Antikriegsbewegung in Russland

von Jaqueline Katherina Singh, Artikel aus der FIGHT 2023, unserer Zeitung gemeinsam mit der Gruppe Arbeiter:innenmacht (und anderen Sektionen der LFI) zum 8. März 2023

Ein Jahr seit Beginn des Angriffskrieges – und das Regime Putins scheint nicht zu bröckeln, ja nicht mal kleine Risse zu bekommen. Doch die Fassade täuscht, denn der Druck, den Krieg gewinnen zu müssen, wächst stetig für die russische Regierung. Zwar wurde am Jahresanfang seitens Putins, aber auch der internationalen Gemeinschaft festgestellt, dass die Sanktionen die Nation nicht so stark treffen, wie es sich manch eine/r erhofft hat.

Dennoch ist das Loch im russischen Haushalt nicht besonders klein. Russland verkauft bereits Devisen im Wert von 8,9 Milliarden Rubel (gut 112 Millionen Euro) pro Tag, um das Defizit zu decken. Auch Goldreserven werden veräußert. Die Zentralbank hat zuletzt davor gewarnt, dass ein hohes Defizit die Inflation anheizen könnte. Sie wäre dadurch zu Zinserhöhungen gezwungen, die wiederum die Konjunktur belasten würden. Es kann also nicht ewig so bleiben. Doch wie kann der Krieg beendet werden? Und welchen Widerstand gibt es überhaupt?

Ein grober Überblick

Die Kritiker:innen des Krieges kommen aus allen politischen Spektren in Russland, denn nur die wenigsten profitieren von der sogenannten „Spezialoperation“. So gab es unmittelbar nach dem Einmarsch Petitionen und Positionierungen von bekannten Personen der russischen Öffentlichkeit gegen den Krieg. Aber auch aus der breiteren Bevölkerung kamen offene Briefe wie beispielsweise einer aus der IT-Branche, der von rund 30.000 Beschäftigten unterzeichnet wurde.

Es folgten Aktionen von Künstler:innen wie des Kollektivs Nevoina aus Samara oder die anonyme Bewegung „Krankschreibung gegen den Krieg“. Die größten koordinierten Aktivitäten stellten die Aktionstage am 6. und 13. März 2022 sowie im September dar. Trotz dieser Unternehmungen ist es jedoch bisher nicht gelungen, eine breite Antikriegsbewegung aufzubauen. Die Gründe dafür sind zahlreich.

Die Aktivist:innen selber erleiden seit dem ersten Tag des Krieges eine massive Repression seitens des russischen Staates. Das Versammlungsrecht war bereits vor dem Krieg drastisch eingeschränkt worden. Neben massiver Polizeigewalt gab es bis zum 13. März 14.000 Festnahmen. Diese Ordnungsverwahrungen endeten zwar häufig nach 10 – 15 Tagen, jedoch wurde auch vereinzelt von Fällen berichtet, bei denen Festgenommene gefoltert wurden. Das Ziel seitens des russischen Staatsapparates war von Beginn an, die Proteste im Keim zu ersticken.

So gab es für das gesamte Jahr 2022 laut OVD-Info mehr als 21.000 Festnahmen sowie mindestens 370 Angeklagte in Strafverfahren wegen Antikriegsäußerungen und -reden. Mehr als 200.000 Internetressourcen wurden gesperrt und 11 Urteile wegen Staatsverrats verhängt. Darüber hinaus haben Behörden bestätigt, dass bisher 141 Personen wegen Teilnahme an Antikriegsprotesten mittels Gesichtserkennungssystemen (z. B. in der Moskauer U-Bahn) ermittelt wurden.

Chronik der Repression

Mit der massiven Repression hatte das Putinregime bisher Erfolg. Die Proteste wurden klein gehalten, große Teile der Bevölkerung eingeschüchtert und wichtige Aktivist:innen für den Widerstand haben mit Repression zu kämpfen oder mussten fliehen. Die Oppositionsgruppen haben in dieser Situation Aufrufe zu öffentlichen Kundgebungen eingestellt, weil sie beim aktuellen Kräfteverhältnis nur zum Verheizen der Aktivist:innen führen würden.

Weitere Gründe für diese Schwäche

Doch nicht nur die Repression alleine erschwert den Aufbau einer Antikriegsbewegung. Hinzu kommen zwei weitere Gründe, die wir nur kurz anreißen können:

a) Fehlende Programmatik und Klarheit

Die eher autonom geprägte Gruppe „Alt-Left“ ging in ihrer Auswertung des Aktionstags am 13. März 2022 davon aus, dass die Führung der Bewegung eine liberale Prägung habe und es in der Bevölkerung eine mehrheitliche Unterstützung für die „Spezialoperation“ und eine starke Zunahme des Nationalismus gebe. Das ist natürlich ein Ergebnis von Putins Propagandahoheit, aber auch der Tiefe der historischen Niederlage, die mit der Restauration des Kapitalismus einherging, und einer Linken, die an sich selbst den Zusammenbruch des Stalinismus erfuhr und sich und die Arbeiter:innenklasse bisher nicht so reorganisieren konnte, dass sie einen alternativen gesellschaftlichen Pol gegen Putin darstellen. Teile der „linken“ Kräfte – insbesondere die Spitzen der KPR und der offiziellen Gewerkschaften – unterstützen Putins Krieg. Andere nehmen keine klare Position ein, erkennen das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine grundsätzlich nicht an oder betrachten Russland nicht als imperialistische Kraft. All das hat verhindert, dass sich ein klarer antikapitalistischer und antiimperialistischer Pol in der Bewegung bildete.

b) Mangelnde Verankerung

Weiterhin fehlt eine Verankerung der radikalen, gegen das Regime gerichteten Linken innerhalb der Arbeiter:innenklasse. Letztere ist massenhaft vor allem in der staatstragenden Gewerkschaftsföderation organisiert und durch diese kontrolliert. Die aktuellen Proteste können sich somit richtigerweise gegen den Krieg Russlands richten, aber darüber hinaus können sie in ihrem aktuellen Ausmaß nur die Keimform einer breiten Antikriegsbewegung darstellen. Davon, den Krieg stoppen zu können, sind sie weit entfernt. Die Linke ist marginalisiert, die Arbeiter:innenklasse tritt nicht als eigenständige Kraft auf.

Rolle von Frauen

Doch nicht alles ist aussichtslos. Von Anfang an bildeten Frauen eine treibende Kraft der Antikriegsbewegung. OVD-Info verzeichnete, dass zwischen dem 24. Februar und 12. Dezember mindestens 8.500 Administrativverhaftungen von Frauen wegen Äußerungen von Antikriegspositionen in verschiedenen Formen stattfanden, was etwa 45 % aller bekannten Inhaftierten entspricht.

In den letzten Jahren ist der Anteil der bei Kundgebungen festgenommenen Frauen deutlich gestiegen: 2021 betrug er bei solchen zur Unterstützung von Alexei Nawalny 25 – 31 % und 2022 dort nach Ankündigung der Mobilisierung am 21. und 24. September 51 % bzw. 71 %. Der Autor und Herausgeber Ewgeniy Kasakow kommt im Buch „Spezialoperation und Frieden – Die russische Linke gegen den Krieg“ zur Schlussfolgerung, dass das feministische Spektrum das bestorganisierte in der aktuellen Situation sei. Das liegt seiner Einschätzung nach daran, dass es im Gegensatz zur restlichen Linken am wenigsten gespalten in der Frage der Ukraine gewesen sei. Zum anderen schaffte es am schnellsten, „horizontale Strukturen“ auszubilden, und war somit in der Lage, zu unterschiedlichen Fragen Agitationsmaterialien zu erstellen und Solidaritätskampagnen zu organisieren. Die größte nachvollziehbare Kraft stellt dabei das Netzwerk Feministischer Antikriegswiderstand dar, das aktuell auch die stärkste im Kampf gegen Krieg auszumachen scheint.

Das Feministische Antikriegswiderstand (FAS)

So gab es am 8. März 2022 in über 90 Städten stille Proteste, bei denen Blumen vor Denkmäler gelegt wurden wie beispielsweise einem Wandgemälde in der Kiewer U-Bahnstation in Moskau, das für die russisch-ukrainische Freundschaft steht. Was sich nach einer Kleinigkeit anhört, führte jedoch allein in Moskau zur Verhaftung von 90 Personen und zeigt, wie gering der Spielraum für Proteste ist.

Um so positiver ist es, die Aktivitäten der FAS über die letzten Monate zu verfolgen: Neben der Sammlung von Spenden für ukrainische Geflüchtete, der Unterstützung von nach Russland Abgeschobenen hat sie mehr als 10 Ausgaben der Printzeitung Zhenskaya Pravda (Frauenwahrheit) herausgegeben, mit der sie vom Staat unabhängige Informationen über den Krieg gewährleistet.

Ebenso finden sich Artikel wieder, die thematisieren, wie Söhne vor der Armee geschützt werden können oder sich der Krieg auf das Familienbudget und die Wirtschaft Russlands auswirkt. Auf Teletype veröffentlicht sie regelmäßig Zwischenberichte ihrer Arbeit sowie Reden von einzelnen Koordinator:innen des Netzwerks. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag in der Agitation gegen den Krieg und beweist flexibles Nutzen von Onlineaktivismus und illegaler Arbeit, die nicht nur auf Onlinemedien basieren kann.

Positionen

Klar sollte sein, dass das Netzwerk keine total homogene Struktur verkörpert, die auf Basis eines tiefer gehendenen einheitlichen Programms agiert. Es dient als Sammelbecken für linke wie auch liberale Aktivist:innen in Russland und international, die auch unterschiedliche Einschätzungen bezüglich des Charakters Russlands im Weltgefüge vertreten. Dennoch hat es am 25. Februar ein Manifest veröffentlicht, das mittlerweile in über 20 Sprachen verfügbar ist. Dort bezieht es klar Stellung zum Krieg und schreibt: „Russland hat seinem Nachbarn den Krieg erklärt. Es hat der Ukraine weder das Recht auf Selbstbestimmung noch irgendeine Hoffnung auf ein friedliches Leben zugestanden. Wir erklären – und das nicht zum ersten Mal –, dass der Krieg in den letzten acht Jahren auf Initiative der russischen Regierung geführt wurde. Der Krieg im Donbas ist eine Folge der illegalen Annexion der Krim. Wir glauben, dass Russland und sein Präsident sich nicht um das Schicksal der Menschen in Luhansk und Donezk kümmern und gekümmert haben und dass die Anerkennung der Republiken nach acht Jahren nur ein Vorwand für den Einmarsch in die Ukraine unter dem Deckmantel der Befreiung war.“

Angesichts des russischen Angriffskrieges ist die klare Positionierung der FAS essentiell und unterstützenswert. Im Späteren wurde ergänzt, wem die FAS hilft, wie Unterstützung aussehen kann. Ferner wurden 9 konkretere Forderungen zum Krieg verabschiedet. Auch hier halten wir den Großteil für sinnvoll wie die Ablehnung des bloßen Pazifismus, die Amtsenthebung Putins und aller beteiligten Beamt:innen. Doch sehen wir auch Sachen anders wie beispielsweise in der ersten Forderung: „Für den vollständigen Abzug der russischen Truppen aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine und die Rückgabe aller besetzten Gebiete an die Ukraine (Wiederherstellung innerhalb der Grenzen bis 2014)“.

Wir unterstützen den sofortigen Abzug russischer Truppen, treten jedoch dafür ein, dass die Bevölkerung der Krim sowie der Volksrepubliken unabhängig vom russischen wie vom ukrainischen Staat selbst Referenden organisiert, welchem Gebiet sie sich anschließen will – mit dem Recht, egal wie die Entscheidung ausfällt, Sprache etc. der jeweiligen Minderheit zu schützen.

