Schweigen, Vertuschen, Lügen, Bekämpfen: Wie Deutschland an Schulen mit Palästina umgeht

von Brokkoli Bittner, November 2025, 8 Minuten Lesezeit

Wie kein zweites Land steht Deutschland an der Seite Israels. Die bedingungslose Unterstützung für Vertreibung, Besatzung und Mord zieht sich durch alle Teile der deutschen Gesellschaft. So gehört sie auch zu unseren Schulen, so selbstverständlich wie rechte Lehrkräfte oder kaputte Toiletten. Doch auf welche Weise Schüler:innen zu Besatzungs-Fans erzogen werden, hat sich verändert und geschieht auf anderen Ebenen als an den Universitäten. Und genau wie die Geschichte der Unterdrückung Palästinas entstand diese Indoktrinierung lange vor dem 7. Oktober 2023.

Der sogenannte „Nahostkonflikt“

Wenn es an Schulen um Palästina geht, dann nur unter dem Label „Nahostkonflikt“. Dieses Wort wird nicht zufällig verwendet: es soll suggerieren, es würde sich um eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe handeln. Doch diese Erzählung ist falsch: Israel besetzt große Teile Palästinas. Palästinenser*innen sind in Israel Menschen zweiter Klasse. Diese Verharmlosung ist kein Zufall: sie dient dazu, die Unterdrückung Palästinas unsichtbar zu machen, um Israel von seinen Verbrechen reinzuwaschen. Über die Unterdrückung Palästinas selbst wird in der Schule nicht gesprochen.

Schweigen

Selbst unter dem Label des „Nahostkonflikts“ findet meist keine Auseinandersetzung statt: Bayern ist das einzige Bundesland, in dem sich damit beschäftigt werden muss. In Berlin und Brandenburg wird die Beschäftigung empfohlen, in den anderen Bundesländern wird das Thema nur als mögliches Beispiel für einen internationalen Konflikt genannt.

Dieses Schweigen ist nicht zufällig: vor dem 7. Oktober 2023 war es Deutschlands Taktik, Schweigen um die Unterstützung Israels zu legen, um nicht über das Leid reden zu müssen, an dem Deutschland bis heute gut verdient. Wenn kein:e Schüler:in das Thema aufbringt, wird auch nicht darüber gesprochen. Denn wenn keine:r von der Unterdrückung Palästinas weiß, gibt es auch keinen Widerstand. So wurde vor dem 7. Oktober 2023 an den meisten Schulen gar nichts zu Palästina unterrichtet.

Vertuschen

In Bayern war das anders: Hier wurde auf eine andere Strategie gesetzt, die in anderen Bundesländern nach dem 7. Oktober noch wichtig wird. Der angebliche „Konflikt“ sei nur zu verstehen, wenn man ihn „unter der Berücksichtigung historischer Entwicklungen, Entscheidungen und Interessen“ sieht. Als geschichtliche Entwicklung werden im Lehrplan die Staatsgründung Israels und die sogenannten „Friedensprozesse“ in den 1990ern angeführt. Letztere verdienen den Namen „Friedensprozesse“ nicht, denn eine Zweistaatenlösung, wie sie damals diskutiert wurde, war nie realistisch und würde die Unterdrückung der Palästinenser:innen kein Ende bereiten. Die Geschichte wird hier vor allem aus der Perspektive Israels erzählt, denn das Wort Nakba fällt an keiner Stelle. Indem die Perspektive des Unterdrückers ins Licht der Aufmerksamkeit gerückt wird, soll vermittelt werden, dass Frieden nicht möglich wäre – das hätte man ja in der Geschichte gesehen. So wird die Unterdrückung gerechtfertigt.

Komplex“

Die deutsche Erzählung zu Palästina hat ein Lieblingswort: „komplex“. Die Lehrpläne aus Berlin, Bayern und Brandenburg können nicht aufhören, zu betonen, wie „komplex“ dieser Konflikt sei. Aber diese Behauptung stimmt nicht: Deutschlands Erzählung ist nur deshalb so „komplex“, weil es schwierig ist, die Unterdrückung Palästinas zu rechtfertigen. Zudem ist das Ziel, Überforderung bei den Schüler:innen auszulösen, so dass diese sich nicht mehr trauen, etwas zu sagen. Damit hält man Schüler:innen davon ab, sich zu positionieren und gegen Deutschlands Israelunterstützung aktiv zu werden. Wir sollen glauben, dass wir die Analysen lieber vermeintlichen „Expert:innen“ überlassen sollten. Zusätzlich werden Palästinenser:innen selbst zum Schweigen gebracht, weil auch diesen der Status als Expert:in grundsätzlich abgesprochen wird.

Die Gründung des Staates Israel war nur möglich durch die Unterdrückung des palästinensischen Volkes, durch Vertreibung, Besatzung und Mord. Das abzulehnen ist nicht komplex.

Lügen

Alle, die sich gegen die Erzählungen Deutschlands zur Wehr setzen, werden mit Lügen bombardiert und als Antisemit:innen dargestellt. So heißt es in einem Text von Berlin und Brandenburg aus dem Jahr 2019 zur Erkennung von „Antisemit:innen“: „Auch eine Delegitimierung oder Dämonisierung Israels, mit der die Existenz Israels als Staat infrage gestellt würde, überschreitet nach diesem Verständnis die Grenze zu antisemitischen Argumentationen.“ Doch ohne ein Ende des israelischen Nationalstaates kann es keine Freiheit für Palästina geben, denn jeder Meter des israelischen Gebiets wurde von Israel zuvor geraubt und besetzt.

Schulbücher

All diese Strategien spiegeln sich in unseren Schulbüchern wider, die den Konflikt kaum darstellen. Wenn sie es doch tun, dann wird so getan, als würde es sich um einen religiösen Konflikt handeln, oder es werden die Perspektiven der Besatzungsmacht abgedruckt. Um das zu gewährleisten, gibt es die Deutsch-Israelische Schulbuchkommission. Diese verfolgt das Ziel, Schulbücher in Deutschland und Israel zu analysieren, gemeinsame Empfehlungen zur Verfügung zu stellen und zu Korrekturen anzuregen. Die Besatzungsmacht Israel darf also in Deutschland Empfehlungen zu seiner eigenen Darstellung machen. Damit das auch alles klappt, gibt es dafür Geld vom Auswärtigen Amt und vom israelischen Erziehungsministerium. Die erste Empfehlung dazu kam bereits in den 1980ern: damals wurde kritisiert, dass Israel zu kurz kommt und die palästinensische Seite in den meisten Schulbüchern als Opfer dargestellt werde. Damit bestätigt die Kommission ihr Ziel: mehr israelische Propaganda in unsere Klassenzimmer zu holen. Erst 2015 hat die Kommission erneut Empfehlungen dieser Art abgegeben.

Nach dem 7. Oktober

Der 7. Oktober 2023 stellte nicht nur den Beginn eines Genozids am palästinensischen Volk dar. Er stellt auch den Beginn einer massiven Repressionswelle gegen alle palästinasolidarischen Kräfte dar: auf der Straße schlugen uns Bullen die Fresse, weil wir Kufiya trugen, und auch an den Schulen änderte sich die Taktik. Das Schweigen, das bislang an fast allen deutschen Schulen geherrscht hatte, konnte nicht länger aufrechterhalten werden. Als am 9. Oktober ein Schüler in Berlin eine Palästina-Fahne zeigte, wurde er von einem seiner Lehrer angegriffen und geschlagen. Das Verfahren gegen den Lehrer wurde eingestellt. Dieser Tag markiert einen Wendepunkt in Deutschlands Schulen: nun wird nicht mehr nur geschwiegen, gelogen und vertuscht, sondern hier wird Palästina-Solidarität gezielt angegriffen.

Bekämpfen

Infolge des Angriffs wurde es Berliner Schulen gestattet, palästinensische Symbole zu verbieten, darunter auch die Kufiya. Ziel der Maßnahme ist, Palästina-Solidarität aus den Schulen fernzuhalten. Es ging aber auch darum, den rassistischen Angriff als gerechtfertigt dastehen zu lassen.

Wenig später folgte ein weiterer Angriff: die Berliner CDU wollte in Neukölln dafür sorgen, dass in den Schulen eine Broschüre mit dem Namen „Mythos Nakba“ behandelt wird. Diese Broschüre sollte die brutale Vertreibung und Auslöschung des palästinensischen Volkes seit 1948 als Mythos darstellen. Hier können wir die Durchsetzung israelischer Interessen an Schulen klar erkennen.

Die Forderungen der Kultusministerkonferenz

Solche Angriffe gab es nicht nur in Berlin: die Kultusministerkonferenz (KMK), die darüber entscheidet, was wir lernen, machte schon wenige Tage nach dem 7. Oktober klar, dass sie fest an der Seite Israels steht. Im März 2024, als der Genozid bereits in vollem Gange war, flogen Teile der KMK sogar nach Israel, um sich solidarisch zu zeigen. Außerdem begann die KMK damit, Lehrkräfte zu „schulen“. Unter anderem wurde eine Broschüre von „Demokratie leben“ empfohlen. Die Broschüre gibt Tipps dazu, wie man mit Schüler:innen umgehen sollte, die Aussagen wie „Free Palestine“ bringen. Laut der Broschüre gilt es, diese zu tolerieren, aber ihnen klarzumachen, dass das Existenzrecht Israels unverhandelbar ist. Außerdem schlug die KMK vor, Schüler:innenaustausche zwischen deutschen und israelischen Schulen zu fördern, die an manchen Schulen bereits Tradition haben – inklusive fröhlichen Klassenfotos an den Apartheidmauern.

Relevanz der Schulen

Diese Verherrlichung Israels an Schulen ist kein Zufall. Die Funktion der Schule ist es, uns Schüler:innen auf die kapitalistische Gesellschaft vorzubereiten. Das heißt, wir sollen dafür bereit gemacht werden, uns auf dem Arbeitsmarkt ausbeuten zu lassen. Aber auch die kapitalistischen Werte wie Rassismus, Sexismus und Queerfeindlichkeit sollen uns beigebracht werden. Die Unterdrückung des palästinensischen Volkes ist Deutschland so wichtig, dass uns das schon in der Schule beigebracht wird. Gleichzeitig nimmt die Jugend in der palästinensischen Bewegung eine Schlüsselrolle ein: militant und konsequent kämpft sie für die Befreiung Palästinas. Diese Motivation kommt daher, dass sie noch nicht so viele Niederlagen erlitten hat wie ältere Bewegungen.

Kampf dem Zionismus an der Schule

Um zu verhindern, dass wir weiter zu Zionist:innen erzogen werden, müssen wir deutlich hervorheben, wo konkret Genozidunterstützung passiert, auch wenn sie nicht auf den ersten Blick sichtbar ist. Die Unterstützung Deutschlands für den Genozid geschieht vor allem auf wirtschaftlicher, militärischer und ideologischer Ebene. Um den Genozid zu stoppen, müssen wir der Genozidunterstützung auf allen drei Ebenen den Kampf ansagen.

Wir Schüler:innen müssen uns zusammenschließen und Druck auf die Schule ausüben, bis über diesen Genozid und die Unterdrückung des palästinensischen Volkes aufgeklärt wird. Dabei dürfen wir uns nicht auf die Unterstützung der Schulleitung verlassen, denn ihre Aufgabe ist es, die Interessen des Staates an der Schule umzusetzen. Die Organisierung an jeder Schule ist das Wichtigste. Aber wir müssen uns auch schulübergreifend zusammentun, um gemeinsam mit Schulstreiks und -besetzungen für ein Ende deutscher Genozidunterstützung einzutreten.

Ein Ende der Genozid-Unterstützung heißt:

  • Stopp aller Repressionen gegen den palästinensischen Widerstand an Schulen!
  • Stopp aller Unterstützung Israels, Stopp der Austauschfahrten mit Israel!
  • Neue Ausarbeitung der Lehrpläne, gemeinsam von Schüler:innen und palästinensischen Vertreter:innen!
  • Bildungstage zu Palästina, organisiert durch den palästinensischen Widerstand!
  • Schulen müssen sich an die Seite des palästinensischen Widerstandes stellen und diesen unterstützen, z.B. der Bewegung Schulräume zur Verfügung stellen!
  • Schüler:innen müssen das Recht haben, zionistische Lehrkräfte zu kündigen!

Quellen:

(1) https://www.kmk.org/aktuelles/artikelansicht/bildungsministerkonferenz-verabschiedet-erklaerung-zum-jahrestag-des-ueberfalls-auf-israel.html
(2) https://www.demokratie-leben.de/dl/projektpraxis/magazin/der-nahostkonflikt-im-unterricht-und-schulalltag-252124
(3) https://www.lehrplanplus.bayern.de/fachlehrplan/lernbereich/119140
(4) https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/ag-berlin-tiergarten-246acs106224-gewalt-schulhof-lehrer-palaestina-flagge
(5) https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/unterricht/faecher/gesellschaftswissenschaften/ethik/Dossier_Der_Nahostkonflikt_in_Unterricht_und_Schule.pdf
(6) https://www.gei.de/wissenstransfer/internationale-schulbucharbeit/deutsch-israelisch
(7) https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-Israelische_Schulbuchkommission




Lang lebe der Widerstand! Die Straße gehört uns! Gegen Repression und Einschränkung der Versammlungsfreiheit!

von Revo Berlin, 7. Oktober 2025

Heute am 7. Oktober wurde in Berlin der Protest “Until Total Liberation” von der Versammlungsbehörde verboten. Begründet wird dies mit dem Vorwurf, dass Terror glorifiziert werden würde. Schon zuvor wurden Ermittlungen eingeleitet, da der Verdacht bestehe, dass der Aufruf “Straftaten billigen” würde.

