Kein Vergeben Kein Vergessen! Gerechtigkeit für Lorenz!

Von Yorick F., April 2025

Lorenz A. wurde nur 21 Jahre alt. Am Wochenende wurde er von Bullen durch 4 Schüsse, einen davon in seinen Kopf, ermordet. Unsere Trauer und unser Mitgefühl gilt seinen Angehörigen und Freund:Innen. Nicht einmal ein halbes Jahr nach dem Freispruch der Mörder Mouhamed Dramés hat die Polizei schon wieder einen schwarzen Jugendlichen ermordet.

Was ist passiert?

Der Mord ereignete sich in der Nacht auf Ostersonntag gegen 02:40 Uhr. Lorenz soll in einen Streit vor einem Club verwickelt gewesen sein. Die Hetzer der Springerpresse machen daraus einen „Reizgasangriff“, da er ein Tierabwehrspray bei sich getragen haben soll, und diffamieren ihn als „Disco-Angreifer“. Dazu greifen sie die Behauptungen der Polizei auf, dass er ein Messer bei sich hatte, was jedoch durch diverse Zeugenaussagen stark zu bezweifeln ist. Nachdem er von der Disco flüchtete traf er laut Polizeiaussage auf eine Streife vor der er ebenfalls davon rannte, bevor er auf eine zweite Streife traf. Diese soll er mit Reizgas angegriffen haben woraufhin die Polizei in erschossen habe. Der Obduktionsbericht beweist etwas anderes: Lorenz wurde von hinten durch 4 Schüsse ermordet, zwei davon trafen seinen Körper, einer seinen Kopf. Zeug:Innen berichten, dass dem keine Warnung vorausgegangen sei. All das steht im Widerspruch zur Aussage der Bullen, welche mit ihren Lügen wahrscheinlich versuchen wollten, ihre Tat zu vertuschen.

Die Polizei schützt uns nicht!

Gegen den 27-Jährigen Bullen der auf Lorenz geschossen hat, wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet. Das ist das übliche Vorgehen bei Polizeieinsätzen mit „tödlichem Ausgang“ und wird daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu nichts führen. Das haben zahllose Verfahren derselben Art gegen die Mörder:Innen von Oury Jalloh bis Mouhamed Dramé, gezeigt. Das Verfahren wird aus „Neutralitätsgründen“ nicht von der Polizei Oldenburg, sondern von der Polizei Delmenhorst geführt. Nicht nur, dass die Polizei als bewaffneter Trupp zum Schutz des bürgerlichen Staates niemals „neutral“ sein kann, wenn es um rassistische Polizeigewalt geht, so ist die Übernahme durch die Polizei Delmenhorst eine zusätzliche Schweinerei!

Am 06.03.2021 ermordete eben diese Polizei Delmenhorst nämlich Qosay Sadam Khalaf, einen 19-Jährigen yezidischen Jugendlichen. Nachdem sie ihn beim kiffen erwischt hatten, wurde er über längere Zeit unter Einsatz von Pfefferspray und Knien auf seinem Rücken fixiert, in Folge dessen starb er in einem Krankenhaus in Oldenburg. Dort wurde u.a. ein chemischer Superabsorber in seinem Magen gefunden, ein Stoff, welcher Wasser absorbiert. Qosay fragte laut Zeugenaussagen mehrfach nach Wasser, was ihm die Bullen jedoch verwehrt haben. Ein Verfahren gegen die eingesetzten Bullen gab es erst nach Klage der Familie und auch dieses ist mittlerweile, nach ebenso „unabhängigen“ Ermittlungen der Polizei Oldenburg, von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

Unter diesen Umständen von „Neutralität“ zu sprechen, ist mehr als widerlich!

Alles keine Einzelfälle!

Der Mord an Lorenz reiht sich neben dem an Qosay in eine Reihe aus rassistischen Morden in Niedersachsen ein. Vor fast genau einem Jahr wurde Lamin Touray im etwa anderthalb Stunden Autofahrt entfernten Nienburg mit 8 Schüssen ermordet. Seine Freundin hatte aus Sorge um Lamin die Polizei gerufen, da sich dieser aufgrund einer drohenden Abschiebung in einem psychischen Ausnahmezustand befand. Diese brach daraufhin die Tür auf, hetzte einen Polizeihund auf Lamin und erschoss ihn schließlich mit 8 Schüssen. Kurz darauf war zu lesen, dass ein Polizist bei dem Einsatz verletzt worden sei. Jedoch wird nicht erwähnt, dass dies nicht durch Lamin sondern durch einen der 8 abgegebenen Schüssen passierte! Zeug:Innen des Einsatzes bezeichnen den Mord an Lamin als Hinrichtung.

Die Morde an unseren Geschwistern häufen sich. Das ist Ausdruck einer BRD, welche als Resultat von Rechtsruck und Krise immer autoritärer wird. Das reiht sich ein in Abschiebungsoffensiven, Abschottungspläne und innere Aufrüstung sowie die tagtägliche Unterdrückung und verstärkte Ausbeutung, welche rassistisch unterdrückte Menschen erleben müssen. Lorenz, Lamin und Quray zu gedenken, muss heißen, gegen genau diese Zustände zu kämpfen!

Besonders deutlich machen das auch nochmal die Aussagen von Patrick Seegers, dem Vorsitzenden der Deutschen Polizei“gewerkschaft“ Niedersachsens. Dieser forderte als Reaktion auf den Mord an einem 21-Jährigen durch seine Kolleg:Innen, die niedersächsische Polizei mit Tasern aufzurüsten, da diese angeblich tödlichen Schusswaffengebrauch verhindern würden. Wie widerlich das ist, zeigt nicht zuletzt, dass auch beim rassistischen Mord an Mouhamed Dramé Taser zum Einsatz kamen, kurz bevor er mit 6 Schüssen aus einer Maschinenpistole ermordet wurde!

