Handeln statt Hoffen: Welche Strategie für Fridays for Future?

EDieses Papier ist aufgrund einer Strategiedebatte
innerhalb der bundesweiten Struktur von FFF entstanden. Als REVOLUTION
beteiligen wir uns seit einiger Zeit an den Klimaprotesten und unterstützen
diese praktisch. Dieses Papier versucht vor allem zwei Fragen zu beantworten:

  1. Wie können wir unseren Protest im nächsten Jahr voranbringen und unsere
    Forderungen durchsetzen?
  2. Wie können wir unsere Struktur verbessern?

Dabei haben wir den ersten Teil vorangestellt, da wir glauben, dass die Inhalte auch maßgeblich das Vorankommen, aber auch die Form unseres Protestes bestimmen. Viel Spaß beim Lesen! Wer Weiteres mit uns diskutieren möchte oder seine_ihre Kritik mit uns direkt teilen will, kann sich unter strategiefff@riseup.net bei uns melden!

Kurze Bilanz

Seit einem Jahr streiken wir und haben es geschafft eine große öffentliche Aufmerksamkeit zu schaffen. Jeden Freitag sind in verschiedenen deutschen Städten Menschen auf die Straße gegangen, zudem gab es 4 internationale Aktionstage. Hierzulande beteiligten sich am 20.09.2019 sogar 1,4 Millionen. Das ist die größte Mobilisierung seit Jahren. Kurz: Viele sind sich der Problematik der Klimakrise nun bewusst und Politik und Medien mussten sich vermehrt mit dem Thema beschäftigen. Unsere Forderungen wurden allerdings nicht umgesetzt. Mit dem Klimapaket können die Ziele des Pariser Klimaabkommens sowie die 1,5°C Grenze nicht eingehalten werden. Dieses ist nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Auch die UN-Klimakonferenz in Madrid endete wieder ergebnislos und hinterlässt mal wieder den Eindruck, dass es kaum Akteure des aktuellen Wirtschafts- und Staatensystems gibt, die unsere Klimaziele umsetzen wollen. Aber wir wollen uns nicht demoralisieren lassen, sondern fragen uns: Was nun?

Welche Strategie brauchen wir?

Wie schon geschrieben: Wir sind Viele. Aber das
reicht nicht aus, um etwas zu ändern. Damit wir mehr werden – und vor allem mehr
erreichen – müssen wir im nächsten Jahr gezielter vorgehen. Statt Klimaschutz
individuell zu denken (Was kann jede_r von uns einzeln tun?) müssen wir
kollektive Verbesserungen erkämpfen. Das hat zwei Gründe: Zum Einen sprechen
wir so mehr Menschen an, denn aktuell wird Klimaschutz nur mit Verzicht,
Verboten und Steuererhöhungen in Verbindung gebracht. Das schreckt ab, da sich
das viele nicht leisten können und auch keine gute gesamtgesellschaftliche
Perspektive ist. Zum Anderen schaffen wir es dadurch im Hier und Jetzt
Veränderungen zu erwirken, die nicht nur unseren Lebensstandard erhöhen,
sondern auch schnellere Auswirkungen auf unsere Lebensgrundlage haben.
Zusätzlich haben wir als Bewegung dann einen greifbaren Erfolg! Konsumprotest
kann nur ein begleitendes Mittel sein. Denn was nutzt ein bewusster Verzicht,
solange die von uns genutzte Energie durch Kohleverstromung erzeugt wird oder
Massenvernichtungswaffen gebaut werden?

Dazu müssen wir die Interessen der Mehrheit nach
einem Arbeitsplatz, einer gut bezahlten Zukunft, einem besseren Leben in unsere
Forderungen mit einbeziehen. Also kurz: Lasst uns für Verbesserungen statt
Verbote einstehen! Damit genau das umgesetzt wird, müssen wir
Interessenvertretungen eben jener miteinbeziehen. In diesem Fall sind es die
Gewerkschaften, sowie die politischen Parteien, mit denen diese verbunden sind.
Diese haben zwar in Fragen des Klimaschutzes in der Vergangenheit nicht allzu
viel erreicht, aber organisieren bereits eine Masse an Leuten, die wir mit
unseren Forderungen erreichen wollen und können. Ein zentraler Ansatzpunkt für
eine erfolgreiche Kampagne sind somit die Tarifrunden der Länder im nächsten
Jahr. Dort müssen wir uns als Fridays for Future beteiligen und gleichzeitig
eine eigene Position mit hereintragen, um Kämpfe zu verbinden.

