Was geht eigentlich ab?

REVOLUTION, November 2022

Auf unserer jährlichen Sektionskonferenz haben wir als gesamte deutsche Sektion von REVOLUTION uns die Köpfe darüber heiß diskutiert, wie wir eigentlich die Lage der Welt aktuell einschätzen. Dabei spielten Fragen wie die Folgenden eine Rolle: Wird es einen neuen Weltkrieg geben? Was wird aus der Inflation? Schlittern wir in die nächste Wirtschaftskrise? Gibt es ein internationales Roll-Back gegen Trans-Menschen? Wird die EU die kommende Krise überleben? Wie ist die Lage des Kapitals in Deutschland? Was wird aus der sogenannten „Zeitenwende“ (Olaf Scholz 2022)? Wird sich die Linkspartei auflösen? Was waren die Probleme der Klimabewegung?

Antworten auf das alles und noch viel mehr gibt’s im folgenden Text!

Weltlage

1. Die Welt, in der wir Leben beugt sich der kapitalistischen Ordnung, welche seit Jahren durch Krisen geprägt ist. In jedem Fall stehen wir aber an einem Wendepunkt der Entwicklung des globalen Kapitalismus, also inmitten einer Phase des globalen Klassenkampfes, die entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung nehmen wird – und zwar auf verschiedenen Ebenen:

2. Das weltweite Wirtschaftswachstum wird 2022 nach Schätzungen des IWF wahrscheinlich nur 3,6% betragen. Die Prognose musste wegen der Inflation, den Lockdowns in China und dem Ukrainekrieg gegenüber Januar 2022 um 0,8 % gesenkt werden. Besonders betroffen von dieser Entwicklung ist die EU. Für 2023 rechnet der IWF nur noch mit einem Wachstum von 3 %, allerdings auch nur unter der Voraussetzung, dass sich der Ukrainekrieg nicht ausweitet, es in China weniger Lockdowns gibt und auch sonst keine neuen Konflikte und Krisen ausbrechen. Für ein Drittel aller Länder (vor alle europäischen Länder, allen voran Deutschland) sagt der IWF sogar eine Rezession (also ein Schrumpfen der Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Jahresvierteln) voraus. Wir stehen also anscheinend vor einer Stagflation (einer Kombination aus stagnierendem Wirtschaftswachstum und Inflation). Wenn weitere Krisen (politisch, gesundheitlich, wirtschaftlich usw.) ausbrechen oder sich die bestehenden verstärken, kann die Weltwirtschaft schnell in eine ausgewachsene Rezession rutschen.

3. Eine gemeinsame Antwort der führenden imperialistischen Mächte auf die globale ökonomische Krise kann, anders als nach der großen Finanzmarktkrise 2008 und der darauffolgenden Rezession, faktisch ausgeschlossen werden.

4. Das verschärft nicht nur die zyklische ökonomische Krise in einzelnen Staaten, sondern auch die innerimperialistischen Gegensätze, die Tendenzen zur „Deglobalisierung“, zur Fragmentierung des Weltmarktes, zur Blockbildung sowie zur Abwälzung der Krisenkosten auf die halb-koloniale Welt. Der Krieg um die Ukraine und die wechselseitigen, beide Seiten massiv treffenden Sanktionen wirken krisenverschärfend, sowie die Krise die gegenseitige Konkurrenz und die Kriegsgefahr erhöht. 

5. All dies befeuert die katastrophenhafte Zuspitzung weiterer grundlegender Probleme der Menschheit, vor allem die ökologischen Katastrophen (nicht nur Klima, sondern auch andere wie Artensterben) und die Probleme der kapitalistische Landwirtschaft in Bezug auf ökologische und soziale Grenzen. Die Pandemie, die Millionen Tote gefordert hat, sowie die Hungerkrise und die drohende Vertreibung von einer Milliarde Klimaflüchtlingen im kommenden Jahrzehnt sind Ausdruck dieser Entwicklung. Die Kombination aus der ökonomischen Krise und dem innerimperialistischen Kampfes um die Neuaufteilung der Welt wird die Krise des Verhältnisse zwischen der Menschheit und dem Planeten weiter massiv verschärfen.

6. Die Krise geht notwendigerweise mit Angriffen auf die Arbeiter:innenklasse, die Bauernschaft, die Jugend, die unteren und ärmeren Teil des Kleinbürgertum und der Mittelschichten einher. Heute stehen Preissteigerungen und Inflation im Zentrum der Angriffe auf die Einkommen und Lebensbedingungen der Massen. Mit der Entwicklung der Krise könnte dies jedoch in Deflation umschlagen, die mit Massenentlassungen, Betriebsschließungen, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung einhergehen, wie diese heute schon für bedeutende Teile der Halbkolonien gilt.  

7. Auch wenn die Weltwirtschaftskrise 2008-2010 etliche vor allem Halbkoloniale Länder, wie Griechenland, in den Ruin trieben, konnte die imperialistische Bourgeoisie durch eine Politik des billigen Geldes dem entgegenwirken. Dies führte zu einer Begrenzung des eigentlich notwendigen Vernichtens überschüssigen Kapitals in den imperialistischen Zentren und konnte das Finanzkapital schützen. Mit der Corona Pandemie verschärfte sich die schon vorher aufkommende neue Krise, denn durch die Pandemie kam es zu einen massiven Produktionseinbruch, welches die Länder mit voller Wucht traf. Jedoch sind beide Krisen nicht gleich zu setzen. So haben sich die Gewichte der Weltwirtschaft weiter verschoben, welches auch zu einer Verschiebung innerhalb der globalen Konkurrenz führte und den damit einhergehenden Kampf um die Neuaufteilung der Welt.

8. Dies sind leider auch keine guten Umstände für die Arbeiter_Innenklasse, denn auch hier befinden wir uns vor einer anderen Lage als nach der Weltwirtschaftskrise 2008-10. Nach der damaligen Krise befand sich die Bourgeoisie in einer ideologischen Defensive. Die arabischen Revolutionen und die vor-revolutionäre Zuspitzung in Griechenland verdeutlichten das Potential einer Wende im Klassenkampf und stellten über mehrere Jahre eine Inspiration der Arbeiter_Innenklasse und der Massen weltweit dar. Deren Ansturm erfolgte trotz einer schon damals tiefen Krise und verdeutlicht, das spontan revolutionäre Potential der Arbeiter_Innenklasse – aber auch dessen Grenzen. Die Niederlagen dieser Bewegungen offenbarten nicht nur die Tiefe der Führungskrise des Proletariats, sie hatten, zusammen mit anderen wichtigen Niederlagen) auch nachhaltige globale Auswirkungen auf die Moral, Kampfbereitschaft und das Bewusstsein der Arbeiter_Innenklasse. Dies hat heute noch eine große Auswirkung auf die Kämpfe der Arbeiter_Innen, und dessen Auswüchsen. Wir können immer mehr erkennen, dass viele einer politischen Alternative zwischen populistischen Rechten und „demokratischer“ Mitte hinterher laufen. Auch wenn wir in dem letzten Jahre mehrere kämpferische und spontane Bewegungen erkennen konnten (Frauenstreiks, BLM), waren auch diese stark geprägt durch kleinbürgerliche und neo-reformistische Ideen Identitätspolitik, Individualismus, Linkspopulismus, Transformationsstrategie).

9. Das Blatt kann sich jedoch schnell wenden. Mächtige Streikbewegungen in England und auch in Frankreich zeigen, wie schnell sich die Arbeiter_Innenklasse aufraffen und als Macht auftreten kann (ohne dadurch natürlich schon die Führungskrise zu lösen). In Russland gab es bereits Proteste gegen den Krieg und die Zwangsrekrutierungen. Im Falle Russlands besteht dabei die Aufgabe die „liberale“ bürgerliche Opposition als kaum bessere Alternative zu Putin zu entlarven. In der Halbkolonialen Welt machen die Proteste im Iran momentan die meisten Hoffnungen. Eine Revolution hätte Auswirkungen auf die kurdische Frage, auf die national unterdrückten Belutschen, welche im Iran und in Pakistan leben, aber auch auf die Lage der Frauen in Afghanistan, um nur die direktesten Einflüsse auf die Nachbarländer zu nennen. Sicher ist, dass uns auch in der Zukunft noch weitere spontane Massenmobilisierungen und Kämpfe erwarten werden, auf welche wir nicht nur reagieren müssen, sondern durch Interventionen versuchen müssen diese mit anzuleiten und in eine revolutionäre Richtung zu bewegen.

Weltwirtschaftslage

10. Die Globalisierungsperiode, die Anfang der 1990er Jahre begann, hat den Kapitalismus zweifellos auf einer qualitativ neuen Ebene internationalisiert. Die Produktion, die Dienstleistungen, der Handel, die Finanzströme, die Kommunikation und  die Wissenschaft haben alle ein neues Niveau der internationalen Organisation erreicht, das auf den Fortschritten der Produktivkräfte und einer Internationalisierung der  WeltArbeiter_Innenklasse beruht und eine expansive Bewegung der globalen Kapitalakkumulation ermöglicht. Diese neue Periode der Kapitalakkumulation setzte eine Wiederherstellung der Profitraten in den imperialistischen Zentren als Ergebnis wesentlicher Niederlagen der jeweiligen Arbeiter_Innenklassen voraus. Diese ermöglichten die Deregulierung der Arbeitsbedingungen, Offshoring, Investitionen in privatisierte Sektoren, eine Ausweitung des Welthandels, den Aufbau internationaler Produktionsketten usw. Unterstützt wurde dies durch eine massive Expansion neuer Formen des Finanzkapitals, das neu gegründete globale Unternehmen dominiert und eine verstärkte Kontrolle über Industrien und Nationalstaaten ausübt. Während diese Finanzkonzerne als internationale Agenturen agieren, ist die Quelle des von ihnen investierten Kapitals immer noch überwiegend die imperialistische Bourgeoisie Nordamerikas, die reichen europäischen Länder und in geringerem Maße die neue Bourgeoisie in China und Russland.

11. Nach der schwachen Erholung nach der „Corona“-Rezession, den überraschend niedrigen Wachstumsraten in China, der tiefen Krise mehrerer „Schwellenländer“ und den wirtschaftlichen Schockwellen nach dem Ukraine-Krieg kommt die Mehrheit der Wirtschaftskommentatoren zu dem Schluss, dass die Weltwirtschaft erneut auf eine globale Rezession zusteuert

12. Dies ist nicht nur auf zufällige oder kontingente globale Ereignisse zurückzuführen (Corona, Ukraine-Krieg). Diese Ereignisse trafen die Weltwirtschaft zu einem Zeitpunkt, an dem die eigentlichen Tendenzen zur Wirtschaftskrise bereits akut waren und die Endphase der Globalisierung ankündigten. Der globale Kapitalismus war nicht in der Lage, die Pandemie auf der notwendigen globalen Ebene zu bewältigen, was ihre wirtschaftlichen und sozialen Folgen hinauszögerte. Dadurch das der Kapitalismus scheiterte internationale Institutionen zu schaffen,  führte dies zu einem Widerspruch zwischen den realen staatlichen handlungsmöglichkeiten un den „demokratischen“ Versprechen des bürgerlichen parlamentarismus. Dies trug auch in den imerpialistischen Staaaten dazu bei, dass es zu einer Krise der Demokratie kam.

13. Die zunehmende Konkurrenz zwischen den imperialistischen Blöcken führte zu politischen und bewaffneten Konfrontationen  zwischen ihnen – und damit zu einer weiteren Vertiefung der wirtschaftlichen Krise der Globalisierung. Diese kontingenten Ereignisse dienten also als Katalysatoren, die die Krisentendenzen noch schneller und tiefer wirken lassen, so dass die kommende Rezession die Frage aufwerfen wird, wie eine kapitalistische Weltwirtschaft nach dem Ende der aktuellen Periode neu gestaltet werden kann. In den immer mehr miteinander konkurrierenden imperialistischen Staaten zählt Europa aktuell zu den schwächeren Teilen der Herrschenden.

14. Vor allem nach der Weltwirtschaftskrise 2008-10 konnte noch damals das deutsche Kapital  die EU als Instrument für den Aufbau eines Systems von Produktionsketten in Ost und Südeuropa nutzen, während das britische Kapital zusammen mit dem US amerikanischen Finanzsektor vor allem daran interessiert war, sich finanzielle  Investitionsmöglichkeiten in Europa zu sichern. Frankreich und Deutschland förderten die „Lissabon-Agenda“, die Perspektive der EU als wichtiger Konkurrent im imperialistischen  System. Dies erforderte jedoch ein stärkeres Bündnis mit dem russischen Imperialismus, um sowohl dessen große Energie- und Rohstoffmonopole als auch die großen, mit Russland verbundenen Märkte in Zentralasien zu nutzen. Russland, das aufgrund einer schleppenden Weltwirtschaft unter niedrigen Energiepreisen litt, wandte sich einer noch autoritäreren und aggressiveren Politik zu, um das Regime zu stabilisieren. In der Zwischenzeit verließen sich die osteuropäischen Länder mehr und mehr auf rechtspopulistische Regime als Sicherheitsventil gegen soziale Unruhen. Die meisten von ihnen lehnten auch die“schwache Position“ von Berlin und Paris gegenüber Russland ab und orientierten sich stark an den USA und deren NATO-Präsenz in Europa. Schließlich war der Brexit ein weiterer Schlag gegen den Aufbau eines starken „europäischen Wettbewerbers“ auf denWeltmärkten. Angesichts dieser politischen Rahmenbedingungen ist es nicht verwunderlich, dass Europa in den 2010er Jahren bei den Wachstumsraten, der Kapitalproduktivität, den Anteilen ihrer Großunternehmen und der Fähigkeit, mit Krisensituationen umzugehen, hinter China und den USA zurückfiel.

15. China, welches noch Anfang des 20. Jahrhunderts zu den „aufsteigenden“ Ländern gehörte, hat im 21. Jahrhundert die Konkurrenz um die Welthegemonie der USA strittig gemacht. Aber auch in China gelten die Gesetze der kapitalistischen Akkumulation. Als dynamischster Faktor der Weltwirtschaft in den 2010er Jahren mit einem immer höheren Ausmaß an kapitalistischer Rationalisierung ist es daher nicht verwunderlich, dass China  die kapitalistische Volkswirtschaft war, die den charakteristischsten Rückgang der Profitraten aufwies, insbesondere nach 2015, verbunden mit einer Verlängerung des Wachstums der absoluten Profitmassen – und damit einer Fortsetzung der hohen Wachstumsraten für einige Zeit. Dies führte zwangsläufig zu einer Überakkumulation, was sich in wachsenden Schwierigkeiten im Verhältnis von Neuinvestitionen zum bestehenden Kapitalstock zeigt. Die Schwierigkeiten bei der Finanzierung von weiterem Wachstum und Investitionen in einem politischen Wirtschaftssystem, das von hohen Wachstumsraten ausgeht, führten zwangsläufig zu Problemen im fragilen Finanzsystem, die sich in  mehreren Blasen-Krisen äußerten. Staatliche Eingriffe konnten das System zwar bisher stabilisieren, führten aber zu höheren Spannungen zwischen Bourgeoisie und Staatsapparat, die nur durch eine zunehmend autoritäre Form des Bonapartismus an der Spitze des Staates beruhigt werden können. Je mehr die kapitalistische Krise an die Oberfläche kommt, desto aggressiver muss dieser Bonapartismus auf die inneren und äußeren Spannungen reagieren. Vor allem die strikten Corona-Maßnahmen im Land mit Lockdowns in mehr als 45 Städten in den vergangenen Monaten führte zu einer weiteren Schwächung der Wirtschaft.

16. Diese Analyse zeigt, dass wir weit davon entfernt sind, uns in einer neuen Periode der steigenden Kapitalakkumulation zu befinden. Die nächsten Jahre werden weiterhin von der Krise des gegenwärtigen Akkumulationsregimes geprägt sein. Anders als zu Beginn der Globalisierung gibt es keine entscheidenden neuen Niederlagen der Arbeiter_Innenklasse, die zu noch höheren Ausbeutungsraten führen könnten. Die Profitraten aller imperialistischen Volkswirtschaften haben sich auf einem niedrigen Niveau angeglichen. China ist selbst eher zu einem Krisenfaktor als zu einem Motor der globalen Akkumulationsdynamik geworden. Alle Krisenfaktoren: Energie und Ökologie, Pandemie, Verschuldung, Inflationsgefahr, Zusammenbruch von Zombie Unternehmen, die aussichtslose Krise fast aller halbkolonialen Regionen, insbesondere der Absturz der Schwellenländer, die wachsende Kriegs- und Aufrüstungsgefahr – all das macht einen reibungslosen Übergang zu einer neuen Investitionswelle in klimaneutrale und intelligente Technologien (Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Industrie 4.0 etc.) höchst unwahrscheinlich. Die Phänomene der „Deglobalisierung“, wie der Rückgang der Direktinvestitionen, das geringere Gewicht globaler Wertschöpfungsketten, die Schwächung des Welthandels, zum Beispiel durch neue Zölle, sind ein Zeichen der Krise, kein Merkmal einer neuen Periode. Auch wenn die „Globalisierung“ nicht mehr dynamisch voranschreitet, wird es dem Kapitalismus sehr schwer fallen, sich von seinem neuen Internationalisierungsgrad zurückzuziehen. In der gegenwärtigen Krisenzeit bedeutet dies, dass auch die Krise eine viel internationalere und globalere Dynamik annimmt.

Kampf um die Neuaufteilung der Welt

17. Die russische Invasion in der Ukraine hat ein neues Kapitel in den internationalen Beziehungen aufgeschlagen, das erhebliche Auswirkungen auf die globale Wirtschaftsordnung hat. Der Ukrainekrieg hat sicherlich Bewegung in die Blockbildung (also der außenpolitischen Ausrichtung der Staaten) gebracht. Die hirntot geglaubt NATO ist plötzlich wieder erwacht, die USA und die EU fanden wieder zueinander und die Beziehungen zwischen der EU und Russland scheinen ein für alle mal zerbrochen. Die Integration von Schweden und Finnland in die Nato verdeutlicht dies zusätzlich und verschärft die Konfrontation mit Russland, welches nun tausende weitere Kilometer eine direkte Grenze mit einem NATO-Staat teilt.

18. Durch die Sanktionen wird die EU unabhängig von Russland, besonders von Öl und Gas. Doch der westliche Block wurde durch den Krieg nicht nur gestärkt. Außer der EU, USA, Kanada, Australien, Japan und Neuseeland hat sich kein Land den Sanktionen gegen Russland angeschlossen. Diese Länder wollen die Tür hinter sich nicht zuschlagen. Indien (traditionell ein Handelspartner Russlands, z.B. als Waffenimporteur) kauft massenweise billiges russisches Öl. Durch ihre gemeinsamen Neutralität zum Ukrainekrieg haben Indien und China ihr Beziehungen verbessert und versuchen gerade ihre Grenzstreitigkeiten zu lösen.
Aber das beispiellose Sanktionsregime der G7 haben wegen der Unterbrechung der Getreide-, Gas- und Ölversorgung Folgen weit über Europa hinaus. Russland und die Ukraine produzieren 19 % der weltweiten Gerste, 14 % 459 des Weizens und 4 % des Mais. Sie sind die Hauptlieferanten von Raps für den Rest der Welt und liefern 52 % des weltweiten Sonnenblumenöls. Die Blockade bedroht die  Ernährungssicherheit von etwa 50 Ländern in Afrika und Asien. Die Lebensmittelpreise sind 2020 um 28 % und 2021 um 23 % gestiegen; in diesem Jahr sind sie allein zwischen Februar und März um 17 % in die Höhe geschnellt. Hungersnöte und Hungergskrisen sind damit vorprogrammiert. Westliche Beschränkungen für russische Gas- und Ölexporte tragen ebenfalls zum Inflationsdruck bei und bringt heute schon, vor allem in Großbritannien die Arbeiter_Innen auf die Straße. Massive Preissteigerungen führen zu Hunger und Not und treiben die Inflation in Ländern  an, die weit vom Schauplatz des Konflikts entfernt sind.

19. Es wird deutlich welche Rolle Europa in diesem Konflikt einnimmt und welche Interessen damit verteidiget werden sollen. Deutschland, als ein Land welches gute wirtschafltliche Beziehungen zu Russland pflegte, liegt aktuell gänzlich auf der Linie der USA, Russland weiter zu stärken. Die USA schlugen auch deshalb einen Konfrontationskurs mit Russland ein, um so nicht nur den russischen Imperialismus, sondern vor allem auch eine Allianz Deutschlands (und Frankreichs) mit Russland zu verhindern. . Mit dem Krieg um die Ukraine haben die USA dieses Ziel erreicht und jede  absehbare Hoffnung von Teilen der europäischen Bourgeoisie auf eine Allianz mit Russland  für die nächste Zukunft zunichte gemacht. Unter der Vorherrschaft der USA rüsten die EU Staaten massiv auf und sind zu einer gewissen militärischen und politischen Konzentration gezwungen, die zur Zeit von den USA wesentlich mitbestimmt wird, später aber auch eigenständige europäische, von den USA unabhängige und mit ihnen rivalisierende Institutionen werden könnten

20. Vor allem aber treibt der Krieg zugleich Russland in die Armee des viel stärkeren chinesischen Imperialismus. Da Russland und China heute den Kern der riesigen eurasischen Landmasse beherrschen, stellen sie gemeinsam eine langfristige Bedrohung für die Welthegemonie der USA dar. Wenn sie die „Freundschaft“, die Wladimir Putin und Xi Jinping bei den Olympischen Winterspielen am Vorabend der russischen Invasion in der Ukraine in herzlichen Umarmungen zum Ausdruck brachten, in ein wirtschaftliches und  militärisches Bündnis umwandeln können, dann wird sich eine neue Vorkriegszeit eröffnen, die in mancher Hinsicht derjenigen der 1870er, 1910er und 1930er Jahre ähnelt.

