Kritik des Feminismus

Stefan Katzer, Gruppe ArbeiterInnenmacht, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung No. 6

Die feministischen Kämpfe und Bewegungen lassen sich grob in drei „Wellen“ aufteilen.

Die erste Welle des Feminismus bezeichnet die bürgerliche Frauenbewegung, die bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts (bis in die 1920er Jahre) eine wichtige politische Rolle spielte. Ausgehend und Bezug nehmend auf die Ideale der französischen Revolution forderten die FeministInnen der ersten Welle vor allem gleiche Rechte (Wahlrecht; politische Teilhabe), gleichen Lohn, den Zugang zu Universitäten und öffentlichen Ämtern und die Beendigung der Vorherrschaft und Gängelung der Frauen durch Ehemänner und Väter.

Stark vertreten waren diese FeministInnen vor allem in Europa, den USA und Australien. Trotz zu unterstützender, progressiver demokratischer Forderungen, welche auch im Interesse der ArbeiterInnen waren, machte sich allerdings schnell die Klassenschranke dieser Art des Feminismus bemerkbar. Er war wesentlich ein von bürgerlichen Frauen getragener und auf die Bedürfnisse der Frauen jener Klasse zugeschnittener Feminismus, welcher blind blieb für die materiellen Ursachen der Ungleichheit zwischen Männern und Frauen in der kapitalistischen Epoche. Diese Klassenschranke trat besonders deutlich hervor, als große Teile der ersten Welle der Frauenbewegung in Bezug auf den ersten Weltkrieg den Standpunkt ihrer, d. h. der herrschenden Klasse, einnahmen und offen für die „Vaterlandsverteidigung“ eintraten, d. h. für den imperialistischen Krieg. So kam es zu einer Spaltung dieser bürgerlichen Frauenbewegung, wobei ein kleinerer Teil hinüberwechselte in das proletarische Lager. Der bürgerliche Feminismus dieser Periode zerfiel oder ging auf im Nationalsozialismus, mit dessen Ideologie man sich fortan arrangierte.

Die zweite Welle der Frauenbewegung, die sogenannte Frauenbefreiungsbewegung, entstand nach dem Ende des 2. Weltkriegs. Im Zuge veränderter materieller Verhältnisse, welche Frauen die Möglichkeit höherer Bildung, besserer Einkommen und den Zugang zu Verhütungsmitteln verschafften, veränderte sich auch das Bewusstsein der Frauen, die noch immer einer klaren rechtlichen und sozialen Diskriminierung ausgesetzt waren.

Die soziale Basis dieses neuen Feminismus bildeten aber wiederum nicht die Gesamtheit der ArbeiterInnen, sondern vor allem Frauen der Intelligenz und höhere proletarische Schichten. Dies hatte Einfluss auf den politischen Charakter dieser Frauenbefreiungsbewegung, welcher als kleinbürgerlich klassifiziert werden kann. Doch unterschieden sich die Zusammensetzung und Inhalte dieser Frauenbefreiungsbewegung je nach konkreter gesellschaftlicher Situation, wobei in Europa der Einfluss der ArbeiterInnenbewegung und der intensiver geführte Klassenkampf (im Gegensatz zu den USA) eine stärkere Orientierung auf sie beförderte.

So gingen von der 2. Welle der Frauenbewegung wichtige Impulse aus, die auch den vorherrschenden Sexismus in der ArbeiterInnenbewegung thematisierten und die Frage der Frauenbefreiung in die ArbeiterInnenbewegung hineintrugen. Tatsächlich waren solche Fragen in der ArbeiterInnenbewegung lange Zeit ausgeklammert worden oder wurden nur sehr verkürzt behandelt.

Gleichzeitig gelang es den FeministInnen jedoch nicht, ihre eigenen Beschränkungen zu überwinden und eine revolutionäre Klassenposition zu entwickeln. Vielmehr zerfiel die zweite Welle nach dem Ende des Nachkriegsbooms in verschiedene Strömungen, welche allesamt ihre je spezifischen theoretischen und politischen Verkürzungen nicht überwinden konnten.

Die kleinbürgerlichen RadikalfeministInnen gingen davon aus, dass Frauen eine eigene unterdrückte Kaste bzw. Klasse darstellen. Deren Hauptfeind seien „die Männer“, welche in Form des „Patriarchats“ eine Klassenunterdrückung geschaffen hätten, welche grundlegender sei als alle anderen Formen der Unterdrückung. Grundlage dieser patriarchalischen Unterdrückung der Frauen sei die Gewalttätigkeit der Männer, welche zugleich das Mittel zur Aufrechterhaltung der Unterdrückung darstelle. Nicht die herrschenden Produktionsverhältnisse seien also der Hebel zur Überwindung der „Männerherrschaft“, sondern die Bekämpfung der Männer als feindlicher Klasse. Dies führte nicht nur zum Ausschluss von Männern aus diesen Zusammenhängen, sondern selbst heterosexuelle Frauen wurden teilweise ausgeschlossen, da sie ja mit dem Klassenfeind „kollaborierten“.

Darüber hinaus bestand die Strategie dieser RadikalfeministInnen häufig darin, sich an den bürgerlichen Staat zu wenden, um von diesem die Bekämpfung diskriminierender und unterdrückerischer sexistischer Praktiken einzufordern. Dies führte zu teilweise reaktionären Anti-Porno-Kampagnen, von denen vor allem Homosexuelle negativ betroffen waren, da der Staat hier in besonderer Weise „unsittliches Verhalten“ ausmachte.