Im Anschluss daran hat die Versammlungsbehörde gleich jegliche pro-palästinensische Versammlung in ganz Berlin verboten! Wir verurteilen diese massive Repression – die Straße gehört uns!

Die Bewegung ließ sich davon nicht einschüchtern und hat sich trotzdem die Straße genommen! In Reaktion darauf hat das massive Polizeiaufgebot, welches von 1.400 Bullen aus anderen Bundesländern unterstützt wurde, die Menschen, welche in Solidarität mit den Palästi-nenser:innen und ihrem Widerstand, protestiert haben, schikaniert, gepfeffert, brutal attackiert und seit mehreren Stunden gekesselt!

Zuvor wurden bereits auf dem komplett abgeriegelten Alexanderplatz alle Menschen, die eine Kufiya trugen, des Platzes verwiesen. Währenddessen zeigte sich am Rande ein groteskes Bild, wo eine Kundgebung von 2 Zionist:innen mit Genozidarmee-Fahne von der Polizei geschützt wird. Gleiches Recht gilt im Land der Israel-Unterstützung nicht. Vor der exzessiven Polizeigewalt wurden auch die vielen Tourist:innen auf dem Alexanderplatz nicht verschont. Dazu behinderten die Bullen die Presse.

Hier noch ein Statement einer Demonstrantin:

„Nachdem eine Person durch den Angriff der Bullen eingeklemmt wurde – hat sie keine Luft mehr bekommen. Als ich das dem Bullen nochmal lauter zugerufen habe, hat der mir in die Augen geschaut und mit voller Wucht zwei mal auf die Nase geschlagen. Als danach ein Sanitäter für mich gerufen wurde hat ein Bulle noch gesagt, dass ich ja einen Ausweis dabeihabe und man einen “ID-F” mit mir machen könnte. Dann haben die alle gelacht.“

Wir sagen:

  • Wir haben das Recht, immer, zu jeder Zeit, an jedem Ort unseren Protest und unsere Forderungen auf die Straße zu tragen! Lasst uns das durchsetzen – gegen jede Einschränkung der Versammlungsfreiheit!
  • Wenn der Staat uns angreift, müssen wir uns selber schützen! Gegen ihre Repression – Bullen entwaffnen und Polizei abschaffen! Für organisierte, militante, massenhafte Selbstverteidigung auf unseren Aktionen!
  • Die Masse schützt uns. Lasst uns die Bewegung vergrößern und sie in unsere Schulen, Unis und Betriebe tragen! So können wir durch den Aufbau von Aktionskomittees auch effektivere Formen des Widerstands, wie den Streik voranbringen!
  • Brecht die deutsche Unterstützung von Genozid, Apartheid und Besatzung! Für ein freies, sozialistisches Palästina für alle Menschen vom Jordan bis zum Mittelmeer!



Hands off Global Sumud Flotilla! Nieder mit der Blockade und dem Zionismus!

vom 1. Oktober 2025, gemeinsame Erklärung der Jugendorganisation REVOLUTION, der Gruppe Arbeiter:innenmacht und des Kommunistischen Studierendenbunds

Der israelische Terror gegen Gaza und gegen alle, die den Überlebens- und Befreiungskampf der dortigen Bevölkerung unterstützen, geht weiter. Seit bald zwei Jahren verübt Israel dort einen Genozid. Heute griff der zionistische Staat die Global Sumud Flottilla an, die Hilfslieferungen in das pausenlos bombardierte und ausgehungerte Freiluftgefängnis bringen wollte.

Die Aktivist:innen wurden unter dem Vorwurf von Terrorunterstützung festgenommen, die Boote beschlagnahmt.

Zuvor entstand die Global Sumud Flottilla im Juli 2025 aus der Vernetzung der Freedom Flotilla Coalition, des Global Movement to Gaza und regionaler „Sumud“-Initiativen. Seit Ende August liefen über 50 zivile Boote aus Barcelona, Genua, Tunis und Catania aus mit Aktivist:innen, Mediziner:innen und Hilfsgütern an Bord, um die Blockade zu durchbrechen und einen Seekorridor zu öffnen. Bereits vor diesem Angriff wurden Konvois in internationalen Gewässern bedrängt: Drohnen verfolgten und attackierten Schiffe nahe Griechenland. Zuvor trafen in Tunesien liegende Boote Brandmittel aus der Luft. Spanien, Italien und Griechenland reagierten mit Begleitmarine als „Schutzmaßnahmen“, um zumindest Ertrunkene zu verhindern, aber nicht den Durchbruch durchzusetzen. Unbeirrt hielt die Flottilla Kurs, und zwar als bislang größte zivil getragene Seemission für Gaza.

Und das soll Terrorunterstützung sein? Wir sagen: Die Terrorunterstützer:innen sitzen hier, in Deutschland. Der Terrorstaat ist Israel, das gezielt Zigtausende Menschen massakriert hat und plant, die gesamte Bevölkerung von Gaza (und vermutlich auch bald der Westbank) zu vertreiben oder zu ermorden. Wir fordern die bürgerlichen Regierungen auf, sämtliche Beziehungen zu Israel abzubrechen und sofort umfangreiche Hilfslieferungen an die Bevölkerung in Gaza zu beginnen. Wenn sie Segelschiffe abfangen, dann schickt verdammt nochmal Containerschiffe! Wir fordern die sofortige Freilassung aller Gefangenen, die Freigabe der Boote, das Ende der verbrecherischen Seeblockade Gazas und der Blockade des Grenzübergangs Rafah sowie ein Ende sämtlicher Kriegshandlungen Israels. Wir sprechen dem palästinensischen Widerstand ohne jedes Wenn und Aber unsere Unterstützung aus – im gerechtfertigten Kampf gegen zionistischen Terror, Besatzung und Vertreibung.

Stop the Genocide muss praktisch werden!
Darum rufen wir euch auf, heute mit uns gegen die Terrorunterstützerin BRD auf die Straße zu gehen.

Berlin
1.10. 21:00 Hauptbahnhof
2.10. Auswärtiges Amt, 15:00

Hamburg
02.10. Hachmannplatz, 19 Uhr

München
wird noch bekannt gegeben

Leipzig
2.10. Augustplatz, 17 Uhr

Frankfurt (am Main)
2.10. Hauptwache, 18 Uhr

Stuttgart
2.10. Schlossplatz, 19 Uhr

Hannover
2.10. Kröpcke, 18 Uhr

Mehr Infos zu Aktionen bei @globalmovementtogaza.germany auf Instagram.

Der Angriff auf die Flotilla zeigt auch: Kein Vertrauen in Trumps 20-Punkte Plan! Ihnen ging und geht es nie um palästinensisches Leben und Selbstbestimmung. Um den Genozid zu stoppen und Palästina zu befreien, reicht ein Tag nicht, auch nicht zwei oder drei. Wir müssen uns organisieren: In der Schule, an der Uni und im Betrieb. Gründen wir Aktionskomitees Solidarität mit Palästina und bereiten wir massenhafte Aktionen bis hin zum Generalstreik für Gaza vor. Die italienischen Arbeiter:innen sollen unsere Vorbilder sein!

Shut down Germany until it cuts all ties with zionist terror!
Legen wir Deutschland lahm, bis es mit dem zionistischen Terror bricht!




10 demands for the Palestinian liberation struggle

updatet June 2025, original text from December 2023 – 12 reading minutes

For over 20 months, Israel has been committing genocide in Gaza. In facts, this means over 55,000 dead, over a million starving, destruction of schools, hospitals, universities, libraries, homes and places of worship, and almost the entire infrastructure. Israel has now officially announced its intention to expel the Palestinian population and permanently occupy most of the Gaza Strip. It is supported in this by Western imperialists, led by the United States and Germany. Not only does Israel’s genocidal policy meet with broad approval, but in imperialist countries such as Germany, solidarity with Palestine is criminalised under the pretext of „combating anti-Semitism“. This goes hand in hand with deeply racist policies and incitement against migrants, who are portrayed as the perpetrators and carriers of so-called ‘imported anti-Semitism.’

We hereby propose 10 demands for the Palestinian resistance and the solidarity movement in Germany in the struggle against these conditions.

In Palestine:

1. An immediate end to the genocide in Gaza! Lift the blockade! Withdraw all IDF troops from Gaza and the West Bank! Free all prisoners!

Despite various ceasefires, which have been repeatedly broken by Israel, the genocide in Gaza continues, with the IDF murdering civilians, destroying all infrastructure, blocking aid deliveries to the Gaza Strip and thus directly causing a famine. The immediate end to the brutal and war criminal attacks on Gaza is more than just a demand for a new ceasefire! An indefinite ceasefire and the passage of aid deliveries are essential for the survival of the population in the current situation, but this does not end the occupation; it merely means that the current conflicts are frozen. What we also do not demand is the demilitarisation of the Palestinians, because the right to self-defence and the struggle for freedom must also be enforced militantly. All IDF troops must leave Gaza and the West Bank; they are oppressive troops who enforce the rule of the State of Israel by any means necessary. The withdrawal of the IDF and the demand for an immediate end to the killing must be enforced unconditionally! We stand for the release of Palestinian prisoners. Approximately 4,500 Palestinians, including many children and young people, were already in Israeli prisons before 7 October 2023. Since then, however, thousands more have been arrested. Those who have been released report abuse and torture in most cases.

2. Down with apartheid and all restrictions on the freedom of Palestinians. For complete legal equality for all inhabitants between the Mediterranean Sea and the Jordan River! Nationalisation of all land ownership and granting of the right of return to all Palestinians worldwide.

Palestinians are third-class citizens in Israel and the occupied territories; they are cheap labour, not equal before the law, and are systematically oppressed in both the social and economic spheres of their lives. Israeli institutions, both state and non-state, decide on house building, housing and, in Gaza, on electricity, water and raw materials. Checkpoints, hours of checks, house searches, raids and arrests are part of everyday life for Palestinians. The occupied West Bank is being carved up and freedom of movement is severely restricted. Settlers carry out pogroms under the protection of the IDF and drive Palestinians from their land. Settlers are subject to Israeli law, while Palestinians are subject to military law. That is why apartheid must be dismantled and all restrictions on freedom must be lifted. We demand complete equality for all people on the ground and the right of return for all displaced Palestinians. The basis for this is the socialised ownership of the means of production, land, factories and offices, as well as equal access to health, education and housing, coordinated through a democratic plan. That is why we are fighting for a socialist solution based on the common ownership of the land and all important means of production.

3. For a united secular socialist Palestine, with equality for all its citizens, Israeli and Palestinian, as part of a socialist federation of the Middle East. For a new Arab Spring!

The liberation of the Palestinian people and the freedom of the peoples of the Middle East from Western domination and exploitation require the revolutionary overthrow of Israel as a racist state and its replacement by a single bi-national state for both its Palestinian and Israeli-Jewish peoples. This does not mean the expulsion of the Israeli population or its destruction as a nation. The ‘two-state solution’ is in reality dead. Its recognition in words exists as a fig leaf for Israeli aggression. For the United States and Western European states, it justifies continued support for Israel, and for reformist parties such as the British Labour Party, it allows them to save face with their Muslim voters without committing themselves to the Palestinian resistance. It is the task of the Palestinians, as well as the working classes and oppressed peoples of the surrounding countries, to overthrow the Israeli state. The latter have an important role to play in this. It is they who must confront their dictators and rulers, for neither the Khomeinis, the Sissis nor the Erdogans of this region have any interest in a liberated Palestine. There needs to be a second Arab Spring, in which workers in the surrounding countries organise against their oppressors and overthrow them, open the borders to Gaza and, under joint control, provide aid and support the struggle on the ground.

Ultimately, a democratically planned economy controlled by the working class is the only way to rebuild Gaza and the West Bank in the interests of their inhabitants and to fulfil the Palestinians‘ right of return, while guaranteeing the right to self-determination for all nationalities (e.g. the right to speak their own language). On the other hand, the liberation of Palestine can only be achieved by overthrowing the regimes in the region which, if they do not collaborate directly with Israel, do not offer any serious resistance to the Zionist state or even tolerate it because they see their own population’s solidarity with the Palestinian liberation struggle as a threat to themselves.

4. For the right of Israeli soldiers to refuse to fight in Gaza and the West Bank. Disband the bourgeois army and police and form democratic workers‘ militias that join the Palestinian resistance!

The struggle against genocide and Zionism itself must also be taken up within Israeli society. However, the policy against the Palestinians enjoys broad support among the Israeli population, including the Israeli working class, which can only maintain its standard of living thanks to Western economic and military aid that Israel receives because of its role as an outpost of imperialism in the region. In order to break the Zionist unity, it is therefore necessary to weaken the material support for this state based on oppression and expulsion to such an extent that even sections of the Israeli-Jewish working class realise that Zionism does not bring security, but only permanent racism and subordination to a state based on colonial expulsion. Even if we must not make ourselves dependent on internal developments in Israel, it is nevertheless right to fight now to lead as many Israeli workers and oppressed people as possible to break with Zionism.

To this end, it is important to support the few conscientious objectors and anti-Zionists in Israel. Building an anti-Zionist opposition in Israel is a necessary condition for the abolition of the military and police and for the liberation of the Israeli working class. We are already seeing small signs of this, with anti-Zionist Jews around the world helping to drive and support the protests. In Israel, it is the task of progressives and revolutionaries to break away from pro-Zionist and state-supporting organisations such as the Histadrut a „yellow“ (pro bourgeois) trade union, to replace them with joint organisations with their Palestinian brothers and sisters, and to openly show that the war is not in the interests of Israeli workers but in the interests of the ruling class. For example, it is obviously more important to the Israeli government to push ahead with the destruction of the Palestinians than to secure the release of the hostages. The class struggle must not be put on hold in favour of the supposed ‘defence of the fatherland.’

