Prostitution abschaffen – aber wie?

Von Leonie Schmidt, Oktober 2023

Heute ist der internationale Tag gegen Prostitution, welcher von Prostitutionskritiker_Innen im Jahr 2022 eingeführt wurde, die sich für das nordische Modell aussprechen. Auch wir wollen die Prostitution abschaffen, da wir anerkennen, dass sie historisch mit der Klassengesellschaft und mit der Frauen – und Queerunterdrückung verwebt ist und in einer befreiten Gesellschaft sexuelle Befriedigung keine Ware sein darf. Jedoch halten wir nicht das nordische Modell für die Lösung, wie wir noch aufzeigen wollen.

Grund um in die Prostitution zu gehen: ökonomischer Druck

Erst einmal ist der Mythos von freiwilliger Prostitution ziemlicher Quatsch. Die meisten Personen, die der Prostitution nachgehen, verfügen nicht über andere Möglichkeiten des Gelderwerbs und werden aufgrund verschiedenster Barrieren in der Tätigkeit festgehalten. Zu diesen Barrieren gehören fehlende Sprachkenntnisse, Schulabschlüsse, Ausbildungen und natürlich auch ungeklärte Aufenthaltsstatus. Es mag sein, dass sie sich für diese Tätigkeit anstelle anderer prekärer Arbeiten im Niedriglohnsektor entschieden haben, aber Fakt ist: eine freie Entscheidung sieht anders aus.

Dass der ökonomische Druck eine große Rolle spielt, sieht man auch daran, dass mit Fabrikschließungen, Arbeitsplatzmangel sowie hoher Arbeitslosigkeit oft auch ein Zuwachs an Prostitution stattfindet wie zum Beispiel Studien in Thailand und im südlichen und östlichen Afrika nahelegen. Auch während der Covid-19-Pandemie stiegen die Zahlen von Creators auf Only-Fans massiv an, was zum einen durch Umstände bedingt wurde, die face-2-face Sexarbeit unmöglich machten, zum anderen aber auch mit der durch die Pandemie entstandenen hohen Arbeitslosigkeit in Verbindung gebracht wird.

Prostitution ist nicht wie jede Arbeit!

Es ist wichtig, verschiedene ökonomische Prozesse in der Prostitution zu betrachten, da nicht alle nach einheitlichem Muster verlaufen. Jedoch können sie grob in kleinbürgerliche Selbstständigkeit, lohnarbeitsähnliche Tätigkeit und in sklavenähnliche Verhältnisse eingeteilt werden, wobei diese Kategorien aber selten sehr trennscharf und in der Realität meist schwer zu verorten sind.

Als lohnarbeitsähnlich bezeichnen wir die Verhältnisse, bei welchen Prostituierte einen Lohn für ihre Tätigkeiten erhalten und Zuhälter sich einen Mehrwert einstreichen, sowie die Produktionsmittel (zum Beispiel Räumlichkeiten) besitzen. Das kann manchmal durch Mietzahlungen verschleiert werden. Es kann jedoch nicht mit jeder anderen Lohnarbeit gleichgesetzt werden, da direkter oder indirekter Zwang und ökonomischer Druck sowie Gewalt durch Freier und Zuhälter keine Seltenheit sind. Außerdem herrscht hier oft zusätzlich zu dem im Kapitalismus normalen Maß an Ausbeutung eine Überausbeutung der Prostituierten, da die Zuhälter besonders viel einstreichen, damit die Prostituierten noch mehr für sie arbeiten müssen und persönliche Grenzen schwer einzuhalten sind. So schreibt Marx, dass die Prostitution nur ein besonderer Ausdruck der allgemeinen Prostitution der Arbeiter_Innen ist. Daher sprechen wir in diesem Fall von lohnarbeitsähnlichen Verhältnissen, während es sich bei Zwangsprostitution offensichtlich um sklavenähnliche Verhältnisse handelt, bei welchen der Körper zur Ware wird und z.B. durch den Entzug von Pässen ein deutlich stärkerer Zwang ausgeübt wird.

Die Funktion der Prostitution im Kapitalismus

Wichtig für unsere Analyse ist es, zu erkennen, dass die Prostitution spezifische Funktionen im Kapitalismus einnimmt. Einerseits hat die Prostitution die Funktion, im Rahmen der kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten dafür zu sorgen, dass die Möglichkeit besteht, sich einen Lebensunterhalt zu erwirtschaften, wenn es keine oder nur beschränkte Möglichkeiten für andere Erwerbstätigkeiten gibt. Das ist natürlich in keiner Weise als positiv zu betrachten (und muss auch geändert werden, aber dazu später mehr), soll jedoch aufzeigen, dass die Prostitution im Kapitalismus auch aus Sicht der Prostituierten eine ökonomische, und somit auch gesellschaftliche Funktion hat, da, wie bereits erwähnt, ein ökonomischer Druck besteht.

