Investoren raus aus der Liga! Gegen Kommerz, für Mitbestimmung von Fans und Angestellten!

von Brokkoli Bittner & Leonie Schmidt, Dezember 2023

Die Deutsche Fußballliga (DFL) stimmt einem Investoreneinstieg zu. Das hieß es letzte Woche überall in den Nachrichten. Und auch schon davor gab es eine große Debatte um das Thema, denn es ist nicht das erste Mal, dass ein Investoreneinstieg von der DFL diskutiert wird. Im Mai wurde das schon mal in Erwägung gezogen, aber damals von den Klubs abgelehnt. Die DFL hat nun kleine Teile geändert, doch die Kernprobleme bleiben bestehen. Denn die Bundesliga entwickelt sich zunehmend zu einem immer kommerzielleren Produkt. Dank dieser kürzlich verabschiedeten Reform können die Führungskräfte der DFL jetzt 8% der Einnahmen aus dem Verkauf der Fernsehübertragungsrechte an einen privaten Investor abtreten. Hierfür soll eine neue Tochtergesellschaft ins Leben gerufen werden. Dieser Handel dürfte insgesamt etwa eine Milliarde Euro generieren und soll eine maximale Laufzeit von zwanzig Jahren haben. Die neu erworbenen Mittel sollen dann für die digitale und internationale Vermarktung der Bundesliga eingesetzt werden, beispielsweise durch einen Streamingdienst oder finanzielle Unterstützung für Vereine, die Trainingslager auf anderen Kontinenten abhalten. Darüber hinaus sollen etwa 300 Millionen Euro an die Vereine der ersten und zweiten Liga fließen, um die sogenannte „internationale Konkurrenz“ zu gewährleisten und eventuell entstehende Verluste auszugleichen. Früher erhielten die Vereine die vollen Einnahmen aus den Medienrechten direkt nach einem festgelegten Schlüssel zugewiesen. Ein Teil dieser Einnahmen geht nun an die zukünftigen Investoren.

Auswirkungen

Dieser Schritt sorgt dafür, dass die Schere zwischen Liga und Fans immer größer wird. Schon jetzt haben die Fans viel zu wenig in der Liga und in den Klubs zu sagen. Auch das liegt mitunter daran, dass die meisten Klubs keine Vereine sind, sondern als Konzerne geführt werden. Sie werden also im Sinne einer gewissen Profitlogik betrieben, wo die Fans nicht mitentscheiden können und der Sport kapitalistisch ausgeschlachtet wird. Dies führt zu Streitigkeiten zwischen Fans und dem eigenen Klub, da oft Entscheidungen über Spieler, Trainer oder Sponsoren getroffen werden, die den Fans nicht passen.

Außerdem sehen wir seit Jahren immer nur dieselben Vereine in der Bundesliga, zumindest an der Spitze der Liga. Bei Ab- und Aufstiegen gibt es durchaus manchmal Überraschungen. Aber auch diese Eintönigkeit durch die Monopolbildung ist die Folge von Kommerzialisierung: Mächtige Profivereine mit gigantischen Werbedeals und Börsennotierung oder anderen Investoren durch namhafte Marken können sich natürlich bessere Spieler, Trainer, Trainingslager, Mannschaftsärzte und sonstiges Equipment leisten als kleine Vereine. Dadurch ist der Sport für manche uninteressanter geworden. Aber machen wir uns nichts vor: der deutsche Fußball hat nach wie vor den höchsten Zuschauerschnitt der Welt. Gerade deswegen ist hier für die Investoren auch viel zu holen. Außerdem sehen wir, dass auch jetzt schon die Ticketpreise steigen.

