GroKo Oh no! – Wie weiter mit den #NoGroKo-Anhänger_Innen?

von Wilhelm Schulz, REVOLUTION Berlin

Am vergangenen Sonntag, dem 4. März, war es dann endlich so weit. Die SPD konnte die Ergebnisse ihrer Urabstimmung verkünden. Insgesamt beteiligten sich mit 362.933 abgegebenen Stimmen knapp 80% der Parteimitgliedschaft – diese ist momentan bei 463.723 Mitgliedern. Unter diesen stimmten 66,02 % für und 33,98 % gegen eine Neuauflage der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD. Thomas Oppermann, seit 2013 Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Parteibürokrat erster Reihe, sagte im Interview mit „Die Welt“, er rechne mit „55 Prozent Plus X“ an Zustimmungen.

Auch wenn das Ergebnis nicht so knapp ausfiel, so zeigt es doch, was für einen Wind sie durch die alte verknöcherte Partei geblasen hat. Dafür hatte die Parteiführung auch in den letzten Wochen hart und mit allen Mitteln gekämpft. In den hierzu einberufenden 12 Regionalkonferenzen, nicht zu verwechseln mit der #NoGroKo-Tour der Jusos, wurde zu Beginn jeder Veranstaltung mindestens eine Stunde lang über die positiven Errungenschaften des ausgehandelten Koalitionsvertrags gesprochen, bevor auch nur ein einzelnes Basismitglied zu Wort kommen durfte. In der Parteizeitung „Vorwärts“ wurde nur ein Interview veröffentlicht, in dem ein GroKo-Gegner zu Wort kommen durfte, Kevin Kühnert (Juso-Vorsitzender) im Schlagabtausch mit Lars Klingbeil (SPD-Generalsekretär). Die Gewerkschaften verschickten über ihre Mailinglisten vermehrt Lobeshymnen an den Koalitionsvertrag, interessant, dass diese ansonsten zur Bundestagswahl mit Floskeln wie „Geh wählen“ um sich werfen, aber in Zeiten der Not treu Wahlkampf für die SPD-Führung machen. Im Brief an die Mitgliedschaft, ein Kommentar der SPD an die Urabstimmenden, wurde einseitig für das „Ja“ geworben.

Und schlussendlich kursierte ein Argument über der Urabstimmung. Sollte es zu einem „Nein“ kommen, so führe dies ‚unausweichlich‘ zu Neuwahlen und stärke unmittelbar die AfD. Schwachsinn. Was die AfD langfristig stärkt, ist ein ‚weiter so!‘. Eine Fortsetzung der Politik im Interesse des deutschen Imperialismus im Interesse neuer Rekordgewinne. Andre Poggenburg, AfD-Vorsitzender Sachsen-Anhalt, sagte in seiner ketzerischen Rede zum politischen Aschermittwoch, dass die Einführung eines Heimatministeriums zeige, dass die AfD wirkt. Im Bereich Geflüchtete und Asyl versucht die kommende GroKo der AfD das Wasser abzugraben, dafür hat die SPD die Frage der CSU-Obergrenze extra unangetastet gelassen. Im Kampf gegen den Rechtsruck hilft die GroKo überhaupt nicht, auch nicht wenn die CDU eine Zusammenarbeit auf Bundesebene für die kommende Legislatur ausschließt, auf Länderebene machen sie dies partiell. So gab es im Berliner Abgeordnetenhaus eine gemeinsame Initiative von CDU, FDP und AfD mit der Forderung nach einem Auftrittsverbot türkischer Politiker zum Verfassungsreferendum vergangenen Sommer. Oder gemeinsame Kampagnen gegen Linksextremismus in Sachsen-Anhalt. Nein, gegen den Aufstieg der AfD braucht es die Einheit im Kampf der Organisationen und Parteien, die sich auf die Arbeiter_Innenklasse stützen, eine Offensive, die antirassistische und soziale Forderungen miteinander verbindet und diese nicht gegeneinander ausspielt.