Im Kampf gegen ihre Gewalt müssen wir aufzeigen, dass diese Morde und rassistische Polizeigewalt im Allgemeinen keine „Ausrutscher“ einzelner, sondern das Ergebnis dieser rassistischen staatlichen Ordnung sind. Die Aufgabe der Polizei kann es gar nicht sein, irgendwen vor rassistischer Gewalt zu schützen, da dieser Staat und die kapitalistischen Produktionsverhältnisse, auf die er sich stützt, von Rassismus direkt profitieren, durch Überausbeutung und Spaltung von uns Arbeiter:innen und Jugendlichen. Rassistische Gewalt zählt zu ihren zentralen Aufgabenbereichen: ob als Schlägertrupp gegen Palästina-Demos, rassistisch motivierte Kontrollen oder die Durchführung meist brutaler und immer gewaltvoller Abschiebungen.

Wie müssen wir kämpfen?

Als Revolutionär:innen treten wir dafür ein, dass wir eigenen militanten Selbstschutz organisieren. Wir müssen uns selbst gegen Rassist:innen, Sexist:innen und auch Polizist:innen verteidigen können. Letztlich fordern wir, den autoritären Polizeiapparat zu zerschlagen und durch Arbeiter:innenmilizen zu ersetzen, die aufgrund ihrer lokalen Verankerung in Räten demokratisch legitimiert und rechenschaftspflichtig sind.

Aber diese Perspektive bleibt radikale Träumerei, wenn wir nicht im Hier und Jetzt anfangen uns an den Orten zu organisieren, wo uns Rassismus, Sexismus und Polizeiwillkür tagtäglich betrifft. Es braucht Verankerungen an Schulen, Unis, Betrieben, Geflüchtetenunterkünften und lokale Strukturen, die diese miteinander in den Vierteln verbinden.

Lasst uns diesen Kampf gemeinsam angehen. Von Trauer zu Wut zu Widerstand!

Wir fordern:

• Polizei aus dem DGB schmeißen! Bullen gehören nicht zur Arbeiter:innenklasse, sondern sind die Schlägertruppe des Kapitals!

• Kein Massenüberwachung z.B. durch, Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Videoüberwachung usw.!

• Kein Racial Profiling und ein hartes Aburteilen von Bullen, die Racial Profiling anwenden!

• Polizist:innen, die gewalttätig werden, sollen vor Volksgerichte gestellt und diese bei Bedarf abgeurteilt werden! Dafür müssen sie durch ein individuelles Erkennungszeichen identifizierbar sein!

• Keine Militarisierung der Polizei. Sofortige Entwaffnung der Polizei, vor allem was Taser, Maschinenpistolen, Knarren und Handgranaten angeht!

• Für demokratisch legitimierte und kontrollierte Selbstverteidigungsstrukturen der Arbeiter:innen, Jugendlichen und allen Unterdrückten des Kapitalismus!




Mouhameds Mörder bleiben unbestraft

von Marc Weidner, Dezember 2024

Am 08.8.2022 wurde der, aus dem Senegal geflüchtete, 16-Jährige Mouhamed Lamine Dramé in einer Geflüchtetenunterkunft in Dortmund von der Polizei erschossen. Nun, am 12.12.2024 das Urteil des Gerichts: Alle Bullen wurden freigesprochen.

Lesezeit: 5 Minuten

Damit fiel das Urteil noch milder aus, als es die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, welche immerhin den Einsatzleiter zu einer Haftstrafe von 10 Jahren auf Bewährung verurteilen wollte. Die Solidaritätsbewegung und besonders die beiden Brüder Dramé, die extra für den Prozess nach Deutschland angereist sind, waren schockiert. Schien die Sache doch so klar: Mouhamed befand sich in einer psychischen Notsituation und richtete ein Messer gegen sich selbst. Ohne Vorwarnung, ohne jegliche psychische Unterstützung, ohne überhaupt in einer Sprache die Mouhamed verstehen kann mit ihm zu kommunizieren, ordnete der Einsatzleiter an mit Pfefferspray anzugreifen. Logischerweise versuchte Mouhamed daraufhin wegzurennen. Er kam nicht weit. Zunächst mit Tasern, dann mit 6 Schüssen aus einer Maschinenpistole, wurde er von der Polizei ermordet.

Was bedeutet dieses Urteil?

Als Kommunist:innen haben wir grundsätzlich keine große Hoffnung darin, dass Bullen vor Gericht verurteilt werden. Trotzdem müssen wir dieses Urteil sehr ernst nehmen. Es ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich für Gerechtigkeit für Mouhmed eingesetzt haben. Es bedeutet auch, dass sich das Gericht in zukünftigen Fällen auf dieses Urteil beziehen kann und gibt somit der Polizei den Freifahrtschein, weiter ungestraft Menschen zu erschießen. Es schafft einen Präzedenzfall für rassistisch und chauvinistisch motivierte Morde an Migrant:innen, Obdachlosen und langfristig auch an politischen Gegner:innen. So können Polizist:innen sich in Zukunft mit diesem Urteil auch dann auf „Selbstverteidigung“ berufen, wenn komplett klar ist, dass sie als Agressor:innen gehandelt haben.

Polizeigewalt nimmt zu!

Ohnehin sehen wir in den letzten Jahren einen Anstieg der Polizeigewalt. Ebenfalls in Dortmund wurde dieses Jahr ein Obdachloser auf offener Straße von der Polizei erschossen. Ähnliche Fälle häufen sich in ganz Deutschland. In anderen Ländern sieht es teilweise sogar noch schlimmer aus, aber sich nicht besser. Erinnern wir uns an die Ermordungen von George Floyd in den USA oder von Nahel Merzouk in Frankreich.

