Corona, Krise und doppelte Belastung der Frauen

Jaqueline Katherina Singh, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung
Nr. 9

Seit mehr als einem Jahr stellt die Pandemie unser Leben auf den
Kopf. Rund 110 Millionen Menschen sind (Stand: Mitte Februar 2021)
offiziell am Corona-Virus erkrankt, beinahe 2,5 Millionen sind
verstorben. Ausgangsbeschränkungen, Atemschutzmasken,
Arbeitslosigkeit – die Liste mit Dingen, die nun zu unserem Alltag
gehören, ist lang. Angst um Freund_Innen, Familie, die eigene
Existenz. Gerade Letzteres stellt sich für viele Arbeitende.

Denn das Corona-Virus hat eine Wirtschaftskrise, die sich bereits
vorher abzeichnete, ausgelöst und massiv verschärft. Unter anderem,
da – anders als bei der Finanzkrise 2007/08 – fast alle Länder
gleichzeitig erfasst wurden. Der Internationale Währungsfonds (IWF)
geht in einem Bericht davon aus, dass die Pandemie alle Fortschritte
in der Bekämpfung der globalen Armut seit den 1990er Jahren
zunichtegemacht hat. Die soziale Ungleichheit hat sich 2020 drastisch
weiter verstärkt. Das bedeutet, dass jene, die schon vorher am
Existenzminimum gelebt haben, noch weniger besitzen sowie kleinere
Verbesserungen, die in den letzten Jahren errungen werden konnten,
verschwinden.

Die Krise heißt Kapitalismus

Als Ergebnis der Finanzkrise 2007/08 konnten wir in den letzten
Jahren eine stetige Zuspitzung von imperialistischen Konflikten
wahrnehmen – ob durch Interventionen in der Ukraine, Syrien, die
stetigen Drohungen gegen den Iran oder den Handelskrieg zwischen den
USA und China. Gerade Letzterer stellt eine direktere Konfrontation
zwischen zwei imperialistischen Mächten dar, bei der es nicht nur um
ein bloßes Kräftemessen geht. Vielmehr ist es die Zuspitzung der
Frage, welche Kraft den Weltmarkt in ihrem Interesse neu gestaltet –
die niedergehende, über Jahrzehnte vorherrschenden USA oder China
als neue, aufstrebende Macht. Die jetzige Krise wird die
Verteilungskrise und den existierenden Machtkampf massiv verstärken.
Die Frage der Verfügbarkeit medizinischer Versorgung, insbesondere
des Impfstoffes, ist in mehrfacher Weise mit dem Kampf um die
Neuaufteilung der Welt verbunden.

Zum Ersten sichern sich alle imperialistischen Mächte einen
privilegierten Zugang zu den Impfstoffen und räumen den Markt
faktisch leer. Hinzu kommt, dass die großen Konzerne, die fast
ausschließlich in den kapitalistischen Zentren angesiedelt sind, für
Jahre enorme Monopolprofite wittern, auf Patentrechten und damit dem
Ausschluss von Milliarden Menschen vom bezahlbaren Zugang zu den
Impfstoffen beharren. Während die Bevölkerung der imperialistischen
Staaten bis Ende 2021 geimpft werden kann, sollen in vielen Ländern
Afrikas, Lateinamerikas und Asiens selbst „optimistischen“
Vorhersagen zufolge nur 20 % diesen Schutz erhalten.

Die dramatisch wachsende globale Verschuldung verschärft die
Ungleichheit noch weiter. Während die USA, China oder auch die EU
mit Milliardenausgaben die unmittelbaren Wirkungen der Krise
kurzfristig mildern und Konjunkturprogramme auf den Weg bringen
können, ist dieser Weg den meisten Ländern des globalen Südens
verschlossen. Sie können allenfalls auf eine kurzfristige Aussetzung
des Schuldendienstes für über den IWF oder andere Institutionen
vermittelte Kredite hoffen. Diese Last wird sie noch mehr von den
Zentren der Weltwirtschaft und des Finanzkapitals abhängig machen –
mit extremen Folgen für Milliarden Lohnabhängige, Bauern und
Bäuerinnen.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass selbst wenn die
imperialistischen Zentren durch Impfungen wieder versuchen, zum
Regelbetrieb zurückzukehren, die Lage sich nicht von alleine
entspannen wird. Während die nationalen Regierungen für größere
Konzerne Rettungspakete schnüren, wird versucht werden, die
entstandenen Kost auf die Arbeiter_Innenklasse abzuwälzen:
Massenentlassungen, Einsparungen im sozialen Bereich neben der
stetigen Gefahr von Mutationen des Virus, die gegen den Impfstoff
resistent sind. Es stellt sich also die Frage: Wer zahlt für die
Kosten der Krise und die Folgen der Pandemie? Und während der
Machtkampf unter den Kapitalfraktionen noch läuft, ist zugleich
klar, dass sie alle versuchen werden, die Kosten auf die
Arbeiter_Innenklasse abzuwälzen. Im Folgenden wollen wir einen
Überblick darüber geben, wie die Belastung für Frauen aus der
ArbeiterInnenklasse seit Ausbruch der Pandemie zugenommen hat,
welchen Problemen sie sich verschärft gegenübersehen, um dann auf
die Ursachen der Unterdrückung und die Frage des Kampfes dagegen
einzugehen. Schließlich stellen sie einen maßgeblichen Teil der
Arbeiter_Innenklasse dar und haben aufgrund ihrer sozialen
Unterdrückung mit spezifischen Angriffen zu kämpfen.

Frauen sind in vielen der am stärksten von Covid-19 betroffenen
Branchen überrepräsentiert, z. B. in der Gastronomie, im
Einzelhandel und in der Unterhaltungsbranche. So arbeiten 40 Prozent
aller erwerbstätigen Frauen – 510 Millionen weltweit – in den am
stärksten betroffenen Branchen, verglichen mit 36,6 Prozent der
erwerbstätigen Männer. International stellen Frauen 70 % des
Personals in sozialen und Pflegeberufen.