Zurück zur Urabstimmung. Am selben Tag der Verkündung der Abstimmungsergebnisse trat Kühnert öffentlich auf. In einem Interview mit Phoenix sagte er etwas, das er während der #NoGroKo-Tour noch als möglich verkaufte, nämlich, dass eine Erneuerung der SPD unter der GroKo nicht möglich sei. Einen Tag später ruderte Kühnert bereits zurück und schrieb „Kein SPD-Erneuerung ohne uns!“. Daneben ergänzte df, dass es die SPD und nicht die Jusos war, die für eine gemeinsame Regierung mit der CDU/CSU stimmten. Bei diesen Worten müssen die Anhänger_Innen der #NoGroKo-Kampagne den Juso-Chef jetzt packen. Denn die 123.329 Nein-Stimmen drohen schnell in Schall und Rauch aufzugehen, also zu demoralisieren, inaktiven Mitgliedern zu werden, dass sich eine relevanter Teil ohne Anstoß nach links bewegt scheint unrealistisch. Was es braucht, ist einen offenen Kampf um die Führung der Partei auf dem kommenden Parteitag im April unter der Kampflosung „Volle Rücknahme der Agenda2010-Reformen“, eine oppositionelle Fraktion in der SPD.Denn der Fehler, der #NoGroKo-Kampagne darf sich nicht noch einmal wiederholen. Zwar war die Kampagne recht öffentlichkeitswirksam, doch es mangelte vor allem an einer klaren Perspektive.#NoGroKo? Ja! Aber wofür? Bleibt die oftmals ausgesprochene „Rückbesinnung auf die Sozialdemokratie“ eine leere Floskel, die nicht mit konkreten Forderungen gefüllt wird, wie eine klare Positionierung gegen Rassismus , Leiharbeit und Befristung oder für Wohnraum für Alle, dem Ausbau des sozialen Wohnungsbaus & Enteignung der leerstehenden Wohnungen, dann wird man Niemanden von der eigenen Position überzeugen können. Ebenfalls bedeutet ein offener Kampf auch, sollte die Fraktion ihn gewinnen, dass man die aktuelle Führungsriege aus der Partei werfen muss. Denn die Politik des Vorstands zeigt in allen Punkten, dass dieser nur im Interesse der Profite der deutschen Wirtschaft agiert, denn eine inhaltliche Neuausrichtung würde bedeuteten, dass man die eigenen Posten verliert. Außerdem müssen die Jusos ihre Unabhängigkeit von der SPD beschließen und mit dem Dasein einer Struktur innerhalb der SPD brechen, sie müssen sich hierfür unter anderem ein eigenes Programm geben. Wir schlagen hierzu eine offene Programmdebatte anhand ihres #NoGroKo-Papiers vor.

Solche Maßnahmen würden einen Ablösungsprozess von der SPD nach links einleiten. Uns als Revolutionär_Innen ist hierbei klar, dass dieser Prozess jedoch nur erfolgreich sein kann, wenn ein konsequenter Bruch mit dem reformistischen Programm der Partei stattfindet. Das bedeutet ein notwendiges Ende mit dem reinen Fokus auf den Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft, samt seines Staates. Alleinige Forderungen nach progressiver Besteuerung ändern nichts an den kapitalistischen Eigentumsverhältnisses. Was wir brauchen, ist ein revolutionäres Programm, das die brennenden Fragen des Alltags mit einem Programm zum Sturz des Kapitalismus verbindet. Denn eines ist klar. Auch das klassische sozialdemokratische Programm fand keinen parlamentarischen Weg zur Beseitigung dieses Gesellschaftssystems. Hierfür gilt es auf der Straße zu kämpfen und als solches müssen sich die Jusos jetzt verstehen, als Initiator_Innen einer Einheitsfront gegen die Angriffe der kommenden GroKo!




