Wahlprogramm der CSU und CDU – Politikwechsel fürs deutsche Kapital

Von Ener Zink, Januar 2025

Seit Monaten führt die Union mit weitem Abstand die Wahlumfragen an und das Merz Ende Februar nicht gewinnt, scheint eigentlich kaum noch eine Möglichkeit zu sein. In ihrem Wahlprogramm mit dem Titel „Politikwechsel für Deutschland“ bekommen wir einen Ausblick darauf, was wir möglicherweise in den nächsten 4 Jahren von einer CDU/CSU geführten Regierung erwarten können. Damit ihr es nicht müsst, haben wir uns durch das Programm gequält und wollen euch in diesem Artikel Abschnitt für Abschnitt einen Überblick geben!

Die Unionsparteien sind sich einig: Deutschland steckt in einer tiefen Krise und es brauch einen Richtungswechsel, mit dem sie grundlegend für Veränderung sorgen. Um das zu erreichen, wollen sie durch soziale Angriffe auf die Lebenssituation von Arbeiter:innen, Jugendlichen und Unterdrückten, wieder mehr für die Großunternehmer:innen herausschlagen und somit die BRD auf der Weltbühne stärken. Begleitet wird das Ganze von rassistischer Demagogie, Abschiebewahn und Aufrüstungspolitik. Das werden uns im Folgenden Stück für Stück anschauen.

1.“Ein Land auf das wir wieder Stolz sein können“

An erster Stelle wollen die Unionsparteien endlich wieder ein Deutschland schaffen, auf das man stolz sein könne. Diesen Stolz und die Möglichkeit einer positiven Identifikation mit diesem, sehen sie in einigen Punkten angekratzt. Einer ist die sich im Niedergang befindende Wirtschaft. Dafür machen sie v.a. die Ampelregierung verantwortlich und blenden somit die 16 Jahre davor, in welchen sie regiert haben, völlig aus. Darüber hinaus sei die „gefährdete Sicherheit“ ein zentraler Aspekt, welcher sie in ihrem Ausleben von deutschen Patriotismus behindere. Diese sehen sie in zweierlei Hinsicht gefährdet, nach Außen durch eine mögliche kriegerische Auseinandersetzung mit Blockrivalen Russland und im Inneren durch Gewalt auf den Straßen. Worin sie deren Ursprung sehen und wie sie diese bekämpfen wollen, führen sie in den folgenden Abschnitten aus.

Im Grunde ist diese Passage sehr viel nationalistischer Quatsch, die Union stellt die BRD dabei in die Tradition einer „großen Erfolgsgeschichte“ welche es nun weiter zu schreiben gelte. Man braucht sich nicht viel mit Geschichte auseinanderzusetzen um zu merken, wie niederträchtig es ist, die blutige deutsche Vergangenheit als Erfolg darzustellen. Doch auch unabhängig von den deutschen Verbrechen, kann der Staat in einer Klassengesellschaft, immer nur der herrschenden Klasse dienen und ist somit kein tolles Ding auf das wir Stolz sein sollten, sondern ein Werkzeug um unsere beschissene Situation weiterhin aufrechtzuerhalten, damit sich die Reichen weiterhin die Taschen vollstopfen können. Dieser Staat ist nicht unser Staat!

2. „für ein Land, das wieder Wohlstand für alle schafft“

Als Antwort auf die Stagnation und der damit einhergehenden schlechten Situation der BRD im Weltgespann, will die Union den Wohlstand Deutschlands bzw. eigentlich genauer gesagt, den Reichtum der Unternehmen und Großeigentümer:innen, sichern und noch weiter ausbauen. So plant sie die Unternehmenssteuer deutlich zu senken und dafür zu sorgen das zukünftig weniger Menschen den Spitzensteuersatz zahlen müssen. Um das ganze zu finanzieren, da sie auch weiterhin an der Schuldenbremse festhalten, wollen sie unter anderem das Bürger:innengeld vollständig abschaffen, was sie dann damit begründen, dass sich arbeiten ja wieder lohnen müsse. Wer Arbeitslos ist, soll dann zukünftig durch eine schnelle verpflichtende Vermittlung vom Arbeitsamt wieder in das Berufsleben eingegliedert werden, was in der Praxis zur Annahme von schlecht bezahlten Jobs mit miserablen Arbeitsbedingungen führt. Als wäre das nicht schon genug, wird in Zeiten wo durch Inflation und Nullrunden, die Löhne immer weiter sinken ebenfalls angedacht die Höchstarbeitszeiten zu ändern. Damit wir zukünftig nicht nur gezwungen sind in Niedriglohnjobs zu arbeiten, sondern das ganze gleich auch noch bedeutend länger. Damit schwingt aber auch gleichzeitig die Gefahr mit, dass wenn die Nachfrage nach Arbeitskraft niedrig ist, wir schneller in Teilzeitarbeit gesteckt werden können.

Klimaschutz läuft dabei nur über gewisse wirtschaftliche Innovationen und Investments in neue Technologien, sowie den Emissionshandel. Darüber hinaus sollen die gerade erst vom Netz genommenen Atomkraftwerke, möglichst schnell wieder in Betrieb genommen werden. Während dessen tut man alles nur erdenklich mögliche, um die Automobilbrache künstlich weiter am Leben zu erhalten. Quasi aus Gewohnheit bekennt man sich dennoch augenscheinlich zu den Pariser Klimazielen, mit dem bereits gefallenen 1,5 Grad Ziel, sind diese jedoch schon sicher gescheitert. Die spürbaren Folgen dessen, wie Extremwetterereignisse, wollen sie durch verpflichtende Elementarschädenversicherungen abdecken, wodurch die Verantwortung weiter auf Individuen abgewälzt wird. Das Programm ist klar: Die Krise sollen wir, die Arbeiter:innenklasse zahlen.

Ehrlicher wäre: für ein Land das wieder Wohlstand für alle Kapitalist:innen schafft.

3. „für ein Land, das frei und wieder sicher ist“

Die CDU konstatiert, dass die von Scholz 2022 heraufbeschworene „Zeitenwende“ nun politisch konsequent in die Praxis umzusetzen sei, dass bedeutet Aufrüstung nach innen wie außen, im Interesse des deutschen Kapitals und auf Kosten der Arbeiter:Innen. Diese geforderte Durchsetzung von „Recht und Ordnung“ im Inneren, hat dabei den Zweck jeglichen Widerstand gegen die Angriffe auf die Arbeiter:innen und Jugendlichen zu unterdrücken. Dafür sollen z.B. Jugendliche früher bestraft werden und die Anwendung des Jugendstrafrecht für 18 bis 21 jährige nicht mehr stattfinden. Darüber hinaus soll die Anonymität im digitalen Raum insofern möglich vollständig abgeschafft werden und IP-Adresse verpflichtend speichern. Auch die Überwachung von Mobil- und Festnetztelefonen will die Union stärker umsetzen. Nicht zu vergessen, dass die Cannabis-Legalisierung ebenfalls ein Dorn im Auge der Unionsparteien ist, was bei Rücknahme dazu führen würde dass z.B. wieder etliche Jugendliche kriminalisiert werden würden.

Anknüpfend an die Antisemitismusresolution des Bundestags, sagt die CDU/CSU dem Islamismus und Antisemitismus in ihrem Programm den „Kampf“ an. Dass ihnen der wirkliche Schutz von Jüd:innen egal ist, sollte hierbei klar sein, diese Floskeln dienen eigentlich nur dazu Migrant:innen und Geflüchtete weiter zu kriminalisieren und die Repression gegen die Palästina-Solidaritätsbewegung zu verschärfen, da diese die Staatsräson und somit die Interessen des deutschen Imperialismus, Israel bedingungslos zu unterstützen, angreift. So reden sie anstatt über den mit dem Erstarken von rechten Parteien zunehmenden Antisemitismus, vor allem über angeblichen „zugewanderten“ und linken Antisemitismus. So soll wer das „Existenzrechts“ Israels leugnet nach dem Volksverhetzungsparagraph bestraft werden oder bei migrierten Menschen, gleich die Staatsbürger:innenschaft oder der Aufenthaltstitel entzogen werden.

Doch die sozialen Angriffe auf uns, und der Autoritarismus um diese durchzusetzen, bilden nur einen Teil den die CDU/CSU vorschlägt um Deutschland in der internationalen Konkurrenz zu stärken. Die andere Seite stellt die massive Aufrüstung nach Außen dar, um in der immer häufiger mit Waffen ausgetragenen Neuaufteilung der Welt zwischen den Imperialisten auch noch ein Wörtchen mitreden zu können. Anstelle von einem Prozent des BIPs (Bruttoinlandsprodukt) sollen in Zukunft mindestens 2 bis hin zu 3 Prozent direkt an die Bundeswehr gehen. Zudem spricht man sich für die Stationierung US-Amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland aus und kündigt uns Jugendlichen an, dass wir wieder gezwungen werden sollen, „für das deutsche Vaterland“ zu dienen, durch die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht. Der sogenannte „Operationsplan Deutschland“ wird voll und ganz unterstützt und soll auch unter ihnen freudig in die Tat umgesetzt werden.

Im Kapitel „Stopp illegaler Migration“ legt die Union dar, dass für sie die GEAS Reform, welche das Asylrecht in der EU schon de-facto angeschafft hat, noch nicht weit genug geht und nun formal nahezu vollständig beendet werden soll. So werden jegliche freiwillige Asylprogramme abgeschafft und „sichere“ Drittstaaten- und „Rückführungs“-Abkommen ausgeweitet, wobei die Anforderungen an diese erst stark herabgesetzt wurden und in keiner Weise wirklich Sicherheit verkörpern. Alle Menschen die in Europa Asyl beantragt sollen in einen „sicheren“ Drittstaat deportiert werden. Man bekennt sich erneut zum rassistischen Dublin-Abkommen und möchte dieses rigoroser in die Tat umsetzen. Damit Migrant:innen und geflüchtete Personen, sich gegen diese Maßnahmen nicht wehren können, wollen sie den Lebensstandart, nach dem „Bett-Brot-Seife“-Prinzip, so niedrig wie möglich halten. Die einzige Form von Migration die sie in Zukunft noch dulden wollen, ist das Anwerben möglichst billiger Facharbeiter:innen aus dem Ausland. Um die geplanten massenhaften „Rückführungen“ sicherzustellen und den weiteren Ausbau des „Schutzes“ der deutschen und EU-Außengrenzen, soll die Bundespolizei mit neuen Befugnissen und Technologie ausgerüstet werden unter anderem mit Drohnen. Mit Sicherheit hat diese rassistische Abschottungspolitik wenig zu tun.

4. „für ein Land, das wieder zusammenhält“

Ein unter den Vorzeichen der letzten Punkte „geeintes“ Land braucht laut der Union v.a. eines: „Leitkultur“. Diese entspricht im wesentlichen der reaktionären konservativen Ideologie beider Unionsparteien, gespränkelt mit einzelnen Lippenbekenntnissen zur Förderung von „Kultur“ und Sport. Ein Hauptaugenmerk jedoch fällt dabei auf den „Schutz der Familie“, welcher nichts anderes ist als eine massive Welle an Rollbacks gegen Rechte von Frauen, LGBTI+ Personen und Jugendlichen. So soll z.B. das erst im November in Kraft getretenen Selbstbestimmungsgesetz wieder zurückgenommen werden, da es den Jugendschutz und das Sorgerecht der Eltern untergraben würde. An Paragraphen 218, also der Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, wollen beiden Parteien jedoch dringend festhalten. Diese Politik der Union führt dazu, dass immer mehr Sorge- und Carearbeit durch die Krise in die private Sphäre gedrängt wird und somit die Belastung von Frauen verstärkt wird und Abhängigkeitsverhältnisse anwachsen, was sie somit einem erhöhten Risiko patriarchaler Gewalt aussetzt. Auch Queers und Jugendliche müssen so mit einer Verschärfung ihrer Unterdrückung rechnen.

Was macht die CDU jetzt damit?

Während sie klar die Nase gegenüber allen anderen Parteien vorne haben, verkündeten sie auf der Pressekonferenz zum Wahlprogramm, dass sie nicht für politische Zusammenarbeit mit den Grünen sind und bezeichneten die SPD-Politik unter Scholz als schlichtweg peinlich. Auch eine Zusammenarbeit mit der AfD schlossen sie dort aus, da sich deren Absicht des Austritts aus EU, Euro und NATO nicht mit den eigenen Plänen für den deutschen Imperialismus vereinbaren ließen.

Relevant zu betrachten ist jedoch, dass die AfD selbst immer weniger den Fokus auf eine Anti-EU, Anti-NATO Politik setzen, vor allem im Vergleich zu vor 10 Jahren. Das lässt eine schwarz-blaue Koalition, eventuelle doch wahrscheinlicher als Gedacht wirken. Vor allem nachdem sich nun abzeichnet, dass die Union mit Stimmen der AfD eine Abschiebeverschärfung schon vor den Wahlen durch den Bundestag bringen will. Ähnliches haben wir schon in Österreich gesehen, wo die Christ-Demokrat:innen vor der Wahl sich gegen eine Zusammenarbeit mit der rechtspopulistischen FPÖ ausgesprochen hat und jetzt auf dem besten Weg hin zur Regierungskoalition sind. Schaut man sich das Programm abschließend an, merkt man das inhaltlich auch gar nicht so viel Differenz zur AfD besteht, die Rhetorik ist zwar weniger rabiat und die Forderungen insgesamt weniger zugespitzt aber Grundton: Mehr Abschiebung, Bundeswehr und Polizei, weniger Sozialleistung und Umverteilung von unten nach oben, sowie eine Politik im Sinne „deutscher Werte“ ist derselbe. Wo nichts „links, woke oder gegendert“ ist um es mit Söders Worten zu sagen.