Und diesen Zustand soll jetzt ein Investor verbessern? Eine Liga, die durch Kommerzialisierung gegen die Interessen der Fans kämpft und seit Jahren keine neuen Spitzenvereine hervorbringt, so dass es ein wenig interessanter werden könnte, soll durch noch mehr Kommerzialisierung gerettet werden? Wohl kaum. Denn der Einstieg wird eher dazu führen, dass die hochrangigen Klubs noch mehr Möglichkeiten haben, an der Spitze des deutschen Fußballs zu bleiben, da nur sie es sind, die Teil einer internationalen Vermarktung sein können. Denn mal ehrlich: Welche internationalen Fans haben Zweitligavereine vorzuweisen?! Des Weiteren werden die Gelder immer noch nach dem festgelegten Schlüssel verteilt, der die bereits erfolgreichen Vereine klar bevorzugt. Ebenso ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Investoren auch ein Mitbestimmungsrecht einfordern, um ihre Profite so hoch wie möglich zu treiben. Dies könnte dazu führen, dass nicht nur am Wochenende gespielt wird, sondern auch unter der Woche. Denn wenn es mehr Spiele gibt, die nicht gleichzeitig stattfinden, kann mehr übertragen werden und die Profite gehen in die Höhe. Doch genau das zerstört auch Fan-Kultur. Denn es verunmöglicht den Fans ihren Vereinen, nachzureisen, wenn sie erst um 18 Uhr aus dem Betrieb kommen und am nächsten Morgen wieder auf der Matte stehen muss. Außerdem können aufwendige Choreografien nur noch schwer durchgeführt werden. Die Gefahr, dass die Ticketpreise weiter steigen, steht auch im Raum. Auch ohne Investoren in die DFL passiert das schon. Obwohl gerade bei einer Inflation sich auch ohnehin viele das Fansein nicht mehr leisten können, sehen wir auch in anderen Bereichen, zum Beispiel in Krankenhäusern oder beim Wohnen, wie die Privatisierung der breiten Masse geschadet hat.

Widerstand leisten!

Wir müssen also auch im Fußball wie überall Widerstand gegen die Kommerzialisierung leisten und diesen Widerstand gibt es sogar schon. Fangruppen haben in einem gemeinsamen Statement bekannt gegeben, dass es in den ersten 12 Minuten in den Kurven keine Gesänge und auch keine Fahnen geben wird. Zusätzlich wurden jetzt schon massenhaft Banner gegen die Vorhaben der DFL gezeigt, und Fans haben für Spielunterbrechungen gesorgt durch Pyrotechnik und das Werfen von Tennisbällen und Schokomünzen auf den Platz. Und mit diesen Kampfmitteln ist den Fans auch gelungen, andere Versuche der Kommerzialisierung der DFL zu verhindern. So wurde zum Beispiel der Montagsspieltag verhindert.

Doch hier geht es um mehr: Die DFL will eine ganze Sportart verscherbeln. Um das zu stoppen, muss mehr getan werden. Es muss sich zum Beispiel mit den Angestellten der DFL, der Vereine, der Security- und Catering-Firmen zusammengetan werden, denn die Interessen von Investoren könnten auch ihre Arbeitsbedingungen angreifen. Auch die Spieler müssen mit einbezogen werden, denn nur so können wir es schaffen, dass Spiele gar nicht erst außerhalb des Wochenendes stattfinden.

Forderungen

Außerdem müssen sich die Fans nicht nur gegen den Investoreneinstieg zusammentun, sondern auch gegen die allgemein fortschreitende Kommerzialisierung des Fußballs:

  • Gegen den Fußball der Konzerne. Wir wollen nicht, dass das Geld von GmbHs und AG gegeneinander spielt.
  • Für die Zerschlagung der Sportverbände und eine Enteignung unter Arbeiter:innenkontrolle!
  • Für mehr Mitbestimmung: Komitees für die Liga und die Vereine bestehend aus Fans, Spielern, Trainern und der Arbeiter:innenklasse!
  • Fußball muss sich jeder leisten können: Ticketpreise runter! Fußball ist Sport der Massen, nicht der Reichen.
  • Durchschnittliche Arbeiter:innenlöhne für Profisportler!



Was der Bundesligastart über den Zustand des Profifußballs aussagt:

Marcel Möbius

Seit dem 15. Mai wird in der 1. und 2. Bundesliga wieder
Fußball gespielt. Seit dem 30. Mai auch in der 3. Liga. Das Alles ohne
Zuschauer, als sogenannte „Geisterspiele“ und unter Einhaltung strenger
Hygieneregeln. Damit nimmt die Deutsche Fußball-Liga (DFL) im internationalen
Vergleich eine Vorreiterrolle ein. Nachdem dies sich als wirtschaftlich
lukrativ herausgestellt hat, werden andere große europäische Ligen diesem
Beispiel folgen. So wird in Spanien beispielsweise am 11. Juni der Spielbetrieb
fortgesetzt. Um dies möglich zu machen, werden extra regelmäßige Tests auf das
Coronavirus bei SpielerInnen und BetreuerInnen durchgeführt und diese in
Quarantäne gesetzt, wenn nötig. Dies ist besonders international ein Hohn, wenn
man betrachtet, dass in Italien und Spanien nicht einmal genügend Tests
existieren, um die Zivilbevölkerung zu versorgen. Allerdings sollen für den
Profisport hier massiv die Ressourcen locker gemacht werden. Dafür riskiert man
eine fortschreitende Verschlechterung der Versorgung der Zivilbevölkerung und
die Leben der ArbeiterInnenklasse. Dies alles tut man nur um den sportlichen
Wettbewerb aufrechtzuerhalten? – Wohl kaum! Man muss sich vor Augen führen,
dass der Profifußball ein riesiger Markt geworden ist, in dem es um hunderte
Millionen Euro geht. Es ist eine Unterhaltungsindustrie, die sich durch
Fernsehgelder, Werbekampagnen, Eintrittspreise und Merchandise finanziert.

