Wie der Verfassungsschutz Einfluss auf unsere Bildung nehmen will

Im November 2019 veröffentlichte das hessische
Innenministerium eine neue Kampagne zur „Prävention gegen Linksextremismus“
namens „aufgeklärt statt autonom“. Im Zuge dessen wurden an alle hessischen
Schulen, die eine 9. und 10. Klasse haben, eine Reihe von Plakaten und
dazugehörigen Unterrichtsmaterialien geschickt. Wir haben uns das sogenannte
Bildungsmaterial mal genauer angeschaut, damit ihr das nicht machen müsst.

Auf den ersten Blick fällt schon einmal auf, dass auf jedem
Plakat kleine Bombensymbole verteilt sind. Text gibt es zwar nicht viel, aber eine
Bild von einer Bombe mit Zündschnur reicht eigentlich schon aus, um zu
erkennen, was das Innenministerium hier ausdrücken wollte. Auf den in
apokalyptischen Farben gestalteten Plakaten sind auch ab und zu reale Menschen
abgebildet, die zeigen, wie sich das Innenministerium seine „Linksextremisten“
vorstellt (oder gerne hätte): grimmig schauend, vermummt und mit
Molotowcocktail in der Hand. Neben viel dramatischer Symbolpolitik gibt es auf
einigen Plakaten sogar ein bisschen Schrift. An diesen Stellen wird es
allerdings noch finsterer: So wird zum Beispiel eine Statistik angeführt, auf
der die „Linksextremisten“ mit „Rechtsextremisten“ und „“Islamisten/Salafisten“
vergleichen werden. Natürlich kommt das Plakat zu dem Schluss, dass
„Linksextremisten“ die größte Gefahr für die Demokratie darstellen. Als Grund
dafür wird ihre zahlenmäßige Überlegenheit gegenüber den anderen
Extremistengruppen angeführt. Die Plakate konstruieren hier also drei
verschiedene, gewaltbereite, gefährliche Horden, von denen die
„Linksextremisten“ die schlimmsten seien. Das ist eine dreiste Verhöhnung der
seit 1990 in Deutschland ermordeten 200 Todesopfer rechter Gewalt

Hier liegt eigentlich die Kernaussage der Plakate: Links-
und Rechtsextremismus sollen miteinander gleichgesetzt, wenn nicht sogar die
Gefahren rechter Ideologie und Gewalt relativiert werden. Für das hessische
Innenministerium scheint es also keinen Unterschied zu machen, ob Menschen vor
einer Geflüchtetenunterkunft stehen, um diese abzubrennen oder ob sie davor
stehen, um die darin eingesperrten Menschen zu beschützen. Diesem
Extremismusbegriff liegt die sogenannte „Hufeisen-Theorie“ zugrunde. Sie geht davon
aus, dass es eine gute demokratische Mitte gebe, die von rechts und links durch
extremistische Ränder bekämpft wird. Damit wird nicht nur rechte Gewalt durch
die Gleichsetzung relativiert sondern auch suggeriert, dass es soetwas wie eine
„demokratische Mitte“ gäbe. Wenn wir uns allerdings mal anschauen, wie die
„Parteien der Mitte“ gerade Demokratieabbau vom Feinsten betreiben und wie sehr
rassistische und antisemitische Einstellungen in dieser sogenannten Mitte in
den letzten Jahren gewachsen sind, gerät dieses Bild schnell ins Wanken.
Zugrunde liegt diesem Extremismusbegriff die „freiheitlich-demokratische
Grundordnung“ (FDGO). Diese gilt als Synonym für Demokratie. Komisch nur, dass
der Begriff in der Verfassung gar nicht näher definiert ist. Definiert wurde er
erst in Gerichtsverfahren zu Parteiverboten in den fünfziger Jahren. Zur FDGO
wurden 8 Prinzipien erklärt, die angeblich das „Wesen der Demokratie“
beschreiben. Auffällig ist dabei, dass die Menschenrechte zum Beispiel nur sehr
vage erwähnt werden und sich die Prinzipien hauptsächlich auf Institutionen und
den Aufbau des Staates beziehen. Demokratie als eine Lebensweise sowie als
sozialer und politischer Kampf, der oftmals auch gegen den Staat stattfinden
musste und muss taucht hier nicht auf. Die „Hufeisen-Theorie“ und der mit ihr
einhergehende Extremismusbegriff wurden bereits in zahllosen Publikationen
wissenschaftlich eindeutig widerlegt und stellen nichts anderes als Kampfmittel
gegen Linke und die Arbeiter_innenbewegung dar.