5. For the creation of an independent communist workers‘ party of Palestine, based on trade unions and regional committees, to put an end to the subordination of the Palestinian left to Hamas and Fatah!

In order to fight for a free, secular and socialist Palestine, as well as for the demands mentioned above, it is necessary to unite the most progressive forces in a party that is based on councils and committees, enforces these demands and gives the movement a political programme. The struggle for national liberation must be linked to the social and economic demands of the working class, such as a decent minimum wage, women’s rights and LGBTI+ rights! There must also be a break with the policies of Hamas and Fatah. Both have shown often enough that they have no strategy to win the liberation struggle and that they ultimately do not care about the interests of the Palestinian masses. Fatah has elevated itself to the role of colonial administrator in the Palestinian Authority and openly cooperates with Israel to crush protests against the occupation and genocide. But Hamas also relies on Iran and the so-called ‘axis of resistance’ as its allies, rather than on the masses of workers and small farmers in the Middle East. It does so because it ultimately expresses the class interests of the Palestinian bourgeoisie and petty-bourgeois layers, but in doing so it leads the resistance into a dead end. We stand for the interests of workers, small farmers, youth and women, which must be enforced not only against the Zionist occupation, but ultimately also against the Palestinian capitalists!

In Germany and other Western states

1. Immediate stop to all arms deliveries, stop military, economic and diplomatic support for Israel! Away with the warships off the coast of Gaza! For trade union action to block military equipment!

The German arms industry has long been a favourite supplier of war materiel to Israel. An analysis of statistical data from 2011 to 2022 shows that Israel ranks fourth among all countries to which Germany exports arms. Since the outbreak of war, these figures have exploded once again: compared to the previous year, the volume of arms exports has already increased more than tenfold! Germany is the second largest arms exporter to Israel and accounts for a third of all arms deliveries. On the one hand, it is a horrific thought that German corporations are enriching themselves from the murder in Palestine. On the other hand, these deliveries are also subsidised by taxpayers‘ money, because supporting forces of order such as Israel and maintaining conditions of semi-colonial dependence and exploitation by imperialism is German ‘national interest’. Preventing all this is our best chance here in Germany to oppose the war in Palestine and put international solidarity into practice. Workers in logistics and the arms industry have no interest in the oppression of their class brothers and sisters in Palestine. They must be won over to strikes, blockades and protest actions! Blockades of arms deliveries, such as those in Genoa, Marseille and many other ports around the world, show the way forward!

2. Stop the criminalisation of the liberation struggle! No more bans on demonstrations and lift those imposed on Samidoun, PFLP, Hamas and PKK!

While the AfD, Holocaust-denying Nazis and anti-Semitic ‘Querdenker’ (so called ‘lateral thinkers’, right wing conspiracy theorists) were allowed to take the streets under police protection to promote their ideology, solidarity demonstrations and commemorative events for the victims of the war in Palestine were banned left and right. Where they do take place, they are accompanied by police harassment: people are beaten, arrested and charged. We have long seen how the German state translates its foreign policy interests into domestic policy, for example with the ban on the PKK, through its repression of the Kurdish freedom movement. Now, Palestinian resistance organisations are also increasingly being banned, whether they are left-wing, such as Samidoun or PFLP, or religious fundamentalists such as Hamas. Even though we have a lot of criticism of these groups, do not share their ideologies and reject their tactics, we oppose their ban by the German state. Overcoming the reactionary leadership of the resistance struggle in Gaza will only be possible as part of this struggle, not through state repression by Israel or Germany.

3. Stop deportations now! Against the hypocritical pretext of anti-Semitism for a racist asylum policy! Form anti-racist self-defence committees against attacks by cops and fascists!

4. Open borders and citizenship rights for all who flee war, poverty and climate destruction!

We are currently witnessing how the right to asylum is being systematically undermined and abolished in Europe. Flight routes are being blocked, border controls are being tightened and even introduced within the Schengen area, refugees are being crammed into overcrowded camps and deported to war and crisis zones. Proposals to make a commitment to the state of Israel a condition for naturalisation or the announcement that supposedly anti-Semitic refugees must ‘finally be deported on a large scale’ are a cynical attempt to cast this rejection of fundamental human rights in a morally positive light. We oppose this with the demand for freedom of movement for all! In the struggle for this, it is necessary that the trade unions finally open up and promote the unionisation of refugees!

5. For Palestine solidarity groups at universities, schools, in workplaces and trade unions that organise nationwide!

In order to advance the Palestine solidarity movement in Germany, we must succeed in anchoring ourselves in broader sections of the youth and working class. Although the vast majority of Germans reject genocide, it is often only the same milieus that take the streets against this genocide. One reason for this is that many people in Germany are not confronted with the struggle against genocide in their everyday lives. They often reject it, but do not really know what they can do. One way to break this isolation is to establish Palestine solidarity groups in schools, universities and workplaces, i.e. where we spend our daily lives. Actions can range from BDS at universities, calls for solidarity and blockades of arms deliveries in companies, to the fight against racist teaching content or discrimination against Palestinians and Muslims in schools. The movement at universities in particular has shown that such a foundation can be established and that new layers of people can be drawn into the struggle. If we want to break support for Israel, we must take up the fight against genocide and imperialism everywhere we spend our daily lives and organise this nation- and worldwide!




Von „Differenziertheit“ zu Diffamierung – Kritik am Statement der Linksjugend [’solid]

von Urs Hecker, Juni 2025 – 9 Minuten Lesezeit

Die Linksjugend Solid bzw. ihr Bundessprecher:innenrat hat am 31.05 ein Statement auf ihrem Instagram-Kanal hochgeladen, in welchem sie der Palästinasolidaritätsbewegung in Deutschland strukturellen Antisemitismus unterstellt. Dabei wird – in für die deutsche Öffentlichkeit typischer Manier – keine Trennlinie zwischen „Israelhass“, Antizionismus und Antisemitismus gezogen. Anlass zum Statement war das Attentat auf zwei Mitarbeiter:innen der israelischen Botschaft in Washington D.C., von dem die Linksjugend Solid eine direkte Verbindung zu Parolen der Palästinasolidaritätsbewegung in „deutschen Großstädten“ zieht. Damit ist sie nicht nur klar auf Linie der deutschen Staatsräson, sie fungiert auch als Stichwortgeber von „Links“, um die Repression, welche die Palästinasolidarität aktuell massiv „in deutschen Großstädten“ erfährt, zu rechtfertigen.

Im Folgenden wollen wir uns das Statement genauer anschauen und zum einem herausarbeiten, wie gegen diese Haltung eine Opposition in der Solid aufgebaut werden könnte, und zum anderen wie sich Revolutionär:innen überhaupt gegenüber der Palästinasolidaritätsbewegung verhalten sollten.

Antizionismus oder Antisemitismus

Durch das gesamte Statement zieht sich eine Argumentationslinie in der Antizionismus, also Opposition zu Israel als siedlerkoloniales Projekt, und Antisemitismus mit einander vermischt oder in Eins gesetzt werden. Von Beginn an wird „Hass auf Israel und auf Zionist: innen“ mit Antisemitismus und antisemitischer Gewalt in Verbindung gebracht. Parolen wie „Globalize the Intifada“ und „Zionists not welcome“, welche auf Demos gerufen oder an Universitäten geschmiert werden, seien Ausdruck eines „antisemitischen Vernichtungswahns“, da die Aktivist:innen Israel und Zionist:innen als weltbeherrschend und per se als „das Böse“ ansehen würden. Solche Parolen seien sogar mittelbar für das Attentat in Washington und antisemitischer Gewalt verantwortlich.

Parolen wie „Globalize the Intifada“ oder“ Zionist not welcome“ und Antizionismus im Allgemeinen sind natürlich nicht antisemitisch, da Jüd:innen und Israel eben nicht identisch sind. Vielmehr fördert diese Vermischung der Begriffe gerade Antisemitismus und macht Jüd:innen allgemein für die Verbrechen Israels mitverantwortlich. Dass der zionistische Apartheidsstaat, der aktuell einen Genozid ausübt, gehasst und als Feind wahrgenommen wird, ist völlig richtig und legitim. Ebenso wie der Kampf gegen die Imperialist:innen, welche ihn außenpolitisch unterstützen und für ihre Interessen einsetzen.

Mit ihrer Argumentation reiht sich die Solid in die Propaganda ein, dass der Zionismus tatsächlich mit dem jüdischen Volk und Glauben identisch sei und Angriffe auf den Zionismus antisemitisch seien. Nicht nur das, auch für die deutsche rassistische Medienlandschaft und Politik, die seit jeher die Palästinasolidaritätsbewegung als antisemitisch diffamieren, um so die Repression zu rechtfertigen, liefert die Linksjugend Argumentationshilfe von „Links“. Neben Springer und Tagesschau redet jetzt auch die Linksjugend Solid von angeblich strukturell antisemitischen Demonstrationen in deutschen Großstädten, die für Attentate wie das in Washington verantwortlich seien.

Auch wenn man in Lippenbekenntnis die Gewalt Israels verurteilt, hilft man so objektiv der staatlichen und rassistischen Repression und Hetze gegen die Palästinasolidaritätsbewegung. Das alles vor dem Hintergrund des Genozids entbehrt jeglicher „Differenziertheit“.

Zum Attentat in D.C.

Als Anlass für diese Diffamierungen nimmt sich die Solid das Attentat in Washington D.C.
Der Attentäter fuhr hier von Chicago nach Washington um eine Veranstaltung für israelische Diplomat:innen auszukundschaften und daraufhin anzugreifen. Dabei tötete er zwei Mitarbeiter:innen der israelischen Botschaft. Das Attentat in Washington war also nicht antisemitisch, da der Täter gezielt Mitarbeiter:innen der israelischen Botschaft und nicht Jüd:innen per se angriff. Auch sollte hier erwähnt werden, dass eins der Opfer nicht jüdisch war.

Das Attentat stellt auch keine „Zäsur“ dar, wie die Solid behauptet, in einem Genozid, in dem Israel über 70.000 Menschen direkt ermordet hat, Hunderttausende vom Hungertod durch die israelische Blockade bedroht sind und Millionen vertrieben werden, stellt die Ermordung zweier Mitarbeiter:innen dieses Staates sicher kein neues Level an Gewalt und Verrohung dar.

Trotzdem lehnen wir den Anschlag ab. Terrorismus und Attentate liefern keine Perspektive für einen effektiven Kampf gegen Unterdrückung und haben in der Geschichte entsprechende Bewegungen geschwächt. Nur die gemeinsame bewusste Aktion der Arbeiter:innen und Unterdrückten in Palästina und im restlichen Nahen Osten, unterstützt durch die Arbeiter:innenklasse in den imperialistischen Zentren können den zionistischen Apartheidsstaat und den ihn stützenden Imperialismus bezwingen. Keine noch so entschlossene und radikale Einzelaktion kann hier eine Abkürzung liefern. Stattdessen fungieren sie als Rechtfertigung für die Repression, verbrennen die entschlossensten Aktivist:innen und führt die Bewegung in eine Sackgasse.

Dieser individuelle Aktionismus und Terrorismus ist dabei oft Ausdruck der Marginalisierung und Perspektivlosigkeit einer Bewegung in der Aktivist:innen aber unbedingt und zurecht etwas verändern wollen. Genau hier könnte die Solid ansetzen und zusammen mit der Anbindung an breitere Teile der Jugend und Arbeiter:innenklasse eine linke Perspektive für die Bewegung aufwerfen. Sie reiht sich, wie oben erwähnt, aber lieber mit Springer und dem deutschen Staat ein, um der Bewegung an sich Antisemitismus vorzuwerfen.

Palästinasoli und Antisemitismus

Wenn man tatsächlich der Palästinasolidaritätsbewegung teilnimmt und die Statements der verschiedenen Akteur:innen verfolgt, ist klar, dass diese zwar ein Sammelbecken von verschiedenen (klein-)bürgerlichen Ideologien (Nationalismus, Postkolonialismus, Islamismus) und einigen revolutionär auftretenden Kräften ist, in der Mehrheit aber klar nicht antisemitisch ist. Hass auf Israel und den Zionismus ist dabei natürlich weit verbreitet, aber auch angesichts von Generationen andauernder Unterdrückung, Vertreibung und Genozid mehr als gerechtfertigt. Wenn Antisemitismus in der Bewegung auftaucht, dann meistens aus berechtigtem Hass auf den Unterdrücker Israel, welcher dann aber falscher Weise mit Jüd:innen insgesamt in Verbindung gebracht wird. Das ist genau der gegensätzliche Zusammenhang zu Nazis, die aufgrund ihres Antisemitismus vorgeben, Palästina zu unterstützen. Dass der Antisemitismus überhaupt in der Lage ist, in der Bewegung Raum zu finden, liegt auch an der Dominanz der verschiedenen bürgerlichen Ideologien in der Palästinasolidaritätsbewegung, die nicht in der Lage sind, die Unterdrückung durch Israel in die Totalität des imperialistischen Weltsystems einzufügen. Das macht den Antisemitismus nicht weniger gefährlich, natürlich in erster Linie für Jüd:innen, aber auch für den Kampf gegen den Genozid. Zu wissen, wie er entsteht, ist dabei eine notwendige Voraussetzung, um ihn überhaupt bekämpfen zu können.