Letztlich waren also auch die RadikalfeministInnen blind für die materiellen Ursachen der Frauenunterdrückung. Sie verkannten, dass „das Patriarchat“ kein von den jeweils herrschenden Produktions- und Klassenverhältnissen zu trennendes, selbstständiges Ausbeutungsverhältnis darstellt, sondern immer mit diesen vermittelt ist und selbst historischen Wandlungen unterliegt. Entsprechend konnten sie auch keine Perspektive entwickeln, welche es ihnen ermöglicht hätte, die Klassenfrage angemessen zu berücksichtigen und entsprechende politische Strategien zu entwickeln, welche in den (proletarischen) Männern nicht den Hauptfeind ausmachen, sondern (potentielle und letztlich notwendige) Verbündete Im Kampf um die allseitige Befreiung.

Die „sozialistischen FeministInnen“ versuchten, auf diese Verkürzungen eine Antwort zu geben, indem sie sich verstärkt auf die ArbeiterInnenklasse fokussierten. Gleichzeitig machte es ihnen der herrschende Stalinismus unmöglich, im so verfälschten „Marxismus“ eine Alternative zu sehen. Dies führte dazu, dass sich diese „sozialistischen FeministInnen“ zwar an Marx orientierten, aber gleichzeitig eigene theoretische Konzepte entwickelten, welche die bei Marx ausgemachten „Verkürzungen” überwinden sollten. Der Vorwurf gegenüber der Marx’schen Theorie lief auf die Feststellung hinaus, dass dieser bei seiner Analyse „geschlechtsblind” gewesen sei und nicht erkannt habe, welche Rolle speziell die Reproduktion, also die Arbeit im Haushalt, für die Kapitalverwertung spiele. Es seien besondere, von den herrschenden Produktionsverhältnissen relativ autonome „Reproduktionsweisen”, welche eine besondere Dynamik der Frauenunterdrückung begründeten, welche wiederum tiefer liege als die Klassengegensätze.

Ähnlich wie die RadikalfeministInnen sehen die sozialistischen FeministInnen im „Patriarchat” eine eigenständige Unterdrückungsstruktur „der Männer” gegenüber „den Frauen”. „Die Familie” wird gewissermaßen als selbstständige Unterdrückungsinstanz konzeptualisiert, wobei deren Wandlungen und je spezifischen Vermittlungen mit den herrschenden Produktionsverhältnissen nicht zur Kenntnis genommen werden. So kam es, dass auch die sozialistischen FeministInnen eher Bündnisse mit ihren (falschen) bürgerlichen Schwestern eingegangen sind, als gemeinsam mit ihren proletarischen Brüdern gegen die Klassenherrschaft der Bourgeoisie und die kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu kämpfen, welche die materielle Grundlage der Frauenunterdrückung darstellen. Dies war freilich, wie bereits angeführt, nicht nur die „Schuld” der sozialistischen FeministInnen, sondern ist auch auf die Haltung der StalinistInnen zurückzuführen, welche es den sozialistischen FeministInnen beinahe unmöglich machte, ihre Perspektiven in die ArbeiterInnenbewegung zu tragen.

In den 1990er Jahren entwickelte sich in den USA eine dritte Welle der Frauenbewegung. Sie war vor allem eine Reaktion auf einen populären Antifeminismus und auf die Ansicht, dass Feminismus obsolet sei, weil er alle Ziele erreicht hätte.

Angesichts der Ausdifferenzierung innerhalb des heutigen Feminismus scheint eine einfache Einordnung aber nicht ausreichend. Dieser reicht vielmehr von den verschiedenen Spielarten des offen bürgerlichen Feminismus, welcher auch bei konservativen PolitikerInnen auf offene Ohren stößt – vor allem dann, wenn dessen Forderungen den Bedürfnissen der Kapitalverwertung entgegenkommen und etwa der sinnlosen Verschwendung „weiblichen Humankapitals” durch die gezielte Förderung der Aufstiegschancen von (vor allem gut ausgebildeten) Frauen (aus der Mittelschicht) entgegenwirken – bis hin zu solchen Ansätzen, die sich nach wie vor auf Marx beziehen und einen emanzipatorischen Anspruch vertreten.

Hausarbeitsdebatte

Eine einflussreiche Debatte, welche von FeministInnen in den 70er Jahren angestoßen wurde (insbesondere Maria Rosa Dalla Costa, einer italienischen politischen Kämpferin und späteren Dozentin und Selma James, einer US-amerikanischen Theoretikerin/ pol. Kämpferin), ist die sogenannte „Lohn für Hausarbeit”-Debatte oder „Hausarbeitsdebatte”. In der Annahme, dass Marx für wesentliche Formen der Unterdrückung und ökonomischen Ausbeutung blind gewesen sei, konstruierten einige TheoretikerInnen die Familie und die darin geleistete Hausarbeit als eine Form produktiver Arbeit, welche in gewisser Weise die Grundlage der gesamten Mehrwertproduktion darstelle und selbst Mehrwert produziere.