Dazu kommt eine wachsende Repression der Polizei gegenüber Demonstrationen. Diese traf in den letzten Jahren besonders die Klimabewegung. Aktuell ist es vor allem die Bewegung für Palästina Solidarität, der demokratische Rechte verwehrt werden und die mit massiver Polizeigewalt konfrontiert ist.

Ein weiterer Aufgabenbereich der Polizei ist die Deportation von Menschen, was im bürgerlichen Diskurs nett als „Abschiebung“ bezeichnet wird. Die Hetze gegenüber Geflüchteten nimmt immer ekeligere Formen an. Einen Tag, nachdem der Diktator Assad in Syrien gefallen ist, fällt den Arschlöchern im Parlament tatsächlich nichts anderes ein als darüber zu diskutieren, ob man jetzt die geflüchteten Syrer:innen „endlich“ abschieben kann. Am Ende ist es die Polizei, die die Menschen aus ihren Wohnungen holt. Dass es dabei regelmäßig zu massiver Polizeigewalt kommt, bleibt meist ohne irgendeine öffentliche Reaktion, was unter anderem daran liegt, dass Geflüchtete isoliert vom Rest der Gesellschaft untergebracht werden. Auch hier verschickt das Urteil im Fall Mouhamed die Botschaft, dass die Bullen mit Geflüchteten machen können, was sie wollen.

Was können wir dagegen tun?

Am 14.12. beteiligten wir uns in Dortmund an den Protesten, die sich versammelten, um gegen den Freispruch der Polizist:innen zu demonstrieren. Eine viel gerufene Parole lautete „No Justice No Peace, abolish the Police“. Wir schließen uns an, dass die Polizei nicht reformierbar ist und deshalb abgeschafft werden muss. Wir haben in anderen Artikel bereits analysiert, warum wir der Meinung sind, dass die Polizei nie in unserem Interesse handeln wird: Weil es ihre Aufgabe ist, die kapitalistische Ordnung aufrecht zu erhalten. Berechtigterweise stellen sich die meisten Leute daraufhin die Frage, ob und wodurch die Polizei denn ersetzt werden soll. Dies bleibt leider oft unbeantwortet innerhalb der Linken.
Als Revolutionär:innen treten wir dafür ein, dass wir eigenen militanten Selbstschutz organisieren. Wir müssen uns selbst gegen Rassist:innen, Sexist:innen und auch Polizist:innen verteidigen können. Letztlich fordern wir den autoritären Polizeiapparat zu zerschlagen und durch Arbeiter:innenmilizen zu ersetzen, die aufgrund ihrer lokalen Verankerung in Räten demokratisch legitimiert und rechenschaftspflichtig sind.

Aber diese Perspektive bleibt radikale Träumerei, wenn wir nicht im Hier und Jetzt anfangen uns an den Orten zu organisieren, wo uns Rassismus, Sexismus und Polizeiwillkür tagtäglich betrifft. Es braucht Verankerungen an Schulen, Unis, Betrieben, Geflüchtetenunterkünften und lokale Strukturen, die diese miteinander in den Vierteln verbinden. Dafür braucht es aber auch Organisationen, die solche Perspektiven, Perspektiven wie man tatsächlich etwas ändern kann, aufwerfen und in die lokalen Strukturen hineintragen. Sei es direkt vor Ort, aber auch auf Demonstrationen, wo sich Menschen versammeln, die etwas gegen Polizeigewalt unternehmen wollen.

Aus diesem Grund verurteilen wir auch die erneuten Angriffe auf genau solche Organisationen auf der Demonstration am 12.Dezember  in Dortmund. In erster Linie galten die Angriffe der MLPD. Schnell entwickelte sich die Situation aber so weit, dass Leute probierten allen Gruppen ihre Fahnen aus der Hand zu reißen. Letztlich ist es die allgemeine feindliche Haltung der dominierenden „autonomen“ Gruppen gegenüber organisierten Strukturen, weshalb solche Angriffe passieren. Es schadet dem Protest und es schadet der Perspektive einer Gesellschaft ohne Diskriminierung und Gewalt, wenn auf Demonstrationen Gruppen ausgeschlossen werden. Vielmehr müssen wir, genau im Gegenteil, mehr Strukturen dazu aufrufen, sich dem Protest auf der Straße anzuschließen. So in etwa die Gewerkschaften oder die Partei „Die Linke“. Es besteht immer die Gefahr der Vereinnahmung durch größere Organisationen. Dennoch sollten wir nicht davor zurückschrecken, denn nur ein massenhafter Widerstand kann der Unterdrückung in diesem System etwas entgegensetzen.

Da uns nun klar sein sollte, dass Polizeigewalt nicht Ausrutscher einzelner Polizist:innen sind, sondern das Ergebnis der staatlichen Ordnung, müssen wir uns gegen diese organisieren. Die Forderungen müssen sich also damit auseinandersetzten, wie wir im Hier und Jetzt Polizeigewalt bekämpfen, aber auch wie wir die Polizei und den Kapitalismus als Ganzes überwinden können.