Nein zur GroKo, Nein zum erneuten Verrat!

von Alex Metzger

Seit bald 5 Monaten, hinter der Fassade und auch darüber hinaus, herrscht Uneinigkeit in der SPD. Nach 4 Jahren Großer Koalition und Mitverwaltung der undemokratischen, militaristischen EU, der Unterdrückung von Teilen Südeuropas durch eine rigorose Sparpolitik und der generellen Abwälzung der Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise auf den Rücken der Arbeiter_Innenklasse wollte sie nun einen Schlussstrich unter diese Politik ziehen. Mit einem inszenierten „Linksruck“ der Partei, angeführt von dem ehemaligen EU-Parlametsvorsitzendem Martin Schulz, sollten wieder einmal soziale Themen in den Vordergrund gerückt werden. Gleichzeitig wurde aber auch immer wieder auf die angeblichen „Erfolge“ der SPD verwiesen, die man gegen den Widerstand der CDU/CSU durchsetzen konnte. Das Paradebeispiel hierfür ist die Einführung des Mindestlohns, welcher aber nicht für alle gilt, wie z. B. Azubis oder Leiharbeiter_Innen.

Mit hohlen Floskeln, die die Sozialdemokratie seit eh und je in den Mund nimmt, wollte die SPD auf Stimmenfang gehen. Nach dem schlechtesten Wahlergebnis, das sie je einfuhr, nur ein wenig mehr als 20 Prozent, mussten weitere Floskeln her. Die konsequente Ablehnung einer Regierungsbeteiligung und die daraus resultierende Oppositionsführerschaft der SPD schien ausgemachte Sache zu sein. Allerdings kamen in diesen 5 Monaten von verschiedenen Seiten der Parteibürokratie und Spitze Kritik an diesem Kurs. Erst recht nach dem Scheitern der Verhandlungen zu einer Jamaika-Koalition zwischen CDU/CSU, der FDP und den Grünen wurde die SPD von allen Seiten dazu gedrängt, sich ihrer Verantwortung als „staatstragende Volkspartei“ doch bitte gerecht zu werden. Die Schlüsselfrage der SPD: Politik für die eigene soziale Basis zu betreiben oder im Interesse der herrschenden Klasse. Statt in einem politischen Kampf um tatsächliche soziale Forderungen, wie einer wirklichen Erhöhung des Mindestlohns, die Abschaffung der Zeitarbeit, oder der Absicherung der Renten für Geringverdiener_Innen, verbunden mit der Forderung nach einer klar antirassistischen Ausrichtung zusammen in einer Minderheitsregierung mit der Linkspartei, ruderte die SPD zurück. Somit wurde sie am Ende ihrer Rolle als die oben genannte „staatstragende Volkspartei“ einmal mehr gerecht und blieb sich am Ende in ihrer Tradition des Rückziehens vor der Auseinandersetzung mit der herrschenden Klasse treu, wie sie es schon seit inzwischen 100 Jahren mehr oder weniger erfolgreich macht. Der Vorstand sprach sich für die GroKo aus, der außerordentliche SPD Parteitag Ende Januar entschied sich für die Aufnahme der Sondierungsgespräche für eine Fortsetzung der Großen Koalition.

Der Koalitionsvertrag ist seit Donnerstag ausgehandelt und die Ministerposten werden verteilt. Dabei ist der SPD-Messias aus Würselen auf jeden Fall raus. Das Vertrauen der Mitgliedschaft der SPD, das Schulz 100 % der Stimmen in der Wahl zum Parteivorsitz im Januar 2017 beschert hat, scheint gebrochen. Sigmar Gabriel, der alte Parteivorsitzende, hat ihm in Form einer offenen und harschen Kritik an seiner Person und seinem Führungsstil die Falltür geöffnet, durch die er letztlich in die Versenkung gestürzt ist. Diese den Inhalten vorgeschobene Personaldebatte, mit der sich die Partei kopflos präsentiert könnte der Spitze letztlich aber die „Ja´s“ bei der GroKo Abstimmung sichern. Schließlich war es Schulz, der versprach nicht in die Regierung einzutreten, ohne ihn: kein Wortbruch. Vielleicht reicht das schon für ein Ja zum Koalitionsvertrag bei der Abstimmung der Mitglieder ab 15. bis Ende Februar. Dabei war es doch genau das Handeln von Schulz, das den wahren Charakter des Reformismus zu Schau stellte. Konkret: das dieser in der Stunde der Not, also wenn das Kapital nicht zu Zugeständnis fähig ist, sein wahres Gesicht zeigt. Als bürgerliche, da klassenversöhnlerische, Ideologie innerhalb der Arbeiter_Innenbewegung.