Doch was braucht es jetzt?

Zusammengefasst lässt sich aufjedenfall sagen: Wir als Jugendliche haben mit dem Programm der CDU nichts zu gewinnen! Darüber hinaus zeigen uns ihre politische Perspektiven, dass der Kampf gegen Rechtsruck und Krise nicht nur einer gegen die AfD sein kann. Wir können uns bei diesem auch nicht auf ein Parteiverbot oder die „Einheit der Demokrat:innen“ verlassen, wir sehen doch vor unseren Augen wie die Brandmauer immer weiter bröckelt.

Es braucht viel mehr einen Zusammenschluss aller Organisationen der Arbeiter:innen und Unterdrückten, welche nicht nur in moralischen Appellen sondern durch konkreten Kampf gegen Rassismus, soziale Angriffe und für soziale Verbesserung die Auseinandersetzung gegen den Rechtsruck führt. „Taktisches Wählen“ wird uns nicht vor rechter Politik bewahren, es braucht eine solche Bewegung welche sich an Schulen, Unis und Betreiben verankert, um den Kampf voranzutreiben und letztendlich auch zu gewinnen! Wenn du auch diesen Schritt gehen willst, dann schreib uns an und lass uns gemeinsam den Kampf gegen Rechtsruck und Krise führen – in der Schule und auf der Straße!




Erst spalten, dann streichen – Rassismus nützt den Reichen!

Flugblatt von REVOLUTION zum Aufbau einer Bewegung gegen Rechtsruck und Krise an Schulen

Wenn du das Flugblatt auch an deiner Schule verteilen willst, schreib uns an um welche von der Ortsgruppe in deiner Nähe zu bekommen (Social Media: @revogermany, E-Mail: germany@onesolutionrevolution.de) oder lade dir das PDF runter und druck dir das Flugblatt selber aus (Unten findest du das PDF).

Wenn wir oder unsere Freund:innen ohne deutschen Pass Angst haben müssen, abgeschoben zu werden, wenn rassistische Kommentare von Lehrer:innen und Mitschüler:innen zunehmen und eine mit Nazis kuschelnde – Alice Weidel – zu einer der beliebtesten Kanzlerkandidat:innen zählt, dann werden wir nicht schweigend zusehen! Wir wissen, dass diese Angst bei vielen den Alltag bestimmt. Das wollen wir nicht einfach so hinnehmen und aufzeigen: Wir Jugendlichen werden konsequent gegen den Rechtsruck, die AfD und Nazis kämpfen. Die AfD ist seit mehr als zehn Jahren auf dem Vormarsch. Das liegt nicht nur daran, dass rechte Menschen mit rechtem Gedankengut immer zahlreicher werden, sondern auch daran, dass sie mit ihrer Hetze gegen Geflüchtete jene erreichen konnten, denen es schlecht geht oder die Angst vor sozialem Abstieg haben. Denn die anderen Parteien haben es versäumt, diesen Menschen Antworten und Lösungen anzubieten, um sie bei ihren Sorgen abzuholen. Die Lebenssituation ist für viele Menschen in Deutschland schlecht, und die Aussichten sind düster. Egal, wer die nächste Bundestagswahl gewinnt – das Top-Thema der Wahl ist die Wirtschaft. Überall hören wir von bevorstehenden Massenentlassungen, und Kürzungen sowie Angriffe auf unsere Rechte werden massiv zunehmen. Diese Entwicklungen sind bereits jetzt, unter anderem in Berlin, deutlich sichtbar. Für uns Jugendliche bedeutet das vor allem: Schließungen von Jugendclubs und Mädchenprojekten, Einschnitte bei Sozialleistungen wie Unterstützung für Klassenfahrten, Mittagessen und Fahrkarten sowie der Wegfall von Kulturangeboten. Diese Maßnahmen treffen uns direkt – und die Ärmsten unter uns noch härter. Darum müssen wir uns auch klar dagegenstellen, dass riesige Investitionen ins Militär und in Kriege fließen statt in Soziales und Bildung. Dass Milliarden in die Aufrüstung gesteckt werden, während sich unsere Eltern jeden Monat die Fragen stellen, ob sie die Miete sich noch leisten können. Was tun die Parteien dagegen? Statt das Wirtschaftssystem als Problem zu benennen, schieben sie die Schuld auf Migrant:innen, Asylbewerber:innen und Arbeitslose. Das dürfen wir nicht hinnehmen! Rassismus wird gezielt eingesetzt, um Kürzungen durchzusetzen, ohne dass großer Widerstand aus der Bevölkerung aufkommt. Am Ende trifft es jedoch uns alle – Jugendliche, PoCs, Frauen und Queers, Arbeitslose und weite Teile der Arbeiter:innenklasse. Damit sich also unser Leben nicht noch weiter verschlechtert, müssen wir uns dagegen wehren! Dabei muss uns klar sein: Wenn wir erfolgreich gegen die Kürzungen kämpfen wollen, müssen wir diesen Kampf aktiv mit dem Kampf gegen Rechts verbinden. Und wenn wir den Kampf gegen Rechts gewinnen wollen, müssen wir ihn mit dem Kampf gegen Kürzungen verknüpfen. Diese beiden Kämpfe sind untrennbar miteinander verbunden, denn wenn wir uns spalten lassen, verlieren wir! Wir wollen nicht einfach abwarten, bis gewählt wird und sich eine neue Regierung formiert, die wieder nichts für uns tut. Wir müssen jetzt aktiv werden und eine Jugendbewegung aufbauen, die ihre Basis in den Schulen und Universitäten hat – eine Bewegung, die für ein Leben kämpft, in dem alle, unabhängig davon, wo sie herkommen, die gleichen Rechte haben. Die für eine Welt kämpft, in der das Wirtschaftssystem nicht auf Profit ausgerichtet ist, sondern auf die Bedürfnisse aller! Darum wollen wir nicht nur unsere Wut und Angst über die aktuellen Umstände auf die Straßen tragen, sondern dort aktiv werden, wo wir uns jeden Tag aufhalten und wo sich die gesellschaftlichen Missstände besonders zeigen – an unseren Schulen.

Wir sagen:

  • Wir zahlen nicht für eure Krise und Kriege – Hunderte Millarden für Soziales auf dem Nacken der Reichen! Wie das Geld verteilt wird sollen nicht Bosse und Berufspolitiker entscheiden – sondern wir, die die es brauchen!
  • Schluss mit Abschiebungen aus unseren Schulen, Unis, Nachbarschaften und Betrieben – unsere Freund:innen bleiben hier!
  • Wir können keinen Rassismus und Sexismus mehr in unseren Schulen ertragen: Für den Aufbau selbstverwalteter Antidiskriminierungsstellen, um dagegen gemeinsam vorgehen zu können!
  • Keine Aufteilung – echte Inklusion und gemeinsamer Unterricht statt „Willkommensklassen“!

Kämpf mit uns für diese Forderungen und werde aktiv!

Bewegung stärken, Verankerung aufbauen!

Um eine starke Bewegung gegen den Rechtsruck aufzubauen, müssen wir uns als Schüler:innen dort organisieren, wo wir uns tagtäglich aufhalten: In der Schule. Mit Aktionskomitees können wir den Kampf gegen den Rechtsruck dorthin tragen, wo wir eh immer sind. Denn der zeigt sich an der Schule nur zu gut. Sei es die rassistische Segregation durch „Willkommensklassen“, sei es der rassistische Lehrer, seien es die Unterrichtsinhalte. Wenn wir uns an der Schule organisieren, können wir gegen diese Dinge etwas unternehmen und damit den Rechtsruck effektiv angreifen und der Bewegung eine Verankerung dort geben, wo wir alle uns täglich aufhalten. Aus FFF haben wir gelernt, dass tausende Schüler:innen, die auf die Straße gehen und die Schule bestreiken, ordentlich Druck ausüben können auf den medialen Diskurs. Aber es hat auch gezeigt, dass der ganze Spaß sich ohne Verankerung an den Schulen nach einiger Zeit im Sand verläuft. Umso wichtiger, dass wir aus den Fehlern lernen und anfangen, in den Schulen direkt aktiv werden! Wenn wir uns vor Ort zusammentun, stärken wir also die Streiks, können Repressionen (wie Fehlzeiten oder Verweise) verhindern und lokale Probleme bekämpfen. So können wir z.B. wenn die AfD oder Bundeswehr zu uns kommen will, gemeinsam dagegen vorgehen und diese aus unseren Schulen werfen! Doch wo soll man anfangen? Wir kennen alle diesen einen rassistischen Lehrer an unserer Schule. Um dagegen was zu tun, kannst du einfach erstmal deine Mitschüler:innen ansprechen und sie fragen, was sie dazu denken. Als Nächstes könnt ihr z.B. einen kleinen Flyer oder einen offenen Brief schreiben, in dem ihr fordert, dass er nicht mehr unterrichten darf und den Aufbau einer Antidiskriminierungsstelle, die von den Schüler:innen kontrolliert wird. Den könnt ihr dann verteilen und damit eure Forderungen in der Schule diskutieren. In gemeinsamen Treffen könnt ihr dann weitere Schritte planen, wie Kundgebungen oder Dosenwerfen, um Druck hinter eure Forderung zu bringen. Damit seid ihr auf dem besten Weg, eine Widerstandskraft, also ein Aktionskomitee an eurer Schule aufzubauen!

Wir haben noch weitere Tipps zur Organisierung an Schulen in unserer Broschüre aufgeschrieben!

Wie organisier ich eine Vollversammlung?

Die Rechten sind wieder Back. Vor allem an der Schule merken wir das. Wo Freunde in andere Klassen gesteckt werden wegen ihrer Hautfarbe oder wo Lehrer:innen Witze über Hijabs machen. Den Ort, wo wir täglich hinmüssen, dürfen wir nicht den Rechten überlassen. Um diesen Kampf zu führen, kann eine Waffe eine Vollversammlung sein. Das sind Versammlungen von uns allen Schüler:innen einer Schule, die wir so gestalten können, wie wir wollen. Das heißt, es ist z.B. möglich, die Mitschüler:innen darüber aufzuklären, was ein Erstarken der AfD genau heißt, oder Kampfpläne zu schmieden, um Abschiebungen zu verhindern. Doch wie kommen wir zu so einer Vollversammlung?

1. Unsere Schulzeit bestimmen wir selbst!

Die Schulleitung wird in den meisten Fällen nicht erfreut sein, dass wir uns zusammenschließen wollen und selbst organisierte Versammlungen abhalten. Deshalb gilt es, Druck auf die Schulleitung aufzubauen, dass sie so eine Vollversammlung unterstützt. Hierfür kann man Unterschriften für die Vollversammlung sammeln, Banner aufhängen, Reden auf dem Schulhof halten, Infostände machen, mit Kreide die Forderung nach einer Vollversammlung auf den Boden malen oder am besten eine Kombi aus allem. Klar, das schafft man nicht alles allein. Deswegen diskutiert mit euren Freund:innen, warum wir uns selbst organisieren müssen, und bildet vielleicht sogar ein Aktionskomitee. In den meisten Fällen haben Schüler:innen das Recht, halbjährlich oder einmal im Schuljahr eine solche Vollversammlung abzuhalten. Je nach Bundesland kann es da aber Unterschiede geben, deshalb empfehlen wir euch, selbst noch einmal nachzuschauen.

2. Wir sagen was wir machen und machen was wir sagen.

Wenn die Schule einer Vollversammlung zugestimmt hat, kommt es zur Planung. Hierbei ist wichtig, dass sich jede:r Schüler:in an der Planung beteiligen kann. Einfach damit unsere Mitschüler:innen eigene Gedanken und Probleme reintragen können. Wir wollen nix hinter verschlossenen Türen planen, wie es die Schulleitung tut, wir wollen mit unseren Mitschüler:innen ins Gespräch kommen und gemeinsam entscheiden, wie wir die Vollversammlung gestalten wollen. Dafür sind offene Vorbereitungstreffen in der Schule notwendig, in welchen ihr durch demokratische Entscheidungsprozesse einen gemeinsamen Nenner findet. Besprochen werden sollten einerseits die Mobilisierung für die Vollversammlung sowie der Inhalt und die Gestaltung der Vollversammlung.

3. Die Vollversammlung selbst

Die Vollversammlung sollte lokale Probleme angehen und man sollte über das sprechen, was die Schüler:innen interessiert. Konkret kann man rassistische Vorfälle sammeln und dabei aufzeigen, dass die Zunahme davon im Zusammenhang mit dem Erstarken rechter Parteien steht. Gleichzeitig muss eine Perspektive aufgezeigt werden. Um das zu tun, kann es sinnvoll sein, Leute von außerhalb einzuladen, z.B. um klarzumachen, dass ein Kampf gegen Rechts auch ein Kampf gegen soziale Kürzungen ist. Eine mögliche Option wäre eure Jugendorganisation des Vertrauens.