Er ist zumindest nicht so zu bekämpfen, indem man der Palästinasolidaritätsbewegung und dem Widerstand grundsätzlich die Solidarität entzieht. Der Kampf gegen Unterdrückung, Besatzung und Genozid ist gerechtfertigt und notwendig. Von dem Standpunkt der bedingungslosen Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand kann über die Ursachen der Unterdrückung, der westlichen Unterstützung und über Perspektiven im Kampf diskutiert werden. Hier kann die Einordnung ins imperialistische Weltsystem erfolgen und dabei stets die falsche Gleichsetzung von Judentum und Zionismus aufgezeigt werden. Die Linksjugend macht das genaue Gegenteil, indem sie diese falsche Gleichsetzung reproduziert, um sie gegen die Palästinasolidaritätsbewegung zu richten. Damit hilft sie nicht nur der Repression gegen die Palästinasolidarität, sondern stärkt auch antisemitische Sichtweisen in ihr.

Aufgabe Linker Kräfte

Die Aufgabe linker Kräfte im Verhältnis zur Palästinasolidaritätsbewegung ist also eine fundamental andere. Als erstes muss uns klar sein, dass es eben nicht unsere Aufgabe ist, besonders „differenziert“ von außen zuzuschauen und dabei die Aktionen der einzelnen Akteur:innen isoliert nach moralischen Maßstäben hier in Deutschland zu bewerten. Für uns muss klar sein, dass der Gewalt in Palästina ein Unterdrückungsverhältnis zu Grunde liegt, welches im imperialistischen Weltsystem und konkret im Siedlerkolonialstaat Israel begründet ist. Alle Gewalt rührt letztendlich aus diesem Unterdrückungsverhältnis. Zusätzlich sei noch die Asymmetrie im Kräfteverhältnis zwischen der Atommacht Israel plus ihrer imperialistischen Unterstützer:innen und dem palästinensischen Widerstand erwähnt und der damit verbundenen Möglichkeit, Gewalt auszuüben. Es ist Israel, das de facto einen Genozid ausübt, es ist Israel, das vernichtet.

Aus diesem Verständnis folgt, dass wir klar Stellung beziehen auf der Seite der Unterdrückten, der Palästinenser:innen. Dass wir ihr Recht auf Widerstand anerkennen, ohne diese Unterstützung dabei von der moralischen Bewertung einzelner Aktionen oder Gruppen abhängig zu machen. Diese Intervention muss aber auch erfolgen! Zum einem im Praktischen, indem wir im Rahmen unserer Kräfte Aktionen durchführen und unterstützen und so einen Beitrag zur Bewegung leisten, aber auch im Theoretischen, um die Unterdrückung im imperialistischen Weltsystem einordnen zu können und so den Weg zu ihrer Überwindung zu finden. Dabei müssen wir auch die verschiedenen bürgerlichen Ideologien, die im Widerstand und der Solidaritätsbewegung vorhanden sind, kritisieren und ihre Dominanz herausfordern. Es ist deshalb auch wichtig, Kritik an der HAMAS und ihrer fehlgeleiteten Strategie zur Befreiung Palästinas anzubringen, allerdings immer auf der Grundlage der grundsätzlichen Unterstützung des palästinensischen Widerstands.

Unser Ziel ist es also möglichst breit im Widerstand gegen den Zionismus und Imperialismus zusammenzuarbeiten. Dabei müssen wir aber gleichzeitig unsere politische und organisatorische Unabhängigkeit bewahren, um nicht unseren Klassenstandpunkt unter die verschiedenen bürgerlichen Akteure unterzuordnen. Deswegen fordern wir die antiimperialistische Einheitsfront, also die Aktionseinheit aller Kräfte, die sich gegen den zionistischen Apartheidstaat und den Imperialismus stellen, bei gleichzeitiger Freiheit der Kritik an- und untereinander.

Opposition in der Solid

Dass die Führung der Solid sich hier so opportunistisch zeigt, ist kein Zufall, sondern unter anderem Ausdruck des ideologischen Einflusses durch die Bürokratie der Linkspartei.
Dieser Einfluss führt dazu, dass die Solid, obwohl sie selbst weniger bürokratisch geprägt ist als die Linkspartei, ihr opportunistisches Schwanken zu Palästina und ihr reformistisches Programm mitträgt.

Gegen das Statement der Solid-Leitung haben verschiedene Landesverbände, Basisgruppen und der BAK-Klassenkampf Kritik veröffentlicht. Das begrüßen wir ausdrücklich und spricht sicher hunderten Genoss:innen in der Solid aus der Seele, die die Diffamierung der Palästinabewegung und die Vermischung von Antizionismus und Antisemitismus nicht mittragen wollen. Diese haben auch zahlreich Luft in der Kommentarspalte verschafft, bis sie dann geschlossen wurde. Diese Kritik ist wichtig! Zu sagen, was ist, ist immer noch die revolutionärste Tat.

Es aber auch notwendig, dem einen organisatorischen und programmatischen Ausdruck zu geben. Dazu ist es sinnvoll, sich innerhalb der Solid zu einer revolutionären Fraktion zusammenzuschließen. Das ist notwendig, um nicht nur zufällig im organisationsinternen Kampf einmal auf der einen und einmal auf der anderen Seite zu stehen, sondern um die Kräfte zu bündeln, gemeinsam zu intervenieren und einen echten inhaltlich/programmatischen Pol in der Solid bilden zu können.
Diese Fraktion muss darum kämpfen, den Opportunist:innen die Führung der Solid zu entziehen, dabei wird die Frage zum Verhältnis zur Palästinasolidaritätsbewegung eine entscheidende Rolle spielen.

Wenn ihr Mitglied bei der Linksjugend seid und unsere Kritik teilt oder auch als Basisgruppe dem zustimmt, dann kommt auf uns zu (schreibt uns einfach eine DM) und lasst uns darüber diskutieren, wie diese notwendigen Schritte im Verband gegangen werden können, um Diffamierung und Opportunismus entschlossen entgegenzutreten und die Linksjugend zu einer Kraft zu machen, welche reale Veränderung erkämpfen kann!

Hier könnt ihr den Beitrag der Linksjugend [’solid] nachlesen: https://www.instagram.com/p/DKRHaTUt62h/?img_index=1




Statement zum Centro Rauswurf: Das Elend der deutschen Linken

von REVOLUTION Hamburg, November 2024

Diesen Mittwoch wurden wir aus unseren Räumen im Centro Sociale geworfen, weil wir das Recht von Palästinenser:innen auf Widerstand anerkennen.

Was ist passiert? Die Entscheidung des Hauses fiel auf einem Plenum, bei dem der Großteil der im Centro arbeitenden Gruppen vertreten war. Auslöser dafür war eine Diskussionsveranstaltung mit dem Titel: „Ein Jahr Ausbruch aus Gaza. Wie erkämpfen wir die Befreiung in Palästina?“ Diese hatten wir letzten Monat im Rahmen unseres Plenums abgehalten.

Im Ankündigungstext und auf der Veranstaltung haben wir uns solidarisch mit dem palästinensischen Widerstand gezeigt. Wir haben deutlich gemacht, dass Angriffe auf Zivilist:innen abzulehnen sind, dass es aber legitim ist, den Grenzzaun einzureißen, der für zwei Millionen Menschen in Gaza eine Gefängnismauer darstellt. Es ist gerechtfertigt, eine Armee anzugreifen, die seit ihrer Entstehung gezielt Palästinenser:innen vertreibt und tötet. Ziel der Veranstaltung war es, auf dieser Grundlage über die Strategie des palästinensischen Befreiungskampfes zu diskutieren. Dabei haben wir uns für den Aufbau einer unabhängigen revolutionären Arbeiter:innenpartei starkgemacht.

Dafür wurden wir nun rausgeworfen.

Die Mehrheit der Gruppen im Centro Sociale macht uns zwei Vorwürfe:

1. Wir hätten das Vertrauen anderer Gruppen gebrochen, weil wir eine Veranstaltung zum Thema Palästina durchgeführt haben.

Auf unseren Ortsgruppentreffen bieten wir jede Woche Vorträge und Diskussionen an – und das schon seit über zwei Jahren. Wie wir uns zum palästinensischen Befreiungskampf positionieren, haben wir in unserem offen einsehbaren Programm und seit fast 2 Jahrzehnten in etlichen Artikeln niedergeschrieben (z.B. hier ein Artikel aus 2006). Positionen zum 7. Oktober sind seit letztem Herbst auf unserer Website und auf Instagram nachzulesen. In einem linken Zentrum müssen wir in der Lage sein, unsere Politik machen zu können, wir verlangen von anderen Gruppen auch nicht, bei ihrer Arbeit auf unsere Inhalte Rücksicht zu nehmen. Die Anschuldigung des Vertrauensbruchs dient lediglich als Vorwand für den eigentlichen Vorwurf:

2. Unsere Position sei antisemitisch.

Der wahre Grund für den Rauswurf liegt an unseren Inhalten: Kein anderes Diskussionsthema mussten wir uns jemals vom Centro erlauben lassen. Dem Widerstand ein antisemitisches Motiv anzudichten, ist eine Frechheit. Die Palästinenser:innen wehren sich nicht, weil ihre Unterdrücker:innen jüdisch sind, sie wehren sich, weil es ihre Unterdrücker:innen sind. Die Gleichsetzung des Staates Israel mit allen Jüd:innen ist selbst antisemitisch, denn damit werden Siedlungskolonialismus und Genozid zu jüdischen Eigenschaften erklärt. Wir werden uns nicht zensieren lassen oder unsere Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand brechen, weil irgendwelche Deutschen damit ein Problem haben.

Warum vertreten wir diese Position?

Alle Unterdrückten haben das Recht, sich gegen ihre Unterdrückung zu wehren. Die Frage danach, wer wen unterdrückt, ist eindeutig geklärt: Israel ist kein ums Überleben kämpfender „Safe Space für Jüd:innen“, der auf die Unterstützung von deutschen „Linken“ angewiesen wäre. Das zionistische Projekt ist ein hochgerüsteter Kolonialstaat, bei dem ethnische Säuberungen von Anfang an zum Repertoire gehörten. Deswegen sehen wir die Angriffe auf den Grenzzaun und andere militärische Einrichtungen am 7. Oktober als legitim an.

Für den Widerstand gegen Kolonialismus, Krieg und Genozid haben wir nicht nur Verständnis, wir unterstützen ihn bedingungslos. In Gaza haben vor dem Beginn des Genozids 2 Millionen Menschen zusammengepfercht auf engstem Gebiet gelebt. Die Bevölkerung war sehr jung und als Folge der Nakba oft seit mehreren Generationen Geflüchtete. Gaza stand unter israelischer Blockade: so gut wie jedes wirtschaftliche Leben wurde unterbunden, es herrschten hohe Arbeitslosigkeit und entsprechendes Elend in der Bevölkerung. 80% der Bevölkerung waren auf humanitäre Hilfe angewiesen. Diese Menschen hatten jedes Recht, ihre Gefängnismauern einzureißen!

Und was ist mit der Hamas?

Einige werden uns jetzt vorwerfen, dass wir die Taten der Hamas nicht gutheißen können. Ja, die Hamas ist reaktionär, und sie wird kein befreites Palästina erkämpfen. Aber zurzeit ist sie die größte Kraft im palästinensischen Widerstand. Da wir kein Vertrauen in imperialistische „Kompromisslösungen“ und „Friedensabkommen“ haben, stellt der aktuelle Widerstand eine entscheidende Kraft im Kampf für ein freies Palästina dar. Deswegen setzen wir uns für linke Positionen und eine revolutionäre proletarische Führung dieser Befreiungsbewegung ein.

Dabei ist es wichtig, als linke bzw. proletarische Kräfte unabhängig von der Hamas und anderen bürgerlichen Kräften zu bleiben und deren Ideologie und Strategie zu kritisieren. Die Unterstützung des Widerstandes und die Kritik an ihrer Führung sind für uns kein Widerspruch, sondern gehören zusammen. Dass der Widerstand derzeit von Islamist:innen angeführt wird, bedeutet nicht, dass damit das Recht der Palästinenser:innen verfällt, sich zu wehren.

Das Elend der deutschen Linken

Die Mehrheitsposition im Centro steht exemplarisch für große Teile der deutschen Linken: Selbst nach über einem Jahr Genozid sind sie davon überzeugt, dass die Situation „zu kompliziert“ sei, um sich eine eindeutige Meinung zu bilden. Den rassistischen Hetzkampagnen der bürgerlichen Medien wird unhinterfragt Glauben geschenkt. Aus hohlen Phrasen wie „Solidarität mit der Zivilbevölkerung“ oder „Gegen Netanjahu und Hamas“ folgt keine politische Forderung oder Aktivität und dient angesichts von Hunderttausenden Toten in Gaza nur dazu sich nicht den politischen und moralischen Bankrott einzugestehen.

An unserem Rauswurf zeigt sich, dass solche Kräfte sich lediglich im Wortlaut solidarisch erklären. Sobald die vielbeschworene Zivilbevölkerung anfängt, sich zu wehren, wird die Solidarität untersagt. Die falsche Gleichsetzung von Unterdrücker:innen und Unterdrückten ist zahnlos und bringt den leidenden und kämpfenden Palästinenser:innen nichts. Stattdessen hält sie dem deutschen Staat mit seiner Staatsräson und Komplizenschaft den Rücken frei. Indem linken, palästinasolidarischen Gruppen die Räume entzogen werden, reiht das Centro sich in die Repressionen des Staates ein. Während Hunderttausende sterben, bleiben diese Gruppen untätig und klopfen sich dafür noch auf die Schulter. Damit stellen sie sich dem Aufbau einer Bewegung in den Weg, welche Waffenlieferungen und die politische Unterstützung der Massaker durch die BRD stoppen könnte und so den Menschen vor Ort wirklich hilft. Die Mehrheit des Centros erledigt hier in der Manier eines Hilfssheriffs die Arbeit des deutschen Staates.