Veränderung ist möglich

In einem Blogbeitrag beschreibt die FAS die unterschiedlichen Stadien von Antikriegskampagnen und wirft dabei die Frage auf: „In welcher Phase befinden wir uns Ihrer Meinung nach? Wie kann man den Beginn der dritten, vierten und fünften Stufe beschleunigen?“ Besagte Stadien stellen dabei 3. die „Wachstumsphase der Unterstützung“, bei der die Unterstützung über den Kern der aktiven Gruppen hinaus zunimmt und sich das 4. „Stadium der Meinungsbildung“ entwickelt, bei dem die Antikriegsposition in breiten Teilen der Bevölkerung diskutiert wird, hin zum 5. „Stadium der politischen Stärke“, wo beispielsweise der Beginn oder die aktive Wiederaufnahme von Verhandlungen anstehen sowie kleine Zugeständnisse an die Antikriegsbewegung erfolgen.

Manche Lesende werden jetzt vielleicht stutzig werden, da sie sich unter „politischer Stärke“ wahrscheinlich etwas anderes vorgestellt haben. Dem liegt folgende Aussage zugrunde: „Fast alle Forscher sind sich einig, dass die Antikriegskampagne selbst den Krieg nicht beendet: Kriege enden aus anderen Gründen, zu denen neben wirtschaftlicher Erschöpfung auch die Unbeliebtheit und Nichtunterstützung des Krieges in der Gesellschaft gehören. Es sind Kampagnen, die den Grad dieser Unterstützung verändern können, indem sie die Basis von Kriegsgegnern ständig erweitern und neue Menschen in die Bewegung einbeziehen.“

Richtig mag sein, dass Kampagnen nicht Kriege beenden. Dennoch können aus ihnen politische Kräfte entstehen, die sich als Organisationen oder Parteien formen, die eben dies tun. Denn vor allem, wenn das Ziel unter anderem auch die Amtsenthebung Putins sein soll, braucht es eine Kraft, die klar als Alternative auftreten kann.

Doch kommen wir zurück zur eigentlichen Frage: Wie kann die Antikriegskampagne ausgeweitet werden? Diese ist eng verknüpft damit, wen man als Subjekt der Veränderung betrachtet. Dabei glauben wir, dass der Begriff der „Zivilgesellschaft“ nicht hilft, da er das Bild zeichnet, dass zum einen viele Teile der Bevölkerung gleichgestellt sind, zum anderen keine wirkliche Unterscheidung zwischen NGOs, Initiativen und Individuen getroffen wird. Die „Zivilgesellschaft“ in ihrer Gesamtheit besteht aus Schichten, die letztlich entgegengesetzt Klasseninteressen haben können – was es schwierig macht, klare Forderungen zu entwickeln, und den gemeinsamen Kampf notwendigerweise auf eine Reform des bürgerlichen Systems beschränken muss.

Als Marxist:innen gehen wir davon aus, dass die Arbeiter:innenklasse das zentrale Subjekt der Veränderung darstellt. Dabei gehen wir davon aus, dass das Bild der Arbeiter:innenbewegung als Darstellung weißer Männer in Blaumännern der Realität nicht gerecht wird. Schauen wir uns die Arbeiter:innenklasse international an, dann ist sie multiethnisch und divers in ihren Geschlechtsidentitäten. Es geht also nicht um die Frage, Unterdrückung zu verleugnen, sondern die Kämpfe miteinander zu verbinden.

Die Arbeiter:innenklasse als solche ist aufgrund ihrer Rolle im Produktionsprozess relevant. Durch die Fähigkeit zu streiken, also die Produktion lahmzulegen, sitzt sie an einem effektiven Hebel, dem Krieg sowohl den Geldhahn als auch praktisch die Mittel abzudrehen. Ein Blick zurück in die russische Geschichte zeigt, welche Schlüsselrolle die Arbeiter:innenklasse – und insbesondere Frauen – einnehmen können, um Kriege zu beenden. Die Antwort auf die Frage, wie die Antikriegskampagne ausgeweitet werden kann, lautet für uns also: Wie können die Arbeiter:innen für eine Antikriegspolitik gewonnen werden? Und welche politischen Ziele sind damit verknüpft? Soll nämlich der Kampf gegen den Krieg zum Sturz des russischen Imperialismus auswachsen, so muss er für die Errichtung einer revolutionären Arbeiter:innenregierung geführt werden.

Wie kann es weitergehen?

Die FAS vertritt eine solche Perspektive nicht. Unsere Kritik bedeutet natürlich nicht, dass wir sie im Kampf gegen die Kriegspolitik nicht unterstützen würden. Im Gegenteil, wir suchen diese Diskussion mit den Aktivist:innen und Genoss:innen.

Darüber hinaus ist auch hervorzuheben, dass die FAS auch wichtige klassenpolitische Forderungen erhebt. So heißt es:

„Wir kämpfen für menschenwürdige Arbeitsbedingungen für alle und für die Einhaltung der Arbeitsrechte der Bürgerinnen und Bürger. Mit Beginn des Krieges steigt die Zahl der Entlassenen und Arbeitslosen. Die Arbeitgeber nutzen ihre Macht und ihren Druck, um Arbeitnehmer für ihre Antikriegshaltung zu bestrafen. Die ersten Leidtragenden der Kürzungen im Arbeitsrecht sind die Frauen!* und die sogenannten nationalen Minderheiten, Migranten. Wir unterstützen die Arbeit unabhängiger Gewerkschaften und Streiks.“

Wir halten diese Positionierung für sinnvoll, da der Krieg, wie die FAS feststellt, für eine Verschlechterung der Lebensbedingungen vieler sorgt. Um mehr Elemente für eine Antikriegsposition zu gewinnen, müssen aktuelle Probleme wie Lohnkürzungen sowie ausbleibende Lohnzahlungen und steigende Lebensunterhaltungskosten direkt angesprochen und mit Forderungen für konkrete Verbesserungen verbunden werden.

Dabei ist es sinnvoll, selbst die regimetreuen Gewerkschaften aufzufordern, um diese Fragen aktiv zu werden, statt stumme Burgfriedenspolitik zu betreiben. Dies dient vor allem dazu, diejenigen, die zum einen Illusionen frönen, dass ihre Gewerkschaft etwas für sie tut, wegzubrechen, zum anderen jenen, die sie als bloße Kulturinstitution verstehen, aufzuzeigen, dass sie ein Ort des gemeinsamen Kampfes sein muss.

Dies sollte kombiniert werden mit kleineren Aktivitäten in Betrieben, wo über die Aufforderungen diskutiert werden kann. Die aktuelle Repression erschwert es, dies offen und öffentlich mit der Frage des Krieges zu verbinden oder schnell in Mobilisierungen umzuwandeln. Jedoch muss es Ziel sein, die Unzufriedenheit zu schüren, um sie schließlich produktiv zu nutzen.

Perspektivisch könnte das Ziel darin bestehen, einen gemeinsamen, branchenübergreifenden Aktionstag beispielsweise unter dem Motto „Gegen die Krise!“ für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne zu organisieren, der a) als Überprüfung dienen kann, wie viele bereit sind, auf die Straße zu gehen, und b) genutzt werden kann, Kämpfe miteinander zu verbinden.

Denn man sollte sich bewusst sein: Chauvinismus gegenüber Ukrainer:innen, Sexismus und LGBTIA+-Diskriminierung werden in der breiten Bevölkerung nicht einfach so verschwinden, nur weil die Situation durch den Krieg schlechter wird. Unmittelbar droht sogar eine Zunahme. Der Schlüssel liegt jedoch weder darin, dies zu ignorieren, noch eine vollkommende Solidarität zur Vorbedingung eines gemeinsamen Kampfes zu machen.

Vielmehr muss im Rahmen von Kämpfen für Verbesserungen gezeigt werden, dass man gemeinsame Interessen hat, während gleichzeitig in den Strukturen Schutzräume für gesellschaftlich Unterdrückte wie Caucuses geschaffen werden sollten. Ebenso wird die Arbeit zurzeit dadurch erschwert, dass die Gewerkschaften dem Krieg recht passiv gegenüberstehen. Aber gerade deswegen ist es wichtig, sie herauszufordern, was nicht gegen die bereits existierende Arbeit gestellt werden sollte, die die FAS betreibt, da diese auch die Grundlage schafft, Gehör zu finden.

Internationale Solidarität statt Isolation

Die Aktivist:innen der russischen Antikriegsbewegung spielen eine Schlüsselrolle bei der Beendigung des Krieges. Hierzulande sollten wir uns dafür einsetzen, dass a) die eigene Kriegstreiberei nicht das Bild einer russischen Bevölkerung zeichnet, die komplett Putin unterstützt. Wer das so sieht, leugnet nicht nur die Realität und unterstützt weitere mögliche Kriegstreiberei, sondern verpasst die Chance, den Widerstand zu stärken. Wir sollten b) fortschrittliche Kräfte wie die FAS in ihrer Oppositionsarbeit unterstützen, c) gegen die Sanktionen gegenüber der russischen Bevölkerung auf die Straße gehen, da diese vor allem ihre Lebensbedingungen verschlechtern, während wir gleichzeitig das Selbstverteidigungsrecht der Ukrainer:innen anerkennen.

Darüber hinaus bedarf es einer Strategiedebatte, die international geführt werden muss. Dies bedeutet zum einen, von Aktivist:innen aus Russland zu lernen, insbesondere wie politische Arbeit in der aktuellen Situation möglich ist. Auf der anderen Seite bedarf es auch inhaltlicher Debatten über die Fragen des Charakters des russischen Regimes im imperialistischen Weltsystem, des Krieges und der Strategie, wie er beendet werden kann.




Gute Fragen, gute Antworten: 5 Fragen zu Frauen, Patriarchat und Krieg

von Aventina Holzer / Jaqueline Katherina Singh, Artikel aus der FIGHT 2023, unserer Zeitung gemeinsam mit der Gruppe Arbeiter:innenmacht (und anderen Sektionen der LFI) zum 8. März 2023

1. Patriarchat schafft Krieg?

„Kriege werden von Männern ausgelöst“, „Mächtige Männer setzen ihre Interessen über die Köpfe der anderen durch“ und „Krieg ist männlich“ sind Aussagen, die einem häufig über den Weg laufen. Wenn man sich die Realität anschaut, könnte man dem auf den ersten Blick zustimmen. Die überwiegende Mehrheit der Regierungschef:innen sind Männer und auch fernab von Amtsträger:innen hat Gewalt überwiegend ein männliches Gesicht.

Das Problem an diesen Sätzen ist jedoch, dass man eine falsche Systematik oder gesellschaftliche Problematik herausarbeitet. Es scheint so, dass Kriege entstehen, da oftmals Männer Entscheidungsträger sind. Dies ist ein Ergebnis des Patriarchats, welches sich durchgesetzt und reproduziert hat durch männliche Gewalt. Damit wird einem unterschwellig suggeriert, dass es „in der Natur“ von Männern liege, gewalttätig zu sein.

Doch Kriege entstehen nicht einfach durch individuelle Willkür. Sie sind selbst ein Produkt von Klassengesellschaften. Im Kapitalismus sind sie oft Ergebnis ökonomischer Konkurrenz mit dem Ziel jeweiliger Nationen bzw. Kapitalfraktionen, sich eigene Einflusssphären zu sichern – auf Kosten anderer. Krieg scheint männlich, da eben viele Männer für die Kriegsführung und -erklärung verantwortlich sind. Das suggeriert sehr stark, dass es anders wäre, wenn Frauen in diesen Positionen sind. Annalena Baerbock oder Hillary Clinton und ihre „feministische Außenpolitik“ lassen grüßen. In der Realität schicken diese aber ebenso Waffen, um die Interessen ihrer jeweiligen herrschenden Klasse zu vertreten. Sie sind nicht freundlicher oder rationaler, nur weil sie Frauen sind. Davon auszugehen, verschleiert die tatsächlichen Verhältnisse und den realen patriarchalen Aspekt von Kriegen enorm, während man gleichzeitig tradierte Rollenbilder reproduziert.

Ähnliches gilt für männliche Gewalt an sich. Gewalt ist nicht nur eine Frage von individueller Mentalität, Erziehung oder Tendenz. Es ist nichts, was „natürlich“ in Männern existiert, sondern Ergebnis historischer Unterdrückung – von Frauen, aber auch und vor allem von Klassen oder im Kapitalismus von Kolonialvölkern und Nationen.