Umso deutlicher macht sich Unmut in den linken Teilen der SPD-Basis breit, die Abstimmung Ende Januar ging mit 56 % für und 44 % gegen die Verhandlungen zur Regierungsbildung (Sondierungsgespräche) aus. Besonders die Jugendorganisation der SPD, die Jusos, wollen einen politischen Kampf um Positionen, nicht um Posten führen. Zumindest wird ihr Vorsitzender Kevin Kühnert bei seiner #NoGroKo-Tour nicht Müde das zu betonen. Im Zuge dieses Kampfes traten knapp 25.000 Menschen in die SPD ein. Ähnlich wie bei dem vermeintlichen Linksruck, angeführt vom ehemaligen Parteichef Martin Schulz Anfang 2017. Zusammen sind das fast 10 % der SPD Mitgliedschaft. 10 %, die offen für einen linken Kurs in der SPD sind, ihn sogar herbeiführen wollen, das finden wir gut, diese Bewegung müssen wir mit unseren eigenen Forderungen und Perspektiven begleiten.

Entgegen der Meinung pseudolinksradikaler Gruppen, die in der SPD einen Haufen den Kapitalist_Innen nahestehenden Verräter_Innen am Proletariat sehen, denken wir, dass diese Dynamik von Revolutionär_Innen genutzt werden muss. Wenn eine Welle der Kritik von links, von der Basis einer bürgerlichen Arbeiterpartei, also einer Partei welche ihre Mitgliedschaft und Verankerung in der ausgebeuteten Klasse verortet, eine Welle der Kritik an der Führung dieser Partei losbricht, dann ist das immer auch eine Chance im Kampf für ein revolutionäres Programm. Nicht weil wir glauben mit neuen Mehrheiten selbst um die Führung zu kämpfen, sondern weil wir desillusionierte junge Sozialdemokrat_Innen in unser Boot holen wollen. Diesen Punkt gilt es unversöhnlich zu-zuspitzen. Hierum muss von den Jusos die Frage des Regierungsprogramms diskutiert werden, beispielsweise unter der vollen Rücknahme der Agenda2010-Reformen im Schulterschluss mit den Tarifauseinandersetzungen, wie sie im öffentlichen Dienst bevorstehen oder bei der IG Metall in Ostdeutschland noch fortgesetzt werden müssen.

Mit ihren Forderungen werden sie schnell an die Grenzen des in ihrer Partei und mit den parlamentarischen Mehrheiten machbaren kommen. Klar, denn in der bürgerlichen Demokratie dient der Staat den herrschenden Kapitalist_Innen. Die Abschaffung der Agenda Reformen zum Beispiel, die Verringerung des Renteneintrittsalters bei einer allgemeinen Rentenerhöhung, staatlicher Wohnungsbau, oder Forderungen um die Demokratisierung der Partei, oder sogar der imperialistischen EU im Schulterschluss mit dem europäischen Proletariat werden spätestens von ihrer eignen Führung blockiert. Diese als bürgerliche Marionetten zu entlarven, verbunden mit sozialen und politischen Forderungen, zum Beispiel nach der Integration Geflüchteter in Gewerkschaften, um den Antirassismus in breitere Teile der Klasse zu tragen, sollte das erklärte Ziel von Kommunist_Innen sein. Wir fordern alle Mitglieder der SPD auf in der Urabstimmung mit Nein zu stimmen. Gegen die GroKo kämpfende Mitglieder in der SPD müssen unter diesen Losungen die Auseinandersetzung in der SPD politisieren und hiermit um die Führung der Partei kämpfen.

