Nein zum Gender-Verbot an Schulen!

von Erik Likedeeler, REVOLUTION, Fight! März 2024 (aufgrund der Gesetzesänderung in Bayern leicht angepasst am 21. März 2024 im Vergleich zur Print-Ausgabe )

Es klingt absurd, ist aber wahr: der bayerische Ministerrat und Sachsens Kultusministerium haben sich dazu entschieden, eine geschlechtergerechte Sprache in Form von Sternchen, Doppelpunkt und Binnen-I an Schulen, in Unis und an Behörden (Bayern) sowie an Schulen und deren Behörden (Sachsen) zu verbieten. Der thüringische Landtag hat beschlossen, dass Landesregierung, Ministerien, Schulen, Universitäten und der öffentliche Rundfunk nicht mehr „gendern“ dürfen. Auch in Niederösterreich haben ÖVP und FPÖ durchgesetzt, dass die Nutzung von Sternchen und Binnen-I in den Landesbehörden untersagt wird. Ein FPÖ-Sprecher betonte, es gehe darum, den „Wahnsinn des Genderns“ zu beenden. Diese Gender-Verbote stellen eine weitere Folge des gesamtgesellschaftlichen Rechtsrucks in unseren Schulen dar. Sie sind eingebettet in einen internationalen Rollback gegen die Rechte von Frauen und queeren Personen, wie die Angriffe auf das Recht auf Abtreibung in den USA oder Italien oder gesetzliche Verbote für geschlechtsangleichende Maßnahmen oder Verbote von gleichgeschlechtlichen Ehen/Partnerschaften in osteuropäischen Staaten. So haben Rechtspopulist:innen auf der ganzen Welt die sogenannte „Trans- und Gender-Lobby“ zu einem ihrer Hauptfeinde erklärt. Auch unsere Schulen werden zur Zielscheibe ihrer Angriffe. Die zunehmenden Verwerfungen der kapitalistischen Krisen machen Teile des Kleinbürgertums und deklassierter Arbeiter:innen anfällig für diese Ideologie. So sorgen Inflation, zunehmende Konkurrenz, drohender Arbeitsplatzverlust und Sozialabbau dafür, dass viele Cis-Männer ihre zugewiesene Rolle des heldenhaften und starken Ernährers nicht mehr erfüllen können. Die Angst vor dem männlichen Macht- und Identitätsverlust wird zu einem rechten Kulturkampf umgeformt. Die Rückkehr zu konservativen Wertvorstellungen, zu einer Welt, in der doch alles noch besser war, wird ihnen dabei als Lösung verkauft. Der Wirbel um den angeblichen „Wahnsinn des Genderns“ dient als Ablenkung vom eigentlichen sozialen Elend. Doch auch die klassenlose Individualisierung des Kampfes um symbolische Repräsentation soll uns davon abhalten, die eigenen Klassenunterdrückungen zu erkennen. 

Den Rechtspopulist:innen geht es also nicht um eine vermeintlich „richtige“ oder „einfachere“ Sprache. Es geht ihnen darum, Frauen und Queers unsichtbarer zu machen und zurückzudrängen. Dabei greifen sie tief in die Mottenkiste der homophoben und sexistischen Vorurteile, indem sie ihre Gender-Verbote damit begründen, dass es angeblich die Kinder verwirre oder in ihrer Entwicklung beeinträchtige. Unter dem Schlagwort „Frühsexualisierung“ wird nicht nur Jagd auf Gender-Sternchen, sondern auch auf die gleichberechtigte Darstellung gleichgeschlechtlicher Beziehungsmodelle im Unterricht gemacht. Die angeblichen Interessen der Schüler:innen werden hier argumentativ ins Feld geführt, ohne dass überhaupt die Schüler:innen gefragt wurden. Für den Kampf in der Schule bedeutet dies, dass wir uns nicht auf die Bildungsministerien verlassen können. Jede Errungenschaft kann scheinbar mit einem Regierungswechsel wieder zunichte gemacht werden. Schüler:innen müssen also selbst die Frage der Kontrolle über Lehrpläne und Verhaltensregeln in den Schulen stellen, um das Vordringen rechter und queerfeindlicher Ideologie in unsere Schulen zu stoppen. Was wir für eine gerechte und inklusive Bildung wirklich brauchen, sind Lehrpläne unter demokratischer Kontrolle von Organisationen der Arbeiter:innenklasse sowie Lehrer:innen und Schüler:innen. Selbige müssen selbstverwaltete Antidiskriminierungsstellen an den Schulen erkämpfen, um den Schutz von Mädchen, Frauen und queeren Personen an den Schulen zu garantieren. Es ist nicht das Gendern, was Schüler:innen Probleme bereitet, sondern es ist ein kaputtgespartes Bildungssystem, Lehrer:innenmangel und steigender Leistungsdruck. Doch die bayerische Regierung, das sächsische Bildungsministerium oder die FPÖ denken nicht einmal im Traum daran, an dieser Bildungsmisere etwas zu verändern. Dieser Umstand entlarvt nur noch mehr, dass es ihnen lediglich um den Kampf um ideologische Vorherrschaft und das Zurückdrängen von Frauen und LGBTIA geht. Doch auch Sachsens Lehrerverband (nicht jedoch die Gewerkschaft GEW!) sieht positiv, dass das Gender-Verbot „Klarheit“ und „Barrierefreiheit“ bringen würde. Der Sprecher der FPÖ führte sogar die „Integration“ von Migrant:innen als Grund dafür an, wieso die Partei es bei „einfachen und verständlichen“ Sprachregeln belassen will.