Die zentrale These lautet, dass die Hausarbeit zwar oberflächlich betrachtet den Eindruck erwecke, als sei sie eine persönliche Dienstleistung außerhalb des Kapitalverhältnisses, weil nicht der/die KapitalistIn, sondern der Ehemann als ausschließliche/r AdressatIn der häuslichen Dienstleistungen erscheine. Tatsächlich aber gehe die Hausarbeit direkt in die Mehrwertproduktion des Kapitals ein, sei also produktive, Mehrwert erzeugende Arbeit. Indem nämlich die Hausarbeit die Ware Arbeitskraft des männlichen Arbeiters hinter dem Rücken der industriellen Produktion, also in verschleierter Form, ohne Lohn reproduziere, sorge sie für die Vergrößerung der Mehrwertproduktion, so Dalla Costa. Marx habe dies in seiner Analyse nicht berücksichtigt, da er nicht erkannt habe, dass die kapitalistische Produktionsweise ohne die Reproduktion der Ware Arbeitskraft nicht funktionieren könne. Ohne die Reproduktionsarbeit gebe es aber keine Ware Arbeitskraft, ohne Ware Arbeitskraft gebe es keine Ausbeutung von Mehrarbeit und ohne Ausbeutung von Mehrarbeit gebe es keine kapitalistische Produktionsweise. Die Familie sei also die hauptsächliche Stütze der kapitalistischen Organisation der Arbeit.

In ihrem Versuch, die Frauenunterdrückung „materialistisch” zu erklären und eine eigenständige Frauenpolitik (Frauenstreik etc.) zu begründen, biegt sich Dalla Costa allerdings wesentliche Begriffe der marxschen Analyse so zurecht, dass sie am Ende für die Analyse kapitalistischer Gesellschaften überhaupt nicht mehr zu gebrauchen sind.

Zwei wesentliche Konzepte bilden dabei die Grundlage für die Theorie von der Hausfrau als produktiver Arbeiterin: die Produktion von Arbeitern/Arbeitskraft (d. h. Kindererziehung, Dienstleistung am Ehemann/Arbeiter) und ihre Rolle bei der Konsumtion – Einkaufen, Kochen usw.

Die Behauptung, diese beiden Aspekte der Hausarbeit brächten Mehrwert hervor, ignoriert allerdings zwei wesentliche von Marx gemachte Unterscheidungen, nämlich der zwischen industrieller und privater Konsumtion (d. h. Konsumtion in der Familie) und zum anderen zwischen produktiver Arbeit und einfacher Arbeit, die nur einen Gebrauchswert erzeugt.

Zum Verhältnis von industrieller und privater Konsumtion schreibt Marx:

Die Konsumtion des Arbeiters ist doppelter Art. In der Produktion selbst konsumiert er durch seine Arbeit Produktionsmittel und verwandelt sie in Produkte von höherem Wert als dem des vorgeschossenen Kapitals. Dies ist seine produktive Konsumtion. Sie ist gleichzeitig Konsumtion seiner Arbeitskraft durch den Kapitalisten, der sie gekauft hat. Andrerseits verwendet der Arbeiter das für den Kauf der Arbeitskraft gezahlte Geld in Lebensmittel: dies ist seine individuelle Konsumtion. Die produktive und die individuelle Konsumtion des Arbeiters sind also total verschieden. In der ersten handelt er als bewegende Kraft des Kapitals und gehört dem Kapitalisten; in der zweiten gehört er sich selbst und verrichtet Lebensfunktionen außerhalb des Produktionsprozesses.“ (Das Kapital, Bd. 1, 21. Kapitel)

Zwar wird die private Konsumtion von den KapitalistInnen berücksichtigt, da sie zur Aufrechterhaltung und Reproduktion der Arbeitskraft notwendig ist – und als solche wird sie als „ein notwendiges Moment des Produktionsprozesses“ angesehen. Aber „der Kapitalist kann ihre Erfüllung getrost dem Selbsterhaltungs- und Fortpflanzungstrieb der Arbeiter überlassen.“ Die Tatsache, dass es notwendig ist, zu essen, zu leben und sich fortzupflanzen macht die Familien also nicht zu einem „Zentrum gesellschaftlicher Produktion”. Diese Dinge finden vielmehr ungeachtet der gesellschaftlichen Produktionsform statt. Individuelle Konsumtion zu Hause ist also keine kapitalistische Produktion.

Der/die LohnarbeiterIn gehört sich selbst und verkauft dem/r Kapitalisten/in seine/ihre Arbeitskraft, besser: vermietet sie auf Zeit. Der/die KapitalistIn muss sich also nicht darum kümmern, wie der/die ArbeiterIn sich fortpflanzt und lebt – außer dass er/sie sicherstellen muss, dass die ArbeiterInnen weiterhin dazu gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Während also diese individuelle private Konsumtion im weitesten Sinne ein „Moment“ der Produktion ist, d. h. berücksichtigt wird vor allem bei der Lohnberechnung, so ist sie keinesfalls kapitalistische Produktion. Aus diesem Grunde sagte Marx, die individuelle Konsumtion finde außerhalb des Produktionsprozesses statt.

Eine ähnliche Entstellung der Marx’schen Theorie findet sich in Bezug auf den Begriff der „produktiven Arbeit”. Wie gesagt handelt es sich dabei nicht um eine moralisch bewertende Kategorie, sondern eine der Analyse. Als solche wird sie von Marx in Bezug auf jene Arbeiten verwendet, die unmittelbar für den/die Kapitalisten/in erbracht wird und diesem/r zur Aneignung des Mehrwerts dient. Dass Marx einen solchen Begriff von produktiver Arbeit hat, heißt nicht, dass er für alle anderen Formen von Arbeit blind gewesen sei. Ganz im Gegenteil thematisiert er explizit andere Formen der Arbeit, die er bspw. als „einfache”, d. h. Gebrauchswert erzeugende Arbeit benennt.

Wenn Dalla Costa und James allerdings von Hausarbeit als produktiver Arbeit sprechen, dann werfen sie die Marx’schen Begrifflichkeiten durcheinander und verunmöglichen damit eine tatsächlich materialistische Analyse der Frauenunterdrückung im Kapitalismus, welche für die Entwicklung einer revolutionären Perspektive notwendig wäre.