Kurzarbeit und Entlassungen

Auch die ersten großen Entlassungswellen betrafen vor allem
Sektoren, in denen Frauen überrepräsentiert sind wie Einzelhandel,
Gastgewerbe und Tourismus. Eine statistische Erhebung aus den USA
zeigt, dass Frauen in verschiedenen Branchen stärker vom
Arbeitsplatzverlust betroffen sind als Männer. Im Freizeit- und
Gastgewerbe waren vor der Pandemie 52 % der Beschäftigten
Frauen, aber 54 % der Entlassenen sind weiblich. Im Bildungs-
und Gesundheitswesen stellten Frauen 77 % der Arbeitskräfte,
aber 83 % der Entlassenen; im Einzelhandel 48 % der
Beschäftigten, 61 % der Arbeitsplatzverluste; in den Kommunal-
und Landesverwaltungen schließlich 58 % der Belegschaften, aber
63 % der Freigesetzten.

Laut Zahlen der ILO verdienten 2018 61 % der globalen
Erwerbsbevölkerung (2 Milliarden Menschen) ihren Lebensunterhalt in
der informellen Wirtschaft, davon sind rund 50 % Frauen. Für
diese Menschen bedeutet das, dass sie über keinen einklagbaren
Arbeitsvertrag, keine Arbeitslosenversicherung oder damit
vergleichbare Absicherung verfügen.

Frauen stellen zwar die Hälfte der Menschen im informellen
Sektor, sie sind aber vor allem im globalen Süden überrepräsentiert.
So arbeiten in Südasien über 80 % aller Frauen außerhalb der
Landwirtschaft im informellen Sektor, in den Ländern südlich der
Sahara 74 %, in Lateinamerika und der Karibik 54 %.

Besonders betroffen von der Krise sind oft WanderarbeiterInnen. So
haben in Indien mindestens 40 Millionen ArbeitsmigrantInnen von heute
auf morgen ihren Job und ihre Unterkunft verloren. Sie müssen 100 –
1.000 Kilometer zurück zu ihren Familien reisen, denen sie meistens
selbst Geld schicken, also die sie eigentlich finanzieren.
Schätzungen gehen davon aus, dass 660.000 bis 1,5 Millionen
MigrantInnen in Lagern untergebracht wurden, wo sie minimale
Essensrationen erhielten.

Frauen sind jedoch nicht nur als überausgebeutete
Lohnarbeiterinnen betroffen. In vielen Ländern der halbkolonialen
Welt waren sie im Zuge von „Entwicklungshilfe“ oft auch
Empfängerinnen sog. Mikrokredite. In Jordanien beispielsweise
erhielten rund 70 % der Frauen solche. Unter den Bedingungen von
Corona und der Krise können viele ihre Raten nicht mehr tilgen, sind
nicht zahlungsfähig, was in manchen Ländern mit Gefängnisstrafe
geahndet werden kann.

Wir sehen anhand dieser Beispiele, dass arbeitende Frauen auch
ökonomisch besonders stark von der Krise betroffen sind – und
diese wird so schnell nicht nachlassen.

Gesundheit

Aufgrund der Pandemie liegt der Fokus des Gesundheitssystems auf
der Bekämpfung der Krankheit. Dies ist an sich sinnvoll. Aber da es
ohnedies schon einen Mangel an medizinischem Personal und
Einrichtungen gibt, bedeutet das auch, dass diese anderswo fehlen. So
können wir aktuell in vielen Ländern einen Anstieg der Mütter- und
Kindersterblichkeit beobachten.

Der Zugang zu hygienischen Produkten und Verhütungsmitteln wird
durch Verdienstausfälle erschwert, deren Produktion teilweise
ausgesetzt. In Indien wurden während der ersten Wochen des Lockdowns
Binden nicht als essentiell betrachtet. Mädchen hatten aufgrund der
Schließung von Schulen keinen Zugang. NGOs und Hilfsorganisationen
schätzen, dass allein in Indien mindestens 121 Millionen Frauen
keinen Zugriff auf Güter zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse
hatten, wobei ländliche Regionen und Kleinstädte besonders
betroffen waren.

Zusätzlich wird der ohnedies schon eingeschränkte Zugang zu
Abtreibungen weiter erschwert. UN-Schätzungen zufolge könnte die
Corona-Krise zu 7 Millionen ungewollten Schwangerschaften führen.
Zum einen, da der Zugang zu Verhütungsmitteln erschwert ist, zum
anderen, da die sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen massiv
zugenommen hat und sie noch mehr an die Familie und damit an
Ehemänner gebunden sind. Dort, wo Schwangerschaftsabbrüche legal
sind, wurde der Zugang zu Beratungsgesprächen massiv eingeschränkt,
da viele Praxen und Familienplanungszentren ihr Angebot reduzierten.
In 8 US-Bundesstaaten liefen während des ersten Lockdowns Verfahren,
da Abtreibungen auf die Liste der „nicht dringlichen“
medizinischen Behandlungen gesetzt worden sind.

Gewalt gegen Frauen

Zugleich verschärft sich die Lage der Frauen in Familien und
Beziehungen. Der Bevölkerungsfonds der UN (United Nations Population
Fund, bis 1987: United Nations Fund for Population Activities; UNFPA)
rechnet mit 31 Millionen zusätzlichen Fällen von häuslicher Gewalt
in 6 Monaten des Lockdowns. Wir haben es hier mit einem globalen,
keinesfalls mit einem regionalen Problem zu tun.

In Frankreich nahmen mit der Ausgangssperre 2020 die Fälle
häuslicher Gewalt um 30 Prozent zu. Die französische Regierung
kündigte zudem an, bis zu 20.000 Zimmern in Hotels für Betroffene
zu reservieren, in französischen Einkaufszentren wurden 20
Beratungsstellen eingerichtet.