Jugendunterdrückung und Bevormundung

In der Diskussion kam es außerdem zu paternalistischem Verhalten von einzelnen Mitgliedern des Centros. Wir seien mit Abstand die jüngste Gruppe dort, deshalb müsse man uns einfach beibringen, auf welchem Irrweg wir Jugendlichen seien. Diese Leute sprachen sich gegen den Rauswurf aus, weil er die „falsche pädagogische Maßnahme“ sei. Das zeugt von Arroganz und Jugendunterdrückung. Diese Leute vertreten selbst eine uninformierte, kleinkarierte und den bürgerlichen Staat unterstützende Position und sind in keiner Lage, uns belehren zu können! Als Jugendliche vertreten wir stolz unsere Positionen und diskutieren gerne mit anderen, aber nur auf Augenhöhe! Dafür wäre unsere Diskussionsveranstaltung der passende Ort gewesen.

Wer die Welt zum Positiven verändern will, muss das Recht aller Unterdrückten auf Widerstand anerkennen. Es wird Zeit, dass die Mehrheit der deutschen Linken das versteht.

Von Hamburg bis nach Gaza – Yallah Intifada!




Ein Jahr Krieg in Gaza: Wie erkämpfen wir Frieden im Nahen Osten?

von Dilara Lorin, November 2024

Die Situation im Nahen Osten spitzt sich weiter zu. Laut palästinensischen Gesundheitsbehörden liegt die Zahl der Todesopfer inzwischen bei mehr als 43.000, darunter über 16.700 Kinder. Über 200.000 Menschen starben infolge des Krieges. Die Lage ist verheerend: Mehr als 70 % des Gazastreifens wurden dem Erdboden gleichgemacht und sind aktuell nicht mehr bewohnbar. Dabei hat Israel klargemacht, dass es nicht an den Grenzen Gazas oder der Westbank haltmacht – die letzten Wochen waren geprägt durch Bombenangriffe auf den Libanon, den Iran, den Jemen und Syrien. Der befürchtete Flächenbrand ist damit bittere Realität geworden.

Die Attacke der israelischen Armee im Libanon sorgte international für Schlagzeilen und gilt als völkerrechtswidrig und inakzeptabel. Diese Attacke stellte den Anfang von mehreren Angriffen auf den Libanon dar, bei denen aktuell bis zu 4.000 Menschen starben und Hunderttausende auf der Flucht sind. Die aktuelle Offensive, bei der die Errichtung einer „begrenzten“ Besatzung umgesetzt werden soll, lässt Grausames erahnen. Eine derartige Offensive für Syrien scheint aktuell in Planung zu sein.

Derzeit ist keine Aussicht auf Frieden oder ein Waffenstillstandsabkommen erkennbar, insbesondere seit der Ermordung des Hamas-Führers Haniyya in Teheran. Die gezielte Tötung von Hamas-Führern kann als bewusste Provokation eines möglichen Krieges mit dem Iran interpretiert werden.

Innerhalb und auch außerhalb Israels rechtfertigen Medien und Politik diese Barbarei mit dem Andenken an die Opfer des 7. Oktober. Deutschlands bedingungslose Solidarität mit Israel wird nicht nur zur Staatsräson erklärt, sondern zeigt, wie eng Krieg und Vertreibung mit den Interessen des westlichen Imperialismus verbunden sind.

Was steckt hinter der mörderischen Ausweitung?

In Israel selbst ist seit fast zwei Jahren eine rechtsgerichtete Regierung an der Macht, wobei vor allem der rechtsextreme, teilweise faschistische Flügel die Genozidfantasie verwirklichen und Krieg führen will, bis eine vollständige Säuberung Palästinas stattgefunden hat. Es bestehen enge Verbindungen zu rechtsextremen Siedler:innen, die den illegalen Siedlungsbau immer weiter vorantreiben und ein freies Palästina faktisch unmöglich gemacht haben. Während innerhalb Israels verschiedene Demonstrationen gegen die immer autoritärere und rechter werdende Regierung stattfinden, ohne das Leid der Palästinenser:innen zu thematisieren, entgeht die Regierung dem durch Aggression und Eskalation gegen den Iran, den Libanon und den Jemen. Diese dienen dazu, die Mehrheit der israelischen Bevölkerung wieder auf Linie zu bringen und den Fokus auf die Verteidigung Israels zu lenken. Dabei zeigt sich seit Jahren: Solange die jüdische Arbeiter:innenklasse Israels nicht mit dem rassistischen Zionismus bricht, ist sie unfähig, der Rechten Parole zu bieten, bleibt politisch ohnmächtig und toleriert oder unterstützt gar die genozidale Politik.

Ein weiterer Aspekt hinter der Ausweitung des Krieges sind die westlichen Verbündeten Israels, die hinter Israel stehen. Auch wenn sie von Zeit zu Zeit zu einem gemäßigteren Vorgehen auffordern, ein wirklicher Entzug der Unterstützung folgt nicht, weil er letztlich nicht in ihrem Interesse liegt. Denn Israel dient dazu, die Interessen der imperialistischen Staaten im Nahen und Mittleren Osten zu verteidigen und wird gleichzeitig als Stützpunkt präsentiert. So ist die Bundesrepublik ein starker Verbündeter Israels und aktuell zweitgrößter Waffenlieferant und hält damit die Kriegsmaschinerie am Laufen. Allein 2023 genehmigte die Ampelkoalition Rüstungsgüter im Wert von 326,5 Millionen Euro an Israel. Im ersten Halbjahr 2024 sanken die Exporte zwar auf 45,74 Millionen, doch allein seit August wurden weitere Rüstungsgüter im Wert von 94,05 Millionen bewilligt.

Betrachtet man einige Staaten des Nahen Ostens – Saudi-Arabien, Ägypten, Katar oder die Türkei –, wird deutlich, dass ihre Reaktionen auf den Genozid sich lediglich auf Protestresolutionen gegen die zionistische Aggression beschränken. Es wird deutlich, dass auch diese Staaten kein Interesse am Leid der Palästinenser:innen haben, denn diese Staaten bauten noch vor dem 7. Oktober die wirtschaftlichen sowie politischen Verbindungen zu Israel aus. Auch der Iran und die Hisbollah machen deutlich, dass sie kein Interesse an einem militärischen Gegenschlag und daran haben, dadurch selbst tiefer in die Krise hineingezogen zu werden.

Trotz dieser ungünstigen internationalen Verhältnisse leisten die Massen in Gaza und der Westbank bis heute heroischen Widerstand gegen Besatzung und Vertreibung. Aber sie stehen angesichts der Offensive scheinbar übermächtiger Gegner:innen mit dem Rücken zur Wand.

Was können wir dagegen tun?

Die weltweite Solidaritätsbewegung hat im vergangenen Jahr demonstriert, welche organisatorischen Fähigkeiten sie besitzt, gleichzeitig aber auch ihre Grenzen aufgezeigt. Wir stellen fest, dass die Bewegung gegenwärtig in einer Defensive ist, obgleich an zahlreichen Schauplätzen positive Aktionen stattfinden, die einer weiteren Verbreitung bedürfen. Tausende Studierende haben ihre Universitäten besetzt und sich gegen eine Forschung für den Genozid sowie gegen Verbindungen der Universitäten mit Israel ausgesprochen. Hafenarbeiter:innen in Italien und in Griechenland haben das gesamte Jahr über in verschiedenen Häfen Schiffe bestreikt, die Munition und anderes nach Israel verschiffen sollten. Weltweit kam es zu Massendemonstrationen, trotz repressiver Polizei und des repressiven Staatsapparats in den jeweiligen Ländern. Selbstverständlich könnten an dieser Stelle noch zahlreiche weitere Aktionen Erwähnung finden. Dabei ist für uns klar, dass wir im Hier und Jetzt für eine sofortige Waffenruhe, den Rückzug der israelischen Armee und die Öffnung der Grenzen für Hilfslieferungen ohne jegliche Kontrolle und Bedingungen durch die Besatzungsmacht kämpfen müssen. Wir wissen, dass es nicht ausreicht, nur über eine (dauerhafte) Waffenruhe zu reden, da diese zwar Milderung schafft, aber nicht die Unterdrückung und Gewalt beenden wird, der die palästinensische Bevölkerung ausgesetzt ist. Um aber ein freies Palästina erkämpfen zu können, müssen die Proteste sich ausbreiten und aktiver in den Konflikt eingreifen.

Dabei kommt der arabischen Arbeiter:innenklasse vor allem in den umliegenden Ländern eine wesentliche Rolle zu. Denn diese sind mit der Herausforderung konfrontiert, gegen ihre eigenen herrschenden Regime zu kämpfen, die zwar Solidarität vorheucheln, jedoch den palästinensischen Befreiungskampf verraten, sobald die eigene Position im imperialistischen Weltgefüge gefährdet ist. So hätte Ägypten die Möglichkeit ergreifen können, den Suezkanal zu blockieren, der als einer der weltweit wichtigsten Knotenpunkte für den Warentransport gilt. Dadurch hätte das Land den Druck erhöhen können, um eine Waffenruhe und die Öffnung der Grenzen zu erreichen. Dies würde jedoch zu offenen Konflikten mit der EU und den USA führen. Letzten Endes hat keines der Länder oder Kräfte, bis auf die Huthis im Jemen, wirkliche Angriffe auf die militärische Präsenz unternommen. Denn schlussendlich würde ein freies, sozialistisches Palästina auch das Ende der eigenen Regime bedeuten. Um die Kampfkraft zu verstärken, sind die mehr als 6 Millionen palästinensischen Geflüchteten eine Schlüsselkraft, um den Kampf gegen die arabischen Regime mit dem für ein freies Palästina verbinden zu können. Anfangsforderungen können dabei gleiche Löhne und demokratische Rechte für alle sein. Eine revolutionäre Bewegung in Palästina und in den umliegenden arabischen Staaten ist zugleich auch entscheidend, um die klassenübergreifende Einheit im zionistischen Staat aufzubrechen. Je stärker der Kampf gegen die imperialistische Ordnung und Besetzung, umso eher werden Teile der jüdischen Arbeiter:innenklasse in Israel ihr Vertrauen in den rassistischen Staat verlieren und für den Bruch mit dem Zionismus gewonnen werden. Dann hat die Stunde der Revolution geschlagen.

Der Arbeiter:innenklasse in den imperialistischen Zentren kommt dabei die Rolle zu, eine Bewegung aufzubauen, die sich gegen die konkrete Kriegsunterstützung ihrer Regierungen richtet. Denn ihre Staaten sind es, die die wichtigsten wirtschaftlichen und militärischen Unterstützer und Verbündeten Israels sind. Dabei sind Forderungen nach einem Stopp aller Waffenlieferungen zentral, um Gewerkschaften und große Teile der Arbeiter:innen dafür zu gewinnen. Eine solche Bewegung würde nicht nur revolutionäre, internationalistische Kräfte, sondern auch gewerkschaftliche, reformistische oder kleinbürgerliche umfassen. Wir müssen in diesen Staaten gegen jede weitere militärische, finanzielle und ökonomische Unterstützung des zionistischen Staates und seiner Angriffsmaschinerie kämpfen. Des Weiteren ist es notwendig, dem antipalästinensischen Rassismus sowie der antimuslimischen Hetze, die massiv zugenommen hat, den Kampf anzusagen. Denn diese dient neben der Spaltung der Arbeiter:innenklasse und der Überwachung im eigenen Land unter anderem dazu, die Militärinterventionen gegen Palästina, Libanon, Syrien, Jemen und den Iran zu rechtfertigen. Wir sagen klar: Hände weg von diesen Ländern! Stoppt die Ausbreitung des Kriegs!

Für uns ist der palästinensische Befreiungskampf kein Selbstzweck. Das stetige Morden und die anhaltende brutale Unterdrückung mögen zeitweilig die Hoffnung rauben, aber die Geschichte ist nicht zu Ende geschrieben. Der Kampf für ein befreites, sozialistisches Palästina ist notwendig für alle Palästinenser:innen, die dort leben, für alle Palästinenser:innen, die zurückkehren wollen – und für all jene, die durch die Fesseln des Imperialismus erdrückt werden.




Eurovision Song Contest 2024 – United by Genocide?

von Leonie Schmidt, Mai 2024, zuerst veröffentlicht in der Infomail 1254 der Gruppe Arbeiter:innenmacht

Gestern Abend fand in Malmö das Finale des 68. Eurovision Song Contest unter dem Motto „United by Music“ statt. Überschattet war es, völlig zu Recht, von verschiedenen Protesten gegen die Teilnahme Israels und Boykottaufrufen. In den letzten Jahren hat sich das Schauen des ESCs besonders bei einem jüngeren und queeren Publikum zu einem festen kulturellen Bestandteil gemausert. Jährlich schalten für das Finale um die 162 Mio. Menschen weltweit ein. In diesem Artikel wollen wir die verschiedenen Aktionen, Vorfälle und Proteste näher beleuchten und auch auf die kulturelle Bedeutung des ESC eingehen.

Der ESC ist nicht unpolitisch!

Die erste Frage, die sich stellt, ist für viele sicher erst einmal, warum Israel überhaupt beim ESC teilnehmen darf. Immerhin liegt es nicht in Europa und begeht gerade einen Genozid in Gaza. Das lässt sich damit erklären, dass es Teil der Europäische Rundfunkunion (EBU) ist. Tatsächlich sind nicht nur europäische Staaten und ihre Sender vertreten, jedoch ist Israel historisch gesehen das erste Land, was außerhalb der EU liegt und beim ESC antrat. Allerdings könnte man ja meinen, dass die EBU Kriegsverbrechen sanktioniert, immerhin wurde Russland nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine auch ausgeschlossen. Doch diese Doppelmoral erklärt die EBU mit dem Verhältnis des russischen und israelischen Senders zu ihrer jeweiligen Regierung. Beim israelischen Sender KAN bestünden keine Verletzungen der Werte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Seltsam in Anbetracht der Tatsache, dass auf X (vormals Twitter) Videos kursieren, auf denen zu sehen ist, wie der Sender KAN seinen Namen auf Panzergranaten schreiben lässt, die dann nach Gaza geschickt werden. So scheint es sich ja doch um eine kriegstreiberische Rundfunkanstalt zu handeln.