21. Die Weltordnung findet ihren größten Widerspruch jedoch im Gegensatz zwischen USA und China. Er ist es, der der Weltlage maßgeblich bestimmt, auch wenn mit dem Ukrainekrieg der Fokus momentan auf der EU und Russland liegt. Diese Imperialismen spielen jedoch wirtschaftlich und militärisch nur die zweite Geige. Die USA ist mit knapp $20 Billionen BIP die größte Wirtschaftsmacht, China folgt mit $12 Billionen dahinter. Bei dem momentan stattfindenden Wettrüsten stehen USA und China an der Spitze und versuchen sich mit neuen Technologien und der Produktion der alten Techniken auszustechen. Auch der Kampf um Einfluss wie z.B. in Pakistan, Indien, Sri Lanka oder den Philippinen wird zwischen den imperialistischen Hauptmächten ausgefochten. Hier werden besonders asiatische Staaten erwähnt, weil sich viele davon noch nicht endgültig entschieden haben auf welcher der beiden Seiten sie stehen wollen. Zudem ist zwischen Süd- und Ostasien ein Großteil der Weltbevölkerung konzentriert. Dort stehen sich auch USA und China direkt gegenüber; Nur getrennt durch den Pazifischen Ozean.

22. Wir können Putins Gräueltaten in der Ukraine und Xi‘ Jinpings Vorgehen gegen die Uiguren in Xinxiang, seine Unterdrückung in Hongkong oder seine Drohung, in Taiwan einzumarschieren, die nicht im Geringsten gerechtfertigt sind, nicht übersehen oder relativieren. Wir müssen mit ihren Opfern sympathisieren und uns mit ihnen solidarisieren, nicht mit ihren Unterdrückern, aber ohne dem Westen einen demokratischen Heiligenschein zu verpassen, der nur zu Sozialimperialismus führen kann. Revolutionäre werden all diese Handlungen als typisch für imperialistische Mächte erkennen, auch wenn sie rivalisieren

EU und innere Krise

23. Nachdem sich die führenden EU-Mächte zu Beginn des Jahrtausends aufgemacht hatten, die  größte und führende Volkswirtschaft der Welt zu werden, erlebten das EU-Projekt, die kapitalistische Einigung, der EURO und andere Institutionen eine Reihe von Krisen und Rückschlägen – sei es die Ablehnung der Europäischen Verfassung, sei es die permanente Schuldenkrise, die Flüchtlingskrise und als vorläufiger Höhepunkt der Brexit Großbritanniens.

24. Der Krieg um die Ukraine bedeutet für die nahe Zukunft, dass die EU-Staaten (und auch Großbritannien) politisch von den USA geführt werden, dass die USA den geostrategischen Takt unter den westlichen imperialistischen Mächten vorgeben. Eine wirtschaftliche oder gar politische Annäherung an Russland, wie sie von Deutschland und Frankreich seit langem angestrebt wird, ist faktisch unmöglich geworden, solange es keinen Regimewechsel in Russland gibt. Die USA konnten auch eine Umverteilung der Kosten der NATO und ihrer Osterweiterung durchsetzen. Der Brexit und der Krieg um die Ukraine haben die Bewegungen und Kräfte für einen schnellen Austritt in der EU teilweise zur Besinnung gebracht. Keine bedeutende Kapitalfraktion in den führenden imperialistischen Staaten der EU (Deutschland, Frankreich, Italien) will einen. Deshalb treten wichtige EU-skeptische rechtsextreme, rassistische Parteien (RN in Frankreich, Fratelli d’Italia) nicht mehr für einen Austritt aus der EU ein, sondern wollen „nur“ die Spielregeln in Brüssel zugunsten ihrer Nation ändern. Dieser Sinneswandel hat sicher auch damit zu tun, dass die EU-Staaten bei der Bewältigung ihrer Schuldenkrisen immer abhängiger von der EZB geworden sind. Hinzu kommt, dass Deutschland in den letzten Jahren seine Blockade gegen eine gemeinsame Verschuldung und eine wichtige Rolle der EZB faktisch aufgegeben hat. Das hat nicht nur mit dem Druck der Ereignisse während der Pandemie und der Rezession zu tun, sondern auch damit, dass ein Flügel des deutschen Kapitals (vor allem die Grünen, die SPD, aber auch Teile der Union) glaubt, dass die Überwindung der inneren Widersprüche der EU möglich ist, wenn die EU und ihre Institutionen eine treibende Rolle bei der Umstrukturierung und Bildung eines europäischen Kapitals spielen, das wiederum natürlich vom deutschen Kapital dominiert werden soll. Die zunehmende wirtschaftliche und finanzielle Abhängigkeit bedeutet nicht, dass die internen Probleme der EU überwunden sind. Um im Wettbewerb mit den USA und China bestehen zu können, ist ein „positives“ europäisches Projekt erforderlich. Der Green Deal stellt einen solchen Versuch dar. Der Ukraine-Krieg ermöglicht es, die gemeinsame Rüstungs-, Militär- und Außenpolitik stärker ideologisch als Kampf für die Demokratie zu rechtfertigen. Die derzeit weit verbreitete Einigkeit unter den Gegnern sollte jedoch nicht vergessen lassen, dass die EU nach wie vor von historischen Antagonismen imperialistischer Mächte durchdrungen ist, die allein keine den USA oder China gleichwertige Rolle ausfüllen können, die aber andererseits bereit sein müssen, untereinander einen neuen Modus vivendi zu finden, eine Partnerschaft unter deutscher, manchmal französischer Führung, und Europa in ihrem Interesse zu organisieren. Darüber hinaus können sie dies nicht in einem Vakuum tun. Derselbe Wettbewerb, dieselben Krisen, die sie zur Einigung drängen (was eigentlich dem Entwicklungstrend der Produktkräfte entsprechen würde), bringen auch jene Kräfte hervor, die einer Überwindung der nationalen Fragmentierung des Kontinents im Wege stehen. Hinzu kommt, dass die USA und China selbst Akteure im europäischen Spiel sind. Wie in den letzten Jahrzehnten wird die Frage des Verhältnisses zwischen Deutschland, Frankreich und – in geringerem Maße – Italien letztlich entscheidend für die Zukunft der EU sein

Halbkoloniale Welt

25. Die gegenwärtige wirtschaftliche und ökologische Krise trifft die halbkoloniale Welt natürlich besonders dramatisch. Gleichzeitig bedeuten die Entwicklung einzelner großer halbkolonialer Volkswirtschaften in den letzten Jahren, die Schwächung der US-Hegemonie und der zunehmende Kampf um die Neuaufteilung der Welt auch, dass wichtige Regionalmächte versuchen, in diesem Kampf ihre eigene Position innerhalb der imperialistischen Weltordnung zu verbessern. Dies gilt für eine Reihe von Staaten, wie Indonesien, Indien, Pakistan, die Türkei, Saudi-Arabien, Iran, Südafrika, Brasilien, um nur einige zu nennen. Es wäre impressionistisch, diese Länder als imperialistisch zu bezeichnen, auch wenn einige von ihnen ihre eigenen Finanzkapitale entwickelt haben (insbesondere Indien) und zu wichtigen regionalen Mächten geworden sind oder dies anstreben.

26. Generell kann man sagen, dass einige dieser Staaten, allen voran Indien, in den letzten Jahrzehnten einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt haben. Andere sind eher im Niedergang begriffen, vor allem Südafrika, aber auch Länder wie Brasilien und die meisten anderen lateinamerikanischen Staaten. Länder wie Pakistan, die Türkei und der Iran (in gewissem Maße auch die Golfstaaten) sind dagegen durch eine extreme Form der ungleichen Entwicklung gekennzeichnet. Pakistan und Iran beispielsweise befinden sich in einer fast ständigen Wirtschaftskrise. Andererseits verschaffen ihnen die Schwächung der US-Hegemonie und der Aufstieg Chinas einen gewissen Spielraum – nicht zuletzt, weil sie ihren Einfluss auch in Ländern wie Afghanistan oder dem Irak ausbauen konnten.

27. In der nächsten Periode werden sie alle mit massiven internen wirtschaftlichen und sozialen Krisen konfrontiert sein, allerdings unter sehr unterschiedlichen Voraussetzungen. Während sich das Modi-Regime und in geringerem Maße auch das von Erdogan auf eine breite Basis in der herrschenden Klasse stützen können und die traditionellen bürgerlichen Kräfte (Kongress und Kemalismus) erfolgreich ersetzt haben, befinden sich die bürgerlichen Parteien und Institutionen in Ländern wie Pakistan selbst in einem massiven inneren Konflikt. Generell können wir aber davon ausgehen, dass die Arbeiter:innenklasse, die in der Globalisierungsperiode in Asien massiv gewachsen ist, vor einer Art Bewährungsprobe steht, die auch die Möglichkeiten des Aufbruchs und der Entstehung neuer Organisationen und politischer Parteien der Klasse eröffnet.

28. Im Nahen Osten und in Nordafrika, und noch mehr in Afrika, ist die Situation eindeutig anders. Hier ist die Konterrevolution nach den Niederlagen des Arabischen Frühlings eindeutig gestärkt. Die Krise der US-Hegemonie und die Konfrontation mit Russland und China bedeutet, dass Länder wie Saudi-Arabien und Israel im Inneren weitgehend freie Hand haben. Das gilt im Grunde auch für Erdogan gegenüber dem kurdischen Volk und der Enklave Rojava. Die Mobilisierungen wie kürzlich im Irak oder auch revolutionäre Bewegungen wie im Sudan sind durch eine extreme Führungskrise gekennzeichnet. In Lateinamerika erleben wir auch die Auswirkungen der Pandemie und jetzt der Inflation. Politisch ist der Kontinent jedoch nach wie vor von bedeutenden Klassenkämpfen geprägt, einer Konfrontation zwischen reformistischen und links-populistischen Kräften auf der einen Seite und neoliberalen, autoritären bis bonapartistischen Kräften auf der andern.

Reaktionäre auf dem Vormarsch – Frauen- und LGBTIA-Unterdrückung

29. Die Lage von Fraune und LGBTIA Menschen verschlächtert sich in der aktuellen Phase immer mehr. Weltweit verdienen Frauen im Durchschnitt 23% weniger als Männer und dabei leisten sie jeden Tag 12,5 Milliarden Stunden unbezahlte Arbeit (Reproduktionsarbeit, Hausarbeit usw.). Es bleibt jedoch nicht nur bei der ungleichen oder keinen Bezahlung, weltweit haben weniger als die hälfte der Frauen einen Job.

30. In Zuge der Verschärfung der Krisen werden Rechte die durch die Arbeiter_Innen erkämpft wurden, Schritt für Schritt zurück genommen und es findet weltweit, bis auf einige Länder ein Rollback von veralteten Frauenrollen und LGBTIA-Feindlichkeit und dem konservativen Familienbild statt. Die USA hat dabei in den meisten Staaten das Abtreibungsrecht komplett gelöscht oder immer weiter verschärft. Aber auch hier in Europa nehmen Reaktionäre Frauen- und LGBTIA Feindliche Politik fahrt auf. Polen und Ungarn sind dabei die Länder, in welchen in den Letzen Jahren und Monaten das Abtreibungsrecht verschärft wurde und auch die Rechte von LGBTIA Menschen eingeschränkt wurden oder ihre Existenz gänzlich abgelehnt wurde. Das spielt immer mehr den Rechten in die Hände mit ihren konservativen Familinivorstellungen. Es häufen sich immer mehr Angriffe und gezielte Morde an Frauen- und LGBTIA, sowie in Bratislava.

Die Rechte von LGBTIA und insbesondere trans Personen stehen international vor noch massiveren Angriffen. Besonders in den USA und in Großbritannien spitzt die Lage sich zunehmend zu. In den ersten drei Monaten von 2022 wurden in den USA nicht weniger als 240 Gesetzesentwürfe eingereicht, die LGBTIA-Rechte einschränken. Etwa die Hälfte davon bezieht sich ausschließlich und spezifisch auf Menschen, die transgender sind, allen voran Jugendliche und Kinder, eine fast verschwindend kleine und massiv vulnerable Minderheit. Ein Gesetze schränkt z.B. die Aufklärung über LGBTIA-Themen im Unterricht und Unterstützung von LGBTIA-Jugendlichen durch Schulpersonal sowie das bloße thematisieren von z.B. zwei Vätern ein, weil queere Menschen essentiell sexualisiert werden. Ein weiteres verlangt, dass ein Arzt das Geschlecht von trans Jugendlichen feststellt, bevor diese (meist geschlechtlich falsch eingeordnet) am Schulsport teilnehmen dürfen. In Texas konnte es kurzzeitig als Kindeswohlgefährdung ausgelegt werden, wenn Eltern ihre trans Kinder unterstützen, was Familien dazu bewogen hat umzuziehen. Das wurde allerdings nach Protesten von trans Personen und Unterstützer_Innen zurückgenommen. Ähnliches sehen wir in Großbritannien, wo seit dem Gerichtsprozess der detransitionierten Keira Bell medizinische Notwendigkeiten für trans Personen massiv erschwert wurden und der öffentliche Diskurs über transgender Menschen zutiefst reaktionär ist. In Ungarn sind Personenstandsänderungen unmöglich gemacht worden. Die Proteste, die sich gegen diese zugespitzten Angriffe richten, verbleiben meist eher klein, lokal, von LGBTIA Personen vor Ort getragen und überwiegend defensiv. Hintergrund der steigenden Angriffe auf trans-Personen ist der aktuelle gesellschaftliche Rechtsruck, der in Krisenzeiten eine Stärkung traditioneller Familien- und Geschlechterordnungen propagiert. Dieser Rechtsruck findet auch im Feminismus durch eine Stärkung liberaler Feminist_innen (wie Annalena Baerbock) oder TERFs (Trans Exclusionary Radical Feminists) seinen Ausdruck. In Großbritannien und den USA erleben wir auch zunehmend, dass sich diese „Feminist_Innen“ im Angesicht der „bedrohlichen Gefahr durch die Gender-Ideologie“ auf Querfronten mit zutiefst konservativen und rechtsradikalen Kräften einlassen. In Deutschland sehen wir diese Dynamik bisher nicht in der Form, es ist aber nicht auszuschließen, dass die Angriffe hier eine ähnliche Entwicklung vollziehen werden. Bereits aktuell finden sich Argumente von TERFS nicht nur in rechten Kreisen sondern auch vereinzelt und zunehmend in linken Organisationen und Bewegungen. Die Debatten um trans Frauen im Profisport und das von der Ampel vorgeschlagene Selbstbestimmungsgesetz (das das erniedrigende Transsexuellengesetz ersetzen soll) werden mit dehumanisierenden und transphoben Argumenten geführt, mit der Vorgabe, „echte Frauen zu schützen“. Es gilt also weiterhin und umso mehr, LGBTIA und v.a. trans Menschen vor Angriffen auf ihre Rechte zu schützen und den Argumenten von scheinfeministischen Transfeind_Innen entschlossen entgegenzutreten.

31. Das Austreten der Türkei aus den Frauenrechtskonvention war ein weiterer Einschnitt in die Frauenrechte und macht die internationale Stimmung um die Frage noch einmal deutlich. Durch die Pandemie verschärfte sich außerdem die (häusliche-) Gewalt gegenüber Frauen und LGBTIA Menschen und verschlimmerte damit ihre Lage immer mehr. Durch die Lockdowns waren viele Menschen gezwungen mehr als zuvor sich in den Häusern/Wohnungen mit ihren Partner_Innen aufzuhalten, der Schutz vor häuslicher und sexualisierter Gewalt war kaum noch vorhanden. Durch die Schließung von Schulen/Kindertagesstätten etc. stieg auch da die Doppelbelastung auf weibliche Personen, die dies kompensieren mussten. Dies führte auch zu einer weiteren Verstärkung der Rollenverteilung.

32. Außerdem sind weltweit 70% des Personals in sozialen und Pflegeberufen Frauen. Gerade diese Einrichtungen waren darauf fokussiert die Folgen der Pandemie zu bekämpfen, ohne eine faire Bezahlung geschweigeden angemessenen Arbeitsbedingungen. Erste Betroffene in der Entlastungswelle während der Pandemie waren vor allem Frauen und LGBTIA Personen, welche unteranderem im Niedriglohnsektor und in präkern/schlecht und informell Bezahtlten Jobs ihren Unterhalt verdienen. Alleine in Europa verloren in den ersten Monaten der Pandemie 70% der in informellen Sektor arbeitenden Frauen ihr Einkommen. Diese ökonomischen Folgen, machen Frauen und LGBTIA Personen immer mehr von ihrem männlichen Vormund/Ehemann/Vater etc. abhängig und drängt sie wieder zurück in die familiären und patriarchalen Strukturen.

33. Es gibt jedoch auch einige positive Beispiele die aufzeigen, was fortschrittliche Politik verändern kann, so wurde in Spanien nicht nur das Abtreibungsrecht ausgebaut, sondern es gibt immer mehr Rechte die Sexuelle Vergehen bestragen und es auch als solche anerkennen. Und noch immer spielen Frauen in internationalen Protesten eine große Rolle, sei es in der aktuellen Revolte im Iran oder in der Umweltbewegung, wo Frauen führende Rollen übernehmen.

Die derzeitigen Proteste im Iran werden international mit (formellen) Solidaritätsbekundungen beantwortet. Statt einer bedingungslosen Aufnahme aller Geflüchteten und internationalem Zusammenschluss der Frauenbewegung in Solidarität wird nun u.a. in Deutschland über Sanktionen gegen das Regime nachgedacht. Diese müssen verhindert werden, da sie in erster Linie die Protestierenden selber treffen werden. Die Bewegungen zeigen sich jedoch stark, sie werden von Frauen angeführt und richten sich gegen die massiv frauenfeindliche Gesetzgebung und das Regime. Zunehmend werden die Aufstände auch durch breite Streiks begleitet und immer mehr werden die Proteste explizit klassenkämpferisch. Sollten die Bewegungen nicht an der fehlenden Führung, ihrem Pluralismus oder den massiven Repressionen und der Gewalt von Regierung und Militär zerbrechen, könnte ihr Erfolg nicht nur positive Auswirkungen auf die Region, sondern auch auf die internationale Frauenbewegung haben. Ein Sturz des extrem frauenfeindlichen Regimes im Iran könnte zum Vorbild und Anstoß für internationale Kämpfe gegen die aktuellen reaktionären Angriffe werden.

Die Lage der Jugend in halbkolonialen Ländern

34. Mit der Verschärfung der Krisen, dessen Auswirkungen auf die Halbkolonialen Welt, verschläft sich auch die Lage der Jugend drastischer und an viele Stellen auch mehr als für den Großteil der Arbeiter_Innenklasse. Aufgrund dessen das sie weniger im Arbeitsmarkt vertreten sind, oder nur die prekären Jobs ausüben, werden sie in Krisen Situationen als erstes entlassen und haben oft nicht mal die Möglichkeit dazu, sich Gewerkschaftlich zu organisieren. Dabei wächst aber der Druck auf sie seitens der Familien immer mehr, denn Jugendlichen wird oft aufgezwungen für die Familien mit aufzukommen. Die Arbeitslosenquote steigt innerhalb der Halbolonialen Welt auch bei Jugendlichen weiter an, so haben zum Beispiel Länder wie Südafrika eine Jugendarbeitslosenquote von 61,4%, welches damit im Listenende steht. Die meisten Jugendarbeitslosenquoten der Halbkolonialen Welt liegen zwischen 30 und 15%, was bedeutet, dass jeder 3. bis 5. Jugendliche arbeitslos ist. Und diese Zahlen werden weiter ansteigen, je mehr sich die Krisen verschärfen.

35. In Europa sieht die Lage dabei nicht besser aus, Griechenland, welches schon durch die Weltwirtschaftskrise 2008-10 zu dem großen Verlieren gehörte, verzeichnet die höchste Jugendarbeitslosigkeit (28,6%) in Europa. Die Jugend kommt in eine Phase, in welcher die Zukunft in der sie lebt so ungewiss ist wie noch nie zu vor, die Zeiten einer „Besseren Welt, die auf uns warten“ sind Real für viele vorbei und nur noch ein trauriges Gespenst aus alten Filmen. Das führt vermehrt dazu, dass Jugendliche nicht nur an der Spitze von aufkommenden Protesten stehen, da sie es sind mit dem Interesse an eine bessere Zukunft und mehr Perspektiven, sondern auch der Teil der Arbeiter_Innenklasse darstellen, der immer weniger Hoffnungen in die staatlichen Strukturen hat, in denen sie leben. Dies bedeutet einerseits, dass Jugendliche eine treibende Kraft in Massenprotesten sein können, andererseits aber auch, dass viele aufgrund der Perspektivlosigkeit und dessen das sie zwar an Spitzen von Bewegungen stehen aber kein eigenes Sprachrohr besitzen, die Perspektive in den Ländern, in denen sie leben nicht mehr sehen. Die Frage der Flucht und Migration stellt sich vor allem hier den Jugendlichen, denn oft haben sie dann noch Hoffnung in einem imperialistischen Land von all der Unterdrückung und Ausbeutung zu entkommen. Für die Jugend ist nicht nur die Frage der Führungslosigkeit ein großes Problem, sondern auch die der Organisierung. Dies kann in spontan aufkommenden Massen dazu führen, dass sie eher mundtot gemacht werden. Es fehlt an Organisation außerhalb von meist zeitlich begrenzten Bewegungen, Verbindung von Kämpfen und einer übergreifenden Organisation zur Interessenvertretung von Schüler_Innen.