4. Der Kampf geht los

Eine Vollversammlung darf nicht nur Probleme aufzeigen. Sie muss der Beginn des Kampfes da-gegen sein. Denn das Elend anzuerkennen ändert nichts, das müssen wir schon selber tun. Das heißt, nach der Vollversammlung muss klar sein, wie es weitergeht. Das kann sein, die Schule daraufhin zu besetzen oder an einem Schulstreik teilzunehmen. Hierfür kann die Vollversammlung auch direkt als Podium genutzt werden. Zuletzt schafft sie einen Moment der gemeinsamen Entscheidung, indem man z.B. politische Forderungen, welche die Schule umsetzen soll, abstimmt oder sich entschließt, dass alle an einem Streik teilnehmen!

Wenn du noch mehr über den Kampf gegen Rechtsruck, Krise und Organisierung an Schulen lesen willst, dann schau doch mehr von an und werde aktiv in der Schule und auf der Straße gegen Rechtsruck und Krise!

Hier könnt ihr das Schulflugblatt selbst herunterladen:

Lizenz: Matt Hrkac CC BY 2.0 via Flickr




Mouhameds Mörder bleiben unbestraft

von Marc Weidner, Dezember 2024

Am 08.8.2022 wurde der, aus dem Senegal geflüchtete, 16-Jährige Mouhamed Lamine Dramé in einer Geflüchtetenunterkunft in Dortmund von der Polizei erschossen. Nun, am 12.12.2024 das Urteil des Gerichts: Alle Bullen wurden freigesprochen.

Lesezeit: 5 Minuten

Damit fiel das Urteil noch milder aus, als es die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, welche immerhin den Einsatzleiter zu einer Haftstrafe von 10 Jahren auf Bewährung verurteilen wollte. Die Solidaritätsbewegung und besonders die beiden Brüder Dramé, die extra für den Prozess nach Deutschland angereist sind, waren schockiert. Schien die Sache doch so klar: Mouhamed befand sich in einer psychischen Notsituation und richtete ein Messer gegen sich selbst. Ohne Vorwarnung, ohne jegliche psychische Unterstützung, ohne überhaupt in einer Sprache die Mouhamed verstehen kann mit ihm zu kommunizieren, ordnete der Einsatzleiter an mit Pfefferspray anzugreifen. Logischerweise versuchte Mouhamed daraufhin wegzurennen. Er kam nicht weit. Zunächst mit Tasern, dann mit 6 Schüssen aus einer Maschinenpistole, wurde er von der Polizei ermordet.

Was bedeutet dieses Urteil?

Als Kommunist:innen haben wir grundsätzlich keine große Hoffnung darin, dass Bullen vor Gericht verurteilt werden. Trotzdem müssen wir dieses Urteil sehr ernst nehmen. Es ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich für Gerechtigkeit für Mouhmed eingesetzt haben. Es bedeutet auch, dass sich das Gericht in zukünftigen Fällen auf dieses Urteil beziehen kann und gibt somit der Polizei den Freifahrtschein, weiter ungestraft Menschen zu erschießen. Es schafft einen Präzedenzfall für rassistisch und chauvinistisch motivierte Morde an Migrant:innen, Obdachlosen und langfristig auch an politischen Gegner:innen. So können Polizist:innen sich in Zukunft mit diesem Urteil auch dann auf „Selbstverteidigung“ berufen, wenn komplett klar ist, dass sie als Agressor:innen gehandelt haben.

Polizeigewalt nimmt zu!

Ohnehin sehen wir in den letzten Jahren einen Anstieg der Polizeigewalt. Ebenfalls in Dortmund wurde dieses Jahr ein Obdachloser auf offener Straße von der Polizei erschossen. Ähnliche Fälle häufen sich in ganz Deutschland. In anderen Ländern sieht es teilweise sogar noch schlimmer aus, aber sich nicht besser. Erinnern wir uns an die Ermordungen von George Floyd in den USA oder von Nahel Merzouk in Frankreich.

Dazu kommt eine wachsende Repression der Polizei gegenüber Demonstrationen. Diese traf in den letzten Jahren besonders die Klimabewegung. Aktuell ist es vor allem die Bewegung für Palästina Solidarität, der demokratische Rechte verwehrt werden und die mit massiver Polizeigewalt konfrontiert ist.

Ein weiterer Aufgabenbereich der Polizei ist die Deportation von Menschen, was im bürgerlichen Diskurs nett als „Abschiebung“ bezeichnet wird. Die Hetze gegenüber Geflüchteten nimmt immer ekeligere Formen an. Einen Tag, nachdem der Diktator Assad in Syrien gefallen ist, fällt den Arschlöchern im Parlament tatsächlich nichts anderes ein als darüber zu diskutieren, ob man jetzt die geflüchteten Syrer:innen „endlich“ abschieben kann. Am Ende ist es die Polizei, die die Menschen aus ihren Wohnungen holt. Dass es dabei regelmäßig zu massiver Polizeigewalt kommt, bleibt meist ohne irgendeine öffentliche Reaktion, was unter anderem daran liegt, dass Geflüchtete isoliert vom Rest der Gesellschaft untergebracht werden. Auch hier verschickt das Urteil im Fall Mouhamed die Botschaft, dass die Bullen mit Geflüchteten machen können, was sie wollen.

Was können wir dagegen tun?

Am 14.12. beteiligten wir uns in Dortmund an den Protesten, die sich versammelten, um gegen den Freispruch der Polizist:innen zu demonstrieren. Eine viel gerufene Parole lautete „No Justice No Peace, abolish the Police“. Wir schließen uns an, dass die Polizei nicht reformierbar ist und deshalb abgeschafft werden muss. Wir haben in anderen Artikel bereits analysiert, warum wir der Meinung sind, dass die Polizei nie in unserem Interesse handeln wird: Weil es ihre Aufgabe ist, die kapitalistische Ordnung aufrecht zu erhalten. Berechtigterweise stellen sich die meisten Leute daraufhin die Frage, ob und wodurch die Polizei denn ersetzt werden soll. Dies bleibt leider oft unbeantwortet innerhalb der Linken.
Als Revolutionär:innen treten wir dafür ein, dass wir eigenen militanten Selbstschutz organisieren. Wir müssen uns selbst gegen Rassist:innen, Sexist:innen und auch Polizist:innen verteidigen können. Letztlich fordern wir den autoritären Polizeiapparat zu zerschlagen und durch Arbeiter:innenmilizen zu ersetzen, die aufgrund ihrer lokalen Verankerung in Räten demokratisch legitimiert und rechenschaftspflichtig sind.

Aber diese Perspektive bleibt radikale Träumerei, wenn wir nicht im Hier und Jetzt anfangen uns an den Orten zu organisieren, wo uns Rassismus, Sexismus und Polizeiwillkür tagtäglich betrifft. Es braucht Verankerungen an Schulen, Unis, Betrieben, Geflüchtetenunterkünften und lokale Strukturen, die diese miteinander in den Vierteln verbinden. Dafür braucht es aber auch Organisationen, die solche Perspektiven, Perspektiven wie man tatsächlich etwas ändern kann, aufwerfen und in die lokalen Strukturen hineintragen. Sei es direkt vor Ort, aber auch auf Demonstrationen, wo sich Menschen versammeln, die etwas gegen Polizeigewalt unternehmen wollen.

Aus diesem Grund verurteilen wir auch die erneuten Angriffe auf genau solche Organisationen auf der Demonstration am 12.Dezember  in Dortmund. In erster Linie galten die Angriffe der MLPD. Schnell entwickelte sich die Situation aber so weit, dass Leute probierten allen Gruppen ihre Fahnen aus der Hand zu reißen. Letztlich ist es die allgemeine feindliche Haltung der dominierenden „autonomen“ Gruppen gegenüber organisierten Strukturen, weshalb solche Angriffe passieren. Es schadet dem Protest und es schadet der Perspektive einer Gesellschaft ohne Diskriminierung und Gewalt, wenn auf Demonstrationen Gruppen ausgeschlossen werden. Vielmehr müssen wir, genau im Gegenteil, mehr Strukturen dazu aufrufen, sich dem Protest auf der Straße anzuschließen. So in etwa die Gewerkschaften oder die Partei „Die Linke“. Es besteht immer die Gefahr der Vereinnahmung durch größere Organisationen. Dennoch sollten wir nicht davor zurückschrecken, denn nur ein massenhafter Widerstand kann der Unterdrückung in diesem System etwas entgegensetzen.

Da uns nun klar sein sollte, dass Polizeigewalt nicht Ausrutscher einzelner Polizist:innen sind, sondern das Ergebnis der staatlichen Ordnung, müssen wir uns gegen diese organisieren. Die Forderungen müssen sich also damit auseinandersetzten, wie wir im Hier und Jetzt Polizeigewalt bekämpfen, aber auch wie wir die Polizei und den Kapitalismus als Ganzes überwinden können.

  • Polizei aus dem DGB schmeißen! Bullen gehören nicht zur Arbeiter:innenklasse, sondern sind die Schlägertruppe des Kapitals!
  • Kein Massenüberwachung z.B. durch, Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Videoüberwachung usw.!
  • Kein Racial Profiling und ein hartes Aburteilen von Bullen, die Racial Profiling anwenden!
  • Polizist:innen, die gewalttätig werden, sollen vor Volksgerichte gestellt und diese bei Bedarf abgeurteilt werden! Dafür müssen sie durch ein individuelles Erkennungszeichen identifizierbar sein!
  • Keine Militarisierung der Polizei. Sofortige Entwaffnung der Polizei, vor allem was Taser, Maschinenpistolen, Knarren und Handgranaten angeht!
  • Für demokratisch legitimierte und kontrollierte Selbstverteidigungsstrukturen der Arbeiter:innen, Jugendlichen und allen Unterdrückten des Kapitalismus!



Gegen Esoterik und Antisemitismus – Waldorfschulen dicht machen?!?!

Von Isma Johnson, November 2024

Immer mehr von uns Schüler:innen gehen auf Waldorfschulen: die Anzahl von Waldorfschulen hat sich seit 1990 verdoppelt und liegt mittlerweile über 250 in ganz Deutschland. Die meisten Menschen machen bei dem Thema erstmal Witze übers Namentanzen, und generell haben Waldorfschulen das Image einer harmlosen und irgendwie netteren Alternative zum staatlichen Schul-system. Das ist auch ein Grund für ihr Wachstum: Schüler:innen und ihre Eltern versuchen irgendwie dem Leistungsdruck des kaputtgesparten Bildungssystems zu entkommen und finden bei Waldorfschulen teilweise auch eine eher aushaltbare Umgebung. Tat-sächlich lösen können Waldorfschulen unsere Bildungskrise aber natürlich nicht und sie sind auch nicht so harmlos, wie sie ständig dargestellt werden. Was wir stattdessen brauchen, um eine echte Verbesserung für Schüler:innen zu erreichen und warum das langfristig bedeutet Waldorfschulen zu schließen, wollen wir in diesem Artikel zeigen. Historisch gesehen gehen Waldorfpädagogik und -Schulen auf Rudolf Steiner zurück. Dieser hat sie 1919 im Auftrag des Zigarettenfabrikanten Waldorf-Astoria entwickelt. Dieser wollte eine “höhere” Schule für die Arbeiter:innenkinder seiner Fabrik, deren Schulgelder er wohl selbst deckte.

Obwohl sie also zu Beginn auch eine Schule für Arbeiter:innenkinder wahr wurde sie im Gegensatz beispiels-weise zur Reformpädagogik, die aus der Arbeitenden-klasse und sozialdemokratischen Jugendorganisationen kam, im Auftrag eines Kapitalisten entwickelt.

Steiner selbst war bekannt als Publizist und Intellektueller, der durch Deutschland und Österreich reiste, um Vorträge zu halten. Er hielt sich selbst für einen Hellseher, der etwa das “wahre” Gesicht der Welt aus Gnomen, Engeln und Dämonen sehen konnte. Aus dieser absurden Esoterik entwickelte er auch seine Weltanschauung, die Anthroposophie, die wiederum die Grundlage für Waldorfpädagogik ist. Wie fast alle Esoterik hat sie extrem rassistische Elemente und geht etwa davon aus, dass verschiedene menschliche “Wurzelrassen” einander seit jeher ersetzen, um einen besseren Menschen zu erschaffen. Steiner geht hier zunächst von fantastischen Rassen, wie den Atlanten von Atlantis (ja, dem mythischen Kontinent) aus, bezieht deren Eigenschaften aber auch auf ihre angeblichen Nachkommen, wie etwa die am weitesten entwickelte “weiße Rasse”.Diese würde als einzige die kommenden Katastrophen überleben und hätte zum Beispiel ganz andere Eigenschaften als die “andersgearteten” Schwarzen Menschen, die er natürlich mit dem N-Wort bezeichnet. Steiner ist damit auch ein Vorreiter für die später faschistische Idee des Kampfes der Rassen um Lebens-raum. Zusätzlich verfolgt Steiner die Lehre vom Karma, geht also davon aus, dass alles persönliche oder gesellschaftliche Übel der Welt eigentlich “Schicksal” sei. Sie ist extrem reaktionär (also rückschrittlich), da sie Krankheiten, Katastrophen und sogar Genozide eigentlich als selbstverschuldet begreift, weil die Betroffenen im vorigen Leben eben nicht genügend “Karma” gesammelt hätten. In anderen anthroposophischen (also sich auf Steiner beziehenden) Schriften wird dabei Jüd:innen auf extrem antisemitische Weise selbst die Schuld an der Shoah zugeschrieben, weil sie im vorigen Leben zu “geizig” gewesen wären.