  • Polizei aus dem DGB schmeißen! Bullen gehören nicht zur Arbeiter:innenklasse, sondern sind die Schlägertruppe des Kapitals!
  • Kein Massenüberwachung z.B. durch, Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Videoüberwachung usw.!
  • Kein Racial Profiling und ein hartes Aburteilen von Bullen, die Racial Profiling anwenden!
  • Polizist:innen, die gewalttätig werden, sollen vor Volksgerichte gestellt und diese bei Bedarf abgeurteilt werden! Dafür müssen sie durch ein individuelles Erkennungszeichen identifizierbar sein!
  • Keine Militarisierung der Polizei. Sofortige Entwaffnung der Polizei, vor allem was Taser, Maschinenpistolen, Knarren und Handgranaten angeht!
  • Für demokratisch legitimierte und kontrollierte Selbstverteidigungsstrukturen der Arbeiter:innen, Jugendlichen und allen Unterdrückten des Kapitalismus!



Rassistische Polizeigewalt in Frankreich: Gerechtigkeit für Nahel!

Oktober 2023, Revolution Zeitung September 2023

Immer wieder kommt es weltweit zu rassistischer Polizeigewalt. In Frankreich gipfelte sie am 27. Juni dieses Jahres mit der Erschießung des 17-jährigen Nahel Merzouk. Doch was ist passiert? Nahel war mit zwei weiteren Personen im Auto unterwegs, als die Polizei sie aufgrund von zu hoher Geschwindigkeit anhalten wollte. Nahel ignorierte dies und es kam zu einer Verfolgungsjagd bei der er schließlich stoppen musste. Kurz darauf wurde Nahel auf dem Fahrersitz des Wagens erschossen. Die Polizei behauptete danach, Nahel sei auf einen Polizisten zugefahren, welcher dann aus Notwehr gehandelt habe. Ein öffentlich gemachtes Video widerlegte dies allerdings, denn der Polizist hielt sich seitlich am Fahrzeug auf.

In Folge dieses Mordes kam es zu gewaltigen Protesten, die ganz Frankreich erfassten. Diese richteten sich hauptsächlich gegen die massive Polizeigewalt und Racial Profiling. Die Wut der Demonstrierenden äußerte sich auch in größeren Krawallen bei denen beispielsweise Brände gelegt wurden etc. Im Zuge dessen war der Protest eher Ventil für die verständliche Wut, statt dass er eine größere politische Perspektive aufzeigen konnte. Zwar erklärte der franz. Präsident den Mord als „unerklärlich“ und hielt eine Schweigeminute ab, doch praktisch reagierte der Staat auf die Krawalle mit der Mobilisierung von bis zu 45.000 Polizist_Innen und die Polizeigewerkschaften erklärten offen, man befände sich „im Krieg“. Selbstredend kam es auch hier zu massiver Polizeigewalt gegen die Demonstrierenden.

Doch nicht nur in Frankreich kommt es zu Polizeigewalt. Denken wir nur an die Tode von George Floyd in den USA oder den von Mouhamed Dramè in Dortmund. Auch knüppelt und schießt die Polizei praktisch weltweit Proteste nieder und das nicht nur in Ländern außerhalb des sich so liberal und freiheitsliebenden gebenden Westens. In jüngster Erinnerung sind sicherlich Proteste wie die nach dem Tode Nahels, gegen die Rentenreform in Frankreich oder auch die 1. Mai Demonstrationen.

Wer ist eigentlich die Polizei?

Um zu verstehen wieso es immer wieder dazu kommt und was eine Antwort darauf sein kann, müssen wir uns näher mit der Rolle der Polizei im kapitalistischen Staat befassen. Im bürgerlichen Staat ist die Polizei Teil der exekutiven Gewalt, sprich ausführenden Gewalt des Staates. Sie stellt also zumindest innerhalb der nationalstaatlichen Grenzen den bewaffneten Teil des Staates dar. Ihre Aufgabe ist es, die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Staates zu gewährleisten. Alleine an ihr liegt es, mit Gewalt für „Recht und Ordnung“ zu sorgen. Wenn also nun in einem Staat Proteste entbrennen, die sich z.B. gegen eine rassistische Praxis innerhalb der Staatsordnung wenden, so ist es die Aufgabe der Polizei, diese niederzuschlagen und den Status Quo zu verteidigen. Das Problem ist nun, das der Status Quo, also die herrschende Ordnung, vor allem der Klasse der Kapitalist_Innen dient und nicht den Interessen des Großteils der Bevölkerung, der Arbeiter_Innenklasse und der Jugend.

Doch warum trifft die Polizeigewalt so oft unterdrückte Gruppen wie People of Color? Der Rassismus des Staates und der kapitalistischen Ausbeutung wird hier gewaltsam fortgeführt. Beispielhaft sind hier Migrant_Innen, die auf rassistische Art und Weise auf dem Arbeitsmarkt überausgebeutet in ein prekäres Dasein verdrängt werden, wo sie dann in den sogenannten „Problembezirken“ zusammenwohnen müssen, da man sich nur dort noch die Mieten leisten kann. Entwickeln diese Menschen dann eine berechtigte Wut auf die Art und Weise ihrer Behandlung durch den Staat, werden sie spätestens dann zum Problem für die herrschende Ordnung, wenn sie diese Wut kundtun. Aber auch Linke trifft die Gewalt des Staates immer wieder, da sie eben diesen kritisieren und abschaffen wollen, was natürlich im Gegensatz zur Aufgabe der Polizei steht, diesen zu bewahren. Es bleibt also festzustellen, dass die Polizei nicht unser Freund und Helfer ist, war oder sein wird. Sie setzten einfach nur die unserem Interesse entgegengerichtete Ordnung des Staates durch.