Allein in den ersten beiden Aprilwochen 2020 gab es im Vergleich
zum Vorjahreszeitraum einen 47 %igen Anstieg der Anrufe bei der
spanischen Hotline für häusliche Gewalt. Die Zahl der Frauen, die
sich per E-Mail oder über soziale Medien an die von der Regierung
als wesentlich eingestuften Unterstützungsdienste wandten, soll um
bis zu 700 % gestiegen sein. Sichtbar wird das Ausmaß des
Problems, wenn man die bestehende Infrastruktur für von Gewalt
betroffene Frauen betrachtet.

So mangelt es in Deutschland seit Jahren an Plätzen in
Frauenhäusern. Bis heute stehen rund 6.800 Plätze zur Verfügung,
obwohl sich Deutschland schon 2017 verpflichtet hat, mindestens
21.400 zu schaffen. Kurzfristig hätte hier durch Nutzung
leerstehenden Wohnraums, wegen der Pandemie nicht belegter Hotels und
Ferienwohnungen etwas Abhilfe geschaffen werden können – doch
Fehlanzeige. Hinzu erschweren die soziale Isolierung und Quarantäne
die Lage der Frauen. Mit Tätern eingeschlossen, kannst du nicht
einfach verschwinden und dich um die Kinder kümmern, die ebenfalls
krasser Gewalt ausgesetzt sind.

Homeoffice und unbezahlte Hausarbeit

Grundsätzlich leisten Frauen nach wie vor weit mehr unbezahlte
Hausarbeit als Männer. Im Zuge von Corona wurden Schulen und
Kindergärten geschlossen, ist Pflegeunterstützung im Haus oft
weggefallen oder reduziert.

Hinzu kommt, dass Homeoffice und Kinderbetreuung nur schwer
vereinbar sind. Das zeigt sich in Deutschland daran, dass 40 %
der Personen mit Kindern unter 14 Jahren die Tätigkeit im Homeoffice
als äußerst oder stark belastend einschätzen gegenüber 28 Prozent
der Befragten ohne Kinder. 1,5 Millionen Alleinerziehende – davon
sind 90 % Frauen – sind noch mal stärker betroffen.

Ein Teufelskreis

Viele Frauen arbeiten im Caresektor und in sog. systemrelevanten
Berufen. Sie sind oft einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt,
gleichzeitig aber auch von Entlassungen am stärksten betroffen. Das
bindet sie ökonomisch stärker an die Familie, macht sie schutzloser
gegenüber häuslicher Gewalt. Zusätzlich steigt die reproduktive
Arbeit, die im Haushalt getätigt werden muss, was die
Doppelbelastung der Frauen erhöht. Sie werden also unter Bedingungen
einer kapitalistischen Krise, die durch die Pandemie verstärkt wird,
mehr in die klassische, reaktionäre Geschlechterrolle gedrängt.
Auch wenn jetzt die Kontaktverbote gelockert werden, wird es keine
Rückkehr zur ohnedies zweifelhaften „Normalität“ geben.
Vielmehr drohen im Zuge der Wirtschaftskrise mehr Entlassungen und
massive Sozialkürzungen.

Warum ist das so?

Um die aktuelle Situation zu verändern, ist es essentiell zu
verstehen, warum Corona sowie die Wirtschaftskrise
Frauenunterdrückung verstärken und woher diese überhaupt kommt.
Dazu gibt es zahlreiche theoretische Ansätze und diverse Lösungen
von verschieden feministischen Strömungen, auf die wir an dieser
Stelle nicht eingehen können. Stattdessen beschäftigen wir uns mit
der Position von Revolutionär_Innen.

Frauenunterdrückung existierte schon lange vor dem Kapitalismus
und nahm in allen Klassengesellschaften eine systematische Form an.
So war z. B. die bäuerliche Familie im Feudalismus Produktions-
und Reproduktionseinheit. Für den Kapitalismus ist freilich typisch,
dass sich die Funktion von Haushalt und Familie für die unterdrückte
Klasse gegenüber früheren Klassengesellschaften ändert. Im
Kapitalismus werden Produktion und Reproduktion getrennt und
natürlich hat die Familie/PartnerInnenschaft für die
ArbeiterInnenklasse und für die besitzenden Klassen auch eine
unterschiedliche Funktion. Für Erstere dient sie in erster Linie zur
Reproduktion der Ware Arbeitskraft, während sie für KapitalistInnen
essentiell für die Vererbung der Produktionsmittel ist.

Auch wenn dieses „Ideal“ der ArbeiterInnenfamilie global
betrachtet oft gar nicht der Realität entspricht, so übernimmt der
Kapitalismus eine schon vorher existierende geschlechtsspezifische
Arbeitsteilung, die dadurch, dass der Lohn des Mannes als
„Familienlohn“ gesetzt wird, während die Frau nur
„dazuverdient“, selbst befestigt und reproduziert wird. Die
bürgerliche Familie, die auch als Norm in der ArbeiterInnenklasse
ideologisch und repressiv durchgesetzt wird gegenüber anderen
Formen, reproduziert die geschlechtliche Arbeitsteilung und diese
verfestigt wiederum die Familie als scheinbar „natürliche“ Form
des Zusammenlebens.

Warum sind Frauen stärker betroffen?

Diese Form der geschlechtlichen Arbeitsteilung bedeutet auch, dass
Frauen oft von Krisen besonders stark betroffen sind. Gerade in
solchen Perioden wird die Reproduktionsarbeit im Kapitalismus
systematisch ins Private gedrängt. Kosten für v. a.
öffentliche Kindererziehung, Kranken- und Altenpflege erscheinen als
unnütze, unproduktive Arbeit, da sie oft keinen Mehrwert für ein
Kapital schaffen. Das heißt nicht, dass es nicht nützliche Arbeiten
sind. Aber da sie sich nicht im gleichen Maßstab wie andere, z. B.
industrielle, verwerten lassen, erscheint z. B. Carearbeit im
öffentlichen Krankenhaus oder die Arbeit der Erzieherin in einer
Kita nur als Kostenfaktor, der gefälligst reduziert oder ganz
eingespart werden soll.