Wenn sie etwa behaupten, dass Frauen Menschen „produzierten”, dann ist das im biologischen Sinne sicherlich richtig. Das bedeutet aber nicht, dass man deshalb schon von produktiver Arbeit (für eine/n Kapitalisten/in) sprechen kann. Genau dies ist der theoretische Fehlschluss, der letztlich auch zu falschen politischen Forderungen führt. Denn die Ware Arbeitskraft wird nicht als Ware produziert, sondern als Ware verkauft. Der „Produktionsprozess” der Ware Arbeitskraft im Haushalt ist selbst nicht kapitalistisch, er steht vielmehr außerhalb des Lohnarbeit-Kapital-Verhältnisses, welches die systematische Grundlage der Klassen- und Ausbeutungsverhältnisse darstellt. Auch geht die (notwendige Reproduktions-)Arbeit nur dann als wertbildende Arbeit in diese besondere Ware (Arbeitskraft) ein, wenn diese in Form von bezahlten Dienstleistungen erbracht wird.

Der Tauschwert der Arbeitskraft wird durch die Konsumtion materieller Dinge (Essen, Kleidung) und Dienstleistungen (medizinische Versorgung, Ausbildung) geschaffen. Der Gesamtwert dieser Mittel zum Lebensunterhalt ist der Wert der Arbeitskraft. Die zur Aufbereitung dieser Verbrauchsgüter von den Hausfrauen geleistete Hausarbeit wird offensichtlich bei dieser Summe nicht berücksichtigt. Hausarbeit fügt der Ware Arbeitskraft keinen Tauschwert hinzu. Das bedeutet nicht, dass Frauen zu Hause nicht arbeiten – aber diese häusliche Schufterei ist keine kapitalistische Produktion und wird daher bei der Analyse kapitalistischer Produktionsverhältnisse nicht berücksichtigt.

Die Tatsache, dass Marx die im Haushalt geleistete Arbeit nicht als produktive Arbeit fasste, hat also nichts mit seiner angeblichen „Blindheit” gegenüber sexistischen Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnissen zu tun als vielmehr mit der Tatsache, dass diese Arbeit unter kapitalistischen Produktionsbedingungen vom Produktionsprozess wirklich ausgeklammert ist und „privat” stattfindet.

Die Forderung nach „Lohn für Hausarbeit” ist aber nicht alleine deshalb problematisch, weil sie auf einer falschen Analyse beruht (auch auf falschen Annahmen beruhende Forderungen können sinnvoll und unterstützenwert sein), sondern vielmehr, weil sie auch politisch-strategisch einige Probleme aufweist. So zielt die Forderung nach „Lohn für Hausarbeit” gerade nicht auf die Überwindung der Trennung von „produktiver und reproduktiver/gebrauchswertbildender” Arbeiten, also auf die Vergesellschaftung der Hausarbeit in einem Programm gesellschaftlich nützlicher Arbeiten, sondern schreibt diese Trennung und die ihr zugrundeliegende sexistische Zuteilung vielmehr fest.

Da die Hausfrauen darüber hinaus in keinem direkten Verhältnis zum Kapital stehen, haben sie auch kein direktes Mittel, das sie nutzen könnten, um Druck aufzubauen (wie etwa der Streik). Eine Niederlegung der Arbeit im Haushalt würde nicht in erster Linie die KapitalistInnen treffen, sondern vielmehr die Familienmitglieder, die ihre Arbeitskraft auch weiterhin verkaufen müssten, da die Kapitalherrschaft ungebrochen fortbesteht.

Zudem ist Lohnarbeit eine falsche Bezeichnung für solche unmittelbaren Gebrauchswert schaffenden Tätigkeiten und wäre gemäß der irreführenden Logik der Forderung vom/von der LohnarbeiterIn einzufordern statt vom/von der KapitalistIn. Bestenfalls wäre es als Variante eines bedingungslosen Grundeinkommens von ihm/ihr bzw. dem bürgerlichen Staat zu verlangen. Letzteres zementiert im Gegensatz zur Forderung nach Verkürzung der Arbeitszeit, Aufteilung der Arbeit auf alle Erwerbspersonen bei vollem Lohn-/Gehalts- und Personalausgleich die Existenz struktureller Arbeitslosigkeit, statt sie zu bekämpfen. „Lohn für Hausarbeit“ verfestigt genauso den Gegensatz zwischen (indirekt, über den Markt vermittelter) gesellschaftlicher (Re-)Produktion und nicht vergesellschafteter, privat im LohnarbeiterInnenhaushalt unter dem Etikett der bürgerlichen Kleinfamilienform erbrachten Dienstleistungen.