Einer sozialistischen Gesellschaft wird auf den Plakaten
jegliche Vielfalt und Demokratie aberkannt. Freiheit, Antirassismus,
Umweltschutz, Gleichheit, Antisexismus und Solidarität werden als Beweggründe
für Menschen, die für Sozialismus kämpfen, mit den rassistischen Vernichtungsfantasien
von Nazigruppen gleichgesetzt. Auf dem Plakat zum Thema Antifaschismus wird
„Linksextremisten“ dagegen vorgeworfen, dass sie einen Zusammenhang zwischen
Faschismus und Kapitalismus herstellen würden. Abgesehen davon, dass dieser
Zusammenhang selbst für die CDU nicht von der Hand zu weisen ist, wird mit
seiner Leugnung auch die Unterstützung von Hitler durch das deutsche
Großkapital und dessen direkte Beteiligung am Holocaust verschwiegen. Auf einem
anderen Plakat wird den „Linksextremisten“ kurz zugestanden, dass es zwischen
Anarchismus und Maoismus schon gewisse Unterschiede gibt. Gleichzeitig wird
aber wieder betont, dass alle „Linksextremisten“ nur dasselbe Ziel haben: Die
gewaltsame Abschaffung der Demokratie, Massenmord und Staatsterror. Als Beweis
werden dafür ganz im Kalter-Krieg-Style die DDR oder die Volksrepublik China
angeführt, deren stalinistische Bürokratenherrschaft als Sinnbild des
Sozialismus herhalten muss. Zu jedem Plakat gibt es dann noch Arbeitsblätter,
in denen die Schüler_innen jedoch nicht nach ihrer Meinung gefragt werden,
sondern nur überprüft wird, ob sie die ideologischen Botschaften der Plakate
auch richtig verstanden haben.

Die Materialien des hessischen Innenministeriums stellen
einen klaren Verstoß gegen das Kontroversitätsprinzip des Beutelsbacher Konsens
dar. Ihr einziger Zweck ist es, Linke zu diskreditieren und zu kriminalisieren.
Offensichtlich ist auch die Handschrift des Verfassungsschutzes, die in den
Plakattexten auftaucht. Teilweise werden sogar genau dieselben Formulierungen
wie im Verfassungsschutzbericht verwendet. So beschreibt die Gewerkschaft GEW
die Plakatserie in einem wissenschaftlichen Gutachten auch als „didaktisierter
und illustrierter Verfassungsschnutzbereicht“ (vgl. GEW: Gutachten zur
Plakatserie „autonom statt aufgelärt“. Frankfurt 2020. URL:
https://www.gew-hessen.de/fileadmin/user_upload/bildung/themen/pol_bildung/200204_gutachten_aufgeklaert_statt_autonom_web.pdf).
Dort wird ebenfalls dazu geraten, die Unterrichtsmaterialien „unverzüglich aus
den Schulen zu entfernen“. Ferner warnt die GEW-Hessen davor, dass der
Verfassungsschutz immer häufiger als vermeintlich neutraler Akteur an Schulen
und auf Bildungsveranstaltungen auftritt. Neben Polizei und Bundeswehr will nun
also auch der Verfassungsschutz im Bildungswesen mitmischen. Dagegen müssen wir
uns wehren! Der Verfassungsschutz ist eine Institution mit großen
Machtbefugnissen, die sich jedweder demokratischer Kontrolle entzieht.
Insbesondere in Hessen war der Verfassungsschutz tief in die rassistische
Mordserie des NSU verstrickt. Es sagt schon sehr viel, über die politische
Ausrichtung des hessischen Innenministeriums, wenn es kurz nach dem von
Faschisten verübten Mord am hessischen Regionalpolitiker Walter Lübke erst
einmal „Bildungsmaterialien“ zur Prävention von „Linksextremismus“ in Auftrag
gibt. Linke Tendenzen bei Schüler_innen, verursacht durch Desillusionierung oder
Jugendbewegungen wie Fridays for Future scheinen die größere Gefahr für das
System darzustellen als rechte Mordanschläge.