Somit ist die Aussage „Patriarchat schafft Krieg“ nicht nur eine sehr, sehr vereinfachte Analyse von Patriarchat als „männlicher Dominanz“ und ein Abschieben der Schuld auf „die“ Männer. Darüber hinaus vermittelt es zwei weitere problematische Ideen. Zum einen entsteht eine Diskussionsverschiebung. Es wird sich darauf konzentriert, welches Geschlecht  den Krieg führt und verwaltet. Doch eigentlich geht es dabei um die Durchsetzung von Klasseninteressen, um geopolitische und strategische Machtverschiebungen. Diese haben zwar massive negative Auswirkungen auf FLINTA-Personen, aber auch auf die männliche Arbeiter:innenklasse, die als Kanonenfutter für die herrschende Klasse eingesetzt wird.

Das zweite Problem mit der Aussage „Patriarchat schafft Krieg“ besteht darin, dass alle Kriege als reaktionär erscheinen. Das ist grundfalsch. Antikoloniale und antiimperialisische Befreiungskriege, Bürger:innenkriege oder Kriege zur Verteidigung einer sozialen Revolution tragen einen fortschrittlichen Charakter. Die Abschaffung des Kapitalismus und der Frauenunterdrückung sind letztlich ohne sozialistische Revolution, d. h. ohne gewaltsame Erhebung der Unterdrückten unmöglich. Abstrakte, ahistorische Phrasen, die den Unterdrückten einen allgemeinen Gewaltverzicht nahelegen, entwaffnen sie letztlich nur. Sie tragen ungewollt dazu bei, jene Verhältnisse – kapitalistische Ausbeutung und Frauenunterdrückung – zu verewigen, die sie zu bekämpfen vorgeben.

2. Warum gibt es Krieg im Kapitalismus?

Wer effektiv gegen Krieg kämpfen will, muss auch verstehen, was dessen Wurzel ist. Spoiler: es sind nicht einzelne, verwirrte Staatsoberhäupter oder die grundlegende „Natur“ des Menschen. Die Erklärung ist eine andere. Dabei ist wichtig anzuerkennen, dass das grundsätzliche Verhältnis zwischen den Akteur:innen im Kapitalismus die Konkurrenz ist. Jede/r muss für sich selber schauen, wo er/sie bleibt, und darum kämpfen, dass er/sie nicht von anderen Kapitalist:innen abgehängt wird oder am besten sogar schneller als Elon Musk zum Mars fliegt. Dieser Konkurrenzkampf durchzieht die gesamte Gesellschaft. Somit stehen auch die Besitzer:innen der Fabriken und des Kapitals, also die Kapitalist:innen, miteinander in stetigem Kampf darum, wer die meisten Profite bekommt, um mit diesen neue Investitionen zu tätigen und somit zu wachsen und immer größere Teile der Wirtschaft in der eigenen Hand zu vereinen. Doch Profite zu machen, ist nicht so einfach in der heutigen Welt.

Unsere aktuelle Epoche zeichnet sich dadurch aus, dass jeder Winkel der Welt unter die konkurrierenden Kapitale aufgeteilt ist. Beispielsweise in Deutschland wird beinahe alles bewirtschaftet und der Bedarf an den meisten Sachen ist befriedigt. Also muss man raus aus Deutschland und in anderen Teilen der Welt investieren, wo noch was zu holen ist. Und da sich alle Imperialist:innen unter Konkurrenzdruck befinden, hat man unter Umständen auch gar keine andere Wahl, als diese Kriege um Wirtschaftswege (westafrikanische Küste), Wirtschaftsräume (Mali) oder geostrategische Einflusssphären (Ukraine, Syrien, Afghanistan) zu führen, da man ansonsten von den Kapitalist:innen in anderen Ländern bedroht wird oder vielleicht sogar abgehängt. Im Prinzip ist also Politik die zugespitzte Form der ökonomischen Konkurrenz (wie beispielsweise durch Handelsabkommen oder Troikapolitik gezeigt) und Krieg die Fortführung dieser mit anderen Mitteln.

Als revolutionäre Marxist:innen erkennen wir auch an, dass Kriege einen unterschiedlichen Charakter tragen, je nach dem der Kriegsziele der beteiligten Kräfte und Klassen. So besitzen beispielsweise solche zwischen imperialistischen Mächten einen reaktionären Charakter, während wir die unterdrückter Nationen und halbkolonialer Länder gegen imperialistische Staaten als berechtigt und unterstützenswert betrachten.

So weit eine knappe Antwort auf eine komplexe Frage.

3. Treffen Kriege Frauen stärker?

Die Antwort ist: jein. Kriege versetzen die gesamte Bevölkerung in einen Ausnahmezustand. Die Zunahme von Nationalismus, Zerstörung der Infrastruktur oder Mobilmachung haben Auswirkungen auf alle. Frauen sind dabei teilweise stärker oder spezifisch betroffen. Dies liegt darin begründet, dass der Krieg bereits vorhandene Frauenunterdrückung massiv verstärkt oder jedenfalls es tun kann. Er muss es aber nicht, wenn Frauen selbst eine aktive, ja führende Rolle in Befreiungs- oder Bürger:innenkrieg für die fortschrittliche Seite spielen.

Die Auswirkungen lassen sich dabei grob in direkte sowie indirekte einteilen. Beispielsweise fördert der Zusammenbruch der medizinischen Infrastruktur eine höhere Sterblichkeit von Geburten und die kriegsbedingte Zunahme an Frühwitwen führt meist zu schlimmerer Altersarmut von Frauen, die noch jahrelang anhält. Ein spezifisches Merkmal von Kriegen ist der Anstieg von Gewalt gegen Frauen. Herauszustellen hierbei ist, dass diese nur teilweise zunehmen, weil die Lebensbedingungen schlechter werden.

Vielmehr muss Gewalt gegen Frauen – hierbei vor allem Vergewaltigung – auch als gezielte Waffe verstanden werden zur ethnischen Säuberung und Demoralisierung. Beispielsweise wurde im Jahr 1994 Ruanda von einem Völkermord heimgesucht. Man schätzt, dass in etwas mehr als hundert Tagen fast eine Million Menschen getötet wurden. Im gleichen Zeitraum wurden schätzungsweise 250.000 bis 500.000 Tutsifrauen vergewaltigt. Insbesondere in diesem Jahrhundert gibt es zahlreiche Belege für massive Vergewaltigungen als Kriegsphänomen. Ein weiteres Beispiel finden wir 1937, wo in einem Monat 20.000 Frauen von Japanern in Nanjing (früher: Nanking; China) vergewaltigt wurden.

Auffällig ist, dass die Täter nur selten strafrechtlich verfolgt werden. In der Machel-Studie wird darauf hingewiesen, dass beispielsweise nur 8 Täter angeklagt wurden, obwohl die Zahl der Vergewaltigungen im ehemaligen Jugoslawien auf 20.000 geschätzt wird. Ziel der systematisch betriebenen Übergriffe ist es, der Gesamtbevölkerung der Gegenseite zu schaden – auch langfristig, weil die Reproduktionsfähigkeit beschädigt wird, etwa wenn in bestimmten Kulturen die Frau als Heiratspartnerin nach einer Vergewaltigung nicht mehr infrage kommt. Es wird also nicht nur der einzelnen Frau mit diesem Kriegsverbrechen geschadet, sondern der ganzen Gruppe.

4. Was ist mit der Carearbeit?

Dadurch, dass größtenteils Männer eingezogen werden sowie Haushaltseinkommen schrumpfen, gibt es starke Veränderungen in der Verteilung der Hausarbeit sowie auf dem Arbeitsmarkt. Kurzum: Frauen agieren hierbei als flexible Reservearmee von Arbeitskräften, die je nach Situation aktiv einbezogen oder isoliert werden. Der Grund dafür ist vor allem die Organisierung der Reproduktionsarbeit. Diese ändert sich ebenfalls im Rahmen des Krieges. Denn in einem Land, was angegriffen wird, wird massiv Infrastruktur zerstört. Alle Bereiche der Pflege und Kindererziehung fallen somit meist auf Frauen zurück – und das findet unter schlechteren Verhältnissen statt. Nach dem Krieg ändert sich das nicht unmittelbar, da die Zahl von Verletzten auch gestiegen ist.

Kurzum: die Doppelbelastung von Frauen, die ohnedies existiert, wird massiv verstärkt. Doch nicht nur in angegriffenen Ländern verändert sich die Situation. So hatten bspw. die USA im Zweiten Weltkrieg die Möglichkeit, um die Waffenproduktion am Laufen zu halten, Teile der Carearbeit zeitweise zu „sozialisieren“. Dies fand beispielsweise 1942  im Rahmen des Community Facilities Act (auch Lanham Act genannt) statt. Im Rahmen dieses Gesetzes hatten alle Familien (unabhängig vom Einkommen) Anspruch auf Kinderbetreuung, teilweise bis zu sechs Tage in der Woche, einschließlich der Sommermonate und der Ferien. So wurden die ersten Kinderbetreuungseinrichtungen der US-Regierung und sieben Einrichtungen für 105.000 Kinder gebaut. Dies scheint nach heutigen Maßstäben recht wenig zu sein, ist aber ein Ausdruck, was möglich ist: Statt die Reproduktionsarbeit ins Private zu verlagern, wurden Teilbereiche öffentlich organisiert – also verstaatlicht („vergesellschaftet“), da Frauen als Arbeitskräfte benötigt wurden. Dieses Angebot blieb natürlich nicht ewig bestehen. Nach Ende des Krieges und der Rückkehr der Männer von der Front wurden die Angebote wieder gestrichen, um Kosten zu sparen.

5. Trifft Krieg alle gleich?

Insgesamt ist es wichtig anzuerkennen, dass wie bei Gewalt die Auswirkungen von Krieg alle Frauen treffen. Aber eben nicht gleich. Frauen aus der Arbeiter:innenklasse, alle mit niedrigen Einkommen, sind den Folgen wesentlich stärker ausgesetzt, da sie keinen finanziellen Spielraum haben, Preissteigerungen auszugleichen oder zu fliehen. Dementsprechend kann auch nicht in der „Einheit“ aller Frauen die Antwort auf den Kampf gegen den Krieg bestehen. Vor allem nicht mit der Argumentation, dass Frauen friedliebender als Männer sind. Dies ist nur eine Fortführung von tradierten Rollenbildern, die auf die Müllhalde der Geschichte gehören. Wie am Anfang schon gesagt: Krieg wird nicht durch toxische Männlichkeit oder „verrückte Diktatoren“ vom Zaun gebrochen und geführt. Um Krieg effektiv zu bekämpfen, ist es aber zentral, ihn als Ergebnis von Klassengegensätzen und der internationalen Konkurrenz unterschiedlicher, nationaler Kapitalfraktionen zu verstehen. Wenn Frauen dann einfach nur dieses System mit verwalten oder glauben, dass Krieg vermeidbar sei, wenn man mehr miteinander redet, dann bietet das keine Lösung für irgendein Problem – weder zur Bekämpfung von Krieg noch dessen Auswirkungen auf die Frauenunterdrückung. Effektiver Widerstand muss aktuelle Probleme aufgreifen und deren Bekämpfung mit der Beseitigung ihrer Ursache – des Kapitalismus – verbinden, um erfolgreich zu sein.




Eine neue Friedensbewegung?

von Susanne Kühn, zuerst erschienen in der Infomail 1412 der Gruppe Arbeiter:innenmacht, Februar 2023

Den Beginn einer neuen „Friedensbewegung“ verkündeten Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer bei der Kundgebung „Aufstand für den Frieden“ am 25. Februar. 50.000 Menschen wollen Ordner:innen gezählt haben. Die Polizei wiederum konnte nur 13.000 ausmachen. Die Wahrheit dürfte irgendwo in der Mitte bei 25.000 liegen.

Zweifellos ein Achtungserfolg, zumal die regierungsoffiziellen Ukrainesolidaritätsdemos nach offiziellen Berichte weniger Menschen – rund 10.000  – auf die Straße gebracht haben dürften.

Vorweg: Die Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, mit den lohnabhängigen Massen, den Hauptopfern des imperialistischen Angriffskriegs Russlands, blieb letztlich bei beiden vor allem eine Beschwörungsformel, ein Lippenbekenntnis. Für die NATO, für die USA und auch für den deutschen Imperialismus bedeutet die „Solidarität“ mit den Ukrainer:innen nur einen Vorwand für die Verfolgung ihrer eigenen ökonomischen und geostrategischen Interessen in der Konkurrenz mit Russland.

