Lützerath ist gefallen, doch was haben wir gewonnen?

Nachdem die Großdemo am 14.01 vorbei ist, Lützerath vollständig geräumt ist und auch die Blockaden zu Beginn der Woche vorbei sind, sind die meisten (aber längst nicht alle!) Aktivist_Innen wieder zuhause. Wir haben also Zeit uns aufzuwärmen und die vergangenen Tage (oder Wochen; für manche sogar Jahre) Revue passieren zu lassen. Was haben die vielfältigen Aktionen gebracht? War Lützerath eine Niederlage oder ein Sieg für uns? Unsere Einschätzung findet ihr in diesem Artikel.

Lützerath hat uns stärker gemacht

Die Aktionstage haben viele Leute auf die Beine gebracht. Obwohl alle Altersgruppen vertreten waren, kann angenommen werden, dass viele der Aktivist_Innen Jugendliche waren, die sich im Rahmen von Fridays for Future politisiert haben. Allen Menschen bundesweit wurde in NRW vor Augen geführt, dass der Staat für die Profitinteressen des Kapitals bereit ist, brutal gegen die Umweltbewegung vorzugehen. Außerdem ist das Vorgehen von RWE und der Rückendeckung durch den Staat ein politischer Skandal sondergleichen, inklusive tendenziöser Studien und Bruch des Pariser Klimaabkommens. Das hat die Menschen wütend gemacht und sicherlich auch zusammengeschweißt und radikalisiert. Dies hat man nicht zuletzt auch daran gesehen, dass die Parole „RWE enteignen!“ sehr präsent war.

Denn Lützerath hat wieder einmal klargestellt, dass eine nachhaltige Umweltpolitik nicht das Ziel der Landes- oder Bundesregierung ist. Die Grünen, welche sowohl im Bund als auch auf Landesebene mitregieren, haben diese Politik direkt mitzuverantworten. Hoffen wir, dass nun auch die letzten Menschen ihre Hoffnung auf diese Partei aufgeben. Dass die Regierungen ihre Politik ändern, können sie anscheinend nur mit Zwang erreichen. Auch das wurde in Lützerath offensichtlich. Dafür müssen wir uns natürlich auch militant gegen die Polizei durchsetzen. Das war sicherlich eine zentrale Errungenschaft von Samstag, dass die Bewegung eine massenhaft Widerständigkeit erreichen konnte: Ketten bilden, Anweisungen widersetzen, Bullenketten durchbrechen. Wären wir am Wochenende noch mehr und noch militanter gewesen; Lützerath würde noch stehen und die Bullen würden immer noch im Schlamm feststecken!

Lützerath geräumt, Kohle wird abgebaggert

Doch wir müssen wir feststellen, dass Lützerath geräumt ist und in sehr naher Zukunft den gewaltigen Kohlebaggern weichen wird. Insofern muss die Besetzung Lützeraths isoliert betrachet als gescheitert angesehen werden. Wahrscheinlich hätten auch doppelt so viele militante Menschen die Räumung Lützeraths wahrscheinlich nur weiter verzögert, nicht aber verhindern können. So sehr wir die Fähigkeiten, den Kampfgeist und den Mut der Besetzer_Innen des Hambi, des Danni oder jetzt Lützeraths bewundern, letztlich ist diese Politik in jedem dieser Fälle gescheitert. Vielfach wurde auf diese Aussage hin argumentiert, dass durch die Aktionen die Umweltfrage in das Bewusstsein vieler Menschen gerückt ist und noch mehr (aktive) Unterstützer_Innen gefunden hat. Das stimmt zwar sicherlich und ist auch ein Verdienst dieser Aktionen. Doch es ist nur ein erster Schritt, denn: Was folgt auf die Öffentlichkeit und was sollen die so neu politisierten Menschen jetzt machen?