Die Ampelkoalition als Organisatorin der „Zeitenwende“ für das deutsche Kapital

36. Kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine verkündete der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz eine „Zeitenwende“. Was er damit gemeint hat, wird von Woche zu Woche deutlicher: Es bilden sich neue globale Blöcke und die Kosten der Krise werden auf die Arbeiter_innenklasse abgewälzt. Die Krise ist dabei 3-facher Art: Eine globale Klimakrise bedroht die Fortexistenz des Menschen auf diesem Planeten. Mit über 4500 Hitzetoten in Deutschland zählt die vergangene Hitzewelle zu den tödlichsten Sommern überhaupt. Überschwemmungen, Artensterben, Dürren und Waldbrände machen den Klimawandel lassen den Klimawandel als ein Problem erscheinen, welches längst nicht mehr nur die halbkoloniale Welt betrifft. Auch wenn die Coronakrise als weniger gefährlich dargestellt und in neoliberaler Manier auf die individuelle „Eigenverantwortung“ gepocht wird, hat das Virus in der vergangenen Periode 153 000 Menschen in Deutschland das Leben gekostet. Die dritte Krise ist eine Wirtschaftskrise samt hohen Inflationsraten, welche durch historisch niedrige Kapitalverwertung, die Tendenz zur De-Globalisierung und die Verschuldungskrise ausgelöst wurde und durch den Zusammenbruch globaler Lieferketten infolge der Coronakrise und des Ukraine-Krieges verschärft wird.

37. Wir erwarten eine wirtschaftliche Rezession als Folge der Inflation. Aktuell sagt das Institut für Wirtschaftsforschung noch relativ optimistisch eine Schrumpfung des deutschen BIPs um 0,7 Prozent voraus. Auch das deutsche Kapital selbst blickt laut dem ifo-Geschäftsklimaindex vom Oktober 2022 pessimistisch in die eigene Zukunft. Der Zusammenbruch globaler Lieferketten, das Sinken des globalen Konsumniveaus sowie der Stopp des Zufluss von billigen Rohstoffen aus Russland haben das deutsche Exportkapital schwer getroffen.

38. Während das deutsche Kapital in der vergangenen Konferenzperiode noch damit geliebäugelt hat, durch eine Stärkung der EU und seiner eigenen Führungsrolle darin sowie den Ausbau der Beziehungen zu Russland (siehe Nordstream 2) und China eine eigene globale Konkurrenzrolle in der Liga der imperialistischen Staaten einzunehmen, wurde es durch die Taktik der USA Russland international zu isolieren quasi in die Rolle des Juniorpartners der USA gezwungen.

39. Im Spektrum der bürgerlichen Parteien verkörperten insbesondere die Grünen, aber auch die FDP und die Mehrheit der CDU diese transatlantische Linie. Konflikte gibt es dabei mit den Kapitalfraktionen, die dadurch ihre Profite bedroht sehen, verkörpert durch die Minderheit in der CDU, die AfD und die schwankende Position der SPD. Die Ampel-Koalition erfüllt für das Kapital dabei den allgemeinen Zweck seine Interessen nach innen (durch Einbindung der Arbeiter_innenklasse und Gewerkschaften in Form eines SPD-geführten Innen- und Arbeitsministeriums) und nach außen (durch ein grün-transatalantisch geführtes Außenministerium) zu vertreten. Dabei hat es mit dem FDP-geführten Finanzministerium eine starke Lobby, die dafür sorgt, dass die Krisenkosten zu gering wie möglich für das Kapital gehalten und auf die Lohnabhängigen abgewälzt werden (siehe Pläne für Bildungskürzungen). Eine wichtige Aufgabe der Ampel es ist, den deutschen Monopolkonzernen finanzielle Verluste in großem Maßstab zu bezahlen (Gaspreisdeckel, Einstieg bei Uniper etc.) und Energiesichert zu gewährleisten (panische Reisen von Habeck und halbgare Blitzverträge mit Qatar).

Die Ampelkoalition ist das Ende der Merkel-Ära und vorerst auch das der Zeiten der GroKo. Als solches bestand neben dem Kleinbürger_Innentum auch in Teilen der Arbeiter_Innenklasse eine Hoffnung in die neue Regierung als Organisatorin einer „Zeitenwende“ v.a. bezüglich der Sozial- Wirtschafts- und Außenpolitik. Diese Wende findet auf mehreren Ebenen statt, allerdings als Angriff und Rollback, untermauert mit der ideologischen Rechtfertigung durch Krieg und Krise. Es ist eine „Zeitenwende“, aber keine im Sinne derer, die dieser Koalition mit Hoffnung entgegengeblickt haben. Dass dieser Verrat an der eigenen Basis und dem eigenen Programm durch v.a. SPD und Grüne nun als alternativlos dargestellt wird, muss angegriffen und gegenüber der Arbeiter_Innenklasse, die ihre Hoffnung immer noch in die SPD setzt, (anhand ihrer tatsächlichen Politik) entlarvt werden.

Krieg und „Nationale Einheit“

40. Das politische Bewusstsein der Arbeiter_innenklasse in Deutschland steht mehrheitlichim Zeichen der nationalen Einheit, was nicht heißt, dass das Land nicht politisch tief gespalten ist. Diese Spaltung erfolgt jedoch nicht anhand einer Klassenlinie zwischen Arbeit und Kapital. Vielmehr ordnet sich die Arbeiter_innenklasse den 2 bürgerlich geführten Blöcken unter: Auf der einen Seite befindet sich der vom Exportkapital dominierte Block, der für einen Green New Deal, gemäßigte Coronaschutzmaßnahmen, Migration von Fachkräften, mehr europäische Integration etc. eintritt (SPD, Grüne, Mehrheit der CDU, FDP, „Die Vernünftigen“), während auf der andere Seite der Block des kleineren, auf den deutschen Binnenmarkt orientierten Kapitals besteht, der durch seine in der globalen Konkurrenz in Bedrängnis geratene Position gegen Umweltschutzmaßnahmen, gegen Coronaschutzmaßnahmen, gegen Migration und gegen die EU wettert (AfD, Minderheit in der CDU, „die Unvernünftigen“).

41. Zuerst die Coronakrise und nun der Ukraine-Krieg haben trotz der großen sozialen Verwerfungen und Deklassierung durch das Anbiedern von SPD, Linkspartei und DGB die Bildung eines Bewusstseins der „nationalen Einheit“ begünstigt. Dies führt dazu, dass die Arbeiter_innenklasse in Deutschland Angriffe billigend in Kauf nimmt (siehe „Frieren für den Frieden“, Verzicht auf Lohnforderungen bei IGBCE, IG-Metall und verdi). Dabei konnte das Kapital seine Aufrüstungspläne (,die schon vor dem Ukraine-Krieg in Form von Floskeln für „Mehr Übernahme internationaler Verantwortung“ auf dem Tisch lagen,) nahezu widerstandslos durchsetzen. Die über 50 000 Unterschriften-starke Kampagne gegen die Grundgesetzänderung zur Aufrüstung ist praktisch ohne Konsequenzen geblieben. Dem Kapital ist es damit gelungen, die historisch gewachsene Aufrüstungssekpsis in der deutschen Bevölkerung (3 Millionen Menschen auf Demo gegen den Irakkrieg 2003) zu zerschlagen. Die Grünen, welche das Vertrauen vieler Pazifist_innen genossen, bildeten dabei die Sperrspitze.

42. Die wichtigsten Kriegsinstrumente stellen aktuell großzügige Waffenlieferungen und Wirtschaftssanktionen in historisch nie dagewesenem Ausmaß dar. Die zunächst zögerliche und abwartende Haltung der SPD konnte auf Druck der Grünen, der CDU und der konservativen Medien schnell gebrochen werden. Ziel ist es dabei Russland kriegsunfähig zu machen und es durch eine nachhaltige Schwächung seiner Wirtschaft aus der Liga der imperialistischen Staaten zu verbannen (siehe bereits 2014 Rausschmiss Russlands aus G8-Runde).

43. Die Ampel versucht die aktuelle Kriegssituation ferner für ein klimaschädliches Rollback zu nutzen. Die mühsam erkämpften Erfolge der Anti-AKW-Bewegung (Atomausstieg 2011) und der Klimabewegung (Kohleausstieg 2038) sollen wieder zurückgenommen werden. Während sich die AfD und der rechte Flügel der CDU als Vorreiterinnen für ein Zurück zur vermeintlich (!!) sauberen Atomkraft präsentieren, dient das grüne Energieministerium Habecks dem Kapital dazu, den Kohleausstieg noch weiter nach hinten zu verschieben, Öl aus Qatar und Frackinggas aus den USA zu besorgen und durch die Integration der Klimabewegung Widerstand dagegen zu verhindern.

44. Eine der wichtigsten Tagesforderungen ist es, jede Fortführung des Krieges, ob durch russische Panzer oder westliche Sanktionen und Waffenlieferungen, abzulehnen! Eine größere Friedensbewegung ist jedoch aus den anfänglichen Großmobilisierungen gegen den Krieg nicht entstanden. Ein Großteil der Kriegsgegner_innen vertritt die Regierungslinie und betrachtet Sanktionen und Waffenlieferungen als einzige Mittel zur Beendigung des Krieges. Das wesentlich kleinere Lager aus traditionell pro-russischer Friedensbewegung, Stalinist_innen und AfD erkennt der Bevölkerung in der Ukraine unter dem Slogan „Frieden mit Russland“ ein Recht auf Selbstverteidigung ab. Das kleinste aber progressivste Lager hat es nicht geschafft den einzig richtigen Slogan „No Nato- No Putin“ in größere bundesweite Aktionen unter Einbindung von Klassenorganisationen zu übersetzen. Auch Versuche von Sozialverbänden, Linkspartei und Gewerkschaftsgliederungen eine Bewegung gegen die Aufrüstungsvorhaben der Ampel aufzubauen, ist aufgrund dem Ausweichen oder der Abwesenheit einer Positionierung zum Ukraine-Krieg insgesamt gescheitert.

45. Waffenproduktion und -lieferungen müssen durch politische Streiks der Beschäftigten in Rüstungs- und Transportindustrie unterbunden werden. In der kommenden Periode gilt es außerdem die unpopuläre Forderung nach einem Stopp der Sanktionen in die Linke zu tragen (Nur noch 53% der Deutschen unterstützen die Sanktionen gegen Russland, wenn dies persönlichen Verzicht für sie bedeutet). Dabei müssen wir uns jedoch stark von der AfD oder dem Wagenknecht-Flügel der Linkspartei abgrenzen, denn wir lehnen die Sanktionen nicht wie diese Kräfte ab, weil sie auch dem deutschen Kapital und Kleinbürgertum schaden, sondern weil sie der russischen Arbeiter_innenklasse schaden und ein Mittel der imperialistischen Kriegsführung darstellen, welches der NATO-Block für sich nutzt, um RU als imperialistischen Konkurrenten auszuschalten und den USA nutzt, um Europa stärker an sich zu binden und seinen Hauptkonkurrenten China weiter zu isolieren. Es gilt jedoch ebenso aufzuzeigen, dass eine Widereröffnung von „Nordstream2“ und der Ausbau fossiler Energieträger angesichts der Flutkatastrophe in Pakistan, die über 30 Mio. Menschen in tiefste Not gestützt hat, ein Verbrechen darstellt. Wir treten weiterhin für den schnellstmöglichen Ausstieg aus fossiler Energiegewinnung unter Arbeiter_innenkontrolle ein. Wir lehnen die zynische Doppelmoral im Umgang mit ukrainischen Geflüchteten, russischen Deserteur_innen und muslimischen Geflüchteten ab. Stattdessen fordern wir offene Grenzen sowie Arbeitserlaubnisse, Mindestlohn und Privatwohnungen für alle Geflüchteten! Zur Beendigung der Kriegshandlungen fordern wir einen sofortigen Waffenstillstand. Gleichzeitig lehnen wir jedoch jede „diplomatische Lösung“ kategorisch ab, denn diese stellen nur zeitweilige Kompromisse zwischen imperialistischen Mächten (die gerade keine Möglichkeit mehr sehen, anderweitig mehr für ihre Interessen rauszuschlagen) dar, sind meistens nur temporär und nie im Sinne der Arbeiter_innenklasse. Unsere Alternative ist eine unabhängige Position der Arbeiter_innenklasse: ein revolutionärer Defätismus auf der Basis internationaler Klassensolidarität.

Rechtsruck vorbei?

Im Zuge der Verschärfung der Krise nimmt auch der Rechtsruck weiter zu, allerdings teilweise in anderen Formen und mit neuen Dynamiken, es ist wichtig diese zu verstehen um diesen neuen Rechtsruck, der sich nicht mehr auf das Erstarken rechtspopulistischer Kräfte jenseits des klassischen Konservativismus und daraus folgend, dessen langsames Wandern nach Rechts beschränkt, sondern die komplette bürgerliche Politik gravierend verändert, zu bekämpfen. So sind es im Moment vor allem die Teile des bürgerlich-liberalen Lagers, die sich traditionell als links und progressiv betrachten, die extrem stark nach rechts driften, das Beispiel der Grünen in Deutschland zeigt dies besonders eindrucksvoll. Eine Partei die über lange Zeit in ihrem Selbstverständnis Pazifismus vertreten hat, treibt nun das imperialistische Säbelrasseln und die größte Aufrüstung Deutschlands seit 1945 voran und fordert die kompromisslose Bekämpfung des imperialistischen Rivalen Russlands. Der starke Rechtsruck der Grünen in den Außenpolitik kommt mit Verzögerung auch in anderen politischen Feldern an. So trieben die Grünen aktiv voran, dass das Dorf Lützerath im Rheinischen Braunkohlerevier doch noch abgebaggert wird, einzig und alleine um RWE mehr Profit ermöglichen zu können, biedert sich den reaktionärsten Regimen, wie Katar, Aserbaidschan oder der Türkei an, und lehnt Entlastungen für die Bevölkerung oder Besteuerung von Krisenprofiten ab.

Innerhalb der Grünen hat sich bereits mit ihrer Regierungsbeteiligung 1998 der Flügel durchgesetzt, der die Partei von sämtlichen pazifistischen und sozialen Altlasten aus ihrem politischen Entstehungskontext befreien wollte. So organisierte die Partei mit dem Kosovo[1]Krieg den ersten deutschen Kriegseinsatz nach dem zweiten Weltkrieg, versetzte der Arbeiter_innenklasse mit der Agenda 2010 einen historischen Schlag und stimmte den imperialistischen Kriegseinsätzen in Afghanistan und Mali zu. Seither unternehmen die Grünen den Versuch, von der kleinbürgerlichen Partikularpartei zur vorherrschenden bürgerlichen Kraft aufzusteigen. Durch ihre konsequente transatlantische Ausrichtung, ihre Bereitschaft zur Militarisierung Deutschlands im Zeichen des „Schutzes demokratischer Werte“ sowie die Perspektive einer industriell-technischen Erneuerung des deutschen Kapitals (Stichwort „Green New Deal“) auf Kosten der Arbeiter_innenklasse präsentierte sich die Partei im Bundestagswahlkampf 2021 als moderne alternative für die exportorientierten Kapitalfraktionen (laut einer Umfrage der deutschen Bank von 2021 wünschte sich die Mehrheit der Entscheider in 200 deutschen Industrieunternehmen eine grüne Regierungsbeteiligung). Der reaktionäre Charakter des grünen Programms wird in dem Maße deutlicher, indem sich der Kampf um die Neuaufteilung der Welt zuspitzt.

Auch beträchtliche Teile der sozialdemokratischen bis links-reformistischen Linken schließen sich diesem bürgerlichen Rechtsruck an und stimmen, ganz in alter Burgfrieden Manier, zu, dass man sich nun hinter den „freiheitlich demokratischen“ Westen stellen müsse um diesen gegen den viel übleren russischen Imperialismus zu verteidigen, und das man dafür nun einmal auch in Kauf nehmen muss, dass die Bedingungen für die Arbeiter:Innenklasse sich verschlechtern. Während das ehemals links-liberale Bürgertum nach rechts wandert und dabei teilweise traditionell konservative Kräfte überholt, sehen wir bei den rechtspopulistischen Kräften Europas eine fast schon entgegengesetzte Tendenz, diese Kräfte integrieren sich fester in den bürgerlichen Staat und die bürgerliche Politik und werden zum akzeptierten und integrierten Teil dieser. Besonders stark wird dies deutlich in Frankreich, wo der ehemalige Front National nun als Rassemblement National viele seiner rechtsradikalen Positionen entschärft um als rechts-konservative Partei breite Achtung und Akzeptanz der bürgerlichen Gesellschaft zu erhalten sowie in Italien, wo die Faschistin Meloni sich nun als ganz normale rechts-konservative Politikerin darstellt und auch von der breiten Masse der bürgerlichen Politik Europas so gesehen wird. In Deutschland ist dieser Trend noch nicht so deutlich zu sehen, was wohl einerseits mit der deutschen Geschichte zusammenhängt, vor allem aber mit einem anderen Faktor: Dem Verhältnis der Partei zum imperialistischen Konkurrenten Russland.

Eine andere Entwicklung der Rechten in Europa ist nämlich die Spaltung in zwei Lager: pro-ukrainische und pro-russische Kräfte. Diese Spaltung ist jedoch keineswegs ideologisch begründet, sondern im Grunde eine rein taktische. Während nämlich pro-russische Rechte wie AfD oder Rassemblement National dass Interesse der Teile ihrer nationalen Bourgeoisie vertreten, die sich statt des Bündnis mit dem US-Imperialismus, der als Hegemonialmacht über den NATO-Block auftritt, ein gleichberechtigtes Bündnis mit dem russischen Imperialismus wünschen, ist dies für die italienische Rechte nicht sinnvoll, da ihre Bourgeoisie nicht stark genug ist ein gleichberechtigtes Bündnis mit einem anderen Imperialismus aufzubauen und es für sie das beste ist sich in EU und NATO zumindest noch ein paar Stücke des westlich-imperialistischen Kuchens zu sichern, weshalb sich auch Melonis Fratelli D’Italia hinter EU, NATO und Ukraine stellen. Diese Spaltung hat allerdings, trotz ihres rein taktischen Charakters, durchaus das Potential, die Kooperation rechter Kräfte in Europa einzuschränken, so ist das jahrelang stabile Bündnis der Rechtsregierungen Ungarns und Polens durch unterschiedliche Positionen zum Krieg in der Ukraine auseinander gebrochen, während Polen klar und entschieden an der Seite der Ukraine gegen seinen historischen nationalen Feind Russland steht, sympathisiert Ungarn, das selber Anspruch auf eine ukrainische Provinz erhebt, nach wie vor mit Putin. Eine Dynamik hingegen zieht sich durch alle bürgerlichen Kräfte, ganz gleich ob pro-russisch oder pro-ukrainisch, liberal, konservativ oder rechtspopulistisch: Der Trend in der Krise zu einer autoritären Politik zu greifen. Aufrüstung nach außen geht meistens auch mit einer Aufrüstung nach innen einher. So greift der ukrainische Staat im Kriegszustand auf ein Verbot jeglicher politischer Opposition zurück, während Russland versucht, jedes Aufkommen einer Antikriegsbewegung durch scharfe Repression im Keim zu ersticken. In Deutschland und anderen westlichen EU-Ländern pocht das Kapital stattdessen angesichts einer sozialpartnerschaftlich ausgerichteten Arbeiter_innenbewegung auf die „Nationale Einheit“: die Bevölkerung soll für die deutschen Kriegspläne frieren und die Gewerkschaften sollen ihre Lohnforderungen so gering wie möglich ansetzen. Die harte Repression gegen kämpferischere Streiks wie derjenige der Hamburger Hafenarbeiter_innen oder gegen die Klimabewegung macht jedoch deutlich, wie das Kapital vorzugehen gedenkt, wenn die Arbeiter_innenklasse sich weigert, die Krisenkosten zu zahlen. So lassen sich bereits auf Länderebene Verschärfungen der Polizeigesetze erkennen, deren bundesweite Ausweitung bei einem Anstieg von Protesten wahrscheinlich ist.

Inflation ohne Ende?

46. Die Inflationsrate in Deutschland lag im September bei rund 10 Prozent. Die stärksten Preisanstiege finden sich bei Lebensmitteln (insbesondere Obst, Gemüse und Milchprodukte), Energiekosten, Mieten, sowie Freizeitkonsumgütern. Die massiven Teurungsraten stellen deshalb  längst nicht mehr nur tiefe Einschnitte im Alltag von Jugendliche und Geringverdiener_innen dar, sondern auch bei mittleren Einkommen und der Arbeiter_innenaristokratie und dem Kleinbürgertum.

47. Während die Bevölkerung für den Frieden frieren und verzichten soll, sorgt die Ampelkoalition dafür, dass Verluste der großen Unternehmen so gering wie möglich ausfallen. Obwohl die „Entlastung der Gering- und Mittelverdiener“ von Anfang an in aller Munde war, stellten Gasumlage und Tankrabatt lediglich Subventionen an die Energieindustrie dar. Des Weiteren wurden mehrere milliardenschwere Entlastungspakete auf den Weg gebracht, die gesamte Gesellschaft nach dem „Gießkannenprinzip“ entlasten sollten. Selbst laut Rechnungen des bürgerlichen Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung kamen jedoch 70 Prozent der 10 Milliarden € des 3. Entlastungspaketes lediglich den oberen 30 Prozent der höchsten Gehaltsklassen zugute.