Außerdem bildet die Prostitution ein Gegenstück zur bürgerlichen Familie, wie auch schon Friedrich Engels und August Bebel erkannten: um die Monogamie der bürgerlichen Ehe für die Frauen aufrecht zu erhalten und dafür zu sorgen, dass sie ihrer Geschlechterrolle entsprechend nur die braven Hausfrauen und Mütter sind, mit denen allenfalls zur Zeugung von Nachwuchs Geschlechtsverkehr praktiziert wird, braucht es für die Männer eine andere Möglichkeit, ihre Gelüste auszuleben. Somit besteht eine Aufteilung der Frauenrollen zwischen Ehefrau und Prostituierter, die auch schon in anderen Klassengesellschaften außer dem Kapitalismus wie z.B. dem antiken Griechenland bestanden. Somit verkommt der Sex innerhalb der bürgerlichen Familie zur reinen Reproduktion, während er in der Prostitution zur Ware verkommt. Die Funktion der bürgerlichen Familie bzw. des Ideals dessen ist die Aufrechterhaltung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, also dass Frauen zusätzlich zur Lohnarbeit noch in der Hausarbeit unentlohnt schuften müssen. Durch diese Reproduktionsarbeit sorgen sie dafür, dass die Arbeiter_Innen am nächsten Tag wieder ackern können und sich die Arbeiter_Innenklasse als Ganzes reproduziert, ohne dafür zahlen zu müssen. Das ist die Grundlage der Frauenunterdrückung. Prostitution ist also ein beständiger Teil des Kapitalismus und kann innerhalb dessen nicht überwunden werden.

Das nordische Modell hilft nicht

Das nordische Modell, so gut wie es mit seinen vier Säulen auf den ersten Blick klingen mag, ist leider wenig hilfreich für die Prostituierten selber. Die vier Säulen des nordischen Modells sind: Entkriminalisierung der Prostituierten, Kriminalisierung von Freiern, Zuhältern sowie Dritten, Unterstützung beim Ausstieg und Aufklärung der Gesellschaft, um ein Umdenken anzuregen. Jedoch zeigen diverse Studien, dass das nordische Modell die Prostituierten gefährdet und ihre Tätigkeiten unsicherer macht, es die Anzahl der Prostituierten gar nicht maßgeblich reduziert, dass die Ausstiegshilfen absolut unzureichend sind, um wirklich aufzuhören und des Weiteren, dass Polizeieinsätze um das nordische Modell durchzusetzen auch dazu führen, dass migrantische Prostituierte drangsaliert oder eben mal abgeschoben werden, anstatt Hilfe zu erhalten.

Außerdem stellt sich die Frage, warum auf einmal die Polizei ein Interesse haben sollte, Frauen und queere Personen vor Gewalt zu schützen. Die Funktion der Polizei im bürgerlichen Staat ist schließlich, die Eigentumsverhältnisse und die staatliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Dazu gehören auch Frauen- und Queerunterdrückung, sowie der Zwang zum Verkauf von Arbeitskraft und wie bereits erwähnt, die bürgerliche Familie.

Freier sind keine Genossen, Zuhälter gehören enteignet

Dass Freier sein und sich gegen Frauen- und Queerunterdrückung einzusetzen nicht zusammenpasst, dürfte klar sein. Man müsste schon stark alle Umstände ignorieren und sehr blauäugig an die Sache herangehen, um anzunehmen, dass man gleichzeitig für die Befreiung und Gleichberechtigung aller Geschlechter kämpft, während man potentiell Personen in Notlagen ausnutzt. Selbst wenn man der Meinung ist, rücksichtsvoll zu handeln und jemanden gefunden zu haben, der das Ganze freiwillig macht, so kann das System der Prostitution als solches nicht ignoriert werden. Jedoch ist der massenhafte Ansatz beim Freier nicht zielführend, da ihr sexistisches Bewusstsein von der aktuellen Realität beeinflusst wird. Es wäre also ein Kampf gegen Windmühlen, alle Freier davon zu überzeugen, dass sie ganz schön frauenfeindlich sind, anstelle die gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern.