Besonders deutlich wird die Entfremdung des Profifußballs
vom ursprünglichen Gedanken des Sport, wenn man betrachtet, dass der gesamte
Amateurfußball unverzüglich eingestellt wurde. Dies ist wiederum
nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass die meisten Amateursportvereine sich
ohnehin finanziell in miserablen Situationen befinden. Kaum ein Verein
generiert Überschüsse, die den Zwecken der Erhaltung der eigenen Infrastruktur
genügen. Zumeist ist man auf die finanzielle Unterstützung von Kleinunternehmen
angewiesen, für die der Verein zur Werbefläche wird. So zeigt sich, dass auch
bei Amateurvereinen die gleichen Mechanismen gelten wie im Profibereich.
Lediglich die Summen und die Größen von Vereinen und Unternehmen variieren.

Noch mehr verdeutlicht sich die Entfremdung des
Profifußballs vom Grundgedanken des Sports, wenn man betrachtet, welche
Transfersummen und Gehälter im Profifußball fließen. Nicht selten werden hier
Millionen als Jahresgehalt für Vollzeitsportler gezahlt. Das echt absurd, wenn
man es in Relation zu durchschnittlichen ArbeiterInnenlöhnen setzt – schon
allein im Vergleich, wenn man sieht, dass die Spieler vieler Vereine auf ihre
Gehälter ganz oder teilweise verzichtet haben, um die Lohnzahlungen der ArbeiterInnen
des Vereins zu sichern. Was wie eine große Geste wirkt, ist doch eher ein Akt
der Selbsterhaltung für die kapitalistische Maschinerie der Fußballindustrie.

Darüber hinaus hat die ökonomische Betrachtung des
Profifußballs auch einen sexistischen Aspekt, da im Frauenfußball die Gehälter
und auch die gesamte Marketingindustrie drum herum um ein vielfaches kleiner
sind, sodass es Vollprofifußballerinnen in Deutschland kaum gibt. Die Gehälter
reichen nicht aus, um den Lebensunterhalt zu sichern. Daher müssen die Frauen
neben dem zeitlich und körperlich ebenbürtigen Aufwand zum Männerfußball auch
noch Lohnarbeit oder einem Studium nachgehen.

Dabei ist es doch nicht die gesamte Industrie und das
Marketing, weshalb die meisten Menschen den Fußball mit Leidenschaft verfolgen
– aktiv im Amateurbereich, als aktive Fans im Stadion oder auch als stille
BeobachterInnen zu Hause. Fußball ist der beliebteste Sport der
ArbeiterInnenklasse in Deutschland, doch er hat sein Gesicht verändert – er
wurde bis zur Unkenntlichkeit von der Kommerzialisierung und der Vermarktung
aus Profitinteressen verdreht. Diese haben dazu geführt, dass sich allen voran
die Fußballverbände und FunktionärInnen daran bereichert haben. So ist es  auch kein Wunder, dass die Korruption
floriert. Dies sind Effekte, die sowohl in Europa, in der UEFA, wie auch im
Weltfußballverband FIFA, beobachtet werden können. Man sieht, dass auch die
50+1-Regel, die verbietet, dass ein Investor eine Entscheidungsmehrheit im
Verein erhält, den Ausverkauf der Vereine nicht aufhalten kann. Dabei ist es
nur eine Frage der Zeit, bis man in der Konkurrenz mit anderen Ligen, wo ganze
Klubs großen Sponsoren gehören, mit diesem Grundsatz bricht und Martin Kind,
Dietmar Hopp, Red Bull, Volkswagen, Bayer und anderen auch ganz offiziell den
Besitz an ihren Promoklubs überlässt.