Vor allem aber möchte sich die EBU darauf ausruhen, dass der ESC unpolitisch sei. Das gelte selbstverständlich auch für die israelische Kandidatin Eden Golan, die ihren ESC-Song „October Rain“ in „Hurricane“ abändern musste. Doch beugen wollte sich Israel anfangs nicht direkt, ursprünglich wollte es die Teilnahme absagen, wenn das Lied abgeändert werden müsste. Letztendlich trat Golan doch an, zu symbolisch sei der Auftritt beim ESC. Doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen: Es handelt sich immer noch um dasselbe Lied, welches inspiriert ist von den Folgen des Angriffs der Hamas für die Israelis im Oktober 2023 und in diesem Kontext auch als Propaganda für den Krieg in Gaza gegen die Palästinenser:innen verstanden werden muss. Interessanterweise gibt es im Allgemeinen gerade in Israel eine Welle an Propagandasongs von jungen Künstler:innen, vornehmlich aus dem Bereich Hip-Hop, die den Krieg in Gaza und auch den Genozid glorifizieren und so IDF-Soldat:innen und die gesamte Bevölkerung bei der Fahnenstange halten sollen. Ein Beispiel ist der Song „Harbu Darbu“ von Ness und Stilla, die Zeilen wie „Wait for it to rain on you, whores. Every bad person comes for his punishment in the end“ (Deutsch: „Wartet, bis es auf euch regnet, Huren. Jeder schlechte Mensch kommt am Ende für seine Strafe auf“) beinhalten. Das Lied von Eden Golan ist zwar sicher nicht derart vulgär und gewaltverherrlichend, doch es muss dennoch als Inszenierung der Opferrolle des israelischen Staats verstanden werden. Schließlich ist es ein sehr emotionales Lied, was den Anschein erweckt, dass nicht gerade 35 Tausend Palästinenser:innen in Gaza durch die Hand des israelischen Militärs ermordet worden wären, zumal Eden Golan bereits angekündigt hat, nach ihrem ESC-Auftritt der IDF beizutreten.

Der diesjährige ESC wurde im Übrigen auch von einer israelischen Firma massiv gesponsert: Moroccanoil. Die Haarpflegeprodukte, die sie produziert, werden auch teilweise in besetzten palästinensischen Gebieten hergestellt. Sie profitiert also direkt von der Apartheid, und indem sie Teil des ESCs ist, erhält sie mehr Reichweite, Kredibilität und kann so noch mehr Produkte verkaufen.

Es ist auch nicht das erste Mal, dass Israel die Teilnahme beim ESC nutzt, um sich und seine Apartheid gegenüber Palästina in ein besseres Licht zu rücken. 2019 konnte es sich bereits als unfassbar queerfreundliches Land inszenieren, was, wie wir in diesem Artikel näher ausgeführt haben, nicht der Realität entspricht. Auch der US-amerikanische Sender CNN bestätigt die Softpower, die durch die Teilnahme am ESC aufgebaut werden kann, besonders für Länder, die Menschenrechtsverletzungen begehen. Der israelische Staatspräsident Jitzchak Herzog unterstreicht ebenso die Beweggründe, die hinter der Teilnahme stecken, wie die Times of Israel berichtete: Eine Teilnahme Israels an dem Wettbewerb sei wichtig für das Land und auch ein Statement. Es gebe Juden-/Jüdinnenhasser:innen, die versuchten, Israel von jeder Bühne zu vertreiben. Selbstverständlich geht es hier nicht wirklich um Antisemitismus, aber mit dieser Behauptung kann sich Israel eben wieder besser als Staat inszenieren, der ein Recht darauf hat, sich gegen Angriffe zur Wehr zu setzen, um seine proimperialistischen Absichten zu verschleiern. Den Beweis für diese These lieferte Israel gleich selbst: Während Eden Golan schmerzerfüllt in Malmö ihre Ballade trällerte, bombardierte die IDF den Gazastreifen, schoss auf einen Krankenwagen, der gerade verletzte Palästinenser:innen transportierte.

Der ESC ist also alles andere als unpolitisch. Auch wenn man sich das Abstimmungsverhalten der Vergangenheit anschaut, offenbart sich, dass „politische Spannungen“ keinen unwichtigen Einfluss haben und selten Punkte an Länder gehen, mit denen das jeweilige Land aus politischen oder kulturellen Gründen im Zwist bzw. in Konkurrenz steht. Beispielsweise erhielt Großbritannien 2021 0 Punkte sowohl von der Jury als auch Zuschauer:innen als Reaktion auf den Brexit.  Auch hinsichtlich des europäischen Imperialismus stellt es keinen unwichtigen Aspekt dar. Immerhin wurde der ESC 1956 gegründet, um die Einheit der teilnehmenden Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg zu fördern. Dahinter steht auch die Idee eines vereinten Europas als Wertegemeinschaft, welches dieselben (imperialistischen) Interessen vertritt. Genau genommen sind das natürlich die der imperialistischen Kernzentren Deutschland und Frankreich, auch wenn ihre Macht innerhalb der EU und des imperialistischen Weltsystems am Bröckeln ist. In dem Fall des diesjährigen ESC sollte daher ganz klar unterstrichen werden, dass der europäische Imperialismus hinter Israel steht. Selbstverständlich fördert der ESC auch nationalistische Gefühle durch die Konkurrenz der verschiedenen Länder und Identifikation mit der „eigenen“ künstlerischen Vertretung. In den letzten Jahren wurde das von einem queeren Publikum vermehrt aufgebrochen: Dadurch, dass offen queere Personen antreten und die Show seit jeher extravagant ist, empfinden viele auch abseits von nationalistischen Gefühlen Spaß an der Show.

Kein Sieg für Israel

Gewonnen hat Nemo, Vertretung der Schweiz, mit einem Lied über their Nichtbinarität. Dabei waren die Jurypunkte entscheidend. Zusätzlich tritt Nemo auch offen für einen Waffenstillstand in Gaza ein. Bei der Übergabe der Auszeichnung sprach sich they unkonkret für Frieden aus.

Israel hat trotz des Versuchs, viele Leute zu motivieren, für Golan zu stimmen, nicht gewonnen. Immerhin. Der 5. Platz jedoch wurde ihr sicher. Interessanterweise waren die Jurypunkte dabei nicht entscheidend, auch wenn sich Deutschland und Israel gegenseitig damit beschenkten. Stattdessen waren es die Televotes der Zuschauenden, die alle zusammengerechnet werden. Israel erhielt hier 328 Stimmen, 12 Punkte kamen unter anderem aus Deutschland. Wären also nur diese ausschlaggebend, hätte Israel tatsächlich gewonnen. Im Kontext der Boykottaufrufe ist es zwar nicht allzu verwunderlich, immerhin haben so Zionist:innen mehr Macht gehabt, wenn Fans, die für Palästina sind, gar nicht erst abstimmen. An diesem Ergebnis zeigt sich aber auch, wie gut die Propagandamasche und die Opferrolle ankommen. Aber es hätte eigentlich gar nicht so weit kommen dürfen, dass der Apartheidstaat Israel solch einen Auftritt hinlegen darf, um die Sympathien des TV-Publikums zu erheischen.

Gegenstimmen von Künstler:innen

Vor dem diesjährigen ESC hatten sich 2.000 Künstler:innen aus Schweden, Finnland und Island gegen eine Teilnahme Israels ausgesprochen. Auch hat die schwedische Gewinnerin des ESC 2023 Loreen verkündet, dass sie nicht Eden Golan den Preis überreichen würde, hätte diese gewonnen. Statt die vermeintliche politische Neutralität des ESC hinzunehmen, haben außerdem einige Künstler:innen, die am ESC teilnehmen (sollten), sich gegen die unkommentierte Teilnahme Israels ausgesprochen. Während einer Pressekonferenz zeigten sich Bambi Thug, Irlands Kandidat:in, Joost Klein, niederländischer Kandidat und Marina Satti, Griechenlands Vertreterin wenig begeistert von Eden Golans Statements gegenüber der Presse. Des Weiteren unterzeichneten einige von ihnen einen offenen Brief, der für Frieden, einen Waffenstillstand und die Freilassung aller Geiseln plädiert und Israel als Apartheidstaat bezeichnet. Nemo, Sieger:in des ESC für die Schweiz, unterschrieb diesen ebenfalls. Auch der vormalige schwedisch-palästinensische ESC-Gewinner von 2011, Eric Saade, setzte ein Statement, indem er bei der Eröffnung des Halbfinales eine Kufiya um sein Handgelenk geschlungen trug. Auf Instagram teilte er mit, dass die EBU seinen Auftritt nicht geteilt hatte, er aber keinesfalls schweigen wolle, wenn Kinder abgeschlachtet werden, unabhängig davon, wer die Täter:innen seien. Politische Statements und Palästinafahnen wurden von Seiten der EBU untersagt, das Tragen der Kufiya kann dabei allerdings als Grauzone interpretiert werden. Auch Bambi Thug trug sie während eines Presseinterviews, they durfte aber nicht mit Körperbemalung in mittelalterlicher-keltischer Schrift auftreten, die Freiheit für Palästina und Waffenruhe fordert. Die portugiesische Vertreterin Iolanda zeigte ihre Palästinanägel in Kufiyamuster beim Finale, bisher ohne weitere Konsequenzen, außer, dass ihre Performance nicht auf Youtube hochgeladen wurde wie alle anderen Songs, sondern stattdessen ihr Auftritt vom Halbfinale. Auch die italienische Vertreterin Angelina Mango setzte laut X ein Zeichen, indem sie bei der Flaggenparade absichtlich die italienische Flagge so mit ihrem Kleid kombinierte, dass es wie eine Palästinafahne aussah.

Konsequenzen scheint es aktuell für Joost Klein zu geben. Dieser wurde ausgeschlossen, wenig ist jedoch bisher bekannt. Nachdem er von der israelischen Delegation massiv bedrängt wurde, die seine toten Eltern, wegen welchen er überhaupt erst am ESC teilnehmen wollte, verhöhnte, wurde nun spekuliert, dass er deswegen verbal ausfällig geworden sei. Es wurden polizeiliche Ermittlungen eingeleitet und der niederländische Broadcaster des Eurovision Song Contest, AVROTROS, schildert den Vorfall wie folgt: Nach seinem Auftritt habe Joost mehrfach zu verstehen gegeben, dass er nicht gefilmt werden möchte. Dem wurde von nicht nachgegangen, trotz Wiederholung von Joosts Bitte. Daraufhin habe er sich in bedrohlicher Gestik auf die Kamera einer schwedischen Kamerafrau zubewegt, mehr sei jedoch nicht passiert. AVROTROS weigerte sich danach, die niederländischen Punkte zu übermitteln, und bezeichnet den Ausschluss von Joost Klein als völlig überzogen.

Es drängt sich jedenfalls das Gefühl auf, dass hier mit allen Mitteln versucht wird, die Künstler:innen, die sich kritisch zur Teilnahme Israels äußern, unter Druck zu setzen und ihnen notfalls die Plattform zu entziehen. Und das, während es der israelischen Delegation erlaubt bleibt, in sozialen Medien zu teilen, dass in ihrer Nähe kein/e Antisemit:in atmen dürfen solle, und Bambi Thugs Nichtbinarität durch den Kommentator des israelischen Übertragungssenders im Halbfinale durch den Dreck zu ziehen (seltsam, Israel ist wohl doch nicht so queerfreundlich?). Letzteres wird übrigens von der EBU mittlerweile als Regelverstoß gewertet. Er ist scheinbar jedoch nicht gravierend genug für eine Disqualifikation. Es häufen sich außerdem auch Berichte von kritischen Journalist:innen und anderen Teilnehmenden, die aussagen, dass sie von der israelischen Delegation ungefragt gefilmt, beleidigt und bedroht wurden.

Manipulation beim ESC?

Einen weiteren wichtigen Punkt stellen die Vorwürfe gegen verschiedene Aspekte des Wettbewerbs dar. Auf X (vormals Twitter) wurde geteilt, die EBU habe die Buhrufe des Publikums bei Eden Golans Auftritt im Halbfinale mit Applaus ersetzt. Obwohl im Stadion in Malmö die ablehnende Haltung klar zu hören war und auch durch Handyaufnahmen nachzuprüfen ist, schien es im Stream ganz anders: Hier erntete sie stattdessen tosenden Applaus. Auch der deutsche Vertreter für den ESC aus dem Jahr 2021, Jendrik, kritisierte diese Praxis auf X. Beim Finale selbst waren die Buhrufe zumindest deutlich zu hören und wurden auch vom deutschen Kommentator der Übertragung, Thorsten Schorn, aufgegriffen. Aber auch hier zeigen die Aufnahmen aus dem Stadion eine ganz andere Geräuschkulisse als die, die vor dem Fernseher ankam. Eine solche Manipulation der Reaktion von Zuschauer:innen ist nicht hinnehmbar und wird zu einem politischen Akt, auch wenn es im Namen des vermeintlich Unpolitischen durchgesetzt wird.