Wagenknecht, Schwarzer und Co. vermögen den Ukrainer:innen auch nicht mehr zu bieten  als einen von den Großmächten ausgehandelten Frieden. Kein Wunder also, dass sie der ukrainischen Bevölkerung letztlich nicht viel mehr zu sagen haben, als dass ein halbkoloniales Land eben die „Sicherheitsinteressen“ der Großmächte zu akzeptieren habe.

Teilnehmer:innen

Nichtsdestotrotz verdeutlichen über 600.000 Unterzeichner:innen des „Manifest für den Frieden“ und der Mobilisierungserfolg der Kundgebung, dass sich die öffentliche Stimmung in Deutschland dreht. Der Kurs der Bundesregierung wird zu Recht für seine „unklare“ Zielrichtung, für sein widersprüchliches Schwanken zwischen offener Kriegstreiberei durch FPD und Grüne im Gleichklang mit den Unionsparteien und einer hinhaltenden SPD, die letztlich immer einknickt, kritisiert. Zu Recht wird bemängelt, dass der Westen selbst den Konflikt befeuert hat und natürlich versucht, Russland in die Schranken zu weisen.

Die 600.000 Unterzeichner:innen und rund 25.000 Teilnehmer:innen an der Kundgebung bringen berechtigte Sorgen zum Ausdruck. Zweifellos finden sich unter diesen auch Anhänger:innen der rechtspopulistischen AfD und neurechter Gruppierungen wie der Querdenker:innen. Doch diese machten sicher nicht das Gros der Kundgebung aus, von der offen faschistische Kräfte wie die Leute vom Compactmagazin auch lautstark verwiesen wurden.

Die deutliche Mehrzahl der Teilnehmer:innen kam allerdings aus den Reihen frustrierter oder ehemaliger Anhänger:innen von SPD, Grünen und Linkspartei, also jenen Kräften, die einst den Kern der Friedensbewegung ausmachten oder die Wagenknecht und Schwarzer zu einer neuen Friedensbewegung formieren wollen.

Neue Friedensbewegung

Ihr Ziel besteht darin, eine solche Friedensbewegung wieder aufzubauen. Als Bündnispartner:innen schweben ihnen dabei nicht die Rechte, auch nicht die AfD vor. Vielmehr zielen Wagenknecht und Schwarzer auf „respektable“ Bürgerliche wie den ehemaligen Brigadegeneral und Merkelberater Vad, der auch als einer der Hauptredner:innen der Kundgebung fungierte. Auch einer der Architekten der Schocktherapie der Restauration des Kapitalismus in Russland und Osteuropa, Jeffrey Sachs, kam als Redner zu Wort. Schließlich will der etwas moderater gewordene Neoliberale auch „Frieden“ für eine Ukraine, deren ökonomische Krise in den 1990er Jahren seine Politik massiv verschärft hatte.

Eine solche klassenübergreifende Friedensbewegung erinnert an die der 1980er Jahre. Sie hat auch dieselben Schwächen. Den russischen und US-amerikanischen Imperialismus benennen Wagenknecht und Schwarzer durchaus. Vom deutschen wollen sie aber nichts wissen. Schließlich werfen sie der Bundesregierung ja nicht die Verfolgung der nationalen, kapitalistischen Interessen vor, sondern dass sie dies viel zu wenig täte.

Daraus erklärt sich auch das Paradox ihrer Ausrichtung. Einerseits werden die Kriegstreiberin Baerbock und der „Panzer“-Toni Hofreiter ebenso wie der „Zauderer“ Scholz heftig kritisiert. Niemand dürfe ihnen vertrauen, wurden wir auf der Kundgebung ermahnt. Andererseits wird von derselben Regierung die Bildung „einer Allianz für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen“ gefordert – am besten in Zusammenarbeit mit Frankreich und der EU-Kommission, mit China und Brasilien. Am deutschen Verhandlungswesen soll die Welt genesen. Scholz, dem eine vollständige Unfähigkeit und Unzuverlässigkeit attestiert wird, soll federführend einen „Frieden“ herbeiführen, der alle Großmächte zufriedenstellt.

Dieses Konzept läuft letztlich bloß auf eine alternative, sozialpazifistische Ausrichtung des deutschen Imperialismus hinaus. Die ukrainische Bevölkerung und die russische Antikriegsbewegung dürfen nur als Verhandlungsmasse zu ihrem vermeintlich Besseren zusehen. Aber auch für die Arbeiter:innenklasse der imperialistischen Ländern sind nur Plätze auf den Zuschauerrängen vorgesehen. Als Akteur:innen, geschweige denn als prägende Subjekte einer Antikriegsbewegung sind die Lohnabhängigen bei Schwarzer und Wagenknecht nicht vorgesehen. Bei aller Kritik an der gegenwärtigen Politik der Regierungen soll die internationale Politik auch weiter von Großmächten unter Wahrung von deren Interessen bestimmt werden,

Eine solche Politik ist nicht nur rein bürgerlich. Sie ist auch vollkommen utopisch. Der Konflikt zwischen den alten, westlichen Mächten wie der USA oder auch Deutschland mit den „neuen“ wie Russland und China liegt in der Krise des Kapitalismus begründet, im Niedergang der US-Hegemonie und im Aufstieg Chinas. Zur Zeit wird er um die Ukraine ausgefochten, doch selbst ein imperialistischer Frieden wäre nicht nur reaktionär, weil er auf dem Rücken der ukrainischen Massen vereinbart werden würde, sondern auch nur von begrenzter Dauer, nur eine Zwischenstation zu einer weiteren Verschärfung der imperialistischen Konkurrenz.

Auf der Kundgebung haben die Gruppe Arbeiter:innenmacht und Genoss:innen der Jugendorganisation Revolution gemeinsam eine internationalistische, klassenkämpferische Perspektive vertreten und ein gemeinsames Flugblatt verteilt. Dessen letzten Abschnitt wollen wir hier noch einmal darlegen:

Welcher Frieden? Welche Bewegung?

Ein dauerhafter Frieden, der diesen Namen verdient, kann nicht durch diplomatische Manöver von Großmächten erzielt werden. Dazu müssten diese selbst ihre eigenen ökonomischen, politischen und militärischen Interessen zurückstellen, was angesichts des Kampfes um die Neuaufteilung der Welt und der schärfer werdenden globalen Konkurrenz einfach unmöglich ist. Der Imperialismus kann nicht friedlich gestaltet werden – weder in Russland, noch in den USA, aber auch nicht in Deutschland oder der EU.

Wir können uns daher nur auf uns selbst verlassen. Ein echter Frieden, eine gerechte Lösung für die Ukraine müsste die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts des Landes bei gleichzeitiger Wahrung der Selbstbestimmung der Volksrepubliken im Donbass und auf der Krim beinhalten.

Um aber überhaupt dorthin zu kommen, müssen wir eine internationale Bewegung gegen den Krieg und dessen Auswirkungen aufbauen; eine Bewegung der gemeinsamen Aktion der deutschen, der europäischen, der US-amerikanischen, der ukrainischen und russischen Arbeiter:innenklasse, der Gewerkschaften, der Linken und Arbeiter:innenparteien. Eine solche Bewegung muss sich um bestimmte, gemeinsame Forderungen formieren. Dazu schlagen wir vor:

  • Nein zu Putins Angriffskrieg! Sofortiger Abzug der russischen Armee! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, Anerkennung ihres Rechts auf Selbstverteidigung gegen die Invasion!
  • Solidarität mit der Antikriegsbewegung und der Arbeiter:innenklasse in Russland; Verbreitung der Aktionen gegen den Krieg; Freilassung aller Festgenommenen!
  • Aufnahme aller Geflüchteten, Bleibe- und Staatsbürger:innenrechte für alle – finanziert durch den Staat; Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, Aufnahme in die Gewerkschaften!
  • Nein zu jeder NATO-Intervention! Gegen jede Aufrüstung, NATO-Truppenverlagerungen und Waffenlieferungen! Gegen NATO-Ausweitung, sofortiger Austritt aus der NATO!
  • Keinen Cent für die Bundeswehr! Nein zum 100-Milliarden-Programm der Ampelkoalition! Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und Konversion unter Arbeiter:innenkontrolle!
  • Nein zu allen Sanktionen! Streichung der Schulden der Länder der sog. Dritten Welt, die durch die Sanktionen in wirtschaftliche Not geraten sind!
  • Die Kosten für die Preissteigerung müssen die Herrschenden zahlen! Enteignung des Energiesektors und anderer Preistreiber:innen unter Arbeiter:innenkontrolle!
  • Unterstützung der Tarifkämpfe der Gewerkschaften! Für eine automatische Anpassung der Löhne und Einkommen an die Preissteigerung für alle Beschäftigten, Rentner:innen, von Erwerbslosen und Studierenden!



Manifest für Frieden: bürgerlicher Pazifismus am Pranger

Wilhelm Schulz, zuerst erschienen in der Infomail 1214 der Gruppe Arbeiter:innenmacht, 22. Februar 2023

Die Petition „Manifest für Frieden“ wurde am 10. Februar von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer veröffentlicht. Sie stellt einen Aufruf für die sofortige Einstellung von Waffenlieferungen und Einleitung von Friedensverhandlungen dar. Der Text fordert die Bundesregierung und den Bundeskanzler auf, Verhandlungen einzuleiten, um „Schaden vom deutschen Volke [zu] wenden“. Der Entrüstungssturm über die Petition zeigt jedoch weniger deren politische Begrenztheit auf als den Beweis, welche Anfeindungen selbst linksliberaler oder sozialchauvinistischer Pazifismus aktuell erfährt.

Auch wenn wir die Petition nicht unterstützen, so halten wir sie doch für den momentan lautstärksten Vorstoß aus den Reihen der Friedensbewegung. Die Versammlung am 25. Februar wird rund um das bittere erste Jubiläum des russischen Angriffs auf die Ukraine vermutlich die größte jener sein, die sich gegen den Aufrüstungs- und Eskalationskurs der deutschen Regierung stellen wollen. Auch wenn wir Pazifismus als Form bürgerlicher Ideologie ablehnen, so ist der der Massen ein nachvollziehbarer Ansatz angesichts drohender Verschärfung der Barbarei und des Mangels an einer fortschrittlichen Perspektive zu ihrer Überwindung. Aus diesem Grund werden wir an der Versammlung teilnehmen, während wir von den Organisator:innen fordern, sich vor Ort deutlich von etwaigen rechten Akteur:innen abzugrenzen und diese, falls sie anwesend sollten, durch Ordner:innen aus der Versammlung zu werfen.

Die Petition verzeichnet mittlerweile fast 600.000 Unterstützer:innen (Stand: 22.02.23). Neben den beiden Initiatorinnen gibt es noch 69 Erstunterzeichner:innen – eine breite Palette, die mit dem Begriff linksliberal nur verzerrt zusammengefasst werden kann.

Auch wenn aufgrund des öffentlichen Drucks einige wie die ehemalige Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche (EKD), Margot Käßmann, ihre Unterschrift zurückgezogen haben, so bleiben die meisten Unterzeichner:innen Wissenschaftler:innen und Kulturschaffende, die dem Spektrum von SPD, Linkspartei und Grünen nahestehen.

Es ist aber bezeichnend für die politische Ausrichtung der Initiatorinnen Schwarzer und Wagenknecht, dass einige Prominente aus dem konservativen und rechten Spektrum, darunter Erich Vad, Brigadegeneral a. D. der Bundeswehr und von 2006 bis 2013 Militärpolitischer Berater von Angela Merkel im Kanzler:innenamt, dahinterstehen. Vad hat zudem in der Vergangenheit vor rechten Burschenschaftlern referiert und für die rechtspopulistische Junge Freiheit vor etwa 20 Jahren geschrieben.