  1. Wie können wir die Kohlesubventionierung beenden und den Beschäftigten
    eine Perspektive bieten?

Hier sollten wir für einen
Branchentarifvertrag eintreten. Dies bedeutet einheitliche Bezahlung in der
Energiebranche, damit sie nicht gegeneinander ausgespielt werden. Werden dann
Kohlekraftwerke geschlossen, bedarf es kostenloser Umschulungen und der
Erschließung neuer Jobs, beispielsweise im Bereich der erneuerbaren Energien,
die dann automatisch zu gleichem Lohn stattfinden muss, damit die Beschäftigten
eine Perspektive für weitere Arbeit haben. Dies muss dann beispielsweise durch
die aktuelle Subventionierung der Kohle gezahlt werden, sowie durch die
stärkere Besteuerung von Unternehmen wie RWE. Weigern sich diese, müssen wir
für die Enteignung dieser Firmen eintreten, die jahrelang von der Zerstörung
unserer Lebensgrundlage profitiert haben.

  • Verkehrswende
    statt Klimawandel
    !

Dies kann nicht alleinig durch E-Mobilität beendet
werden. Wir müssen für einen kostenlosen ÖPNV eintreten, unter Kontrolle der
Beschäftigen und Nutzenden. Statt den Schwerpunkt auf individuelle Verkehrswege
zu legen, sollten wir auf die Verbesserung von kollektiven Fortbewegungsmitteln
setzen. Diese Forderung kann nur real werden, wenn wir für massive Investitionen
in die Bahn eintreten, für mehr Personal mit besseren Löhnen und den Ausbau der
Streckennetze. Dazu müssen wir aktiv auf die Beschäftigten zugehen und sie
einladen, gemeinsame Aktionen mit uns zu machen. Beispielsweise bedarf es
Vollversammlungen in Schulen und Betrieben, wo wir gemeinsam über diese
Thematik diskutieren können und müssen. Daneben können wir auch unsere Streiks
miteinander verbinden. Statt uns auf das Gerede der Konzerne und Regierungen zu
verlassen, dass nicht genug Geld dafür da ist, sollten wir für die Einsicht in
die Geschäftsbücher eintreten. Schließlich geht der Klimaschutz uns alle an.

  • Holt die Gewerkschaften mit ins Boot!

Nicht umsonst sind im Rahmen
des weltweiten Generalstreiks 1,4 Millionen Leute auf die Straße gegangen. Das zeigt:
Diese Aufforderung hat Wirkung. Wenn wir mehr als das Klimapaket haben wollen,
dann müssen wir uns diesem Mittel bedienen! Dadurch, dass Unternehmen Verluste
einfahren, erwirken wir Druck auf Politik und Kapital. Wir als Fridays for
Future müssen deshalb die Gewerkschaften zum Einen offen aufrufen, dies mit uns
gemeinsam zu veranstalten, indem sie a) offen dazu aufrufen und b) im Vorfeld
Vollversammlungen an den Betrieben organisieren. Durch die oben genannten
Forderungen haben wir dann gleichzeitig Kontakt zur Belegschaft und können dies
ebenfalls unterstützen, sollte dies nicht passieren. Nur so können wir uns in
Stellung bringen, unsere Forderungen durchzusetzen. Gemeinsame Kämpfe mit den
Beschäftigten sind ineiner Situation, in der die Wirtschaft weltweit stagniert,
besonders wichtig. Denn wir dürfen nicht zulassen, dass die Unternehmen die
Kosten der ökologischen Krise durch Massenentlassungen und Auslagerung von
umweltschädlicher Produktion in andere Nationen auf den Schultern der
Lohnabhängigen abladen.

  • Klimaschutz kennt keine Grenzen!

Das Problem des Klimawandels
lässt sich nicht in einem Land lösen. Wenn wir wachsen wollen, müssen wir unsere
Kämpfe verbinden und über Nationalstaatsgrenzen hinweg gegen eine Politik
eintreten, die dafür sorgt, dass die Produktion in andere Länder verlagert wird
und dort Löhne drückt, sowie die Umwelt zerstört. Ein Schritt dahin ist,
Bewusstsein dafür zu schaffen und für die Anerkennung von Umweltzerstörung als
Fluchtursache und volle Staatsbürger_Innenrechte für Geflüchtete einzutreten.
Ebenso müssen die Länder, die besonders unter den Folgen des Klimawandels
leiden, durch Zahlungen der Klimakillerkonzerne, wie beispielsweise RWE,
entschädigt werden.