Vom Innenministerium mit der Materialerstellung beauftragt
wurde die Arbeitsgemeinschaft „Jugend und Bildung e.V.“. Diese gehört zur „Eduversum
GmbH“, welche wiederum aus dem FDP-nahen „Universum-Verlag“ stammt. Dieser ist
bereits bekannt dafür Schulen, Lehrkräfte und Schüler_innen mit kostenlosen
Unterrichtsmaterialien vollzuspamen, die voll von neoliberalen und
unternehmensfreundlichen Positionen sind. Immer häufiger erstellen nicht nur
staatliche Repressionsbehörden sondern auch Unternehmen eigene
„Bildungsmaterialien“. So gibt es beispielsweise auch Arbeitsblätter der
Autofirma BMW, die Grundschüler dazu auffordert, kleine BMWs zu zeichnen. Hier
spielt nicht nur Marketing sondern auch Ideologie eine Rolle. Lehrer_innen
greifen leider angesichts Zeitmangels, wachsender Aufgaben und mangelhafter
Ausbildung immer häufiger auf die kostenlosen Angebote der Bourgeoisie zurück. Letztlich
verfolgt Schule im Kapitalismus ohnehin den Zweck Schüler_innen zu
funktionstüchtigen Mitgliedern der kapitalistischen Verwertungsgesellschaft zu
erziehen. Dennoch sollten wir uns gegen die Eingriffe von Verfassungsschutz,
Bundeswehr und Unternehmen in unsere Schulen wehren! Solche Plakate und
Arbeitsblätter gehören in den Müll und die Diskussion darüber in den Unterricht.
Unser Widerstand kann so auch zum Ausgangspunkt für eine neue Schule in einer
neuen Gesellschaft sein. Als sogenannte „Linksextremisten“ sind wir schließlich
keine Gefahr für die Demokratie, sondern die Bewegung für umfassende,
gesamtgesellschaftliche Demokratisierung. Eine Gefahr sind wir i lediglich für
ein Wirtschaftssystem- und Nationalstaatssystem, das sich uns dabei in den Weg
stellt!




Remembering means Fighting – Gemeinsam gegen staatlichen Rassismus

Christian Meyer

 Am 07.01.2019 jährt sich der Todestag des Geflüchteten Oury Jalloh. Über Tausend Menschen kamen 14 Jahre später in seinem Todesort zusammen, um zu gedenken und zu demonstrieren, denn Erinnern heißt Kämpfen! Oury Jalloh wurde damals verhaftet, weil er angeblich Passant_innen in Dessau (Sachsen-Anhalt) belästigte und betrunken gewesen sein soll. Dabei fragte er lediglich, ob er sich ein Handy zum telefonieren ausleihen könnte. Später geriet seine Zelle auf der Polizeiwache in Dessau in Brand. Oury war an Händen und Füßen an eine Holzbank gefesselt und war somit dem Brand hilflos ausgeliefert.

Schnell kam von offizieller Seite (von der der Polizei wie auch der Staatsanwaltschaft Halle/Saale) das Statement, dass Oury sich selbst angeblich angezündet hätte und bei dem Brand ums Leben kam. Dass das aufgrund der Faktenlage jedoch ein Ding der Unmöglichkeit darstellt, sollte eigentlich jeder_m auffallen, der oder die sich mit dem Fall befasst. Wie soll man sich selbst anzünden, wenn man mit beiden Händen gefesselt ist?

An der offiziellen Selbstmordthese kamen bereits vor 14 Jahren Zweifel auf und es kam zu einem Gerichtsverfahren, welches am Ende allerdings aus Mangel an Beweisen eingestellt wurde. In den darauf folgenden Jahren setzte sich die Initative in Gedenken an Oury Jalloh immer wieder dafür ein, dass ein Rechtsgutachten erstellt werden sollte, welches die Selbstmordthese widerlegen sollte. So kam es dann auch dazu und das Verfahren musste komplett neu aufgerollt und noch einmal verhandelt werden. Am Ende wurde jedoch erneut von Gerichtsseite die Selbstmordthese bestätigt.