Wie taucht diese erschreckende Ideologie denn in den Waldorfschulen auf?

Anthroposophie ist zwar kein eigenes Schulfach, aber die ganze Methodik und Überzeugungen der Schule sind davon durchzogen, je nach Schule mal mehr mal weniger. Ob Steiners Thesen, wie etwa Wurzelrassen, tatsächlich noch unterrichtet werden, ist entsprechend unter-schiedlich und hängt von der Schulleitung, Eltern und vor allem einzelnen Lehrer:innen ab. Der Bund der Freien Waldorfschulen hat sich zwar von jeglichem Rassismus und Diskriminierung distanziert, aber nicht von Rudolph Steiner selbst, dessen Aussagen sie nicht mal klar als rassistisch anerkennen. Weiterhin werden viele Elemente seiner Pädagogik als scheinbar fortschrittlicher und freier dargestellt. Beispielsweise soll Waldorfpädagogik “ganzheitlicher” sein, Kinder wer-den mit ihrem “Temperament” statt nur ihren Noten gesehen. Es gibt aber angeblich auch nur vier Tempe-ramente (melancholisch, cholerisch, phlegmatisch und sanguinisch), in die die Kinder durch “Körperbetrachtung” von Lehrer:innen eingeteilt werden können. Auch hier steht wieder ein reaktionärer Gedanke hinter, nämlich der Glaube, man könnte den Charakter an körperlichen Merkmalen ablesen. Wo Schulen eigentlich die Entwicklung des eigenen Charakter fördern sollen, gehen Waldorfschulen davon aus, dass dieser durch den Körperbau vorbestimmt sei und sich auch nicht mehr ändere.

Aber obwohl die Begründungen für Waldorfpädagogik schlichtweg falsch bis reaktionär sind, heißt das nicht, dass sie keine Vorteile mit sich bringt. Beispielsweise gehen viele Lehrer:innen tatsächlich individueller auf Schüler:innen ein. Entscheidend ist auch der spürbar geringere Leistungsdruck als an staatlichen Schulen. Bis zur 11. Klasse werden keine Noten vergeben, die Lehrer:innen fördern weniger Konkurrenz zwischen Schüler:innen und – zumindest nach den Erfahrungen der Autor:in – läuft der Unterricht wesentlich entspannter ab. Auch gibt es deutlich mehr Zeit für kreative und handwerkliche Tätigkeiten, Fächer wie Buchbinden, Schneidern, Musik, Theater sowie Eurythmie (aka Namentanzen) nehmen einen großen Teil des Stundenplans ein. Allerdings wird die Kreativität von Schüler:innen durch absurde Regelungen auch direkt wieder eingeschränkt. Gerade in der Eurythmie (eine Art Ausdruckstanz) gibt es ein riesiges Regelwerk, wie man welche Emotion, Farbe oder welchen Laut ausdrücken muss und auch beispielsweise beim Malen gibt es starre Vorgaben, die aus Steiners Philosophie hervorgehen. Beispielsweise dürfen die Schüler:innen anfangs keine schwarzen Stifte verwenden und müssen ganz bestimmte Materialien benutzen. Sogar Lesen lernen dürfen Waldorfschüler:innen erst ab der 2. Klasse, weil die Theorie der “Körperentwicklung” davon ausgeht, Kinder würden erst dann einen “Ätherleib” ausbilden, der das Lesenlernen ermöglicht. Früher lesen zu lernen schade angeblich der Gesundheit.

Unter diesen Umständen müssen wir auch die Selbstverwaltung an Waldorfschulen kritisch sehen, denn jede einzelne Waldorfschule ist durch die Lehrer:innen frei selbstverwaltet. Dabei zeigt sich zwar auch eine gewisse antistaatliche Haltung, es ist aber trotzdem keine fortschrittliche. Sie will nicht den bürgerlichen Staat und seine Klassenherrschaft überwinden, sondern bezieht sich auf Rudolf Steiner und stellt sich deshalb eher einen rückschrittlichen, fast völkischen Staat vor. Nur Selbstverwaltung alleine ist also nichts Gutes, selbst die Reichsbürger haben ja eine Selbstverwaltung. Sie kann sogar gefährlich werden, wenn sie zum Beispiel den Missbrauch und die Gewaltvorfälle deckt, die an mehreren Waldorfschulen vorgefallen sind. Etwa passierte es in den letzten Jahren häufiger, dass Lehrer:innen ihren Schüler:innen verboten haben, Coronaschutzmasken zu tragen, oder sie ihnen heruntergerissen haben. Auch generell ist Kritik an Schutzmasken und das Anzweifeln von Corona an den meisten Waldorfschulen völlig alltäglich geworden. All das bleibt vor der Öffentlichkeit, auch durch die Selbstverwaltung und teilweise Sektenhaftigkeit verborgen.

Welche Perspektive?

Stattdessen müssen wir also für die Mitbestimmung von Schüler:innen sowie anderen Schulbeschäftigten kämpfen und vor allem eine Selbstverwaltung schaffen, die sich aus all den richtigen Gründen gegen den bürgerlichen Staat und für eine sozialistische Zukunft ausspricht. Und auch direkt an unseren Schulen, können wir als Waldorfschüler:innen gegen einiges was tun: Was wird genau im Geschichtsunterricht erzählt? Gibt es tatsächlich Religionsfreiheit oder eine Überbetonung des Christen-tums? Wie wird Sexualität dargestellt? Gibt es einen freien und inklusiven Sexualkundeunterricht? Wie frei ist euer Kunstunterricht tatsächlich? Was dürft ihr im Rahmen der „Selbstverwaltung“ wirklich mitbestimmen? Wir müssen uns die Errungenschaften, wie weniger Leistungsdruck und die spätere Notengebung, natürlich erhalten und sollten nicht alle Waldorfschulen von heute auf morgen schließen. Aber Waldorfschulen sind trotz allem Privatschulen und kosten im Schnitt (teilweise mit Sozialstaffelung) 200€ im Monat. Sie sind keine Option für alle und sind durch ihr esoterisches Lehrkonzept auch nichts, was wir für alle anstreben sollten.

Stattdessen brauchen wir ein Bildungssystem, in dem niemand mehr wegen zu viel Stress auf eine Privatschule wechseln muss, sondern in dem alle auf staatlichen Schulen glücklich sein können. Auch dafür müssen wir kämpfen. Also schließt euch als Waldorfschüler:innen zusammen und organisiert euch gegen Esoterik, Rassismus und Antisemitismus, sowie Queerfeindlichkeit im Unterricht!

Wir als Revolution werfen dafür folgende Forderungen auf:

  • Gegen jeden Rassismus im Unterricht!
  • Für säkulare Schulen bei voller Religionsfreiheit für alle Schüler:innen!
  • Für einen Lehrplan, dessen Inhalte von Schüler:innen und Lehrer:innen gemeinsam bestimmt werden!
  • Für eine von Schüler:innen und Lehrer:innen demokratisch kontrollierte Beschwerdestelle für Diskriminierung und Gewalt aller Art!
  • Durch Schüler:innen und Schulbeschäftigte kontrollierte Verstaatlichung von Waldorfschulen sowie aller Privatschulen!
  • Für alle oben genannten Forderungen auch für alle staatlichen Schulen! Mitbestimmung der Lerninhalte und gute Ausfinanzierung, sodass weniger Anreize entstehen, auf eine Waldorfschule zu gehen!



5 Forderungen gegen Abschiebungen

Von Urs Hecker, April 2024, Revolution Zeitung 2/2024

CDU und Ampelregierung überholen sich zurzeit mit immer drakonischeren und menschenfeindlicheren Angriffen auf Geflüchtete und deren Rechte, seien es „Abschiebeoffensiven“ oder die kürzlich eingeführte Bezahlkarte. Außerdem werden migrantisierte Menschen besonders verfolgt, wenn sie sich gegen den deutschen Imperialismus und seine Unterstützung des Genozids an den Palästinenser:innen stellen.

All das dient dazu, uns als Arbeiter:innen und Jugendliche zu spalten und Geflüchtete noch stärker auszubeuten und zu unterdrücken! Es ist höchste Zeit, dass wir uns wehren und Widerstand gegen die Abschiebepolitik und den Rechtsruck formieren! Dieser Widerstand muss zielgerichtet und geschlossen sein, wenn wir gewinnen wollen. Dafür brauchen wir zentrale Forderungen, die unserem Kampf eine Richtung geben und darauf abzielen, eben jene Verhältnisse zu umzuwerfen, die Abschiebungen, den Rechtsruck und Rassismus hervorbringt! Wir haben daher 5 Forderungen zusammengetragen, die unserer Meinung nach hierbei zentral sind:

1. Gegen die Bezahlkarte! Recht auf Arbeit und gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

Sie wurde zuerst von der CSU in Bayern eingeführt und wurde seitdem von der rassistischen Hetze ins ganze Land getragen: Die Bezahlkarte. Die Ampelkoalition hat den Weg frei gemacht, auch die angeblich „fortschrittlichen“ Parteien Grüne und SPD.

Die Bezahlkarte ist eine beschränkte Prepaid-Kreditkarte, auf der Geflüchtete ihre zum Überleben notwendigen und bereits jetzt mickrigen Sozialleistungen erhalten sollen. Dabei sollen vor allem Bargeldentnahme und Überweisungen beschränkt werden. In Bayern können Geflüchtete nur noch 50€ im Monat abheben.

Auch enge räumliche Begrenzungen der Nutzbarkeit der Karte sind angedacht, was Geflüchteten ihre eh schon eigeschränkte Bewegungsfreiheit komplett rauben würde.
Grundsätzlich werden so die zentralen Rechte und Freiheiten der BRD und jeder anderen bürgerlichen Gesellschaft für Geflüchtete abgeschafft. So viel zum Grundsatz der wirtschaftlichen Privatautonomie: Entmündigung, Entrechtung und Schikane stehen auf dem Programm!

Geflüchtete werden aus jedem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, unter Generalverdacht gestellt und öffentlich gebrandmarkt. Jedes Bekenntnis zur „Menschenwürde“ dieses Staates und seiner parlamentarischen Parteien ist reiner Hohn. Angeblich soll die Bezahlkarte Überweisungen an Freund:innen und Verwandte im Ausland verhindern, um „Anreize“ für die Flucht zu mindern.
Doch imperialistischer Krieg, Klimakrise und das dadurch entstehende Elend sind Gründe für eine Flucht, nicht die rosige Aussicht auf einen Tod im Mittelmeer oder das Dasein als ausgeschlossene und unterdrückte Gruppe in Europa. Niemand flieht freiwillig!

Generell, wo wäre das Problem, wenn Geflüchtete Geldsummen an ihre Lieben überweisen, um das Elend für diese wenigstens kurz zu mildern?
Wir können uns sicher sein, dass dieser Angriff auf weitere marginalisierte Teile unserer Klasse ausgeweitet werden wird; FDP Politiker:innen wollen sie jetzt schon auf Bürgergeldempfänger:innen anwenden.

Wir müssen die Rechte von Geflüchteten und unserer gesamten Klasse gegen jeden Angriff verteidigen! Weg mit der Entrechtung in der Wirtschaft! Für das volle Arbeitsrecht für alle Geflüchteten, mit freier Verfügung über ihr Geld!

2. Für dezentrale Unterbringung! Vollumfängliche Unterstützung auf Kosten der Reichen!

Ein weiteres Mittel zur Schikane von Geflüchteten sind die Heime und Lager, in denen sie untergebracht und eingesperrt werden. Oft sind diese abgelegen auf dem Land, oder liegen vor den Städten. Die Geflüchteten befinden sich zusammengepfercht auf einem Fleck und müssen unter sich bleiben. Eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben bleibt unmöglich. In solchen Unterbringungsstätten fehlt es an vielem, vor allem an Platz.

Währenddessen schlagen Kommunen Alarm, dass sie selbst diese unwürdige Unterbringung nicht finanziell stemmen können. Oft wird gesagt, „wir“ könnten uns die Unterbringung Geflüchteter nicht leisten. Dabei gibt es freien Wohnraum und Geld (bei Reichen) zuhauf in Deutschland! Die Frage ist, für welche Interessen wir sie einsetzen. Zum Beispiel gibt es 1,7 Millionen leerstehende Wohnungen in Deutschland. Durch eine Enteignung dieser unter der Kontrolle von Mieter:innen, Wohnungslosen und Geflüchteten könnte schnell dezentraler Wohnraum für Geflüchtete zur Verfügung stehen! Langfristig bräuchte es natürlich einen massiven Ausbau des sozialen Wohnungsbaus.

Wie das möglich sein soll? Wir holen uns das nötige Geld bei den Reichen! Bei den Gewinner:innen von Krieg und Krise ist genug Geld vorhanden. Durch eine hohe Reichensteuer könnten wir verbesserte dezentrale Unterbringung für Geflüchtete und bessere Lebensbedingungen für unsere gesamte Klasse erkämpfen!