Dafür sind die Debatten in der Partei und in ihrer Jugendorganisation nur ein Schritt unter vielen. Die linken Teile der Partei müssen sich dabei als der Keil begreifen, der den Kampf, der zum Bruch mit der Führung, im Fall der Niederlage zur Spaltung oder zu einer „neuen Ausrichtung der SPD“ im Wort, wie es die Jusos weichgespült gern formulieren, erst ermöglichen kann. Um Druck zu erzeugen und Massen für uns zu begeistern brauchen wir eine dynamische Bewegung, eine Einheitsfront vieler Arbeiter_Innenorganisationen welche die Kämpfe auf die Straße, an die Schulen, Unis und Fabriken trägt. Wir müssen die Frage, danach warum keine Verhandlungen mit der Linkspartei gestartet wurden mit der Perspektive, der antirassistischen Einheitsfront, beantworten.

Gleichzeitig müssen wir unsere Partner_Innen, wo es nötig ist für reformistische Positionen kritisieren. Bei allen guten Ansätzen, die die Jusos in ihrem Kampf gegen die GroKo verfolgen, werden auch von ihnen keine Forderung hin zu einer sozialistischen Umorientierung aufgestellt. Die Kritik, die aus der #NoGroKo-Kampagne laut wird, ist eine Kritik am Führungsstil und an der prinzipiellen Bereitschaft zusammen mit der CDU zu regieren. Die von Kühnert und Co. aufgezeigte Perspektive kann und darf nicht einfach nur die „Neuausrichtung der SPD“ sein. Neben dem guten Ansatz sagt diese Forderung nämlich nichts. Weder was geändert werden muss noch wo´s hingehen soll. Demokratisierung der Partei, eine konsequente Politik für die Ausgebeuteten, Beispiele wurden in diesem Text schon einige genannt, die Ablehnung des imperialistischen Weltsystems, ein konsequenter Internationalismus, der den Charakter des globalen Systems als System von ausbeutenden und ausgebeuteten Klassen begreift, eine Analyse und Kritik am gesellschaftlichen Rassismus, all das sollte von der Juso-Basis gefordert werden. Kurz: eine Kritik am Reformismus und keine bloße Kritik am Führungsstil, die in ihrer Ausrichtung auch vor dem Bruch mit der Partei nicht zurückschreckt, ist jetzt gefragt.

Dass in der Spitze der SPD unter Missachtung der Kämpfe in der Basis mit der CDU und CSU gefeilscht wird, zeugt von der Kompromissbereitschaft ihrer falschen Führer. Die in den Vordergrund rückenden Personalfragen bieten zusätzliche Möglichkeiten eine Debatte um Inhalte zu verschleiern. Letztlich wird sich zeigen, wie weit der linke Flügel bereit ist zu gehen, und wie weit die Bürokratie und der liberale Flügel dazu in der Lage sind die Wogen zu glätten, um zumindest für die nächste Regierungsperiode Ruhe zu haben.

Wir dürfen nicht tatenlos zusehen. Stellen wir uns an die linke Seite der linken Seite, um gemeinsam mit ihnen aus dem Nein zur GroKo ein Ja für eine revolutionäre und antikapitalistische Politik zu machen, die sich gar nicht erst von Gabriel, Nahles und Co. über ihren wahren Charakter hinweg täuschen lässt und Abseits vom Verhandlungstisch soziale Forderungen mit denen nach dem Umsturz des Kapitalismus unter sozialistischer Perspektive verbindet. Nur so können wir aus der Krise der Arbeiter_Innenbewegung, dem Fehlen einer entschlossenen und radikalen Führung, gemeinsam zu einer revolutionären Bewegung kommen die tatsächlich wieder mal, was reißen kann.




