Gaddafi ist am Ende – wie kann die Revolution permanent werden?

Der Artikel, der sich mit dem Sturz Gaddafis und den kommenden Aufgaben für die Revolution in Libyen beschäftigt wurde von der Arbeitermachthomepage unter http://www.arbeitermacht.de/ übernommen und ist auch in der Zeitung „Neue Internationale“ 162, im September 2011 zu lesen.

Die Revolution in Libyen macht rasche Fortschritte. Große Teile der Hauptstadt Tripolis werden von den Rebellen, die rasch ins Stadtzentrum vorstoßen, gehalten. In mehreren Stadtteilen kam es zu Aufständen gegen Gaddafi und die ihm verbliebenen Truppen.

Während wir diese Stellungnahme verfassen, wehrt sich Gaddafi mit seinen letzten Getreuen verbittert, auch wenn es Gerüchte gibt, dass er das Land schon verlassen hätte. In jedem Fall erleben wir die letzten Stunden seiner blutigen Despotie.

Sieg der ersten Phase der Revolution!

Der rasche Vorstoß der Rebellen wurde anscheinend durch das Überlaufen des Stadtkommandanten von Tripolis erleichtert, der insgeheim mit den Rebellen abgesprochen haben soll, ihnen den Zugang zur Stadt zu öffnen und seine Streitkräfte zurückzuziehen.

Berichten zufolge waren es die Arbeiterviertel in der Hauptstadt Tripolis, die angesichts

der heranrückenden Rebellen die Gunst der Stunde nutzen, und sich gegen die Schergen des Regimes, gegen Geheimpolizei und Spezialkommandos Gaddafis erhoben.

Der Jubel auf den Straßen legt nahe, dass die Bevölkerung von Tripolis den Sieg der Rebellen als Akt der Befreiung betrachtet, dass die Revolution gegen Gaddafi entgegen der Behauptungen seiner Apologeten, auch in der Hauptstadt überaus populär war. Gaddafis Lobredner wie der Venezuelanische Staatspräsident Chavez und diverse stalinistische Parteien, die ihn zum „anti-imperialistischen“ Helden stilisieren wollten, haben sich gründlich blamiert.

Gaddafi war niemals ein „Anti-Imperialist“, noch war er ein sozialer Wohltäter. Der Zusammenbruch seines Regimes zeigt, dass die große Masse der Bevölkerung seinen Sturz herbeisehnte und dass sein Regime selbst in der Hauptstadt keine Basis hatte.

Die Form seines Sturzes – die Übernahme der Stadt durch eine schlecht ausgerüstete, aber hoch motivierte Rebellenarmee und durch Aufstände in den Stadtteilen – zeigt, dass wir es in Libyen trotz der reaktionären, pro-imperialistischen Führung um den „Nationalen Rettungsrat“ und trotz NATO-Bombardements nicht einfach mit Fußtruppen des Imperialismus, sondern mit einer wirklichen „Volksrevolution“ zu tun haben, einer Revolution also, die ähnlich der von Marx so charakterisierten „Volksrevolution“ von 1848 alle Schichten der libyschen Nation umfasst. Doch dieser Sieg stellt gleichzeitig die Frage nach dem weiteren Verlauf und Schicksal der Revolution.

Wie weiter?

Libysche Rebellen,Autor: VOA – Phil Ittner; Lizenz: Public Domain; Quelle: Wikimedia Commons

Die aktuelle Frage lautet daher: Wie sieht ein Libyen nach Gaddafi aus? Wie können die

NATO-Imperialisten und der von ihnen gestützte „Nationale Übergangsrat“ in Benghazi daran gehindert werden, sich die Früchte der Revolution anzueignen?

Die imperialistischen Mächte – allen voran die NATO-Mächte USA, Britannien, Frankreich – wollen eine pro-westliche Regierung in Libyen installieren, die sich auf ehemalige Offiziere, Polizeikräfte, Militärs und Geheimpolizei stützt, die allesamt einmal Unterstützer des alten Regimes waren.

Die Verteidigung der libyschen Unabhängigkeit vom Imperialismus ist daher eine zentrale Aufgabe des nächsten Stadiums der Revolution.

Revolutionäre KommunistInnen sollten sich über die Bedeutung dieser Ereignisse klar sein. Die libysche Revolution und ihr Sieg im Bürgerkrieg werden die Revolution im Nahen Osten und Nordafrika wiederbeleben – nach einem Sommer der Rückschläge, der Paralyse und eines Vormarsches der Konterrevolution, sei es in blutiger Form wie in Syrien, sei es durch eine „demokratische“ Hinhaltetaktik wie in Ägypten. Sie wird die Rebellen in Syrien ermutigen, ihren heroischen Kampf zum Sturz der Assad-Diktatur fortzusetzen. Sie könnte auch die Rebellionen in den Golf-Staaten wiederbeleben, die palästinensische Intifada stärken und die Bewegungen in Ägypten und Tunesien ermutigen, gegen die neuen, vom Militär gestützten Regime vorzugehen.