Daher verbleibt auch die individuelle Kindererziehung, Pflege von
Alten in der Familie – und es erziehen und pflegen dabei in erste
Linie Frauen. Dabei kann diese Operation durchaus widersprüchlich
sein, weil eigentlich auch das gesellschaftliche Gesamtkapital unter
bestimmten Bedingungen mehr weibliche Arbeitskraft und damit auch
eine teilweise Vergesellschaftung der Hausarbeit (z. B. durch
mehr Kindergärten, bessere Kantinen …) braucht.

In Krisenzeiten müssen aber Kosten gespart werden durch Absenkung
der Löhne, Verlängerung der Arbeitszeit, Kurzarbeit, Entlassungen,
aber auch und vor allem durch Kürzungen im sozialen Bereich
insgesamt. Frauen fungieren so als „flexible“ Aufstockerinnen,
besonders leicht verschiebbarer Teil der industriellen Reservearmee,
die zuerst ins Private gedrängt werden und sich eher um Familie
kümmern, aber bei besserer Konjunktur auch wieder leicht und
schlechter bezahlt einsetzbar sind.

Wir sehen hier also auch, woher der Gender Pay Gap
(geschlechtsspezifischer Lohn- und Gehaltsunterschied) kommt. Der
Lohn des Mannes wird historisch als Familienlohn gesetzt (der auch
die Kosten zur Reproduktion der Familie einschließt). Die Arbeit der
Frau erscheint dabei nur als „Zuschuss“, als „Aufstocken“.
Das Ganze bildet einen Elendskreislauf, der sich in einem gewissen
Maß selbst reproduziert: Basierend auf der geschlechtlichen
Arbeitsteilung geht der Mann arbeiten, weil er mehr verdient – und
weil der Mann mehr verdient, bleibt die Frau zu Hause. Somit
reproduziert sich die geschlechtliche Arbeitsteilung gleich mit.

Kämpfe der ArbeiterInnen- und der Frauenbewegung haben zwar
wichtige Verbesserungen errungen, aber eine wirkliche Gleichheit
konnte nie erreicht werden, weil die unterschiedlichen Löhne in der
geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und im privaten Charakter der
Hausarbeit wurzeln. Gerade in Krisen stehen wir immer wieder vor der
Gefahr eines Rollbacks.

Forderungen

Auch wenn sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Frauen in
den verschiedenen Ländern und Regionen sehr unterschiedlich
darstellen, so gibt es doch einige gemeinsame Forderungspunkte, die
für eine internationale Bewegung von großer Bedeutung sind:

Gesundheitsschutz für alle!

Kostenloser Zugang für alle, insbesondere auch Frauen aus dem
„globalen Süden“, zu Gesundheitsversorgung sowie zu
Corona-Impfstoffen und -Tests. Die Produktion und Verteilung der
Impfstoffe muss der Kontrolle der privaten Konzerne entzogen werden.
Nein zum Impfstoff-Nationalismus der imperialistischen Staaten, für
die Aufhebung der Patente und einen internationalen Plan zu raschen
Produktion und Verteilung. Streichung der Schulden der Länder der
„Dritten Welt“ und Finanzierung der Gesundheitsversorgung und der
Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung (inklusive der Versorgung bei
Quarantänemaßnahmen) durch einen internationalen Plan, finanziert
von den reichen Ländern und durch die Besteuerung von Vermögen und
Kapital!

Gleiche Arbeit, gleicher Lohn!

Dies beinhaltet auch Forderungen wie jene nach einem Mindestlohn
oder nach Abschaffung aller Formen informeller, prekärer Arbeit
durch tarifliche Löhne und Gehälter, verknüpft mit der nach
Kontrolle dieser Maßnahmen durch Komitees der ArbeiterInnenklasse,
insbesondere der Lohnarbeiterinnen. Keine Entlassungen und volle
Bezahlung aller Beschäftigen während der Lockdowns bei Schließung
aller nicht-essentiellen Wirtschaftsbereiche, um eine
Zero-Covid-Strategie durchzusetzen. Anhebung der Renten,
Arbeitslosenunterstützung zumindest auf Höhe des Mindestlohns.
Kontrolle der Gewerkschaften und von Ausschüssen der ArbeiterInnen
über diese Maßnahmen.

Selbstbestimmung über den eigenen Körper!

Diese muss das Recht auf Empfängnisverhütung, die kostenlose,
sichere und frei zugängliche Abtreibung beinhalten. Sie inkludiert
auch den Schutz vor häuslicher Gewalt, Scheidungsrecht, rechtliche
Gleichheit, den massiven Ausbau von Schutzräumen wie Frauenhäusern
sowie den Aufbau von Selbstverteidigungskomitees gegen Gewalt und
Übergriffe, die von der ArbeiterInnenbewegung unterstützt werden.

Kampf gegen Entlassungen, Einbezug ins
Berufsleben!

Der Kampf gegen Entlassungen muss sich auch gegen die von Frauen
richten. Alle rechtlichen Benachteiligungen, alle Formen von Sexismus
und Diskriminierung im Berufsleben müssen offensiv bekämpft werden.
Der Kampf gegen Entlassungen muss mit dem für eine massive
Verkürzung der Arbeitszeit verbunden werden, so dass die Arbeit
unter alle, Männer wie Frauen, aufgeteilt werden kann.

Nein zu Sozialabbau und Privatisierung –
Vergesellschaftung der Hausarbeit!