Diese zumeist von proletarischen Hausfrauen häufig neben ihrem Lohnverhältnis in der kapitalistischen Produktion geleisteten Tätigkeiten setzen der Arbeitskraft keinen Tauschwert, wohl aber Gebrauchswert zu. In diesem Sinn kann man von Ausbeutung der ArbeiterInnenhausarbeit sprechen. Im Unterschied dazu produzierte in vorkapitalistischen Ausbeutergesellschaften die Frauenarbeit im Haushalt auch Güter des Mehrprodukts für die herrschenden Klassen. Im Kapitalismus, der den Gegensatz zwischen Produktion und Reproduktion auf die Spitze getrieben hat, erzeugt der ArbeiterInnenhaushalt „nur“ das lebendige Arbeitsvermögen seiner Beteiligten. Diese Subsistenzproduktion wird mit der Aufhebung des Kapitalismus nach und nach ebenso direkt vergesellschaftet wie der blinde, hinter dem Rücken der unmittelbaren ProduzentInnen vergesellschaftete kapitalistische Markt durch eine kollektive Planwirtschaft. Beide Sphären gehen in ihr auf. Sie dient der Reproduktion der frei assoziierten ProduzentInnen einzig und allein und findet dort ihre Schranke, ist nicht mehr Produktion um der Produktion willen. Der Kapitalismus ist wie alle vorhergegangenen Klassengesellschaften eine Gesellschaftsformation, in deren Mitte seine Produktionsweise über alle anderen (z. B. Subsistenzproduktion, Knechtschaft, Sklaverei) überkommenen Produktionsverhältnisse herrscht. Die je spezifische Produktionsweise ist das dynamische Element jeder Gesellschaftsordnung, die sich alles andere unterordnet. Im Kapitalismus erreicht der Familienhaushalt seinen Gipfel an Anachronismus und drängt mehr denn je zuvor nach Vergesellschaftung.




Body Positivity: Webfeminismus oder revolutionäre Frauenbewegung?

Leonie Schmid, Revolution-Germany, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung No. 6

Der Druck auf Frauen, immer gut auszusehen, ist in unserer Gesellschaft wirklich sehr hoch: immer glänzende frisch gewaschene (am besten lange) Haare zu haben, möglichst keine Hautunreinheiten, am besten schlank, aber mit Rundungen und sportlich. Das Schönheitsideal dürfte jedem/r klar sein, der/die sich in sozialen Netzwerken, Geschäften oder auch Schulen herumtreibt. Das führt vor allem bei jungen Mädchen zu massiver Unsicherheit. „Wer schön sein will, muss leiden“, wird hier wörtlich genommen: ob es sich nun darum handelt, bei -10 °C in Minirock und Feinstrumpfhosen in die Schule zu gehen oder um Mitternacht Sit-ups zu machen, um den perfekten Bauch zu bekommen, sich schmerzhaft die Beine zu enthaaren oder nicht ungeschminkt das Haus verlassen zu können. Sich stetig unsicher in seinem Körper zu fühlen, immer hübsch aussehen zu wollen, ist Standard. Was mit Verunsicherung anfängt, kann in mitunter tödlichen Essstörungen enden.

Was ist Body Positivity überhaupt?

Eine Antwort des neueren Feminismus darauf ist Body Positivity. Es handelt sich hierbei um eine Bewegung, die vor allem im Internet sehr erfolgreich ist und Frauen dazu auffordert, sich radikal selbst zu lieben mit all ihren vermeintlichen Makeln und gegen die westlichen Schönheitsideale anzukämpfen. Viele posten Bilder, schreiben Texte und unterstützen sich gegenseitig. In erster Linie ist das eine gute Sache. Sich nicht für seinen Körper zu schämen und dem ständigen Druck, gut aussehen zu müssen, den Kampf anzusagen, ist wichtig.

Leider gibt es ein Problem: Es entsteht ein bisschen das Gefühl, dass jede/r für sich selbst verantwortlich ist und zuallererst selbstbewusst sein muss, bevor der Rest der Gesellschaft einen akzeptiert. Dabei ist der gefühlte Zwang zum Schönheitsideal nichts, was in den eigenen 4 Wänden geklärt werden und simpel wegkonstruiert kann, sondern die Frage muss gesamtgesellschaftlich geregelt werden. Schließlich wird uns Tag für Tag so eingeredet und subtil vermittelt, wie unser Körper eigentlich aussehen soll. Natürlich ist es nett, wenn sich einige Stars auch mal ungeschminkt oder mit Cellulite („Orangenhaut“) zeigen, gar unretuschiert veröffentlicht werden oder Werbekampagnen immer diverser ausfallen. Aber wenn man sich anschaut, wem Fitness und Beautywahn zugutekommen, weiß man, dass ein bisschen Öffentlichkeit, ein paar Likes und Beiträge auch nicht so schnell dazu führen werden, dass die Schönheitsstandards werden verschwinden können. Denn der Profit, der mit Diätpillen, Rasierapparaten, Make-up und Frauenmagazinen, die dazu raten, gemacht wird, lässt sich längst nicht aufwiegen mit diverser, nicht-sexistischer Werbung, die auch trotzdem nur dem Kapital nützt.

Sich selbst zu lieben reicht nicht

Wir unterstützen das Konzept von Body Positivity. Es sollte allen Frauen ermöglichen, ihren Körper bedingungslos zu lieben und nur, wenn sie es von sich aus wollen, ihn zu verändern, auf welche Weise auch immer. Es ist auch wichtig, eine Plattform zu schaffen, zu sehen, dass man nicht alleine mit seinen Zweifeln ist und dem Rest der Welt, der weiterhin unrealistische Beautystandards vertritt, klarzumachen, dass man sich das nicht gefallen lassen muss und soll. Denn gerade für jüngere Mädchen ist es wichtig, Vorbilder zu haben, die nicht die unerreichbare Perfektion des weiblichen, schlanken, weißen Körpers darstellen, sondern einfach „normal“ aussehen. Doch die Gründe für Body Shaming sind trotzdem nicht verschwunden, nur weil man plötzlich selbstbewusster geworden ist. Die gesellschaftlichen Schönheitsideale, der Anspruch an Frauen, immer gut auszusehen und am besten jedem/r zu gefallen, sind Produkte von Frauenunterdrückung, die mit dem Kapitalismus verwoben ist. Kurz gesagt, die Objektifizierung von Frauen liegt in seinen Gesellschafts-, v. a. aber Eigentumsverhältnissen begründet. Sie ist eine Methode, um Frauen zu unterdrücken, sie klein zu halten und auszubeuten. Dahinter steckt die Idee, dass es die Aufgabe der Frau ist, schön zu sein und dem Mann zu gefallen. Dies festigt die Rollenbilder und letzten Endes auch die geschlechtliche Arbeitsteilung innerhalb der bürgerlichen Familie. Diese hat im Kapitalismus die Aufgabe für die herrschende Klasse, ihr Eigentum weiterzuvererben, für die Arbeiter_Innklasse hingegen ist sie Fessel und Ruheort zugleich. Denn im Kapitalismus ist sie der einzige Ort, wo ihre Arbeitskraft reproduziert wird, was zwar positiv ist, aber zu einer Doppelbelastung gerade von Frauen führt. Zusätzlich wird in dieser Familie ebenso das patriarchale, christliche Rollenbild weiter gelebt, die Unterwerfung der Frau. In allen Klassengesellschaften waren Frauen unterdrückt. Es kann sich nur etwas grundlegend an Sexismus und sexueller Unterdrückung ändern, wenn es eine klassenlose Gesellschaft gibt!