In sprachwissenschaftlichen Studien konnte das Argument jedoch widerlegt werden, dass Gendern für das Gehirn mühsam wäre oder zusätzlichen Aufwand bedeuten würde. Anders als häufig angenommen führen geschlechtergerechte Formulierungen nicht zu langsamerer Verarbeitung, schwächerer Erinnerungsleistung oder schlechterer Lesbarkeit. Das Maskulinum hingegen führt durchaus zu Zögern bei der Verarbeitung und langsamer Reaktion, sobald es geschlechtsübergreifend gemeint ist.

Gleichzeitig sollten wir auch als Linke nicht der Illusion verfallen, dass ein bloßes Ändern unserer Sprache automatisch zu einer tatsächlichen Überwindung gesellschaftlicher Unterdrückungsverhältnisse führt. Selbst, wenn nun mehr Leute geschlechtergerechte Sprache benutzen, ändert dies leider wenig am Gender-Pay-Gap oder an der Tatsache, dass Frauen immer noch einen Großteil der Haus- und Care-Arbeit leisten.

Anstatt jedoch wie manche Linke den “Kampf um eine inklusive Sprache” abzulehnen, sollten wir diesen viel eher in den Klassenkampf einbinden. Denn in Begriffen stecken implizite Sichtweisen und Wertungen, die beeinflussen können, wie wir bestimmte Gruppen und Ereignisse betrachten. Im besten Fall kann das Verwenden einer bestimmten Sprache unsere Sichtweisen einer breiteren Masse leichter zugänglich machen. Zudem vermittelt inklusive Sprache zusätzlich diskriminierten Personen, dass wir ihre Unterdrückung anerkennen und unsere Befreiungsbewegungen zusammendenken. In diesem Sinne dürfen wir uns keinesfalls der rechten Verbotskultur beugen, sondern müssen dem Gender-Verbot den Kampf ansagen! Denn das, was der bürgerliche Staat als Vertreter des Kapitals am meisten zu fürchten hat, ist eine Arbeiter:innenklasse und Jugend, die sich ihrer gemeinsamen Interessen bewusst ist und gegen die wahren Ursachen ihres Elends ankämpft.

Seid ihr an eurer Schule davon betroffen? Organisiert euch gegen das Verbot und werdet an eurer Schule aktiv! Wir unterstützen euch gerne, auch bei allen anderen politischen Fragen an der Schule!




Pflegenotstand in Österreich

von Aventina Holzer,  Artikel aus der FIGHT 2023, unserer Zeitung gemeinsam mit der Gruppe Arbeiter:innenmacht (und anderen Sektionen der LFI) zum 8. März 2023

Österreich ist ein Land, das nicht unbedingt für seine Arbeitskämpfe berühmt ist. Aber die drohende Krise und speziell die Covidpandemie mit ihren Auswirkungen für den Reproduktionssektor haben vermehrt dazu geführt.