Statt weiterer Kürzungen müssen wir für den Ausbau von Schulen,
Bildungseinrichtungen, öffentlichen Krankenhäusern,
Kultureinrichtungen usw. unter Kontrolle der ArbeiterInnenklasse
eintreten. Dies ist absolut notwendig, um dem weiteren Rollback und
der Zunahme privater Hausarbeit entgegenzutreten. Letztlich besteht
die Aufgabe darin, die gesamte Hausarbeit zu vergesellschaften, so
dass lebenswichtige Aufgaben wie Kindererziehung und Sorge um Alte
und Kranke nicht mehr individuelle Last von Frauen bleiben, sondern
kollektiv angepackt werden.

Gegen Sexismus und Chauvinismus!

Beim Aufbau einer internationalen Bewegung gegen Pandemie und
Krise müssen Frauen und ihre Forderungen eine Schlüsselrolle
einnehmen. Doch ihre Unterdrückung in der Gesellschaft findet nur
allzu oft ihre Fortsetzung in der reformistischen und
bürokratisierten ArbeiterInnenbewegung. Daher ist es notwendig, dass
sie sich gegen alle Formen des Sexismus und Chauvinismus in unserer
Klasse auch organisiert zur Wehr setzen können und wie alle anderen
sozial Unterdrückten in Parteien oder Gewerkschaften das Recht auf
eigene Treffen (Caususes) haben. Mit den Frauen*streiks der letzten
Jahre hat sich eine globale Kraft zu formieren begonnen, die das
Potential besitzt, zu einer internationalen proletarischen
Frauenbewegung zu werden. Diese stellt für den gemeinsamen Kampf von
Männern und Frauen der ArbeiterInnenklasse kein Hindernis, sondern
vielmehr eine Voraussetzung zu einem wirklichen, gemeinsamen Kampf
gegen Frauenunterdrückung und Kapitalismus dar.




„Wir lassen uns nicht von unserem Weg abbringen“

Interview mit der Antifaschistischen Jugend Augsburg über Angriffe von sogenannten Antideutschen, den Rechtsruck und Widerstand dagegen

Revo: Hey AJA, schön, dass ihr Zeit gefunden habt, uns von den Vorfällen in eurer Stadt zu berichten. Vielleicht könnt ihr euch zuerst einmal vorstellen und verraten, wer ihr seid?

AJA: Wir sind eine antifaschistische Jugendgruppe aus Augsburg. Neben dem Kampf gegen Rechts führen wir auch antiimperialistische, antikapitalistische, feministische, internationalistische und antimilitaristische Kämpfe. Wir haben uns vor fast 2 Jahren zu einer Gruppe zusammengeschlossen.

Revo: Und was ist nun genau vorgefallen?

AJA: Es gab schon länger kleine Anfeindungen und Konflikte aufgrund von, zum Beispiel Schmierereien auf der Toilette von Szenekneipen. Irgendwann fing es an, dass uns ein Transpi während eines unserer Kurdistan-Vorträge geklaut wurde, andere „linke“ Gruppen Bilder in ihrer Insta-Story posteten auf welchen sie unsere Sticker überklebten, u.s.w… Den entscheidenden Auslöser den Konflikt offensiv auszutragen sahen die Antideutschen dann in unserem Posting zur Nakba vom 15.5., mit dem wir der Vertreibung von mehreren Hunderttausend Palästinenser_Innen gedachten. Bei dem zugehörigen Text wandten die Antideutschen den sogenannten „3D-Test“ an, der angeblich belegen soll, dass es sich um Antisemitismus handle. Dieser Test beruht jedoch auf keiner wissenschaftlichen Grundlage und wurde von einem rechten israelischen Minister erfunden. In dem Schreiben wurde dazu aufgefordert „nicht mehr mit uns Antisemit_Innen zu kooperieren“. An der Stelle kritisieren wir den bei Antideutschen typischen inflationären Gebrauch des Antisemitismusvorwurfs. Das lenkt davon ab, echten Antisemitismus zu bekämpfen. Ein paar Wochen nach diesem Schreiben des JuFo schickte uns die örtliche F*antifa ein Vorwurfspapier auf dessen Grundlage wir wenig später aus unserem Treffpunkt, dem einzigen Szeneladen in Augsburg „Die Ganze Bäckerei“, ausgeschlossen wurden. Hierfür besuchten die Antideutschen das sonst eher mau besuchte Orgaplenum mit 12 Leuten und drückten eine Abstimmung durch (normalerweise wird dort mit Konsensprinzip entschieden). Die Vorwürfe gegen uns waren angeblich Sexismus, Antisemitismus, autoritär, mackerhaft und Gulagdrohungen. Wir sind gerade noch dabei zu differenzieren, welche der Vorkommnisse, die den Vorwürfen zugeordnet werden, aus der Luft gegriffen sind und mit welchen wir uns selbstkritisch befassen müssen.

Revo: Welche Gruppen und Organisationen verbergen sich hinter den Anfeindungen?

AJA: Vor allem der lokale Ableger der Linksjugend Solid, welcher von antideutschen Student_Innen geführt wird. Das Schreiben in dem dieser 3D-Test angewandt wurde war von der Hochschulgruppe des Jungen Forum der „Deutsch-Israelischen Gesellschaft“ initiiert. Es wurde unter anderem von den Parteijugenden von SPD, Grüne und Linkspartei unterzeichnet. Im Laufe der Zeit gründete sich eine weitere antideutsche Gruppe, die allerdings weniger von Relevanz ist. Zeitgleich gründete sich eine geschlossene F*antifagruppe, welche die treibende Kraft hinter unserem Ausschluss aus dem Szeneladen „Die Ganze Bäckerei“ ist. Insgesamt bestehen zwischen den einzelnen Gruppen teilweise große personelle Überschneidungen.

Revo: Und sind diese Anfeindungen und Kommentare etwas Neues für euch?