Perspektive

Wir glauben nicht, dass einfach nur die Besetzer_Innenszene größer werden muss, damit sie erfolgreich sein kann. An den Aktionen können sich aufgrund der Strapazen nämlich quasi nur junge Leute beteiligen. Außerdem muss man für eine längere Besetzung den Job kündigen oder man muss Student_In mit ausreichend finanzieller Unterstützung sein. Mit Kindern kann man auch nicht bei allem dabei sein. Zudem haben viele Leute Angst vor der Repression oder vor der physischen Gewalt der Polizei. Besetzungen sind also nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung eine Option. Wenn wir gewinnen wollen, müssen aber viel mehr Menschen aktiv werden. Außerdem sind die Besetzungen auf kleine, einzelne Orte konzentriert. Lützi alleine reicht nicht, wenn irgendwo anders Kohle abgebaggert, neue Gasterminals gebaut, Atommeiler weiter betrieben werden und e.on, statt in erneuerbare Energie zu investieren, Geld an seine Manager und Aktionäre ausschüttet?

Was wir damit sagen wollen, ist, dass der Kampf immer und überall geführt werden muss. In den Betrieben, in den Schulen, in Unis, auf der Straße. So kann jede Person kontinuierlich aktiv sein und sich in Bezug setzen zu anderen Missständen der Gesellschaft. Besonders wichtig ist es dabei den Kampf in die Betriebe zu tragen. Dort sind nämlich die Menschen, die mit ihrer Streikmacht wirklich politische Forderungen durchsetzen können. Glaubt ihr, dass RWE Lützerath abbaggern würde, wenn sich die Arbeiter_Innen der Kohlekraftwerke weigern würden, diese Kohle anschließend zu verbrennen? Auch Streiks in anderen Sektoren können dazu genutzt werden, politische Forderungen in der Klimafrage zu erzwingen.  

Forderungen, wie die Streichung der Schulden des globalen Südens, mehr Investitionen in erneuerbare Energien oder kostenloser öffentlicher Nahverkehr sind anschlussfähige und zentrale Forderungen zur Verbindung von Kämpfen. Doch auch diese können nur durch mächtige Streiks im ganzen Bundesgebiet erkämpft werden. Besetzungen können und müssen einen solchen Kampf natürlich unterstützen, sollten aber nicht das alleinige Ziel der Umweltbewegung sein.

Lützerath ist gefallen, aber der Kampf geht weiter. Wir haben in Lützerath gezeigt, dass wir groß und militant sind. Lässt uns diese Größe und Militanz nun wieder in unsere Städte tragen, damit die Regierung und das Kapital gar nicht erst wieder zu Atem kommt!  




Lützerath, Luisa Neubauer und die Heuchelei der Grünen

Die Grünen regieren nun in der Bundesregierung und in einigen Bundesländern, darunter NRW, in denen gerade ein großer Kampf der Umweltbewegung gegen die herrschende Klasse und ihre Regierung ausgefochten wird. Sind die Grünen dabei eine Unterstützung für die Klimabewegung? Mitnichten! Die Grünen entpuppen sich an der Regierung tatsächlich als eine Partei, die rücksichtslos die Interessen der großen Energiekonzerne vertritt. Das hat sie in NRW bereits bewiesen, als sie in Koalition mit der SPD die Abholzung des Hambacher Forstes genehmigte. Auch die teilweise Abholzung des Dannenröder Forstes in Hessen für den Bau einer Autobahn oder die momentan stattfindende Rodung des Fechenheimer Waldes unter der schwarz-grünen Landesregierung sind allen Klimaaktivist_Innen geläufig.

Grünes Regierungsprogramm: Krieg und Umweltzerstörung

Kaum an der Bundesregierung haben die Grünen ihre Versprechen von Klimagerechtigkeit und Frieden über Bord geworfen. Das Produkt waren gewaltige Waffenlieferungen in das heißeste Kriegsgebiet der Erde (Ukraine) und historische Sanktionen gegen Russland, unter welchen vor allem die russischen Arbeiter_Innen leiden und nicht die Machthabenden. Die Folgen der damit einhergehenden Energiekrise waren schmutzige Gas-Deal mit Katar und ein noch schmutzigerer Öl-Deal mit einem Land, welches 2021 einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führte: Aserbaidschan. Die momentane Energiekrise muss jetzt sogar als Begründung für die Abbaggerung Lützeraths herhalten! Zynischer geht es kaum.