Speziell in der Pandemie wurde viel Aufmerksamkeit auf die Pflege und andere Krankenhausmitarbeiter:innen gelegt, die unter sehr schwierigen Arbeitsbedingungen essenzielle Tätigkeiten verrichten. Neben diesen wurde auf den Pflegenotstand aufmerksam gemacht. So werden bis 2030 76.000 zusätzliche Arbeitskräfte gebraucht sowie bessere Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie gefordert. Es gibt momentan auch Kampagnen, die verlangen, dass Pflege als Schwerstarbeit kategorisiert wird, um die tatsächlichen Auswirkungen der Arbeit aufzuzeigen.

Die Wiener Partei LINKS, in der die Genoss:innen des Arbeiter*innenstandpunkts aktiv sind, hat zur Unterstützung dieser Arbeitskämpfe eine Kampagne gestartet, in der versucht wird, die Situation in der Pflege im Spital mit der der häuslichen zu verbinden und aufzuzeigen, was hier alles falsch läuft.

Das sind aber nicht die einzigen Aktivitäten im Reproduktionsbereich in Österreich. Im letzten Jahr streikten Elementar- und Freizeitpädagog:innen mehrmals, um gegen Personalmangel, fehlende Ressourcen und Gelder für Erziehung und die schlechte Bezahlung anzukämpfen. Die Forderungen richten sich auch konkret an die türkis-grüne Regierung. Die korrupte, türkise und rechtskonservative Volkspartei steht schon seit Jahren auf Kriegsfuß mit der öffentlich-staatlichen Förderung von Bildung. Die Grünen opfern ihre Versprechen dem Erhalt ihre Regierungssitze. Bemerkenswert ist, dass die Streiks ausstrahlten und immer mehr Sektoren und zusammenhängende Bereiche gemeinsam in den Ausstand treten.

So fand am 8. November 2022 ein Streiktag der Sozialwirtschaft Österreich statt, wo von der Pflege bis hin zur Nachmittagsbetreuung viele Arbeiter:innen des sozialen (und reproduktiven) Bereichs auf die Straße gegangen sind und bessere Kollektivvertragsabschlüsse gefordert haben. Von den geforderten 15 % wurden 8 % zugestanden. Angesichts einer Inflationsrate von 8,6 % im Jahr 2022 bleibt dieser Abschluss jedoch unter der aktuellen Preissteigerung. Es kommt daher nicht nur darauf an, weiter die Kämpfe auf die Straße zu bringen und sie miteinander zu verbinden. Notwendig ist ein politischer, unbefristeter Massenstreik für die automatische Anpassung der Löhne und Gehälter, der Renten und anderen Transferleistungen an die Preissteigerung – kontrolliert von demokratisch gewählten Ausschüssen der Beschäftigten.




Österreich: Massenkundgebung gegen Strache und die Regierung!

Bericht von REVOLUTION Austria

Heute waren tausende Menschen – die Polizei spricht von 5.000, wir können daher von deutlich mehr ausgehen – gegen (Ex-)FPÖ-Chef H. C. Strache und die schwarz-blaue Regierung auf der Straße. Die Stimmung war gleichzeitig kämpferisch und euphorisch, da der verhasste Strache endlich zum Rücktritt gezwungen wurde. REVOLUTION und Arbeiter*innenstandpunkt nahmen zusammen an der Kundgebung teil, wir rufen zu einer Massenbewegung zum Sturz der Regierung und gegen die Politik für die sie steht auf.

Der Hintergrund für den Protest ist ein jetzt aufgetauchtes Video aus dem Sommer 2017. In diesem Video sprechen Strache und (Ex-)FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus mit einer vermeintlichen russischen Oligarchin über profitable Kooperationen mit der FPÖ. Der Ursprung des Videos ist bisher nicht geklärt, aber die FPÖ streitet die Echtheit des Videos nicht ab. In dem Video spricht Strache offen darüber, wie man Großspenden an den Behörden vorbei über einen Verein leiten könnte und, dass dies auch jetzt schon passiert (genannt werden unter anderem der Waffenproduzent Gaston Glock, die MilliardärInnen Heidi Horten und René Benko oder der Glückspielkonzern Novomatic). Das zeigt klar, die Verbindungen der FPÖ zu den Reichsten und Mächtigsten Österreichs. Die FPÖ ist eben keine Partei der kleinen Leute, sondern ein zentraler Verbündeter der österreichischen KapitalistInnen.