Erst aufgrund massiven öffentlichen Drucks und weiterer Gutachten wurde im Jahr 2017 ein weiterer Prozess in Gang gesetzt, der endgültig Licht ins Dunkel bringen und die genauen Todesumstände klären soll. Ende des vergangenen Jahres erfolgte jedoch das endgültige Urteil, welches die Selbstmordthese weiterhin aufrecht erhält. In der Zwischenzeit hatte der bürgerliche Staat jedoch nichts Besseres zu tun, als Antirasisst_innen und Mitglieder der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh mit Reperessionsmaßnahmen zu überziehen.

Das wiederum und die stetigen Behinderungen der Ermittlungsarbeit lassen den Schluss zu, dass hier ein rassistischer Mord vertuscht werden sollte.

Ein Einzelfall? Keines Wegs.

Nun könnte man meinen, dass der Fall Oury Jalloh zwar bedauernswert ist und es sich eigentlich um einen klaren Justizskandal handelt, aber es eigentlich ein Einzelfall ist. Dem ist aber nicht so. Allein gegen die Polizeiwache in Dessau, auf der Oury Jalloh starb, gibt es in mehreren Fällen zumindest den Verdacht, dass hier Personen misshandelt und unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen sind. Dass dies jedoch die Ausnahme ist, ist allerdings ein eher scheinheiliges Argument, schließlich soll ja das Saubermann-Image der hiesigen Justiz nicht in Frage gestellt werden.

Dazu kommt, dass mit Ammad A. im vergangenen Sommer in der JVA Kleve in Nordrhein-Westfalen ein weiterer Gefangener auf dieselbe Art und Weiße wie Oury Jalloh ums Leben gekommen ist. Besonders bitter ist nicht nur die Tatsache, dass Ammad ein kurdischer Aktivist war, sondern er lediglich aufgrund einer Verwechslung eingesperrt war. Auch wenn sich hinterher der Innenminister von NRW bei den Angehörigen von Ammad entschuldigte, wirft dies ein weiteres mal ein schlechtes Licht nicht nur auf die Haftbedingungen, unter denen Gefangene hierzulande inhaftiert sind, sondern auch auf den Umgang mit in diesem Falle politischen Gefangenen.

Die Liste von rassistischen Skandalen im staatlichen Justizapparat lässt sich noch endlos fortsetzen. An dieser Stelle sei nur an die rassistische Mordserie des NSU erinnert, bei dem die Justiz ebenfalls kein allzu gutes Bild abgab. Statt den schrecklichen rassistischen Charakter dieser Mordserie zu erkennen, wurden die Opfer dem kriminellen Milieu zugeordnet, verhöhnt und zuallererst die Angehörigen verdächtigt und massiv unter Druck gesetzt. Erst nach dem eine deutsche Polizistin im Jahr 2007 ermordet wurde und es auch hier zu mehreren Ermittlungspannen kam wurde mehr oder weniger „zufällig“ die NSU-Mordserie aufgedeckt. Während zwei der fünf vermeintlichen Haupttäter starben, konnten die anderen drei gefasst werden und sitzen seit knapp fünf Jahren wegen Beihilfe zum zehnfachen Mord auf der Anklagebank.

Auch hier zeigt sich, wie staatliche Institution zutiefst in die rassistischen Grausamkeiten verwickelt waren, was nicht nur geschredderte Akten, sondern auch auf vermeintlich ungeklärte Weise umgekommene Kronzeugen wie etwa Aussteiger aus der Nazi-Szene, welche in einem Zeugenschutzprogramm waren, oder auch ehemalige V-Leute, die ebenfalls auf mysteriöse Art starben, betrifft.

Alltagsrassimus und gesellschaftlicher Rechtsruck

Doch diese Todesfälle und Morde sind bei weitem nicht das Einzige. Seit nunmehr bald vier Jahren erleben wir ein rasantes Zunehmen an Alltagsrassismus. Vorläufer dieser sich zuspitzenden Situation, in der sich rechte Schlägertrupps auf den Straßen zu Angriffen auf Migrant_innen hierzulande zusammenrotten, zeichneten sich bereits im Herbst 2014 ab, als in Köln im Rahmen der sogenannten „HoGeSa“-Demos (Hooligans gegen Salafisten) knapp 5.000 Nazis sich zusammengetan hatten und randalierend durch die Kölner Innenstadt zogen.