Wem es aber eigentlich an den Kragen gehen sollte, sind ganz klar die Zuhälter! Sie verdienen sich immerhin die goldene Nase mit der Objektifizierung der Prostituierten und tun nichts, um sich ihren Lifestyle im Rotlicht-Milieu zu finanzieren, außer auf der faulen Haut zu liegen und auf körperliche Selbstbestimmung zu spucken. Sie sind es, die horrende Mietzahlung zur Nutzung ihrer Räumlichkeiten fordern und Prostituierte unter Druck setzen, sodass sie nicht aussteigen können. Schlimmstenfalls beteiligen sie sich auch noch an Menschenhandel und locken Frauen aus Osteuropa mit leeren Versprechungen nach Deutschland. Daher gehören sie ganz als ersten Schritt ganz unter Arbeiter_Innenkontrolle enteignet!

Kapitalismus und patriarchale Strukturen zerschlagen, Arbeitskampf organisieren!

Außerdem gilt es, sich für vollständige Entkriminalisierung einzusetzen. Des Weiteren muss ein Kampf für bessere Arbeitsbedingungen her. Das mag erstmal seltsam klingen, aber da es aufgrund der Verflechtungen mit Kapitalismus und Klassengesellschaft keine Möglichkeit gibt, die Prostitution im Kapitalismus vollständig zu überwinden, sollten wir uns wenigstens für Verbesserungen einsetzen. Dazu zählen z.B. volle Staatsbürger_Innenrechte für alle, Selbstverteidigungsstrukturen und der uneingeschränkte Zugang zur Gesundheitsversorgung. Um das zu erkämpfen, ist eine gewerkschaftliche Organisierung nötig.

Gleichzeitig müssen wir jedoch auch dafür sorgen, dass es andere Arbeitsmöglichkeiten gibt und kostenlose Umschulungen angeboten werden, sodass es allen möglich ist, nicht mehr in der Prostitution tätig sein zu müssen.

Schließlich müssen wir das System, was den ökonomischen Druck und die bürgerliche Familie hervorbringt, zerschlagen. Das schaffen wir nur mit einer breit organisierten Arbeiter_Innenklasse, Frauen, queeren Personen zusammen mit weiteren sozial Unterdrückten.

In einer befreiten Gesellschaft darf niemand der Prostitution nachkommen müssen!

Ein längere Text zum Thema nordisches Modell: https://onesolutionrevolution.de/5-gruende-warum-wir-als-marxist_innen-gegen-das-nordische-modell-sind/

Quellen

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Chandararot, Kang & Sina, Sok & Dannet, Liv (2009): Rapid assessment of the impact of the financial crisis in Cambodia, Bangkok: International Labour Organization. http://www.oit.org/wcmsp5/groups/public/—asia/—ro-bangkok/documents/meetingdocument/wcms_101593.pdf (zuletzt aufgerufen: 31.7.2023)

Ellison, Graham & Ní Dhónaill, Caoimhe & Early, Erin (2019): A Review of the Criminalisation of the Payment for Sexual Services in Northern Ireland. Belfast: Queen´s University. https://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3456633.

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Goldmann, Emma (1910): The Traffic in Women. https://www.marxists.org/reference/archive/goldman/works/1910/traffic-women.htm (zuletzte aufgerufen: 03.08.23)

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Ward, Helen (2007): Marxism versus Moralism. Permanent Revolution, Vol. 3, S. 15-21. http://www.trend.infopartisan.net/trd7807/15-21%20Prostitution.pdf (zuletzt aufgerufen: 27.7.2023).




5 Gründe, warum wir als Marxist_Innen gegen das nordische Modell sind

Von Leonie Schmidt, Juni 2023, zuerst veröffentlicht in der Neue Internationale 274 der Gruppe Arbeiter:innemacht

Nach wie vor ist es eine relevante Diskussion in der feministischen und linken Bubble, wie zum Sexkauf und zu Sexarbeit gestanden wird und welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden. Dominierend sind hierbei einerseits ein Spektrum, was Sexarbeit als Arbeit wie jede andere hinstellt und von selbstbestimmten Dienstleister_Innen ausgeht, welche größtenteils keine Gewalterfahrungen während ihrer Tätigkeit erleben, wohingegen auf der anderen Seite Stimmen laut werden, die alle Sexarbeiter_Innen zu Opfern stigmatisieren, die wenn sie nicht direkt oder indirekt (bspw. durch Armut oder Drogensucht) gezwungen sein sollten, lediglich versuchen würden, ihre Traumata zu verarbeiten. Diese Argumentation basiert u. a. auf diversen Studien von Melissa Farley, welche den Anschein haben, dass alle Personen in der Prostitution Gewalterfahrungen sowie psychische Probleme erleben. Jedoch ist die Stichprobe von Farley höchst umstritten, da sie ihre Interviewpartner_Innen teilweise aus Aussteigerprogrammen bezieht (u. a. Farley 2004). Dass die Personen, die sowieso aufhören wollen, von den schrecklichen Zuständen berichten, die ihnen wiederfahren sind, ist logisch, lässt aber keinen Allgemeinschluss zu. Die Personen, die dennoch Farleys Argumentation folgen, repräsentieren oft radikalfeministische und bzw. oder kleinbürgerliche Tendenzen und fordern auch in Deutschland eine Regelung nach dem „nordischen Modell“.