Das zweite pikante Detail ist, dass Strache mit der vermeintlichen Millionärin bespricht, die KRONE (die auflagenstärkste Zeitung Österreichs) zu kaufen, dort unliebsame JournalistInnen hinauszuschmeißen und FPÖ-FreundInnen zu installieren. Er wünscht sich eine parteitreue Presselandschaft wie sie Orban in Ungarn, Erdogan in der Türkei oder Putin in Russland haben. Er schlägt ihr auch vor, im Gegenzug zu der politischen und finanziellen Unterstützung Staatsaufträge, die aktuell an die STRABAG gehen, zuzuschanzen.

Die Kundgebung selbst, die vor allem von spontanen Emotionen zuerst der Verärgerung und später (nach dem Bekanntwerden des Rücktritts von Strache) von Freude geprägt war kann aber nur der Anfang sein. Zum aktuellen Zeitpunkt ist noch nicht klar, ob die Kurz-ÖVP die Regierungskoalition mit der FPÖ aufkündigen wird, oder sie mit geänderter Besetzung fortsetzen wird.

Diese Kundgebung muss der Auftakt einer Bewegung gegen die gesamte schwarz-blaue Regierung sein. Weder Neuwahlen noch die Rückkehr zur großen Koalition bedeuten einen Bruch mit der rassistischen, frauenhassenden und arbeiterInnenfeindlichen Politik von Schwarz-Blau. Ganz im Gegenteil: FPÖ und ÖVP haben noch viel vor, dass an die korrupten Versprechungen von Strache anknüpft. Die Steuerreform zur Entlastung der Reichsten, Sozial- und Gesundheitsabbau, und die Angriffe auf Gewerkschaftsbewegung und Arbeiterkammer sind mehrmals angekündigt worden, aber noch nicht durchs Parlament gegangen. Diese Projekte werden die Parteien, auch unter anderer Führung oder nach Neuwahlen weiterverfolgen.

Aber wir können die Krise der FPÖ in eine Krise der Regierung und eine Krise der Regierungspolitik verwandeln. Eine Massenbewegung auf der Straße, an Arbeitsplätzen, Schulen und Unis kann nicht nur die Koalition unter Druck setzen, sondern das System, dass sie verteidigen und verschärfen. Die zu Recht wütenden ArbeiterInnen, Jugendlichen und Arbeitslosen können ihre Wut auf die Korruption gegen das System richten aus dem sie entstanden ist. Es ist die Aufgabe von RevolutionärInnen und Linken, jetzt eine Strategie zu entwickeln, die das möglich macht. Wir bleiben dran.




IDC – junge Revolutionäre diskutieren über Weltlage

Vom 05. bis 08. August fand die internationale Delegiertenkonferenz von REVOLUTION, die alle zwei Jahr tagt, in London statt. Auf unserer Konferenz, die über die wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Weltereignisse diskutierte, um die Schlussfolgerungen für unsere tagtäglichen Kämpfe, sowie unseren Organisationsaufbau zu ziehen, waren über 30 Genoss_innen aus Österreich, Großbritannien, Deutschland und Schweden anwesend. Leider konnten unsere Genoss_innen aus Sri Lanka, Nepal und Pakistan, aufgrund der rassistischen Einwanderungsbestimmungen der EU, die wir aufs tiefste verurteilen, nicht teilnehmen!

Trotz dieses Mangels war die Konferenz ein großer Erfolg! Neben ausführlichen Diskussionen über die Krise, die Sparpakete, die Aufstände im arabischen Raum und den Widerstand in Europa, sowie die Situation in den Halbkolonien, konnten wir auch eine positive Bilanz unseres eigenen Organisationsaufbaus ziehen. Wir nahmen ein Aufgabenpapier für die kommenden Kämpfe an und wählten eine neue internationale Leitung. Der Höhepunkt unserer Konferenz war die Annahme unseres neuen Manifestes, das einen besonderen Schwerpunkt auf die Krise des Kapitalismus und den weltweit erneut aufflammenden Widerstand setzt.

Zum Ende sangen wir gemeinsam die Internationale, mit dem Bewusstsein, dass große Aufgaben, aber auch große Chancen vor unserer Organisation liegen!

Vorwärts zu einer neuen Jugendinternationale, Vorwärts zu einer kommunistischen fünften Internationale, Vorwärts zur Revolution!