Was ist zu tun?

Statt also das Problem nur auf das Selbstwertgefühl einzelner Frauen zu reduzieren, muss das Problem von einer organisierten Arbeiter_innen und Frauenbewegung angepackt werden! Zwar kann Frauenunterdrückung erst vollständig in einer befreiten Gesellschaft abgeschafft werden, dennoch heißt das nicht , dass es bis dahin keine Möglichkeit geben kann, gegen Sexismus vorzugehen. Body Positivity ist begrüßenswert, aber damit sich für alle etwas verändert, müssen wir auch dafür kämpfen, die großen Medienhäuser zu enteignen, um Werbung & Co. unter Arbeiter_Innenkontrolle zu stellen. Daneben bedarf es der Caucusrechte (auf geschlossene Treffen, ungestört unter sich bleiben zu dürfen) in den Organisationen der Arbeiter_Innenklasse wie den Gewerkschaften, wo Frauen sich treffen können, um ihre Erfahrungen mit Sexismus zu thematisieren. Ergänzend dazu bedarf es auch antisexistischer Strukturen, die Männer dazu verpflichten, ihr Verhalten zu hinterfragen und sich mit den Rollenbildern auseinanderzusetzen. Dabei dürfen wir aber nicht stehenbleiben. Der Kampf gegen sexistische Rollenbilder ist auch ein Kampf gegen sexuelle Gewalt, ungleiche Bezahlung und muss auch mit dem Kampf gegen den Kapitalismus verbunden werden!

– Gegen unterdrückerische Schönheitsideale in Werbung und Medien! Enteignet die großen Medienhäuser und die „kulturschaffende“ Industrie (Gameentwickler, Filmproduktionen,..)! Für organisierte Medienarbeit durch Räte aus Zuschauer_Innen, Arbeiter_Innen und Kreative ohne die Reproduktion von Unterdrückung!

– Für einen selbstbestimmten, offenen Umgang mit dem eigenen Körper: Der weibliche Körper darf nicht einerseits tabuisiert und andererseits sexualisiert werden!




Hände weg von unseren Körpern! Abtreibungen international legalisieren!

Ella Mertens, Revolution-Germany, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung No. 6

Ob nun in Chile, den USA, Spanien oder Polen – auf der ganzen Welt protestieren Frauen für ihr Recht, über ihren Körper selber bestimmen zu dürfen. Genauer gesagt: Sie demonstrieren dafür, selbst entscheiden zu können, ob sie im Falle einer Schwangerschaft ein Kind bekommen oder nicht. Wie erfolgreich so eine Kampagne sein kann, sehen wir in Polen. Vor knapp 2 Jahren forderte die Bürger_Inneninitiative von „Ordo Iuris“, einer „Lebensschutz“ organisation, 5-
jährige Haftstrafen für Abtreibungen sowie das Verbot der „Pille danach“ – auch bei Vergewaltigung oder Lebensgefahr für Mutter oder Kind. Diese wurde anfangs von der rechtspopulistischen PiS-Regierung unterstützt. Als jedoch zum sogenannten „schwarzen Protest“ mehr als 100.000 Menschen gegen das Gesetz auf die Straße gingen und viele Frauen die Arbeit niederlegten, sprach sie sich bei der Abstimmung dagegen aus. Allerdings nicht, weil sie spontan ihre Meinung geändert hatte, sondern um laut eigener Aussage ihre Chancen bei der kommenden Wahl zu verbessern.

Dennoch, dank des Protestes konnten die schweren Einschnitte in die Selbstbestimmung über den eigenen Körper abgewehrt werden. Einen ähnlichen Hintergrund haben die Proteste in Irland. Seit mehreren Jahren versuchen Aktivist_Innen, die restriktiven Gesetze des Landes zu verändern, beispielsweise durch den jährlichen „March of Choice“. 2014 wurde erkämpft, dass Abtreibungen bei lebensgefährlichen Schwangerschaften erlaubt werden. Doch ansonsten droht Frauen, die beispielsweise eine Abrruchpille per Internet bestellen, eine 14-Jährige Haftstrafe. Nun wird im Mai diesen Jahres ein Referendum über die Liberalisierung des 1983 eingeführten Gesetzes abgehalten.