Einige grundlegende Annahmen

Bevor wir uns dies näher anschauen, wollen wir einige Sachen kurz darstellen, die für die Auseinandersetzung mit diesem relevant sind. Wir wollen in diesem Text differenzieren zwischen Prostitution und Zwangsprostitution, da das für uns nicht dasselbe ist. Prostitution verstehen wir als den einvernehmlichen Verkauf direkter, zwischenmenschlicher sexueller Dienstleistungen, während das für Zwangsprostitution nicht gilt, denn diese ist nicht einvernehmlich. Diese klare Trennung kann aber nicht in jedem Fall getroffen werden, da Zwangsverhältnisse nicht nur durch physischen Zwang, sondern auch durch ökonomische Abhängigkeiten und Armut entstehen können.

Demnach verstehen wir Sexarbeit in einem ökonomischen Sinne jedoch als Arbeit, in jenem Sinne, dass nicht der Körper, sondern eine Ware in Form einer Dienstleistung „produziert“ wird, wofür die Ware Arbeitskraft notwendig ist, wenn die Dienstleistung in einem Lohnarbeitsverhältnis stattfindet. Dies passiert in einem abgesteckten Rahmen, in welchem eine zeitliche Begrenzung und eine der Praktiken festgelegt wird. Voraussetzung dafür, dass eine sexuelle Dienstleistung verkauft wird, ist also Konsens, mit anderen Worten: Konsens kann nicht gekauft werden. Wenngleich die Optik der Sexarbeiter_Innen eine Rolle in ihrer Tätigkeit spielt, so gilt das ebenso für andere Dienstleistungsberufe wie bpsw. Models oder Schauspieler_Innen, doch auch diese verkaufen nicht ihren Körper, wenngleich dieser ein Teil der Produktion der Dienstleistung ist. Sind die Sexarbeitenden angestellt oder scheinselbstständig, streicht sich ein/e Kapitalist_In bspw. als Bordellbetreiber_In oder Zuhälter den Mehrwert ihrer Arbeit ein, besitzt die Produktionsmittel (bspw. Räumlichkeiten, Verhütungsmittel etc.) und bestimmt die Arbeitsbedingungen. Insofern kann Sexarbeit als Lohnarbeit angesehen werden. Das soll nicht verharmlosen, dass es während dieser Tätigkeiten nicht selten zu Gewalt und Übergriffen kommt und das auch in einer patriarchalen Klassengesellschaft keine Seltenheit ist, sondern betonen, dass Konsens lediglich die Möglichkeit eröffnet, dass Sexarbeitende selbstbestimmt für ihre Arbeitsrechte eintreten können, insofern sie sich in keinem Zwangsverhältnis befinden und sich genau gegen diese Gewalt und schlechten Arbeitsbedingungen organisieren können. Das bedeutet außerdem, dass Sexarbeit nicht der Grund für die Unterdrückung von Frauen und queeren Personen ist, sondern die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in Produktion und Reproduktion im Kapitalismus sowie das daraus resultierende Ideal der bürgerlichen Familie und der damit einhergehenden Geschlechterrollen.

Natürlich dürfen nicht die Augen davor verschlossen werden, dass es auch bessergestellte Sexarbeitende gibt, welche ohne Zuhälter_In selbstständig agieren und mehr Freiheiten bzgl. der Arbeitsbedingungen und Gestaltung der Dienstleistung genießen. Diese sind auch oft im öffentlichen Diskurs zu finden und propagieren Sexarbeit als etwas per se Ermächtigendes. Sie machen allerdings nur einen sehr geringen Teil der Sexarbeitenden aus und somit kann man von deren Sichtweisen und Erfahrungen nicht auf die Gesamtheit schließen.

Genauso gibt es auch Personen, die sich in Zwangsverhältnissen befinden. Wie stark sie vertreten sind, ist schwer auszumachen, denn sie befinden sich unter dem Radar. Zwangsprostitution und Menschenhandel stellen klar Verbrechen und Vergewaltigungen dar und sind oft mit Sklaverei vergleichbar. Zwangsprostitution ist grundsätzlich abzulehnen und zu bekämpfen, dies steht nicht zur Diskussion. Aber nur weil imperialistische Mächte bis ins 19. Jahrhundert Sklav_Innen auf Baumwollplantagen quälten, ist es keine logische Schlussfolgerung, die Forderung nach einem Verbot der Arbeit auf Baumwollplantagen aufzustellen.