48. Anhaltende Proteste haben die Ampel bereits stark unter Druck gesetzt und zu kleinen Nachbesserungen sowie zur Rücknahme der Gasumlage veranlasst. Das Potenzial des „heißen Herbstes“ eine soziale Massenbewegung zu werden, wird jedoch aktuell vor allem von Rechts genutzt. Besonders bildlich wurde dies beispielsweise am 8.10. in Berlin, als sich unter dem Slogan „Löhne rauf – Preise runter“ ca. 120 Menschen in Berlin-Wedding versammelten, während ca. 15 000 Menschen unter Führung der AfD mit Slogan „Unser Land zuerst“ durch das Stadtzentrum zogen. Während linke Kräfte daran scheitern, eine klare Position zum Krieg einzunehmen und die Ampel für ihre unsoziale Kriegstreiberpolitik anzugreifen erscheinen die rechten durch ihre konsequente Ablehnung der Sanktionen als glaubwürdigste Vorkämpfer gegen die soziale Verwerfungen der Inflation.

49. Da wir 2 Ortsgruppen in Ostdeutschland haben, soll an dieser Stelle noch einmal ein Blick auf die spezielle Lage vor Ort geworfen werden. Laut dem INSA-Meinungstrend vom 26.9. ist die AfD stärkste Kraft in Ostdeutschland. Zehntausende sind dort im Zuge der aktuellen Proteste unter offener Beteiligung von Faschist_innen wie dem III. Weg oder den Freien Sachsen auf der Straße gegangen. In Ostdeutschland sind aufgrund der Deindustrialisierung nach der Annektion der DDR mehr Menschen prekär, fühlen sich abgehengt und fremdbestimmt. Der Braunkohleausstieg, die Inflation sowie die ungeklärte Zukunft der Ölraffinieren verbreiten eine nicht unberechtigte Angst vor einer Deklassierung 2.0. Zudem ist die Wirtschaft traditionell stärker strukturell auf Russland ausgerichtet (siehe zum Beispiel PCK-Raffinerie in Schwedt, selbst die CDU-Sachsen vertritt viel pro-russischeren Kurs als die Bundespartei). Auch ideologisch wird Russland aufgrund der DDR-Sozialisierung weniger als Feind betrachtet.

50. Angesichts der rechten Führung über die sozialen Proteste trauen viele den großen breiten Gegenprotesten von Unteilbar etc. hinterher. Wir sehen aktuell jedoch deutlich, dass der Slogan „einfach alle zusammen solidarisch und ,unteilbar‘ gegen die AfD“ in Krisensituationen bei Abwesenheit einer klaren eigenen linken Perspektive nicht mehr funktioniert. Die Trägheit und Vorsicht der Linken eine eigene Perspektive aufzuwerfen, überlässt den Rechten das Feld. Ähnlich haben wir es bereits in der Corona-Krise erlebt, als die Abwesenheit einer kämpferischen und gegen die Regierung gerichteten Zero-Covid-Bewegung eine politische Lücke eröffnet hat, die Querdenken füllen und sich als Fundamentalopposition präsentieren konnte.

51. Aktuelle Ansätze in der radikalen Linken wie die „Dont Pay“-Kampagne (á la klauen im Supermarkt und den Armen geben) verurteilen wir zwar nicht moralisch aber politisch als individualistisch und kleinbürgerlich. Darüber hinaus kommen lokale linke Kleinstbündnisse in einigen Städten kaum dazu, unter zaghafter Beteiligung einzelner lokaler Gewerkschaftsgliederungen über ihre eigenen Unterstützer_innenkreise hinaus zu mobilisieren.

Die Genug ist Genug Kampagne sieht sich selbst als eine Plattform, welche als „Brücke“ zwischen Straßenprotesten und Gewerkschaften fungieren will. Angeführt wird die Kampagne in Deutschland vom reformistischen Jacobin-Magazin und Teilen des Ver.di Gewerkschaftsapparats. Auch wenn die Kampagne bisher nicht über Internetaktivismus, lokale Rallyes, Arbeitsgruppen zur Verbreiterung der Initiative und reformistische Minimalforderungen hinausgeht (zum Beispiel werden die Fragen nach Arbeiter:innenkontrolle des Energiesektors, der Positionierung zum Krieg und den Sanktionen bewusst ausgeklammert), bietet sie aufgrund ihrer Einbindung von Gewerkschaften und ihres internationalen Charakters im Vergleich zu anderen Antikrisenbündnissen bisher das größte Potential für den Ansatz des Aufbaus einer linken Antikrisenbewegung. Sie könnte sich in Zukunft in eine vielversprechende Richtung entwickeln, ist es zum jetzigen Punkt jedoch nicht. Entscheidungen werden mit Teilen des Gewerkschaftsapparats geheim und undemokratisch gehalten. Während sie auf den Rallys mit starken, klassenkämpferischen Reden glänzten (in Berlin rief der BSR (Stadtreinigung) für die kommende Tarifrunde beispielsweise zum Generalstreik auf) hält sich die Führung mit so etwas bewusst zurück. Mehr noch als das: interessierte, potentielle Aktivist_innen werden bis jetzt in ineffektiven Organizing-Arbeitsgruppen verheizt, wodurch der tatsächliche Aufbau einer Antikrisenbewegung sogar noch erschwert wird. Aktuell scheint die Kampagne in Deutschland also nicht an ihre Erfolge in UK anknüpfen zu können. Im Gegensatz zu den Protesten in UK stützt sie sich hierzulande nämlich nicht auf kämpferische Streiks, sondern wird lediglich von Gewerkschaftsfunktionär_innen aus verdi und GEW unterstützt, die die Kampagne ihren Mitgliedern gegenüber als Feigenblatt für Aktionismus gegen die Inflation nutzen.

Revolutionäre müssen mit dem Slogan einer europaweiten Antikrisenkonferenz in die Kampagne intervenieren und diese nach links treiben, bei gleichzeitiger Integration weiterer Gewerkschaftsgliederungen. In den Gewerkschaften müssen wir erkämpfen, dass diese die Forderungen von „Genug ist genug“ nicht nur dem Papier unterstützen, sondern ihre Betriebsgruppen aktiv über die Vertrauensleute mobilisieren. Unsere wichtigen Forderungen zur Inflation sind die Einführung Preisdeckeln unter Arbeiter_innenkontrolle, die gleitende Skala zur Anpassung von Löhnen und Sozialleistungen an die Inflation, die Öffnungd er Geschäftsbücher und eine Übergewinnsteuer sowie die Enteignung der Energiekonzerne unter Arbeiter_innenkontrolle.

Diesen allgemeinen Forderungen müssen sich für die Jugend spezifische Forderungen anschließen, da Inflation und damit verbundene Krisen sich Jugendlichen gegenüber besonders hart und aussichtslos zeigen. Einige zentrale Punkte hierbei sind: kostenloses Mittagessen an Schulen und Kontrolle von Schüler*innen über Auswahl und Preise des Mensasortimentes, finanzielle Unterstützung von Jugendlichen (z.B. für Freizeitangebote), besondere Unterstützung von Familien, der Inflation angepasste und faire Löhne sowie garantierte Übernahme für Azubis, außerdem die Forderung nach kostenlosem ÖPNV und einer starken Jugendbewegung, die an der Seite der Arbeiter_Innen gegen Krieg und Krise kämpft.

Gewerkschaften in der Krise

52. Der DGB fungiert aktuell nicht als Organ des Klassenkampfes, sondern durch seine Politik der Sozialpartnerschaft (kooperativer Ausgleich der Interessen von Kapital und Arbeit) als Stütze der bürgerlichen Herrschaft. Sowohl in der Coronakrise, in der Klimakrise, im Ukraine-Krieg und zur Inflation nimmt er keine fundamentale Oppositionshaltung zur Politik der Bundesregierung ein. Die Beteiligung des DGB an der „konzentrierten Aktion“, in der ein Konsens mit Unternehmer_innenverbänden zur Bekämpfung der Inflation gefunden werden soll, ist nur ein Ausdruck davon. Ebenso die Tatsache, dass der DGB seine historisch gewachsene antimilitaristische Haltung gegenüber dem Aufrüstungsvorhaben der Ampel aufgegeben hat. Es gab keine Ablehnung dessen von Seiten des DGB, lediglich den müden Verweis, dass die Aufrüstung nicht zulasten von Sozialem, Gesundheit und Bildung finanziert werden dürfe. Auf hohe Lohnforderungen wird zugunsten des Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland und aufgrund der angeblichen Gefahr einer „Lohn-Preis-Spirale“ ebenso verzichtet, wie auf politische Streiks angesichts der vielfachen Krisenlagen. Stattdessen gibt es Einmalzahlungen (siehe Abschluss IGBCE und müde Lippenbekenntnisse gegen den Klimawandel).

53. Diese staatstragende Haltung des DGB bringt die Mitgliedsgewerkschaften angesichts sich zuspitzender Krisenlagen in den Lebenswelten der Gewerkschaftsmitglieder in eine fundamentale Krise. Viel zu lange hat sich der DGB als verlässlicher Partner für das Kapital präsentiert, die Mitgliedschaft ruhiggestellt und dafür in wirtschaftlichen Aufschwungperioden Tariferhöhungen für Kernsektoren und Stammbelegschaften (= Arbeiter_innenaristokratie) herausgeholt. In Krisenzeiten, in denen es jedoch selbst für die sogenannten Kernsektoren kaum noch etwas abzuschöpfen gibt, gerät diese Politik in akute Bedrängnis. Zusätzlich geraten die Gewerkschaftsbürokraten der großen DGB-Gewerkschaften durch kämpferisch auftretendere Spartengewerkschaften unter Druck (siehe Cockpit oder GDL). Als Folge erlebt der DGB aktuell einen massiven Mitgliederschwund. Im Jahr 2021 (aktuellste Zahlen) verließen über 2 Prozent der Gesamtmitgliedschaft ihre jeweiligen Gewerkschaften (am meisten bei IG Metall und verdi). Gleichzeitig gehen die Rechten immer aggressiver auf Stimmenfang unter Gewerkschafter_innen, sodass die AfD in einigen Betrieben sogar bereits eine absolute Mehrheit unter Gewerkschaftsmitgliedern verzeichnen kann. Der Apparat versucht sich deshalb mit verzweifelten und halbherzig geführten „Organizing“-Kampagnen zu erneuern und Mitglieder zu gewinnen.

54. Dabei braucht es auch über rein tarifliche Forderungen hinausgehende Forderungen der Gewerkschaften, da die aktuellen Krisen (Corona, Klima, Krieg, Inflation) und die Tiefe mit der sie sich auf den Alltag von Lohnabhängigen auswirken, die traditionelle ökonomistische Selbstbeschränkung der Gewerkschaften in Frage stellen. Ferner liegen für die kommenden Tarifauseinandersetzungen von IG-Metall und verdi aktuell nur Forderungen auf dem Tisch, die knapp über der aktuellen Inflationsrate liegen. Nach den Verhandlungen sind also Reallohnverluste zu erwarten. Der kämpferische Streik der Hamburger Hafenarbeiter_innen konnte die Bürokratie dagegen zeitweise vor sich hertreiben und bildete dabei eine Ausnahme. Es wird immer deutlicher, dass der bürokratische Gewerkschaftsapparat das eigentliche Problem ist, der, um seine eigene privilegierte Stellung zu erhalten, gewerkschaftliche Kämpfe ausbremst. Was wir brauchen ist deshalb kein Organizing für einen erneuerten Gewerkschaftsapparat, sondern eine kämpferische Gewerkschaftsopposition, gestützt auf basisdemokratische Betriebsgruppen, die selbst über Forderungen und Kampfmittel entscheiden, sowie Wähl- und Abwählbarkeit von Delegierte entsenden. Verknüpft werden muss dies mit einem gewerkschaftlichen Aktionsprogramm des Klassenkampfes (statt Sozialpartnerschaft) gegen die Abwälzung der Krisenkosten und der kommenden Rezession auf die Beschäftigte. Die VKG bildet einen ersten Ansatzpunkt dafür.

War’s das mit der Linkspartei?

55. Die traurige Lage der Linkspartei ist geprägt von massiven Wahlverlusten bei der Bundestagswahl. Mit 5 Prozent und über 4 Prozent Stimmverlust ist sie noch knapp in den Bundestag eingezogen. Ähnlich schlecht sind die Ergebnisse bei den vergangenen Landtagswahlen. Hauptgrund dafür ist ihre reformistische Ausrichtung und ihre falschen Analyse des bürgerlichen Staates, die es ihr verwehrt einen radikale Kampf gegen die Angriffe der Regierung zu führen. Zusätzlich ist die Partei durch den inneren Kampf ihrer Flügel gelähmt.

56. Kurzzeitige Hoffnung machte die Proklamation des „Heißen Herbsts gegen soziale Kälte“, bei dem die Linkspartei in Leipzig ca. 4000 Menschen mobilisierte. Diese Aktion blieb jedoch der vereinzelte Höhepunkt der „Kampagne“, da die Positionen der jeweiligen Flügel zum Krieg und seinen Folgen zu unterschiedlich sind, um einen gemeinsamen Kurs vorzuschlagen. Der Flügel der sogenannten „Regierungssozialist_innen“ will dabei nur verhalten Opposition spielen, um sich weiterhin als verlässlicher Koalitionspartner zu präsentieren. Forderungen nach einem Ende der Sanktionen, die ihm von links unter Druck setzen könnten, versucht er dabei als „Rechtsoffenheit“ und „Putinverständnis“ zu denunzieren. Der linkspopulistische „Aufstehen“-Flügel um Sarah Wagenknecht versucht dagegen aktiv Proteste gegen die Inflation zu organisieren. Praktisch scheint der Flügel dabei zu testen, wie viel Basis er tatsächlich hat, um den Erfolg eines Bruchs mit der Linkspartei abschätzen zu können. Dabei strebt er eine Volksfront von Arbeiter_innenklasse und kleineren Unternehmen an, um die Lasten der Krise abzufedern. Seine Kritik an Sanktionen und der Abwälzung der Krisenkosten formuliert er jedoch nicht aufgrund von internationaler Klassensolidarität. „Aufstehen“ kämpft für ein „sozialeres Deutschland“, dessen durch Frieden mit Russland florierende Wirtschaft mehr Spielraum für Umverteilungspolitik hätte. Die Bewegungslinke will zwar laut eigenen Aussagen zwar eine Massenbewegung gegen die Regierung aufbauen, traut sich jedoch nicht die nötige Konfrontation mit anderen Flügeln einzugehen. Obwohl sie eine Mehrheit im Parteivorstand stellt, hat sie bisher nichts von ihren eigentlich fortschrittlichen Forderungen umgesetzt. Im Ernstfall haben ihre Mitglieder bisher auf den Parteitagen mit den Regierungssozialist_innen gestimmt und damit offenbart, dass sie keinen Kampf um die Partei für ein sozialistisches und „bewegungsorientiertes“ Programm führen wollen.

57. Die Anzeichen, dass der Wagenknecht-Flügel die Partei verlässt, nehmen dabei zu. Dies sieht man an den Streitereien innerhalb des Hamburger Landesverbandes oder beispielsweise dem Schreiben des NRW Landesvorstandes, bei dem der gesamte Vorstand sich nicht zur Wiederwahl bereit erklärte und ihre Erklärung zuerst der Presse zuschickte und dann den eigenen Strukturen. Vertreter wie Dieter Dehm, der zwar nicht 100% dem Wagenknecht-Flügel zu zuordnen ist, erklärten zudem öffentlich die Notwendigkeit einer neuen linken Initiative mit den Worten„Es muss eine Kraft antreten, die diesem Abbruchunternehmen da drüben im Karl-Liebknecht-Haus eine Alternative entgegensetzt“. So kann es sein, dass gerade im Hinblick auf die Europa-Wahl 2024 sich dieser Teil aus der Linkspartei verselbständigt um sich dort eigene Posten zu sichern. Sollte der Flügel rund um Wagenknecht und Populäre Linke die Partei im aktuellen Zustand verlassen, wird dies die Zersetzungserscheinungen beschleunigen. Praktisch bedeutet das ein weiteres Schrumpfen der Linkspartei, da schon jetzt mehr und mehr Aktivist:innen durch die andauernde öffentliche Schlammschlacht zwischen Parteiführung und Bundestagsfraktion bei gleichzeitigen Ausbleiben von Erfolgen demoralisiert sind, von Wähler:innen ganz zu schweigen.

Der interne Machtkampf ist dabei von der Idee geprägt, dass der „stärkere“ Flügel den anderen in Schach hält, da viele – inbesondere Vertreter:innen der Bewegungslinken (und M21-Mitglied) wie Christine Buchholz, der Idee nachhängen, dass eine weitere Spaltung zur Irrelevanz der Partei führen würde. Dies stimmt nur bedingt. Hätte es früher eine klare Abtrennung der populistischen Politik gegeben, verbunden mit einem Rausschmiss Wagenknechts hätte so eine Handlungsfähigkeit der Partei unter einem positiven Vorzeichen hergestellt werden können. Dies wäre auch jetzt noch möglich, nur setzt man eher auf Blockaden statt inhaltlicher Diskussion und gemeinsame Mobilisierungen aus Angst mehr Leute an das gegnerische Lager zu verlieren wie man an der Praxis in Leipzig sehen konnte. Dort iniitierte Sören Pellmann (einer der drei Gründe warum die Linke überhaupt noch im Bundestag ist) Anfang September einen Protest gegen die Inflation, nur um im Oktober bei der Aktion organisiert von Juliane Nagel und Katharina König-Preuss nicht reden zu dürfen.

Klimabewegung in der Sackgasse

58. In den letzten Jahren gab es gewaltige internationale Proteste der Klimabewegung. Trotzdem wurden keine relevanten politischen Verbesserungen erreicht. Der Ausstoß von Treibhausgasen hat sich sogar erhöht (abgesehen von dem Lockdownjahr 2020). Folglich befindet sich die Klimabewegung in einer Sackgasse. Alle bisher angewandeten Methoden waren anscheinend unzureichend, um etwas zu verändern. NGO´s und die Grünen haben sich spätestens seit dem Kohleverlängerungsgesetz als unfähig gezeigt wirklich etwas für das Klima zu tun. Die freitäglichen Schulstreiks von FFF gibt es schon lange nicht mehr, die Aktionstage werden immer kleiner. Auch die Waldbesetzungen haben sich als symbolische Aktionen einer scheinradikalen Minderheit ohne größere Bedeutung entpuppt. Das Gleiche gilt im Grunde genommen für das Bündnis Ende Gelände, welches nicht über ein reformistisches Programm und symbolisches Eventhopping hinausging. Die Aktionen von „die letzte Generation“ oder XR konnten nur Arbeiter_Innen ärgern, die zur Arbeit wollten, nicht jedoch die Regierungen zum Umdenken bewegen. Keine der genannten Bewegungen und Organisationen hat eine Verbindung zur Arbeiter_Innenklasse gesucht, obwohl ihre Streikmacht alleine Druck auf Regierung und Kapital ausüben kann. Zum Teil wurde ein Schulterschluss zur Klasse sogar abgelehnt, obwohl er sich aufgedrängt hat, wie z.B. rund um die Ende Gelände Proteste in Hamburg, die parallel zu dem beeindruckenden Streik im Hamburger Hafen stattfanden.

59. Die Ampelkoalition, bürgerliche Medien und Teile der kleinbürgerlich geprägten Umweltbewegungen nutzen den Ukrainekrieg und die Wirtschaftskrise als Grund, um Investitionen in grüne Technologien, Green New Deal und Umweltfragen in den Hintergrund zu schieben. Während es massive Investitionen in Aufrüstung und zur Unterstützung von Unternehmen gibt, wird uns weisgemacht, diese Depriorisierung von Klimafragen wäre alternativlos, weil andere Krisen im Vordergrund stünden. So kommt es, dass Atomkraft wieder im Gespräch ist und Kohlekraftwerke länger laufen sollen, als bisher geplant, während ein Aufschrei der Klimabewegung und große Mobilisierungen ausbleiben. Teile der Umweltbewegung gehen auch so weit, den Kurs der Regierung nicht nur passiv mitzutragen, sondern den Krieg des Westens gegen Russland zu unterstützen und ihn als Chance eines Ausstieges aus fossilen Brennstoffen zu sehen (z.B. in Teilen von FFF). Das Dogma von Luise Neubauer: „Wir haben eben Krieg, dann gibt es halt eine unpopuläre Politik“, setzt sich durch.

Radikale Linke und Klimabewegung

60. Das Mobilisierungspotenzial der radikalen Linken stagniert weiterhin. Hauptgrund dafür ist die Abwesenheit von klaren Positionen (oder gar Kampagnen) zu den drängenden Fragen der Zeit: Ob Corona-Krise, Klimakrise, Krieg, Rassismus, Inflation oder Frauenbefreiung. Eine Hauptursache stellt dabei die Führungskrise der Arbeiter_innenklasse und ihre Abwesenheit als ein in den Verlauf der Geschichte eingreifendes Subjekt dar. Vorherrschende reformistische oder postmoderne Ansätze bieten keine Antworten auf die drängenden Krisen und machen die Gruppen der radikalen Linken unfähig, über isolierte Großmobilisierungen hinaus eine Bewegung aufzubauen (siehe Black Lives Matter, EG, Frauen*streik, …).