3. Gegen imperialistische Gesinnungstests! Antisemitismus ist kein „Importprodukt“!

Auch der vom deutschen Imperialismus unterstützte Genozid Israels in Gaza wird nach innen zum Angriff auf Geflüchtete genutzt. Sachsen-Anhalt hat als erstes Bundesland das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels zur Voraussetzung für eine Einbürgerung gemacht.

Doch Antisemitismus ist kein „ausländisches Problem“. Die mit Abstand größte Gefahr für Jüd:innen in Deutschland geht von Rechten aus. Mit diesem Vorwurf gegen Geflüchtete aus dem arabischen Raum will der deutsche Staat sein Image reinwaschen und die Arbeiter:innen spalten.

Die notwendige Ablehnung des genozidalen Apartheidsstaats Israel ist jedoch kein Antisemitismus! Für Palästinenser:innen und andere Araber:innen, deren Verwandte und Freund:innen durch Israel ermordet wurden, oder die selbst Unterdrückung durch Israel erfahren haben, ist diese Haltung nur logisch.

Wenn Palästinasolidarität mit Antisemitismus einhergeht, dann ist das ein Trugschluss aus der eigenen Unterdrückung, der weiterhin bekämpft werden muss. Doch es wäre ein komplett falscher Ansatz, Jüd:innen zu schützen, indem man „Antisemit:innen aus Deutschland raushält“. Dadurch wird der Antisemitismus, der insgesamt auf der Welt existiert, ja nicht weniger, und am Ende werden Jüd:innen dadurch nicht geschützt.

Rechte für Migrant:innen in Deutschland dürfen nicht an politische Überzeugungen gebunden sein, da ihnen so fundamentale demokratische Rechte entzogen werden und vor allem Linke Repressionen erfahren würden. Also weg mit dem Gesinnungstest!

4. Geflüchtete in den DGB! Für gemeinsame Kämpfe um ein besseres Leben!

Damit Rechte für Geflüchtete erkämpft werden können, müssen sie Teil dieser Kämpfe sein. Um sich auf Basis ihres Klasseninteresses zu organisieren, müssen Geflüchtete in Gewerkschaften vertreten sein. Als Grundlage braucht es eine Solidarisierung des DGB mit Geflüchteten!

Wie wir an der Bezahlkarte sehen können, sind alle Arbeiter:innen durch diese Angriffe bedroht. Schluss mit dem Kuschen der bürokratischen Gewerkschaftsführung vor der Ampelregierung; wir brauchen eine offensive Verteidigung der Rechte für Geflüchtete durch den DGB!

Außerdem können gemeinsame Kampferfahrungen die Grundlage zur Bekämpfung der rassistischen Vorurteile innerhalb der Arbeiter:innenbewegung sein. Wer zusammen für die gemeinsamen Interessen als Arbeiter:innen kämpft, überwindet gesellschaftliche Marginalisierung und ist in der Lage, den gemeinsamen Klassenstandpunkt zu erkennen. Damit wir eine kampffähige Klasse aufbauen können, sind Geflüchtete im DGB unerlässlich!

5. Offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für alle!

Viele Menschen auf der Flucht schaffen es nicht an ihr Ziel. Sie ertrinken im Mittelmeer, das von der EU und ihrer Grenzbehörde Frontex in ein Massengrab verwandelt wurde, oder sie werden an der Grenze abgefangen und in menschenunwürdige Lager gesteckt. Die bürgerlichen Staaten schrecken nicht davor zurück, beim „Verteidigen“ ihrer Grenzen über Leichen zu gehen.

Bewegungsfreiheit, sichere Fluchtwege und offene Grenzen sind bitter nötig! Grenzen existieren, weil sie für kapitalistische Nationalstaaten notwendig sind. Sie markieren die Grenzen des Binnenmarktes und sind der Rand des absoluten Machtbereichs der jeweiligen nationalen Bourgeoisie. Die Forderung der offenen Grenzen ist also eine Forderung gegen den bürgerlichen Nationalstaat. Sie kann nur gegen ihn durchgesetzt werden und geht auch über die Grenzen des Kapitalismus hinaus!

Bürgerliche Staaten teilen diejenigen, die sie beherrschen ein: in privilegierte Staatsbürger:innen und die, die es nicht sind. Diese rassistische Form der Diskriminierung basiert auf Herkunft oder Geburtsort. Sie besitzen kein Wahlrecht und ihr Bleiberecht ist oft unsicher, was sie zu deutlich leichter ausbeutbaren Arbeiter:innen macht. Dadurch schwächt der Staat die ganze Klasse, denn die gemeinsamen Interessen werden durch angebliche „nationale Interessen“ verdeckt und gegeneinander ausgespielt. Um die rassistische Diskriminierung endgültig zu überwinden, unsere Klasse ökonomisch zu stärken und gemeinsam kämpfen zu können, braucht es ein Kampf für gleiche Staatsbürger:innenrechte für alle!




Die Jugend nicht den Rechten überlassen!

von Jona Everdeen, September 2024

Innerhalb diesen Jahres kam es zu einer massiven Zunahme rechter Gewalt. Die Anreise zu einer Antifademo wurde am Ostkreuz, mitten im hippen Berlin-Friedrichshain, von Faschisten angegriffen, mehrere Antifas verletzt. Gegen die CSDs in Bautzen und Leipzig kam es zu Gegenprotesten durch Rechtsradikale, wobei diese in Bautzen in einem großen Mob durch die Stadt zogen. Auffällig bei den rechten Banden: Sehr viele der Angreifer:innen sind keine alten Nazikader, sondern Jugendliche. Doch warum folgen immer mehr Jugendliche rechter Agitation? Und was können wir gegen den Rechtsruck in der Jugend tun?

Die Rechte Szene formiert sich neu

Das traditionelle Bild des Neonazis mit der Bomberjacke und den Springerstiefeln gehört nun bereits seit längerer Zeit der Vergangenheit an. Teilweise durch linke Gegenprotesten, aber auch aufgrund innerer Zersplitterung und Perspektivlosigkeit, brach in den späten 00er und frühen 90er Jahren der Großteil der alten Rechten Szene und ihrer Subkultur zusammen, blieben lediglich einzelne Splitter davon sowie eine große Menge an alternden politisch inaktiven Faschos zurück. Die NPD erfuhr dann mit dem Aufstieg der AfD, die den Großteil ihres Wähler:innenpotentials verschlang, ihren (vermeintlichen?) Todesstoß.

Doch die darauffolgende relative Ruhe sollte nicht lange wehren. Mit dem 3.Weg wurde bereits 2014 eine neue Organisation gegründet, der es gelang, aus Teilen der NPD und der alten Kameradschaftsszene eine schlagkräftige faschistische Kraft auf die Beine zu stellen, die sich ideologisch auf ein strasseristisches Programm stützt. Mehr dazu in unserem Artikel „Der 3.Weg – Faschos und wie man sie bekämpfen muss“. Deutlich jünger als die faschistische Kleinstpartei selber ist jedoch ihre Jugendorganisation, die Nationalrevolutionäre Jugend (NRJ). Diese bildet inzwischen den dynamischsten Teil der Organisation und vor allem ihren militanten Kern. Die NRJ ist in Berlin für mehrere Angriffe und Einschüchterungen gegen Linke Aktivist:innen und Projekte verantwortlich, unter anderem wohl auch hauptsächlich für den Angriff auf die Antifas am Ostkreuz. Während es jedoch um die NRJ, zumindest in Berlin, nach einer staatlichen Razzia bei ihren Kadern etwas ruhiger geworden zu sein scheint, blieb die Ruhepause für Antifaschist:innen aus. Bereits kurz danach, beim Berliner CSD, trat eine andere Rechte Jugendorganisation auf den Plan: „Deutsche Jugend Voran“ (DJV).

Zusammen mit „Jung und Stark“ (JS) ist die DJV eine Art Vorfeldorganisation der Jungen Nationalisten (JN), der Jugendorganisation der eigentlich totgeglaubten NPD/Die Heimat. Vor allem auf sozialen Medien wie Instagram versuchen diese beiden (pseudo-)Strukturen zum Sammelbecken für sich nach rechts orientierende Jugendliche zu werden. Und zwar bislang mit Erfolg. Während die Mobilisierung gegen den Berliner CSD eher lächerlich wirkte und die 25 Jungfaschos außer einer Polizeikontrolle nicht viel zu sehen bekamen, sah es in Bautzen ganz anders aus: Dort gelang es einer von DJV und JS angeführten Nazimeute den CSD erheblich zu stören und zu bedrohen, auch weil die Sächsische Polizei damit kein Problem zu haben schien. Wie groß das Personenpotential von DJV und JS Stand jetzt ist, ist schwer zu sagen. Allerdings gibt es inzwischen in mehreren, vor allem ostdeutschen Städten Ortsgruppen und es ist davon auszugehen, dass dieses Phänomen nicht einfach wieder verschwinden wird. Auch muss beobachtet werden, inwiefern diese neuen rechten Jugendkräfte mit der NRJ zusammenarbeiten werden. Zumindest in Berlin haben sie wohl bereits gemeinsame Aktionen durchgeführt wie eben den Angriff am Ostkreuz. Allerdings ist das Verhältnis zwischen JN und NRJ wohl auch, zumindest wenn man den sozialen Medien von Mitgliedern dieser Organisation glauben schenkt, stark von Konkurrenz geprägt. Erwähnung finden muss außerdem noch die Anfang des Jahres gegründete „Elblandrevolte“ aus dem Raum Dresden. Diese kann de facto als Dresdener Ortsgruppe der JN betrachtet werden, vefügt aber, wohl auch aufgrund der scheinbaren organisatorischen Unabhängigkeit, über ein sehr großes Kontaktumfeld über die Strukturen der NPD/Heimat Jugendorganisation hinaus, und tritt sehr militant auf.

Hinzu kommt auch noch die JA, die Jugendorganisation der AfD, deren Mitglieder ebenfalls bei der Anti-CSD Mobilisierung in Bautzen anwesend waren, die allerdings nicht im selben Maße wie die offen faschistischen Organisationen in Erscheinung tritt sondern eher im rechten Wahlkampf und in sozialen Medien agiert. Doch die wichtigste Frage für uns: Wie gelingt es diesen Kräften überhaupt Jugendliche für faschistische Ideologie und Praxis zu mobilisieren?

Was zieht Jugendliche so an?

Die verstärkte Mobilisierung Jugendlicher durch rechte bis faschistische Kräfte, reiht sich ein in den gesellschaftlichen Rechtsruck, der im Zuge der schwelenden Krise massiv an Fahrt aufgenommen hat. Da das kapitalistische System nicht mehr in der Lage ist, seine Widersprüche selber zu lösen, und durch die Führungskrise der Arbeiter:innenbewegung und Linken eine schlagkräftige Bewegung fehlt, die eine reale Alternative zum System aufzeigen und erkämpfen könnte, gelingt es zunehmend rechtspopulistischen und teils faschistischen Kräften ihre nationalistischen, rassistischen und sexistischen Ideologien als „Lösung“ zu präsentieren. Die reale Unzufriedenheit über die heuchlerische und in erster Linie neoliberale Politik von Kräften wie den Grünen oder den Demokraten in den USA versuchen sie zu einem Kampf gegen „die Woken“ zu formen, die sie jedoch nicht deswegen angreifen, weil sie letztendlich den Interessen des Kapitals dienen, sondern wegen ihrer queerfreundlichen, antirassistischen und ökologischen Fassade.

Diese Ideologie wirkt zunehmend auch anziehend auf Jugendliche, insbesondere in ökonomisch abgehängten, eher ländlich geprägten Regionen. Diese Jugendlichen leiden besonders stark unter der Krise, haben entweder gar keine Perspektive oder nur die, ihr ganzes Leben für einen miesen Lohn harte Knochenarbeit verrichten zu müssen. Kein Wunder, dass das unzufrieden macht. Anders als in größeren Städten gibt es jedoch in Cottbus, Stralsund oder Bautzen kaum bis keine linken Strukturen, die eine Perspektive für diese Jugendlichen bieten könnten. Die vorhandenen reformistischen Strukturen wie SPD oder Linkspartei haben sich bereits durch ihre reformistische und fadenscheinige Politik bereits diskreditiert. Dadurch werden diese Jugendlichen häufig empfänglich für die Ideologie die Rechten. Diese verweist auf Rückbesinnung zu den traditionellen Werten wie Heimat und Familie, welche Stabilität geboten hätten, die durch die moderne „woke“ Ideologie zerstört worden sei. Damit wird die Unzufriedenheit umgelenkt, indem man ein rosiges „Früher“ zeichnet und die Sehnsucht danach dann in Traditionalismus und Nationalismus münzt.

Und auch das Auftreten der Rechten bis Faschisten wirkt ansprechend auf viele, vor allem männliche, abgehängte Jugendliche. So wird mit sportlicher Aktivität, vor allem Kampfsport oder Wandern, eine Möglichkeit geboten, in Kontakt mit anderen zu treten und der Anonymität und Vereinsamung zu entkommen. Durch das Suggerieren, man sei etwas Besonderes, weil man Deutsche:r sei und für „sein Vaterland einsteht“, wird Jugendlichen eine Identität gegeben, an der sie sich in der Krise festhalten können. Und durch die Ideologie des Kampfes gegen „die Woken“ und „die Ausländer“ wird ein Feindbild geschaffen, auf das die Enttäuschung und Wut über die eigene Perspektivlosigkeit gelenkt werden kann.