Was ist überhaupt das „nordische Modell“?

Das „nordische Modell“ wurde erstmals in Schweden in den 1990er Jahren eingeführt und besteht grob gesagt aus 3 Säulen, welche aber von Land zu Land variieren können: Entkriminalisierung der Sexarbeitenden, Kriminalisierung der Sexkäufer und Zuhälter, Förderung und Finanzierung von Ausstiegshilfen. Aktiv sind verschiedene Formen des „nordischen Modells“ neben Schweden unter anderem auch in Norwegen, Frankreich, Irland, Island, Israel und Kanada. Eingeführt werden diese Gesetze auf Basis einer feministisch-humanistischen Grundlage, die davon ausgeht, dass die Nachfrage sinken wird, sobald der Sexkauf selbst unter Strafe steht, und somit die Sexarbeiter_Innen von alleine nach anderen Berufen suchen, dass das gesellschaftliche Stigma rund um Sexkauf förderlich ist, um Freier abzuschrecken und Männer umzuerziehen, und Sexkauf in jedem Fall Gewalt bzw. eine Vergewaltigung darstellt. Außerdem soll so Menschenhandel in den Griff bekommen werden. Dadurch, dass das „nordische Modell“ bereits in Kraft getreten ist, gibt es eine Datengrundlage, um dieses auszuwerten. Allerdings lassen diese Daten viel Raum für Interpretation und werden ganz unterschiedlich ausgelegt, von Befürworter_Innen des „nordischen Modells“ anders als von Leuten, die dieses ablehnen.

1. Das Sexkaufverbot reduziert nicht die Anzahl der Sexarbeiter_Innen

Ein erklärtes Ziel durch die Kriminalisierung der Sexkäufer ist, durch eine gesunkenen Nachfrage auch das Angebot zu senken. Und so scheint es auch in mehren Fällen zu funktionieren: In Schweden und Nordirland sank die Anzahl der Straßenprostituierten nach der Einführung eines Sexkaufverbots. Allerdings sank nicht die Gesamtanzahl der Prostituierten, sondern es gab eher eine Verschiebung: in Nordirland bspw. in den Onlinebereich (Ellison et al. 2019) und in Schweden kam es nach einem kurzen Abfall auch wieder zu einem Anstieg in der Straßenprostitution und diese dürfte mindestens wieder auf demselben Niveau erfolgen wie vor der Installation des Gesetzes (Global Network of Sex Work Projects 2015). Zudem macht in Schweden die Straßenprostitution sowieso nur einen sehr geringen Teil der Branche aus (ebenda).

Die Idee, Dinge würden durch Verbote verschwinden, ist aber so oder so von vorne bis hinten ein Fehlschluss, wie man bspw. auch beim Verbot von Drogen oder Alkohol sehen kann, denn konsumiert wird trotzdem, nur eben viel unsicherer als vorher. Denn durch ein Sexkaufverbot werden eben nicht die Strukturen, die zur Prostitution führen, ausgehebelt. Das sind zum einen die ökonomischen Verhältnisse des Kapitalismus, die dafür sorgen, dass ein Lebensunterhalt erworben werden muss, und zum anderen das Patriachat, welches überhaupt erst für die gesellschaftliche Nachfrage nach Prostitution sorgt, verankern. Schon Friedrich Engels bezog die Prostitution in seine Betrachtungen der Entwicklung des Patriachats mit ein. Hier wird klar, dass dieses genau wie die bürgerliche Familie untrennbar mit dem Kapitalismus verwoben ist und sich über alle Klassengesellschaften hin zur heutigen Form entwickelt hat. Laut Engels bilden bürgerliche Familie und Prostitution zwei Seiten der gleichen Medaille, da es bei Ersterer v. a. um unbezahlte Reproduktionsarbeit bzw. Vererbung der Produktionsmittel, bei Zweiterer um sexuelle Befriedigung der Freier geht. Diese Teilung zwischen klassengesellschaftlichem Nutzen und sexueller Befriedigung existierte schon in vorkapitalistischen Klassengesellschaften. Bspw. im antiken Griechenland wurde es besonders deutlich mit der Dreiteilung zwischen Ehefrau, welche für Geburten und Familie zuständig war und das Haus quasi nicht verlassen durfte, der Hetäre für die sexuelle Befriedigung und der Geliebten, die die Romantik ins Spiel brachte.