Die Unterstützer:innenliste umfasst jedoch nicht nur Ex-Funktionsträger:innen und mehr oder weniger bekannten linke Persönlichkeiten, sondern auch Repräsentant:innen der reformistischen Arbeiter:innenbewegung wie Christof Ostheimer, der ver.di-Bezirksvorsitzende Südholsteins, oder Michael Müller, den Bundesvorsitzenden der sozialdemokratischen Naturfreunde. Daneben natürlich Wagenknecht, die Galionsfigur der Linken, die in den letzten Jahren der Klassenpolitik den Rücken kehrte und ein linkspopulistisches Programm für DIE LINKE zu etablieren versucht. Und Schwarzer, eine bürgerliche Feministin der zweiten Welle des Feminismus, die vor allem durch Transfeindlichkeit in den letzten Jahren bei neuen Generationen von Feminist:innen angeeckt ist.

Insgesamt handelt es sich um ein volksfrontartiges, klassenübergreifendes Personenbündnis. Der Aufruf stellt keine Aufforderung zum aktiven Handeln dar, sondern letztlich nur den kleinsten gemeinsamen Nenner der Initiator:innen. Aber er hat hunderttausende Unterschriften erhalten, weil nicht zuletzt Millionen Lohnabhängige über die Militarisierung und den Kriegskurs der Bundesregierung zu Recht beunruhigt sind.

Zum Inhalt

Das Manifest selbst spricht sich für die sofortige Einstellung von Kriegshandlungen aus. Es droht vor einer latenten Gefahr der Ausweitung über ihre bisherigen Grenzen bis hin zum Weltkrieg. Der Überfall Russlands auf die Ukraine und die Notwendigkeit von Solidarität mit ihrer Bevölkerung wird benannt. Dies bleibt allerdings letztlich ohne konkrete politische Folgen, weil nirgendwo das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine verteidigt oder als Ziel eines etwaigen Friedens benannt wird. Nirgendwo wird der Rückzug der russischen Invasionstruppen aus den seit Februar 2022 eroberten Gebieten gefordert.

Der Text spricht sich im Anschluss nur gegen den Kriegskurs der Bundesregierung und des ukrainischen Präsidenten Selenskyj aus. Militärstrategisch sieht sich der Petitionstext vor einer Pattsituation. So schreiben die Initiatorinnen: „Die Ukraine kann zwar – unterstützt durch den Westen – einzelne Schlachten gewinnen. Aber sie kann gegen die größte Atommacht der Welt keinen Krieg gewinnen.“ Aus dieser Erkenntnis folgt der Aufruf an die Bundesregierung, zwischen den USA und Russland zu vermitteln oder auf die europäischen Nachbar:innen einzuwirken. Demnach soll Olaf Scholz die Waffenlieferungen einstellen und eine „Allianz für einen Waffenstillstand“ aufbauen.

Die hier aufgeworfene Perspektive verbleibt vollständig innerhalb des Horizonts bürgerlicher Diplomatie. Den Krieg können anscheinend nur Diplomat:innen stoppen. So heißt es: „Wir Bürgerinnen und Bürger Deutschlands können nicht direkt auf Amerika und Russland oder auf unsere europäischen Nachbarn einwirken.“ Daher müssten wir „unsere Regierung“ in die Pflicht nehmen und Olaf Scholz zum Anführer einer „Friedensallianz“ krönen.

Doch die „Friedensallianz“, die keine eigenen Klasseninteressen vertritt, gibt es nicht und kann es nicht geben. So wie die deutsche Regierung mit Sanktionen und Waffenlieferungen ihre eigenen imperialistischen Interessen verfolgt, die Ukrainer:innen im Krieg für ihre eigenen geostrategischen und wirtschaftlichen Zwecke unterstützt, wird sie das natürlich auch am Verhandlungstisch tun – und genauso werden das alle anderen Beteiligten auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung versuchen.

Letztlich soll der geforderte Frieden dem deutschen Interesse dienen. Demnach ist der Krieg einer zwischen den USA (im Aufruftext Amerika) und Russland. Eine Beteiligung oder genauer deren Fortsetzung entsprächen nicht den Interessen Deutschlands bzw. denen des deutschen Kapitals. In diesem Sinne appelliert der Aufruf an die deutsche Bourgeoisie und ihren Staat, um diese für die Linie der vergangenen Jahrzehnte zurückzugewinnen. Eben jene konnte den Kriegskurs aber nicht stoppen, weil sie keine oder nur wenige Anhänger:innen unter der herrschenden Klasse in Deutschland besitzt. Das kann sich natürlich ändern – und darauf hoffen letztlich Schwarzer und Wagenknecht.

Es ist auch kein Wunder, dass daher Forderungen, die das direkte Interesse des deutschen Imperialismus auch in der Konkurrenz zu Russland berühren, außen vor bleiben. So werden weder die Abschaffung der Sanktionen noch der Stopp der Aufrüstung der Bundeswehr und NATO auch nur erwähnt. Dabei befeuern die Sanktionen nicht nur die Inflation und Armut hierzulande, sondern vor allem auch den Hunger und Not in der Welt. Ihre Folgewirkungen bedrohen das Leben Hunderttausender.

Das 100-Milliarden-Programm, die europäische Rüstungsinitiative und die Aufstockung der schnellen NATO-Eingreiftruppe auf 300.000 Soldat:innen finden sich im Aufruf mit keinem Wort.

Zu diesen Fragen gibt es unter den Initiator:innen entweder keine Einigkeit oder man möchte konservative Gegner:innen des Ukrainekriegs nicht mit Abrüstungsforderungen an die deutsche Regierung „abschrecken“. So bleibt es beim allgemeinen Ruf nach Frieden – im deutschen Interesse. Der Sozialpazifismus wird als die beste Politik für „unseren“ Imperialismus präsentiert.

Und wie wird darüber gesprochen?

Die öffentliche Kritik am Aufruf lässt sich in zwei Stoßrichtungen einteilen, wobei die eine die andere erkennbar bestimmt. Einerseits jene, die jedweden Bruch mit der konfrontativen Politik gegenüber dem russischen Imperialismus als reaktionär abstempelt. Andererseits jene, die dem ausweicht und die Gefahr der Beteiligung reaktionärer Anhänger:innen über die Notwendigkeit stellt, für eine internationalistische und klassenkämpferische Ausrichtung der Opposition gegen die Kriegspolitik der Bundesregierung zu kämpfen. Als Produkt kommt bei beiden Kritiken ähnliches raus: Passivität gegenüber der neuen Orientierung des deutschen Imperialismus.

Die Petition ist in der Linken, aber vor allem in DIE LINKE, sehr umstritten. Der Parteivorstand der LINKEN hat am Donnerstag, dem 16.2, bekanntgegeben, den Protest zu unterstützen, der sich für Frieden und Waffenstillstand einsetzt und von rechts abgrenzt – nicht aber die größte Kundgebung gegen die Bundesregierung. Das Ausbleiben einer Erwähnung des „Manifest für Frieden“ spricht hier Bände, denn es ist aus den Reihen der Partei der aktuell bekannteste Ansatz. Die Stellungnahme stellt dementsprechend eine indirekte Distanzierung dar, die umgekehrt aber allen freistellt, doch hinzugehen oder den Aufruf zu unterzeichnen.

Das Manifest ist in seiner Perspektive weder neu noch innovativ. Es vertritt eine Form bürgerlicher Politik, die mittels eines Appells an den Staat in Form von Bundesregierung und -kanzler zum Richtungswechsel in Fragen der Waffenlieferungen und Friedensverhandlungen drängen möchte und die alles mit dem Verweis auf deutsche Interessen begründet. Der Richtungsstreit wird im Militärjargon als jener zwischen Falken, den sogenannten Hardliner:innen, und Tauben, der Orientierung auf Verhandlungen, beschrieben. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) formuliert den Standpunkt der Hardliner:innen, aber auch ihren Punktsieg in der politischen Stimmung in Deutschland deutlich, wenn sie die Unterzeichner:innen des Manifests „zu propagandistischen Helfern eines Kriegsverbrechers“ abstempelt.

Dabei greift sie zwar genüsslich wirkliche Schwächen des Aufrufs auf und dessen Verharmlosung des russischen Imperialismus, aber die FAZ unterschlägt dabei natürlich die imperialen Kriegsziele der NATO, der USA und auch Deutschlands.

Vorwurf der Querfront oder zumindest rechten Unterwanderung

Der AfD Co-Vorsitzende Tino Chrupalla hat öffentlich verkündet, das Manifest unterschrieben zu haben. Dies hat er nicht als einer der Erstunterzeichnenden getan, sondern einfach nur ein Kontaktformular auf einer Homepage unterschrieben. Chrupalla und das von Jürgen Elsässer geführte, neurechte Magazin Compact riefen darüber hinaus zur Beteiligung an der Kundgebung am 25. Februar in Berlin auf. Wagenknecht distanzierte sich im Interview mit dem SPIEGEL öffentlich davon und untersagte die Beteiligung von AfD und anderen Akteur:innen der Rechten. Oskar Lafontaine, der ehemalige Mitbegründer der LINKEN und Erstunterzeichner, riss diese Brandmauer kurz darauf erneut nieder, indem er die „Gesinnungsprüfung“ oder Parteibuchkontrolle bei Einlass zur Demonstration ausschloss. Eine politische Schmierenkomödie mit ungewissem Ausgang.

Im Aufruf selbst wird die Abgrenzung nach rechts jedoch nicht deutlich formuliert. Auch wenn wir diese bereits im Petitionstext für notwendig erachtet hätten, so fand die Distanzierung schlussendlich doch statt. Die konsequente Fortsetzung dessen müsste eine eindeutige Abgrenzung im Rahmen der Versammlung und ein Rauswurf öffentlich bekannter oder auftretender rechter Akteur:innen durch Ordner:innen bedeuten. Ob es dazu kommt, steht in den Sternen.

Die AfD versucht mittels ihrer Kriegsposition, ähnlich wie das Manifest für Frieden, eine alternative Ausrichtung für das deutsche Bürger:innentum anzubieten. In diesem Sinne ist ihr Aufruf zur Unterstützung nachvollziehbar, aber das hat noch einen zweiten positiven Punkt für die Rechten. Es ist ihren Akteur:innen vermutlich sehr deutlich klar, dass ein Mobilisierungsaufruf ihrerseits die Demobilisierung im Lager der Arbeiter:innenbewegung befeuern würde.

Sie würden damit sowohl die Verbitterung im Lager der Initiator:innen und ihrer Unterstützer:innen anspornen, während sie ihre eigenen Mobilisierungen weiterhin als die relativ stärksten verkaufen können. Notwendig wäre eine klassenkämpferische Position, die die Schwächung des eigenen Imperialismus, die Beendigung des Krieges durch Klassenkampf ins Zentrum stellt. Ein solcher Aufruf hätte sich jedoch an den DGB und seine Mitgliedschaft richten sollen, eine Verbindung zu den das Jahr 2023 durchziehenden Arbeitskämpfen gebraucht. Eine solche Perspektive gilt es, auch in die Tarifauseinandersetzungen zu tragen.

Begrenzter Pazifismus

Laut Unterstützer:innen der Petition in der LINKEN unterstütze weiterhin eine Mehrheit der Parteimitglieder den Vorstoß. Was jedoch deutlicher zu erkennen ist, ist die Kapitulation der Partei angesichts der aktuellen Herausforderungen. DIE LINKE versteht sich seit ihrer Entstehung als Antikriegspartei, eine Position auf dem Sand des Pazifismus gebaut. Beide Bewegungsrichtungen (Parteivorstand und Regierungssozialist:innen oder Wagenknechtlager), in die pazifistische Politik angesichts des Krieges taumelnd, zeigen deren Begrenztheit auf. Die Mehrheit des Parteivorstandes hält die Füße still, da sie schlussendlich den Frieden nur durch einen militärischen Sieg der Ukraine für möglich halten will und die Rolle der NATO herunterspielt. Der andere Teil sieht dies als unmöglich an und orientiert dementsprechend auf Verhandlungen zwischen jenen Akteur:innen, die spätestens seit 2014 regelmäßig Öl ins Feuer kippen.