Rechte und Soziale Medien

Ein weiterer Faktor, der beim Rechtsruck unter Jugendlichen nicht vernachlässigt werden darf, ist die Rolle von Social Media. Insbesondere auf TikTok sind rechte Kräfte die politisch dominantesten. So hat die AfD eine höhere Präsenz auf TikTok als alle anderen Parteien zusammen. Eine gute Möglichkeit, sehr junge Menschen dort abzuholen, wo sie sind. Gerade auch in ländlichen Regionen, wo Social Media häufig die einzige Quelle für Politisierung darstellt.

Auch noch rechtere Kräfte, wie eben DJV und JS, mobilisieren ihre Unterstützer:innen zu großen Teilen über soziale Medien und verbreiten dort ihre rechte Hetze.

Um dagegen anzukämpfen ist es nötig, dass auch wir die Medien, auf denen wir selber uns privat sowieso viel herumtreiben, für politische Propaganda nutzen! Dass wir unsere Inhalte und unsere Mobilisierungen auf Insta, TikTok und Co. verbreiten, um Jugendlichen eine reale und solidarische Perspektive aus der Misere aufzuzeigen!

Es brauchte eine Perspektive von Links!

Die Unzufriedenheit vieler Jugendlicher, die sich die Rechten zu Nutze machen, ist, anders als das „Bündnis der Demokrat:innen“ es gerne verkündet, absolut berechtigt! Insbesondere in ökonomisch abgehängten Regionen vor allem Ostdeutschlands, wo es für uns kaum Möglichkeiten gibt, weder beruflich noch freizeittechnisch. Und darum reicht es eben nicht aus, bloß auf „Moral“ zu verweisen, welcher von vielen Jugendlichen völlig zurecht als Teil des Problems wahrgenommen wird. Stattdessen müssen wir Jugendlichen aufzeigen, dass das System selber das Problem ist und nicht ihre migrantischen oder queeren Mitschüler:innen oder Ausbildungskolleg:innen! Und dass die Rechten mit ihrer Hetze in Wahrheit im Interesse des Systems handeln, das sie verbal angreifen und beschimpfen. Nämlich indem sie die Unterdrückten auf Basis rassistischer oder sexistischer Kategorien spalten und durch Nationalismus gegeneinander aufhetzen.

Wir müssen stattdessen eine Perspektive aufzeigen, wie wir das Problem an der Wurzel packen. Wie wir auf den Rechtsruck mit einer Gegenoffensive von links antworten. Nämlich in dem wir uns an den Orten organisieren, an denen wir uns sowieso, gezwungen vom System, tagtäglich aufhalten müssen: In der Schule, an der Uni und im (Ausbildungs-)Betrieb! Dort müssen wir Strukturen schaffen, die unsere Wut in Widerstand umwandeln und dem System den Kampf ansagen! Dabei die Faschos aus der Schule werfen und antifaschistischen Widerstand leisten gegen den Rechtsruck unter Schüler:innen und Lehrer:innen! Wir müssen aufzeigen, dass eine bessere Zukunft für uns alle möglich ist und wir dafür kämpfen müssen! Mit Streiks an Schule, Uni und Betrieb – Gegen das kapitalistische System und seine Verwalter:innen, ganz gleich ob grün, schwarz, blau oder braun!




Wir müssen endlich im großen Stil Abschiebungen verhindern!

Gegen jede Abschiebung – Gegen Spaltung zwischen Geflüchteten!

von Jona Everdeen, Juli 2024

Drei geplante Abschiebungen sorgten letzte Woche für öffentliche Empörung und konnten durch Protest vorerst verhindert werden. So sehr wir uns darüber freuen: Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir endlich alle Abschiebungen beenden können.

Abschiebungen durch Proteste gestoppt

Abschiebungen in den Iran, gerade von Oppositionellen, sind keine Ausnahme. Für besondere Wut sorgte die drohende Abschiebung einer 17-jährigen iranischen Kurdin und ihrer Großmutter durch ein Flughafenverfahren. Das ist ein Verfahren, bei dem innerhalb von zwei Tagen entschieden wird, ob eine Person einreisen darf oder nicht. Das geschieht auf willkürlicher Basis und dient dazu, längere rechtliche Asylverfahren zu unterbinden. Ein längeres Verfahren wurde abgelehnt, weil die zuständigen Beamt:innen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge meinten, der Anspruch auf Asyl sei „offensichtlich unbegründet“ und ihr würde „im Iran keine Gefahr drohen“.

Den Schreibtischtäter:innen war egal, dass die Jugendliche an den Protesten gegen das Mullah-Regime vor bald 2 Jahren beteiligt gewesen war. Im Iran drohen Aktivist:innen wie ihr schwere Strafen bis zur Hinrichtung. Deshalb protestierten Menschenrechtsaktivist:innen und Poliker:innen gegen die drohende Auslieferung an das Terrorregime. Am Ende musste das Innenministerium einschreiten und den beiden die Einreise gewähren.

Für Unverständnis sorgte auch der Fall von Robert A. Bevor seine aus Serbien stammenden Eltern nach Deutschland kamen, wurde er in den Niederlanden geboren. Der 31-jährige lebt seit 30 Jahren in Chemnitz. Dort ging er zur Schule und lernte einen Beruf. Arbeiten durfte er nicht, die Ausländerbehörde verweigerte es. Jetzt soll er nach Serbien abgeschoben werden, ein Land, in dem er nicht geboren wurde und dessen Sprache er nicht spricht. Zu Gute kam Robert, dass er sich in der Vergangenheit für die Grünen engagiert hatte. Diese organisierten gemeinsam mit dem Flüchtlingsrat Proteste in Dresden und Chemnitz und forderten, dass Robert bleiben darf. Das sächsische Innenministerium erfüllte die Forderungen vorerst und reichte einen Antrag bei der Härtefallkommission ein, um die Abschiebung zu stoppen.

Im Fall von Joel, einem 18-jährigen Abiturienten aus Hamburg, wurde bereits entschieden, dass er bleiben darf. Mit seiner Volljährigkeit war sein Aufenthaltstitel abgelaufen. Er sollte nach Ghana abgeschoben werden, getrennt von seinem Vater und seiner Schwester. Mitschüler:innen und eine Lehrerin protestierten dagegen und setzten eine Petition auf, die von 100.000 Menschen unterschrieben wurde. Größere Proteste hätten das Abschieberegime der rot-grünen Hamburger Regierung als Ganzes in Frage stellen können. Vermutlich aus Angst davor lenkte der Senat ein und empfahl einen Aufenthaltstitel gemäß der Härtefallregel. Die Begründung war, Joel sei so gut integriert, dass es falsch wäre, ihn abzuschieben.

Diese Fälle, in denen Abschiebung durch Proteste verhindert wurde, zeigen, was möglich ist, wenn Menschen sich zusammenschließen, um für ihre Mitschüler:innen, Kolleg:innen, Nachbar:innen und Freund:innen einzugestehen. Doch diese Siege dürfen nur der Anfang sein, um gegen die menschenfeindliche Asylpolitik von BRD und EU anzukämpfen. Auf die Unterteilung in „gute“ und „böse“ Ausländer:innen dürfen wir uns nicht einlassen. Jede Abschiebung ist falsch und muss gestoppt werden!

Es trifft immer „die Falschen“?

Die Fälle der letzten Woche haben eines gemeinsam: Es trifft Menschen, die sich in den Augen der deutschen Öffentlichkeit „gut integriert“ haben, oder die voraussichtlich „gut integrierbar“ sind. Klar gibt es zahlreiche ultra-reaktionäre Rassist:innen bei der AfD und beim Dritten Weg, die von Blut und Boden schwadronieren und für die keine Integration mustergültig genug sein kann. Doch die liberalen, sozialdemokratischen und Teile der konservativen Parteien lassen sich gnädigerweise zu Ausnahmen herab: Wer fließend Deutsch kann, einen guten Schulabschluss gemacht hat und brav arbeiten geht, der darf gerne bleiben.

Diese Logik folgt der Erkenntnis, dass Migrant:innen unabdingbar für die deutsche Wirtschaft sind: ohne migrantische Arbeitskräfte könnte sie ihre aktuelle Stärke unmöglich aufrechterhalten, geschweige denn weiterwachsen. Dass allzu viele wahllose Abschiebungen wirtschaftliche Interessen gefährden würden, ist der deutschen Bourgeoisie bewusst. Dementsprechend trugen große Teile der liberalen und konservativen Bourgeoisie die Empörung über die Deportationspläne der Potsdamer Konferenz mit.

Von der Bourgeosie werden Migrant:innen stets zu einem bestimmten Zweck eingesetzt: Als billige Arbeitskräfte, in Konkurrenz zu den gewerkschaftlich organisierten deutschen Arbeiter:innen. Für Migrant:innen ist es schwieriger als für Deutsche, sich über miese Arbeitsbedingungen zu beschweren und dagegen zu protestieren. Sobald sie das tun, sind sie keine „nützlichen“ Ausländer:innen mehr, keine „gut integrierten“. Mit der Abschiebung droht eine Repression, die für deutsche Arbeiter:innen von unbekannter Härte ist.

Bei wem die Ausbildung hin zur „nützlichen Arbeitskraft“ zu aufwändig wäre, oder wer die Anforderungen nicht erfüllt, der muss gehen. Dieser unmenschlichen Logik müssen wir aufs Schärfste widersprechen. Die Zwangsintegration in die Interessen des deutschen Kapitals zeigt deutlich, dass „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ nur eine hohle Phrase ist.

Offene Grenzen statt Überausbeutung!

Für das deutsche Kapital bedeutet „gute Integration“ die Disziplinierung zu braven Untertan:innen, die jeden Scheißjob widerspruchslos hinnehmen, egal wie scheiße die Bezahlung ist und wie viele Überstunden geleistet werden müssen. Wir halten mit noch so vielen Überstunden und noch so schlechter Bezahlung widerspruchslos hinnehmen.

Dieser knallharten Brutalität halten wir eine andere Perspektive entgegen: offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für alle, dort wo sie leben! Diese Forderung steht im Widerspruch zum Kapitalismus, denn dieser ist in seinem höchsten Stadium, dem Imperialismus, darauf angewiesen, ärmere Länder auszupressen. Daraus werden Extraprofite abgeschöpft, die durch die Ausbeutung der eigenen nationalen Arbeitskraft nicht erreichbar sind.

Diese Extraprofite entstehen aus der Überausbeutung der Arbeiter:innen und kleinen Bäuer:innen halbkolonialer Länder in Afrika, dem „Nahen Osten“, Süd- und Südostasien und Lateinamerika. Diese Überausbeutung ist darauf angewiesen, dass die Grenzen dicht sind. Denn wenn Menschen, die in Nigeria von deutschen Konzernen überausgebeutet werden, ohne Probleme nach Deutschland gehen könnten, dann würde das ganze System nicht funktionieren.

Schluss mit Nützlichkeitsrassismus!

Wir wollen eine Welt frei von Ausbeutung, in Deutschland, in Nigeria, überall auf der Welt! Eine Welt in der jede:r frei von ökonomischen Zwängen entscheiden kann, wo er oder sie leben will. Doch wie kommen wir dahin?

Für uns gilt es, an bestehende Kämpfe anzuknüpfen, um Strukturen zu schaffen, die Abschiebungen verhindern können. Wir müssen die Selbstorganisation Geflüchteter unterstützen und diese mit den Kämpfen der Arbeiter:innenbewegung zu verknüpfen. An die Gewerkschaften müssen wir die Forderung richten, Geflüchtete aufzunehmen. Dadurch wird ihnen ermöglicht, für ihre eigenen Rechte zu kämpfen, und es wird verhindert, dass die Bourgeoisie sie weiterhin als Lohndrücker:innen gegen deutsche Arbeiter:innen einsetzt.

An unseren Schulen müssen wir uns für gerechte und inklusive Bildung für alle organisieren. Es braucht Antidiskriminierungsstellen, die rassistische Unterdrückung bekämpfen, sowie die Aufhebung der Segregation in sogenannte „Willkommensklassen“. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass keine:r unserer Mitschüler:innen mehr abgeschoben wird!

Wir wollen nicht, dass irgendjemand sich in die bürgerliche Ideologie von Leistungszwang und deutscher Leitkultur integrieren muss. „Desintegriert euch!“ steht groß an einer Hausfassade in Neukölln geschrieben. Das ist es, was wir allen migrantischen Arbeiter:innen und Jugendlichen ans Herz legen: den gemeinsamen Klassenkampf!




Nazi-Angriff auf Antifas- Wie können wir uns schützen?