Die Abstimmungen für die Teilnahme am Finale haben ebenso Spekulationen nach sich gezogen. So veröffentlichte der italienische Broadcaster aufgrund von technischen Fehlern die Abstimmungsergebnisse, was eigentlich nicht erlaubt ist. Zuschauenden fiel auf, dass diese für Israel ungewöhnlich hoch seien. Auch das Televoting im Finale verwirrte einige – so hätten die Zuschauenden aus Irland 10 Punkte für Israel verteilt. Gerade in Anbetracht der irischen Kolonialgeschichte und des offenen Supports vieler Ir:innen für Palästina wirkt das doch ein bisschen seltsam. Natürlich gibt es nicht nur in Israel Zionist:innen, die für dieses Land abstimmen würden, daher muss nicht gleich von einer Manipulation ausgegangen werden. Jedoch gab es auch in der Vergangenheit Untersuchungen, das letzte Mal nach dem ESC 2022, aufgrund von „Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe“. Aufzuklären ist das durch Spekulationen jedenfalls nicht, stattdessen sollten die Abstimmungsergebnisse offengelegt und von Arbeiter:innenorganen überwacht und ausgewertet werden, um eine bessere Transparenz gewährleisten zu können.

Proteste

Doch auch außerhalb der Arena in Malmö kam es zu massiven Protesten. Auch die Sektion Arbetarmakt der LFI war vor Ort. Laut schwedischer Polizei strömten dabei in den vergangenen Tagen bis zu zwanzigtausend Menschen durch die Straßen bei Demonstrationen in der schwedischen Stadt, darunter auch Klimaaktivistin Greta Thunberg. Sie bezeichneten den ESC als Genocide Song Contest, forderten ein freies Palästina und einen sofortigen Waffenstillstand. Des Weiteren forderten sie den Boycott des ESC, als Teil der BDS-Kampagne im Bereich des kulturellen Boykotts. Durch den Aufschwung der Palästinasolidaritätsbewegung im Rahmen der weltweiten Unibesetzungen wurde auch dem Gegenprotest gegen den ESC eine besondere Aufmerksamkeit zuteil und viele Leute gingen auf die Straße.

Daneben gab es in anderen Ländern Aktionen. So schalteten belgische Gewerkschaften beim Halbfinale am Ende und Anfang der Übertragung eine Texttafel, die #Ceasefirenow und #StopGenocide beinhalteten. Das war nicht abgesprochen mit dem Sender, der in Belgien den ESC übertrug, jedoch ist das auch scheinbar nicht nötig.

Perspektive

Die belgische Gewerkschaft kann man sich jedenfalls definitiv in dieser Hinsicht zum Vorbild nehmen. Genau solche Aktionen wären unter anderem notwendig, um eine noch größere Öffentlichkeit zu schaffen für den Genozid in Gaza, die Vorkommnisse und Zensur beim ESC sowie Doppelmoral bezüglich der israelischen Teilnahme. Dafür müssten sich die Gewerkschaften in der Unterhaltungsbranche der teilnehmenden Länder und die Arbeiter:innen dieser zusammentun, könnten auch zusammen mit den Künstler:innen die Plattform des ESC nutzen, um ein Zeichen zu setzen und die israelische Teilnahme zu blockieren, wenn die EBU hier schon mit zweierlei Maß messen will. Im Zusammenhang mit gewerkschaftlicher Aktion kann auch die Boykottkampagne sinnvoll sein. Ebenso wäre natürlich auch eine komplette Bestreikung des ESCs oder die Besetzung der Arena in Malmö eine Möglichkeit gewesen.

Grundsätzlich müssen die Strukturen des ESCs transformiert werden. Die höheren Tiere der EBU haben bewiesen, dass sie durch ungerechtfertigte Entscheidungen, Ausschlüsse und Zensur alles versuchen, den Protest verstummen zu lassen. Ein solcher Song Contest, der fair und für Künstler:innen ein sicherer Ort ist, während imperialistische Staaten keine Plattform für die Legitimierung ihrer Kriegsverbrechen erhalten, kann nur durch Rätestrukturen von Arbeiter:innen, Zuschauenden und Künstler:innen gewährleistet werden! Zusätzlich kann man sich überlegen, ob die Zentrierung um die Herkunft der antretenden Künstler:innen abgeschafft werden kann. Aber erstmal ist klar: Der ESC darf nicht zum Propagandamittel für den Genozid werden! Take back the ESC! Oder um es mit den Worten von Bambie Thug zu sagen: „Fuck the EBU, we are what the Eurovision is!“ (Deutsch: „Scheißt auf die EBU! Wir sind die Eurovision!“)




Verhindert ein Massaker in Rafah!

von Dave Stockton, Februar 2024

zuerst erschienen in der Arbeiter:innenmacht-Infomail 1245

Israel steht kurz davor, Rafah anzugreifen, eine Stadt an der ägyptischen Grenze, die zur letzten Zuflucht für mehr als eine Million Palästinenser:innen geworden ist, die aus dem nördlichen und zentralen Gazastreifen vertrieben wurden.

Obwohl Rafah zur „sicheren Zone“ erklärt wurde, werden Schulen, Krankenhäuser und Flüchtlingslager der Stadt seit Beginn des Krieges aus der Luft bombardiert. UN-Generalsekretär António Guterres beschrieb die Bedingungen, unter denen die Menschen in überfüllten Behelfsunterkünften, unter unhygienischen Bedingungen, ohne fließendes Wasser, Strom und angemessene Lebensmittelversorgung leben.

Westlicher Imperialismus

Krankheiten töten Kinder und Erwachsene, die durch die monatelange Hungersnot geschwächt sind, da Israel die Einfuhr von Lebensmitteln und Medikamenten in das Gebiet fast vollständig blockiert. Unter diesen Bedingungen haben die Vereinigten Staaten und neun weitere Länder, darunter das Vereinigte Königreich, einseitig die Finanzierung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNWRA eingestellt.

Nach dem wahllosen Abschlachten von rund 30.000 Zivilist:innen hat Präsident Joe Biden mit reichlicher Verspätung eingeräumt, dass „eine Menge unschuldiger Menschen verhungern … und das muss aufhören“. Natürlich könnten die USA Israels Krieg jederzeit stoppen, wenn sie wollten. Dennoch liefern sie weiterhin Israels an Kriegsmaschinerie und nutzen ihr Vetorecht, um es in der UNO zu schützen.

In „normalen“ Jahren stellt Washington Israel rund 3,8 Milliarden US-Dollar an Militärhilfe zur Verfügung, die direkt in die Bewaffnung der IDF-Besatzungstruppen fließen. Das israelische Fernsehen hat Aufnahmen ausgestrahlt, in denen die verheerenden Auswirkungen der von den USA gelieferten Bunkerbomben auf zivile Hochhäuser gezeigt wurden.

Da die USA nicht die Absicht haben, ihren Kampfhund an die Kandare zu nehmen, überrascht es nicht, dass Biden in Rafah zur „Zurückhaltung“ aufruft, ohne dass dies geschieht. Am 7. Februar erklärte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu, es gebe „keine andere Lösung als einen vollständigen und endgültigen Sieg“, und fügte hinzu, er habe den Truppen befohlen, sich in Rafah „auf den Einsatz vorzubereiten“.

Noch bedrohlicher ist, dass er Pläne für die „Evakuierung“ der Zivilbevölkerung bekanntgab. Netanjahu zufolge ist der „totale Sieg“ über die Hamas nur noch wenige Monate entfernt. US-Militärquellen, die in der New York Times zitiert werden, gehen jedoch davon aus, dass Israel nur ein Drittel der Hamas-Kämpfer:innen getötet hat und die Kämpfe im gesamten Streifen weitergehen.

Die Zionist:innen wissen, dass sie die Hamas oder die anderen militärischen Widerstandsorganisationen nicht „liquidieren“ können, ohne die Zivilbevölkerung zu liquidieren, deren Unterdrückung für einen unerschöpflichen Nachschub an neuen Rekrut:innen sorgt.

Ethnische Säuberung

Es ist diese einfache Wahrheit, die die gesamte Dynamik des israelischen Krieges in Gaza in eine Kampagne der ethnischen Säuberung, eine zweite Nakba, führt. Tatsächlich wurde dieses Ergebnis von israelischen Minister:innen, die zur Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung und ihrer Ersetzung durch israelische Siedler:innen aufgerufen haben, offen propagiert. Netanjahu selbst, dessen Regierung auf der Unterstützung dieser Extremist:innen beruht, hat erklärt, dass die Sicherheit im Gazastreifen in den Händen der IDF verbleiben müsse – also eine Rückkehr zur militärischen Besatzung.

Weltweit haben Massendemonstrationen, wie sie seit denen gegen die Invasion im Irak 2003 nicht mehr stattgefunden haben, Israels Verbündete, allen voran die USA, Großbritannien und Deutschland, zweifellos dazu gezwungen, ihre bedingungslose Unterstützung für den Krieg des Landes verbal zu drosseln.

Doch während Israels Verbündete aus Angst, ein Massaker in Rafah könnte das Pulverfass Nahost zum Explodieren bringen, zur „Zurückhaltung“ mahnen, weigern sie sich, einfache Maßnahmen zu ergreifen, die den Krieg über Nacht beenden könnten: Aussetzung aller militärischen und finanziellen Hilfen, Verhängung von Sanktionen und Durchsetzung wiederholter UN-Resolutionen.

Anstatt Israels rachsüchtige Kampagne der ethnischen Säuberung zu verurteilen, greifen sie die wachsende Solidaritätsbewegung an. Gesetzliche Verbote der BDS-Kampagne werden im Eiltempo durch die Parlamente gebracht, und unbegründete Anschuldigungen des Antisemitismus werden von den Medien der Bosse in einer Hexenjagd eingesetzt, um Kritiker:innen Israels zum Schweigen zu bringen.

Doch das Schicksal der Palästinenser:innen muss und darf nicht in die Hände ihrer Unterdrücker:innen gelegt werden. Mit einem Schlag könnte die ägyptische Arbeiter:innenklasse den Suezkanal schließen und die gesamte imperialistische Wirtschaft über Nacht hart treffen. Ebenso könnten die organisierten Arbeiter:innenbewegungen in den USA, im Vereinigten Königreich und in Europa ihre eigenen Sanktionen gegen Israel verhängen: sich weigern, alle Waffen und Waren zu transportieren, die aus Israel stammen oder für es bestimmt sind. Investitionen, Forschung und kulturelle Zusammenarbeit mit dem zionistischen Staat sollten von vornherein abgelehnt werden, nach dem Grundsatz: Keine Zusammenarbeit mit der Besatzung!

Am 16. Oktober 2023 hat die palästinensische Gewerkschaftsbewegung einen solchen Aufruf an die weltweite Arbeiter:innenbewegung gerichtet. Es ist ein beschämendes Armutszeugnis für die reformistischen Gewerkschaftsführungen, dass sie, von einigen wenigen ehrenwerten Ausnahmen abgesehen, keinen Finger krummgemacht haben. Viele haben sich sogar schwergetan, den Krieg unmissverständlich zu verurteilen.

Die Arbeiter:innenklasse in den Ländern, die Israel mit Waffen und diplomatischem Schutz versorgen, hat eine besondere Pflicht zu handeln. Dies ist nicht nur der Krieg Israels. Es ist ein kolonialer Krieg, der auch unter Beteiligung mehrerer westlicher imperialistischer Mächte geführt wird.

Der Sieg Israels in diesem Krieg stärkt die Position des westlichen Imperialismus und damit die Stärke, das Selbstvertrauen und die Kampfeslust unserer herrschenden Klassen. Deshalb ist der Kampf der Palästinenser:innen auch unser Kampf; deshalb müssen wir unsere Anstrengungen verdoppeln, um für internationalistische Aktionen der Arbeiter:innenklasse zu kämpfen, um den Krieg zu beenden und den Sturz der gesamten vom Imperialismus unterstützten Ordnung im Nahen Osten zu beschleunigen, beginnend mit der Zerschlagung des israelischen Staates, der Errichtung eines bi-nationalen demokratischen und sozialistischen Staates in ganz Palästina und durch eine sozialistische Revolution im Nahen Osten.




10 Forderungen für den palästinensischen Befreiungskampf

Dezember 2023

Seit dem 7. Oktober findet ein erbarmungsloser Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung statt. Gefangen in einem Freiluftgefängnis haben die Bewohner_innen keine Möglichkeiten zur Flucht vor dem Tod durch Bomben oder die Bodentruppen der IDF. Israels Regierung stellt diesen Staatsterror kaum widersprochen als Akt der „Selbstverteidigung“ dar. Dabei sind sie nicht die einzigen, die mit Rassismus und Nationalismus die Bevölkerung hinter sich vereinen. Auch in imperialistischen Ländern wie Deutschland wird jegliche Palästina-Solidarität kriminalisiert und unter dem Vorwand des Kampfes gegen Antisemitismus findet eine zutiefst rassistische Politik statt, in welcher Migrant_innen als die Übeltäter gelten. Wir möchten hiermit 10 Forderungen aufstellen, die wir zum einen in Palästina und dann in Deutschland diesen Verhältnissen entgegensetzen.

In Palästina: 

1. Sofortiges Ende der brutalen und kriegsverbrecherischen Angriffe auf Gaza! Aufhebung der Blockade! Abzug aller Truppen der IDF aus Gaza und Westbank! Für die Freilassung aller Gefangenen! 