61. Die Interventionistische Linke steckt als größte „linksradikale“ Organisation in einer tiefen Krise (3 Ortsgruppen sind ausgetreten), die auf andere sich an ihr orientierende kleinere Gruppen abfärbt. Ihr pluralistisches Aufbaukonzept und ihre Taktik der „breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisse“ scheinen angesichts der aktuellen Herausforderungen nicht mehr zeitgemäß und unfähig, praktisch in das Geschehen einzugreifen. Ferner hat sich ihre politische Erwartung der Herausbildung eines weltumspannenden Empires (siehe Antonio Negri) angesichts der Blockbildung, der Deglobalisierungstendenz und verschärfter bürgerlicher Angriffe nicht bewahrheitet, was die Organisation auch in eine programmatisch-politische Bedrängnis gebracht hat.

62. Das traditionell-stalinistische Milieu (SDAJ, DKP, MLPD) wurde empirisch in seiner Proklamation der friedliebenden Ambitionen Putins widerlegt (DKP-Slogan im Januar 2022: „Denkst du der Russe will Krieg?“) und hat Schwierigkeiten angesichts der neuen globalen Kräftekonstellation eine Position herauszubilden. Die Kommunismuskonferenz der Kommunistischen Organisation blieb mit 200 Teilnehmer_innen hinter den Erwartungen einen Umgruppierungsprozess anzustoßen zurück, sollte jedoch weiter beobachtet werden. Die traditionell maoistisch ausgerichteten Migrant_innenorganisationen haben noch wie vor eine große Mobilisierungskraft in den jeweiligen Diaspora-Communities. Sie stehen jedoch vor dem Problem, dass gerade das Bewusstsein von Jugendliche stärker durch ihre Klassenlage und die damit verknüpfen Alltagsprobleme bestimmt wird, als die Diasporapolitik der Organisationen ihrer Eltern.

63. Positiv zeichnet sich ab, dass die Forderung nach Vergesellschaftung von Unternehmen an Popularität gewonnen hat (siehe: 800 Menschen bei Vergesellschaftungskonferenz). Der erfolgreiche Volksentscheidung von „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ in Berlin hat sicherlich dazu beigetragen und zeigt zugleich dessen Probleme auf. So gilt es in der kommenden Konferenzperiode einen ideologischen Kampf um die Frage zu führen, ob diese Vergesellschaftung über Art. 15 des Grundgesetzes vor dem Gericht erstritten oder über politische Streiks in den betreffenden Betrieben durchgesetzt werden muss. Ebenso, ob die Kontrolle über die Vergesellschaftung in der Hand einer „Anstalt öffentlichen Rechts“ oder den Beschäftigten liegt. Die Forderung nach einer Vergesellschaftung des Energiesektors gewinnt aktuell in der Klimabewegung an Popularität und bildet ein vielversprechendes Bindeglied zur Antikrisen- bzw. Anti-Inflationsbewegung.

Lage der Jugend in Deutschland

64. Die Inflationsrate ist für Jugendliche bis zu 4 mal höher. Jugendliche haben in den meisten Fällen kein oder nur ein sehr geringes Einkommen. Bereits im Zuge der Pandemie haben viele ihre Nebenjobs verloren oder werden sie Blick auf die zu erwartende Rezession verlieren. Gleichzeitig sind die Preise von Waren, die verstärkt von Jugendlichen konsumiert werden, besonders stark angestiegen. Beispielsweise sind die Preise für linierte Blöcke (brauch man in der Schule) um 13% angestiegen. Viele können sich das Mensaessen nicht mehr leisten oder müssen auf Brötchen mit Ketchup zurückgreifen. Da neben sinkenden Einkommen und teureren Konsumgütern ebenso Mieten und Nebenkosten drastisch angestiegen sind, werden Jugendliche in Deutschland in der kommenden Konferenzperiode noch stärker an den elterlichen Haushalt gebunden bleiben.

65. Dies trifft noch stärker auf migrantisierte Jugendliche zu, die zudem teilweise in prekären und repressiven Familienstrukturen gezwungen sind, die eigene Familie noch finanziell durch Nebenjobbing zu unterstützen. Polizeigewalt ist ferner weiterhin ein Thema, was nicht aus den Leben migrantisierter Jugendlicher wegzudenken ist. Allein im August 2022 haben rassistische Polizist_innen sogar 4 migrantisierte Menschen erschossen. Jugendliche mit russischem Migrationshintergrund werden in der Schule oder in Peergroups verstärkt bloßgestellt und in Rechtfertigungsdruck für einen Krieg gebracht, für den sie nichts können.

66. Schüler_innen werden angesichts der geplanten Bildungskürzungen in einigen Bundesländern besonders am Anwachsen der Klassengrößen sowie am Ausfall von Unterricht bei gleichbleibenden Leistungserwartungen durch den Lehrer_innenmangel zu leiden haben. Ferner ist zu erwarten, dass die Schulen im Winter von einer erneuten Covid-Welle erfasst werden, zur starken Belastung für die Jugendlichen und ihre Familien werden wird. Dabei ist Long-Covid eine Folgeerkrankung auf eine Covid-Infektion von der viele Jugendliche betroffen sind, auf die in der Schule aber keinerlei Rücksicht genommen wird.

67. Auch die Einkommen von Azubis und Studierenden werden weiter durch die Inflation schrumpfen, da weder BAföG noch Mindestauszubildendenvergütung an die Inflation angepasst werden. Gleichzeitig werden sie beim Berufseinstieg mehr Schwierigkeiten haben, da Unternehmen mit Blick auf eine Rezession weniger Menschen einstellen oder geringere Löhne zahlen. Für Azubis sinken dabei die Übernahmechancen massiv ab.

68. All dies hat erhebliche Auswirkungen auf das Bewusstsein von Jugendlichen. Politisierte Jugendliche aus der Generation Z und jünger kennen eigentlich keine Welt mehr ohne existenzbedrohende Krisen und wurden zwischen Klimakrise, Corona-Krise, Ukrainekrieg und Wirtschaftskrisen sozialisiert. Laut einer Studie des Forsa Meinungsforschungsinstituts haben 72 Prozent der unter 30 Jährigen große Angst vor der Inflation. Damit sind sie die Altersgruppe, der die Inflation die meisten Sorgen bereitet. Die Coronapandemie bereitet laut der Studie dagegen nur 30% Sorgen, was vermutlich an einer Gewöhnung an den Krisenzustand sowie der Angst vor weiteren Schulschließungen liegt. Der Ukraine-Krieg und die Klimakrise bereiten jeweils 50 % der befragten Jugendlichen Sorgen. Über 50 % lehnen jedoch eine stärkere Einmischung Deutschlands in den Krieg ab. Wachsende Ängste, Einschnitte durch die Coronapandemie, eine verschärfte Konkurrenz um Arbeitsplätze, Schulnoten und soziales Prestige sowie gestiegene Leistungserwartungen verursachen einen Anstieg von psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen um über 20 Prozent. In dieser dauerhaft krisenhaften und oft hoffnungs- und perspektivlosen Lage gilt es, Perspektiven aufzuzeigen und Antworten auf bestehende Probleme und Krisen zu bieten, auch solche, die sofortige Verbesserung der Lage bewirken.




Streiks gegen die Krise in Europa

Von Jonathan Frühling

Seit Beginn der Pandemie Anfang 2020 sind 130 Millionen Menschen in totale Armut abgerutscht. Die Inflation erhöht diese Zahl momentan noch einmal massiv. Die Entwicklung umfasst nicht einzelne Länder und Branchen, sondern den gesamten Planeten. Deshalb formiert sich überall Widerstand von Menschen, die nicht hinnehmen wollen, dass sich die herrschende Klasse ihrer Länder immer noch weiter bereichert. Beispielhaft soll hier genannt werden, dass das Vermögen der 2755 Milliardär_Innen in der Coronapandemie von 4 auf 12 Billionen US-$ gestiegen ist. Deshalb werden momentan weltweit Abwehrkämpfe geführt, in denen die Arbeiter_Innen und Bäuer_Innen versuchen zu verhindern, die Kosten der vielen Krisen zahlen zu müssen. Wir haben uns für euch exemplarisch Bewegungen in Europa angeschaut und Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet und versuchen eine Perspektive zu formulieren.

Streiks Europaweit

Norwegen

In Norwegen streikten Anfang Juli Arbeiter_Innen in der Gasindustrie für mehr Lohn, sodass die Gasförderung auf drei Förderplattformen eingestellt werden musste. Relevant war das auch für Deutschland, welches mehr als 30 % seines Gases aus Norwegen bezieht. Die Regierung schritt allerdings nur wenige Stunden nach dem Ausbrechen des Streikes ein und brachte ihn vor ein Schlichtungsgremium, was nach norwegischem Recht legal ist. Begründet wurde das mit den Gasengpässen in Europa und dem Krieg zwischen Ukraine und Russland. Die Gewerkschaften akzeptierten diese Entscheidung

Deutschland

In sechs deutschen Häfen haben die Arbeiter_Innen im Juni und Juli Warnstreiks durchgeführt und damit erreicht, dass Waren nicht umgeschlagen werden konnten. Die Gewerkschaft fordert 14% mehr Lohn in einem Jahr, die Kapitalseite bot 12,5 % in zwei Jahren. Das Angebot liegt damit unter der Inflation und wird von der Gewerkschaft daher richtigerweise abgelehnt.

Die Kapitalseite denkt in Form von „Arbeitgeberpräsident“ Reiner Dulger desweilen laut darüber nach, mit Notstandsgesetzen das Streikrecht zu brechen. So könnte sichergestellt werden, dass die Industrie auf Kosten der Lohnabhängigen ununterbrochen weiterläuft. Das wäre natürlich ein brutaler Angriff auf ein langerkämpftes Streikrecht.

Spanien

Auch in Spanien gibt es momentan Streiks. Hier sind es die Kabinenarbeiter_Innen der Billig-Airlines Easyjet und Ryanair, die der Arbeiter_Innenklasse ein Beispiel geben. Beide Unternehmen sind für ihre schlechten Arbeitsbedingungen bekannt. Die Streiks haben natürlich Auswirkungen in ganz Europa, da die Airlines ausschließlich innereuropäische Flüge durchführen. Zudem kommt hinzu, dass die Branche unter Personalmangel zu kämpfen hat, welcher auch zum Teil auf die niedrigen Löhne zurückzuführen ist.

Großbritannien

Besondere Strahlkraft hatten die Eisenbahner_Innenstreiks der Gewerkschaft RMT in England Ende Juni 2022. Es waren mit 50.000 Streikenden die größten Streiks der Branche seit 30 Jahren und brachten ca. 80 % des Schienenverkehrs auf der Insel zum Stehen. Ziel ist es auch hier, für höhere Löhne, Arbeitsplatzsicherheit und bessere Renten zu kämpfen, denn die Post-Brexit Gesellschaft wird von Inflation und wirtschaftlichen Problemen besonders hart getroffen. Teile des Staatsapparates haben bereits gewarnt, dass ein Erfolg der Bewegung die Arbeiter_Innenbewegung motivieren kann ähnliche Forderungen in anderen Sektoren zu stellen. Da die britische Regierung gerade zerfällt, ist es eine besonders gute Situation, um den Druck zu erhöhen und weiter Sektoren der Klassen in den Kampf zu führen.

Schwächen der Streiks

Alle genannten Beispiele zeigen, dass es eine Schwäche der Streiks gibt, die zu deren Scheitern oder zumindest zu für die Arbeiter_Innen schlechten Abschlüssen führt. Überall verhandelt nicht die Arbeiter_Innenklasse selbst, sondern stellvertretend eine bürokratische Schicht von Gewerkschaftsfunktionär_Innen. Diese haben aber sowieso einen gut bezahlten und recht sicheren Job, weshalb sie vom Interesse der Arbeiter_Innen losgelöst handeln. Ihnen geht es vor allem darum, ihre eigene Stellung durch schnelle Schlichtungen und einen guten Draht zu Regierung zu sichern, statt die Kämpfe zu eskalieren und so z.B. mehr Lohn für die Arbeiter_Innen zu erkämpfen.

Deshalb liegen die Lohnforderungen, wenn überhaupt, knapp über dem Inflationsausgleich, die Abschlüsse sogar meist darunter! Außerdem sind 1-3-tägige Streiks, die oftmals sogar auf mehrere Wochen verteilt sind, nicht genug, um den Druck wirklich zu erhöhen. Diese Taktik ist nur dafür geeignet, die Bewegung totlaufen zu lassen. Es braucht Forderungen von mindestens 8-10 % mehr Lohn bei 12 Monaten Laufzeit. Diese Ziele können aber nur umgesetzt werden, wenn es einen unbefristeten Streik gibt. Ein kämpferisch geführter Streik erhöht außerdem fast automatisch die Mitgliederbasis der Gewerkschaft. Nur wenn sich die Arbeiter_Innen des Streiks bemächtigen und selbst die Kontrolle darüber haben wann, wo und wofür gestreikt wird und vor allem wann der Streik beendet wird, können sie dem Kapital und der Regierung das Fürchten lehren.

Eine weitere Schwäche ist die Zersplitterung der Kämpfe. Der Grund, wieso die Regierungen und Kapitalist_Innen hier in Europa schnell und entschlossen gegen die Streiks vorgehen wollen, ist überall derselbe: Die Europäische Union und der gesamte Kapitalismus ist in einer Krise, in die uns die Regierungen selbst geführt haben. Kürzlich wurde das durch ihre wirtschaftlichen Angriffe gegen Russland z.B. mittels Sanktionen deutlich. Grund genug für uns gemeinsam auch politische Forderungen aufzustellen, um die Krise in unserem Sinne zu lösen. Damit ist z.B. das Abschaffen der Sanktionen gemeint, die vor allem der Entflechtung und Stabilisierung der europäischen Wirtschaft dienen sollen und in Russland selber eher der Arbeiter_Innenklasse als den Kapitalist_Innen schaden. Auch zur Zahlung der Coronaschulden muss das Kapital zur Kasse gebeten werden. Statt Geld für Rüstung brauchen wir Geld für Krankenhäuser, Schulen, Renten. Natürlich muss die gesamte Infrastruktur dafür wieder in öffentliche Hand geführt werden.

Dies alles sind aber politische Forderungen, die nicht in nationalen Tarifverhandlungen geklärt werden können. Die Arbeiter_Innenklasse muss endlich wieder die politische Bühne betreten und beweisen, dass sie eine gesamtgesellschaftliche Perspektive formulieren kann. Alle hier erwähnten Bewegungen sind defensive Abwehrkämpfe, die dafür sorgen sollen, den Verfall des Lebensstandards aufzuhalten. Wir müssen aber selbst in die Offensive gehen. Oft wird argumentiert, dass in Zeiten von Krisen alle den Gürtel enger schnallen müssen. Aber gerade jetzt zeigt sich, wie unbrauchbar der Kapitalismus geworden ist, um für Wachstum und Wohlstand zu sorgen. Wenn sich die Kämpfe verbinden und ausweiten können wir uns, wie Marx es einst formulierte: „den ganzen alten Dreck vom Hals schaffen.“




Markiert der Ukrainekrieg wirklich eine Zeitenwende der kapitalistischen Gesellschaft?

Von Jonathan Frühling

Olaf Scholz verkündet in seiner Grundsatzrede am 27. Februar 2022 vor dem Bundestag, dass mit dem Ukrainekrieg eine Zeitenwende unserer Gesellschaft und Wirtschaft eingeleitet wurde. Doch was meint er damit, bzw. was meinen Revolutionär_Innen, wenn sie heute davon sprechen, dass der Kapitalismus in eine neue Phase eingetreten ist?

Grundlagen

Zunächst einmal ein paar grundsätzliche Dinge: Wir leben im Kapitalismus, d.h. einer Wirtschafts- und Gesellschaftsform, in der die Produktionsmittel (Firmen, Grund und Boden und Immobilien) in Privatbesitz sind. Diese Privatbesitzer_Innen lassen Arbeiter_Innen an ihren Produktionsmitteln arbeiten und beuten diese so für ihren Profit aus. Der Staat organisiert und verteidigt dieses System. Seit Konzerne international agieren und die gesamte Welt untereinander aufgeteilt haben, sind wir zudem mit Weltwirtschaftskrisen und Weltkriegen konfrontiert. Die Phase des Imperialismus war angebrochen. Daran hat sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts nichts wesentlich geändert.

Trotzdem ist die Behauptung, dass es Krieg und Krise ja schon immer gegeben habe und sich alles schon wieder verbessern werde, falsch und gefährlich. Natürlich bewegt sich das kapitalistische System in dem hier angedeuteten Rahmen. Jedoch bleibt die Zeit natürlich nicht stehen. Vielmehr unterliegt der Kapitalismus als ein System von extremen Widersprüchen zwangsläufig einer Entwicklung (wenn auch nicht zum Guten). Die Entwicklung in der momentanen Phase soll hier verdeutlicht werden.

Inflation

Inflation bezeichnet die langfristige Steigerung der Preise in den meisten Sektoren der Wirtschaft. Während Inflation in den Halbkolonien schon lange ein Problem ist, schien sie in den imperialistischen Ländern lange Zeit verschwunden zu sein.

Diese Entwicklung ist jedoch endgültig vorbei. Durch die Rezession (Rückgang der Wirtschaftsleistung) zu Beginn der Coronapandemie stieg die Staats- und Unternehmensverschuldung. Das Ausbleiben eines Booms danach sorgt jetzt dafür, dass die Verschuldung die Wirtschaft allgemein hemmt. Zudem sind die Lieferketten nach wie vor beeinträchtigt, weshalb Produkte nicht zum selben Preis wie vor Corona gefertigt werden können. Auch China fällt diesmal, anders als nach der letzten Wirtschaftskrise (2007/8) aufgrund von Coronaausbrüchen und eigenen wirtschaftlichen Problemen als Wachstumsmotor aus. Handelskriege, Protektionismus und Blockbildung (z.B. in Folge des Ukrainekrieges) sorgen für eine De-Globalisierung, welche zusätzlich verschärfend auf die Inflation wirkt.

Wahrscheinlich stehen wir am Anfang einer Stagflation, also einer Kombination von Stagnation (Stopp des Wirtschaftswachstums) und Inflation, welche sich gegenseitig verschärfen. Für die Masse der Bevölkerung führt die Inflation zu einer massiven Senkung ihrer Kaufkraft. Arme Menschen werden davon besonders stark betroffen. Die Folge ist eine massive Verarmung von Millionen von Menschen weltweit.

Der Ukrainekrieg und die politischen und wirtschaftlichen Folgen

Der schwindende Einfluss Russlands in Osteuropa durch die Nato-Osterweiterung und den pro-westlichen Putsch in der Ukraine haben den russischen Imperialismus dazu motiviert, mit militärischen Mitteln das Kräfteverhältnis zu seinen Gunsten zu verändern. Aus dem schnellen Sieg wurde jedoch nichts und es entwickelte sich ein verlustreicher Krieg für beide Seiten. Zwar kämpfen keine Nato-Soldat_Innen in der Ukraine, allerdings ist die Nato mit der Lieferung von Waffen im Wert von über 100 Mrd. US$, der Ausbildung der ukrainischen Armee und der Bereitstellung von Satellitenbildern und Geheimdienstinformationen und der Verhängung tiefgreifender Sanktionen längst zu einer kriegführenden Partei geworden.

Die Sanktionen haben weitreichende Folgen für beide imperialistische Blöcke. Zum einen heizen sie die Inflation weiter an, da für beide Seiten Rohstoffe und Produkte ausfallen, die nicht zum selben Preis ersetzt werden können. Zum anderen findet eine wirtschaftliche Entflechtung zwischen den beiden Blöcken statt. Westliche Firmen stellen ihr Russlandgeschäft ein und umgekehrt. Die Länder werden dadurch wirtschaftlich unabhängiger voneinander. Das wiederum macht eine direkte militärische Konfrontation in Zukunft wahrscheinlicher, da die wirtschaftlichen Kosten eines solchen Kampfes damit leichter für die kriegführenden Länder zu kompensieren sind.

Auch sicherheitspolitisch hat der Krieg Europa in Bewegung gesetzt. So wollen die vormals blockfreien Staaten Finnland und Schweden nun im Eilverfahren der Nato beitreten. Der EU- und Nato-Beitritt der Ukraine wurde zwar schon lange diskutiert, gilt nach einem ukrainischen Sieg nun aber als sehr sicher.

Doch nicht nur in Europa hat der Ukrainekrieg die Blockbildung verschärft. Durch die Isolation Russlands versucht beispielsweise Kasachstan (ein traditioneller Verbündeter Russlands) unabhängiger von Russland zu werden, weil das Land Angst hat, durch die enge Verbindung mit Russland selbst isoliert zu werden. Indien (ein Feind Chinas und deswegen in den letzten Jahren immer engerer Verbündeter der USA, aber traditionell auch ein Partner Russlands) wird von den USA gedrängt, gegen Russland Position zu beziehen.

Umweltkrise – Point of no return

Besonders prominentes Thema der vielfältigen Umweltkrisen ist natürlich die Klimaerwärmung. Trotz diverser Lippenbekenntnisse steigen jedoch die CO2-Emissionen und verschärfen das Problem. Der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und Atomkraft rückt durch den Ukrainekrieg in Europa in noch weitere Ferne. In der Folge werden Ökosysteme zerstört und Land aufgrund von Wassermangel unfruchtbar. Verarmung, Gewalt um die verbleibenden Quellen und die Destabilisierung ganzer Regionen hat deshalb (vor allem in Afrika) massiv zugenommen.