Beide Ansätze verstehen den Krieg als externen Schock, den es zu beseitigen gilt, um die rechtmäßige (bürgerliche) Ordnung wiederherzustellen. Dabei ist der Krieg dem Kapitalismus innerlich. Er bietet eine Chance, dessen Überakkumulationskrisen durch massive Vernichtung von Kapital und Arbeit, aber auch Verdrängung imperialistischer Konkurrenz im Kampf um die Neuaufteilung der Welt zu lösen. Sowohl der Fokus der Hardliner:innen als auch jener der Verhandlungsbefürworter:innen überlässt die Handlungsfähigkeit den Herrschenden. Beide bieten Arbeiter:innen und Unterdrückten keine eigenständige Handlungsperspektive.

Insgesamt lehnen wir Verhandlungspredigten ab. Sie haben auf verschiedenen Ebenen einen passiven Charakter. Erstens erhoffen sie gerade von jenen imperialistischen Regierungen einen „gerechten Frieden“, die selbst maßgeblich den Krieg befeuert haben und befeuern. Zweitens unterstellen sie den Krieg als etwas Außerordentliches, in dem es nur um Töten oder getötet Werden geht. Das Zurückholen der jeweiligen Staaten an den Verhandlungstisch, die den vorherigen „friedlichen“ Zustand wiederherstellen sollen, bleibt die letzte waffenlose Form der Vaterlandsverteidigung.

Wer ist das Subjekt einer Antikriegsbewegung?

Der Aufruf für den 25. Februar macht dies ganz deutlich. Die deutsche Bevölkerung – also auch die Arbeiter:innenklasse – können ihm zufolge nichts bewirken. Daher muss Olaf Scholz als Friedensarchitekt ran.

Doch nicht nur die deutsche Bevölkerung taucht als Subjekt nicht auf. In der Ukraine und in Russland gibt es anscheinend auch nur Herrschende. Die ukrainischen Massen, die die Hauptlast des Kriegs tragen müssen, erscheinen nur als bedauernswerte Opfer. Ihre eigenen sozialen und demokratischen Rechte und Interessen gibt’s anscheinend nur als Restgröße der Verhandlungen zwischen Putin und Biden, unter Vermittlung von Scholz und Macron. Die russische Arbeiter:innenklasse und die dortige Antikriegsbewegung werden erst gar nicht erwähnt.

Als Revolutionär:innen stellen wir im Kampf gegen diesen Krieg und seine Folgen den Klassenkampf, die Frontstellung zur herrschenden Klasse und zum „eigenen“ Imperialismus in den Mittelpunkt. Zugleich solidarisieren wir uns mit den Arbeiter:innen in der Ukraine und Russland. So haben wir schon im Mai letzten Jahres folgende Vorschläge für den Aufbau einer Antikriegsbewegung in Deutschland erbracht, die in ihren Grundzügen bis heute (leider) noch immer Gültigkeit haben:

  • Nein zu Putins Angriffskrieg! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung und Antikriegsbewegung in Russland!
  • Sofortiger Abzug der russischen Armee! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, Anerkennung ihres Rechts auf Selbstverteidigung gegen die Invasion!
  • Solidarität mit der Antikriegsbewegung und der Arbeiter:innenklasse in Russland; Verbreitung der Aktionen gegen den Krieg; Freilassung aller Festgenommenen!
  • Aufnahme aller Geflüchteten, Bleibe- und Staatsbürger:innenrechte für alle – finanziert durch den Staat; Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, Aufnahme in die Gewerkschaften!
  • Nein zu jeder NATO-Intervention! Gegen alle Sanktionen, Aufrüstung, NATO-Truppenverlagerungen und Waffenlieferungen! Gegen NATO-Ausweitung, sofortiger Austritt aus der NATO!
  • Keinen Cent für die imperialistische Politik, für die Bundeswehr! Nein zum 100-Milliarden-Programm der Ampelkoalition!
  • Die Kosten für die Preissteigerung müssen die Herrschenden zahlen! Enteignung des Energiesektors und anderer Preistreiber:innen unter Arbeiter:innenkontrolle! Übernahme gestiegener Lebenshaltungskosten der Arbeiter:innenklasse, der Rentner:innen, von Erwerbslosen durch Besteuerung des Kapitals! Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und Konversion unter Arbeiter:innenkontrolle!
  • Politischer Massenstreik und Massendemonstrationen gegen jede direkte NATO-Intervention!

Doch um diese Perspektive zu verbreiten, müssen wir diese auch unter die Arbeiter:innen tragen – auch unter jene, die vom Pazifismus geprägt sind und aus diesem Grund den Aufruf unterzeichnet haben bzw. zur Kundgebung kommen. Für sie erscheint die Verhandlung, ein Mittel zur Beendigung der Barbarei darzustellen, ohne dabei jedoch die Frage nach deren Ursprung und Wiederholungspotential aufzuwerfen. In diesem Sinne rufen wir alle linken und klassenkämpferischen Organisationen dazu auf, sich an der Versammlung zu beteiligen und für eine Position des Klassenkampfes einzutreten.




Debattenbeitrag: Wie sollten Revolutionär_Innen mit dem „Manifest für Frieden“ umgehen?

Von Felix Ruga, Februar 2023

Treffen sich eine Rassistin und eine Transfeindin und schreiben ein „Manifest für den Frieden“. Ein Schlechter Witz? Vor knapp 2 Wochen haben Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer die Petition „Manifest für Frieden“ gestartet, inklusive einem etwas seltsamen Video und einer äußerst hitzigen Debatte, die bis heute anhält. Aber eine Zahl scheint schon mal für sich zu sprechen: Knappe 600.000 Menschen haben den Aufruf unterschreiben, der als zentrale Forderung beinhaltet, den Krieg in der Ukraine mittels Friedensverhandlungen zu beenden und als unmittelbaren Schritt deutsche Waffenlieferungen einzustellen. Das ist schon eine beeindruckende Zahl, die unsere Auseinandersetzung damit verlangt, und diese Forderungen sind an sich auch nicht abzulehnen. Doch bei genauerem Hinsehen eröffnen sich viele Schwachstellen und die Liste der Unterstützenden zeichnen dabei ein interessantes Bild.

Neben der Petition gibt es einen Aufruf zu einer Kundgebung am Samstag nach Berlin unter dem Slogan „Aufstand für Frieden“. Diese wird im zweiten Teil dieses Beitrags besprochen.

Bürgerlicher Pazifismus

Das Manifest wirft richtigerweise ein oft übersehenes Problem auf: Die Zwangsläufigkeit einer weiteren Eskalation des Ukrainekrieges einschließlich Weltkriegsgefahr. Sollte dieser Krieg nicht sofort beenden werden, läuft er Gefahr ein jahrelanger blutiger Abnutzungskrieg zu werden, dessen globales Eskalationspotenzial sich durch den Einsatz immer brutalerer Waffensysteme weiter hochschraubt. Doch daneben ist das Manifest in vielen Punkten zu kritisieren. Dennoch würden wir hier 3 zentrale Punkte herausgreifen:

1. Der Adressat ist Bundeskanzler Scholz und die einzigen Subjekte sind die Staatsoberhäupter. Dementsprechend erscheint als die einzige Lösung ein diplomatisches Abkommen zwischen Imperialist_innen. Nicht nur, dass das blind gegenüber den imperialistischen Interessen Deutschlands ist und es innerhalb des Kapitalismus ohnehin nur ein Frieden auf Zeit wäre, bevor die Konflikte der imperialistischen Blöcke wieder ausbrechen. Sondern es schließt auch vollkommen eine mögliche internationale Antikriegsbewegung aus, die den Frieden erzwingen könnte. Die lohnabhängigen Massen in der Ukraine, in Russland und in den NATO-Staaten sind für Wagenknecht und Schwarzer nur Verhandlungsmasse, keine politischen Subjekte. Doch in einer unabhängigen defätistischen Position der internationalen Arbeiter_innenklasse liegt die eigentliche Perspektive für den dauerhaften und gerechten Frieden!

2. Der Überfall Russlands und die nötige Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung werden zwar richtigerweise erwähnt, aber es wird weder ein Rückzug der russischen Truppen gefordert noch das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine als Friedensziel genannt. Der Text bespricht eindimensional nur die Ebene des möglichen Weltkriegs, aber nicht die eines faktischen imperialistischen Angriffskrieges.

3. Spannend ist auch einmal zu schauen, was eigentlich nicht gesagt wird. Und da sticht ein Fakt ganz besonders ins Auge: Es fällt kein einziges kritisches Wort gegenüber der deutschen Aufrüstungspolitik. Kein einziges Wort zu den 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr, der für uns Jugendliche besonders schmerzlichen Debatte um eine Widereinführung der Wehrpflicht oder die von Scholz proklamierte Zeitenwende. Ein Schelm wer sich Böses dabei denkt … Wagenknecht und Schwarzer haben diesen Fakt nicht einfach nur leichtsinnig vergessen, sondern er ist ihr politisches Programm! Nicht nur in diesem Punkt, sondern auch in der Frage der Sanktionen oder der internationalen Solidarität gehört es zu Wagenknechts linkspopulistischem Konzept Klassenlinien zu verwischen und im Sinne eines angeblichen Hauptwiderspruchs zwischen „Volk“ und „Elite“ den Standpunkt des Kleinbürgertums und kleinerer Kapitalfraktionen einzunehmen. In ihrem Manifest sagt sie ganz klar, dass sie nicht Schaden von der internationalen Arbeiter_innenklasse, sondern „vom deutschen Volke [ab-] wenden“ möchte. Die Argumente werden deshalb so formuliert, dass Friedensverhandlungen dem Interesse des deutschen Imperialismus (aka „das Volk“) entsprächen. Scholz solle Architekt einer „starken Friedensallianz“ werden. Letztendlich geht es um eine strategische Umorientierung des deutschen Imperialismus hin zu mehr Selbstständigkeit von den USA und besseren Beziehungen zu Russland und China. Diese Verschiebung ist nur Beratung der Unterdrücker_Innen, aber sicherlich nicht im Interesse der arbeitenden und jugendlichen Bevölkerung, weder Deutschlands, noch Europas noch der restlichen Welt. Wir müssen stattdessen für ein Ende des Imperialismus eintreten und den Kampf gegen den bürgerlichen Staat für soziale Verbesserungen aufnehmen, anstatt ihm gut gemeinte Tipps zu geben!

Aus diesen Gründen unterschreiben wir das Manifest nicht! Es zeigt für uns keine realistische politische Alternative auf, auch wenn die aufgeworfene Frage relevant ist! Eine andere Frage ist die der Taktik. Glauben Wagenknecht und Schwarzer tatsächlich, dass eine Petition den Kriegskurs ändert? Wir haben uns anderer Stelle bereits ausführlicher zu Chancen und Grenzen von Petitionen, Change.org und co. geäußert.

Neben Schwarzer, die in Fragen von Transrechten und antimuslimischen Rassismus offen rechts steht, und Wagenknecht, die sich dem Linkspopulismus zugewandt hat, hat sich ein wahrhaftiges Potpourri aus 68 bekannten linksliberalen bis konservativen Persönlichkeiten als Erstunterzeichner_Innen gemeldet. Es drückt tatsächlich ein breites Bündnis aus. Als einfache Unterzeichnende haben sich neben vielen linken Politiker_Innen wie Gysi, auch manche von rechts gemeldet. Besondere Aufmerksamkeit hat dabei Chrupalla erregt, wovon sich Wagenknecht jedoch schnell distanziert hat. Auch dass irgendwelche Bundeswehrgeneräle die Petition unterschreiben, überrascht nicht, da es ja keine allgemeine antimilitaristische Kritik an der Aufrüstung des deutschen Imperialismus darstellt, sondern ihm nur eine andere strategische Ausrichtung vorschlägt. Daneben finden sich unter den Unterzeichner_innen jedoch auch einzelne Mitglieder linker Parteien und Gewerkschaftsfunktionäre.

Die öffentlichen Reaktionen auf das Manifest sind extrem schnell eskaliert und gehen weitestgehend in 3 Richtungen: Die einen kritisieren den Aufruf politisch als „naiv“ bis „verlogen“ und fordern eine weitere Eskalation und Waffenlieferungen. Die anderen kritisieren die Offenheit nach rechts und die (mögliche) Etablierung eine Querfront, während man den aufgeworfenen Fragen meist aus dem Weg geht. Die letzten verteidigen ihre Zustimmung und die Wichtigkeit des Themas. Diese Zerrissenheit geht auch durch die Linkspartei selbst.