In einer bestimmten Hinsicht ist die libysche Bewegung weiter fortgeschritten als die Revolutionen in Ägypten oder Tunesien. Die libyschen Streikkräfte sind weitgehend zersetzt. Tausende Libyer wurden bewaffnet, im Kampf geschult und haben milizartige Verbände gebildet. Es handelt sich dabei nicht um Berufssoldaten, sondern um Ingenieure, Doktoren, Arbeitslose. Die Volksrevolution wurde zu einem Bürgerkrieg aufgrund der blutigen Unterdrückung durch das Gaddafi-Regime. Jetzt muss der Despot den Preis dafür bezahlen.

Andererseits stellen die Intervention und Präsenz der NATO-Mächte sowie ihr Prestige unter den Massen eine Bedrohung dar. Die Massen müssen vermeiden, unter der Aufsicht des Übergangsrates zu einer Unterstützung imperialistischer Öl-Interessen missbraucht zu werden.

Das politische Bewusst der Massen ist widersprüchlich. Unterschiedliche Strömungen, politische Ideologien und Ideen manifestieren sich, welche dominieren und letztlich siegreich hervorgehen werden, ist eine Frage des politischen Kampfes.

Der unmittelbare Kampf muss sich darauf konzentrieren, vor den Gefahren zu warnen und über die Gefahren auszuklären, die von den imperialistischen Mächten ausgehen, die ihren Preis für die militärische Unterstützung der Revolution erhalten wollen.

In dieser Situation müssen revolutionäre KommunistInnen folgende Forderungen erheben:

  • Keine Unterstützung für den Nationalen Übergangsrat! Macht die Revolution permanent mit dem Ziel, die bürgerliche Regierung durch eine Arbeiterregierung zu ersetzen! Keine Entwaffnung der Milizen! Lokale Komitees der Aufständischen müssen zu Räten der ArbeiterInnen, der Jugend und KämpferInnen werden!
  •  Migrantische ArbeiterInnen, wie jene aus den Ländern südlich der Sahara, müssen verteidigt werden! Harte Strafen für alle, die sich an ihnen vergehen oder alle, die Racheakte unter den Clans entfachen wollen!
  • Für den Aufbau unabhängiger Gewerkschaften! Kampf für eine unabhängige und revolutionäre Verfassungsgebende Versammlung. Aufhebung aller Verträge und Abkommen des Nationalen Übergangsrates und des Gaddafi-Regimes mit der NATO, der EU und den Imperialisten! Angesichts der Tatsache, dass Libyen ein Staat ist, der sich weitgehend aus der Grundrente aus seinen Ölvorkommen finanziert, ist es entscheidend, dass über seine Einkünfte demokratisch entschieden wird – durch Arbeiterräte. Keine Übergabe des Ölreichtums an die imperialistischen Konzerne – seien sie US-amerikanischer, europäischer oder chinesischer Herkunft!
  • Auflösung der Überreste der nationalen Armee und Polizei! Für Volksmilizen, die demokratisch geleitet und organisiert werden durch Revolutionsräte! Einberufung einer Konstituierenden Versammlung, die demokratisch über die Zukunft des Landes bestimmt – unter Kontrolle dieser Räte!
  • Alle NATO-Spezialkräfte raus aus Libyen! Nein zu allen NATO-Basen im Land! Ausländische Banken und Regierungen müssen die eingefrorenen Gelder an das libysche Volk übergeben! Keine Privatisierungen! Arbeiterkontrolle über die Öl-Förderungen und über alle Industrien, den Finanzsektor und große Dienstleistungsbereiche! Konfiskation des Vermögens von Gaddafi! Für eine massives Bauprogramm von öffentlichen Wohnungen, Schulen und Krankenhäusern!
  • Verbindet Euch mit der tunesischen und ägyptischen Revolution – mobilisiert die Massen zur Unterstützung der Kämpfe in Algerien, Syrien und Palästina gegen Diktatur und Besatzung!
  • Aufbau einer revolutionären Partei in Libyen als Teil einer neuen Arbeiterinternationale!



Who is Who?

Karl MarxKarl Marx (1818 –1883) und Friedrich Engels (1820 – 1895)

Diese beiden Theoretiker und Politiker waren mitentscheidend für die Entwicklung des Sozialismus und der internationalen ArbeiterInnenbewegung. In den berühmt-berüchtigten Marx-Engels Werken legen sie eine umfassende und wegweisende Analyse der bürgerlichen Gesellschaft, des Kapitalismus, vor. Eines ihrer Bekanntesten Werke ist das 1848 erschienene Kommunistische Manifest (Manifest der Kommunistischen Partei), welches bis heute durch seine Aktualität und Gültigkeit besticht. Als Akteure waren Marx und Engels im Bund der Kommunisten aktiv und an der Gründung der 1.Internationale 1864 beteiligt.Friedrich Engels

In ihrer Analyse sind sie die Wegbereiter des historischen Materialismus, der Analyse der Menschheitsgesellschaft als Klassengesellschaft. In ihrem politischen Wirken haben Marx und Engels für die politische Organisierung des Proletariats gekämpft, für die Gründung von Arbeiterparteien. Die größten politischen Widersacher zu ihrer Zeit waren die Anarchisten um Bakunin, die die politische Organisierung des Proletariats bis heute ablehnen.