Diese Teilung sehen wir auch im Kapitalismus, jedoch ist es eben nur noch eine zweifache. Die weiterhin auferlegte Monogamie, insbesondere für die Frau, trägt also auch ihren Teil dazu bei, dass gesellschaftliche Nachfrage nach Prostitution besteht. Das manifestiert sich auch in der widersprüchlichen bürgerlichen Sexualmoral und dem Madonna-Whore-Komplex, in welchem eine reine Ehefrau für das öffentliche Ansehen  einer perversen und zügellosen Prostituierten für das Ausleben der gesellschaftlich geächteten Fantasie gegenüberstehen. Solange also Kapitalismus und Patriachat bestehen bleiben, wird es auch eine Nachfrage nach Sexkauf geben.

2. Das Sexkaufverbot ist nicht hilfreich gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel

Eigentlich soll das Sexkaufverbot gegen Zwang, Gewalt und Menschenhandel vorgehen, aber wie die Beispiele Irland und Island zeigen, könnte eher das Gegenteil der Fall sein. Irland war vor der Einführung des Sexkaufverbots auf der bestmöglichen Stufe hinsichtlich Bekämpfung gegen Menschenhandel nach Einordnung des US-Außenministeriums, fiel aber um zwei Stufen zurück ebenso wie Island nach der Einführung des Sexkaufverbots (United States Department of State 2017 und United States Department of State 2020). Eigentlich liegt es auf der Hand: durch die Kriminalisierung wird Sexarbeit in den Untergrund gedrängt, wo zwielichtige Gestalten das Sagen haben und Zwangsverhältnisse an der Tagesordnung sind, was ebenso Menschenhandel fördern dürfte.

Wenn wir uns die Praxis anschauen, ist noch deutlicher, wie wenig hilfreich das „nordische Modell“ beim Kampf gegen Menschenhandel ist. Natürlich sind so die Hürden für Sexkäufer größer, Missstände zu melden, da sie eine Bestrafung fürchten (Global Network of Sex Work Projects 2015), wohingegen in einem entkriminalisierten oder legalisierten Rahmen wie in Italien auch Freier vermutete Zwangsprostitution melden (Krause-Schöne 2014). Interessanterweise wird in Italien auch aus allen politischen Richtungen gefordert, das Verbot von Bordellen wieder aufzuheben, um gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution besser vorgehen zu können (Migge 2018).

Auch die Polizei selber sagt, dass ihre Ressourcen so unnötig gebunden werden, denn wenn es keinen Fokus auf Zwangsprostituierte gibt, werden alle überprüft und es ist eben nicht so leicht nachzuvollziehen, wer das auf Basis von Konsens tut und wer nicht (Krause-Schöne 2014).

An dieser Stelle wollen wir uns natürlich nicht auf die Argumentation der Polizei verlassen genauso wenig, wie wir uns im Kampf gegen sexuelle Gewalt auf sie verlassen können. Denn die Zahlen sprechen Bände: Selbst in den für viele alltäglichen sexistischen gesellschaftlichen Verhältnissen führen Anzeigen sexueller und im allgemeinen patriarchaler Gewalt nicht zu sonderlich hohen Verurteilungen, im Gegenteil: Die Verturteilungsraten in Deutschland sinken sogar (Schwarz 2020). Das mag an der Definition davon liegen, wo diese Strafttatbestände beginnen, aber es liegt ebenso an den Beamt_Innen, die die Ermittlungen schleifen lassen oder Betroffene retraumatisieren. Weswegen also sollten wir uns nun drauf verlassen, dass die Polizei auf einmal ihre vermeintliche Rolle als Freund und Helfer ernst nehmen sollte?! Aus unserer Sicht besteht ihre Rolle in bürgerlichen Demokratien darin, die herrschenden Verhältnisse zu schützen. Dazu zählen die kapitalistischen Besitzverhältnisse genauso wie das Patriachat und die Ausbeutung von Arbeiter_Innen. Es gibt also keinen Grund zur Annahme, dass sie in dieser Hinsicht einmal auf der richtigen Seite stehen könnte.

3. Das Sexkaufverbot schützt Sexarbeiter_Innen nicht gegen Gewalt durch Polizei und Freier und verschlechtert die Arbeitsbedingungen

Polizeigewalt gegen Prostituierte ist somit auch in Ländern, wo Sexkauf verboten ist, keine Seltenheit. Vorkommen können bspw. sexualisierte oder physische Gewalt, willkürliche Arreste, Bestechung, Abnahme von Kondomen, keine Hilfe bei Anzeigenaufnahme, nicht konsensuelle HIV-Tests (Platt et al. 2018). Das führt dazu, dass die Arbeitsumgebung der Sexarbeitenden massiv unsicher wird und sie isoliert werden, weil gemeinschaftliche Unterstützung und Sicherheitsmaßnahmen durch andere Sexarbeitende (das gemeinsame Anmieten einer Wohnung zum Beispiel) oder sogar romantische Beziehungen als Zuhälterei gewertet werden könnten. Des Weiteren gaben 70 % der befragten Sexarbeiter_Innen in einer Studie in Frankreich, wo auch ein Sexkaufverbot gilt, an, dass sich ihr Verhältnis zur Polizei entweder verschlechtert habe oder es keine Verbesserung zu vorher gab (Le Bail et al. 2019). Ebenso können 38 % der Sexarbeitenden die Verwendung von Kondomen schlechter durchsetzen (ebenda), was zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, sich HIV oder andere sexuell übertragbare Krankheiten einzufangen, führen kann (Platt et al. 2018).