Aber was ist mit der Kundgebung?

Das Manifest steht unter dem tragischen ersten Jahrestag des Ukrainekrieges, welcher auf den kommenden Freitag fällt. Anlässlich dessen findet am Samstag in Berlin die Kundgebung „Aufstand für Frieden“ statt, die gewissermaßen die Versammlung des Manifestes ist. Allseits wird erwartet, dass das die größte Friedensaktion an diesem Wochenende wird, wofür sowohl die große Zahl der Petitionsunterschriften spricht, als auch die bundesweite Anreise aus vielen Städten. Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass die Mobilisierung von sozialdemokratischen bis bürgerlich-pazifistischen Kräften dominiert ist. Jedoch müssen wir an dieser Stelle über den Elefanten im Raum sprechen: Was ist eigentlich mit der Gefahr rechter Unterwanderung?

Von Seiten der Veranstalter_Innen gibt es keinen Grund, davon auszugehen, dass jemand von der AfD einen Redebeitrag bekommt und es wurde im Aufruf verboten, rechtsextreme Symbolik zu tragen. Wagenknecht selbst hat auch beteuert, dass bekannte rechte Persönlichkeiten nicht erwünscht seien und dass man sich von rechts distanziere, aber Lafontaine hat das wieder dementiert („Alle sind eingeladen“).

Und das hat nun eine Mobilisierung in rechten Kreisen losgetreten, als einfache Teilnehmer_Innen an der Kundgebung teilzunehmen. Und es besteht die berechtige Sorge, dass auch eine relevante Menge auftaucht und diese sich nicht an das Verbot von rechten Symboliken halten werden. Die Rechten wollen das Thema des Krieges weiterhin dominieren und die Vermutung liegt nahe, dass sie durch ihr offenes Auftreten linke Teile verscheuchen wollen. Dies hätte ganz einfach verhindert werden können, indem der Aufruf jeder deutschen Aufrüstung und jedem Kriegseifer eine Absage erteilt hätte. Letztendlich ist es schwierig zu überprüfen, wessen Geistes Kind man ist, wenn man keine rechte Symbolik trägt oder keine bekannte rechte Persönlichkeit gibt. Aber falls das der Fall ist, fordern wir die Ordner_Innen und umstehenden Personen auf, diese rigoros der Veranstaltung zu verweisen! Dennoch ist es zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar, wie relevant rechte Kräfte auf der Kundgebung sein werden und wenn es sich nur um Vereinzelte handelt, besteht auch die gute Hoffnung, dass diese isoliert werden können. Das bleibt aber zum jetzigen Zeitpunkt noch abzuwarten.

Wie sollten Revolutionär_Innen also damit nun umgehen?

Trotz der Schwächen des Aufrufs und dem Risiko einer rechten Unterwanderung würden wir eine offen-kritische Teilnahme an dem Protest vorschlagen, um eine internationalistische und klassenkämpferische Perspektive hineinzutragen und für Interessierte einen linken Pol zu bilden. Das Manifest muss ganz klar abgelehnt werden, während gleichzeitig das sich versammelnde Potenzial zum Aufbau einer auf die Klasse (nicht das Volk) gestützten Anti-Kriegsbewegung genutzt werden sollte. Es besteht eine begründete Hoffnung, dass dort viele sozialdemokratische Menschen auftauchen werden und diese von so einer Perspektive überzeugbar sind. Außerdem ist die Frage der kriegerischen Eskalation eine wirklich wichtige, potentiell lebensentscheidende Frage unserer Zeit, worauf unbedingt eine linke Antwort formuliert werden muss und wir dafür auch zu den Orten gehen müssen, an denen sie diskutiert werden. Außerdem ist mit jeder linken Person das Kräfteverhältnis etwas besser, Rechte von der Kundgebung zu schmeißen!

Im nächsten Schritt gilt es denjenigen Menschen, die sich aktuell vom deutschen Kriegseifer abwenden, eine Perspektive vorzuschlagen, die sich auf die Klasse und nicht auf den deutschen Imperialismus stützt. Ein wichtiger Schritt dafür ist es, sich an den DGB und seine Mitglieder zu richten. Zehntausende Menschen befinden sich in Deutschland gerade in Tarifkämpfen. Lasst uns diese Kämpfe miteinander verbinden.

  • Wir wollen 100 Milliarden für den öffentlichen Dienst, für die Post und für unsere Schulen, statt für die Bundeswehr!
  • Politische Streiks und Massendemonstrationen gegen Waffenlieferungen, NATO-Truppenverlegungen und Sanktionen sowie für die Öffnung der Grenzen!
  • Sofortiger Abzug der russischen Armee! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, Anerkennung ihres Rechts auf Selbstverteidigung gegen die Invasion!



Antikriegsbewegung aufbauen – aber wie?

Jaqueline Katherina Singh

Seit der Invasion des russischen Imperialismus in die Ukraine hört man öfter das Wort „Zeitenwende“, denn der Krieg hat eine neue eine neue Phase der Weltpolitik eingeläutet. Millionen Menschen sind bisher zur Flucht gezwungen worden, Tausende sind der Kriegsführung zum Opfer gefallen und Unzählige werden noch folgen. Das wirft Fragen auf, die sich viele deswegen stellen: Wie kann das Morden gestoppt werden? Wie kann Frieden hergestellt werden? Diese Fragen haben sich auch die Millionen Menschen gestellt, die ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine Woche für Woche auf die Straße tragen. In unserem Artikel wollen wir beleuchten, auf welcher Grundlage eine Antikriegsbewegung erfolgreich sein kann und wie wir sie aufbauen können.

Was ist Krieg?

Bevor wir uns jedoch konkreten Forderungen widmen, brauchen wir jedoch das Verständnis, dass Kriege ein Ergebnis von Klassengegensätzen im Kapitalismus sind und nicht nur durch machtpolitische Kalküle entstehen oder von „verrückten Diktatoren“ gemacht werden. Auf den ersten Blick wirkt Krieg wie etwas Vermeidbares. Da im Kapitalismus jedoch alle Kapitalfraktionen weltweit in Konkurrenz zueinander stehen und immer mehr Profite akkumulieren müssen, während die Ressourcen der Welt aber endlich sind, kommt es immer wieder zu der Situation, dass sich die Nationalstaaten, die hinter den jeweiligen Kapitalfraktionen stehen, darum bekriegen, wer das größere Stück vom Kuchen abbekommt.

Was bedeutet das konkret?

Anders ist es auch nicht im Falle der Ukraine wie wir an anderer Stelle in dieser Zeitung ausführlich beschrieben haben. Sagt man in diesem Krieg zwischen verschiedenen imperialistischen Blöcken jetzt nur „Hände weg von der Ukraine“ – wie bei dem großen Protesten Ende Februar – und sonst nichts, blendet man die strukturellen Gründe aus, die zu diesem Krieg geführt haben. Aber auch reiner Pazifismus á la „Legt doch einfach alle die Waffen nieder!“ kann nicht die Grundlage einer internationalistischen Antikriegsbewegung sein, weil auch dieser nicht die Wurzel des Problems
angreift und deswegen praktisch recht wenig bringt. Historisch ist leider auch oft geschehen, dass sich die überzeugtesten Pazifist_innen in der Konfrontation der eigenen herrschenden Klasse anbiedern und im schlimmsten Fall zu Kriegsbefürworter_innen werden. Das kann man nicht nur bei ehemaligen Pazifist:innen aus der SPD und den Grünen sehen, die jetzt 100 Milliarden für die Bundeswehr durchgewunken haben, sondern auch bei den NGOs, den Gewerkschaftsführungen und den Spitzen der Linkspartei, die allesamt die Wirtschaftssanktionen akzeptieren. Das lässt uns mit der Frage zurück: Was müssen stattdessen die Grundlagen einer Antikriegsbewegung sein?
Kernforderungen sind:

1. Der Hauptfeind steht im eigenen Land! Klassenkampf statt nationaler Einheit!

Deutschland und der Westen verteidigen nicht das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine, sondern verfolgen vielmehr das Ziel, Russland als imperialistischen Konkurrenten auszuschalten und die Ukraine dauerhaft zu ihrer Halbkolonie zu machen. Die Behauptung, dass es den herrschenden Klassen Deutschlands oder seiner NATO-Verbündeten um einen Kampf zwischen Demokratie und Diktatur, zwischen Willkür und Menschenrechten ginge, ist eine Lüge. Sie soll nur die Bevölkerung auf Aufrüstung, NATO-Expansion nach Osten, Unterstützung der Sanktionen und ggf. ein direktes militärisches Eingreifen ideologisch vorbereiten und einstimmen. Deswegen ist es wichtig, dass wir hierzulande nicht zu den deutschen Interessen schweigen, sondern klar sagen:

•Nein zu jeder NATO-Intervention! Gegen alle Sanktionen, Aufrüstung, NATO-Truppenverlagerungen und Waffenlieferungen! Gegen NATO-Ausweitung, sofortiger Austritt aus der NATO!

2. Keinen Cent für den deutschen Imperialismus! Wir zahlen nicht für den Krieg!

Dem neuen militärischen Kurs und der „Zeitenwende“ eines Olaf Scholz sollen wir nicht nur zustimmen, sondern auch noch dafür zahlen. Die 100 000 000 000 Euro für die Bundeswehr sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Es kommen steigende Preise infolge der Sanktionen, die schon jetzt beim Einkaufen deutlich zu spüren sind. Folgen können Sozialabbau, Kürzungen und Steuererhöhungen sein, um die Aufrüstung der Bundeswehr zu finanzieren.

•Keinen Cent für die imperialistische Politik, für die Bundeswehr! Nein zum 100-Milliarden-Programm der Ampel-Koalition!
•Die Kosten der Preissteigerung müssen die Herrschenden zahlen! Wir wollen weder hungern, noch frieren für ihren Krieg!
•Enteignung des Energiesektors und anderer Preistreiber_innen unter Arbeiter_innenkontrolle! Übernahme gestiegener Lebenshaltungskosten der
Arbeiter_innenklasse, der Rentner_innen, von Erwerbslosen durch Besteuerung des Kapitals!
•Keine Profite mit dem Morden: Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und Umwandlung in z.B. die Produktion von Beatmungsgeräten unter Arbeiter_innenkontrolle!

3. Nein zu Putins Angriffskrieg! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung und Antikriegsbewegung in Russland!

Eine Antikriegsbewegung, die diesen Namen verdient, muss die Invasion in der Ukraine verurteilen, den sofortigen Abzug der Truppen und die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Ukraine fordern (genauso wie von der Ukraine jenes der Krim und des Donbass zu verlangen ist). Eine Bewegung, die glaubwürdig gegen die Politik der NATO-Mächte kämpfen will, darf zum russischen Imperialismus nicht schweigen. Gleichzeitig dürfen wir die Kräfte in Russland, die gegen den Krieg kämpfen, nicht isolieren, sondern sollten sie unterstützen.

•Sofortiger Abzug der russischen Armee! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, Anerkennung ihres Rechts auf Selbstverteidigung gegen die Invasion!
•Solidarität mit der Antikriegsbewegung und der Arbeiter:innenklasse in Russland; Verbreitung der Aktionen gegen den Krieg; Freilassung aller Festgenommen!
•Aufnahme aller Geflüchteten, Bleibe- und Staatsbürger_innenrechte für alle – finanziert durch den Staat; Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, Aufnahme in die Gewerkschaften!