Nach der kurzen Waffenruhe, gehen die Angriffe in unverminderter Härte weiter und die IDF unter der Führung einer ultrarechten Regierung haben keine Probleme damit, abertausende Zivilist_innen zu ermorden und die dort lebende Bevölkerung als Tiere zu bezeichnen. Das sofortige Ende der brutalen und kriegsverbrecherischen Angriffe auf Gaza ist dabei mehr als die Forderung nach einer erneuten Waffenruhe! Eine unbefristete Waffenruhe und ein Durchlassen der Hilfslieferungen sind in der aktuellen Situation überlebensnotwendig für die Bevölkerung, jedoch beendet dies nicht Besatzung, sondern bedeutet, dass die jetzigen Konflikte eingefroren werden. Was wir zudem nicht fordern, ist die Demilitarisierung der Palästinenser_innen, denn das Recht aufSelbstverteidigung und der Kampf nach Freiheit muss auch militant durchgesetzt werden. Alle Truppen der IDF müssen Gaza sowie die Westbank verlassen, sie sind unterdrückerische Truppen, die die Herrschaft des Staate Israels mit allen Mitteln durchsetzen. Der Abzug der IDF sowie die Forderung nach einem sofortigen Ende des Mordens müssen bedingungslos durchgesetzt werden! Wir stehen ein für die Freilassung der Gefangenen. Ca. 4500 Palästinenser_innen, darunter viele Kinder und Jugendliche, waren schon vor dem 7.10. in israelischen Gefängnissen. Seitdem wurden weitere 4-5000 verhaftet, die auf israelischem Staatsgebiet gearbeitet hatten. Freigekommene berichten in den meisten Fällen über Misshandlungen und Folter.

2. Für das Recht der israelischen Soldat_innen sich zu weigern, in Gaza und Westbank zu kämpfen. Löst die bürgerliche Armee und die Polizei auf und bildet demokratische Arbeiter_innenmilizen, die sich dem palästinensischen Widerstand anschließen! 

Wie wir es in Gaza zur Zeit sehen, haben die palästinensischen Streitkräfte allein wenige Chancen, sich gegen das von USA und BRD hochgerüstete Militär Israels zu verteidigen. Daher ist es unabdingbar, auch innerhalb der israelischen Gesellschaft nach Verbündeten zu suchen. Wir wissen, dass aktuell die israelische Bevölkerung mehrheitlich vereint für den Krieg gegen die Palästinenser_innen steht. Dieser Umstand liegt allerdings nicht nur an der reaktionären und kriegstreiberischen Rhetorik der Regierung und an der engen ideologischen Bindung der israelischen Bevölkerung an den Zionismus, die historisch auch durch diemateriellen Vorteile aus der Besatzung entstanden ist. Sondern zudem an dem harten Vorgehen gegen all jene Menschen, die nur ansatzweise gegen diese vorherrschende Meinung stehen. Umso wichtiger ist es daher, die wenigen Kriegsdienstverweigernden und Antizionist_innen in Israel zu unterstützen. Der Aufbau einer antizionistischen Opposition in Israel ist notwendige Voraussetzung für eine Abschaffung von Militär und Polizei und für die Befreiung der israelischen Arbeiter_innenklasse. Wir sehen schon heute in kleinen Teilen wie antizionistische Juden und Jüdinnen weltweit die Proteste mit antreiben und unterstützen. In Israel ist es Aufgabe von Fortschrittlichen und Revolutionär_innen sich von den prozionistischen und staatstragenden Organen wie der gelben Gewerkschaft Histadrut zu lösen, diese durch eine gemeinsame Organisierung mit ihren palästinensischen Geschwistern zu ersetzen und offen aufzuzeigen, dass der Krieg nicht in dem Interesse der israelischen Arbeiter_innen sondern dem der Herrschenden liegt, wie es zum Beispiel lange wichtiger zu sein schien, die Vernichtung der Palästinenser_innen voranzutreiben, als die Befreiung der Geiseln durchzusetzen. Der Klassenkampf, wie er sich zuletzt auch in den Protesten gegen die Justizreform geäußert hatte, darf nicht zurückgestellt werden zu Gunsten der vermeintlichen „Vaterlandsverteidigung“. 

3. Nieder mit der Apartheidsmauer und allen Freiheitsbeschränkungen für Palästinenser_innen. Für die völlige rechtliche Gleichstellung aller Einwohner_innen zwischen Mittelmeer und Jordan! Verstaatlichung allen Landbesitzes und Gewährung des Rückkehrrechts aller Palästinenser_innen weltweit. 

Palästinenser_innen sind Menschen dritter Klasse in Israel, sie sind billige Arbeitskräfte, nicht gleichgestellt vor dem Gesetz und werden systematisch in sozialen wie in ökonomischen Bereichen ihres Lebens unterdrückt. Israelische Institutionen, staatliche oder nicht-staatliche, entscheiden über Häuserbau, Wohnungen und in Gaza über Strom, Wasser, Rohstoffe. Checkpoints, stundenlange Kontrollen, Hausdurchsuchungen, Razzien oder Verhaftung stehen an der Tagesordnung, wenn man Palästinenser_in ist. Darum muss die Apartheidsmauer niedergerissen werden und alle Freiheitsbeschränkungen müssenaufgehoben werden. Wir fordern die völlige Gleichstellung aller Menschen vor Ort und das Recht auf Rückkehr aller vertriebenen Palästinenser_innen. Grundlage dafür ist das vergesellschaftete Eigentum an Produktionsmitteln, Grundstücken, Fabriken, Büros und ebenso die gleichberechtigten Bereitstellung von Gesundheit, Bildung und Wohnen, koordiniert durch einen demokratischen Plan. Deshalb kämpfen wir für eine sozialistische Lösung, die auf dem gemeinsamen Besitz des Landes und aller wichtigen Produktionsmittel basiert. 

4. Für ein vereinigtes säkulares, sozialistisches Palästina, mit Gleichheit für alle seine Bürger_Innen, israelische wie palästinensische, als Teil einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens.  Für einen neuen arabischen Frühling!

Die Befreiung des palästinensischen Volkes und die Freiheit der Völker des Nahen Ostens von westlicher Herrschaft und Ausbeutung erfordern den revolutionären Sturz Israels als rassistischen Staat und seine Ersetzung durch einen einzigen bi-nationalen Staat, sowohl für sein palästinensisches als auch für sein israelisch-jüdisches Volk. Das bedeutet weder die Vertreibung der israelischen Bevölkerung noch ihre Zerstörung als Nation. Die „Zweistaatenlösung“ ist in Wirklichkeit tot. Ihre Anerkennung in Worten existiert als Feigenblatt für israelische Übergriffe. Für die USA und die westeuropäischen Staaten rechtfertigt sie die anhaltende Unterstützung Israels, und für reformistische Parteien wie die britische Labour ermöglicht sie es, vermeintlich Gesicht zu bewahren vor ihrer muslimischen Wähler_innenschaft, ohne sich jedoch zum palästinensischen Widerstand zu bekennen. Es ist Aufgabe der Palästinenser:innen sowie der Arbeiter:innenklassen der umliegenden Länder den israelischen Staat zu stürzen. Letzteren kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Sie sind es, die ihren Diktatoren und Herrschernentgegentreten müssen, denn weder die Assads noch die Khomenies, die Sissis oder die Erdogans dieser Region haben ein Interesse an einem befreiten Palästina. Es braucht ein Auflammen eines zweiten arabischen Frühlings, in welchem sich die Arbeiter_innen in den umliegenden Ländern gegen ihre Unterdrücker_innen organisieren und siestürzen, die Grenzen nach Gaza öffnen und unter gemeinsamer Kontrolle Hilfsgüter und den Kampf vor Ort unterstützen.

5. Für die Schaffung einer unabhängigen Arbeiter_innenpartei Palästinas, die gestützt auf Gewerkschaftenund regionale Komitees der Unterordnung der palästinensischen Linken unter Hamas und Fatah ein Ende bereitet!

Um für ein freies, säkulares und sozialistisches Palästina zu kämpfen, sowie für die davor genannten Forderungen, ist es notwendig die fortschrittlichsten Kräfte in einer Partei zu bündeln, die sich auf Räte und Komitees stützt, diese Forderungen durchsetzt und der Bewegung ein politisches Programm gibt. Mit dem Kampf für nationale Befreiung müssen hierbei soziale und ökonomische Forderungen der Arbeiter_innenklasse wie z.B. nach einem angemessenen Mindestlohn, nach Frauenrechten oder Rechten von LGBT+! Es braucht zudem einen Bruch mit der Politik der Hamas und Fatah. Beide haben sie oft genug gezeigt, dass sie keine Strategie haben, den Befreiungskampf zu gewinnen und dass ihnen die Interessen der palästinensischen Massen letztlich egal sind. Sie beweisen dies nicht zuletzt, indem sie, unter dem Deckmantel einer falschen Einigkeit, soziale Proteste niederschlagen, womit sie sich praktisch als Instrument der Besatzungsmacht erweisen. Wir stehen für die Interessen der Arbeiter_innen, kleinen Bäuer_innen, Jugendlichen und Frauen, die nicht nur gegen die zionistische Besatzung, sondern am Ende auch gegen die palästinensischen Kapitalist_innen durchgesetzt werden müssen!

In Deutschland

1. Sofortiger Stopp aller Waffenlieferung, Stopp der militärischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Unterstützung Israels! Weg mit den Kriegsschiffen vor Gazas Küste! Für gewerkschaftliche Aktionen zur Blockade von Kriegsgütern! 

Die deutsche Rüstungsindustrie liefert schon seit langem mit Vorliebe Kriegsgüter an Israel. Eine Auswertung der statistischen Daten von 2011 bis 2022 ergibt, das Israel auf Platz vier aller Staaten ist, in die Deutschland Waffen exportiert. Seit dem Kriegsausbruch sind diese Zahlen noch einmal explodiert: Im Vergleich zum Vorjahr hat sich schon jetzt das Volumen an Rüstungsexporten mehr als verzehnfacht! Es ist einerseits eine grauenhafte Vorstellung, wie sich deutsche Konzerne an dem Morden in Palästina bereichern. Andererseits werden diese Lieferungen auch durch Steuergelder gefördert, denn die Unterstützung von Ordnungsmächten wie Israel und die Aufrechterhaltung der Verhältnisse von halbkolonialer Abhängigkeit und Ausbeutung durch den Imperialismus ist deutsche „Staatsräson“. All das zu verhindern, ist unsere beste Chance hier in Deutschland dem Krieg in Palästina entgegenzutreten und internationale Solidarität praktisch werden zu lassen. Die Arbeiter_innen in der Logistik und in der Rüstungsindustrie haben kein Interesse an der Unterdrückung ihrer Klassengeschwister in Palästina. Sie müssen zu Streiks, Blockaden und Protestaktionen gewonnen werden!

2. Schluss mit der Kriminalisierung des Befreiungskampfes! Keine Verbote von Demos mehr und Aufhebung der Verbote von Samidoun, PFLP, Hamas und PKK! 

Während AfD, holocaustleugnende Nazis oder antisemitische Querdenker_innen unter Polizeischutz ihre Ideologie auf die Straße tragen durften, wurden Solidaritätsdemos und Gedenkveranstaltungen mit den Opfern des Krieges in Palästina reihenweise verboten. Dort wo sie stattfinden, geht dies mit Schikanen der Polizei einher: Menschen werden geschlagen, verhaftet und angezeigt. Wir haben schon länger an der Repression gegen die kurdische Freiheitsbewegung gesehen, wie der deutsche Staat seine außenpolitischen Interessen auch z. B. mit dem Verbot der PKK ins Innere übersetzt. Nun werden ebenso die Organisationen des palästinensischen Widerstands mehr und mehr verboten: ob links, so wie Samidoun oder PFLP oder religiös-fundamentalistisch wie die Hamas. Auch wenn wir viel Kritik an diesen Gruppen haben, ihre Ideologien nicht teilen und ihre Taktiken ablehnen, stellen wir uns gegen ihr Verbot durch den deutschen Staat. Eine Überwindung der reaktionären Führung des Widerstandskampfes in Gaza wird nur als Teil dieses Kampfes möglich sein, nicht durch staatliche Repression von Israel oder Deutschland.

3. Weg mit dem Kuffiyah-Verbot in den berliner Schulen! Mitbestimmung von Schüler_innen und Lehrer_innen über die Behandlung des Kriegs statt Senatsvorgaben!

Während auf der Staat auf der einen Seite das „Selbstverteidigungsrecht“ Israels, d.h. den Angriff auf Gaza als zentrale Botschaft des Schulunterrichts vorgibt, wird auf der anderen Seite im Namen einer vermeintlichen „politischen Neutralität“ den Schüler_innen eine eigenständige Stellungnahme verwehrt. Dies drückt sich auf symbolischer Ebene z.B. in dem Verbot aus, eine Kuffiyah zu tragen. Eine Kleidervorschrift, die, ausgedehnt auf weitere arabische Tücher, gleichzeitig einen rassistischen Charakter trägt, weil sie auch politisch unbeteiligte Schüler_innen trifft, die das Tuch einfach aus kulturellen Gründen tragen. 

4. Abschiebestopp jetzt! Gegen den heuchlerischen Vorwand des Antisemitismus‘ für eine rassistische Asylpolitik! Bildet antirassistische Selbstverteidigungskomitees gegen Angriffe von Bullen und Faschos!

5. Offene Grenzen und Staatsbürger_innenrechte für alle, die vor Krieg, Armut und Klimaschäden flüchten!

Wir können gerade bezeugen, wie in Europa das Recht auf Asyl systematisch ausgehebelt und abgeschafft wird. Fluchtwege werden blockiert, Grenzkontrollen werden verstärkt und auch innerhalb des Schengen-Raums eingeführt, Geflüchtete werden in überfüllte Lager gepfercht und in Krieg und Krisen abgeschoben. Vorschläge ein Bekenntnis zum Staat Israel zur Bedingung für eine Einbürgerung zu machen oder die Ankündigung, dass vermeintlich antisemitische Geflüchtete „endlich im großen Stil“ abgeschoben werden müssten sind ein zynischer Versuch, diese Absage an grundlegende Menschenrechte in eine moralisch positives Licht zu rücken. Wir stellen dem die Forderung nach Bewegungsfreiheit für alle entgegen! Im Kampf dafür ist es notwendig, dass sich die Gewerkschaften endlich öffnen und die gewerkschaftliche Organisierung der Geflüchteten voranbringen!