Warum also begeistern sich trotz all dieser Probleme so
viele Menschen und besonders ArbeiterInnen und Jugendliche für diesen Sport?
Für Fans ist besonders der Zusammenhalt wichtig, dass der Fußball ein soziales
Event ist, welches Menschen verbindet. Gerade für Jugendliche, die durch den
allgemeinen Leistungsdruck und die Abhängigkeit durch das Konzept der
bürgerlichen Familie, unterdrückt werden, hat dieser soziale Aspekt des Sports
eine besondere Bedeutung. Hier bilden sich Fanszenen, die man durchaus wie
Subkulturen betrachten kann. Jeder ist gleich, wenn er in der Kurve das gleiche
Team anfeuert. Dabei können Menschen ganz verschiedener Charaktere, Ideologien
oder politischer Orientierungen zusammengebracht werden, auch wenn Fans sehr
politisch werden können, indem sich zB. jetzt die Fans der eigentlich
verfeindeten Vereine São Paulos im Kampf
gegen die Angriffe Bolsonaros zusammenschließen. Doch
abseits
davon geht um Emotionen: Euphorie bis zur Ekstase, Trauer und auch Wut – all
das leben Menschen im Stadion und auch auf kleineren Fußballplätzen aus, wenn
der sonst so triste Alltag aus Arbeit, Schule oder Uni eine Auszeit bekommt.
Probleme des Alltags können vergessen werden, wodurch diese Form der Unterhaltungsindustrie
besonders betrachtet werden muss, da es nicht nur um Unterhaltung wie im Film
geht, sondern darum, dabei zu sein und teilnehmen zu können – zumindest
gefühlt.

Im Block werden Menschen klassenübergreifend zusammengeführt
– so war es zumindest einmal. Die Kommerzialisierung drängt die
ArbeiterInnenklasse aus den Stadien – Leidenschaft, die mit Fangesängen voller
Kraft und Entschlossenheit, gelegentlich auch mit Pyrotechnik ausgelebt wird,
wird kriminalisiert und ist heute nicht mehr erwünscht. Ticketpreise steigen,
Stehplätze verschwinden und damit verschwindet auch die Leidenschaft und die
ArbeiterInnenklasse aus den Stadien. Dies verdeutlicht sich auch, wenn man
betrachtet, dass große Teile der Tickets an Sponsoren gegeben werden. Die Ultras,
die für die von allen so geliebte Stimmung im Stadion sorgen, werden von den
Medien kriminalisiert und diskreditiert. Dabei sind sie diejenigen, die allen
voran ihr Leben für ihren Verein aufopfern, oftmals auf eigene Kasse.

Die Gründe für diese Entwicklung sind ökonomisch begründet.
Wo Menschen in Massen Interessen entwickeln oder praktisch immer, wenn
irgendwas cooles im Kapitalismus entsteht, greifen Marktmechanismen und fangen
an, die Profite maximieren zu wollen und den Spaß zur Ware zu machen – so werden
Merchandise, Werbung und Pay-TV-Übertragungen auf die Plätze gebracht. Teilhabe
für Menschen der ArbeiterInnenklasse erschwert, da ein soziales Ereignis zu
einem finanziellen Problem wird. Ähnlich sehen wir diesen Effekt auch bei der
Kommerzialisierung von Musik, Kunst, Festivals, der Filmindustrie und
Ähnlichem.

Hiermit zeigt sich deutlich, aus welchen Gründen wirklich
der Profispielbetrieb nun fortgesetzt wird und dass dies nichts mit sportlichen
Interessen zu tun hat. Der Profifußball wird also nur aus Profitinteressen
fortgesetzt und damit die Gesundheit von SpielerInnen, BetreuerInnen und aller
ArbeiterInnen im Umfeld der Vereine riskiert.

Es gilt nun dafür einzutreten, dass Profisportler_Innen
durchschnittliche Arbeiter_Innenlöhne bekommen, Pyrotechnik legalisiert wird
und Ticketpreise reduziert werden, um die Teilhabe der ArbeiterInnenklasse an
sportlichen Ereignissen sicherzustellen.

Aus diesem Grund müssen wir nun gemeinsam als ArbeiterInnen
den Kampf gegen die Kommerzialisierung des Profifußballs und für den Schutz der
Gesundheit aller Beteiligten aufnehmen. Hierzu braucht es Streiks aller
ArbeiterInnen, die für Fußballvereine arbeiten, gemeinsam mit den SpielerInnen.
Dieser Kampf muss gemeinsam mit den Fans geführt werden. Die aktuellen Sportverbände
müssen zerschlagen und ihre Vermögen enteignet werden. Der Profisport muss
unter demokratische Kontrolle der Beteiligten gestellt werden – gemeinsam in
Räten von Sportler_Innen, Fans und anderen UnterstützerInnen.