Einen weiteren Höhepunkt bildeten dann 2015 die PEGIDA-Demos in Dresden so wie ihre Ableger im Bundesgebiet, bei denen sich zehntausende Beteiligten. Doch damit war es noch lange nicht vorbei. Auch in den vergangenen beiden Jahren setzte sich der gesellschaftliche Rechtsruck fort, einerseits durch rechte Mobilisierungen zu Kundgebungen und Demonstrationen (auch wenn diese kleiner ausfielen als noch zu den Hochzeiten von PEGIDA), andererseits aber auch durch die Wahlerfolge der AfD im Zusammenhang der „Flüchtlingskrise“.

In diesem Zusammenhang bleiben uns auch die rassistischen Hetzjagden im letzten Jahr in Chemnitz in Erinnerung, bei denen Migrant_innen, Asylbewerber_innen, Geflüchtete aber auch Linke und somit alle, die nicht in das reaktionär-rassistische Weltbild der „Kampfarier“ (rechte Hooligans) und ihrer anzugtragenden Parlamentsvertreter_innen passen, angriffen. Dass dabei die sächsische Polizei tatenlos zusah und mit der Situation angeblich „überfordert“ war, passt ganz gut ins Bild, denn schließlich wurde eine linke Demo zwei Wochen vor den Vorfällen in Chemnitz von einem hochgerüsteten Bullenaufgebot auf ziemlich brutale Art aufgelöst.

Der Alltagsrassismus spiegelt sich dabei allerdings noch durch andere Dinge wider, wie etwa bei den Rufen der Medien und diverser Politiker_innen aller Parteien (hier macht auch schändlicher Weise die Linkspartei in Person von ihrer Parteichefin Sarah Wagenknecht mit, wenn sie fordert, dass Migrant_innen, die ihr Gastrecht verwirkt hätten, abgeschoben werden müssen) oder auch durch rassistische Polizeikontrollen aufgrund des Aussehens oder aber auch tätliche Angriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte.

Genauso verhält es sich, wenn permanent über „die“ Geflüchteten hergezogen und behauptet wird, dass sie angeblich viel Geld, teure Kleidung und andere materielle Dinge bekommen würden, ohne dafür arbeiten zu müssen. Andererseits zeigt dies ebenso wie die Behauptung, Geflüchtete würden nur deshalb herkommen, um Arbeitsplätze oder Sozialleistungen wie etwa Hartz IV wegzunehmen, einen zunehmenden Sozialneid, der auch sozialchauvinistische Züge annimmt, wenn es etwa um die Sanktionierungen von angeblichen Missbrauch von Sozialleistungen geht. Der berechtigte Ärger über Sozialkürzungen, schlechte Arbeitsverhältnisse und zunehmende soziale Unsicherheit wird somit weg von den Verantwortlichen auf Migrant_innen, Geflüchtete, „den Islam“, „die Gutmenschen“ und „den Genderwahn“ gelenkt. Wenn dem keine antikapitalistische Kritik und Praxis entgegengehalten wird, kann eine solche Stimmung schnell die Grundlage für rassistische Angriffe und Morde werden.

Wie dagegen kämpfen?

 All dies zeigt eindeutig, wie wichtig der Kampf gegen den Rechtsruck innerhalb der Gesellschaft ist, auch wenn manche politische Organisationen das nicht wahrhaben wollen und stattdessen lieber vom „Rechtsruck der Regierung“ sprechen.

Doch das ist nichts weiter als die Weigerung, sich näher mit dieser Thematik und einem aktivem Kampf gegen den Rechtsruck auseinanderzusetzen.

Leider war die (radikale) Linke in den vergangenen Jahren nicht besonders erfolgreich darin, wenn es um den Aufbau einer breiten Massenbewegung der Arbeiter_innen, Jugendlichen, Geflüchteten und anderer unterdrückter Teile der Klasse ging. Die reformistischen Arbeiter_innenparteien SPD und Linkspartei und mit ihnen die Gewerkschaften hielten sich teilweise aus dem Thema Antirassismus heraus oder beteiligten sich, wie im Fall der SPD, an Abschiebungen von Geflüchteten in vermeintlich sichere Herkunftsländer. In manchen Fällen beteiligten sich einzelne Mitglieder an Bündnissen wie etwa „Aufstehen gegen Rassismus“, die allerdings mehr den Fokus auf die Ausbildung von „Stammtischkämpfer_innen“ legen, um mit Rassist_innen wie etwa denen von der AfD diskutieren zu können und sie davon zu überzeugen, dass sie mit ihren Ansichten daneben liegen als wie auf kollektive Aktionen wie Streiks, Demos, Kundgebungen und andere Aktionen etwa gegen Abschiebungen.