AJA: Wie bereits erwähnt gibt es schon länger kleinere Konflikte. Das war nicht immer so. Bei unserer Gründung wurden wir von allen Seiten aus dem linken Spektrum unterstützt und wir wurden natürlich auch dadurch beeinflusst. Die ersten ernst zu nehmenden Anfeindungen kamen dann auf, als wir uns positiv auf den palästinensischen Befreiungskampf bezogen. Bereits früh scheute sich vor allem die Solid nicht, uns öffentlich über ihre Insta-Seite zu diffamieren. Gerade in Augsburg, wo alle sich einig sind, dass linkspolitisch nichts Nennenswertes vorangeht, ist es für uns sehr fraglich, warum sich dann auch noch darauf konzentriert wird uns als aufstrebende linke Jugendgruppe das Leben schwer zu machen, während Identitäre, AFD, Dritter Weg und Co. sich hier pudelwohl fühlen.

Revo: Wie seid ihr damit umgegangen?

AJA: Wir müssen uns natürlich eingestehen, dass jegliche Provokationen immer auf Gegenseitigkeit beruhen. Wir sind keine sündenfreien Heiligen, sondern auch nur Menschen. Allerdings sind wir vor allem, wenn es um öffentliche Anfeindungen oder Versuche sich über uns lustig zu machen ging, nie darauf eingegangen und haben uns nie öffentlich gerächt oder so. Dort, wo wir es für sinnvoll erachten, suchen wir das persönliche Gespräch, ansonsten konzentrieren wir uns auf unsere Arbeit und ignorieren die meist dämlichen Facebook oder Instagram-Posts. Die Vorwürfe, aufgrund derer wir aus der Bäckerei geflogen sind, werden bei uns versucht zu klären und wir reflektieren gemeinsam über mögliches Fehlverhalten, allerdings lassen wir uns auch nicht isolieren oder uns von unseren inhaltlichen Kernpunkten abbringen.

Revo: In unseren Augen sollten wir das Erstarken der Antideutschen nicht getrennt vom Aufkommen eines internationalen Rechtsrucks betrachten. Dieser spielt sich nämlich nicht nur in der AfD und der CDU ab, sondern hat weite Teile der Gesellschaft erfasst und wirkt auch in reformistische Parteien wie die SPD und die Linke. Diese passen sich in ihrer Angst vor Wähler_Innenverlusten immer weiter nach rechts an und verlieren (Überraschung) noch mehr Wähler_Innen. Kein Wunder, dass deren Jugendorganisationen an den Angriffen gegen euch beteiligt waren. Anstatt sich klar zu Klassenkampf, Antirassismus und Antikapitalismus zu bekennen, rücken auch Teile der radikalen Linken dichter an die Positionen der Regierung heran und üben den nationalen Schulterschluss. Antimuslimischer Rassismus, Hass gegen internationalistische Linke und die Unterstützung der deutschen Außenpolitik wurden im Zuge des Rechtsrucks zu neuen Kampffeldern vermeindlicher „Linker“. Wie seht ihr das?

AJA: Wir würden da grundsätzlich erstmal eine Trennlinie ziehen. Kapitalismus, Faschismus und der Staat sind Dinge, die tagtäglich gefährliche Auswirkungen auf Milliarden von Menschen haben und sind dadurch Feinde der Menschen und sind deswegen auch Feinde der linken Bewegung. Das Phänomen der Antideutschen mit seiner unlogischen Ideologie spielt sich erstmal nur in einer Blase ab und hat selten realpolitische Auswirkungen. Insofern könnte man sie einfach ignorieren, allerdings sind sie (leider) oft erfolgreich darin progressive linke Kräfte zu stören, anzufeinden und deren Ruf zu schädigen. So führten sehr ähnliche Umstände zuletzt dazu, dass sich die Offene Antifaschistische Jugendgruppe (OAJ) aus Chemnitz auflösen musste, da die Auseinandersetzung mit solchen Vorwürfen, kombiniert mit kontinuierlicher sinnvoller politischer Arbeit und staatlicher Repression, große psychische Belastungen sein können. Dadurch, dass die Antideutschen uns zu Feind_Innen erklären und gleichzeitig unsere politische Arbeit versuchen zu behindern, machen sie sich auch zu Feind_Innen von uns. Wir sehen den richtigen Umgang darin, innerhalb der linken Bewegung umfassend über dieses Phänomen aufzuklären und vor den Gefahren dieser Ideologie und ihrer spaltenden, sabotierenden und menschenverachtenden Eigenschaft zu warnen. Antideutsche sind keine Linken.

Revo: Wir sind uns einig, dass Antideutsche nichts mit Linken zu haben. Als ehemalige Szenepublizist_Innen sind viele Antideutsche nun im Springer-Verlag, im Bundestag oder als Extremismusexpert_Innen beschäftigt. Keine Überraschung, denn historisch decken sich große Teile ihrer außenpolitischen Positionen mit denen des deutschen Kapitals (Unterstützung des Irakkriegs, Unterstützung des Kosovokriegs, Unterstützung des Afghanistankriegs, bedingungslose Solidarität mit Israel, restriktive Migrationspolitik und der Kampf gegen BDS). Häufig sind sie dort anzutreffen, wo es nur eine schwach organisierte Arbeiter_Innenklasse gibt: Also zum Beispiel im Osten Deutschlands und in Unistädten. Gerade die aktuelle Krise zeigt jedoch, dass die Antideutschen keinerlei Perspektive bieten können, wie wir Wirtschaftskrise, Pandemie und Klimawandel stoppen können. Mit Merkava-Memes und Technopartys wird das leider nichts. Stattdessen müssen wir eine internationale Anti-Krisen-Bewegung aufbauen und eine klassenkämpferische Antwort auf die kommende Krise geben. Das ist die beste Waffe, die wir gegen die Antideutschen und die Angriffe des Kapitals haben. Wie sieht eure zukünftige Arbeit aus?