Doch wie gehen wir damit um, wenn wir uns die alltägliche Schikane und Gewalt durch den Staat nicht mehr länger gefallen lassen wollen? Da uns nun klar sein sollte, dass Polizeigewalt nicht Ausrutscher einzelner Polizist_Innen sind, sondern das Ergebnis der staatlichen Ordnung, müssen wir uns gegen diese organisieren. Die Forderungen müssen sich also damit auseinandersetzten, wie wir im Hier und Jetzt Polizeigewalt bekämpfen, aber auch wie wir die Polizei und den Kapitalismus als Ganzes überwinden können:

• Polizei aus dem DGB schmeißen! Bullen gehören nicht zur Arbeiter_Innenklasse, sondern sind die Schlägertruppe des Kapitals!

• Kein Massenüberwachung z.B. durch, Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Videoüberwachung usw.!

• Kein Racial Profiling und ein hartes Aburteilen von Bullen, die Racial Profiling anwenden!

• Polizist_Innen, die gewalttätig werden, sollen vor Volksgerichte gestellt und diese bei Bedarf abgeurteilt werden! Dafür müssen sie durch ein individuelles Erkennungszeichen identifizierbar sein!

• Keine Militarisierung der Polizei. Sofortige Entwaffnung der Polizei, vor allem was Taser, Maschinenpistolen, Knarren und Handgranaten angeht!

• Für demokratisch legitimierte und kontrollierte Selbstverteidigungsstrukturen der Arbeiter_Innen, Jugendlichen und allen Unterdrückten des Kapitalismus!




Mord an Sarah Everard – fight sexism, abolish police & capitalism

Worum
geht’s?

Am
Abend des 3. März wurde die 33-jährige Sarah Everard auf ihrem
Heimweg im Londoner Clapham entführt und ermordet. Ihre Leiche wurde
eine Woche später in einem Wald in Kent gefunden. Einige Tage nach
dem Mord wurde der mutmaßliche Mörder, Wayne Couzens, festgenommen
und Ermittlungen wegen dringenden Tatverdachts eingeleitet. Wayne
Couzens ist Metropolitan Police-Officer. Er hatte vor dem Angriff auf
Sarah bereits mehrfach Frauen sexuell belästigt und sich z.B. in der
Öffentlichkeit vor ihnen entblößt. Anzeigen, die von den Frauen
gegen ihn erstattet wurden, liefen ins Leere. Couzens blieb
ungestraft und arbeitete weiter im polizeilichen Dienst. Mittlerweile
befindet sich der Mann in Untersuchungshaft und ein Gerichtsverfahren
gegen ihn wird vorbereitet.

Niederschlagung
der Proteste

Kurz
nach dem Fund von Sarahs Leiche und der Ermittlung des
Tatverdächtigen riefen Aktivst_Innen zu einer friedlichen Mahnwache
im Londoner Stadtteil Clapham auf. Die Polizei hatte diese im
Vorhinein untersagt, wobei sie die Corona-Regeln zum Infektionsschutz
als Begründung anbrachte. Dass die Organisator_Innen von vornherein
geschulte Ordner_Innen zur Durchsetzung der Hygienemaßnahmen stellen
wollten, wurde nicht akzeptiert. Die Anwält_Innen der
Organisator_Innen appellierten an das Gericht, das polizeiliche
Verbot zu kippen. Dieses lehnte ab, entschied aber, dass die Polizei
zwar das Recht habe, die Demonstration zu verbieten, dies aber nicht
das Recht auf Demonstration nach dem Menschenrechtsgesetz aushebeln
würde.

Trotz
des Verbotes versammelten sich am 13. März tausende mehrheitlich
weibliche Teilnehmer_Innen. Die örtliche Polizei kam hinzu, mit dem
Ziel, die Versammlung aufzulösen- weiterhin mit der Begründung,
dass aufgrund der aktuellen Coronalage eine zu große
Infektionsgefahr von der Versammlung ausgehe, obwohl die Anwesenden
Masken trugen und auf Abstände achteten. Die Beamt_Innen gingen
dabei mit voller Härte vor. Teilnehmer_Innen der Mahnwache wurden zu
Boden gedrückt, geschlagen und abgeführt. Viele Videos und Bilder
kursierten danach im Internet und bezeugten die Gewalt, die die
Polizei gegen die mehrheitlich weiblichen Teilnehmer_Innen ausübte.

Entstehung
einer neuen Bewegung?

Die Nachricht von Sarahs Ermordung führte zu einer neuen #MeToo-ähnlichen Bewegung auf der ganzen Welt, mit Hunderttausenden von Frauen, die sich in den sozialen Medien über ihre eigenen Erfahrungen äußerten, sich unsicher zu fühlen, wenn sie nachts nach Hause gehen und von Übergriffen durch Männer berichteten. Viele solidarisierten sich auch mit den Protestierenden an der Mahnwache in Clapham und das Verhalten der Polizei rückte in den Fokus harscher Kritik. So goss der Vorfall auch Öl ins Feuer bezüglich eines neuen britischen Polizei-, Strafverfolgungs- und Gerichtsgesetzes, welches sich parallel zu den Geschehnissen Anfang März im Prozess der Verabschiedung befand.

Angriff
auf demokratische Rechte

Das
von der rechts-konservativen Tory-Regierung eingebrachte „Gesetz
über Polizei, Kriminalität, Verurteilung und Gericht“ sieht
strengere Strafen für schwere Verbrechen vor, beendet die Politik
der vorzeitigen Freilassung von Straftätern und verhindert unter
anderem unbefugte Camp-Lager wie z.B. Protest-Camps. Es sieht aber
auch eine Ausweitung der Befugnisse der Polizei vor, wenn es um die
Durchführung und Einschränkung von Protesten geht.