Situation in Deutschland

Auch wenn es oftmals anders scheint, in Deutschland ist die Rechtslage in Bezug auf Abtreibungen ebenfalls nicht besonders fortschrittlich. Ein gutes Beispiel dafür ist die Gießener Frauenärztin Kristina Hänel, die auf ihrer Homepage Informationen bezüglich Schwangerschaftsabbrüchen zur Verfügung stellte. Im Rahmen des Paragraphen 219a wurde sie dafür zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt. Denn anscheinend ist sachgemäße Aufklärung über Abtreibung Werbung. Aber das ist nicht alles. Laut Paragraph 218 im Strafgesetzbuch ist ein Schwangerschaftsabbruch nämlich illegal, wenn a) eine Frist von 12 Wochen überschritten wird und b) die Schwangere sich vorher keiner vermeintlich neutralen Beratung unterzieht. Wenn solch eine Beratung nicht stattfindet und trotzdem eine Abtreibung vorgenommen wird, kann das bis zu 5 Jahre Gefängnis für die schwangere Frau oder den/die Arzt/Ärztin bedeuten. Frauen werden also gesetzlich eingeschränkt, wenn sie darüber entscheiden wollen, was sie mit ihrem Körper machen, angefangen bei der Informationsbeschaffung. Was das in der Praxis bedeutet, wird oftmals ausgeblendet. Viele Krankenhäuser unter kirchlicher Trägerschaft lehnen die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen ab. Während man in einer Großstadt sich eine andere Behandlungsstelle suchen kann, sieht das in ländlichen Regionen anders aus. Lehnt das medizinische Personal vor Ort die Behandlung ab, müssen die schwangeren Frauen teilweise 50-100 km bis zur nächstgelegenen Behandlungsstelle fahren. Das ist nicht nur eine emotionale Belastung, sondern ein Kostenpunkt, den sich Geringverdiener_Innen oder Minderjährige oftmals nicht leisten können. Denn neben dem eigentlichen Eingriff bedarf es oftmals auch noch eines separaten Beratungsgespräches.

Allerdings bewegt sich etwas. Das Urteil über die Gießener Frauenärztin hat die Debatte in den Bundestag gebracht. Am 22. Februar werden drei alternative Gesetzesentwürfe diskutiert, die den Paragraph 219a, also jener, der die Informationen über den Schwangerschaftsabbruch kriminalisiert, verändern sollen. Doch das allein reicht nicht. Wir müssen den Prostest ausweiten und mit den Kämpfen von Frauen in anderen Ländern verbinden, beispielsweise durch gemeinsame Aktionstage. Dabei treten wir für das volle Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper ein! Informationen über den Schwangerschaftsabbruch müssen frei verfügbar sein. Dazu gehört auch zu wissen, wo und wie man sich behandeln lassen kann. Daneben bedarf es eines flächendeckenden Ausbaus von kostenlosen Beratungs- und Behandlungsstellen, die säkular, also ohne den Einfluss der christlichen Kirchen oder anderer Religionen arbeiten müssen! Es kann nicht sein, dass Frauen medizinische Hilfe und Selbstbestimmungsrechte aufgrund von Glaubensfragen verweigert werden. Also, lasst uns aktiv gemeinsam aktiv werden und für unsere Rechte kämpfen!

Hände weg von unseren Körpern! Raus mit der Kirche und anderen Religionen aus Gesundheitssystem und Gesetzgebung! Für Abschaffung des Abtreibungsparagraphen sowie der Beratungspflicht!

Für den flächendeckenden Ausbau an Beratungs- und Behandlungsstellen! Vollständige Übernahme der Kosten für eine Abtreibung, egal in welchem Monat, und aller Kosten für Verhütungsmittel durch den Staat!

Für die Abschaffung von Fristen, bis zu denen abgetrieben werden darf! Für die ärztliche
Entscheidungsfreiheit, lebensfähige Kinder zu entbinden!




Totgespart – Pflege in anderen Ländern

Lucia Siebenmorgen, Arbeiter*innenstandpunkt, Fight!  Revolutionäre Frauenzeitung No. 6

Der Gesundheits- und Sozialbereich sind nach wie vor klassische Frauenarbeitsfelder, die schlecht bezahlt werden trotz hoher Arbeitsbelastung. Vom neoliberalen Abbau des Sozialstaates, der gerade in den meisten europäischen Ländern stattfindet, sind die Bereiche ebenfalls besonders stark betroffen. Gerade bei den Krankenhäusern wurde in den letzten Jahren vermehrt sichtbar, was Einsparungen in diesen Bereichen bedeuten und wen sie treffen. Privatisierungen und Personalabbau haben etliche Krankenhäuser in unterschiedlichen Ländern in Krisen gestürzt und teilweise auch zu Protesten bei der Belegschaft geführt wie in Wien seit 2015 durch Proteste von CARE Revolution Wien.

Trend zur Privatisierung

In einigen europäischen Ländern, vor allem jenen, die die Wirtschaftskrise von 2008 besonders hart getroffen hat, kam es zu massiven Sparmaßnahmen, um die Krise der Finanzwelt auf die Bevölkerung abzuwälzen. Diese haben auch den Gesundheitsbereich getroffen, in Griechenland wurde beispielsweise das Budget für diesen Bereich halbiert. Dadurch verloren nicht nur viele Krankenhausangestellte ihren Job, sondern auch die Versicherungszahlen gingen stark zurück: 3 von 11 Millionen Griech*innen sind zurzeit nicht krankenversichert. Es wird außerdem davon ausgegangen, dass etwa 50.000 Menschen in den letzten Jahren gestorben sind, da sie keinen ausreichenden Zugang zu öffentlich zugänglicher, ärztlicher Behandlung hatten und viele Leistungen auf Grund der Privatisierungen der letzten Jahre unerschwinglich geworden sind. Ähnliches kann man in Spanien beobachten.