Von Brokkoli Bittner, Juli 2024

Es ist Samstag der 6.7. 2024. Du machst dich auf den Weg zum Ostkreuz. Von dort aus soll es eine gemeinsame Anreise zu einer antifaschistischen Demonstration in Berlin-Hellersdorf geben. Kurz nachdem du den Treffpunkt erreichst, stürmen 20 Maskierte auf dich und die Leute los. Sie rufen „Kommt her! Ihr wollt doch Nazis boxen!“. Sie haben Schlagstöcke, Reizgas und Knüppel. Du schaffst es nicht mehr weg zu kommen. Du liegst auf dem Boden und spürst eine Minute lang massive Gewalt. Immer wieder wird gegen deinen Kopf getreten. Du  liegst auf dem Boden und wirst Krankenhaus reif geschlagen. Nach dem Angriff gibt es eine Reihe verletzter Linker. Genau das ereignete sich letzte Woche in Berlin.

Diese Gewalt gegen die Linke und Antifaschisten ist dabei immer normaler zu werden. Der III. Weg ist im letzten Jahr immer aktiver geworden. Er geht an Schulen und versucht Jugendliche für seine Jugendorganisation zu gewinnen. Er übt am heiligsten Tag auf Sportplätzen den Angriff auf Unterdrückte und Linke. Und der III. Weg übt nicht nur, er jagt uns auch, was der vergangene Monat mehr als verdeutlicht hat. In diesem gab es bundesweit Angriffe auf Linke, vor allem in Berlin. Es lässt sich auch damit rechnen, dass diese Angriffe nicht weniger werden.  Letztes Jahr hat der III. Weg versucht, den CSD in Berlin anzugreifen. Dieses Jahr hat er schon Gegenaktionen zum CSD in Dresden organisiert und es lässt sich auch davon ausgehen, dass sie wieder versuchen werden, den CSD in Berlin anzugreifen. Das allein ist schon beängstigend genug, aber es kommt dazu, dass der III. Weg noch gefährlicher ist als letztes Jahr.  Während vor einem Jahr die Nazis mit blanken Fäusten Queers klatschen wollten, sehen wir, dass die Nazis nun auch bewaffnet sind. Siehe zum Beispiel den Angriff am Samstag. Doch wie können wir uns vor diesen Angriffen schützten oder sie gar für immer verhindern?

Selbstverteidigungsstrukturen aufbauen!

Es ist wichtig zu wissen, dass der Staat niemanden davon abhalten wird, Linke oder Unterdrückte zu schlagen. Denn genau dieser Staat lässt Unterdrückte und Linke täglich seine Gewalt spüren: Wenn er auf unsere Demos einprügelt oder uns aufgrund unserer Hautfarbe ermordet. Warum sollte dieser Staat uns also jetzt beschützen? Das zeigt der Angriff am Samstag auch noch mal. Während Linke kassierten haben, haben die Cops zugeschaut. Doch wenn der Staat uns nicht schützt, dann müssen wir es selber tun. Das heißt aber nicht, dass wir uns alle individuell eine Dose Pfeffer Spray kaufen und damit sicher sind, sondern vielmehr, dass wir Strukturen aufbauen für Selbstverteidigung. Diese Strukturen müssen lokal, also an Schulen, Unis und Betrieben aufgebaut werden, denn das sind die Orte wo wir unseren Tag verbringen und wo wir auch angegriffen werden können. Vor allem Schulen sind hier wichtig, da wir wissen, dass der III. Weg gerade immer wieder versucht, dort Leute zu erreichen durch Infostände und das Verteilen von Flugblättern. Auch um solche Verteil-Aktionen zu unterbinden, sind diese Strukturen wichtig. Diese Strukturen müssen auch von der Gewerkschaft aufgebaut werden, denn diese sind der Kontakt in die Betriebe. Außerdem sind ihre Mitgelder eher von rechten Angriffen bedroht, denn Faschos wollen nicht, dass wir uns zusammen schließen und die Krisen sozial bekämpfen- ein Potenzial, das vor allem Gewerkschaften haben. Und so ist es auch die Verantwortung der Gewerkschaften, dass ihre Mitglieder geschützt werden. In diesen Selbstverteidigungsstrukturen muss es kostenfreie Selbstverteidigungs-Kurse für jede:n geben. Es muss aber auch die Möglichkeit geben, dass diese Strukturen bei Angriffen schnell da sind, um uns und andere verteidigen zu können. Diese Strukturen sind es auch, die bei Demonstrationen wie der Demo am Samstag oder dem CSD rechte Angriffe abwehren und die Demo schützen können.

Selbstverteidigungsstrukturen sollten keine Jagd auf den III. Weg machen. Denn klar ist, dass wir nicht einfach jeden Fascho verhauen können bis der Rechtsruck endet. Jeder Angriff auf Nazis ist auch ein Risiko für uns und dieses Risiko zu akzeptieren macht nur Sinn, wenn der Gewinn es wert ist. Doch mit 5 gebrochen Nazi-Nasen allein ist niemanden geholfen.

Ein Ende der Angriffe wird es erst geben, wenn die Rechten politisch geschlagen wurden. Doch wie tun wir das?

Dafür müssen wir verstehen warum die Rechten aktuell so einen Zulauf haben. Hier sehen wir, dass vor allem in der sozialen Krise Rechte profitieren. Denn dann schaffen es die Rechten, den Leuten glaubhaft zu machen, dass nicht der Kapitalismus das Problem ist, sondern der Migrant neben dir. In ihrer Logik sind Menschen arm, weil andere arme Menschen, z.B. Migrant:innen oder Arbeitslose, Sozialleistungen empfangen. Aber es ist nicht der Migrant wegen dem wir zu wenig Geld haben, sondern der Kapitalist, der sich den Profit, den wir produzieren, in seine Tasche steckt, anstatt ihn der Gemeinschaft zugutekommen zu lassen. Das verschweigen die Rechten aber. Sie wollen nicht, dass wir fragen, warum wir von unseren Bossen beklaut und ausgebeutet werden, sondern wollen uns verkaufen der Migrant sei schuld. Diese Lügen gilt es als aufzudecken. Es braucht eine Einheitsfront aus Gewerkschaften, Linkspartei und SPD die genau das tut, denn sie sagen ja, dass für sie der Kampf gegen Rechts so wichtig sei. Dann sollen sie endlich gegen die soziale Krise kämpfen indem sie die Reichen dafür zahlen lassen. Es sind diese Organisationen, sowie die Jugend und alle Unterdrückten, die wenn sie sich zusammen tun, etwas gegen den Rechtsruck tun können. Das Wichtigste dabei bleibt: ein richtiger Kampf gegen Rechts ist ein Kampf gegen das System, was den Rechten den Nährboden gibt.

Lasst uns also gemeinsam dafür kämpfen, dass es keine weiteren rechten Angriffe gibt. Lasst uns den Rechten das Handwerk legen.




Was ist eigentlich antimuslimischer Rassismus und woher kommt er?

Von Dilara Lorin und Stephie Murcatto, April/Mai 2024, Revolution Zeitung 2/2024

„Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse!“

Dass die rechtsextreme AfD-Abgeordnete Alice Weidel diesen Satz im Bundestag gesagt hat, ist noch gar nicht so lange her. Lehrer:innen, die deine Hijab tragenden Mitschüler:innen verbal angreifen und fragen, ob sie dazu gezwungen wurden und das Kopftuch wieder abnehmen sollen, bis hin zu Sprüchen wie „Na bekommt dein Gehirn darunter noch Luft“. Oder die Wohnungssuche, bei der Vermieter:innen einen Lukas einem Hamid vorziehen, obwohl beide die gleichen Unterlagen vorlegen, was zu offener Diskriminierung und Benachteiligung führt und auf dem Arbeitsmarkt nicht anders aussieht. Dies sind nur Bruchstücke des antimuslimischen Rassismus, mit dem viele Menschen tagtäglich konfrontiert sind. Dabei hat sich die Lage in Deutschland seit dem 7. Oktober 2023 verschlechtert, indem alle Muslim:innen unter Generalverdacht gestellt werden. Vize-Kanzler Robert Habeck fordert in einer Ansprache alle Muslim:innen dazu auf, sich zum 7. Oktober zu verhalten und Israel als Staat anzuerkennen. Würde dem nicht Folge geleistet, könnten sie Gefahr laufen, ihren Aufenthaltstitel zu verlieren. Der Generalverdacht, der von allen Seiten der deutschen Politik kommt, ist ein Schlag ins Gesicht der 5,3 – 5,6 Millionen in Deutschland lebenden Muslimen (ungefähr 6,4 – 6,7 Prozent der deutschen Bevölkerung). Doch was ist antimuslimischer Rassismus und woher kommt er? Um dies zu verstehen, müssen wir uns zuerst anschauen, was Rassismus ist:

Was ist Rassismus?

Eines ist klar: Rassismus ist kein Produkt der „menschlichen Natur“ und auch nicht Ausdruck einer „tief verwurzelten Angst vor dem Fremden“. Vielmehr ist Rassismus eng mit der Entstehung bürgerlich-imperialistischer Nationalstaaten verbunden. In einer Zeit, in der der Kapitalismus einen Weltmarkt schuf und die Nationalstaaten neue Märkte erschließen mussten, wuchs aufgrund der kolonialen Ausbeutung das Bedürfnis nach Erklärungen, die die „Unzivilisiertheit“ dieser Menschen konstatierten und sie damit zu ewigen „Dienern des weißen Mannes“ machten. Damit war der Boden bereitet für die pseudowissenschaftliche Erklärung ihrer „Minderwertigkeit“ durch den Rassenbegriff. Rassismus übersteigt jedoch bloße sprachliche oder kulturelle Kategorisierungen und nutzt phänotypische Merkmale wie zum Beispiel Hautfarbe und Kopfform, um Menschen in vermeintlich feste Gruppen einzuteilen. Der Rassenbegriff diente als effizientes Werkzeug für bürokratische Grenzziehungen und demagogische Mobilisierung. Der Rassismus ermöglicht auch die Zuteilung unterschiedlicher Rechte je nach Zugehörigkeit zu einer „rückständigen“ oder „zivilisierten“ Nation oder Nationalität. Damit wird die ethnische Zugehörigkeit zu einem imperialistischen „Staatsvolk“ positiv und die zu allen anderen negativ bewertet, was zu einer Abwertung der Angehörigen unterdrückter Nationen führt. Rassismus ist tief in unserem gegenwärtigen Herrschaftssystem verankert. Die materielle Basis des Rassismus‘ in der Arbeiterklasse ist die massenhafte Überausbeutung in den Halbkolonien, die einem Teil der Arbeiterklasse in den imperialistischen Ländern einen gewissen Wohlstand zu garantieren scheint.

Was zeichnet antimuslimischen Rassismus aus?

Dabei handelt es sich um eine Form des Rassismus, der sich nicht nur gegen religiöse Sympathien und Praktiken richtet, sondern gleichzeitig Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft rassifiziert und dem Islam zuordnet. Antimuslimischer Rassismus und Islamophobie machen den:die „Muslim:in“ zu einer unveränderlichen Sache, sodass Menschen verschiedener Nationalitäten und sogar Glaubensrichtungen als „muslimisch“ charakterisiert werden. Somit trifft antimuslimischer Rassismus nicht nur Muslim:innen sondern auch diejenigen, die scheinbar „muslimisch“ aussehen oder Menschen sind, die aus einem Land mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung stammen. Dabei hat der antimuslimische Rassismus einen ähnlichen Zweck wie der Rassismus: Spaltung der Arbeiter:innenklasse und herausentwickeln einer prekären Schicht dieser, Trennung des Arbeitsmarktes und Legitimation von Kriegen und imperialistischen Interessen. Durch die Spaltung der Arbeiter:innenklasse wird einerseits eine einheitliche Masse der Ausgebeuteten verhindert und andererseits können jene Arbeiter:innen besser ausgebeutet werden, die aufgrund ihrer Rassifizierung nicht die gleichen Rechte erhalten. Die Verbindung der Diskriminierung von Arbeitsmigrant:innen mit ihrer rassistischen Brandmarkung als „Muslimin:innen“ stellt diese als „Gefahr“ für „zivilisierte“ Gesellschaften dar. Diese Charakterisierung wird zunehmend von Rechtsextremen aufgegriffen und mit Verschwörungsideologien verknüpft. Ein Beispiel dafür ist die sogenannte „Islamisierung des Abendlandes“, wegen der angeblich muslimische Einwanderung stattfindet, um die weiße Bevölkerung zu marginalisieren. So soll die Abschottung und Rückführung von Geflüchteten besser gelingen. Letztendlich sind alle Formen von Islamophobie und antimuslimischem Rassismus rassistische Ideologien, die der Unterdrückung von eingewanderten und geflüchteten Arbeiter:innen dienen sowie einen ideologischen Deckmantel für „humanitäre“ Interventionen in Halbkolonien oder die Unterstützung des zionistischen Staates rechtfertigen.

Wie ist der antimuslimische Rassismus entstanden?