Der
Gesetzentwurf erlaubt es der Polizei, Veranstaltungen und
Demonstrationen zu verbieten, die nach ihrem Urteil „absichtlich
oder rücksichtslos ein öffentliches Ärgernis“ verursachen
oder „ernsthafte Belästigung [oder] ernsthafte Unannehmlichkeiten
für die Öffentlichkeit oder einen Teil der Öffentlichkeit“
darstellen. Auch sollen die Strafen für Verstöße gegen
polizeiliche Auflagen bei Demonstrationen erhöht werden. Eine
Verurteilung wegen Widerstands gegen die Polizei in solchen
Angelegenheiten kann mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 10 Jahren
geahndet werden.

Außerdem
gibt es Abschnitte, die sich mit „Ein-Personen-Protesten“
befassen, wobei es auch hier dem Ermessen der Polizei überlassen
wird, ob diese Proteste „ernsthaftes Unbehagen“ bei anderen
hervorrufen könnten.

Die
Vorschläge beinhalten außerdem Maßnahmen, um Proteste vor dem
Parlament zu verhindern.

Das
neue Gesetz würde der Polizei also viele umfassende Befugnisse
bieten. Dabei wird viel ihrem eigenen Ermessen überlassen und es
ihnen ermöglichen, Proteste zu kriminalisieren, die sie als
„öffentliches Ärgernis“ betrachten.

Die
Polizei könnte beispielsweise Zeit- und Lärmgrenzwerte für
Kundgebungen festlegen. Demonstrant_Innen, die sich nicht an
Beschränkungen halten, über die sie „Bescheid wissen sollten“,
selbst wenn sie keinen direkten Befehl von einem Beamten erhalten
haben, wären strafbar.

Neben
diesen grotesken Polizeireformen kündigte die Regierung eine Reihe
neuer Maßnahmen an, die angeblich dem „Schutz der Frauen“
dienen sollen. Die extremste dieser Maßnahmen ist, dass ausgerechnet
Polizeibeamte in Zivil in Nachtclubs und Bars eingesetzt werden
sollen. Mit der kombinierten Wut gegen den Everard-Mord sowie die
Polizeigesetze und die weitere Überwachung der Öffentlichkeit durch
die Polizei,
verdichteten sich die Anti-Polizeiproteste zu einer greifbaren
Bewegung, mehr als je zuvor in den letzten Monaten.

Dieses
Gesetz wurde zwar mittlerweile aufgrund der anhaltenden Proteste
ausgesetzt, jedoch ist absehbar, dass die Regierung spätestens im
Falle eines Abflauens der Bewegung dieses wieder aus der Schublade
hervorholen wird.

Dieser
Gesetzesentwurf ist eine direkte Reaktion auf das Protestgeschehen
der vergangenen zwei Jahre. Protest-Camps, Massenblockaden von
Straßen, Brücken oder von Eingängen waren Aktionsformen zivilen
Ungehorsams, die wir in den vergangenen Jahren vermehrt z.B. im Zuge
von Extinction Rebellion und der Umweltbewegung sehen konnten und
genau die Art von „öffentlicher Störung und Unruhe“, die
dieses Gesetz umschließen soll. Die Gesetzesvorlage ermöglicht es
auch, dass diejenigen, die Denkmäler beschädigen, zu bis zu 10
Jahren Gefängnis verurteilt werden. Diese Bestimmung kommt, nachdem
eine Statue zum Gedenken an einen Sklavenhändler, Edward Colston,
letztes Jahr während einer Demonstration der Black Lives
Matter-Bewegung in Bristol gestürzt wurde.

Wenn
es dem Ermessen der Polizei überlassen wird, das Recht auf Protest
zu erteilen oder zu entziehen, ist das ein grundsätzlicher Angriff
auf dieses demokratische Recht an sich und verunmöglicht es uns,
unsere Forderungen und Kämpfe auf die Straße zu tragen. Um zu
verstehen, wieso, muss man sich die Rolle der Polizei genauer
anschauen.

Wem dient die Polizei?

Ein zentraler Aspekt der Polizei ist es, die gesellschaftlichen Verhältnisse, so wie sie sind, aufrecht zu erhalten. Das beinhaltet auch die Besitzverhältnisse, sowie den bürgerlichen Staat und den Kapitalismus. Bewegungen, die in ihrem Kern gesellschaftliche Verhältnisse anzweifeln und überwinden wollen, sind eine Bedrohung für diese Verhältnisse und müssen aus Sicht des Staates unschädlich gemacht werden. Die Polizei ist Handlanger_In eines Systems, welches Menschen unterdrückt, welches Sexismus, Rassismus, Homophobie, Antisemitismus und viele weitere Formen der Diskriminierung und Unterdrückung hervorbringt und reproduziert. Wenn es im Ermessen des bewaffneten Armes des bürgerlichen Staates liegt, was Recht und was Unrecht ist, welcher Protest stattfinden kann, welcher nicht, dann wird diese Entscheidung immer im Interesse der herrschenden Verhältnisse, des Staates und der Regierung ausgehen. Das bedeutet in der Praxis, wie auch der Angriff auf die Mahnwache in Clapham zeigte, dass selbst friedlicher Protest mit fadenscheinigen Begründungen zerschlagen werden kann, wenn er nicht erwünscht ist. Die Möglichkeit, dass wir uns gegen Missstände organisieren, zusammenfinden und dafür eine Öffentlichkeit schaffen auf der Straße, wird mit dem neuen Gesetz an die Billigung der Polizei gekoppelt. Solche Proteste sind aber ein zentrales Mittel, gegen diese Missstände anzukämpfen und das unbedingte Recht darauf muss verteidigt werden.

Zur
Lage in Deutschland

Der
Mord an Sarah Everard, die daraus entstandene Bewegung, die Angriffe
der Polizei auf Demonstrationen, die Verschärfung der Polizeigesetze
– all dies passiert oder passierte bereits in verschiedensten
Ländern auf der Welt. Die dagegen aufbegehrenden Bewegungen gehören
unweigerlich zusammen, sie müssen sich solidarisieren, sie müssen
sich unterstützen und gemeinsam organisieren.