Luisa Neubauer: Linke Flankendeckung

Als die Lage in Lützerath kritisch wurde, machte sich die „Klimaaktivistin“ Luisa Neubauer auf den Weg zum Dorf, um den Protesten beizuwohnen. Man könnte meinen, sie würde mit ihrer Prominenz die Proteste unterstützen. Allerdings hat sie mit ihren Karriereambitionen und dem damit verbundenen Eintritt in die grüne Partei längst die Seiten gewechselt. Ihre Taktik besteht darin, die Umweltbewegung in den Staat zu integrieren, indem sie radikale, antikapitalistische Positionen bekämpft und versucht, die Umweltbewegung zu einer auf der Straße aktiven Wähler_Innenbasis der Grünen zu machen. Sie will uns also dazu bringen, eine Partei zu unterstützen, die überhaupt erst für die Umweltkrise verantwortlich ist! Eine solche Politik ist für gefährlich für die Umweltbewegung, weil sie die Tatsache verschleiert, dass der Staat kein Gehilfe, sondern der Feind im Kampf für eine nachhaltige Umweltpolitik ist. Die grüne Partei hat das, wie oben beschrieben, immer wieder unter Beweis gestellt. Da das Land NRW 50,1 % an der REW Power AG besitzt, sind hier Kapital und Staat sogar direkt verbunden und vertreten deshalb auch dieselben Interessen. Wie sehr ihr dieser Verrat selbst bewusst ist, ist letztlich unerheblich. Entscheidend ist, welche Folgen ihr Handeln für die Umweltbewegung hat.

Taktik der Grünen in Lützerath

Die Grünen sind sich sehr wohl dieser Problematik bewusst und haben die Polizei deshalb zunächst zurückhaltend agieren lassen. Sie wollten sicherstellen, dass die Presse berichtet, als ob die Gewalt von den Besetzer_Innen ausgehen würde. Räumungspanzer, Wasserwerfer und hunderte vermummte und behelmte staatliche Schläger entlarven diese Taktik aber. Schnell war auch die Lüge von einem Molotov-Cocktail aufgetischt. Seitdem wird die Räumung mit Schlagstock, Pfefferspray und schwerem Gerät erbarmungslos durchgeführt. Die Grünen setzen einfach darauf, dass die Menschen ihre Doppelmoral bald wieder vergessen haben. Landtagswahlen in NRW sind sowieso erst wieder 2027. Außerdem können sie teilweise damit rechnen, dass ihre Basis bereits soweit verbürgerlicht ist, dass viele ihrer Wähler_Innen die Räumung zumindest akzeptieren, da sie das Märchen glauben, dass die Kohle unter Lützerath für die Sicherstellung der Energieversorgung essentiell sei.

Wie also mit den Grünen umgehen?

Wir sollten jede Einflussnahme der Grünen auf die Proteste entschieden als Heuchelei zurückweisen. Wenn ehrliche und aufrechte Aktivist_Innen der Grünen die Proteste in Lützerath unterstützen, dann begrüßen wir das natürlich. Allerdings müssen wir mit ihnen ins Gespräch kommen und sie davon überzeugen, dass nur ein Bruch mit den Grünen die Umweltbewegung zum Erfolg führen kann. Gemeinsame Aktionen mit der Arbeiter_Innenklasse wie Demos, Besetzungen und vor allem Streiks können die Regierung und die Konzerne in die Knie zwingen. Ein Hoffen auf die grüne Partei und einsichtige Politiker_Innen kann es nicht.

  • Lützerath bleibt! Gegen die Zerstörung von Wohnraum und die Vertreibung von Menschen für die Profite der Energiekonzerne!
  • Für eine nachhaltige Energiewende unter Arbeiter_Innenkontrolle!
  • Aufbau einer internationalen und antikapitalistischen Umweltbewegung jetzt! Streiks und Besetzungen durch Arbeiter_Innen, Schüler_Innen, Studierende und alle Unterdrückten dieses Systems!