Auch das Artensterben erreicht riesige Ausmaße, die Abholzung von Wald, Umweltverschmutzung, die Störung des Nitratkreislaufes, Überfischung usw. usw. haben bedrohliche Ausmaße angenommen. Das alles ist zwar nicht neu, allerdings werden mittlerweile Millionen Menschen davon direkt betroffen, was durchaus eine neue Etappe in der Entwicklung des Problems darstellt.

Fazit

Es lässt sich darüber streiten, ob der Krieg in der Ukraine eine Zeitenwende markiert. Jedoch ist der Kapitalismus eindeutig in eine neue, noch krisenhaftere Phase eingetreten. Zwar haben viele Entwicklungen schon vorher ihren Anfang genommen, der Ukrainekrieg hat sie jedoch verschnellert und verstärkt. Das lässt sich vor allem über die Blockbildung sagen, die manche Bündnisse festigt, andere zerstört, wieder andere neu bildet. Das geht auch mit einer massiven, weltweiten Aufrüstung einher, bei der das 100 Mrd.Paket Deutschlands und sein Ziel, 2 % der Wirtschaftsleistung für das Militär auszugeben, stellvertretend gesehen werden sollte.

(Handels-)Kriege und die immer noch ungelöste Coronakrise heizen die Inflation weiter an und zerstören die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen. Viele Staaten, vor allem Halbkolonien, werden dadurch extrem instabil, wie sich z.B. am Libanon oder an Sri Lanka zeigt. Zudem werden die wirtschaftlichen Probleme des Kapitalismus immer schwerwiegender und die Mittel, diese zu bekämpfen immer unbrauchbarer. Die Diskussion zwischen niedrigen Leitzinsen (Zinsen, zu denen sich die Banken bei den Zentralbanken Geld leihen können), welche die Inflation anheizen, und hohen Leitzinsen, die zu einer Rezession führen können, zeigen an, wie eng der Spielraum für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation im Kapitalismus ist. Zudem wird die irreparable Zerstörung unserer Umwelt durch die kapitalistische Wirtschaft immer augenscheinlicher.

Das Alles macht eine revolutionäre Lösung auf all diese Probleme notwendig. Das Handeln der Zentralbanken, die Beschlüsse der UN-Klimagipfel oder die kapitalistische „Krisenlösung“ haben sich längst als eine Fortsetzung der Katastrophen entpuppt. Wir müssen international gegen das Kapital und ihre Regierungen vorgehen. Wie kann das besser gehen, als mit der Klasse der Lohnabhängigen, die überall dieselbe Unterdrückung erleidet, aber auch überall die Macht hat, diese zu bekämpfen? Wieso lokale symbolische Aktionen machen, wenn heute schon weltweit Arbeiter_Innen demonstrieren und streiken, um die Krise in ihrem Interesse zu lösen? Nur eine international geeinte Arbeiter_Innenbewegung, die lokale Kämpfe mit sozialistischem Internationalismus verbindet, hat die Macht etwas zu verändern!




Grundlagen des Marxismus: Warum gibt es immer noch Krieg?

von Felix Ruga

Mit dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine hat wirklich kaum jemand gerechnet. Alle dachten, dass Putin niemals so „verrückt“ sein könnte, wirklich eine offene Aggression zu starten. Und trotzdem kam sie dann und seitdem sind sich alle einig – von der Bildzeitung bis zur Bundesregierung -, dass das die Einzeltat eines Verrückten sei, der zu Fall gebracht gehört, dann wird es wieder Frieden in Europa geben. Es ist klar, dass Marxist_Innen widersprechen müssen, wenn große historische Zusammenhänge mit dem Charakter großer Männer erklärt werden, denn wir in den die Ursachen im System. Das wurde in dem Fall genauer in unseren anderen Artikeln zum Thema erklärt, aber der jahrelange Konflikt in der Ukraine geht zweifelsohne um die Frage, welcher Machtblock den größten Einfluss in der Ukraine haben soll: Russland oder die NATO? Und da stellt sich nun die Frage:

Warum gibt es überhaupt Einflusssphären?

Dass die Welt in Einflusssphären eingeteilt wird, ist nichts, was erst mit dem Kapitalismus entstanden ist. Mit Einflusssphären meint man Länder, die wirtschaftlich oder politisch von anderen, stärkeren Ländern abhängig oder sogar gelenkt sind. Das gab es auch schon in vorkapitalistischen Gesellschaften. Im Kapitalismus hat dies die Form der Kolonialisierung angenommen, bei der die Länder Lateinamerikas, Afrikas und Teilen Asiens den Kolonialreichen angeschlossen und dann ausgebeutet wurden. Nach dem 2. Weltkrieg ist die Form der Vollkolonien verloren gegangen und stattdessen überwiegt jetzt die Halbkolonie.

„Halbkolonie“, weil sie formal-politisch unabhängig ist, aber dennoch durch die wirtschaftliche Abhängigkeit von einem oder mehreren Ländern eine Kolonie ist, also auch politisch hörig.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts veränderte sich etwas Fundamentales im Kolonialsystem und die Arbeiter_Innenbewegung entwarf die Imperialismustheorien, um dies zu beschreiben. Diese besagt, dass der Kapitalismus seinen eigentlichen Zweck erfüllt hat, die Welt in ein globales System zu integrieren, denn dieses System ist nun hergestellt. Die gesamte Welt ist mittlerweile in Großmächte und abhängige Länder aufgeteilt und diese Abhängigkeit ist immer wichtiger geworden, weil das Kapital in den imperialistischen Nationen nicht mehr genug Absatz findet und nun auch in die schwächeren Länder anlegt.

Da die imperialistischen Nationalstaaten vor Allem die Interessen ihrer nationalen kapitalistischen Klasse vertreten, müssen sie stets bestrebt sein, ein möglichst effizientes imperialistisches System aus Halbkolonien aufzubauen, denn je effizienter dieses ist, desto größere wirtschaftliche Potentiale hat man. Das bedeutet nicht unbedingt, dass es dabei immer ausschließlich darum geht, wirtschaftlich relevante Einflusssphären zu behaupten. Bei manchen Ländern geht es mehr um „geostrategische“ Gründe, also dass sie militärisch gut liegen, eine konkurrierende Macht in der Ausbreitung blockieren oder andernfalls eine Gefahr für das eigene imperialistische System darstellen würden.

Und warum kommt es zu Eskalationen?

Oft bedeutet „gute“ imperialistische Politik die Ausweitung der eigenen Einflusssphäre. Dies entspricht im imperialistischen Zeitalter, andere Mächte zu verdrängen. Bei Halbkolonien nimmt das meist zunächst die Form erhöhter wirtschaftlicher Aktivitäten ein. Mit guten Preisen oder günstigen Investitionen möchte man Teile des Marktes in der Halbkolonie an sich reißen. Ab einem gewissen Punkt kann man die wachsende wirtschaftliche Abhängigkeit dazu ausnutzen, an die Halbkolonie auch politische Forderungen zu stellen. Wenn sich die Halbkolonie nun dagegen wehrt können auch ganz schnell Sanktionen oder Wirtschaftsblockaden erhoben werden, oder reaktionäre Putschbewegungen unterstützt. Oder eine Großmacht geht mit dem Brecheisen vor und marschiert direkt ein.

Dieses Verdrängen der alten Macht ist selbstverständlich eine heftige Provokation. Wenn diese unbeantwortet bleibt und damit die Eskalation einseitig nicht mitgetragen wird, dann bedeutet das auf kurz oder lang, dass die alte Macht ihre Position verliert. Dadurch gibt es einen Zwang, in der imperialistischen Weltpolitik Eskalationen mitzugehen, denn jede Großmacht, die das nicht tut, ist bald keine Großmacht mehr. Diese Konlikte werden nur im Extremfall mit unmittelbarer militärischer Gewalt ausgetragen. Politische Isolation,

wirtschaftliche Sanktionen oder militärische Drohkulissen gehen dem meist voraus und gehören zum gleichen imperialistischen Werkzeugkasten wie der Krieg. Daher auch der bekannte Ausspruch „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. Und solange es die imperialistische Konkurrenz gibt, solange wird es auch immer die Gefahr von Krieg geben.

Was machen wir dagegen?

Ein wirkungsvoller Widerstand gegen den Krieg darf nicht beim bloßen Pazifismus stehenbleiben. Einfach nur gegen Krieg zu sein, reicht leider nicht. Wir müssen das System, das den Krieg hervorbringt, überwinden. Deswegen benötigt eine Friedensbewegung eine klare antiimperialistische Haltung, die sich in innerimperialistischen Konflikten auf keine der beiden Seiten stellt, auch wenn die eine Seite aggressiver oder böser wirkt. Wir müssen uns gegen das gesamte imperialistische System aufstellen! Und dafür nehmen wir eine internationalistische Perspektive ein und wollen uns mit den Arbeiter_Innen- und Friedensbewegungen anderer Länder verbünden, wobei jede zunächst den eigenen imperialistischen Nationalstaat zum Hauptfeind nimmt, um nicht gegeneinander ausgespielt zu werden.

Allerdings verteidigen wir immer das Selbstbestimmungsrecht unterdrückter Völker und von Halbkolonien. Wenn wir gemeinsam ein neues, sozialistisches Weltsystem erkämpfen, dann können wir den Krieg auch endgültig beenden!

Daher fordern wir:

  • Für den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung gegen den Kapitalismus als Kriegsursache aus Arbeiter_Innen und Unterdrückten
  • Gegen imperialistische Aufrüstung und Militärbündnisse wie NATO oder OVKS
  • Für das Selbstbestimmungsrecht aller Völker und unterdrückten Halbkolonien



Der Krieg verschärft die Klimakrise

von Dilara Lorin

Aktuell häufen sich die Ereignisse um den Krieg sowie dessen direkten und indirekten Folgen auf unser Leben. So
werden in einigen Städten Deutschlands die Erdgasreserven aufgebraucht, in den Supermärkten indet man kaum planzliches Öl und von den Aufrüstungs- und Kriegsfantasien der imperialistischen Staaten braucht man gar nicht erst anfangen. Und auch wenn der letzte globale Klimastreik am 25.03. stattfand, ist die Frage der Umweltzerstörung eine immer weiter in die Ferne rückende. Wir können schnell erkennen, welche Interessen wichtiger sind im Kampf gegen die Umweltzerstörung und wie viel wichtiger Kriegsprofite zählen. Selbst die Ampelkoalition, die sich als umweltfreundliche Regierung tarnt, schmeißt den Ausstieg der Kohleverstromung bis 2030 nun ofiziell vom Tisch zugunsten der Aufrüstung. Der Krieg wird zum Anlass genommen, die Militärausgaben um weitere 100 Milliarden Euro zu erhöhen. Dabei übersteigen jetzt schon die globalen Militärausgaben die Ausgaben für den Klima- und Umweltschutz erheblich.

Ist Russlands Erdgas plötzlich nicht mehr demokratisch genug?

Es ist anzumerken, dass in der Geschichte erneuerbare Energien erst dann einen Aufschwung erfahren, wenn die imperialistischen Staaten des Westens merken, dass sie abhängig sind vom Erdöl und Erdgas und nicht wenn es eigentlich wichtig wäre, um gegen die Umweltzerstörung anzukämpfen. So verhält es sich aktuell mit dem Erdgas aus Russland, welches in Deutschland einen erheblichen Anteil am Energie- und Wärmeverbrauch besitzt.
Mehr als 50% des Gases in den Gaskraftwerken stammt aus Russland. Die bislang unaufgelösten Versprechungen einer
grünen Transformation erhalten nun einen neuen Zweck, indem gesagt wird, die Abkehr von russischen Energieträgern
diene nicht nur der „nationalen Sicherheit“, sondern auch dem Klimaschutz.
Dabei ist dagegen plötzlich Öl und Gas aus Nicht-Russland gefragter denn je. Und mit dem möglichen Beschluss der EU-Kommission, Erdgas und Atomkraft als „grüne“ Technologie einzustufen, ist die Debatte um Erdgas noch lange
nicht vom Tisch. Begründet wird dies auch in Deutschland mit dem Argument, 100% erneuerbare Energien
gehen nicht von heute auf morgen. Der Regierung geht es jedoch überhaupt nicht darum, wie man auf Öl und Gas verzichten kann. Es ist nur Fassade, dass dreckiges, blutiges und klimaschädliches Diktatorengas aus Russland durch grünes Demokratiegas mit Menschenrechtssiegeln ersetzt wird. Denn die neuen Lieferanten heißen unter anderem Katar, Saudi-Arabien oder Vereinigte Arabische Emirate. Darauf hat der OPEC schon reagiert und die Förderquoten erhöht, also anstatt weniger Kohle, Öl und Gas abzubauen, führt es zu mehr Abbau dieser fossilen Energieträger.
Und das russische Gas bzw. Öl bleibt nicht im Boden, es indet zu erheblichen Preisnachlässen neue Abnehmer_Innen
u.a. in Indien und China. In Deutschland wurde die (obwohl schon fertige) Nord Stream 2 Pipeline nicht in Betrieb genommen, stattdessen soll aufwendig verschifftes Frackinggas aus den USA in unsere Heizungssysteme gepumpt werden. Bei dessen Gewinnung wird Methan freigesetzt, welches für das Klima 87 Mal schädlicher als Kohlendioxid ist. Mit all diesen Entwicklungen ist jedes Gerede über das Einhalten des 1,5-Grad Klimaschutzziel zynisch. Vielmehr geht es um die Energieabhängigkeit Deutschlands und in keinster Weise um das Verhindern der Klimakatastrophe. Man will eigentlich eine neue Handelsrealität schaffen, in welcher Russland eine feindliche Militärmacht ist.
Gas ist eine Ware, die Profit verspricht, und als Brückentechnologie darum vor allem erneuerbare Energien vom Tisch
schmeißt. Es werden im kapitalistischen System, in welchem es nur um die Proitmaximierung geht, keine Investitionen in Windparks, Solarkraftwerke oder andere erneuerbare Energien gesteckt, wenn Gas mehr Proit erzielt. Zurzeit wird es
auch zum Instrument der Machtausübung, also zur Waffe im Kampf um die Neuaufteilung der Welt – der Rest ist moralische Reinwaschung imperialistischer Machtpolitik. Wir erkennen deutlich, von einer tatsächlichen Wende in der
Energieversorgung ist nichts zu erkenne. Der Krieg dient also als Vorwand dafür, konkrete Maßnahmen für den Klimaschutz zu blockieren, und wird gleichzeitig als Gelegenheit dargestellt, endlich mit dem Klimaschutz anzufangen. Was aber Krieg in Wahrheit mit den menschlichen Lebensgrundlagen in Verbindung bringt, ist nicht deren Rettung, sondern Vernichtung. Und das Klima ist nur eine der Bedrohungen der Lebensgrundlage.

Wie verstärken Kriege selbst die Klimakrise?

Kriege dienen im Kapitalismus dazu, dass imperialistische Staaten ihre Macht weiter ausbauen können, Interessen der Kapitalist_Innen zu verteidigen, Ressourcen sowie Land aufzuteilen und der Vernichtung der Überproduktion durch Zerstörung der feindlichen Wirtschaft. Die Kriege sowie die drohende Klimakatastrophe sind dabei nur einige Facetten eines kaputten und krisenhaften Systems; nur eine, der von Menschen entfesselten Gewalten gegen Menschen. Auch haben Kriege, Aufrüstung und Militarismus einen der größten Anteile an der Umweltzerstörung. Einerseits entstehen bei der Produktion von Waffen, Fahrzeugen, Jets, Schiffen und Raketen enorme Treibhausgase. Militärvehikel und Flugzeuge schlucken riesige Mengen an Treibstoff in Übung und Einsatz. Alleine das US-Militär emittierte mehr als Länder, wie Schweiz und Dänemark und die Ausgaben der US-Regierung im Irakkrieg hätten ausgereicht, um ein Viertel der Energieproduktion der USA durch Windkraft zu ersetzen. Der Krieg in Afghanistan hätte das dann auf drei Viertel erhöhen können! Andererseits werden durch militärische Aktivitäten die Lebensgrundlagen der Menschen zerstört (Boden, Luft, Grundwasser, Natur,…), auf dessen Rücken diese Kriege ausgetragen werden. Dabei wird oft die Natur mit Absicht zerstört so wie die USA in Vietnam, welches durch die bewusste Nutzung vom Entlaubungsgift „Agent Orange“ nach Schätzungen 14 bis 44 Prozents seiner Wälder verlor. An den Spätfolgen des Giftes leiden heute noch etwa eine Millionen Menschen. Auch werden regelmäßig bei militärischen Auseinandersetzungen Wälder verbrannt oder abgerodet, um ein besseres Sichtfeld zu erhalten, so wie im Konlikt zwischen Armenien und
Aserbeijan oder dem türkischen Regime gegen die kurdische Guerilla. Die aktuellen Auswirkungen des Ukraine Krieges auf das globale Nahrungsmittelsystem werden rund um den Globus zu spüren sein und treffen dann vor allem die Ärmsten und Arbeiter_Innen weltweit.

Was können wir tun?

Waffenlieferung, mehr Aufrüstung oder Sanktionen, wie es die Ampelregierung und auch große Teile der Umweltbewegung fordern, sind nicht die Lösung und nicht der Weg, um gegen die Auswüchse des kapitalistischen
Systems zu kämpfen. Umweltzerstörung, Krieg, Ausbeutung, Vertreibung sind nicht unterschiedliche und ohne Verbindung zufällig auftretende Erscheinungen, sondern sind Teil dieses Systems, tief miteinander verlochten und gegenseitig bedingt. Im Krieg müssen Revolutionär:innen in imperialistischen Ländern gegen die eigenen Regierungen kämpfen und sich nicht nur solidarisch mit den Antikriegsbewegungen der anderen Ländern zeigen, sondern gemeinsam international organisieren. Klima-Aktivismus muss auch eine antikapitalistische und damit auch letztlich eine Antikriegsbewegung darstellen. Aktionen des zivilen Ungehorsams dürfen nicht nur gegen Kohlegruben und Abholzung stattinden, sondern müssen auch Rüstungsirmen und Militärtransporte betreffen, so wie es die Arbeiter:innen in Griechenland, Italien und Belarus uns vormachen, in dem sie Waffenlieferungen boykottieren. Ende Gelände hat dabei Ende März schon einen Anfang gemacht. Wir müssen Perspektiven aufwerfen für die Arbeiter:innen in diesen Betreiben, denn letztendlich sind sie es, die mit Streiks das Rad zum Stehen bringen können. Schlussendlich müssen wir uns organisieren und eine Antikriegsbewegung aufbauen, die all diese Kämpfe verbindet.




Antikriegsbewegung aufbauen – aber wie?

Jaqueline Katherina Singh

Seit der Invasion des russischen Imperialismus in die Ukraine hört man öfter das Wort „Zeitenwende“, denn der Krieg hat eine neue eine neue Phase der Weltpolitik eingeläutet. Millionen Menschen sind bisher zur Flucht gezwungen worden, Tausende sind der Kriegsführung zum Opfer gefallen und Unzählige werden noch folgen. Das wirft Fragen auf, die sich viele deswegen stellen: Wie kann das Morden gestoppt werden? Wie kann Frieden hergestellt werden? Diese Fragen haben sich auch die Millionen Menschen gestellt, die ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine Woche für Woche auf die Straße tragen. In unserem Artikel wollen wir beleuchten, auf welcher Grundlage eine Antikriegsbewegung erfolgreich sein kann und wie wir sie aufbauen können.

Was ist Krieg?

Bevor wir uns jedoch konkreten Forderungen widmen, brauchen wir jedoch das Verständnis, dass Kriege ein Ergebnis von Klassengegensätzen im Kapitalismus sind und nicht nur durch machtpolitische Kalküle entstehen oder von „verrückten Diktatoren“ gemacht werden. Auf den ersten Blick wirkt Krieg wie etwas Vermeidbares. Da im Kapitalismus jedoch alle Kapitalfraktionen weltweit in Konkurrenz zueinander stehen und immer mehr Profite akkumulieren müssen, während die Ressourcen der Welt aber endlich sind, kommt es immer wieder zu der Situation, dass sich die Nationalstaaten, die hinter den jeweiligen Kapitalfraktionen stehen, darum bekriegen, wer das größere Stück vom Kuchen abbekommt.

Was bedeutet das konkret?