In
Deutschland wurde in den letzten Jahren nach und nach in den
einzelnen Bundesländern eine Novellierung der Polizeigesetze
beschlossen, welche die Mittel und Befugnisse der Polizei ausgeweitet
haben. Landesweite Massenproteste konnten hier die Gesetzesänderungen
jedoch nicht verhindern, weil diese vereinzelt und atomisiert waren,
es nicht zum Aufbau einer schlagkräftigen, bundesweiten Bewegung kam
(obwohl unter Anderem in Bayern und NRW auch Massenproteste mit
Zehntausenden stattfanden) und auf systemkonforme Demonstrationen
beschränkt blieben. Aktuell wird im Bundestag über einen
bundesweiten Gesetzesentwurf für ein neues Polizeigesetz debattiert,
welches unter anderem auch die Einführung des Staatstrojaners
(staatliche Spionagesoftware) bundesweit vorsieht. Es ist
wahrscheinlich, dass dieses Gesetz noch vor den Bundestagswahlen im
September durch den Bundestag gewunken wird.

Es
ist kein Zufall, dass die Erweiterung der Polizeibefugnisse, der
Ausbau der Überwachung und Angriffe auf unsere demokratischen Rechte
ausgerechnet jetzt während der Pandemie stattfinden. Wir befinden
uns mitten in der tiefsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Alle
Staaten sahen sich im Zuge der Lockdowns gezwungen, riesige Rettungs-
und Konjunkturpakete für die Wirtschaft umzusetzen und Milliarden an
Schulden aufzunehmen. Die Kosten der Krise müssen wir Arbeiter_Innen
und Jugendlichen dann zahlen, weshalb die Herrschenden die
pandemische Lage für Angriffe auf unsere demokratischen Rechte und
für den Ausbau der Polizei nutzen, um zukünftige Proteste und
Bewegungen effektiver niederschlagen zu können.

Hier
lässt sich im Übrigen noch ein Aspekt aus der Coronapandemie mit
einbringen, der auch am Anfang schon genannt wurde: Auch im Zuge des
Infektionsschutzes wurden Kundgebungen und Demonstrationen untersagt,
eingeschränkt und angegriffen, auch hier in Deutschland. Man mag
sich über das Verbot von Querdenken-Demos freuen, aber wenn man die
Sache zu Ende denkt, dann kann das Verbot natürlich auch gegen
linken und progressiven Protest verwendet werden, wie wir es bspw.
bereits in Hanau und Berlin gesehen haben. Trotz oder gerade wegen
der Pandemielage ist es zentral, die Möglichkeit zur Äußerung von
Protest auf der Straße und Versammlungen unter entsprechen
Hygienemaßnahmen aufrecht zu erhalten. Wenn die Regierung wie in
England die “Gunst der Stunde” nutzen will, um ihr Gesetz
durchzubringen und gleichzeitig Protest dagegen unter dem Vorwand des
Infektionsschutzes kriminalisiert, dann müssen wir infrage stellen,
wer eigentlich über die Maßnahmen entscheidet und diese durchsetzt.

Wie
kann die Bewegung erfolgreich sein?

Die
Geschehnisse in Großbritannien zeigen auf, dass verschiedene Formen
der Unterdrückung und der Repression miteinander in Verbindung
stehen. Sie zeigen konkret, dass wir den
Kampf gegen Sexismus und den Kampf gegen Angriffe auf demokratische
Rechte nicht getrennt voneinander betrachten, sondern diese
zusammenführen und mit dem Kampf gegen die gemeinsame Ursache dieser
Probleme verknüpfen
müssen: Den Kapitalismus.

Bei ihrem Kampf brauchen die Unterdrückten dringend Solidarität – nicht nur in London oder dem UK, sondern auch hier und überall auf der Welt – denn die Unterdrückung der Frau, wie auch der Ausbau des Polizeiapparates, ist kein spezifisch britisches, sondern ein globales Problem, das auch global und international bekämpft werden muss!

Die
Idee und Forderung flächendeckender
Streiks
muss jetzt in der Klasse verbreitet werden,
damit die Bewegung auch ökonomischen Druck erzeugen kann, um ihre
Forderungen durchzusetzen.
Zur Organisierung einer internationalen Bewegung braucht es
Aktionskomitees in allen Wohnvierteln, die auf Massenversammlungen
gewählt
werden, diesen
verantwortlich und von ihnen wieder abwählbar sind. Dasselbe braucht
es auch auf Ebene
der Betriebe, Unis und Schulen,
insbesondere zur Vorbereitung und Durchführung von Streiks.

Da
wir uns auf den Staat und die Polizei nicht verlassen dürfen,
braucht es Selbstverteidigungsstrukturen der Arbeiter_Innenklasse,
die von der Bewegung und ihren Strukturen kontrolliert werden. Den
organisierten Selbstschutz braucht es nicht zuletzt auch, um wenn
nötig die tatsächliche Niederschlagung der Bewegung durch den Staat
zu verhindern.




Say their names: Shukri Abdi!

Resa Ludivine

Kennst du eigentlich Shukri Abdi?

Nein? Du solltest aber ihren Namen kennen. Shukri Abdi aus
Somalia war gerade mal zwölf Jahre alt, als sie starb. Als schwarze Muslima
hatte sie es nicht leicht. Erst musste sie fliehen und dann in England,
vermeintlich in Sicherheit, wurden ihr ihre Mitschüler_Innen zum Verhängnis. “Get
in the water or I’ll kill you” haben ihr Mitschüler_Innen gesagt, die sie zuvor
gemobbt hatten. Fünf gegen Eine. Shukri ertrank im Fluss.