In den letzten Jahren hat sich der Rassismus gegen Muslim:innen und die Islamophobie erheblich verändert, wodurch dem antimuslimischen Rassismus ein anderer Charakter verliehen wurde. Seit den 2000er Jahren können wir erkennen, dass der antimuslimische Rassismus eine dominierende Form des Rassismus in den imperialistischen Ländern eingenommen hat. Dies hat seine Ursache in verschiedenen historischen Entwicklungen. Eine davon ist der Zusammenbruch der Sowjetunion, der die Weltlage schlagartig verändert und die USA dazu veranlasst hat, die Welt neu ordnen zu wollen, um ihre Hegemonie und ihre Machtansprüche zu sichern. In den USA wurden in dieser Zeit immer mehr Bücher und Publikationen veröffentlicht, die Wege und Strategien für die Hegemonie der USA skizzieren. Dabei wurden vor allem andere imperialistische Länder wie China und Russland als Rivalen dargestellt und Strategien veröffentlicht, die verhindern sollten, dass diese Länder die Hegemonie der USA angreifen können. Eines dieser rassistischen Bücher war Huntingtons Clash of Civilisations (Kampf der Kulturen), das auch den „Islam“ als einen Imperialismus beschrieb, der sich zu einem globalen Rivalen entwickeln könnte, und das voller rassistischer Ideologie war. Dabei ist der Islam weder eine wirtschaftliche Einheit noch eine Nation oder eine Föderation von Nationen. Er ist kein Rivale um die Weltmacht. Aber er eignet sich gut als globaler Feind, der sowohl intern als auch extern ist. Nach den Angriffen am 11. September 2001 wird diese Ideologie dann genutzt, um den sogenannten „war on terror“ zu legitimieren und dutzende imperialistische Kriege wie in Afghanistan, auf vermeintlich muslimische Länder im Mittleren Osten, aber auch überall in der Welt zu legitimieren. Außerdem bietet es nicht nur eine ideologische Rechtfertigung für die Destabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens, sondern auch für die polizeiliche Überwachung und Stigmatisierung der muslimischen Bevölkerung. Dafür mussten der „Islam“ und der „Islamismus“ als einheitliches Gebilde konstruiert werden, um somit einen homogenen, gefährlichen und barbarischen Feind zu kreieren, dessen Anhänger:innen zu einer rückständigen Kultur gehören, die nicht in die moderne, demokratische Gesellschaft integrierbar ist. Dass im Islam selbst unterschiedliche Schulen und Glaubensauslegungen vorherrschen, beispielweise Unterschiede zwischen Schiiten und Sunniten, spielt dabei gar keine Rolle. Dabei wird oft von allem Islam als Islamismus gesprochen, ohne zwischen echtem Islamismus (politischem Islam) und dem Islam als bloßer Religion zu unterscheiden. So werden die in Deutschland stattfindenden Pro-Palästina-Demonstrationen von Robert Habeck als islamistisch bezeichnet, obwohl es sich bei den Organisatoren größtenteils um säkulare, linke Organisationen handelt.

Situation von Muslim:innen

Insgesamt gehört die Mehrheit der Muslim:innen in der EU zu den prekären Teilen der Arbeiter:innenklasse: So ist die Arbeitslosenquote unter türkischen Arbeiter:innen in Deutschland oder unter pakistanischen und bangladeschischen Arbeiter:innen in Großbritannien um 15 bis 40 Prozent höher als im nationalen Durchschnitt; man kann also sagen, dass die Arbeitslosenquote unter Migrant:innen und Muslim:innen (soweit getrennte Daten vorliegen) wesentlich höher ist als im nationalen Durchschnitt. Dadurch wird deutlich, dass Muslim:innen systematischer Unterdrückung, Diskriminierung und Stigmatisierung ausgesetzt sind, was als Folge Ghettoisierung mit sich bringt.

Auf dem Arbeitsmarkt und in der Schule erleben Migrant:innen und Muslim:innen alltägliche Diskriminierung und Unterdrückung aufgrund ihrer Herkunft und Religion, auch wenn es in vielen Ländern oberflächliche Antidiskriminierungsgesetze gibt, die nicht verhindern, dass z. B. die Arbeitssuche für Migrant:innen mit Kopftuch wesentlich schwieriger ist als für weiße Frauen ohne Kopftuch. Auch in der Schule ist es für Schüler:innen aufgrund ihrer sozialen Lage schwieriger, akademische Erfolge zu erzielen, was insgesamt dazu führt, dass Muslim:innen (und Migrant:innen insgesamt) tendenziell in schlechter bezahlten Sektoren arbeiten als weiße Arbeiter:innen.

Wir wollen im zweiten Teil der Artikelreihe zu antimuslimischem Rassismus genauer darauf eingehen, was wir tun können, um dagegen anzukämpfen. Welche Forderungen sollten wir im Kampf aufstellen? Wieso ist der Kampf für Religionsfreiheit für alle wichtig? Seid gespannt.




3 Gründe, warum “Willkommens”klassen nichts mit Inklusion zu tun haben

April 2024

Es klingt erst mal nett: eine Klasse, in der geflüchtete Kinder und Jugendliche willkommen geheißen werden, gemeinsam Deutsch und Lesen und Schreiben lernen, um dann einen einfachen Einstieg in den Regelunterricht zu haben. Da hat man gar nicht mehr diesen spaltenden flavour wie damals, als dasselbe Konzept noch „Ausländerklassen“ genannt wurde. Zu Recht? Nein, die Regierung will uns pranken und die Leidtragenden des Pranks sind unsere geflüchteten Mitschüler:innen (sowie in geringerem Maße die Lehrkräfte und alle anderen im Schulbetrieb). Wir sind „Jugend gegen Abschiebung“ und wir wollen nicht nur Abschiebungen verhindern und den Rechtsruck stoppen, sondern in eine antirassistische Gegenoffensive übergehen, deswegen bieten wir euch hier ein paar Fakten sowie 3 Argumente gegen „Willkommens“klassen und einige Stichpunkte, was wir stattdessen bräuchten für einen inklusiven Schulalltag für alle.

Die Schulpflicht in Deutschland ist in der Regel nicht abhängig vom Aufenthaltsstatus, d.h. geflüchtete Kinder sind genauso schulpflichtig wie hier aufgewachsene. Wie genau Geflüchteten der Schulbesuch ermöglicht werden soll, ist aber Ländersache und es funktioniert überall ein kleines bisschen anders. In elf Bundesländern ist dies in sogenannten Willkommensklassen (WK) organisiert, wir beziehen uns hier der Einfachheit halber vor allem auf eines dieser elf: Berlin. Es gibt hierzu nicht extrem viele kritische Untersuchungen, wir empfehlen aber ‚Die Kontinuität der Separation‘ (Karakayalı et al.), auf die wir uns auch hier beziehen. Während der Senat einige Grundlinien und Ziele formuliert hat (neben dem deutschen Spracherwerb z.B. die „Vermittlung kultureller Werte, Normen und Verhaltensweisen des Aufnahmelandes Deutschland“), bleibt die genaue Ausgestaltung weitgehend den einzelnen Schulen überlassen, sodass auch die Probleme je nach Schule in unterschiedlichem Maße zu Tage treten.

1. Direkte Ausgrenzung im Schulalltag

Dass WK nicht besonders inklusiv sind, wird schon auf räumlicher Ebene bemerkbar, etwa wenn der Unterricht in entlegenen Teilen der Schulgebäude, im Hort oder wie in einigen Fällen, sogar in einem gänzlich verschiedenen Gebäudekomplex oder in der Unterkunft stattfindet, sodass überhaupt keine gemeinsam genutzten Räume von nicht und neu zugewanderten Schüler:innen bestehen. Dieses Prinzip setzt sich fort, wenn WK nicht an Schulfesten, Tagen der offenen Türen beteiligt sind, wenn WK nicht auf Klassenfahrten fahren oder wenn den geflüchteten Schüler:innen keinen Mitwirkung in der Schüler:innenvertretung ermöglicht wird. Nachmittagsangebote werden zwar formal angeboten, können aber oft insbesondere in Grundschulen allein schon deshalb nicht genutzt werden, weil die Eltern nicht über die Möglichkeiten informiert werden.

2. Schlechte Behandlung und strukturelle Benachteiligung

Auf dem Schulhof verprügelt, Sand in den Mund gesteckt, von Lehrer:innen angeschrien oder gewaltsam durch den Klassenraum gezerrt. Die zahlreichen Beispiele von Diskriminierung gegenüber geflüchteten Schüler:innen sind keine Einzelfälle, sondern Ausdruck einer systematischen Unterdrückung. Die Schüler:innen in den WK sind, dadurch dass sie unter sich bleiben, abgeschnitten von Mitteln, um sich gegen ihre Diskriminierung zu wehren, die Zeug:innenschaft der anderen Schüler:innen bleibt aus und deren Solidarisierung wird erschwert. Im Übrigen sind auch die zusätzlichen Lehrkräfte in den WK zum Teil Mobbing durch die anderen Lehrer:innen ausgesetzt.

3. Mangelnde Ressourcen und nobody cares

Wir haben bereits an anderer Stelle die These aufgestellt, dass sich das deutsche Bildungssystem in einer tiefen, sich stetig weiter zuspitzenden Krise befindet. Vor dem Hintergrund von maroden Schulgebäuden, dringendem Lehrkräftemangel und unzeitgemäßen Unterrichtsformen erhärtet sich der Eindruck, dass Willkommensklassen in erster Linie dazu dienen sollen, den Schulbetrieb in den Regelklassen möglichst „ungestört“ weiterlaufen zu lassen, bzw. dessen endgültigen Kollaps zu verhindern. Um die Bedürfnisse der geflüchteten Schüler:innen geht es eigentlich nicht. Dafür existieren auch gar nicht die Mittel. Ein Drittel der Berliner Schulen mit WK hat nicht einmal ein schriftliches Konzept für diese. Durch den Raummangel werden WK teilweise in Unterkünfte verdrängt oder müssen in Horträumen unterrichten, inmitten zwischen den Bastelsachen für die Regelschüler:innen, die die Geflüchteten nicht anfassen dürfen. Weniger als 5% der Lehrkräfte sind ausgebildet für das Lehramt von Deutsch als Fremdsprache und an mehr als einem Viertel der Schulen unterrichten überhaupt keine ausgebildeten Lehrer:innen in den WK. Die meisten Lehrkräfte sind zudem nicht darauf vorbereitet, mit den traumatisierenden Erfahrungen, die die Schüler:innen auf der Flucht gemacht haben, angemessen umzugehen.  Digitale Lehrmaterialien werden fast überhaupt nicht in WK genutzt, teilweise sind die Lehrer:innen sogar dafür verantwortlich, sich privat um ihre Lehrmittel zu kümmern. Dies alles führt dazu, dass selbst wenn die Geflüchteten nach einer gewissen Zeit in den Regelunterricht überwechseln, sie den Inhalten meistens nicht folgen können. Schließlich gibt es auch einfach nicht genügend Plätze in den WK, sodass allein in Berlin tausende Jugendliche monatelang auf einen Schulplatz warten müssen.

Was bräuchte es stattdessen?

Wir wollen in der Zukunft ein detaillierteren Forderungskatalog für eine antirassistische Wende an den Schulen erarbeiten und wir laden dich als interessierte:n Schüler:in herzlich dazu ein, dabei mitzudiskutieren. Als ersten Schritt schlagen wir aber die folgenden Eckpunkte vor:

  • Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in die regulären Klassen ab dem ersten Tag
  • Wahlmöglichkeit zwischen Unterricht in der Muttersprache oder Unterstützung durch DaF-Lehrer:innen und Übersetzer:innen
  • umfassende psychologische Betreuung zur Traumaverarbeitung
  • Kennenlern- und Vermittlungsangebote zwischen nicht und neu zugewanderten Schüler:innen (gemeinsam Fußballspielen, Musizieren, Spiele spielen…)
  • Vollen Zugang zu politischer Mitbestimmung an der Schule für WK-Schüler:innen
  • eine selbstverwaltete Antidiskriminierungsstelle (siehe unseren Artikel zu dieser Forderung)

Wir sollten jetzt in allen Schulen die Frage der Willkommensklassen diskutieren, die bestehende Ungerechtigkeiten aufzeigen und gemeinsam nach Alternativen suchen. Vielleicht fragst du einmal die Schüler:innen in der WK, wie es ihnen im Schulalltag geht und für welche Verbesserungen sie sich mit einsetzen würden.

Bei alldem müssen wir aber dennoch klar benennen, dass der Schulbesuch nicht von den Angriffen auf das Asylrecht gesondert betrachtet werden kann. Niemand kann sich in der Schule wohlfühlen, wenn man von Abschiebung bedroht ist, wenn man nachts nicht schlafen kann, weil es in der überfüllten Unterkunft zu laut ist oder wenn das wenige Geld auf der Bezahlkarte nicht reicht, um die Grundbedürfnisse zu bedienen. Wir betrachten daher den Kampf für Inklusion an der Schule als Teil des Kampfes gegen den staatlichen Rassismus, für Bleiberecht und volle Staatsbürgerrechte für alle!

Quellen:

https://www.dipf.de/de/forschung/pdf-forschung/steubis/wiko-studie-zusammenfassung-zentraler-befunde
https://www.waxmann.com/index.php?eID=download&id_artikel=ART102186&uid=frei
https://taz.de/Willkommensklassen-in-Berlin/!5933590
https://www.dw.com/de/ukrainische-sch%C3%BCler-kritik-an-willkommensklassen/a-64077205
https://mediendienst-integration.de/fileadmin/Dateien/Expertise_Willkommensklassen.pdf
https://www.berliner-zeitung.de/open-source/integration-an-berliner-schulen-fragwuerdiger-umgang-mit-willkommensklassen-li.2148195