Bildungsproteste im Herbst – Für einen kämpferischen Bildungsstreik!

Wir veröffentlichen hier unsere Resolution, die wir auf der bundesweiten Bildungsstreikkonferenz vom 09.-11.09. in Berlin an der technischen Universität einbringen wollten und die unsere Perspektiven und Positionen für die kommenden Wochen und Monate wiederspiegelt. Sie setzt sich mit den vergangenen Protesten und unseren Vorschlägen für die kommenden Aktionen und Mobilisierungen auseinander. Wir bitten alle Jugendlichen, Aktivist_innen, Schüler_innen, Student_innen und Gruppen, die unsere Position in den grundlegendePunkten unterstützen mit uns in Kontakt zu treten beziehungsweise auf der Konferenz gemeinsam mit uns dafür einzutreten! Wenn du/ihr euch unter unsere Resolution als Unterstützer_innen setzen wollt, dann melde/t euch unter germany@onesolutionrevolution.de.

Die Bildungsproteste in den vergangenen Jahren waren eine der größten Jugendbewegungen in den letzten zwei Jahrzehnten in Deutschland. Auch in anderen Ländern, wie zum Beispiel Großbritannien, Spanien, Frankreich, Griechenland, Chile, den U.S.A. oder im arabischen Raum spielten Proteste von Schüler_Innen und Student_Innen eine wichtige Rolle in sozialen Mobilisierungen gegen Kürzungen, gegen die Krise, für demokratische Forderungen und manchmal sogar direkt gegen die bürgerlichen Regierungen. Hierzulande mobilisierten sie Hunderttausende zu Beginn der Krise. Für viele Jugendliche waren diese Bewegungen der Anfang ihrer Politisierung. Hier konnten sie sich kämpferisch – manchmal erfolgreich – für ihre eigenen Interessen einsetzen. Es gab nicht selten verschiedenste Arten der Repressionen gegen die Protestierenden, doch oft fanden die Betroffenen Wege sich zu verteidigen, ihr Bewusstsein wurde geschärft und die Solidarität gestärkt.

So konnte die Bildungsbewegung in Deutschland fast überall die Studiengebühren aufhalten bzw. zurückdrängen. Besonders im universitären Rahmen war es möglich, einige politische Errungenschaften zu erkämpfen. Wir können davon ausgehen, dass viele Kürzungen in der ersten Welle der Krise ausblieben, weil es 2008/2009 eine starke Bildungsbewegung gab, die bereitstand, um sich gegen diese zu wehren!

Trotzdem konnten wir ab 2010 einen Rückgang der Bewegung erleben. Niederlagen in den Mobilisierungen sowie die nicht stattfindende Umsetzung wichtiger Kernforderungen des „Bildungsstreiks“. Der Rückgang ist unserer Meinung nach aber nicht auf eine eventuelle Stärke des politischen Gegners zurückzuführen, sondern vielmehr auf die Fehler der eigenen Bewegung, die in den letzten Jahren gemacht wurden.

Die wichtigsten sind unserer Meinung nach:

  • Die fehlende Initiative großer politischer Organisationen, wie zum Beispiel dem SDS, solid, den Jusos oder von Organen wie Gewerkschaften oder einigen Asten, die Mobilisierungen nach der Bundestagswahl 2009 fortzuführen bzw. auszudehnen. Aufgrund der intransparenten Struktur und der schlechten Vernetzung der Bewegung musste diese ohne die Apparate der großen Organisationen zurückweichen, desorganisierte sich und verlor, speziell auf bundesweiter Ebene, ihre Anziehungskraft.
  • Das Fehlen einer politischen Perspektive für die Bewegung, die über eintägige Aktionen hinausging. Es gab weder eine bundesweite, allgemein akzeptierte Absprache über gemeinsame Forderungen, noch eine Vorstellung, wie diese erkämpft werden könnten. Die Bewegung war oft einen Schritt hinter den aktuellen Ereignissen hinterher, wie sich bei den europaweiten Universitätsbesetzungen 2009 zeigte. Ohne gemeinsame Absprachen, eine breite Basis an Aktivist_Innen und eine zielstrebig aufgebaute Verankerung an Schulen, Universitäten und Betrieben, blieben solch einzigartige Chancen erfolglos, vereinzelt und letztlich zum Scheitern verurteilt.
  • Die Dominanz des intransparenten und undemokratischen Konsensprinzips bei Entscheidungsfindungs-prozessen. Das fehlende Verständnis dafür, dass eine Bewegung möglichst breite Einheit in der Aktion, aber vollste Freiheit in der Diskussion haben sollte, führte zu ergebnislosen Konferenzen und wenig Aktionen. Die Positionen der verschiedenen Gruppen und Organisationen wurden verklärt und die gesamte Bewegung wurde in ihren Handlungen gebremst.

Die Schüler_innenkonferenz in Köln im Juli 2011 diskutierte bereits einige dieser Probleme sehr erfolgreich! Wir als REVOLUTION stehen hinter den Beschlüssen der Kölner Schulstreikkonferenz. Doch sind wir der Meinung, dass sie noch um einige Punkte ergänzt werden sollte.

Für den Aufbau einer neuen Bildungsstreikbewegung schlagen wir daher folgende Punkte vor:

1. Die gesamte Bewegung, insbesondere auf ihren Konferenzen, muss, so wie es in Köln von den Schüler_innen beschlossen wurde, auf der Grundlage von Mehrheitsentscheidungen aufgebaut sein. Wir möchten betonen, dass Minderheiten dabei das Recht eingeräumt wird, ihre politischen Positionen nach außen zu vertreten! Minderheiten sollten jedoch nicht dazu in der Lage sein, ganze Konferenzen ohne Beschlüsse stattfinden zu lassen. Unser Ziel muss es sein, gemeinsame Aktionen und freie Diskussionen für eine erfolgsorientierte Bewegung zu nutzen.

2. Die großen Jugendorganisationen wie Jusos/solid/SDS sowie Gewerkschaften und Gewerkschaftsjugendverbände müssen für Mobilisierungen wie am 15. und 17. November gewonnen werden.

3. Es muss dafür gekämpft werden, dass nicht nur Studenten_Innen und Schüler_Innen in der Bewegung vertreten sind, sondern, dass auch Azubis und Arbeiterinnen, Eltern und Lehrer_innen, mit in den Widerstand einbezogen werden.

4. Es darf nicht nur bei symbolischen Protesttagen bleiben. Unsere Anstrengungen müssen darauf gerichtet werden, die Bildungsbewegung durch Basisarbeit in Schulen/Unis/Betrieben aufzubauen und in einem breiten bundesweiten Bündnis zu organisieren. Aktionen, wie Vollbesetzungen, mehrtägige und unbefristete Streiks müssen eine diskutierte Option der Bewegung werden.

5. Die Proteste im November müssen als Startpunkt, nicht als Ende der Bewegung angesehen werden. Nach dem 17.11. muss es eine nachbereitende ‚Bildungsstreikkonferenz‘ geben, die bemüht ist neue Kräfte, die in den Protesten gewonnen wurden einzubinden. Besonders auf das Jahr 2012, in dem in etlichen Bundesländern Doppeljahrgänge zu erwarten sind und sich das Fehlen von Zivildienst, das Aussetzen der Wehrpflicht und ein mangelndes Angebot an Studien-/ Ausbildungsplätzen voll auswirken wird, müssen wir uns gut vorbereiten!