4. Politischer Massenstreik und Massendemonstrationen gegen jede direkte NATO-Intervention!

Sollten die NATO-Länder zu einer direkten militärischen Intervention z. B. durch die Errichtung von Flugverbotszonen schreiten, muss die Arbeiter_innenklasse unmittelbar gegen diese Eskalation mobilisiert werden, um mit einem politischen Streik bis hin zum Generalstreik die gefährliche Katastrophe zu verhindern und die Kriegstreiberei zu stoppen! Wie sinnvoll solche Aktionen sind, zeigen schon jetzt Arbeiter_innen in Belarus, Italien oder Griechenland, die die Lieferung von Waffen verhindert haben, indem sie sich weigerten, diese zu liefern. Die Ablehnung jeder Klassenzusammenarbeit, jeder Unterstützung der Regierung und ihrer militärischen und wirtschaftlichen Interessen ist nicht nur unerlässlich im Kampf gegen den „eigenen“ Imperialismus, den Hauptfeind im eigenen Land. Sie schafft zugleich auch die besten Voraussetzungen für den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung – insbesondere auch in Russland und in der Ukraine. Wenn sich die Lohnabhängige und wir Jugendlichen in Deutschland und anderen
westlichen Ländern gegen die eigenen Regierung stellen, untergraben wir auch den reaktionären völkisch-nationalistischen großrussischen Nationalismus.




3 Dinge, die du sofort gegen den Krieg tun kannst!

Vor gerade einmal einer Woche hat der russische Präsident Wladimir Putin der Ukraine ihre Souveränität abgesprochen und ihr den Krieg erklärt. Kurze Zeit später rollten russische Panzer über die Grenzen der Ukraine, auf dem Weg in die größten ukrainischen Städte. Mehrere Tausend Menschen haben bereits in diesem Krieg ihr Leben verloren. Der Schrecken über diese grausamen Geschehnisse ist groß. Besonders bei den Menschen in der Ukraine, von denen sich bereits weit über eine Millionen Menschen auf der Flucht befinden. Aber auch in Russland haben in den vergangenen Tagen mehrere tausend Menschen trotz brutaler Bullengewalt gegen den Krieg protestiert. Und auch hierzulande werden Baerbock, Scholz und Lindner, die führenden Köpfe der in Deutschland regierenden Ampel-Koalition, nicht müde zu betonen, wie tief betroffen sie das alles macht. Komisch nur, dass es diese selbsterklärten Verteidiger_innen der Menschenrechte, der Freiheit und der Selbstbestimmung nicht gejuckt hat, dass Geflüchtete vor den Toren Europas im Mittelmeer ertrinken oder in den griechischen Lagern unter unmenschlichen Bedingungen eingesperrt werden. Komisch nur, dass gleichzeitig der widerwärtige Angriffskrieg der Türkei auf die kurdischen Autonomiegebiete in Nordsyrien (Rojava) von deutschen Politiker_innen gebilligt und mit deutschen Waffen geführt wird. Für uns sind die Krokodilstränen der Ampel-Koalition nur Heuchelei, denn denen geht es nicht um Menschenrechte, sondern um die Profite deutscher Monopolkonzerne. Dabei ist von der anfangs skeptischen Haltung, den Konflikt nicht weiter eskalieren lassen zu wollen, nichts mehr übriggeblieben. Bereits jetzt schießen die Aktienkurse der deutschen Rüstungsindustrie in die Höhe, während uns gesagt wird, dass wir höhere Heizkosten akzeptieren sollen – „für den Frieden“ natürlich. Unter dem Deckmantel „Für den Frieden in der Ukraine“ versucht die Regierung nun Maßnahmen durchzudrücken, für die es sonst massive Gegenwehr gegeben hätte und die uns die Kosten für ihren Krieg zahlen lassen sollen. 100 000 000 000€ will Scholz zusätzlich für die deutsche Armee locker machen, gleichzeitig hat beispielsweise die Berliner Regierung bereits angekündigt, den Verfügungsfonds für Schulen von 28 000€ auf 3000€ zu kürzen. Das ohnehin viel zu späte Datum für den Kohleausstieg wird wieder in Frage gestellt, um weitere Sanktionen gegen Russland einleiten zu können.

Aber zum Glück gibt es hier ja nicht nur Annalenas und Olafs. Am Wochenende gab es in vielen deutschen Städten riesige Demos gegen den Krieg. In Berlin beteiligten sich sogar mehrere hunderttausend Menschen. Wir alle verfolgen im Stundentakt auf unseren Handys die Geschehnisse in der Ukraine und sind in Sorge um die unschuldigen Betroffenen, um ihre Familien und über den ungewissen Ausgang dieses Konflikts. Viele von uns haben deshalb das Gefühl etwas unternehmen zu müssen. Der Krieg soll gestoppt werden, so schnell wie möglich! Viele fühlen sich jedoch machtlos, die Ukraine ist weit weg und was sollen wir denn schon gegen die Atommacht Russland ausrichten können. Aus diesem Grund setzen viele ihre Hoffnungen auf die NATO, die ihrer „Verantwortung für Frieden und Sicherheit in Europa“ gerecht werden müsse. Viele finden auch, dass Waffenlieferungen an die Ukraine eine gute Idee sind, damit diese sich besser gegen die russische Invasion verteidigen könne.

Auch wenn der Wunsch, den Krieg schnell zu beenden der richtige ist, sind Waffenlieferungen an die Ukraine und eine militärische Intervention der NATO der absolut falsche Weg dafür. Was für ein Trümmerfeld ein NATO-Einsatz hinterlässt, haben wir zuletzt in Afghanistan gesehen. Auch Wirtschaftssanktionen sind kein vermeintlich „humaneres Mittel“ der Kriegsführung. Während Putin und seine Clique bequem in ihren Luxusvillen sitzen, treffen Sanktionen immer die normale Bevölkerung, und insbesondere die Armen. Schon jetzt hat die russische Bevölkerung mit einer massiven Inflation zu kämpfen. Bei dem Krieg in der Ukraine handelt es sich um eine militärische Auseinandersetzung zwischen verschiedenen imperialistischen Mächten, wobei Russland auf der einen und die EU und die USA auf der anderen Seite stehen. Keiner der beiden Seiten geht um die Interessen der Bevölkerung in der Ukraine. Im Gegenteil tragen sie ihren Kampf um Einflusssphären, Militärbasen, Rohstoffe, Macht und Absatzsphären auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung aus. Wer für Unabhängigkeit und Selbstbestimmung in der Ukraine eintritt, darf sich auch nicht auf die Seite ihres kapitalistischen Präsidenten Selensky, die Seite Deutschlands oder der NATO stellen. Allesamt sind nur scharf darauf, ihre multinationalen Konzerne auf den ukrainischen Markt loszulassen und Russland als lästigen Konkurrenten im imperialistischen Game auszuschalten. Sorry, mit EU-Pulli, NATO-Fahne und Deutschlandschal auf die Anti-Kriegsdemo zu gehen ist also nicht cool.

Die Arbeiter_innen und Jugendlichen in der Ukraine haben nichts davon, ob sie nun von russischen oder westlichen Konzernen ausgebeutet werden. Auch haben sie nichts davon, wenn irgendwelche Ländergrenzen verschoben werden. Wer den Krieg in der Ukraine beenden will, muss eine dritte Position einnehmen, nicht an der Seite der NATO und nicht an der Seite Putins, sondern an der Seite der Arbeiter_innen und Jugendlichen! Der russische Einmarsch kann nur gestoppt werden, wenn die ukrainischen Soldaten mit Selensky und der NATO brechen und ihren Widerstand gemeinsam mit der ukrainischen Arbeiter_innenklasse durch Selbstverteidigungsorgane und die Enteignung der Industrien und Lebensmittelkonzerne organisieren. Die russischen Arbeiter_innen müssen ihnen die Hand reichen und ihre Antikriegsproteste zu einer Bewegung zum Sturz von Putin und seiner Oligarchen-Clique ausweiten. Wenn die Soldat_innen sich weigern zu schießen, die Eisenbahner_innen streiken und keine Truppen transportieren oder die Industriearbeiter_innen die Waffenproduktion bestreiken, ist so ein Krieg auch ganz schnell vorbei. Die Gewerkschaften spielen für die Organisation dessen hier aber auch in Russland und der Ukraine eine zentrale Rolle.

Klingt nett aber unrealistisch? Unrealistisch bleibt wirklicher Frieden nur, wenn niemand anfängt gegen den Krieg aufzustehen. Wenn du jetzt sofort etwas gegen den Krieg tun möchtest, haben wir hier 3 Vorschläge für dich:

  1. Tritt mit Leuten in Diskussion!

Ein erster wichtiger Schritt ist es, mit Leuten in Diskussion zu treten. Wir alle haben Angst um den ungewissen Ausgang des Konflikts. Sprechen hilft dagegen, denn heruntergeschluckte Angst wird nur noch größer. Außerdem kannst du durch Diskussionen mit Mitschüler_innen, Lehrer_innen, Friends und Verwandten aufzeigen, dass wir uns auf keine Seite der imperialistischen Mächte schlagen dürfen, sondern für die Unabhängigkeit der Arbeiter_innen und der Jugend eintreten müssen. Auch Spendenaktionen oder die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine sind wichtige Akte der Solidarität. Die Regierung macht es sich jedoch zu leicht, wenn sie diese gesamte Arbeit auf die Bevölkerung ablädt. Durch die Enteignung eines durch Corona sowieso leerstehenden Luxushotels kann ganz schnell viel mehr Platz für Geflüchtete geschaffen werden als wir Menschen in unseren Privatwohnungen aufnehmen können. Außerdem fragen wir uns, warum 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr da sind aber nicht für Handtücher.

  1. Gründe ein Anti-Kriegs-Aktionskomitee an deiner Schule!

Immer sagen sie uns, die Schule sei ein unpolitischer „neutraler“ Ort. Dabei ist der Krieg in der Ukraine Thema für uns alle. Ein großer Teil von uns hat vielleicht sogar Verwandte auf der einen oder anderen Seite der Frontlinie. Die Lehrer_innen weichen der Diskussion aus, weil sie selbst keine Ahnung haben oder fragen in rassistischer Manier die Schülerin mit dem russischen Migrationshintergrund, wie ihre Familie nur so dumm sein konnte, auf diesen Diktator Putin reinzufallen. Die Schule ist der Ort, wo wir den Großteil der Zeit unseres Alltages verbringen müssen. Das nervt, aber birgt auch die Chance, hier viele Leute erreichen und Druck auf die Regierung ausüben zu können. Anstatt uns nur auf Demos und in der linken Szene unter Gleichgesinnten zu bewegen, müssen wir unsere Ideale auch an die herantragen, die davon sonst nichts mitbekommen. Für eine Schule gegen Krieg einzustehen bedeutet zum Beispiel zu verhindern, dass die Bundeswehr an die Schule kommt, um uns zu erzählen, wie toll man dort Medizin studieren kann. Banner gegen den Krieg aufzuhängen, oder im Geschichtsunterricht einzufordern, dass sich auch mal mit der NATO kritisch auseinandergesetzt wird. Dafür müssen wir uns organisieren und Anti-Kriegs-Komitees gründen. Als organisierte Gruppe können wir besser Aktionen planen und durchführen, uns gegenseitig den Rücken stärken und auch die Gremien der Schüler_innenvertretung unter Druck setzen, etwas zu machen. Gibt es erst einmal mehrere Komitees an verschiedenen Schulen, eröffnet sich auch die Perspektive des Schulstreiks. Denn wenn die Schulen zu sind, weil wir gegen den Krieg auf die Straße gehen, muss man uns automatisch zuhören!

  1. Hilf uns beim Aufbau einer Antikriegsbewegung!

Gemeinsam müssen wir auf den großen bürgerlichen Antikriegsdemos einen Pol darstellen, in dem sich antikapitalistische Menschen sammeln können und um die Deutungshoheit in den Protesten kämpfen. Für Unabhängigkeit statt Waffenlieferungen, Aufrüstung und Krieg! In allen Städten braucht es große und kämpferische antikapitalistische Blöcke statt EU-Pullis. Große linke Jugendorganisationen wie die Linksjungend solid, die Jusos oder die Jugendgewerkschaften müssen wir überzeugen, sich uns anzuschließen und sich klar gegen den Krieg zu positionieren. FFF hat bereits größere Demos gegen den Ukraine-Krieg organisiert. Wir müssen auf sie zugehen und sie von unserer Position überzeugen und den Einfluss der Grünen und der Grünen Jugend, die sich für eine Eskalation des Krieges aussprechen, zurückdrängen. Lasst uns einstehen für eine kämpferische Antikriegsbewegung und für eine unabhängige Position der Arbeiter_innen und der Jugend. Für eine Jugend gegen Krieg!