Des Weiteren wird das Screening der potentiellen Sexkäufer durch das „nordische Modell“ massiv erschwert (Global Networkt of Sex Work Projects 2015), was dazu führt, dass zwielichtige Kunden nicht einfach so aussortiert werden können. Gleichfalls sanken die Preise und Sexarbeitende sehen sich gezwungen, Kunden zu bedienen, die sie unangenehm finden, und Praktiken außerhalb ihrer Grenzen durchzuführen aufgrund der erhöhten Konkurrenzsituation (ebenda). Wir können also sehen: Selbst wenn offiziell die Sexarbeitenden nicht Opfer des „nordischen Modells“ sein sollen, so sind sie es doch am Ende, auf deren Rücken bürgerliche Moralvorstellungen verhandelt werden und deren Leben zusätzlich erschwert wird. Deswegen setzen wir uns für eine gewerkschaftliche Organisierung der Sexarbeiter_Innen ein, wie es auch mancherorts in der Gewerkschaft ver.di der Fall ist. So kann ein selbstbestimmter Kampf für bessere Arbeitsbedingungen (gegen Lohndumping durch festgeschriebene, angemessene Entlohnung der Arbeit, bestimmt durch die Arbeiter_Innen selbst) inklusive Schutzmaßnahmen (bspw. in Form von Selbstverteidigungskomitees) geführt werden.

4. Die Ausstiegsangebote richten sich nicht nach den realen Bedürfnissen der Sexarbeiter_Innen

Eine Sache, die immer wieder von Befürworter_Innen betont wird, ist, wie toll doch die Ausstiegsangebote als eine der Säulen des „nordischen Modells“ sind. Doch schaut man sich diese genauer an, wird man schnell feststellen, dass diese alles andere als wirksam sind. So sind Zugänge zu den Angeboten in Schweden einerseits dadurch erschwert, dass an ihnen nur teilnehmen kann, wer sofort mit der Prostitution aufhört. Das ist offensichtlich unrealistisch, weil es für viele aus finanziellen Gründen nicht unmittelbar möglich ist. Außerdem gilt die Möglichkeit in Schweden lediglich nur für Staatsbürger_Innen, wohingegen Personen mit Migrationshintergrund statt Hilfsangeboten eben mal die Abschiebung droht (Vuolajärvi 2019). Das führt sogar zu einer Praxis, in welcher Polizeibeamt_Innen mit Absicht nach nicht-schwedischen Personen suchen, um diese leichter abschieben zu können (ebenda). Das „nordische Modell“ wird an dieser Stelle also völlig zweckentfremdet und offenbart auch hier wieder die eigentlichen Interessen von Polizei und herrschender Klasse. Auch in Frankreich sind die Ausstiegsangebote alles andere als beliebt: Teilweise nahmen weniger als 100 Personen an den Programmen teil (Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen 2021).

5. Das Sexkaufverbot verschiebt das Problem

Wie bereits dargestellt, verschiebt das Sexkaufverbot die Tätigkeit in die Illegalität und liefert somit die Sexarbeitenden dubiosen Freiern und Zuhältern schutzlos aus und erschwert den Zusammenschluss von Sexarbeitenden, um kollektiv für ihre Rechte einzutreten, massiv. Aber das Problem wird nicht nur innerhalb der Länder verschoben, sondern das „nordische Modell“ fördert auch Sextourismus in zumeist halbkoloniale Länder, wo die Arbeitsbedingungen viel eher sklavenartig sind und es fast ausschließlich Zwangsprostitution gibt. Denn die Freier verlieren nicht auf einmal ihre Nachfrage nach gekauftem Sex, nur weil er auf einmal verboten ist, und fahren lieber in den Urlaub, um dort ihren Bedürfnissen nachzugehen.