Wichtig ist es, den gemeinsamen Kampf gegen Rassismus zu diskutieren und zu koordinieren. Uns ist es nicht damit geholfen, wenn wir jede_r für uns unser eigenes Süppchen im antirassistischen Kampf kochen und nur deshalb die reformistischen Arbeiter_innenmassenorganisationen außen vor lassen, weil diese sich immer an die Spitze einer solchen Bewegung setzten und diese zahnlos oder handzahm werden lassen wollen.

Wir als Antirassist_innen brauchen diese Organisationen, nur dadurch können wir überhaupt eine wirksame Gegenwehr aufbauen, nicht, weil sie so besonders toll sind, sondern weil sie die Massen der Arbeiter_innenklasse organisieren und das wichtigste Instrument im Klassenkampf sind. Für uns als Antirassist_innen, die selber der Arbeiter_innenklasse angehören, geht es auch darum, den Kampf um die Führung innerhalb der Arbeiter_innenorganisationen zu führen und diesen zu unseren Gunsten zu entscheiden und nicht bloß tatenlos neben dran zu stehen und darauf zu beharren, dass sie uns ja eh wieder verraten werden wie sie das schon immer getan haben.

Des Weiteren rufen wir auch alle Gruppen dazu auf, sich an einer Aktionskonferenz zu beteiligen, welche nicht nur den antirassitischen Kampf, sondern auch den gegen die Angriffe auf unsere Sozialleistungen und unsere Errungenschaften, welche mühsam erkämpft wurden, koordiniert. Nur auf diese Art und Weiße, wenn wir alle gemeinsam den Kampf gegen die Ursachen von Flucht, Vertreibung und Rassismus aufnehmen, können wir erfolgreich sein.




Dresden 2012: NO PASARAN!

Am mittlerweile 67. Jahrestag der Bombardierung Dresdens im 2. Weltkrieg sehen Faschist_innen aus aller Herren Länder erneut einen Anlass, sowohl Geschichtsrevisionismus zu betreiben, als auch alle anderen Facetten ihres Gedankenguts auf die Straße zu tragen. Vor allem wollen sie jedoch wieder Platz nehmen in der Gesellschaft – wollen sich Akzeptanz verschaffen für ihre Ansichten und den Eindruck erwecken, sie würden ja lediglich eine andere Meinung repräsentieren.

Dass die Meinung von Nazis aber unter keinen Umständen zu akzeptieren, sondern immer und überall zu bekämpfen ist, hat die Geschichte gelehrt –sollte man jedenfalls meinen. Augenscheinlich scheint jedoch genau das Gegenteil der Fall zu sein: Über Jahre hinweg wurden zahlreiche Morde an Migrant_innen als rassistische Gewalt verleugnet und einen politischen Hintergrund schloss man von vornherein aus. Nicht gerade verwunderlich: Bestand doch für den Staat die Gefahr, in der Öffentlichkeit damit konfrontiert zu werden, mit seinen Agenten und Spitzeln selbst in der Organisation und Finanzierung des rechten Sumpfes verstrickt zu sein.

Der kapitalistische Staat hält sich die Faschisten wie ein Ass im Ärmel, um in Zeiten von Krisen auf sie zurückgreifen zu können. Vielleicht kann er sich ja ihrer eines Tages noch mal bedienen um die organisierte Arbeiterbewegung, die Gewerkschaften und Parteien zu zerschlagen …

Der Staat als Antifa?

Dass die Regierung kein Interesse an der Zerschlagung der Nazistrukturen hat, zeigte sich auch in der direkten Aktion am Beispiel Dresden, wo massive Polizeigewalt gegen jene ausging, die verhindern wollten, dass die Faschist_innen in Deutschland wieder ungehindert marschieren.