Anders ist es auch nicht im Falle der Ukraine wie wir an anderer Stelle in dieser Zeitung ausführlich beschrieben haben. Sagt man in diesem Krieg zwischen verschiedenen imperialistischen Blöcken jetzt nur „Hände weg von der Ukraine“ – wie bei dem großen Protesten Ende Februar – und sonst nichts, blendet man die strukturellen Gründe aus, die zu diesem Krieg geführt haben. Aber auch reiner Pazifismus á la „Legt doch einfach alle die Waffen nieder!“ kann nicht die Grundlage einer internationalistischen Antikriegsbewegung sein, weil auch dieser nicht die Wurzel des Problems
angreift und deswegen praktisch recht wenig bringt. Historisch ist leider auch oft geschehen, dass sich die überzeugtesten Pazifist_innen in der Konfrontation der eigenen herrschenden Klasse anbiedern und im schlimmsten Fall zu Kriegsbefürworter_innen werden. Das kann man nicht nur bei ehemaligen Pazifist:innen aus der SPD und den Grünen sehen, die jetzt 100 Milliarden für die Bundeswehr durchgewunken haben, sondern auch bei den NGOs, den Gewerkschaftsführungen und den Spitzen der Linkspartei, die allesamt die Wirtschaftssanktionen akzeptieren. Das lässt uns mit der Frage zurück: Was müssen stattdessen die Grundlagen einer Antikriegsbewegung sein?
Kernforderungen sind:

1. Der Hauptfeind steht im eigenen Land! Klassenkampf statt nationaler Einheit!

Deutschland und der Westen verteidigen nicht das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine, sondern verfolgen vielmehr das Ziel, Russland als imperialistischen Konkurrenten auszuschalten und die Ukraine dauerhaft zu ihrer Halbkolonie zu machen. Die Behauptung, dass es den herrschenden Klassen Deutschlands oder seiner NATO-Verbündeten um einen Kampf zwischen Demokratie und Diktatur, zwischen Willkür und Menschenrechten ginge, ist eine Lüge. Sie soll nur die Bevölkerung auf Aufrüstung, NATO-Expansion nach Osten, Unterstützung der Sanktionen und ggf. ein direktes militärisches Eingreifen ideologisch vorbereiten und einstimmen. Deswegen ist es wichtig, dass wir hierzulande nicht zu den deutschen Interessen schweigen, sondern klar sagen:

•Nein zu jeder NATO-Intervention! Gegen alle Sanktionen, Aufrüstung, NATO-Truppenverlagerungen und Waffenlieferungen! Gegen NATO-Ausweitung, sofortiger Austritt aus der NATO!

2. Keinen Cent für den deutschen Imperialismus! Wir zahlen nicht für den Krieg!

Dem neuen militärischen Kurs und der „Zeitenwende“ eines Olaf Scholz sollen wir nicht nur zustimmen, sondern auch noch dafür zahlen. Die 100 000 000 000 Euro für die Bundeswehr sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Es kommen steigende Preise infolge der Sanktionen, die schon jetzt beim Einkaufen deutlich zu spüren sind. Folgen können Sozialabbau, Kürzungen und Steuererhöhungen sein, um die Aufrüstung der Bundeswehr zu finanzieren.

•Keinen Cent für die imperialistische Politik, für die Bundeswehr! Nein zum 100-Milliarden-Programm der Ampel-Koalition!
•Die Kosten der Preissteigerung müssen die Herrschenden zahlen! Wir wollen weder hungern, noch frieren für ihren Krieg!
•Enteignung des Energiesektors und anderer Preistreiber_innen unter Arbeiter_innenkontrolle! Übernahme gestiegener Lebenshaltungskosten der
Arbeiter_innenklasse, der Rentner_innen, von Erwerbslosen durch Besteuerung des Kapitals!
•Keine Profite mit dem Morden: Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und Umwandlung in z.B. die Produktion von Beatmungsgeräten unter Arbeiter_innenkontrolle!

3. Nein zu Putins Angriffskrieg! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung und Antikriegsbewegung in Russland!

Eine Antikriegsbewegung, die diesen Namen verdient, muss die Invasion in der Ukraine verurteilen, den sofortigen Abzug der Truppen und die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Ukraine fordern (genauso wie von der Ukraine jenes der Krim und des Donbass zu verlangen ist). Eine Bewegung, die glaubwürdig gegen die Politik der NATO-Mächte kämpfen will, darf zum russischen Imperialismus nicht schweigen. Gleichzeitig dürfen wir die Kräfte in Russland, die gegen den Krieg kämpfen, nicht isolieren, sondern sollten sie unterstützen.

•Sofortiger Abzug der russischen Armee! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, Anerkennung ihres Rechts auf Selbstverteidigung gegen die Invasion!
•Solidarität mit der Antikriegsbewegung und der Arbeiter:innenklasse in Russland; Verbreitung der Aktionen gegen den Krieg; Freilassung aller Festgenommen!
•Aufnahme aller Geflüchteten, Bleibe- und Staatsbürger_innenrechte für alle – finanziert durch den Staat; Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, Aufnahme in die Gewerkschaften!

4. Politischer Massenstreik und Massendemonstrationen gegen jede direkte NATO-Intervention!

Sollten die NATO-Länder zu einer direkten militärischen Intervention z. B. durch die Errichtung von Flugverbotszonen schreiten, muss die Arbeiter_innenklasse unmittelbar gegen diese Eskalation mobilisiert werden, um mit einem politischen Streik bis hin zum Generalstreik die gefährliche Katastrophe zu verhindern und die Kriegstreiberei zu stoppen! Wie sinnvoll solche Aktionen sind, zeigen schon jetzt Arbeiter_innen in Belarus, Italien oder Griechenland, die die Lieferung von Waffen verhindert haben, indem sie sich weigerten, diese zu liefern. Die Ablehnung jeder Klassenzusammenarbeit, jeder Unterstützung der Regierung und ihrer militärischen und wirtschaftlichen Interessen ist nicht nur unerlässlich im Kampf gegen den „eigenen“ Imperialismus, den Hauptfeind im eigenen Land. Sie schafft zugleich auch die besten Voraussetzungen für den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung – insbesondere auch in Russland und in der Ukraine. Wenn sich die Lohnabhängige und wir Jugendlichen in Deutschland und anderen
westlichen Ländern gegen die eigenen Regierung stellen, untergraben wir auch den reaktionären völkisch-nationalistischen großrussischen Nationalismus.




Ukraine-Krieg: Vom Kampf der Imperialist_Innen zum Kampf der Klassen!

Die imperialistischen Mächte verfolgen verschiedenste Interessen im Ukraine-Krieg. Die Schaffung einer unabhängigen Ukraine gehört leider nicht dazu. Das muss die internationale Arbeiter_Innenbewegung schon selbst machen.

Seit nun mehr über einem Monat wütet ein blutiger Krieg in der Ukraine. Jeden Tag erreichen uns neue Schreckensmeldungen über bombardierte Zivilist_Innen und gescheiterte Evakuierungsversuche. Hunderttausende Ukrainer_Innen mussten ihr Zuhause verlassen und befinden sich auf der Flucht. Putins offizieller Vorwand, warum er am 24. Februar seine Panzer über die ukrainische Grenze rollen ließ, war es, die Ukraine „entnazifizieren“ zu wollen. Dabei verpackte er seine eigenen imperialistischen Expansionsinteressen als antifaschistische Mission. Tatsache ist, dass die Regierung des ukrainischen Präsidenten Selenskyj nicht zimperlich ist, wenn es darum geht, mit Faschist_Innen zusammenzuarbeiten. So wurde das rechtsradikale Asow-Bataillon in die ukrainischen Streitkräfte aufgenommen, wurden ehemalige Nazi-Kollaborateure rehabilitiert und zu regelrechten „Volkshelden“ stilisiert. Linke Oppositionsparteien wurden im Zuge des Krieges verboten. Truppen, die systematisch Sinti_zze und Rom_nja überfallen, wurden von Präsident Selenskyj per Ordensverleihung zu „Helden der Ukraine“ gekürt. Doch das Schicksal von Sinti_zze und Rom_nja in der Ukraine ist den Putin-Trollen relativ egal, solange sie damit ihren Krieg rechtfertigen können. Zumal sich Putin als queerfeindlicher Autokrat selbst nicht zu schade ist, faschistische Söldner_Innen für seine militärischen Ziele einzuspannen und die extreme Rechte international zu unterstützen. Faschist_Innen auf der ganzen Welt sind sich deshalb aktuell auch nicht so ganz einig, auf wessen Seite sie in diesem Krieg eigentlich stehen sollen, beide scheinen ihnen ganz sympathisch zu sein.

Innerimperialistische Konflikte auf dem Rücken der Ukraine

Doch, wenn es Putin nicht um „Entnazifizierung“ geht, warum führt er diesen Krieg? Diese Frage beschäftigt natürlich nicht nur uns. Die gesamte Bandbreite von bürgerlichen Zeitungen, Nachrichtensendungen, Think-Tanks und Parteizentralen hat sie lang und breit diskutiert, und alle sind sich einig: Putin ist ein verrückter Diktator, der den Rachen nicht voll genug bekommen kann. Auch wenn da sicherlich etwas Wahres dran ist, hilft uns diese verkürzte Sichtweise nicht, den Krieg zu verstehen, um ihn bekämpfen zu können, sondern allenfalls der NATO, sich als der überlegene Garant von Frieden, Freiheit und Menschenrechten darzustellen. Vielmehr ist es wichtig, zu verstehen, dass es sich bei diesem Krieg um eine militärische Auseinandersetzung zwischen imperialistischen Mächten handelt, nämlich dem russischen Imperialismus auf der einen Seite und dem US-amerikanischen und europäischem Imperialismus in Form der NATO auf der anderen Seite. Das Schicksal der Ukraine interessiert dabei eigentlich keine von beiden Seiten. Auf ihrem Rücken wird der Konflikt lediglich ausgetragen. Für Russland war die Ukraine seit jeher lediglich ein günstiger Rohstofflieferant, dem jede eigenständige nationale Identität abgesprochen wird. Doch auch dem Westen geht es nicht um die Verteidigung der Unabhängigkeit der Ukraine. Im Gegenteil soll die Ukraine möglichst abhängig von westlichen Krediten sein, um weitere Geldflüsse an die Durchsetzung von günstigen Investitionsbedingungen für westliche Konzerne zu knüpfen. Diese Perspektive verkörpert die pro-westlich-neoliberale Ausrichtung der Selenskyj-Regierung. Unter dieser Regierung kämpft die Ukraine also nicht gegen die russische Invasion für ihre Unabhängigkeit. Vielmehr kämpft sie dank massiver Militärhilfen aus Europa und den USA dafür, verlängerte Werkbank, Getreidelieferant und Absatzmarkt des Westens sein zu dürfen. Deshalb sprechen wir beim Ukraine-Krieg von einer Konfrontation zwischen imperialistischen Blöcken.

Die verschiedenen Interessen von Russland, den USA, Deutschland und der EU

Der russische Imperialismus befindet sich schon seit Jahrzehnten in wirtschaftlicher Hinsicht auf dem absteigenden Ast. Um dennoch auf der Weltbühne mitreden zu können, setzt Putin die militärische Stärke Russlands ein, um wenigstens die ehemaligen Verbündeten weiter unter seinem Einfluss zu behalten. Diese Strategie wurde in den letzten Jahren zunehmend aggressiver, wie wir bereits 2014 in der Ukraine, aber auch in Syrien, Kasachstan, Moldawien oder Belarus gesehen haben. Auch für die EU und insbesondere Deutschland ist Osteuropa ein interessanter Raum für Kapital- und Warenexport. So wurden sich im Zuge der EU-Osterweiterung immer neue Marktterritorien erschlossen, die nun als Produktionsstätten für VW dienen oder mit LIDL-Discounterpreisen die lokalen Ökonomien zerstören. Da aber gerade in Deutschland einige Teile des Kapitals auch auf gute Handelsbeziehungen mit Russland angewiesen sind, galt es für die deutschen Regierungen, bei ihrer wirtschaftlichen Ausdehnung nach Osten immer behutsam vorzugehen und niemanden vor den Kopf zu stoßen. Das lange Zögern der Ampel-Regierung im Umgang mit dem Ukraine-Krieg hat dies wieder deutlich gemacht. Weniger vorsichtig ist dagegen die USA. Dieser waren die europäisch-russischen Beziehungen (wie der ehemals geplante Bau der Erdgaspipeline Nord-Stream-2) schon immer ein Dorn im Auge. Die Ukraine-Krise bietet Präsident Biden die Möglichkeit, Europa erneut hinter der NATO als Einheit des Westens zu vereinen und zu viel Einigkeit auf der eurasischen Kontinentalplatte (auch mit Blick auf Chinas Projekt der Neuen Seidenstraße) zu verhindern.

Die Vorgeschichte des Krieges

Die Ukraine ist bereits seit fast 10 Jahren ein Austragungsort dieser Konflikte zwischen den imperialistischen Mächten. Nachdem Russland versuchte, die Ukraine wirtschaftlich stärker an sich zu binden, reagierten die USA und die EU, indem sie eine auf Rechtsextremist_Innen und pro-westliche NGOs gestützte Protestbewegung finanzierten, die sich aufgrund der Wirtschaftskrise schnell zur Massenbewegung entwickelte und die ukrainische Regierung 2013 zu Fall brachte. Die neue Regierung begann schnell, Verträge mit der EU und den USA abzuschließen. Hilfsgelder, Kredite und Militärhilfen flossen in Massen in die Ukraine, während im Gegenzug für westliche Konzerne privatisiert wurde. Unterstützt von Putin regte sich Widerstand im Osten des Landes, welcher 2014 zur russischen Annexion der Halbinsel Krim und zur Gründung der sogenannten Donbass-Republiken führte. Russland fühlte sich durch ein ökonomisches Vorrücken des Westens in seine traditionellen Einflussgebiete und auch militärisch durch immer weiter nach Osten gerichtete Truppenverlagerungen der NATO bedroht. In jahrelangen Verhandlungen mit westlichen Politiker_Innen wollte jedoch niemand von ihnen einen NATO-Beitritt der Ukraine ausschließen. Putin wollte mit seiner Invasion also aufzeigen, dass er keinen NATO-Beitritt der Ukraine duldet und selbst territoriale Ansprüche auf Teile im Osten der Ukraine stellt. Den aktuellen Zeitpunkt für seine Invasion sah er als geeignet an, da ihm der Westen uneinig und die Abhängigkeit von russischem Gas weltweit hoch schien.

Frieden am Verhandlungstisch?

Dass der Krieg derart lange dauern würde, hat mit Sicherheit niemand im russischen Staatsapparat aber auch nicht in den Kommandozentralen der NATO gedacht. Während Russland die Widerstandskraft des vom Westen aufgerüsteten ukrainischen Militärs unterschätzt hat, haben EU und USA nicht damit gerechnet, dass die russische Wirtschaft sich so lange gegen die Sanktionen behaupten kann. So wurde mal wieder deutlich, dass die Wirtschaftssanktionen gegen Russland Putin kaum von seinen Kriegsplänen abhalten, stattdessen aber die russische Zivilbevölkerung in tiefstes Elend stürzen. So groß und beeindruckend die Friedensproteste in vielen europäischen Großstädten waren, ihr Ruf nach Sanktionen gegen Russland haben den Frieden keinen Schritt nähergebracht. Nun hoffen sie alle auf erfolgreiche Friedensverhandlungen zwischen den beteiligten Kriegsparteien. Natürlich ist Reden erst einmal besser als Wohngebiete zu bombardieren, aber kein Putin und kein Selenskyj wird einen gerechten Frieden am Verhandlungstisch unterschreiben. Friedensabkommen sind immer nur zeitweilige Kompromisse zwischen imperialistischen Mächten, die gerade keine Möglichkeit mehr sehen, anderweitig mehr für ihre Interessen rauszuschlagen. Der Konflikt wird dabei für einen Moment eingefroren, wobei unklar bleibt, wie lange. Welches Friedensabkommen in der Geschichte wurde eigentlich nicht irgendwann wieder gebrochen?

Für eine unabhängige Position der Arbeiter_Innenklasse!

Die einzigen, die Interesse an einem wirklichen Frieden (und nicht an der Sicherung von Einflusssphären oder Absatzmärkten) haben, sind die lohnabhängigen Massen in der Ukraine und Russland. Sie müssen mit ihren nationalistischen Führungen brechen, sich selbstständig in eigenen Kampforganisationen gegen die reaktionären Truppen verteidigen, die Oligarch_Innen enteignen und die Waffen nicht gegeneinander, sondern gegen das Kapital richten. Wenn die Soldat_Innen sich weigern zu schießen, die Eisenbahner_innen streiken und keine Truppen transportieren oder die Industriearbeiter_Innen die Waffenproduktion bestreiken, kann ein Krieg beendet werden. Dabei liegt es auch an uns, hier eine Antikriegsbewegung aufzubauen, die sich weder auf die Seite der NATO, noch auf die Seite Putins schlägt, sondern sich hinter dem Banner der internationalen Arbeiter_Innensolidarität versammelt.

Gegen die Aufrüstungspläne des deutschen Kapitals!

Hier vor Ort dürfen wir den riesigen Friedensdemos nicht den Rücken zukehren. Dass die Leute gegen den Krieg auf die Straße gehen, ist richtig. Es liegt an uns ihnen aufzuzeigen, dass wir nur durch die Einnahme einer dritten Position an der Seite der Arbeiter_Innenklasse gerechten Frieden und eine unabhängige Ukraine erkämpfen können. Dabei müssen wir als Antikriegsbewegung hierzulande vor allem gegen alle Versuche der Regierung kämpfen, den Krieg weiter anzufeuern. Dazu gehört auch, sich gegen das milliardenschwere Aufrüstungsvorhaben der Bundesregierung zu stellen. Während Bildung und Gesundheit kaputtgespart werden, will sich Deutschland zukünftig den drittgrößten Rüstungsetat der Welt geben. Olaf Scholz oder Annalena Baerbock versuchen uns schon einmal auf den Kriegstaumel einzustimmen, indem sie eine militärische „Zeitenwende für Deutschland“ ankündigen, in der wir „für den Frieden frieren“ sollen. Der ukrainischen Bevölkerung ist dabei kein Stück geholfen, dafür aber den Interessen des deutschen Kapitals, das endlich eine wichtigere Rolle auf der Weltbühne spielen möchte, aber aus historischen Gründen sich bisher immer zurückhaltend mit dem Militär zeigen musste. Die Ukraine-Krise ist den deutschen Politiker_Innen ein willkommener Vorwand, die Zeit der militärischen Zurückhaltung Deutschlands für beendet zu erklären. Sowohl die Linkspartei als auch die Gewerkschaften halten sich mit Kritik dabei traurigerweise stark zurück. Während die Linkspartei sich ihre Chancen, irgendwo mitregieren zu können, nicht verbauen möchte, haben die Gewerkschaften Angst, ihre guten Beziehungen zum deutschen Kapital zu gefährden. Damit sollten wir sie nicht durchkommen lassen!

Willkommenskultur

Ein positives Zeichen ist die überwältigende Solidarität, mit der große Teile der Bevölkerung den ukrainischen Geflüchteten zur Seite stehen. Aufopferungsvoll und ehrenamtlich werden leere Zimmer zur Verfügung gestellt, Bedarfsgüter gespendet und warme Mahlzeiten am Berliner Hauptbahnhof verteilt. Die Regierung macht es sich jedoch zu leicht, wenn sie diese gesamte Arbeit auf die Bevölkerung ablädt. Durch die Enteignung eines durch Corona sowieso leerstehenden Luxushotels könnte ganz schnell viel mehr Platz für Geflüchtete geschaffen werden, als wir Menschen in unseren Privatwohnungen aufnehmen können. Außerdem fragen wir uns, warum 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr da sind, aber nicht für Handtücher.

Kein Mensch ist illegal!

Einen faden Beigeschmack bekommt das Ganze zusätzlich, wenn man sich vor Augen führt, warum die hunderttausenden Geflüchteten aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, Eritrea, Iran, Libyen und dem Sudan nicht annähernd so freundlichen willkommen geheißen wurden. Im selben Moment, in dem ukrainische Geflüchtete mit kostenlosen Zugtickets ins Land geholt wurden, beschließt die polnische Regierung eine kaum überwindbare Mauer an der Grenze zu Belarus zu bauen, um die dort festsitzenden Geflüchteten aus dem Land zu halten. POCs sowie Sinti_zze und Rom_nja, die ebenfalls aus der Ukraine fliehen wollten, wurden an der Grenze abgewiesen. In Berlin wurden Geflüchtete aus ihren Unterkünften geschmissen, Familien getrennt, um Platz für ukrainische Geflüchtete zu schaffen. Ein CBS-Journalist brachte den rassistischen Hintergrund dieses Missstands auf den Punkt, als er begeistert sagte, die Geflüchteten aus der Ukraine seien „Menschen aus der Mittelschicht, die aussehen wie wir“. Es ist interessant zu beobachten, zu welchem einem menschlichen Umgang mit Geflüchteten diese Regierung fähig ist, wenn die Geflüchteten nur in die geopolitische Ausrichtung der Außenpolitik passen. Diese Ungleichbehandlung müssen wir anprangern und sichere Fluchtwege, offene Grenzen, dezentrale Unterbringung und Staatsbürgerrechte für ALLE Menschen, die vor Krieg, Hunger, Verfolgung, Ausbeutung oder Naturkatastrophen fliehen müssen, einfordern!




Steigende Energiepreise betreffen uns alle

Aus: „Was hat der Krieg eigentlich mit mir zu tun?“

Gastbeitrag von Resa Ludvin

„Oh nein, meinen Porsche zu betanken, ist jetzt so teuer! :(“ Zugegeben, das ist eine sehr platte und klischeeartige Assoziation mit den steigenden Spritpreisen. Menschen mit wenig Geld können sich oft nicht mal ein Auto oder den Sprit dafür leisten. Wenn sie eins haben, dann oft weil sie echt darauf angewiesen sind, mehrere Kinder von A nach B bringen müssen, Angehörige versorgen, am Arsch der Republik leben, weite Strecken zur Arbeit pendeln oder das Auto dank fehlender Öffis einfach schneller und bequemer ist. Bei 60l sind jetzt schnell mal 140 Euro und mehr für einen vollen Tank weg. Geld, das die Menschen nicht haben oder von ihrem Essensgeld abziehen müssen, damit sie überhaupt zur Arbeit kommen. Schon vor dem Krieg saugte die Inflation, sprich, dass wir für unser Geld weniger bekommen als vor ein paar Jahren, uns die Taschen schneller leer. Jetzt – im Krieg – explodieren die Preise geradezu. Noch krasser ist die Auswirkung auf Lebensmittelpreise. Der Aufpreis der Spritkosten in der Landwirtschaft und im Transport wird auf den Nahrungsmittelpreis aufgeschlagen. Gleichzeitig wird Weizen teurer, weil der Weltmarkt von ukrainischem und russischen Weizen mitbestimmt wird.