Das „nordische Modell“ ist letztlich ein Weg in die Sackgasse, weil es die Verhältnisse, die es zu bekämpfen vorgibt, nur illegalisiert und verlagert. Es stellt ironischer Weise an ein patriarchales System die Aufgabe, eine Tätigkeit abzuschaffen, von welcher es insbesondere auch profitiert. Außerdem ist es realitätsfern zu glauben, dass der bürgerliche Staat wirklich das Interesse verfolgt, Sexarbeit abzuschaffen, ohne Sexarbeitende zu kriminalisieren, und es überhaupt möglich ist, diese Arbeit, genauso wie ganz grundsätzlich die Lohnarbeit, innerhalb des Kapitalismus abzuschaffen.

Fazit: Vier Ansatzpunkte

Was aber ist nun die Lösung? Grundsätzlich müssen wir als Marxist_Innen an vier Punkten ansetzen. Erstens müssen wir Seite an Seite mit Sexarbeiter_Innen für die komplette Entkriminalisierung und gegen jegliche Repression von staatlicher Seite kämpfen sowie für bessere Arbeitsbedingungen und Selbstorganisierung (natürlich auch in Form von Selbstverteidigungsstrukturen) eintreten, denn nur wenn die Sexarbeit ohne Zuhälterei und Kriminalisierung organisiert ist, kann überhaupt erst eine Kontrolle über die Verkaufs- und Arbeitsbedingungen durch die Sexarbeiter_Innen selbst durchgesetzt werden. Das inkludiert natürlich nicht nur die Selbstorganisierung am Arbeitsplatz, sondern schließt auch eine gewerkschaftliche Organisierung mit ein (wie es sie zeitweise bei ver.di in Hamburg gab), um größeren Druck im Kampf gegen Diskriminierung und für Arbeiter_Innenrechte auszuüben, der Vereinzelung der Sexarbeitenden und der Stigmatisierung entgegenzuwirken.

Auf der anderen Seite ist es aber natürlich auch notwendig, den Personen, welche unter dem ökonomischen Zwang und den teilweise sehr schlechten Arbeitsbedingungen leiden, eine Möglichkeit zu bieten, ohne größere Probleme auszusteigen. Dahingehend müssen wir uns für kostenfreie und seriöse Beratungsstellen und bezahlte Umschulungen, Aus- und Weiterbildungen für berufliche Alternativen einsetzen. Nur wenn der ökonomische Zwang und die Illegalisierung entfallen, können Ausstieg und Umschulung eine attraktive reale Option werden. Ansonsten bleiben sie eine schöne, aber letztlich leere Versprechung.

Egal, wofür sich die individuelle Person entscheidet, es gilt das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper und sie sollte in ihrer Entscheidung unterstützt werden, natürlich ohne einerseits die Sexarbeit zu stigmatisieren oder andererseits sie zu romantisieren.

Um Zwangsprostitution insbesondere in Kombination mit Menschenhandel entgegenzuwirken, müssen wir uns neben ihrem Verbot auch für offenen Grenzen und Staatsbürger_Innenrechte für alle einsetzen, denn nur so kann den Versprechungen eines besseren Lebens in einem fremden Land unter Kontrolle von Mafiastrukturen entgegengewirkt werden.

Langfristig muss das Ziel von Marxist_Innen darin bestehen, die materielle gesellschaftliche Basis umzugestalten und somit die ökonomischen Zwänge zu zerstören, die Menschen dazu nötigen, sexuellen Dienstleistungen aufgrund von Gewalt oder Not nachzugehen. Es wäre allerdings verkürzt und nicht hilfreich, ein Verbot zu fordern, da sich Prostitution, wie bereits beschrieben, nicht einfach abschaffen lässt, zumal nicht innerhalb einer kapitalistischen und patriarchalen Gesellschaft, die diese erst hervorgebracht hat. Dementsprechend ist es natürlich auch nötig, eine Massenbewegung aufzubauen, in welcher Sexarbeiter_Innen Seite an Seite mit allen Unterdrückten gemeinsam für das Ende von Kapitalismus und Patriarchat kämpfen können, ohne stigmatisiert zu werden.

Zwei andere Artikel zum Thema Sexarbeit, der sich mit einigen anderen Fragen beschäftigen:

Literaturverzeichnis

Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen. (2021): Stellungnahme zum Antrag „Nein! Zum Sexkaufverbot des Nordischen Modells“ der Fraktionen der CDU und FDP in NRW. https://berufsverbandsexarbeit.de/wp-content/uploads/2021/01/210114_Stellungnahme-desBesD-zu-No-Nordic-Model-NRW.pdf; https://doi.org/10.1007/s13178-018-0338-9 (zuletzt aufgerufen 30.5.23)

Ellison, G., Ní Dhónaill, C., & Early, E. (2019): A Review of the Criminalisation of the Payment for Sexual Services in Northern Ireland; http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3456633 (zuletzt aufgerufen 30.5.23)

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