AJA: Das Schreiben, in dem Gruppen erklären nicht mehr mit uns zu kooperieren, wurde abgesehen von der antideutschen Gruppe, von Jugendorganisationen der Grünen, SPD und der Linken unterzeichnet. Mit den genannten Gruppen hatten wir nie relevante Zusammenarbeit, weswegen wir nicht allzu stark betroffen sind. Doch diese Gruppen sind nicht ehrlich. Wir sind Mitveranstalter des Klimacamps, was seit nunmehr als vier Wochen läuft. Da ist es für die Grüne Jugend z.B. kein Hindernis, doch mit uns zu kooperieren. Wir achten gezielt darauf weiter sinnvolle politische Arbeit zu betreiben und dem Konflikt nicht mehr Raum zu geben, als er verdient. Der Austausch über so etwas wie Vorwurfspapiere nimmt jedoch schon einiges an Zeit in unseren Plena in Anspruch. Für einige Aktivist_Innen entsteht leider auch eine psychische Belastung, wenn so etwas wie Antisemitismusvorwürfe oder das Thema sexuelle Gewalt auf ein lächerliches Niveau verzerrt werden. Das ist einfach nur respektlos gegenüber denen, die tatsächlich solche Erfahrungen erleiden müssen.

Revo: Worin seht ihr die Ursache, dass solche Angriffe sich aktuell häufen?

AJA: Wo gehobelt wird da fallen Späne. Die kontinuierliche Arbeit antiimperialistischer Gruppen in den letzten Jahren zahlt sich aus und die vermehrten Angriffe seitens der Antideutschen sind eine Reaktion darauf. Wir passen nicht in ihr ideologisch verhärtetes, verwirrtes Weltbild und ecken bei ihnen an, sobald wir progressive Arbeit in den Massen machen und versuchen Politik über die linke Szene hinaus zu machen. Indem die Antideutschen sehr viel Zeit darin investieren, zu versuchen linke Gruppen zu behindern, zeigen sie, dass ihr Feind nicht der Kapitalismus und die Kapitalist_Innenklasse ist, sondern dass sie sich oftmals wenig von dieser Unterscheiden. Die antiimperialistische Bewegung versucht das Problem wieder bei der Wurzel zu packen und nimmt klassenkämpferische und revolutionäre Standpunkte ein. Das passt nicht in die Ideologie, welche die arbeiter_Innenfernen Antideutschen sich an ihrer Universität zusammenbasteln.

Revo: Was denkt ihr, wie sich die internationalistische Linke kollektiv dagegen verteidigen kann?

AJA: Unsere Aufgabe als antiimperialistische Linke ist es einheitlich und standhaft zu bleiben und uns nicht von unserem Weg abbringen zu lassen. Wir müssen weiterhin das oberste Ziel vor Augen behalten, uns gemeinsam mit den Massen von Imperialismus, Faschismus und Ausbeutung zu befreien. Ein wichtiges Werkzeug ist dabei wie immer die Solidarität. Sie ist nicht nur ein Werkzeug, sondern eine Waffe. An dieser Stelle möchten wir uns herzlichst bei Allen bedanken, die sich solidarisch mit uns zeigten. Besonders hervorzuheben sind dabei die Genoss_Innen von der Bonner Jugendbewegung, die ein mehrseitiges Solidaritätsschreiben verfassten, welches an die 20 Gruppen aus ganz Deutschland unterzeichneten. Zusätzlich bedanken wir uns für die Solidarität aus Ingolstadt, München, der Schweiz oder von der KO. Es ist unglaublich bestärkend und wichtig für uns zu sehen, dass wir nicht alleine dastehen, sondern dass es unheimlich viele Menschen gibt, die für das gleiche kämpfen und die gleichen Probleme kennen. Solidarität und Zusammenhalt sind der erste Schritt gegen die Angriffe der Antideutschen. Darüber hinaus sehen wir es als sehr wichtig an, weiter kontinuierlich zu arbeiten und gleichzeitig die antideutsche Ideologie zu entlarven. Nebenbei sollte man nie das Gefühl dafür verlieren mit Kritik umzugehen. Unter dem Schwall an hauptsächlich unbegründeter Kritik vergisst man oft auch schnell einzuschätzen an welcher Stelle die Kritik an der eigenen Arbeit vielleicht doch durchaus angebracht wäre. Das heißt nicht, dass die Antideutschen uns etwas zu sagen haben, denn unser Ziel ist es nicht Politik zu machen um Antideutsche zu befriedigen, sondern das, was wir für richtig halten: Politik für die Menschen auf der Straße, die tagtäglich unter dem Kapitalismus leiden. Aber wir müssen einfach auch grundsätzlich darauf achten einen korrekten Umgang mit Kritik beizubehalten, da wir uns als antiimperialistische Bewegung stets weiterentwickeln und Theorie und Praxis verfeinern müssen. Hierbei lässt sich vielleicht ein kleiner Vorteil von diesen Angriffen ausmachen: Sie sind so etwas wie eine erste kleine Zerreißprobe aus der man mit dem richtigen Umgang gefestigter, einheitlicher und stärker hervorgehen kann. Auf unserem Weg zur befreiten Gesellschaft werden uns noch viele Leute Steine in den Weg legen – in der eigenen Szene fängt es an.

Revo: Vielen Dank AJA. Wir wünschen euch viel Erfolg dabei! Vielleicht bieten kommende Mobilisierungen wie in Hanau am 22.8. oder Ende Gelände im September eine Möglichkeit, das in der Praxis gemeinsam auszuprobieren.