Weiter gehts‘s, wenn wir die Heizung aufdrehen, kochen oder duschen. Der Winter ist noch nicht vorbei und Mitteleuropa ist vom russischem Öl und vor allem Gas abhängig. Damit die Bude nicht kalt bleiben muss, gibt es für Hartz IV-Empfänger_Innen einen Heizkostenzuschuss. So weit so gut, so richtig. Das Problem ist dadurch nicht gelöst. Tagtäglich fließen Millionen Euros für russisches Gas und Öl gen Osten. Durch den Krieg wurde die Debatte um die deutsche und europäische Abhängigkeit neu befeuert. Obwohl die Grünen in der Regierung sind, wird das Ende von Kohle oder Atom wieder in Frage gestellt. Wenn sie nun erneuerbare Energien als Lösung für das deutsch-russische Abhängigkeitsverhältnis bieten („Freiheitsenergien“), dann nur aus einer imperialistischen und nationalchauvinistischen Rhetorik heraus. Sie machen Umweltpolitik zur Kriegspolitik. Aber nicht nur in Erneuerbare, sondern in noch umweltzerstörerische Energien wollen sie investieren – zum Beispiel, indem teures Fracking-Gas aus den USA importiert werden soll oder Flüssiggas aus der Monarchie Qatar gekauft wird. Das Land in dem dieses Jahr die WM stattfinden soll, für die vor Ort bereits über 6000 Arbeiter_Innen gestorben sind, aufgrund von fehlendem Arbeitsschutz.

Hierzu muss sich die Umweltbewegung um Fridays For Future positionieren und von den Grünen trennen. Hier zeigt sich ihr wahrer Charakter, die Grünen sind eine bürgerliche Partei und haben im Grunde weder stabile Antworten auf die Energiefrage noch auf die soziale Frage – aber sie sind eine Kriegspartei! Sie waren es im Kosovo, in Afghanistan und sie werden es auch nun wieder sein. Nichts anderes war von ihnen zu erwarten. Ganz zu schweigen von der SPD. (Die FDP brauchen wir hier gar nicht zu erwähnen.) Nicht nur, dass gerade sie es waren die bis zur letzten Minute an Nordstream 2 festgehalten haben, bieten sie weder in der Kriegsfrage noch in irgendeiner anderen Frage Antworten für die Arbeiter_Innenklasse. Denn gerade sie leidet an den steigenden Preisen und und zahlt die Zeche. Es zeigt sich, dass es einen Schnittpunkt der Energiefrage mit der sozialen Frage und dem imperialistischen Krieg gibt. Nur wer in einem Programm und einem politischen Kampf gemeinsam mit progressiven Kräften innerhalb der Linken und den Gewerkschaften, die Verbindung sucht, hat eine Chance auf all diese Fragen nicht nur Antworten, sondern auch Lösungen zu bieten.

Es kann nicht sein, dass mit einer vermeintlich arbeiter_Innenfreundlichen Rhetorik, die nicht will, dass „Menschen in Europa frieren müssen“ (als ob sie das ohne den Krieg nicht schon längst tun müssten – unter Brücken, oder Wohnungen mit Uraltfenstern), die Menschen für die Kriegspolitik gewonnen werden sollen – und für sie mit hohen Preisen und Steuergeldern zahlen! Es wird versucht, Fortschritte, die die Umweltbewegung erkämpft hat, wie z.B. der Atomkraftausstieg rückgängig zu machen – unter der Fahne der Demokratie, ohne das wir gefragt werden! Wenn irgendwo die Öl- und Gaszufuhr gedrosselt werden muss, dann doch bei großen Konzernen und Reichen! Wir hätten da schon mal eine Liste und Rheinmetall und Heckler und Koch stehen ganz oben. Eine wichtige aktuelle Frage, aber auch der Zukunft, ist die Energiefrage. Die Alternativen zum Gas und Öl dürfen nicht Atom, Kohle oder gar Fracking heißen! Gerade jetzt muss die Lage genutzt werden, um in Erneuerbare zu investieren. Bezahlen können das die Reichen und Konzerne, die gerade versuchen, auf Kosten der russischen Konkurrenz ihren Markt zu erweitern! Es ist schockierend, dass Atom wieder cool ist, aber niemand einen Spitzensteuersatz oder eine Vermögensabgabe fordert. Damit könnten Schulen überall Luftfilter installieren, Pflegekräfte und Erzieher_Innen dauerhaft mehr Geld bekommen und der Verkehr könnte ganz ohne Sprit auf die Schiene verlagert werden.

Eine internationalistische Lösung in einem Konflikt zwischen imperialistischen Mächten zu finden, ist alternativlos, wenn wir wollen, dass weder russische, noch ukrainische, noch deutsche Arbeiter_Innen dafür zahlen. Nur die Überwindung eines Systems, welches Kriege um Profit und Einflusssphären immer und wieder hervorruft, kann eine langfristige Perspektive bieten. Daher fordern wir:

  • Krieg dem Krieg! Ein Ende kann nur internationalistisch sein, gemeinsam mit der ukrainischen und russischen Arbeiter_Innenklasse
  • Erneuerbare Energien jetzt, bye bye Öl und Gas zur Finanzierung Putins!
  • Kein Fracking! Egal ob in den USA oder Europa – das ist weder eine umweltpolitische noch internationalistische Lösung!
  • Lasst die Reichen zahlen! Spitzensteuersatz: wenn nicht jetzt wann dann?!
  • Keiner darf frieren! Zwackts bei den Großkonzernen ab!
  • Ausbau des Schienenverkehrs!
  • Mehr Öffis auf dem Land!
  • Schiene statt LKW-Transport!
  • Kriegstreiber_Innen- und Industrie enteignen! Lasst Gerhard Schröder und co. unsere Tankrechnungen bezahlen!



Sonntag 13. März: Gegen die Aufrüstung! Nein zum Krieg! Weder Putin noch NATO!

Klassenkämpferischer und antiimperialistischer Block zur Großkundgebung in Berlin für Frieden und Solidarität für die Menschen in der Ukraine

Sonntag, 13.3. 11.45 Uhr Alexanderplatz
Treffpunkt: vor dem Cubix-Kino
Beim Treffpunkt der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften

Seit zwei Wochen dauert der Angriff der russischen Streitkräfte auf ukrainische Städte und Dörfer an. Über 1,5 Millionen Menschen sind bereits geflohen. Putins reaktionärer Krieg muss sofort gestoppt und die Truppen zurückgezogen werden. Geflüchtete benötigen ein volles Einreise-, Aufenthalts- und Arbeitsrecht, ohne jegliche rassistische Segregation.

Der Krieg ist kein Krieg zwischen Diktatur und Demokratie, sondern ein Ringen um kapitalistische Einflusssphären. Die EU und die NATO sind kein Ausweg! Die Länder Osteuropas dienen auch für die deutsche Industrie als Niedriglohnländer und Absatzmärkte, während der Internationale Währungsfond die Ukraine zu Sparmaßnahmen und Privatisierungen zwingt. Es braucht die internationale Solidarität der Arbeiter:innenbewegung, um sich überall gegen die kriegerische Eskalation, Ausbeutung und Unterdrückung zu wehren.

Wir stellen uns deshalb nicht nur gegen Putins Einmarsch, sondern auch gegen jede Intervention der NATO. Wir lehnen entschieden den neuen Kurs der deutschen Außenpolitik ab, der eine massive Aufrüstung der Bundeswehr und stärkere deutsche Beteiligung an internationalen Konflikten und Kriegen bedeutet.

Wir begrüßen, dass die Gewerkschaften zu Mobilisierungen gegen den Krieg aufrufen – wir lehnen jedoch scharf ab, dass sie sich hinter die Sanktionen stellen, die letztlich die Lebensbedingungen der russischen Bevölkerung zerstören und zugleich die Gefahr der Eskalation des Kriegs erhöhen. Sanktionen sind kein friedliches Mittel, sondern nur eine andere Form der Kriegsführung!

Als Gewerkschafter:innen und Linke sind wir ebenso der Meinung, dass wir dem deutschen Militarismus nicht einmal den kleinen Finger geben dürfen: Es reicht nicht aus, wie es der DGB tut, die Aufrüstung „kritisch“ zu beurteilen – wir müssen sie auf das schärfste ablehnen! Nein zum 100 Milliarden Euro Sonderhaushalt, nein zur Erhöhung der Militärausgaben auf das NATO 2 Prozent Ziel!

Nichts Gutes kann für die Menschen in der Ukraine und für die Völker der Welt kommen, wenn der deutsche Imperialismus aufrüstet. Deshalb brauchen wir eine starke Kampagne gegen Krieg und Aufrüstung, die in den Betrieben, Schulen und Unis und auf der Straße eine klassenkämpferische und antiimperialistische Antwort auf die Politik der Regierung und der Bosse liefert.

  • Russische Truppen raus aus der Ukraine!
  • Schluss mit NATO-Kriegsvorbereitungen!
  • Keine Aufrüstung der Bundeswehr! Milliarden für die Pflege, Bildung und Klima statt für Kriege!
  • Keine Waffenlieferungen oder Sanktionen von EU und USA!
  • Für die Aufnahme ALLER Geflüchteten!
  • Solidarität mit den Protesten in Russland gegen den Krieg!

Bisherige Unterzeichner:innen
Gruppe ArbeiterInnenmacht
MLPD Berlin
linksjugend [’solid] Nord-Berlin
REVOLUTION – kommunistische Jugendorganisation
Revolutionäre Internationalistische Organisation / Klasse Gegen Klasse
Revolutionär Sozialistische Organisation
Rot Feministische Jugend Berlin
SDS FU Berlin
Young Struggle Berlin

Wenn ihr auch unterschreiben wollt, dann meldet euch bei Klasse Gegen Klasse:
https://www.klassegegenklasse.org/sonntag-13-maerz-gegen-die-aufruestung-nein-zum-krieg-weder-putin-noch-nato/




3 Dinge, die du sofort gegen den Krieg tun kannst!

Vor gerade einmal einer Woche hat der russische Präsident Wladimir Putin der Ukraine ihre Souveränität abgesprochen und ihr den Krieg erklärt. Kurze Zeit später rollten russische Panzer über die Grenzen der Ukraine, auf dem Weg in die größten ukrainischen Städte. Mehrere Tausend Menschen haben bereits in diesem Krieg ihr Leben verloren. Der Schrecken über diese grausamen Geschehnisse ist groß. Besonders bei den Menschen in der Ukraine, von denen sich bereits weit über eine Millionen Menschen auf der Flucht befinden. Aber auch in Russland haben in den vergangenen Tagen mehrere tausend Menschen trotz brutaler Bullengewalt gegen den Krieg protestiert. Und auch hierzulande werden Baerbock, Scholz und Lindner, die führenden Köpfe der in Deutschland regierenden Ampel-Koalition, nicht müde zu betonen, wie tief betroffen sie das alles macht. Komisch nur, dass es diese selbsterklärten Verteidiger_innen der Menschenrechte, der Freiheit und der Selbstbestimmung nicht gejuckt hat, dass Geflüchtete vor den Toren Europas im Mittelmeer ertrinken oder in den griechischen Lagern unter unmenschlichen Bedingungen eingesperrt werden. Komisch nur, dass gleichzeitig der widerwärtige Angriffskrieg der Türkei auf die kurdischen Autonomiegebiete in Nordsyrien (Rojava) von deutschen Politiker_innen gebilligt und mit deutschen Waffen geführt wird. Für uns sind die Krokodilstränen der Ampel-Koalition nur Heuchelei, denn denen geht es nicht um Menschenrechte, sondern um die Profite deutscher Monopolkonzerne. Dabei ist von der anfangs skeptischen Haltung, den Konflikt nicht weiter eskalieren lassen zu wollen, nichts mehr übriggeblieben. Bereits jetzt schießen die Aktienkurse der deutschen Rüstungsindustrie in die Höhe, während uns gesagt wird, dass wir höhere Heizkosten akzeptieren sollen – „für den Frieden“ natürlich. Unter dem Deckmantel „Für den Frieden in der Ukraine“ versucht die Regierung nun Maßnahmen durchzudrücken, für die es sonst massive Gegenwehr gegeben hätte und die uns die Kosten für ihren Krieg zahlen lassen sollen. 100 000 000 000€ will Scholz zusätzlich für die deutsche Armee locker machen, gleichzeitig hat beispielsweise die Berliner Regierung bereits angekündigt, den Verfügungsfonds für Schulen von 28 000€ auf 3000€ zu kürzen. Das ohnehin viel zu späte Datum für den Kohleausstieg wird wieder in Frage gestellt, um weitere Sanktionen gegen Russland einleiten zu können.

Aber zum Glück gibt es hier ja nicht nur Annalenas und Olafs. Am Wochenende gab es in vielen deutschen Städten riesige Demos gegen den Krieg. In Berlin beteiligten sich sogar mehrere hunderttausend Menschen. Wir alle verfolgen im Stundentakt auf unseren Handys die Geschehnisse in der Ukraine und sind in Sorge um die unschuldigen Betroffenen, um ihre Familien und über den ungewissen Ausgang dieses Konflikts. Viele von uns haben deshalb das Gefühl etwas unternehmen zu müssen. Der Krieg soll gestoppt werden, so schnell wie möglich! Viele fühlen sich jedoch machtlos, die Ukraine ist weit weg und was sollen wir denn schon gegen die Atommacht Russland ausrichten können. Aus diesem Grund setzen viele ihre Hoffnungen auf die NATO, die ihrer „Verantwortung für Frieden und Sicherheit in Europa“ gerecht werden müsse. Viele finden auch, dass Waffenlieferungen an die Ukraine eine gute Idee sind, damit diese sich besser gegen die russische Invasion verteidigen könne.

Auch wenn der Wunsch, den Krieg schnell zu beenden der richtige ist, sind Waffenlieferungen an die Ukraine und eine militärische Intervention der NATO der absolut falsche Weg dafür. Was für ein Trümmerfeld ein NATO-Einsatz hinterlässt, haben wir zuletzt in Afghanistan gesehen. Auch Wirtschaftssanktionen sind kein vermeintlich „humaneres Mittel“ der Kriegsführung. Während Putin und seine Clique bequem in ihren Luxusvillen sitzen, treffen Sanktionen immer die normale Bevölkerung, und insbesondere die Armen. Schon jetzt hat die russische Bevölkerung mit einer massiven Inflation zu kämpfen. Bei dem Krieg in der Ukraine handelt es sich um eine militärische Auseinandersetzung zwischen verschiedenen imperialistischen Mächten, wobei Russland auf der einen und die EU und die USA auf der anderen Seite stehen. Keiner der beiden Seiten geht um die Interessen der Bevölkerung in der Ukraine. Im Gegenteil tragen sie ihren Kampf um Einflusssphären, Militärbasen, Rohstoffe, Macht und Absatzsphären auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung aus. Wer für Unabhängigkeit und Selbstbestimmung in der Ukraine eintritt, darf sich auch nicht auf die Seite ihres kapitalistischen Präsidenten Selensky, die Seite Deutschlands oder der NATO stellen. Allesamt sind nur scharf darauf, ihre multinationalen Konzerne auf den ukrainischen Markt loszulassen und Russland als lästigen Konkurrenten im imperialistischen Game auszuschalten. Sorry, mit EU-Pulli, NATO-Fahne und Deutschlandschal auf die Anti-Kriegsdemo zu gehen ist also nicht cool.

Die Arbeiter_innen und Jugendlichen in der Ukraine haben nichts davon, ob sie nun von russischen oder westlichen Konzernen ausgebeutet werden. Auch haben sie nichts davon, wenn irgendwelche Ländergrenzen verschoben werden. Wer den Krieg in der Ukraine beenden will, muss eine dritte Position einnehmen, nicht an der Seite der NATO und nicht an der Seite Putins, sondern an der Seite der Arbeiter_innen und Jugendlichen! Der russische Einmarsch kann nur gestoppt werden, wenn die ukrainischen Soldaten mit Selensky und der NATO brechen und ihren Widerstand gemeinsam mit der ukrainischen Arbeiter_innenklasse durch Selbstverteidigungsorgane und die Enteignung der Industrien und Lebensmittelkonzerne organisieren. Die russischen Arbeiter_innen müssen ihnen die Hand reichen und ihre Antikriegsproteste zu einer Bewegung zum Sturz von Putin und seiner Oligarchen-Clique ausweiten. Wenn die Soldat_innen sich weigern zu schießen, die Eisenbahner_innen streiken und keine Truppen transportieren oder die Industriearbeiter_innen die Waffenproduktion bestreiken, ist so ein Krieg auch ganz schnell vorbei. Die Gewerkschaften spielen für die Organisation dessen hier aber auch in Russland und der Ukraine eine zentrale Rolle.

Klingt nett aber unrealistisch? Unrealistisch bleibt wirklicher Frieden nur, wenn niemand anfängt gegen den Krieg aufzustehen. Wenn du jetzt sofort etwas gegen den Krieg tun möchtest, haben wir hier 3 Vorschläge für dich:

  1. Tritt mit Leuten in Diskussion!

Ein erster wichtiger Schritt ist es, mit Leuten in Diskussion zu treten. Wir alle haben Angst um den ungewissen Ausgang des Konflikts. Sprechen hilft dagegen, denn heruntergeschluckte Angst wird nur noch größer. Außerdem kannst du durch Diskussionen mit Mitschüler_innen, Lehrer_innen, Friends und Verwandten aufzeigen, dass wir uns auf keine Seite der imperialistischen Mächte schlagen dürfen, sondern für die Unabhängigkeit der Arbeiter_innen und der Jugend eintreten müssen. Auch Spendenaktionen oder die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine sind wichtige Akte der Solidarität. Die Regierung macht es sich jedoch zu leicht, wenn sie diese gesamte Arbeit auf die Bevölkerung ablädt. Durch die Enteignung eines durch Corona sowieso leerstehenden Luxushotels kann ganz schnell viel mehr Platz für Geflüchtete geschaffen werden als wir Menschen in unseren Privatwohnungen aufnehmen können. Außerdem fragen wir uns, warum 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr da sind aber nicht für Handtücher.

  1. Gründe ein Anti-Kriegs-Aktionskomitee an deiner Schule!

Immer sagen sie uns, die Schule sei ein unpolitischer „neutraler“ Ort. Dabei ist der Krieg in der Ukraine Thema für uns alle. Ein großer Teil von uns hat vielleicht sogar Verwandte auf der einen oder anderen Seite der Frontlinie. Die Lehrer_innen weichen der Diskussion aus, weil sie selbst keine Ahnung haben oder fragen in rassistischer Manier die Schülerin mit dem russischen Migrationshintergrund, wie ihre Familie nur so dumm sein konnte, auf diesen Diktator Putin reinzufallen. Die Schule ist der Ort, wo wir den Großteil der Zeit unseres Alltages verbringen müssen. Das nervt, aber birgt auch die Chance, hier viele Leute erreichen und Druck auf die Regierung ausüben zu können. Anstatt uns nur auf Demos und in der linken Szene unter Gleichgesinnten zu bewegen, müssen wir unsere Ideale auch an die herantragen, die davon sonst nichts mitbekommen. Für eine Schule gegen Krieg einzustehen bedeutet zum Beispiel zu verhindern, dass die Bundeswehr an die Schule kommt, um uns zu erzählen, wie toll man dort Medizin studieren kann. Banner gegen den Krieg aufzuhängen, oder im Geschichtsunterricht einzufordern, dass sich auch mal mit der NATO kritisch auseinandergesetzt wird. Dafür müssen wir uns organisieren und Anti-Kriegs-Komitees gründen. Als organisierte Gruppe können wir besser Aktionen planen und durchführen, uns gegenseitig den Rücken stärken und auch die Gremien der Schüler_innenvertretung unter Druck setzen, etwas zu machen. Gibt es erst einmal mehrere Komitees an verschiedenen Schulen, eröffnet sich auch die Perspektive des Schulstreiks. Denn wenn die Schulen zu sind, weil wir gegen den Krieg auf die Straße gehen, muss man uns automatisch zuhören!

  1. Hilf uns beim Aufbau einer Antikriegsbewegung!

Gemeinsam müssen wir auf den großen bürgerlichen Antikriegsdemos einen Pol darstellen, in dem sich antikapitalistische Menschen sammeln können und um die Deutungshoheit in den Protesten kämpfen. Für Unabhängigkeit statt Waffenlieferungen, Aufrüstung und Krieg! In allen Städten braucht es große und kämpferische antikapitalistische Blöcke statt EU-Pullis. Große linke Jugendorganisationen wie die Linksjungend solid, die Jusos oder die Jugendgewerkschaften müssen wir überzeugen, sich uns anzuschließen und sich klar gegen den Krieg zu positionieren. FFF hat bereits größere Demos gegen den Ukraine-Krieg organisiert. Wir müssen auf sie zugehen und sie von unserer Position überzeugen und den Einfluss der Grünen und der Grünen Jugend, die sich für eine Eskalation des Krieges aussprechen, zurückdrängen. Lasst uns einstehen für eine kämpferische Antikriegsbewegung und für eine unabhängige Position der Arbeiter_innen und der Jugend. Für eine Jugend gegen Krieg!