Vor Gericht sagten die anderen Kinder aus, dass Shukri um
Hilfe geschrien hatte. Nur ein Kind versuchte, ihr zu helfen. Die anderen
Kinder sahen es auch nicht für notwendig an, Hilfe zu holen. Eines der Kinder
soll sogar zugegeben haben, dass es beim Anblick von Shukris Kampf mit dem
Wasser wusste, dass sie sterben würde.

Ein tragischer Einzelfall also? Rassistisches, aber auch
antisemitisches Mobbing oder Mobbing aufgrund deiner sexuellen Identität
gehören nicht nur in Shukris Fall, sondern wahrscheinlich an jeder Schule zur
Tagesordnung. Die Kinder und Jugendlichen versuchen zumeist zu verstecken,
wofür sie diskriminiert werden. Kommt es dennoch zu Mobbingvorfällen,
Hänseleien oder Beleidigungen durch Mitschüler_Innen oder das Lehrpersonal ist
der letzte Ausweg oft der Schulwechsel. Aber als nicht-weiße Person kannst du
dich in einer Umgebung, die vor allem weiß dominiert ist, wie in Deutschland,
England oder den USA, nicht verstecken.

Die Polizei sprach nach dem Ertrinken von Shukri von „keinen
verdächtigen Umständen“, die zu ihrem Tod geführt hätten. So schützt die
Polizei nicht nur Jeden vor dem Verdacht des Mobbings (was an sich schon
schlimm genug und viel zu oft klein geredet wird), sondern auch Jeden vor dem
Vorwurf des Rassismus. Denn hätte man Mobbing oder Diskriminierung
ernstgenommen, wäre Shukri wohl heute noch am Leben. Doch hält man es allzu oft
nur für eine Kleinigkeit, eine Kleinigkeit unter Kindern, ein paar „kleine“
Witze, eine „kleine“ Beleidigung.

Schaut man sich die Zahlen der letzten Jahre (am Beispiel Berlin)
an, sieht man, dass die meisten dokumentierten Vorfälle von Diskriminierung –
auf der Straße und in der Schule – rassistisch motiviert sind. Im Schuljahr
2016/17 waren es 106 von 170 Vorfällen, die bei offiziellen Stellen eingegangen
sind. Doch ist die Dunkelziffer, gerade bei abgeschlossenen Räumen im
persönlichen Sozialraum, in dem auch noch Hierarchien (bspw. Lehrer_In- Schüler_In)
vorhanden sind, bekanntermaßen größer. Allerdings macht das Nichtvorhandensein
dieser Zahlen das Problem und die Bedrohung, die von Rassismus ausgeht, nicht
weniger real. Wie real, wurde 2018, bei einem Besuch einer Schule, in der es
rassistische Vorfälle unter der Lehrer_Innenschaft gab, durch die schwarze
Anti-Diskriminierungsbeauftragte Saraya Gomis demonstriert. Saraya wurde bei
ihrer Intervention rassistisch diskriminiert bis dahin, dass eine Lehrerin zum
„Protest“ eine Affenmaske trug. Mittlerweile ist sie von ihrem Amt
zurückgetreten. In diesem Umfeld sollen also Kinder Antirassismus, sowie
Antidiskriminierung leben und lernen?

Am 27.6.2019 endete das kurze Leben von Shukri Abdi. Erst
ein Jahr später, da nun die Proteste für die Gleichberechtigung schwarzen
Lebens Millionen Menschen weltweit auf die Straße treiben, werden auch Stimmen
in der Lokalpolitik lauter, die eine weitreichendere Untersuchung zur
Aufklärung des Todes fordern.

Das war auch kein tragischer Einzelfall, sondern Alltag.

Shukri ist eine von Tausenden. Unsichtbar. Nicht so brisant
wie Polizeigewalt, weil dort das Machtgefälle offensichtlicher verteilt scheint
und es offensichtlich der bürgerliche Staat ist, der seine Machtposition
ausnutzt. Doch Rassismus ist ein System, das schon in Kindertagen anfängt.
Nicht weil Kinder von Geburt an rassistisch wären, sondern weil eine zunehmend
rassistische Gesellschaft von Anfang an Diskriminierung vorlebt und weißen Privilegien
kein Alter nennt. Diese Privilegien bestimmen schon vor der Geburt den Zugang
zu Krankenversorgung, Behandlung durch das medizinische Personal, später dann
die Aufnahme in Schulen usw. Sich dessen bewusst zu werden, ist zwar ein erster
Schritt, bringt den Betroffenen dennoch nichts. Zu dem Vorsatz „kein Täter
werden“ gehört nämlich auch Solidarität. Solidarität kann man lernen und hätte
Shukri im Todeskampf wohl auch geholfen. Eine vollständige Gleichberechtigung
kann es nicht allein durch das Bewusstwerden weißer Privilegien hergestellt
werden. Wir müssen diese Privilegien abschaffen und auf den Müllhaufen der
Geschichte deponieren, sowie das System, das hinter dem Rassismus steckt, bekämpfen.
Denn es sind nicht nur rassistische Positionen und Einzelpersonen, sondern es ist
ein System. Ein System, das auf Abhängigkeit beruht- so z.B. zwischen
imperialistischen Nationen und Halbkolonien. Im Kapitalismus wird es keine
Lösung für dieses Problem geben. Die Devise ist also: Kein Antirassismus ohne
Sozialismus und kein Sozialismus ohne Antirassismus!

Das war die Geschichte von Shukri Abdi. Rest in power.