6. Reformen, wie Bologna oder Sparangriffe im Bildungsbereich haben internationale Ursachen und werden international koordiniert. Unsere Antwort muss internationaler Widerstand sein! Wir müssen uns mit Bewegungen in der EU und anderen Ländern solidarisieren. Darüber hinaus müssen wir uns aber mit diesen Bewegungen koordinieren, gemeinsame Absprachen treffen, letztlich eine tatsächlich internationale Jugendbewegung gegen Bildungs- und Sozialabbau werden.

7. Die Krise ist nicht vorbei! Momentan versuchen die Regierungen, die Kosten der letzten Banken- und Unternehmerrettungen auf uns abzuwälzen. In einer solchen Situation ist es für unsere Bewegung unerlässlich sich mit den Beschäftigten, Arbeitslosen – kurz anderen sozialen Bewegungen – auf Basis einer Anti-Krisen-Bewegung zu organisieren, die unsere sozialen Errungenschaften verteidigt, um sie auf Kosten der Banken und der Krisenprofiteure auszudehnen! Ein erneutes Zusammenbrechen der Märkte könnte auch in Deutschland weitaus schärfere Folgen und demzufolge weitere schärfere Angriffe auch im Bildungsbereich nach sich ziehen, auf die wir uns vorbereiten müssen!

8. In unserer Bewegung sind transparente und demokratische Strukturen
unerlässlich. Wir sprechen uns daher für einen Koordinierungskreis aus, der zwischen den Konferenzen tagt und in dem alle Gruppen, Jugendgewerkschaften, lokale und regionale Bündnisse jederzeit das Recht haben Delegierte zu entsenden. Die Aufgabe eines solchen Gremiums muss es sein, neue Konferenzen vorzubereiten, repräsentative Resolutionen der Bewegung zu beschließen und die bundesweiten Mobilisierungen zu koordinieren. Darüber hinaus sprechen wir uns für einen auf dieser Konferenz gewählten Pressesprecherrat aus, der der Bewegung rechenschaftspflichtig ist und die grundlegenden Positionen der Bewegung nach außen hin verteidigen muss!

Weitergehend schlagen wir folgenden Forderungskatalog als Orientierung für die kommende Bewegung vor:

  • Abschaffung aller Studien-/ Lern-/ Ausbildungsgebühren!
  • Studien- und Ausbildungsplätze für alle! Mindestlohn für Auszubildende, Grundsicherung für Schüler_Innen und Student_Innen ab 16 Jahren!
  • Weg mit dem mehrgliedrigen Schulsystem!
  • Weg mit dem G8-Abitur!
  • Weg mit den BA/MA Studiengängen!
  • Zurücknahme aller Kürzungen und Arbeitszeitverlängerungen im Bildungsbereich!
  • Sofortige Neueinstellung von 100.000 Lehrer_Innen bundesweit!
  • Sofortige Investition von 40 Milliarden € im Bildungsbereich z.B. für Sanierungen der Schulgebäude und der Einrichtung von Erholungsräumen!
  • Wir zahlen nicht für die Krise!
  • Für unsere materiellen Forderungen sollen die Reichen, Banken und Großkonzerne bezahlen, nicht die einfache Bevölkerung!
  • Prinzipielles Verbot des Betretens von Militär und Polizei oder Sicherheitsdiensten in Bildungseinrichtungen!
  • Sicherheit, Transparenz und Organisierung unserer Bewegung durch wähl- und abwählbare Schüler- und Studentenstrukturen!
  • Für volles Aktions- und Streikrecht aller Schüler_Innen, Student_Innen, Azubis und Lehrer_Innen!
  • Die Lehr- und Bildungsinhalte sollen nicht durch staatliche Bürokrat_Innen oder die private Wirtschaft bestimmt werden, sondern durch die Lernenden, Lehrenden und die Organisationen, wie Gewerkschaften, die tatsächlich wissen, welches Wissen man braucht, um in einer Gesellschaft zu leben und zu arbeiten.
  • Regionale, bundesweite und internationale Koordinierung unseres Kampfes auf Grundlage von rechenschaftspflichtigen und ständig wähl- und abwählbaren Gremien und Vertreter_Innen!