Die USA, in denen das Gesundheitswesen schon lange zu großen Teilen in privater Hand ist, liefern ein gutes Beispiel dafür, was bei einer weiteren Zerschlagung öffentlicher Strukturen auch europäischen Ländern droht. So sind etwa 28 Millionen US-Amerikaner*innen überhaupt nicht krankenversichert, weshalb Ärzt*innen und Pfleger*innen in ihrer Freizeit ehrenamtliche, kostenlose Versorgung anbiete. Diese können allerdings den Bedarf lange nicht decken und werden als medizinisches Personal an ihre Grenzen getrieben. Während es unter Obama diesbezüglich zumindest einige Verbesserungen gegeben hat wie die Versicherungspflicht, die dafür sorgen sollte, dass alle Arbeiter*innen zumindest minimal versichert sind, hat Trump dies bereits wieder gestoppt. Die Menschen werden dadurch wieder vermehrt von privaten Versicherungen abhängig. Einerseits können viele sich diese gar nicht leisten, andererseits nehmen diese gerade Menschen, die bereits älter sind oder Vorerkrankungen haben, gar nicht auf, da sie höhere Kosten befürchten. Das macht deutlich, was das Hauptproblem an der Privatisierung von Gesundheitssystemen ist – private Unternehmen arbeiten immer für eigenen Profit, wollen Kosten vermeiden und möglichst viele Ausgaben einsparen. Daher sind Unternehmer*innen auch mit Trumps Abschaffung der Versicherungspflicht zufrieden. Sie sind nun nicht mehr verpflichtet, ihre Angestellten zu versichern. Für die Arbeiter*innen bedeutet das nur, dass medizinische Versorgung Luxus ist und man selbst in einem medizinischen Notfall überlegt, ob man nicht mit dem Auto statt mit dem Krankenwagen in die Notaufnahme fährt.

Engagement der Berufsgruppen

In vielen Ländern ist zu beobachten, dass sich Ärzt*innen, Pfleger*innen und sonstiges medizinisches Personal zusammenschließen, um in ihrer Freizeit Krankenversorgung für Menschen, die aus der Krankenversicherung fallen, anbieten zu können. Dadurch wird zwar sichtbar, über welches Engagement diese Berufsgruppen häufig verfügen, andererseits ist dies aber keinesfalls eine zufriedenstellende Lösung. Schon jetzt sind viele Krankhausangestellte in etlichen Ländern von langen Diensten und einem viel zu geringen Personalschlüssel betroffen, wodurch nicht immer die optimale medizinische Versorgung gewährleistet werden kann. Trotz der Tatsache, dass es auch in österreichischen Krankenhäusern Gangbetten gibt und Krankenpfleger*innen immer mehr Aufgaben übernehmen müssen, gibt es für diese Berufsgruppe keine Entlastung. Im Gegenteil: Von neoliberalen Politiker*innen wird laufend über Sparmaßnahmen im Gesundheitsbereich nachgedacht. Der Abbau des Sozialstaates führt auch dazu, dass der Staat sich immer mehr aus der Verantwortung nimmt und Gesundheitsversorgung zu einer privaten Angelegenheit wird, während das medizinisch-pflegerische Personal, das dennoch ausreichende Versorgung gewährleisten möchte, bis zur Erschöpfung ausgebrannt wird.

Es geht auch anders

In Schweden wurde exemplarisch versucht, andere Wege zu gehen, um das Personal zu entlasten und dadurch eine umfangreichere Versorgung zu ermöglichen. In der Stadt Göteborg wurde unter der reformistischen Linkspartei bereits 2015 die 30-Stunden-Woche eingeführt – in Kombination mit Lohn- und Personalausgleich. In den Krankenhäusern gab es 6-Stunden-Schichten, die eine enorme Entlastung für das Personal darstellten. Die Resultate waren nicht nur weniger Krankenstände bei den Mitarbeiter*innen sondern auch wesentlich kürzere Wartezeiten sowie qualitativ bessere Behandlungen für Patient*innen. Die Mehrkosten für 14 neue Kräfte (10 Millionen Kronen = ca. 1 Million Euro) wurden an anderer öffentlicher Stelle zur Hälfte eingespart (Arbeitslosen- und Sozialhilfe, niedrigerer Krankenstand), gar nicht eingerechnet indirekte volkswirtschaftliche Vorteile: gesünderes Personal geht später in Rente, Fachkräfte sind einfacher zu finden, die Ausbildungsbereitschaft im bisher wenig populären Beruf steigt. Trotz dieser Vorteile für die öffentlichen Arbeit„geber“*innen wurde das Projekt aufgrund der Kosten 2017 eingestellt. Vizebürgermeister Daniel Bernmar von der Linkspartei: „Davon, dass Arbeitszeitverkürzung den Arbeitgeber mehr kostet, kommt man in den meisten Fällen nicht weg.“ (NEUES DEUTSCHLAND, 7. Februar 2018, S. 2).

Angestellte im Gesundheits- und Sozialbereich müssen sich gemeinsam gegen die weltweit stattfindenden Privatisierungen und das Sparen bei der Gesundheit von Menschen einsetzen und für bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung kämpfen. Dieser Kampf betrifft vor allem Frauen, die nach wie vor in etlichen schlecht bezahlten Sektoren arbeiten und stark von Armut betroffen sind. Letztlich muss dieser mit dem für eine andere Gesellschaft verbunden sein, in der nicht die privaten Profitinteressen über die Gesundheit und somit auch über Leben und Tod von Menschen entscheiden können.