Ihr Lebenswerk hat als Marxismus die internationale ArbeiterInnenbewegung geprägt, als Theorie und Analyse des Kampfes gegen den Kapitalismus, für den gemeinsamen internationalen Kampf des Proletariats. Der Internationalismus ist ohne Marx und Engels nicht vorstellbar, zusammen gefasst in dem berühmten Zitat des kommunistischen Manifest: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“

Wladimir Iljitsch Uljanow – genannt Lenin (1870 – 1924)Lenin

Wladimir Lenin war neben Marx & Engels, eine der bekanntesten Personen der internationalen kommunistischen Bewegung. Als einer der bestimmenden Politiker während der Oktoberrevolution (1917) ist sein Name untrennbar mit der Gründung der Sowjetunion verbunden. Lenin war aktiv im Aufbau der SDAPR (Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands) beteiligt, genau wie am Aufbau der Bolschewiki („Mehrheitler“) in der russischen ArbeiterInnenbewegung. Zu seinen theoretischen Hauptwerken gehört “Was tun” aus dem Jahre 1902, indem Lenin die sozialistische Partei als “Organisation der Berufsrevolutionäre” bestimmt – eine Partei die darauf ausgerichtet ist, den politischen und sozialen Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoise zu führen und zu gewinnen.

Nach dem Kriegseintritt der Parteien der 2. Internationale 1914 war Lenin entscheidend für den Kampf um das revolutionäre, antiimperialistische Programm (mit dem Werk „Staat und Revolution“ 1917) der ArbeiterInnenbewegung – die Gründung kommunistischer Parteien und der kommunistischen Internationale ist untrennbar verbunden mit den Bolschewiki und dem Wirken Lenins.

Rosa Luxemburg (1871 – 1919) und Karl Liebknecht (1871 – 1919)Luxemburg

Luxemburg und Liebknecht waren die entschiedensten Vorkämpfer für den revolutionären Sozialismus in Deutschland und in der 2.Internationale. Beide kämpften gegen die Politik der deutschen SPD und der meisten Parteien der 2.Internationale, die den 1. Weltkrieg unterstützten. Innerhalb der SPD gehörten beide auch vor dem 1.Weltkrieg dem linken Flügel an, Rosa Luxemburg war dabei die Vorkämpferin gegen den beginnenden Reformismus von Fraktion und Parteispitze. Ihr Werk „Soziale Reform oder Revolution“ (1899) war damals die Streitschrift gegen den rechten Flügel um Eduard Bernstein.Liebknecht

Nach dem 1.Weltkrieg gründeten Luxemburg und Liebknecht den „Spartakusbund“, den Vorläufer der am 1. Januar gegründeten KPD. Am 15. Januar wurden beide Revolutionäre von faschistischen Freikorps getötet. Zuvor hatten die SPD und die deutsche Bourgeoisie offen zu ihrem Mord aufgerufen.

Lew Dawidowitsch Bronstein – genannt Leo Trotzki (1879 – 1940)

Zusammen mit Lenin gehörte Trotzki zu den schillernden und prägenden Personen der Oktoberrevolution in Russland. Obwohl er lange Zeit nicht bei den Bolschewiki aktiv war, sondern linken Gruppen der Menschewiki nahe stand (Minderheit der SDAPR), schloss er sich 1917 wieder den Bolschewiki an, da diese als einzige Partei den sofortigen Sturz des Kapitalismus forderten. Wie in der Revolution von 1905 war Trotzki auch 1917 wiederTrotzki Vorsitzender des Petrograder Sowjet (Arbeiterrat) und bestimmte zusammen mit Lenin die Taktik der Bolschewiki in dieser Zeit. Trotzki übernahm entscheidende Positionen in der sowjetischen Räteregierung. Zuerst war er Kommissar für äußere Angelegenheiten und führte die Friedensverhandlungen mit Deutschland in Brest Litovsk, später war er der Organisator und Befehlshaber der Roten Armee im russischen Bürgerkrieg.

In der Sowjetunion kämpfte er ab Mitte der 20er-Jahre mit der „Linken Opposition“ gegen die sich entwickelnde Bürokratie, später im Exil (ab 1929) gegen die stalinistische Degeneration der kommunistischen Parteien. Wichtige Werke wie „Die verratene Revolution“ (1936) und „Die permanente Revolution“ (1929) zeigten die Degeneration der UdSSR auf und verteidigten und entwickelten die revolutionäre Theorie des Marxismus-Leninismus nach der Oktoberrevolution. Trotzki begründete 1938 die 4. Internationale, für welche das „Übergangsprogramm“ und das „Manifest der 4.Internationale“ die Grundlagen bildeten.