Sekt und Sexismus zum Frauenkampftag in Leipzig

von Leonie Schmidt

Am Sonntag dem 8.3. beteiligten sich insgesamt 3.000 Demonstrierende in Leipzig beim sogenannten feministischen Streik. Wenngleich eine Demo im Kampf um die Frauenbefreiung eigentlich lautstark und kämpferisch sein sollte – so war das in den meisten Blöcken nicht der Fall. Hier setzte man eher auf Technomusik, Schweigen und ein bisschen Sekt um den Kampf für mehr Frauenrechte zu besiegeln. Desweiteren entschloss man sich dazu, kämpferischen, antiimperialistischen und revolutionären Frauen die Teilnahme an der Demo zu untersagen. So positionierte sich das Bündnis über den Lauti bei der ersten Zwischenkundgebung am Wilhelm-Leuschner-Platz gegen vermeintlichen Antisemitismus (aka Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf) und verbannte Aktivist_Innen von Revolution, der MLPD und dem BDS aufgrund von Antisemitsmus- und Mackertum-Vorwürfen von der Demo. Diese mündliche Durchsage wurde auch durch körperliche Auseinandersetzungen bestärkt, so wurde an Fahnen und Transpis gerissen, Aktvist_Innen von Revolution geschubst und auch Genossinnen durch eine männlich gelesene Person niedergeschrien. Ebenfalls wurden Genossinnen, welche sich vorher durch ein Megaphon mit antisexistischen Parolen Gehör verschaffen wollten, als Macker bezeichnet, da sie „zu laut und aggressiv“ gesprochen haben sollen. Das Zeugt von einem sexistischen Frauenbild, wenn Frauen nur dann „gute“ Frauen sind, wenn sie sich auch leise und ruhig, wie eine Frau verhalten und das selbstbewusste Auftreten als männlich wahrgenommen wird. Selbstbewusstes Auftreten von Frauen ist wichtig und sollte unterstützt werden. Wir sind stolz als Organisation Frauen in unseren Reihen zu haben, die sich nicht scheuen, ihre Meinung zu sagen und sich in die erste Reihe zu stellen. Höhepunkt war dann, dass die Genossin von einer selbsternannten Queerfeministin als „Fotze“ beleidigt wurde (auf Nachfrage, wurde allerdings behauptet, es wäre nur „Halt die Fresse“ gewesen). Desweiteren wurde von Seiten der Sprecherin des Bündnisses behauptet, dieser Ausschluss sei Konsens des Bündnisses gewesen und vor der Demo auf dem Plenum so beschlossen worden, das scheint aber fraglich, da es dazu keine vorherigen Veröffentlichungen gab.

Wir als revolutionäre Jugendorganisation und
Internationalist_Innen weisen dieses Vorgehen und die Vorwürfe entschieden
zurück. Wir empfinden es als absolut sexistisch, dass Frauen aus revolutionären
Organisationen die Teilnahme an den Frauenstreiks/feministischen Streiks
untersagt wird und sie zusätzlich ausgegrenzt, niedergeschrien und sexistisch
beleidigt werden. So wird verbale Gewalt nicht nur gedeckt, sondern auch
zusätzlich durch Teilnehmer_Innen des feministischen Streiks ausgeführt. Dieser
sexistische Angriff reiht sich ein in andere, teilweise auch rassistische, Angriffe
gegen Aktivist_Innen unserer Organisation, insbesondere gegenüber Frauen und
nicht-weißen Genoss_Innen. So wurden beispielsweise bereits Genossinnen von
antideutschen Mackern angespuckt und eine kurdische Genossin aufgefordert, ihre
Koufiya abzunehmen und sich wie eine „Deutsche“ zu kleiden.

Der Vorwurf des Antisemitismus gegenüber unserer
Organisation ist auch kein Neuer und wird regelmäßig wieder ausgegraben, aber
selten näher begründet. Er ist allerdings mehr als lächerlich. Wir als
Revolution setzen uns regelmäßig in unseren Artikeln und Publikationen mit dem
Kampf gegen Antisemitismus auseinander 
und haben uns auf Demonstrationen immer als verlässliche Kraft gegen
Antisemitismus, Rassismus und Faschismus erwiesen. Der Vorwurf, unser Eintreten
für einen multiethnischen sozialistischen Staat im Nahen Osten und unserer
Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf sei antisemitisch,
empfinden wir somit als haltlos. Viel mehr denken wir, dass der Kampf der
Palästinenser_Innen gegen patriachale Unterdrückung und sexuelle Gewalt und der
Kampf israelischer Frauen gegen Sexismus ein gemeinsamer Teil im Kampf gegen
das Patriachat sein muss.

Die Bewegung des Frauenstreiks ist eine
internationalistische Bewegung. Für uns ist klar, dass keine Frau auf dieser
Welt befreit ist, solange eine andere weiterhin sexistisch unterdrückt wird. Das
Patriarchat macht nicht vor irgendwelchen Nationalstaatsgrenzen halt, kann also
nur international bekämpft werden. Wir verstehen uns als Teil des
internationalen Frauenstreiks, da er überall auf der Welt die Zusammenhänge
zwischen sexualisierter Gewalt, Ausbeutung und Unterdrückung im globalen Norden
und globalen Süden aufzeigt. Nicht so in Leipzig. Dort werden Frauen, die sich
dem Narrativ der deutschen Außenpolitik entgegenstellen, beleidigt, als
Antisemit_innen diffamiert und zum Schweigen gebracht. Wir betrachten diesen
sexistischen Angriff im Kontext weiterer Spaltungsversuche und rassistischer
Anfeindungen, wie im letzten Jahr durch den „offenen Brief aus Göttingen“
geschehen, mit dem Migrant_innen aus dem Berliner Streikbündnis ausgeschlossen
werden sollten. Auch die Rote Einheit Düsseldorf wurde auf dem diesjährigen
Streik beleidigt und angegriffen. Wir solidarisieren uns mit den Menschen und
Organisationen, die diesen Angriffen ausgesetzt sind und rufen dazu auf, die
internationalistische Grundausrichtung des Frauenstreiks hochzuhalten, sich
nicht den deutschen rassistischen Diskursen anzupassen und sich geschlossen
gegen diese Vorwürfe, verbalen und körperlichen Angriffe zu wehren.

Wir fordern eine Aufklärung dieser sexistischen Vorfälle,
wir erwarten eine Erklärung vom Bündnis dazu und sind auch bereit in einen
Diskussionsprozess zu gehen, aber werden es nicht dulden, dass wir diffamiert
werden.