit unseren Wohnungen spekulieren. Deshalb fordern wir:

  •  Keine Rendite mit der Miete! Massiver Ausbau des sozialen Wohnungsbaus, auch innerhalb der Städte!
  •  Entschädigungslose Enteignung von Vonovia, Deutsche Wohnen &  Co– Die Wohnungen, denen die sie brauchen  unter Kontrolle von Mieter_Innen- und Arbeiter_Innenräten!
  •  Die Stadt gehört uns: Für den Ausbau von kostenlosen Freizeit- und Kulturangeboten, sowie öffentlichen Nahverkehr – demokratisch geplant!

 




Umfairteilen – Alle auf die Straße am 29. September

Aktion der Antikrisenbewegung 2011 vor einer Berliner Bank!

Die Krise greift um sich! Nicht nur in Spanien und Griechenland, sondern auch in Deutschland sind wir Jugendlichen von massiven Kürzungen betroffen. Zwar haben wir noch keine Jugendarbeitslosigkeit von 50%, wie in Südeuropa. Doch auch in Deutschland gibt es zahlreiche Sparmaßnahmen an Schulen und Unis, vor allem Jugendzentren sind von Schließungen betroffen. Unsere Perspektiven sind miserabel: Kaum gute Ausbildungsplätze, schlechte Arbeitsbedingungen und das bei sinkendem Lohn.

Warum sollen ausgerechnet wir für diese Krise hinhalten? Warum sollen nicht die, die Krise verursacht haben, nämlich die Banken und Konzerne, bezahlen? Als Antwort auf diese Frage ruft das Bündnis „UmFAIRteilen“ am 29. September zum bundesweiten Aktionstag auf. Es fordert die Reichen zu besteuern und Abgaben auf hohe Vermögen zu leisten.

Wir von REVOLUTION unterstützen diese Forderungen, doch unserer Meinung nach braucht es mehr! Wir wollen das System beenden, das die Grundlage der Machenschaften der Reichen ist. Dafür brauchen wir europaweite Aktionen – getragen von Jugendlichen, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen.

Beteiligt euch am 29. September an den Aktionen von „UmFAIRteilen“ – organisiert den Widerstand gegen das Europa des Kapitals!

  • Ruecknahme und stopp aller Sparmassnahmen und reaktionaeren Gesetze!
  • Massive Besteuerung von Reichtum und Gewinnen!
  • Fuer einen Schuldenschnitt verschuldeter Staaten, Nein zur antisozialen Schuldenbremse!
  • Enteignet die Banken unter Kontrolle der Arbeiter_innen und kleinen Sparer zu einer zentralen Staatsbank!
  • Fuer die entschaedigungslose Verstaatlichung der Schlüsselindustrien unter Arbeiterkontrolle, anstatt weiterer Privatisierungen!

Kurzaufruf von REVOLUTION-Berlin, ein längerer inhaltlicher Artikel folgt in Kürze