Deshalb können wir uns im Kampf gegen Nazis auch nicht auf den Staat verlassen, sondern müssen uns in antifaschistischen Bündnissen selbst organisieren. Der bürgerliche Staat hatte keinerlei Interesse daran, gemeinsam mit der großen Masse an Demonstrant_innen, die Nazis an ihrem Aufmarsch zu hindern. Im Gegenteil: Er setzt alles daran, ihnen den Weg freizumachen, auch mit Gewalt! Doch wir waren zu viele, zu entschlossen und zu gut organisiertdurch militante Massenaktionen gelang es den Aufmarsch platzen zu lassen und die Nazis stundenlang am Bahnhof zu kesseln.

Auch die Lichterkette, zu der die Bürgermeisterin der Stadt letztes Jahr aufgerufen hatte, trug wohl keineswegs zu dem Erfolg bei. Weitab der Laufroute platzierte man sich zu einem stillen Protest. Diese Art von „Widerstand“ zeigt exemplarisch, was bürgerliche „Antifaschist_innen“ und sogenannte „Anständige“ dem braunen Pack entgegenzusetzen haben: Nämlich nichts.

Die sogenannte „Extremismus-Theorie“, die ebenfalls aus diesen Kreisen kommt, tut ihr Übriges dazu. Einzig die Diskreditierung antifaschistischen Protestes und der direkten Aktionen gegen Nazis ist dabei ihr Ziel. Linke sollen mit Rechten „wissenschaftlich“ begründet gleichgesetzt werden und daher wundert es auch nicht, dass in Zeiten, in denen sich Politiker aller Couleur mal wieder überlegen, wie sie die NPD verbieten können, aus der CSU Stimmen laut werden, die ein Verbot der Partei DIE LINKE fordern.

Dresden: Gegen Geschichtsrevisionismus!

Dass die Nazis mit ihrem üblichen Propagandamüll versuchen, die Bombardierung Dresdens durch die Alliierten als Holocaust darzustellen, ist eine Sache. Die andere Seite des propagandistischen Unfugs bilden die sogenannten Antideutschen, die sich fälschlicherweise als Antifas bezeichnen. Für sie sind die Deutschen per se ein sogenanntes Tätervolk und daher feiern sie den Bombenkrieg der Alliierten als große antifaschistische Aktion.

Das isttotaler Nonsens, denn imperialistischer Bombenterror gegen Zivilbevölkerung – ob in Dresden, in Bagdad oder in Teheran – hat mit Antifaschismus nichts zu tun und rassistische Ideologien, wie die des Tätervolks, haben in linken und kommunistischen Strukturen nichts zu suchen.

Einheit in der Aktion!

Um den Faschisten auch dieses Jahr wieder das Leben zur Hölle zu machen, brauchen wir die antifaschistische Einheitsfront, in der sich alle Antifaschist_innen, Migrant_innen, Kommunist_innen, DGB-Gewerkschafter_innen und Sozialdemokrat_innen aus SPD und Linkspartei organisieren, denn sie sind und waren immer Opfer des Faschismus. Sie sind diejenigen, die keine Hilfe vom bürgerlichen Staat erwarten können, also müssen sie begreifen, dass es auf die Einheit in der Aktion gegen den Faschismus ankommt. Wir rufen dazu auf, auch dieses Jahr wieder nach Dresden zu fahren, Faschist_innen zu blockieren und sie als große Masse militant zu bekämpfen!

Who’s streets? Our streets! SMASH FASCISM!

  • Naziaufmärsche blockieren, vertreibt die Faschist_innen mit militanten Massenaktionen von der Straße!
  • Gegen Faschist_innen können wir uns nicht auf die Polizei verlassen. Für das Recht auf Schaffung von Selbstverteidigungsstrukturen der Arbeiter_innen, Jugendlichen, Migrant_innen und der ansässigen Bevölkerung!
  • Kämpfen wir gemeinsam gegen Rassismus, Homophobie, Sexismus, Nationalismus und Faschismus! Gleiche Bürgerrechte für alle, unabhängig von ethnischer Herkunft, Nationalität oder Religion!
  • Für eine multiethnische, internationale Bewegung der Arbeiter_innen und Unterdrückten gegen den globalen Kapitalismus – für den Aufbau einer revolutionären Internationale der Arbeiter_innenbewegung und der Jugend!

Gemeinsam auf nach Dresden – Kein Fußbreit den Faschisten!