Welche Struktur brauchen wir um das zu erreichen?

a) Damit unser
Protest nicht stagniert und wir schnell handlungsfähig bleiben, bedarf es
ebenfalls Aktions- und Streikkomitees an den Orten, an denen wir uns tagtäglich
bewegen. Also an Schulen, Unis und Betrieben. Warum? Viele Aktivist_Innen gehen
regelmäßig Freitags auf die Straße. Anstelle sich nur unter Gleichgesinnten zu
bewegen und die Spaltung in der Umweltfrage zu vertiefen, lohnt es sich durch
Mobilisierungen, Vollversammlungen und kleineren Aktionen vor Ort die Debatte
zu anderen Leuten zu bringen. Das sorgt für eine stetige Auseinandersetzung und
befähigt gleichzeitig Viele von uns sich mehr einzubinden. Vor allem, da es für
Viele leichter ist, sich dort zu organisieren, wo sie sich tagtäglich bewegen.
Es ist unsere Aufgabe offen um unsere Perspektive zu streiten und damit neue
Aktivist_Innen für unsere Ziele zu gewinnen.

b) Diese Basiskomitees können dann Vertreter_Innen ins Plenum schicken und Delegierte wählen. Dieses System hat mehrere Vorteile. Denn aktuell ist das Problem, dass sich nicht alle von uns verantwortlich fühlen, für die Sachen die entschieden und umgesetzt werden. Dadurch machen manche Menschen sehr viel Arbeit und haben viel Verantwortung Alles zu entscheiden. Der Großteil an Menschen wird in diesen Prozess nicht einbezogen und übernimmt daher nur ab und zu Aufgaben.

d) Warum ist das
wichtig? Wir sind eine Jugendbewegung, die es geschafft hat ins Gespräch zu
kommen. Unser Ziel muss aber auch sein, dass 
Aktivist_Innen selbstständig lernen zu handeln anstatt zu hoffen. Also
sich eigenständig an unseren Strukturen zu beteiligen. Dies geschieht vor allem
auch darüber, dass wir offen über Inhalte und Entscheidungen diskutieren. Nicht
um der Selbstbeschäftigung willen, sondern um der Bewegung willen. Nur wenn wir
demokratische Strukturen haben, an denen sich alle beteiligen können, schaffen
wir es auch eine demokratische Bewegung zu sein.

e) Deswegen müssen
unsere Delegierten auch jederzeit rechenschaftspflichtig und wähl- und
abwählbar sein. Jede_r soll und darf Ideen einbringen, gleichzeitig müssen
zentrale Momente der Bewegung wie Aktionstage, Forderungen und Perspektiven
gemeinsam besprochen und abgestimmt werden. Das muss aber auch für alle Aktivist_Innen
überprüfbar sein. Ansonsten droht die Gefahr, dass wichtige strategische
Entscheidungen nur von einem kleinen Teil getroffen werden. Was aber passiert
wenn sich herausstellt, dass diese falsch oder nicht im Interesse des
gemeinsamen Ziels (Klimaschutz, yeah!) sind?

f) Um das zu
ermöglichen, brauchen wir Aktions- und Perspektivkonferenzen. Dort sollten sich
alle Aktivist_Innen treffen können und die Chance haben, über die zentralen
Entwicklungen und unterschiedlichen Ausrichtungen, die es gibt (und immer geben
wird), zu entscheiden. Der SoKo war hierfür ein guter Auftakt, aber wir
brauchen nicht nur Momente des Empowerments, wir brauchen offene politische
Debatten, Anträge, Wahlen und Entscheidungen. Eine solche Konferenz sollte im
Vorfeld eine offene Antragsphase haben.

g) Unser Ziel ist
es nicht nur eine zeitweise Bewegung zu schaffen, sondern die Gesellschaft zu
verändern! Hierfür brauchen wir nicht nur Leute, die regelmäßig auf die Straße
gehen und teilweise in den jeweiligen FFF-Ortsgruppen aktiv sind, nein, wir
brauchen Leute, die offen um ein politisches Programm diskutieren, die sich einen
Kopf machen. Dafür müssen wir allen Teilen der Bewegung gleiche demokratische
Rechte geben. Es braucht offene Diskussion, ob die bittstellende Haltung
gegenübergestellt der Bundesregierung überhaupt die Chance hat, unsere Ziele zu
erreichen oder ob wir eine gesamtgesellschaftliche Bewegung brauchen, die
selbst die Zügel in die Hand nimmt und die gesellschaftliche Produktion unter
dem Ziel der gleichen Möglichkeiten unter den Menschen und der nachhaltigen
Beherrschung der Umwelt durch die Menschheit zum Ziel hat. Wenn die Perspektive,
die die Bewegung aktuell einnimmt, richtig ist, dann sollte sie auch eine
offene Debatte darüber überstehen und alle Teile der Bewegung darin bestärken
für ihre Position zu kämpfen. Sollte die Position hingegen falsch sein und wir
keine Debatte darüber führen, so würden wir damit die riesigen Chancen eine
neue Generation bewusster Aktivist_Innen zu begeistern und in Bewegung zu
bringen, verschenken.

Das Ganze könnt ihr hier auch nochmal als PDF herunterladen: